Judith Haas
1436945
Erziehung im Wandel der Zeit -
Kinder fördern und auf das Leben
vorbereiten.
Masterarbeit
zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Science
im Rahmen des Universitätslehrganges
für Lehrerinnen und Lehrer der Gesundheits- und
Krankenpflege
Begutachterin:
Mag.a Dr.in Christine Fischer
Karl-Franzens-Universität Graz
und UNI for LIFE
Graz, Mai 2017
Ehrenwörtliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und
ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht
benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen
als solche kenntlich gemacht habe. Die Arbeit wurde bisher in gleicher oder
ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder ausländischen
Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die
vorliegende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.
12. Mai 2017 Unterschrift:
Danksagung
Ich möchte folgenden Menschen danken, die mich während meiner Arbeit
mit ihrer Liebe und Geduld unterstützt haben. Das Schreiben der
Masterthesis erforderte Zeit, Ruhe und Geduld. Ohne euch hätte ich das
nicht geschafft.
Zuerst meiner Familie: Meinem Mann Mathias und unseren Kindern Emma
und Mathias Junior danke ich dafür, dass sie Teil meines Lebens sind. Ohne
eure moralische Unterstützung hätte ich meine Arbeit nicht so zügig
beenden können.
Meinen aufrichtigen Dank richte ich an mein Vorbild Tante Gerti, die mir
meine Arbeit mehrmals Korrektur gelesen hat.
Sehr bedanken möchte ich mich bei meiner Mutter, die mir immer wieder
den Rücken frei hielt, damit ich Zeit zum Schreiben fand.
An Frau Mag.a Dr.in Christine Fischer geht mein Dank für ihre Ideen. Sie
ermutigte mich „einfach loszulegen“. Ich möchte ihr danken, dass sie mich
in meinem „Tun“ selbstständig arbeiten ließ und mich nie einschränkte.
Ein herzliches Dankeschön an alle genannten Personen. Ihr habt mich in
hohem Maße während dieser nicht immer einfachen Zeit mit Verständnis,
Zuspruch und Geduld begleitet.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ..................................................................................................... 0
1 Einleitung .......................................................................................... 1
2 Der Erziehungsbegriff ...................................................................... 3
2.1 Erziehung nach Nohl (1933) .................................................................. 3
2.2 Erziehung nach Bokelmann (1970) ........................................................ 3
2.3 Erziehung nach Brezinka (1990) ............................................................ 4
2.4 Erziehung – Conclusio ........................................................................... 4
3 Intentionale Erziehung vs. funktionale Erziehung ......................... 6
3.1 Erziehung aus Sicht des Kindes ............................................................ 7
3.1.1 Umweltreize als Anregung zur Erziehung ....................................... 8
3.1.2 Autonomie vs. Abhängigkeit von heranwachsenden Menschen ...... 9
3.1.3 Akzeptanz, sich erziehen zu lassen ................................................ 9
3.1.4 Erziehungspersonen akzeptieren ................................................. 10
4 Werte in der Erziehung ................................................................... 12
4.1 Wertvorstellung .................................................................................... 12
4.2 Wert der Gleichwürdigkeit .................................................................... 12
4.3 Wert der Authentizität .......................................................................... 13
4.4 Wert der Verantwortung ....................................................................... 13
4.5 Wert der Integrität ................................................................................ 13
5 Erziehungsziel ................................................................................. 14
5.1 Definition Erziehungsziel ..................................................................... 14
6 Epochaler Verlauf der Erziehung .................................................. 15
6.1 Erziehung in der griechischen Antike ................................................... 15
6.1.1 Sokrates ....................................................................................... 16
6.1.1.1 Ziel der Erziehung aus sokratischer Ansicht .............................. 17
6.1.1.2 Sokratische Methode ................................................................ 17
6.1.1.3 Zusammenfassung ................................................................... 18
6.2 Mittelalter und Renaissance ................................................................. 19
6.2.1 Kindheit im Mittelalter ................................................................... 19
6.3 Karl der Große ..................................................................................... 20
6.3.1 Die Bedeutung des Bildungskanons ............................................. 21
6.3.2 Die septem artes liberales ............................................................ 22
6.3.2.1 Das Trivium ............................................................................... 23
6.3.2.2 Das Quadrivum ......................................................................... 23
6.3.2.3 Zusammenfassung ................................................................... 24
6.4 Aufklärung ........................................................................................... 25
6.4.1 Über das Leben Rousseaus ......................................................... 25
6.4.1.1 Rousseaus Prinzipien der Erziehung ........................................ 26
6.4.1.2 Zusammenfassung ................................................................... 30
6.5 Reformpädagogik ................................................................................ 31
6.5.1 Die Maria Montessori Pädagogik .................................................. 31
6.5.2 Leben und Werk von Maria Montessori ........................................ 32
6.5.3 Ziel der Montessori - Pädagogik ................................................... 38
6.5.3.1 Zusammenfassung ................................................................... 39
6.6 Nationalsozialismus ............................................................................. 39
6.6.1 Erziehungshaltung im Nationalsozialismus ................................... 40
6.6.1.1 Ziel der NS - Ideologie .............................................................. 41
6.6.1.2 Zusammenfassung ................................................................... 42
7 Veränderung der Erziehung bis heute .......................................... 43
8 Die Entstehung der Erziehungsstile ............................................. 45
9 Erziehungsstile ............................................................................... 46
9.1 Definition Erziehungsstil ...................................................................... 46
9.2 Erziehungsstilforschung ....................................................................... 47
9.2.1 Aktueller Stand der Forschung ..................................................... 48
9.3 Erziehungsstile nach Baumrind ........................................................... 49
9.3.1 Erziehungsforschung aus dem deutschen Sprachraum ................ 52
10 Kennzeichnung der Erziehungsstile .......................................... 53
10.1 Der autoritäre Erziehungsstil ............................................................... 53
10.2 Der nachgiebige Erziehungsstil ........................................................... 54
10.3 Der vernachlässigende Erziehungsstil ................................................. 55
10.4 Der autoritative Erziehungsstil ............................................................. 56
11 Maß der Auswirkungen von Erziehungsstilen .......................... 57
12 Merkmale eines entwicklungsfördernden Verhaltens .............. 58
12.1 Liebe und Wertschätzung .................................................................... 58
12.2 Qualität statt Quantität ......................................................................... 67
12.3 Grenzsetzung und Konsequenzen bei Überschreitung ........................ 67
12.4 Fördernde Entwicklungsangebote ........................................................ 68
12.4.1 Bedeutung von Vorbildern ............................................................ 68
12.4.2 Motivation als entwicklungsfördernde Maßnahme ........................ 72
12.4.3 Das Neugierverhalten ................................................................... 75
12.4.4 Interaktion im erzieherischen Alltag .............................................. 77
12.4.5 Gemeinsame Esskultur ................................................................. 79
12.4.6 Die Natur als Ort der Entwicklung ................................................. 80
12.4.6.1 Die vier Quellen der Entwicklung............................................... 81
13 Umsetzung im Erziehungsalltag ................................................ 85
13.1 Haltungen und Einstellungen ............................................................... 85
13.2 Kinder als Subjekte wahrnehmen ........................................................ 85
13.3 Die Fragehaltung unterstützen ............................................................. 86
13.4 Rahmenbedingungen schaffen ............................................................ 86
13.5 Lebensräume schaffen ........................................................................ 87
13.6 Gemeinschaft erleben .......................................................................... 88
14 Zusammenfassung und Ausblick .............................................. 90
15 Literaturverzeichnis .................................................................... 93
Abbildungsverzeichnis ........................................................................ 102
Vorwort
Die vorliegende Arbeit behandelt das Thema Erziehung, welches nie an
Aktualität verlieren wird und im 21. Jahrhundert wichtiger ist denn je, um
heranwachsenden Geschöpfen Liebe, Achtung, Kooperation, Struktur und
allseitige Förderung auf den Lebensweg mitzugeben. Sie soll Erzieherinnen
und Erziehern, gleichgültig ob im privaten oder im schulischen Bereich, als
Impuls dienen, um das eigene Erziehungsverhalten zu reflektieren und
eventuell neu zu gestalten.
Die einleitende Diskussion von Begriffsdefinitionen verschafft zunächst
einen Überblick darüber, was unter dem Begriff Erziehung zu verstehen ist.
Elementare Grundlagen sowie Klassikerinnen und Klassiker der Pädagogik
werden in der vorliegenden Masterthesis näher erläutert und vorgestellt.
Darauf aufbauend wird erörtert, wie Erziehung stattfindet und diese zum
Wohl des Kindes funktionieren kann. Ein Hauptaugenmerk wird dabei auf
den historischen Hintergrund der Thematik gelegt und ist auf die jeweiligen
Vertreterinnen und Vertreter dieser Zeit gerichtet, da Methoden aus
vergangenen Zeiten nie an Wichtigkeit verlieren werden und diese auch
heutzutage wertvolle Hinweise darüber liefern, wie eine „gute“ Erziehung
zum Wohle der heranwachsenden Individuen aussehen kann.
In weiterer Folge wird die Erziehungsstilforschung näher beleuchtet und es
wird ausgearbeitet, ob es einen Erziehungsstil gibt, der als „Optimalform“
zu bezeichnen ist, was Erzieherinnen und Erziehern als Unterstützung bei
der Ausübung ihrer Arbeit dienen kann.
Abschließend werden entwicklungsfördernde Maßnahmen näher erläutert,
die heranwachsende Menschen dabei unterstützen sollen, sich bestmöglich
auf ein Leben mit all dessen An- und Herausforderungen vorbereiten zu
können.
Die vorliegende Masterarbeit bietet somit Erzieherinnen und Erziehern
sowohl im privaten als auch im schulischen Bereich einen umfassenden
Einblick in die Geschichte der Erziehung. Sie zeigt anwendbare und
wissenschaftlich fundierte Anregungen auf, die dabei helfen, selbstständig
eigene Wege in der Erziehung auszuarbeiten, und diese in weiterer Folge
auch gehen zu können.
