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Ethnomedizin in Hannover
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Ethnomedizin in Hannover
Was ist „Ethnomedizin“ in unserem Sinne?
• Nicht die Anwendung alternativer Heilmethoden anderer Kulturen
sondern
• die gezielte Berücksichtigung soziokultureller und ethnischer Besonderheiten in der Schulmedizin
• ein gezieltes stationäres Angebot an muslimische Migranten
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Situation in Hannover
Clemi
Medizinische Hochschule
Nordstadt
Siloah
OststadtHeideh.
Hautkl.
Burgw.
Gehrden
Neust.
Springe
Agn.K.
Lehrte
Henriettenst .Annast.
Lister
Friederikenst.
Sophie
Paraz.
Vinzenz
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Ethnomedizin in Hannover
Ethnomedizin in der DRK-Bertaklinik
• Am 01. Januar 2005 hat in der DRK-Bertaklinik eine ethnomedizinischeAbteilung eröffnet
• als Teil eines Netzwerkes in Hannover, das sich besonders der Betreuung muslimischer Migranten widmet
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Warum Ethnomedizin?
Migration hat Einfluß auf das Risiko zu erkranken
• Direkt abhängig vom Minderheitenstatus und von der psychosozialen Belastungder Migration: Familientrennung, Statusverlust, Arbeitsplatzbelastung, ….
Migration verringert die Chance, eine adäquate Ther apie zu erhalten
• Sprachbarrieren und Informationslücken gerade bzgl. komplexer medizinischer Themen (Körper, Gesundheit, Sexualität, …)
• Unterschiedliche kulturelle Gesundheits- dun Krankheitskonzepte (ganzheitliche Wahrnehmung von Krankheit, äußere Kräfte als Ursache für seelische Störungen, …)
• Anpassungsdruck in der besonderen Situation des Krankenhausaufenthaltes
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Warum Ethnomedizin?
Situation in Hannover
• 2003 lebten ca 78.000 Menschen mit Migrationshintergrund in Hannover, davon allein 21.200 türkischer Herkunft. In der Mehrzahl Muslime.
• Die ambulante Versorgung übernahmen 4 große Schwerpunktpraxen, einige spezialisierte Facharztpraxen und ein transkultureller Pflegedienst.
• Es fehlten: ein ethnomedizinisches Angebot auf Krankenhausseite, spezialisierte Einrichtungen der Rehabilitation und Seniorenbetreuung.
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Warum Ethnomedizin?
Warum muslimische Migranten?
• Eindeutige Zuordnung dieser kulturellen Gruppe zu den spezialisierten Einweisern
• Bedarf an stationärem Angebot vorhanden
• Relativ homogene Patientengruppe mit umschriebenen soziokulturellen Besonderheiten
• Gute Möglichkeiten, die Öffnung einer Klinik für Muslime sichtbar zu machen.
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Ethnomedizin in der DRK-Bertaklinik
Erstmals sind auf dieser ethnomedizinischen Station
• alle Mitarbeiter intensiv geschult, soziokulturelle muslimische Besonderheiten zu beachten
• gezielt Ärzte und Pflegepersonal muslimischer Herkunft eingestellt
• Niedergelassene muslimische Allgemeinmediziner als beratende Ärzte tätig
• Angehörige ausgefordert und unterstützt, sich bei der Patientenversorgung und Pflege zu beteiligen
• garantiert muslimische Kostformen im Angebot.
• Gebete in einem eigens dafür eingerichteten Raum möglich
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Ethnomedizin in der DRK-Bertaklinik
Vorteile in der stationären Versorgung
• Kommunikation: Weniger Kommunikationsdefizite durch Sprachbarrieren und unterschiedlichem Krankheitsverständnis
• Soziale Einbindung in Familienverband: stärkeres Einbeziehen von Angehörigen in Betreuung und Therapie (Beispiel Diabetes mellitus)
• Wohlfühlen als Voraussetzung der Genesung: Krankenhaus als Stressfaktor besonders für Patienten aus einem anderen Kulturkreis.
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Ethnomedizin in der DRK-Bertaklinik
Unser erster Patient
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Ethnomedizin in der DRK-Bertaklinik
Weiterer Verlauf
• Bereits 2006 wurde die DRK-Bertaklinik (unerwartet, aus Budgetgründen) geschlossen und die Mitarbeiter und Ärzte ins Clementinenhaus integriert
• Die Ethnomedizin haben wir in der Paracelsusklinik am Silbersee neu etabliert
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Ethnomedizin in Hannover
Implementierung in der Paracelsusklinik am Silberse e
• Entscheidung der Klinikleitung
• Vorstellung in einer Betriebversammlung
• Konzeptentwicklung
• Einstellung neuer MA, Schulung betroffener Mitarbeiter, Gebetsraum, Kostform, Tagesablauf und Infomaterial auf türkisch, ….
• Handbuch Ethnomedizin, Diplomarbeit
• Einbeziehen der türkischen Gemeinde, großes Einführungsfest
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Ethnomedizin in Hannover
Erfahrungen
• Großes Medieninteresse
• Im 1. Jahr deutliche Steigerung der Patientenzahlen
• Rückmeldungen durch entlassene Patienten und Hausärzte waren durchweg positiv
• Es kamen nicht nur türkisch-muslimische Migranten sondern auch Patienten anderer Ethnien
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Ethnomedizin in Hannover
Erfahrungen
• Für die Patienten am wichtigsten: in Ihrer Individualität akzeptiert zu werden
• Mitarbeiter: die Beschäftigung mit dem Islam und die Arbeit auf Station förderte die „allgemeine“ interkulturelle Offenheit.
• Unter diesen Bedingungen sind im täglichen Ablauf jederzeit Kompromisse möglich
• Prozesse: mussten aktiv neu gestaltet und transparent gemacht werden.
• Teams: die Beschäftigung mit dem Thema „muslimische Migranten“ brachte neuen Zusammenhalt
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Ethnomedizin in Hannover
Stand 2013
• Seit Sommer 2008 sind die Patientenzahlen bzgl. „Ethnomedizin“ rückläufig, von einem Schwerpunkt kann nicht mehr gesprochen werden.
• Ursache: Uneinigkeit unter den Einweisern
• Geblieben sind: interkulturelle Offenheit, Transparenz der Stationsprozesse, gute Teamstrukturen, Projekt- und Managementerfahrung der MitarbeiterInnen
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Ethnomedizin in Hannover
Fazit
• Es besteht weiterhin Bedarf an einem stationären ethnomedizinischen Angebot (auch im Bereich der Altenpflege, ….)
• Die Einführung eines solchen Angebotes ist mit überschaubarem Aufwand möglich
• Grundvoraussetzung: stabile Einweiserstruktur
• Ausbaufähig: ambulante Netzwerke
• Folge der Etablierung: interkulturelle Öffnung
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Vielen Dank!