Abstract
The work at hand deals with the subject education, which never loses
relevance and which is more important than ever in the 21st century. The
reason is that it is necessary to give love, dignity, cooperation, structure and
comprehensive advancement to adolescent people along their journey of
life. The thesis should serve educators, both in the private area and at
school, as an impulse for reflecting the own parenting and redesign it if
necessary.
The preliminary discussion of definition of terms provides initially an
overview about the term “education”. Elementary principles as well as
classical authors of pedagogy are discussed in more detail within this work
at hand. On this basis, it is then debated how education is implemented and
how it can function for the benefit of a child, whereby the focus is on the
historical background of the topic and its representatives in the past. This is
because past methods are always of importance and provide evidence of
how “good” education for adolescents can look like.
In further consequence, research about educational style is going to be
examined. Hence, it is possible to discuss whether there is an optimal
educational style available which supports educators in doing their work.
Conclusively, measures for development support are elucidated which
should help young people in preparing themselves for the life with all the
associated requirements and demands.
The master thesis at hand provides educators in the private sector as well
as at school a comprehensive insight into the history of education. It shows
applicable and scientifically substantiated suggestions to elaborate
independently new ways of education and pursue them.
S e i t e | 1
1 Einleitung
Das Thema Erziehung wird nie an Aktualität verlieren. Dazu gibt es viele
Vorschläge von pädagogischer und schulrechtlicher Seite, Erfahrungen von
Eltern, Vorschläge von Heranwachsenden und vieles mehr. Im Laufe der
Geschichte hat sich auf diesem Gebiet sehr viel geändert. Retrospektiv
betrachtet bleibt eines jedoch immer gleich: Egal ob man 6 oder 80 Jahre
alt ist, ob wir vom Miteinander in der Familie oder in der Schule sprechen,
jeder/ jede lernt unaufhörlich voneinander, jeder Mensch wirkt auf eine
andere Person durch eine gewisse Erziehungsmaßnahme ein (vgl. Sedlak
2000, S. 3). Aus dieser gewonnenen Kenntnis sollen in der Literaturarbeit
folgende Themen beleuchtet werden, um eine Zeitreise in die
verschiedenen Epochen darstellen zu können: Was ist Erziehung und
welches Ziel wird und wurde mit ihr verfolgt? Welchen Stellenwert hatte die
Erziehung in der Antike, im Mittelalter, in der Renaissance und im
Nationalsozialismus im Vergleich zu heute? Was waren und sind wichtige
Erziehungsstile? Weiteres wird die Erziehungsstilforschung näher
beleuchtet, um Belege liefern zu können, ob der autoritative Erziehungsstil
sich als eine Methode bewährt, Kinder in ihrer Erziehung zu begleiten. Die
Erziehungsstile werden miteinander verglichen, um Erziehern/
Erzieherinnen und Eltern einen prägnanten und übersichtlichen Überblick
zu gewähren. Personen, die in einer erzieherischen Funktion tätig sind,
werden in der Regel von vielen Seiten mit Erziehungsratschlägen überhäuft,
sei es von der eigenen Mutter, dem Freundeskreis oder den Medien. Viele
Menschen, die in der Erziehungsrolle fungieren, fühlen sich überfordert. Sie
möchten alles richtig machen und nicht für späteres delinquentes Verhalten
der heranwachsenden Menschen verantwortlich sein. Daraus ergibt sich die
Frage, wie man dazu beitragen kann, dass man den heranwachsenden
Menschen Wertschätzung erfahren lässt, ihnen ein Maß an Grenzen
vermittelt und wie man die Eigenständigkeit des Individuums durch
entwicklungsfördernde Maßnahmen unterstützt und gewährt, die in unserer
Kultur vorausgesetzt werden. Werte, die in einer demokratischen
Gesellschaftsform, in der wir leben, angestrebt werden sollten. Einleitend
werden Definitionen über Erziehung festgehalten, die den Einstieg in die
S e i t e | 2
Thematik ebnen. Darauf folgt, welche Voraussetzungen geschaffen werden
müssen, damit Erziehung stattfinden kann. Der historische Hintergrund
über Erziehung wird beleuchtet, da bereits frühe Ansätze, die auf die
sokratische Methode zurückzuführen sind, auf Methoden hinweisen, die in
heutiger Zeit nie an Relevanz verlieren werden. Zu den jeweiligen
epochalen Zeiten werden Personen, die sich mit dem Thema Erziehung
auseinandergesetzt haben, beschrieben, da die gewonnenen Erkenntnisse
im 21. Jahrhundert aussagekräftiger denn je sind und nicht in Vergessenheit
geraten sollen. Ziel dieser Arbeit ist es, einen prägnanten Überblick über die
geschichtliche Entwicklung zum Thema Erziehung zu erläutern. Des
Weiteren wird die Erziehungsstilforschung betrachtet, um die
verschiedenen Erziehungsstile zu beschreiben sowie die Wirkung dieser
auf das Individuum darzustellen. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen
Erzieher/ Erzieherinnen unterstützen, ein auf das Kindes Wohl
entwicklungsförderndes Angebot gewähren zu können. Die
Literaturrecherche für die Arbeit begann bereits im September 2015 und
erfolgte über Handsuche in den verschiedensten Universitätsbibliotheken.
Weiteres dienten fachgerechte Bücher, die über einen online Verlag bestellt
wurden, als Vorlage.
S e i t e | 3
2 Der Erziehungsbegriff
Das Wort Erziehung wird aus dem lateinischen „educare“ abgeleitet und
bedeutet nicht nur großziehen, ernähren und erziehen, sondern auch
führen. Jede Begegnung mit einem anderen Menschen, ob jünger oder
älter, formt und verändert uns. Die Aufgabe der Erziehung ist es,
gesellschaftliche Werte, Traditionen und Einstellungen an die nächste
Generation weiterzugeben. Kinder und Jugendliche sollen körperlich,
seelisch, geistig und charakterlich geformt werden (vgl. Heidenfelder 2015).
2.1 Erziehung nach Nohl (1933)
„Die Grundlage der Erziehung ist das leidenschaftliche Verhältnis eines
reifen Menschen zu einem werdenden Menschen, und zwar um seiner
selbst willen, dass er zu seinem Leben und seiner Form finde“ (Nohl 1982,
S. 134).
2.2 Erziehung nach Bokelmann (1970)
„Erziehung ist dasjenige Handeln, in dem die Älteren (Erzieher) den
Jüngeren (Edukanden) im Rahmen gewisser Lebensvorstellungen
(Erziehungsnormen) und unter konkreten Umständen
(Erziehungsbedingungen) sowie mit bestimmten Aufgaben
(Erziehungsgehalten) und Maßnahmen (Erziehungsmethoden) in der
Absicht einer Veränderung (Erziehungswirkungen) zur eigenen
Lebensführung verhelfen, und zwar so, daß die Jüngeren das erzieherische
Handeln der Älteren als notwendigen Beistand für ihr eigenes Dasein
erfahren, kritisch zu beurteilen und selbst fortzuführen lernen“ (Bokelmann
1970, S.185f., zit. n. Raithel et al. 2009, S. 21).
In diesem Zitat, das von Hans Bokelmann stammt, werden bewusste
Handlungen von Älteren auf Jüngere gesetzt. Es wird darauf geachtet, dass
der Jüngere selbstständig wird. Der Erwachsene bereitet vor, was er
erreichen möchte. Genauer betrachtet hat diese Definition einen autoritären
Beigeschmack und tendiert hin zu Unterdrückung und Entmündigung.
S e i t e | 4
2.3 Erziehung nach Brezinka (1990)
„Erziehung sind soziale Handlungen, durch die Menschen versuchen, das
Gefüge der psychischen Dispositionen anderer Menschen in irgendeiner
Hinsicht dauerhaft zu verbessern oder seine als wertvoll beurteilten
Komponenten zu erhalten oder die Entstehung von Dispositionen, die als
schlecht bewertet werden, zu verhüten“ (Brezinka 1995, S. 196 -197).
Zusammengefasst sind dies Handlungen, durch die Menschen versuchen,
die Persönlichkeit anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht zu fördern.
Erziehung versucht Ziele, Normen und Werte zu verwirklichen. Letztendlich
ist Erziehung darauf ausgerichtet, sich selbst aufzuheben, das heißt, der/die
Erzieher/ Erzieherin ist irgendwann obsolet.
Nohl schätzt den Menschen positiv ein, diese Definition beinhaltet den
wechselseitigen Austausch zwischen Erziehern/ Erzieherinnen und
jüngeren Menschen. Vergleicht man diese drei Definitionen von Erziehung,
erkennt man, dass, je weiter man geschichtlich in die Vergangenheit reist,
der heranwachsende Mensch als eigenständiges Individuum angesehen
wird. Die Aufgabe der Erziehung war es, das Menschenbild zu fördern.
2.4 Erziehung – Conclusio
• Der Erziehungsbegriff umfasst gezielte und bewusste Einflüsse auf den
Bildungsprozess.
• Erziehung ist intentional.
• Erziehung versucht Ziele, Werte und Normen zu verwirklichen.
• Erziehung ist letztendlich darauf ausgerichtet, sich selbst aufzuheben
(vgl. Raithel et al. 2009, S. 22-23).
„Erziehung ist - nach allgemein akzeptierter Definition - zu charakterisieren
als absichtsvolles Beeinflussen einer Person, zumeist eines Kindes, durch
einen anderen Menschen, die ErzieherIn, in Richtung auf ein von der
ErzieherIn festgelegtes Ziel. Erziehung ist damit ein „Spezialfall“ des
Prozesses, den man Sozialisation nennt, in dem Kinder unter Einfluß ihrer
Umwelt in die jeweilige Kultur hineinwachsen, ihre Normen und Werte
S e i t e | 5
übernehmen, Handlungsstrategien aufnehmen und Voraussetzungen für
die Bewältigung neuer oder veränderter Umweltanforderungen erlernen“
(Rotthaus 2000, S.58).
Damit Erziehung stattfinden kann, gilt als Voraussetzung, dass der
Erzieher/die Erzieherin etwas weiß oder kann, was er/sie den
heranwachsenden Menschen vermitteln will. Erziehung wird nicht als
spezifische Handlungsform angesehen, sondern zielt darauf ab, dass
Personen, die in einer Erziehungsaufgabe tätig sind, beraten, informieren,
erklären, motivieren, Mut zusprechen, loben, streiten und Grenzen setzen.
Somit findet ein Beziehungsakt statt. Es gibt keine Erziehung ohne
Beziehung. Wenn Menschen, die Handlungen des Beratens, Motivierens,
Erklärens usw. einer erzieherischen Intention zuschreiben und diese
Intentionen auf heranwachsende Menschen richten, dann findet Erziehung
statt (vgl. Rotthaus, S.59f.).
S e i t e | 6
3 Intentionale Erziehung vs. funktionale Erziehung
Unter der intentionalen Erziehung werden alle geplanten, absichtsvollen
Erziehungsmaßnahmen verstanden, indem ein Mensch planvoll versucht,
auf einen anderen Menschen einzuwirken. Die funktionale Erziehung
unterscheidet sich insofern von der intentionalen Erziehung, als dass der
funktionalen Erziehung kein Motiv gegenübersteht und sie vor allem von
unbewussten Faktoren geleitet wird. So findet die funktionale Erziehung
praktisch immer und überall statt (vgl. Raithel et al. 2009, S. 23). In jeder
Situation, in der Menschen miteinander agieren, findet auf irgendeine Art
und Weise, bewusst oder unbewusst, Erziehung statt. Von einer
intentionalen Erziehung spricht man, wenn eine Erziehungsperson sich
dazu entschließt, ein bestimmtes Verhalten in einer Situation zu zeigen, z.B.
bei großem Ärger noch immer freundlich und beherrscht zu reagieren. Dies
wird zwar nicht ausdrücklich von den heranwachsenden Menschen
gefordert. Es wird den jungen Personen vorgelebt, in der Erwartung und
Hoffnung, dass das heranwachsende Wesen dieses Modellverhalten
übernimmt (vgl. Rotthaus 2000, S.59). Auf das Modellverhalten als
entwicklungsfördernde Maßnahme wird in einem späteren Kapitel
eingegangen. Ein Vater oder eine Mutter kann mit einem Kind basteln und
verfolgt damit mehr oder weniger bewusst das Ziel, beim heranwachsenden
Menschen, Interesse, Motivation und Spaß zu wecken. Somit geschieht
vieles in der Erziehung funktional. Es lässt sich zusammenfassen, dass es
viele Handlungen von erwachsenen Personen gibt, die mittelbar oder kaum
bewusst erzieherischen Beigeschmack aufweisen. Erziehung ist immer
erzieherische Interaktion, das heißt, es entsteht eine Beziehung zwischen
dem heranwachsenden Menschen und der zu erziehenden Person. Die
erzieherische Interaktion wird durch drei Einflussfaktoren bedingt:
1. der heranwachsende Mensch als zu erziehende Person
2. der Erwachsene als die Person, die erzieht
3. der Beziehungsraum, den beide, sowohl Kind als auch erwachsene
Personen, gemeinsam gestalten (vgl. Rotthaus 2000, S. 60f.).
Die Erziehung aus Sicht des Kindes wird im folgenden Unterkapitel näher
beleuchtet.
S e i t e | 7
3.1 Erziehung aus Sicht des Kindes
Es gibt grundlegende Aspekte, die auf das menschliche Gehirn
zurückzuführen sind, um Erziehung zu verstehen (vgl. Rotthaus 2000,
S.62). Der Biologe und Philosoph Humberto Maturana, der sich auf dem
Gebiet der Neurobiologie spezialisierte, lieferte mit seinen
Forschungsarbeiten wichtige Kenntnisse über das menschliche Gehirn,
speziell auf das Farbensehen. Maturana und sein Forscherteam fanden
heraus, dass bei ihren Probanden/ Probandinnen kein regelrechter
Zusammenhang zwischen Wellenlängen des Lichtes und den Aktivitäten
des Hirns festzustellen war. Konstante Zusammenhänge ergaben sich
zwischen den Farbnamen, die die Probanden dem ihnen gezeigten Licht
gaben und der Wellenlänge des Lichts. Das bedeutet, dass nicht die
gemessenen physikalischen Phänomene die Hirnaktivitäten auslösen,
sondern der Zusammenhang zwischen der Benennung der Farbe und den
Gehirnaktivitäten. Die Forscher/ Forscherinnen interpretierten, dass die
Phänomene der äußeren Welt nicht durch charakteristische Aktivitäten des
Gehirns widergespiegelt werden. Somit kamen sie zu der Schlussfolgerung,
dass das Fühlen und Denken und die Steuerung des Verhaltens zuständige
Nervensystem des Menschen operational geschlossen und autonom sein
muss. Als Geschlossenheit des menschlichen Nervensystems wird
gesehen, dass ein Mensch in der Tiefenstruktur seiner Selbststeuerung,
unabhängig von seiner Umwelt, handelt. Das Nervensystem der Menschen
handelt somit nach der Logik der individuellen und strukturellen Bedingung
und nicht aufgrund äußerer Einflüsse. Ein Mensch ist für Informationen nur
dann offen, wenn er Lernmechanismen entwickelt, die mit Erwartungen
verbunden sind und mit deren Hilfe er Erfahrungen und Bedeutungen
zuordnen kann. Somit filtern heranwachsende Personen diejenigen Reize
aus, die nach ihren Erwartungen gemessen werden und die
Aufmerksamkeit erregen sollen. Eine solche Aktivität, die im Gehirn
heranwachsender Menschen stattfindet, ermöglicht Entwicklung und somit
Erziehung. Es lässt sich zusammenfassen, dass heranwachsende
Personen nicht in verlässlicher Art und Weise zu einem bestimmten, von
anderen festgelegten Verhalten zu veranlassen sind. Kein
heranwachsender Mensch ist den Maßnahmen, die von außen einwirken,
S e i t e | 8
hilflos ausgesetzt. Es sind nicht die von außen bestimmten erzieherischen
Maßnahmen, die das Verhalten eines Kindes prägen, sondern die innere
Struktur des Kindes bestimmt über das Schicksal der erzieherischen
Intention. Das bedeutet für Personen, die in einer Erziehungsaufgabe tätig
sind, dass sie die Bedürfnisse der heranwachsenden Personen
berücksichtigen und dem Kind offen und mit Interesse begegnen sollen (vgl.
Rotthaus 2000, S. 62ff.). Erziehung ist als sehr spannend zu betrachten,
weil man unter Berücksichtigung der genannten Aspekte keinen
vorhersehbaren Ausgang weiß. Jedes Kind ist ein Individuum und jede
Reaktion sagt etwas über eine heranwachsende Person aus. Der Mensch
handelt aufgrund des geschlossenen Nervensystems autonom und folgt
seinen eigenen Gesetzen (vgl. Rotthaus 2000, S. 68).
3.1.1 Umweltreize als Anregung zur Erziehung
Trotz des geschlossenen Nervensystems und der Autonomie sind
heranwachsende Menschen nicht unabhängig. Es ist für ein
heranwachsendes Wesen von großer Bedeutung, dass Außenkontakte
hergestellt werden, um eine Entwicklung zu ermöglichen und so zu neuen
Anstößen, die das heranwachsende Leben bereichern können, gelangt.
Somit lässt sich die innere Struktur des Kindes verändern. Neue
Anregungen müssen in der Redensart der heranwachsenden Menschen
formuliert werden, um wahrgenommen zu werden und eine Bedeutung zu
erlangen. Wenn dies der Fall ist, dann werden die neuen Anregungen als
Informationen gewertet und können wirksam werden, das heißt, es können
Anpassungsreaktionen ausgelöst werden. Menschen, ob klein oder groß,
brauchen Umweltkontakte und äußere Einflüsse, um sich entwickeln zu
können. Zu beachten ist, dass Informationen, die die Entwicklung eines
heranwachsenden Menschen anregen sollen, zwar neu, aber vom
Bisherigen nicht zu weit entfernt sein dürfen, um Verknüpfungen herstellen
zu können. Wenn man sich als Erziehungsperson auf Augenhöhe der
Heranwachsenden begibt, so ist nicht außer Acht zu lassen, dass das
Verhalten der inneren Logik folgt. Die erzieherischen Maßnahmen sind
S e i t e | 9
somit an die Logik des Kindes anzupassen, an die Wünsche, Vorlieben und
Abneigungen (vgl. Rotthaus 2000, S.68ff.).
3.1.2 Autonomie vs. Abhängigkeit von heranwachsenden Menschen
Das menschliche Verhalten spiegelt sich durch die internen autonomen
Prozesse wider. Die Vielfalt der unzähligen Möglichkeiten wird durch die
Umweltbedingungen, wie Regeln und Verhaltensmuster, Vorannahmen,
Ideen, Werte und Normen, die Menschen miteinander teilen, eingeschränkt.
Die Regeln und Verhaltensmuster sind in einer Struktur, ob im familiären
oder schulischen Bereich, vorgegeben, werden verändert oder neu
ausgehandelt und werden an die Entwicklung des heranwachsenden
Menschen angepasst. Menschen, die miteinander in Beziehung stehen,
bilden füreinander die Umwelt und bestimmen die Möglichkeiten des
Handelns, nicht das Handeln des anderen. Das bedeutet, dass das
Verhalten einer heranwachsenden Person ohne Kenntnis der
Umweltbedingungen, unter denen sie lebt, nicht verstehbar ist. Menschen,
die miteinander leben und somit einen Beziehungsraum schaffen, in dem
Entwicklung stattfindet, interpretieren den Ort für Möglichkeiten und den
Raum für Verhalten. Erziehungspersonen sollten sich demnach immer die
Frage stellen, wieviel Raum sie Kindern für die Entwicklung eines
eigenverantwortlichen Handelns bieten (vgl. Rotthaus 2000, S.72ff.).
3.1.3 Akzeptanz, sich erziehen zu lassen
Ein Mensch ist ein Lebewesen mit Sprache. Heranwachsende Menschen
bewerten affektiv - kognitiv auf der Beziehungsebene die äußeren Reize,
die auf sie einwirken. Dabei wird unterschieden, ob ein Stimulus als zufällig
(funktional) oder als erzieherisch beabsichtigt (intentional) eingeschätzt
wird. Deuten die Außenreize auf erzieherische Maßnahmen hin, so wird
sich der heranwachsende Mensch entscheiden, ob er sich erziehen lassen
will oder nicht. Er bestimmt, ob er dem Autor/der Autorin der erzieherischen
Intention die Rolle einer Erziehungsperson zuspricht. Der/ die zu
Erziehende entscheidet, ob die Differenzen zwischen Erziehungspersonen
S e i t e | 10
und zu Erziehenden akzeptiert werden. Ausschlaggebend, damit Erziehung
stattfinden kann, ist das Alter. Erwachsene Personen lassen sich nicht
gerne von gleichaltrigen Personen erziehen und Kinder nicht gerne von
Gleichgesinnten. Heranwachsende Menschen, die in einer erwachsenen
Person eine reife Persönlichkeit sehen, sind bereit, von der Person zu
lernen und sich erziehen zu lassen. In den beiden Systemen Schule und
Familie gibt es seit Geschichte der Menschheit tradierte Vorstellungen, wie
und von wem Erziehung zu erfolgen hat. Die erfahrene erwachsene Person
erzieht das nicht erfahrene Kind. Es ist somit klar festgelegt, wer die Rolle
als Erziehungsperson und wer die Rolle als der zu erziehenden Person
annimmt. So findet Erziehung und Entwicklung statt (vgl. Rotthaus 2000, S.
76ff.).
3.1.4 Erziehungspersonen akzeptieren
Nicht nur die individuellen Handlungen des Kindes hängen davon ab, sich
erziehen zu lassen, sondern die kognitiv - emotionale Bewertung, die ein
heranwachsender Mensch den erzieherischen Handlungen beimengt. Es
gibt Kriterien, die dafür ausschlaggebend sind (vgl. Rotthaus 2000, S. 78).
• Die Person als Erziehungsperson mit ihren Bedeutungen und ihren
Einflüssen, Beweggründen und Absichten.
Wie die erziehende Person, egal ob im System Schule oder Familie,
bewertet wird, hängt vom Alter ab. Vorschulkinder haben eine hohe
Bereitschaft, Anregungen von Erziehungspersonen anzunehmen.
Heranwachsende Menschen bewerten die Erziehungshandlungen, vor
allem die Einschätzung der Beweggründe und Absichten der
Erziehungspersonen. Kinder entwickeln einen Gerechtigkeitssinn und
beurteilen die erzieherischen Handlungen. Aufgrund der Beweggründe
der Erziehungspersonen entwickeln heranwachsende Menschen eigene
Vorstellungen darüber, ob die erzieherische Maßnahme ihrem Wohl
dient oder dem Wohl der Erziehungspersonen. Damit die
Erziehungsperson vom heranwachsenden Menschen akzeptiert wird, ist
es von großer Bedeutung, dass ein Kind Aufmerksamkeit und
S e i t e | 11
Zuwendung erfährt, um ein stabiles Vertrauen in sich selbst entwickeln
zu können. Ebenso von Wichtigkeit ist, dass sich Kinder als
gleichberechtigte Personen in einer Erziehungssituation erleben und
dem Entwicklungsstand entsprechend selbstständig handeln können
und Selbstachtung erfahren. Fähigkeiten, Tätigkeiten und
Eigenschaften sowie Leistungen bei der Verfolgung gemeinsamer Ziele
sollen und müssen wertgeschätzt werden und führen somit zu einem
stabilen Selbstwertgefühl. Halten sich Erziehungspersonen an die Werte
und Regeln, die sie von heranwachsenden Menschen einfordern und
gelingt es, die positiven Erfahrungen der heranwachsenden Personen
mit den Erziehungspersonen zu verknüpfen, zeigen Kinder eine hohe
Bereitschaft sich erziehen zu lassen (vgl. Rotthaus 2000, S. 78ff.).
• Die Erziehungsziele, die von der Erziehungsperson ausgehen, sind
ein weiteres Kriterium, das entscheidend ist, ob Kinder die
Bereitschaft zeigen sich erziehen zu lassen und die
Erziehungsperson akzeptieren.
Bewerten heranwachsende Menschen die festgelegten Ziele von den
Erziehungspersonen als sinnvoll und wird auf die Wünsche und
Wertvorstellungen der Kinder Rücksicht genommen, so steht einer
Erziehung nichts im Wege (ebd., S. 79-80).
• Die Bewertung des Selbstbildes als abschließendes Kriterium
Die Bereitschaft, sich erziehen zu lassen, hängt im Wesentlichen davon
ab, ob ein heranwachsender Mensch Anregungsformen als
persönlichen Nutzen oder als Bedrohung für das Selbstbild erlebt (ebd.,
S. 81-88). Eine Erziehungsperson kann lediglich die Umwelt des
heranwachsenden Menschen ändern und somit bei der zu erziehenden
Person im besten Fall eine Anregung und im schlechtesten Fall eine
Verstörung der inneren Verarbeitungsprozesse auslösen, die zu einer
Änderung in der von der Erziehungsperson gewünschten Richtung führt
(vgl. Rotthaus 2000, S. 89).
S e i t e | 12
„Wichtigster und am ehesten zu beeinflussender Teil dieser Umwelt des
Kindes ist aber die ErzieherIn selbst. Es ist also die ErzieherIn selbst, die
ihr Verhalten ändern sollte, wenn sie das Kind veranlassen will, sich im
Sinne ihrer Erziehungsziele anders zu verhalten“ (Rotthaus 2000, S. 89).
4 Werte in der Erziehung
4.1 Wertvorstellung
Werte sind Ideen, die wir bestimmten Dingen oder Verhältnissen
zuschreiben. Man unterscheidet eine Werteigenschaft, die eine monitäre
Bedeutung für ein wertendes Individuum besitzt (Haus, Auto etc.), von den
Orientierungswerten, die in der Erziehung eine maßgebliche Rolle spielen.
Werte, die einer Persönlichkeit Orientierung geben, sind Ideale, an denen
sich Menschen in all ihren Wertungen orientieren, z.B. Achtung vor dem
Leben (vgl. Standop 2005, S. 13). Werte sind Prinzipien,
Grundüberzeugungen in einer Gesellschaft, allgemein wünschenswerte
Vorstellungen, die der einzelnen Persönlichkeit Orientierung geben, z.B.
Aufrichtigkeit, Treue, Gleichheit.
4.2 Wert der Gleichwürdigkeit
Gleichwürdigkeit bedeutet nicht, dass die Führungsrolle zwischen Eltern,
Erziehern und Kindern verteilt wird. Gleichwürdigkeit bedeutet vielmehr,
dem Kind zu vermitteln, dass Menschen jeden Alters von gleichem Wert
sind. Man respektiert gegenseitig die persönliche Würde und Integrität. Eine
gleichwürdige Beziehung bedeutet, dass die Gedanken der Kinder, die
Reaktionen, die Gefühle, das Selbstbild, die Träume sowie die innere
Wirklichkeit des Kindes genauso ernst genommen werden wie die der
Erwachsenen (vgl. Juul 2014, S. 10-11).
S e i t e | 13
4.3 Wert der Authentizität
Hinter diesem Wert verbirgt sich die Echtheit eines Menschen. Handeln
Personen, die in der Erziehungsfunktion tätig sind, authentisch, so wird
einem heranwachsenden Menschen bewusst, dass dies wahrhaft gemeinte
Emotionen sind. Der Wert der Authentizität zeigt auf, dass die Funktion der
erzieherischen Tätigkeit mit einem Trainingsprogramm für Kinder
gleichgesetzt werden kann. Wenn sich Eltern und Erziehungspersonen
selbst treu bleiben und es bewusst wird, dass jeder Mensch die Wirklichkeit
anders wahrnimmt, kann eine wertschätzende Erziehung stattfinden. Kinder
haben in gewissen Situationen ein subjektives Empfinden, das dem der
Erwachsenen zuwiderläuft. Statt den Wert des Kindes zu untergraben, geht
es darum, das Kind gleichwürdig anzuerkennen. Die Forderung, die dieser
Wert an eine erziehende Person stellt, ist, dass man eine Person
präsentieren sollte, die man wirklich ist, um auch andere in ihrer
Einmaligkeit wahrnehmen zu können (vgl. Juul 2014, S. 84-85).
4.4 Wert der Verantwortung
Jeder Mensch, der eine Erziehungsaufgabe übernimmt, egal ob im
beruflichen Rahmen oder als Elternteil zuhause, muss sich immer vor
Augen halten, dass die Verantwortlichkeit bei jedem selbst beginnt. Wenn
eine erwachsene Person in der Lage ist, die persönliche Verantwortung für
das eigene Leben, für das Handeln und für die Werte zu übernehmen, erst
dann ist sie auch in der Lage Verantwortung zu tragen (vgl. Juul 2014, S.
130-131).
4.5 Wert der Integrität
Integrität bedeutet für Erzieher/Erzieherinnen, dass sie Grenzen äußern
und nicht Grenzen für die Kinder finden sollten. Historisch betrachtet ist es
noch gar nicht lange her, seit wir damit begonnen haben, die individuellen
Bedürfnisse des Menschen, seine Grenzen und Werte ernst zu nehmen.
Dem Leben und Überleben der Gruppe ist stets eine größere Bedeutung
beigemessen worden. Wir sprechen hier von einer langen historischen
S e i t e | 14
Zeitspanne, in der die Integrität des Kindes, das heißt, seine physischen wie
psychischen Grenzen und Bedürfnisse, systematisch gekränkt wurden und
zwar als Bestandteil einer Erziehung, die ein solches Verhalten als richtig
und notwendig ansah. Der Wert der Integrität fordert auf, die eigene
Persönlichkeit in der erzieherischen Funktion zu wahren. Das bedeutet, bei
der Erziehung von Kindern ist es sehr wichtig, dass sich Eltern im familiären
Kreis sowie Erzieher/ Erzieherinnen in einer Einrichtung absprechen, um so
die Integrität gegenüber sich selbst und dem Kind zu wahren. Es geht um
die Zusammenarbeit, die in Erziehungsfragen eine entscheidende Rolle
spielt (vgl. Juul 2014, S. 42- 43).
5 Erziehungsziel
5.1 Definition Erziehungsziel
Eine Person, die erzieht, versucht die Persönlichkeit eines Menschen zu
beeinflussen, mit der Absicht, dass eine Eigenschaft von ihm/ihr erworben
wird. Die Erziehenden wollen etwas in einer Edukandin/ einem Edukanden
bewirken oder hervorbringen, sie möchten die heranwachsenden
Menschen zu etwas fähig machen. Erziehungsziele sind Idealvorstellungen
von der Gesamtpersönlichkeit oder von einzelnen
Persönlichkeitseigenschaften, die die zu Erziehenden soweit wie möglich
verwirklichen sollen. Laut Brezinka bilden erzieherische Handlungen eine
Klasse der sozialen Handlungen. Sie unterscheiden sich von anderen
sozialen Handlungen durch das, was mit ihnen bezweckt wird. Sie sind
immer Mittel zum Zweck (vgl. Brezinka 1995, S. 161-162). Ziele sind Soll-
Normen für einen gewissen Bereich, z.B. Richt-, Grob- und Feinziele beim
Lernen.
S e i t e | 15
6 Epochaler Verlauf der Erziehung
6.1 Erziehung in der griechischen Antike
Bedenkt man, wie viele pädagogische und erzieherische Ansätze die
Menschheit bereits kennengelernt hat, so wird vergessen, wo eigentlich die
Anfänge der Erziehung ruhen. Die griechische Antike legte den Grundstein
für die Weitergabe der Erziehung. Eine Erziehung, in der die mündliche
Weitergabe dazu diente, einem heranwachsenden Menschen bestimmte
Orientierungsmuster zu geben, ist, so geht es aus der Literatur hervor, so
alt wie die menschliche Bevölkerung selbst. Diese Erziehung, die aus sehr
alter Zeit stammt, beschränkt sich allein auf die Weitergabe von
Erfahrungen und weist äußerst festgefahrene Spuren auf. Inhalte werden
heranwachsenden Menschen beigebracht, ohne ihnen die Möglichkeit zu
bieten, selbst Kritik auszuüben bzw. Überlegungen zu treffen. Bei einer
solchen Erziehung wird dem Vorbild große Aufmerksamkeit geschenkt.
Eine Vorbildfunktion eignet sich dazu, eine gewisse hierarchische
Gliederung in der Erziehung zu festigen. Es wurden zu damaligen Zeiten
Muster für die Herrschaften, für die Mägde und Knechte sowie für das Volk
bereitgestellt. Vom lat. Wort principium (zeitlicher Anfang und durchtragend
bestehender Grund) wird das Neue, das die griechische Antike für das
pädagogische und erzieherische Denken liefert, sichtbar. Die Auffassung,
die Erziehung als einen Nachahmungsprozess anzusehen, wurde abgelegt.
Der Grundstein für ein pädagogisches und erzieherisches Bewusstsein
wurde gelegt. Das alte griechische Wort areté, was männliche Tüchtigkeit
bedeutet, war ein bedeutender Meilenstein auf dem Gebiet der Erziehung.
In der griechischen Antike hob dieses Wort die Besonderheit eines
Menschen, der seiner Bestimmung gerecht wurde, hervor. Den
pädagogisch/erzieherischen Bezug bekam das Wort, als es darum ging, auf
die Muster einer Gestalt hinzuweisen, sprich, den heranwachsenden
Menschen in seiner Ausformung zu einem vollkommenen Menschen zu
unterstützen (vgl. Böhm 2013, S. 11-12).
„Die aret´e, jedes Seienden bedeutet Bestzustand, Vollendung seines
Wesens“ (Epistolae morales 76, 9 zit. n. Böhm 2013, S.12).
S e i t e | 16
Die griechische Antike legte die Bahnen, damit heranwachsende Menschen
ihren Geist wahren, sich ihrer Sinne bewusst sind und eine distanziert -
kritische Einstellung gegenüber fragwürdigen Traditionen aufweisen. Die
rein autoritäre Erziehung verlor bereits in der griechischen Antike ihr
Ansehen. Die Fähigkeit, aus eigener Einsicht Erkenntnisse zu gewinnen,
wurde gefördert (vgl. Böhm 2013, S.13). Als Grundlage für Erziehung galten
Bildung und der Zugang zu Wissen. Lange Zeit blieben Fähigkeiten wie
Lesen, Schreiben und Rechnen den herrschenden Schichten vorbehalten.
Griechische Philosophen wie Sokrates, Platon und Aristoteles forderten
darum eine umfassende Bildung für alle freien Bürger. Damit legten sie den
Grundstein für eine öffentliche Erziehung (vgl. Heidenfelder 2015). Seit
jeher haben sich Philosophen Gedanken gemacht, wie man den Menschen
zu einem guten Leben anleiten kann, wie man heranwachsende Menschen
bilden und erziehen kann/soll. Es wurde in der Erziehung keine
Spezialisierung angestrebt, sondern das Augenmerk wurde auf eine
möglichst umfassende Formung der Persönlichkeit gelegt (vgl. Decher
2012, S. 7). Im nächsten Unterkapitel werden die Gedankengänge des
Philosophen und Lehrers Sokrates näher erläutert.
6.1.1 Sokrates
Was über das Leben des Sokrates bekannt ist,
stammt aus Berichten, die über ihn, nicht von
ihm, verfasst wurden, er selbst hat keine
einzige Zeile hinterlassen. Seine Lehr- Form
war die der Kommunikation zwischen zwei
Menschen. Schreiben hieß für ihn die
Erkenntnisse mit den Worten auf Eis zu legen
und sie damit jeglicher
Entwicklungsmöglichkeit zu entziehen.
Er soll von 470 bis 399 vor unserer
Zeitrechnung gelebt haben. Das genaue
Geburtsdatum ist umstritten. In der
philosophischen Denkweise Sokrates´ ging es in der Erziehung darum,
Abbildung 1: Sokrates aus http://www.anderegg-
web.ch/phil/sokrates.htm
S e i t e | 17
Anstöße und Anregungen zu geben, wie man sein Leben selbst in die Hand
nehmen kann. Ähnlich wie ein Bildhauer ein Werk gestaltet, so meinte
Sokrates, dass auch jeder einzelne Mensch sein Leben frei gestalten und
aufbauen kann. Dem Menschen einen selbstverantwortbaren Sinn zu
geben, wurde beabsichtigt (vgl. Decher 2012, S. 31). Liest man diese
Zeilen, so kann man erkennen, dass die Strömung des konstruktivistischen
Denkens bereits so alt ist wie die abendländische Kultur.
6.1.1.1 Ziel der Erziehung aus sokratischer Ansicht
Sokrates verfolgte mit seiner Erziehung, dass jeder Mensch in der Lage ist,
ein sinnvolles und gelingendes Leben zu führen. Ein Leben, das es verdient
hat, als glücklich bezeichnet zu werden (vgl. Decher 2012, S. 34). Richtet
man den Blick geschichtlich weiter nach vorne, wurde dieses Denken nicht
immer gelebt bzw. berücksichtigt. Die zwei Hauptformen der sokratischen
Erziehung waren Prüfung und Ermahnung. Diese Worte klingen sehr strikt
und hinterlassen den Eindruck, wenig Freiraum zu haben. Sokrates meinte
jedoch, dass dies zwei einander ergänzende Aspekte und Stadien des
selben Prozesses sind. Die Ermahnung, die Frage danach, wie man leben
soll, als roten Faden für das Leben zu benutzen, führt zur Prüfung der
leitenden Lebensziele und Einstellungen. Diese Prüfung ihrerseits fließt in
die Ermahnung mit ein, das Leben in Richtung auf das als richtig und falsch
Erkannte hin auszurichten oder zu ändern (vgl. Decher 2012, S. 35).
6.1.1.2 Sokratische Methode
Die sokratische Denkweise in Bezug auf Erziehung erfolgte im Gespräch,
das um konkrete Fragen kreiste. Dieses Gespräch verlief gemäß einer
bestimmten Methode. Die Methode charakterisierte, dass der Lehrer
Sokrates dem oder den Gesprächspartner/innen keine fertigen Ergebnisse
vortrug, sondern sie durch gut durchdachte Fragen dahinführte (induziert),
aus eigener Einsicht Erkenntnisse zu gewinnen, und sei es nur, um zu
erkennen, dass man bisher einem Irrtum unterlaufen war. Diese Methode,
wo man zu Einsichten kommt, wird auch als Mäeutik (Hebammenkunst)
definiert. Sokrates´ Mutter war Hebamme und half Kindern das Licht der
S e i t e | 18
Welt zu erblicken. Sokrates bewirkte mit seiner Methode der
Gesprächsführung, dass der Geist des Individuums selbst zum Reflektieren
angeregt wurde (vgl. Dechner 2012, S. 35-37). Sokrates hatte als Erster,
zwar nicht wissenschaftlich belegt, jedoch für seine Zeit äußert
fortschrittlich, den Begriff der Induktion in Umlauf gebracht. Die Gespräche,
die er mit den zu Erziehenden führte, trugen dazu bei, dass er von einem
besonderen Fall auf die Allgemeinheit schloss.
6.1.1.3 Zusammenfassung
In der griechischen Antike war Sokrates federführend und ermöglichte eine
öffentliche Erziehung für alle Bürger und Bürgerinnen. Sokrates erkannte
bereits, dass ein heranwachsender Mensch als autonomes Wesen in der
Lage ist, kritisch zu reflektieren, das heißt, Verantwortung für das eigene
Leben zu übernehmen. Der Philosoph und Lehrer trug durch seine Methode
wesentlich dazu bei, dass die Entwicklung der heranwachsenden
Menschen gefördert wurde. So hatte bereits damals in gewisser Hinsicht
die Erziehung zur Selbsterziehung stattgefunden. Des Weiteren wurden
Werte wie Gleichwürdigkeit, Authentizität, Verantwortung und Integration
vermittelt. Er respektierte die Wünsche und Bedürfnisse der
Heranwachsenden, indem er Fragen stellte und eigene Meinungen zuließ.
Somit fand bereits in der griechischen Antike die Erziehung zum freien
Denken statt. Eine Erziehung, die dazu beiträgt, dass man
Eigenverantwortung für das eigene Leben übernimmt, im Gespräch den
nötigen Respekt gegenüber der anderen Person wahrt, Offenheit, Mut und
Ehrlichkeit erlernt, um in weiterer Folge mit Standhaftigkeit gerüstet zu sein.
Sokrates war somit Vorbild für heranwachsende Menschen, indem er durch
Fragen ein Neugierverhalten in den Heranwachsenden weckte und sie
zugleich dazu motivierte nachzudenken und zu antworten. Eine
gemeinsame Interaktion fand statt und trug somit bereits in der Antike zu
einem entwicklungsfördernden Verhalten bei.
S e i t e | 19
6.2 Mittelalter und Renaissance
Mit der Ausbreitung des Christentums nahm sich die Kirche der Erziehung
an. Dom- und Klosterschulen lehrten neben den freien Künsten Grammatik,
Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie vor allem
den christlichen Glauben. In den Genuss dieser Bildung kamen
hauptsächlich die Mitglieder des Klerus. Im Hochmittelalter verstärkte die
Kirche ihre Bildungsaktivitäten und schuf ab dem 12. Jahrhundert
wissenschaftliche Studienplätze an Universitäten. Die zu dieser Zeit
gegründeten Universitäten von Bologna, Paris und Oxford existieren noch
heute. Auch Klöster waren in dieser Zeit Zentren der Bildung und des
Wissens. Sie bildeten in der Regel nur Adelige und Kleriker aus. Die
Ausbildung des Volkes war eine Sache der mittelalterlichen
Handwerkszünfte. Das änderte sich erst in der Renaissance, als neben den
kirchlichen Schulen sogenannte Bürgerschulen entstanden. Sie
vermittelten die für den Handel notwendigen Kenntnisse in Lesen,
Schreiben und Rechnen. Für die breite Masse blieben nur die privat
organisierten Winkelschulen. Diese Schulen genossen jedoch wenig
Ansehen, weil dort oft schlecht oder gar nicht ausgebildete Personen in der
Erziehungsaufgabe tätig waren (vgl. Heidenfelder 2015). Mit der
christlichen Erziehung im Mittelalter wurde eine Pädagogik des Glaubens
angestrebt. Es ging darum, eine andere Position gegenüber der Realität
einzunehmen (vgl. Böhm 2013, S.40). Der Erziehungsbegriff definierte sich
im Mittelalter vorwiegend durch die Disziplinierung der Menschheit zu
Demut, Glauben und christlicher Vollkommenheit, um in der religiösen -
kirchlichen Gemeinschaft Anschluss zu finden (vgl. Reble 1951, S. 59).
6.2.1 Kindheit im Mittelalter
Die Kindheit wurde im Mittelalter in Phasen eingeteilt:
• Infantia
Die Phase von der Geburt bis zum siebten Monat. Sie wurde als die
Phase der Sprachlosigkeit gekennzeichnet. Die eigentliche Kindheit
dauerte bis zum 7. Lebensjahr (vgl. Klaus 1980, S. 19-21).
S e i t e | 20
• Pueritia
Beschreibt die Zeit vom 7. bis zum 14 Lebensjahr. An diesen Phasen
lässt sich sehr gut erkennen, dass die Ziffer Sieben im Mittelalter sehr
aussagekräftig war. Weitere Beispiele für diese Ziffer sind die sieben
Sakramente, die sieben Wochentage und die sieben Künste, die in der
Erziehung der heranwachsenden Menschen eine entscheidende Rolle
spielten. Nach dieser Aufzählung endete die Kindheit mit dem 7.
Lebensjahr. Die Kinder wurden wie Erwachsene behandelt. Adelskinder
wurden in die Obhut von Lehrpersonen übergeben, die für die weitere
Erziehung der heranwachsenden Menschen verantwortlich waren.
Kinder, die aus dem Volk stammten, stiegen in das alltägliche
Arbeitsleben ein. Knaben ab dem 7. Lebensjahr wurde der Eintritt in das
Berufsleben gewährt. Wie bereits erwähnt, erlernten sie den Beruf des
Vaters oder sie wurden an Kaufleute oder an handwerklich tätige
Personen übergeben. Das Loslösen von der familiären Umgebung
gehörte zum Erziehungsprozess (vgl. Klaus 1980, S. 19-21).
6.3 Karl der Große
Der am 2. April 748 nach Christi
geborene Karl der Große (vgl.
Becher 2014, S. 122) war, was wir
bis heute wissen, ein sehr
wissbegieriger Mensch, der
bemüht war, Fremdsprachen zu
erlernen und Wert darauf gelegt
hatte, die septem artes liberales,
die in einem späteren Abschnitt
näher erläutert werden, zu
praktizieren. Karl der Große war
dafür verantwortlich, dass die
Bibel und die sieben freien Künste
als Grundlage der Erziehung heranwachsender Menschen dienten. So
entstand durch Karl den Großen und seine berufenen Männer Langobarden
Abbildung 2: Karl der Große aus https://prezi.com/dt_6l9ackpuk/karl-der-groe/
S e i t e | 21
Paulus Diaconus, Peter von Pisa, Alkuin und dem Deutschen Einhard ein
neues Bildungswesen, die karolingische Bildungsreform (vgl. Hörburger
1967, S.27).
„Das was wir heute von ihm wissen, deutet auf eine heterogene
Persönlichkeit hin: grobschlächtig, gewalttätig und mitleidlos gegenüber
seinen Feinden, großzügig in der Liebe zu seinen vielen Frauen, ungebildet
(…) und gleichzeitig wiss - und lernbegierig, ein brutaler Kriegsherr und ein
kluger und geschickter Organisator seines Reiches“ (Treml 2005, S.135).
6.3.1 Die Bedeutung des Bildungskanons
Der Bildungskanon setzte sich aus dem Studieren der Bibel und aus den
septem artes liberales, die freien Künste des Mannes, zusammen. Die Bibel
zählte zu den Hauptlehrbüchern dieser Zeit. Verschiedenste
Literaturzweige dienten als Lernunterlage. Eine Bandbreite von Biografien,
Liedern, Gesetzestexten, Erzählungen und Dichtungen wurden visuell,
lehrreich und mit Behaltewert für die heranwachsenden Menschen
dargestellt. Die zentrale Rolle in der Erziehung spielte somit die Bibel,
dieser untergeordnet waren die freien Künste. Die septem artes liberales
dienten als Werkzeug, um den Weg zur Heiligen Schrift zu gewähren (vgl.
Treml 2005, S.139). Alkuin, ein Berater Karl des Großen, beschrieb die
Bedeutung der Künste wie folgt: „Die göttliche Weisheit wird getragen von
den Säulen der sieben freien Künste und niemand kommt zur
vollkommenen Erkenntnis, der nicht auf den sieben Säulen oder Stufen sich
erhebt“ (Reble 1951, S.61). Aelius Donatus (350 n. Chr.), ein römischer
Gelehrter, verfasste die Grammatik Donatus, die sich als elementares
Hilfsmittel entwickelte (vgl. Fuhrmann 2002, S. 17). Im folgenden Abschnitt
werden die sieben freien Künste und deren Bedeutung zu Zeiten des
Mittelalters erläutert.
S e i t e | 22
6.3.2 Die septem artes liberales
Die freien Künste des Mannes (septem artes liberales) sind ein Kanon
menschlicher Wissenschaften. Die Künste fanden ihren Ursprung bereits zu
Zeiten von Platon, Sokrates und Aristoteles. Im Mittelalter bestand der sich
immer wieder verändernde Kanon aus den vier rechnenden Künsten, dem
Quadrivum und dem Trivium, den drei redenden Künsten (vgl. Lindgren
2004, S.7). Zum Quadrivum, sprich den vier rechnenden Künsten, gehörten
Geometrie, Arithmetik, Astronomie und Musik. Zum Trivium, sprich den drei
redenden Künsten, zählten Rhetorik, Grammatik und Dialektik (vgl. Denk
2016, o.S). Die nächsten Abschnitte befassen sich mit dem Trivium und
dem Quadrivium. Es soll ein exemplarischer Einblick in die Künste gegeben
werden.
Abbildung 3: septem artes liberales aus http://de.mediaevistik.wikia.com/wiki/Datei:Septem_artes_liberales.gif
S e i t e | 23
6.3.2.1 Das Trivium
Im sogenannten sprachwissenschaftlichen Unterrichtsblock wurde das
Augenmerk auf die Grammatik gerichtet. Dies war der Schlüssel zum
Verständnis der Heiligen Schrift. Im Trivium wurde die lateinische Sprache
gelehrt. Der theoretische Teil befasste sich mit der Sprachlehre und der
praktische Teil legte den Schwerpunkt auf die Schriften von Poeten, die
gelesen und interpretiert wurden (vgl. Denk 2016, o.S). Der Unterricht der
Grammatik war zu damaligen Zeiten auf reines Auswendiglernen fixiert.
Autoritäres Verhalten der Lehrpersonen spiegeln sich wider, so dass in der
Abbildung der septem artes liberales die Grammatica durch Buch und Rute
charakterisiert wird (vgl. Treml 2005, S. 137). Die Rhetorik war die Fähigkeit
des sprachlichen Ausdrucks. Die Lehre der Sprache unterteilte sich
ebenfalls in einen theoretischen und in einen praktischen Teil, der sich mit
antiker Literatur befasste (vgl. Treml 2005, S.137).
„Die Dialektik stammt aus dem griechischen Wort „dialektike“, der Kunst der
Diskussion“ (Bowen 1975, S.45). Die Ursprünge der Dialektik sind auf Plato
zurückzuführen. Aristoteles, der Schüler von Plato, hielt seine
Beobachtungen in Büchern fest (vgl. Bowen 1975, S. 45).
6.3.2.2 Das Quadrivum
Die Arithmetik wird auf der Abbildung mit einer Zählschnur dargestellt. Sie
diente vor allem zur Kalenderberechnung von religiösen Festen, z.B. Ostern
(vgl. Denk 2016, o.S). In der Geometrie wurde die Lehre der Formen
gelehrt. Die Lehre von Strecken und Körpern war Gegenstand dieser Kunst.
Die Kunst der Astronomie beschäftigte sich mit dem Studium der
Himmelskörper, besonders mit der Deutung der Sternenbilder und der
Dynamik von Mond und Sonne (vgl. Lindgren 2004, S. 12f.). Die Musik, als
die letzte Kunst des Quadrivums, wird durch Musikinstrumente abgebildet.
Sie befasste sich mit Gesang oder Instrumenten, um so Zahlenverhältnisse
greifbar zu machen (vgl. Lindgren 2004, S.11f.).
Das Zeitalter der Renaissance (Wiedergeburt), wie der Name bereits
vorausschickt, rückt heranwachsende Menschen in ein neues Licht. Der
S e i t e | 24
Mensch wird nicht mehr als Form der Allgemeinheit betrachtet, sondern wird
als eigenständiges Individuum angesehen bzw. wiedergeboren (vgl. Böhm
2013, S. 44-45).
6.3.2.3 Zusammenfassung
Im Mittelalter stand der Erziehungsbegriff nicht allzu sehr im Mittelpunkt.
Der Bildungsprozess wurde forciert und Folge dessen wurden Kinder
bereits mit sieben Jahren als Erwachsene angesehen. Sie wurden nicht als
autonomes Wesen betrachtet. Die Herkunft war verantwortlich, welcher
Werdegang und welche erzieherischen Maßnahmen den
Heranwachsenden zugutekamen. Ziel war es, sich vom familiären Kreis zu
lösen, was wiederum, wie wissenschaftlich belegt werden kann, nicht
entwicklungsförderlich war. Die Erziehung erfolgte hauptsächlich über die
Vermittlung von Wissen. Die Zeit war vom Glauben und der Kirche geprägt.
Die Bibel galt sozusagen als Erziehungsleitfaden, an den sich die
Heranwachsenden sowie auch die Erziehungspersonen orientierten. Kinder
wurden somit nicht in ihrer Eigenständigkeit und Selbstbestimmung
gefördert. Lediglich der Respekt gegenüber den erwachsenen Menschen
wurde vermittelt, der jedoch nicht auf Basis der Gleichberechtigung
stattgefunden hat.
S e i t e | 25
6.4 Aufklärung
Mitte des 17. Jahrhunderts verlor die Kirche im Zuge der Aufklärung an
Einfluss. Die Wissenschaft schob sich immer mehr in den Vordergrund. Der
Mensch forschte, experimentierte und entdeckte. Die Entwicklung der
eigenen Fähigkeiten rückte in den Fokus. So äußerte der englische
Philosoph John Locke (1632–1704) den Gedanken, dass der Mensch bei
seiner Geburt ein leeres Blatt sei, das erst durch seine Erziehung
beschrieben werde. Ein weiterer bedeutender Name dieser Zeit ist der
Schweizer Jean - Jacques Rousseau (1712 – 1778), der als Entdecker der
Kindheit gilt und die Gedanken von John Locke weiterentwickelt hat. Es ging
darum, eine Abgrenzung des Kindes vom Erwachsenen zu schaffen, damit
verbunden die Anerkennung der Kindheit als selbstständige
Entwicklungsstufe (vgl. Hörburger 1967, S. 68-70).
6.4.1 Über das Leben Rousseaus
Ein wichtiger Erzieher des Abendlandes
war Jean - Jacques Rousseau, der im
Menschen stets das „Gute“ in den
Vordergrund rückte.
„Der Mensch ist von Natur aus gut“
(Rousseau 1762, zit. n. Decher 2012,
S.121). Liest man diese Zeilen, so wird
bewusst gemacht, dass ein Kind, das mit
der Natur aufwächst, trotz des negativen
Einflusses der Zivilisation standhaft
bleibt und in der Lage ist, für sich selbst
eine bessere Lebensumwelt zu
schaffen. Rousseau orientiert sich
daran, dass alles, was von einer metaphysischen Quelle stammt, gut ist.
Kommt ein Subjekt in die Hände des Menschen, so gerät es aus dem
Konzept. Mit diesen wertvollen Gedanken hat der abendländische
Philosoph und Erzieher eine neue Welt entdeckt, die Welt der Kindheit als
eigenständige Lebensphase und eigene Form des Menschseins, die in sich
Abbildung 4: Rousseau aus http://www.notablebiographies.com/Ro-Sc/Rousseau-Jean-Jacques.html
S e i t e | 26
und durch sich gerechtfertigt ist. Zuvor wurden heranwachsende Menschen
als kleine Erwachsene betrachtet. Für uns Heutige ist diese Sicht des
Kindes selbstverständlich geworden und nicht mehr wegzudenken (vgl.
Decher 2012, S. 108- 127).
6.4.1.1 Rousseaus Prinzipien der Erziehung
• Der Eigenwert der Kindheit: Wie bereits oben erwähnt, ist es von
großer Bedeutung, das Kind als einen eigenständigen Menschen zu
sehen. Das bedeutet, die Kindheit soll nicht als Durchgangsstadium zur
erwachsenen Person angesehen werden, sondern gilt als
eigenständige, vollwertige Lebensspanne (vgl. Henting 2004, S. 44).
• Die Kindheit studieren: In seinem Roman „Emile,“ den er 1762
veröffentlichte, stellte Rousseau die nach seinem Sinn ideale Erziehung
dar. Er war der Ansicht, dass Kinder zu früh als Bürger der Gesellschaft
herangezogen werden. Ein heranwachsendes Kind ist auf die
Ausbildung seiner Sinne, Organe und Glieder angelegt. Rousseau war
der Meinung, wenn man Kinder zu früh mit den ursprünglichen Gefühlen,
Neigungen und Bedürfnissen zu unterdrücken versucht, so entwickelt
sich ein entzweiter Mensch und man arbeitet seinen Zielen zuwider (vgl.
Decher 2012, S. 123-125). Für die heutige Zeit bedeutet das, dass man
die Kindheitsphase analysieren bzw. beobachten sollte, um daraus
Schlüsse ziehen zu können. Kinder dürfen nicht mit leeren Inhalten
konfrontiert werden, für die sie noch nicht reif sind. Es ist zu
berücksichtigen, in welcher Entwicklungsphase sich ein Kind befindet.
• Negative Erziehung: Darunter versteht man, dass ein Kind nicht in der
Wahrheit unterwiesen werden darf, sondern die Erziehung muss darauf
ausgelegt werden, das Herz des Kindes frei von Lasten zu halten und
den Verstand nicht irrezuführen. Rousseaus Gedankengut legt nahe,
dass ein Kind erst ab dem zwölften Lebensjahr in der Lage ist, seinen
Geist der Vernunft zu öffnen. Davor dürfte man nicht mit
S e i t e | 27
Moralvorstellungen an das Kind herantreten, sondern man müsste die
Kinder durch die Notwendigkeit der Dinge erziehen, das heißt, in erster
Linie verhindern, dass dem Kind seelischer Schaden widerfährt. Es gehe
nicht darum, Zeit zu gewinnen, sondern zu verlieren. Das hat eine
Entmoralisierung der Pädagogik zur Folge, in der die Natur die Position
des Erziehers/der Erzieherin übernimmt. Allerdings nur insoweit, als der
Erzieher/ die Erzieherin ihre Einwirkung herbeiführt, um das Kind seinen
Wünschen entsprechend zu formen (vgl. Henting 2004, S. 45-48).
• Erfahrungslernen: Es gibt nach Rousseau dreierlei Lehrer und im 21.
Jahrhundert ebenso Lehrerinnen: die Natur, die Menschen und die
Dinge. Das Ziel der Erziehung ist dabei das der Natur selbst, denn die
Dinge und die Menschen können zumindest zum Teil, die Natur aber gar
nicht, beeinflusst werden, weshalb die zwei anderen nach ihr
ausgerichtet werden müssen. Entscheidend für Rousseau ist dabei der
Verzicht auf Macht gegenüber den heranwachsenden Menschen.
Jeglicher Zwang soll ersetzt werden durch Notwendigkeit, welche dem
Kinde einsichtiger ist. Rousseau war schon damals der Meinung, wenn
Kinder etwas freiwillig tun, dann tun sie es gerne. Er kritisierte die
Lehrpläne der damaligen Zeit, die die Lernenden mit Inhalten
konfrontierten, die für sie keine erkennbare unmittelbare Bedeutung
hatten. Dieser Bezug zur eigenen Lebenswirklichkeit müsse aber
gegeben sein, wenn Inhalte gelernt werden sollen. Dieser Vorgang des
Lernens entspreche gleichsam einem natürlichen Lernen (vgl. Henting
2004, S. 48-52).
An dieser Stelle sollte das Werk „Emil oder Über die Erziehung“ (1762)
erwähnt werden. In diesem Werk wird die fiktive Figur namens Emil durch
ihre Erziehung begleitet. Damit Emil den Nutzen seines erlernten Wissens
erkennt, führt sein Erzieher ihn in den Wald und verirrt sich absichtlich mit
ihm. Anhand der von Emil erlernten Fähigkeiten (Himmelsrichtung anhand
der Sonne und des Schattenwurfes der Bäume zu erkennen) finden beide
wieder aus dem Wald heraus. Emil kommt zur Erkenntnis, dass sein Wissen
S e i t e | 28
einen Zweck hat und auch ein noch so fern scheinender Lerngegenstand
wie die Astronomie doch nützlich sein kann. Für den Erzieher von Emil ist
es wichtig, dass sein Zögling den Nutzen des Erlernten erkennt (vgl.
Saathoff 2014, S. 15- 16).
• Die altersgemäße Erziehung
Rousseau beobachtete die Kindheits- und Jugendphasen und leitete
vier Abschnitte ab:
Die Kindheit (Alter der Natur, Geburt bis zum dritten Lebensjahr), das
Knabenalter (Alter der Stärke, bis zum zwölften Lebensjahr), die
Vorpubertät (Alter der Vernunft, vom zwölften bis zum fünfzehnten
Lebensjahr) und die Pubertät, auch Jünglingsalter – adolescence –
genannt (Alter der Einsicht, bis zum zwanzigsten Lebensjahr). Nach
ihrem Abschluss ist ein zu erziehender Mensch der Begleitung seiner
Erzieher/ Erzieherin nicht mehr bedürftig, diese können aber noch als
Freunde erhalten bleiben (vgl. Henting 2004, S. 53- 55).
Das noch nicht oder unvollkommen sprechende Kind
Rousseau zeigt auf, dass man einem Kind den Gebrauch seiner
geringen Kräfte lassen muss und den Forschungstrieb nicht
unterdrücken darf. Man muss ihm seine fehlenden Kräfte ersetzen und
ihm beistehen, allerdings beschränkt sich dies auf die Befriedigung der
natürlichen und notwendigen Bedürfnisse, wie Ernährung, Hygiene und
Schutz (vgl. Henting 2004, S. 55- 56).
Der Knabe
Diese Lebensspanne ist der Geschicklichkeit und Schärfung der
Wahrnehmung vorbehalten. Das wird praktisch durch Arbeit,
Erkundung, Nachahmung und Spiel erreicht, wobei das Kind durch
Selbsttätigkeit, in Versuch und Irrtum, seine Fähigkeiten erwerben soll.
Es wird der größte Wert auf eigene Erfahrungen und das daraus
resultierende Verständnis der Welt gelegt (vgl. Henting 2004, S.56-58).
S e i t e | 29
Rousseau schreibt ausschließlich über die männliche Form. Im 21.
Jahrhundert ist es auf beide Geschlechter zu übertragen.
Das erstarkte Kind vor der Pubertät
In dieser Lebensphase werden der erwachende Verstand und die
Vernunft angesprochen, das heißt, der Unterricht wird von den
heranwachsenden Menschen studiert. Er zielt nicht darauf ab, den
Kindern wissenschaftliche Erkenntnisse beizubringen, sondern es geht
darum, dass Kinder Gefallen am Unterricht finden. Das Ziel zum
Abschluss dieser Lebensphase ist ein arbeitsames, mäßiges, kräftiges,
geduldiges und vor allen Dingen urteilsfähiges Kind, das zwar wenige,
aber dafür gründliche Kenntnisse sein Eigen nennt (vgl. Henting 2004,
S. 58-59).
Die Reifezeit
Das bisher handelnde und denkende Wesen wird nun auch ein
liebendes und empfindendes. Damit droht nun eine neue Art der
Abhängigkeit: die von einer geliebten Person (bisher kannte das Kind
nur die Selbstliebe). Leidenschaften, welche das Kind vorher nicht
kannte, drohen den herabwachsenden Menschen zu überwältigen (vgl.
Henting 2004, S. 59-63).
• Die Erziehung zur bürgerlichen Person:
Als Glied einer Gemeinschaft muss ein Kind Pflichten erfüllen. Der
heranwachsende Mensch, der bislang in der Einsamkeit zur
Unabhängigkeit erzogen wurde, sollte am Ende dieses
Erziehungsprozesses in der Lage sein, den Bund mit der Gesellschaft
schließen zu können, um in der Gemeinschaft bestehen zu können.
Dazu gehört Menschenkenntnis, die der Jugendliche/ die Jugendliche
erfährt, wenn er/ sie in der Ferne eigene Erfahrungen sammelt (vgl.
Henting 2004, S. 63-70).
S e i t e | 30
• Die natürliche Religion:
Die natürliche Religion nach Rousseau beruht auf Erfahrungen und
Überlegungen, die allen zugänglich sind. Heranwachsenden Menschen
soll keine Weltanschauung aufgedrängt werden, damit sie diejenige
wählen können, zu der sie die eigene Meinung führt (vgl. Henting 2004,
S. 70-71).
Rousseau schreibt über den Knaben und den Bürger, die weibliche
Form wird nicht erwähnt, sie ist auch nicht gemeint. In der heutigen Zeit
ist dies für beide Geschlechter zu betrachten.
6.4.1.2 Zusammenfassung
Betrachtet man die Entwicklungsstufen, ist das Ziel von Rousseau
folgendes: Kinder sollen nicht mit reinen Kenntnissen und Wissensstoff
konfrontiert werden. Es geht darum, dass dem heranwachsenden
Menschen dabei geholfen wird, die in sich ruhenden Anlagen zum Blühen
zu bringen. Rousseau darf als einer der Begründer einer systematischen
Betrachtung des erzieherischen Verhältnisses betrachtet werden. Mit seiner
auf Erzieher und Zögling reduzierten Darstellung im Werk „Emile“ hat er das
pädagogische Verhältnis gerade in dieser Übersteigerung als sinnvolles
methodisches Prinzip radikal herausgehoben. Der Erzieher, wie Rousseau
ihn beschreibt, nimmt sich selbst weitestgehend zurück und beschränkt sein
pädagogisches Handeln auf das Anordnen natürlicher Lernprozesse, die
ihren Ausgang in der Natur des heranwachsenden Menschen nehmen (vgl.
Decher 2012, S. 110- 127). Zusammengefasst soll durch selbstständiges
Handeln ein Lernprozess stattfinden, der es ermöglicht, in allen
Lebensbelangen zurechtzukommen.
Eigenverantwortung, Selbstbestimmung sowie der nötige Respekt wurden
von Rousseau in der Zeit der Aufklärung angestrebt. Den
heranwachsenden Menschen sah man als eigenständiges, frei denkendes
Wesen. Es wurden die im Anhang genannten Werte vermittelt und die
Heranwachsenden bekamen die Möglichkeit, offen und mutig durch das
Leben zu gehen, um eigene Erfahrungen zu machen.
S e i t e | 31
6.5 Reformpädagogik
Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wehrten sich einige
Pädagogen und Pädagoginnen gegen das autoritäre Denken der
herkömmlichen Schulen. Sie wollten den Geist der reinen Lernschule
überwinden und riefen eine neue Form der Erziehung ins Leben: die
Reformpädagogik. Berühmte Vertreter dieser Erziehungsrichtung sind der
Schweizer Johann Heinrich Pestalozzi (1746 – 1827) und die Italienerin
Maria Montessori (1870 – 1952). Ziel aller Reformpädagogen/innen war es,
das Kind als Individuum zu achten und seine kreativen Kräfte zu wecken
und zu fördern. Wichtige Punkte dieses Erziehungsstils waren die
Selbsttätigkeit der Kinder, das freie Gespräch und das Lernen durch
Handeln (vgl. Hörburger 1967, S. 159). Im nächsten Kapitel wird Maria
Montessori, eine Frau, die in der erzieherisch-pädagogischen Erziehung
niemals in Vergessenheit geraten wird, erläutert.
6.5.1 Die Maria Montessori Pädagogik
Dieses Kapitel befasst sich mit der Montessori Pädagogik und hebt hervor,
welchen entscheidenden Beitrag diese Frau zu Zeiten der Aufklärung für
die heutige und zukünftige Zeit geliefert hat. Ihr pädagogisches Konzept ist
sehr breit gefächert und spricht alle Altersstufen der heranwachsenden
Menschen im Erziehungsprozess an.
S e i t e | 32
6.5.2 Leben und Werk von Maria Montessori
Maria Montessori wurde 1870 in der kleinen italienischen Stadt Chiaravalle
als einziges Kind einer bürgerlichen
Familie geboren (vgl. Schulz – Benesch
2012, S. 259).
Die Familie übersiedelte nach Rom, wo
Maria Montessori die Volksschule und
im Anschluss daran höhere Schulen
besuchte. In der Literatur geht hervor,
dass der Vater von Maria Montessori ein
klassisches Bild der Rollenenverteilung
in der Familie verfolgte. Dies war wenig
erfolgreich, da Maria Montessori schon
früh eine naturwissenschaftliche -
mathematische Begabung zeigte. So
besuchte sie auch eine technische
Oberschule für Jungen. Der Gegenpol zum Vater Maria Montessoris war
die Mutter Renilde Stoppani. Sie unterstützte ihre Tochter in ihrer Eifrigkeit
und bestärkte Maria Montessori in einer doch männerdominierten Welt,
Karriere zu machen. Montessoris großer Wunsch war es jedoch, Ärztin zu
werden. In damaligen Zeiten war dies ein weitgestecktes Ziel, da der Beruf
des Arztes nur Männern vorbehalten war. Maria Montessori zeigte sich
durch ihren willensstarken Charakter hartnäckig, bis sie am Ende ihr Ziel
erreichte. Sie promovierte als erste Frau Italiens im Jahre 1886 im
Fachgebiet Medizin und übernahm eine Stelle in Rom als Assistenzärztin
an der Universitätsklinik für Psychiatrie (vgl. Speichert 2005, S. 14,
Waldschmidt 2001, S. 12).
Abbildung 5: Montessori aus http://www.littlestarmontessori.co.nz/abo
ut_montessori.html
S e i t e | 33
• Entstehung ihrer beruflichen Karriere
Die darauffolgenden Jahre als Assistenzärztin an der
psychiatrischen Abteilung der Universitätsklinik Rom prägten den
Werdegang Montessoris maßgeblich. In der Klinik wurden Maria
Montessori geistig behinderte Kinder vorgestellt, die zusammen mit
psychotischen Erwachsenen in einer Zelle lebten. Montessori gilt bis
heute als eine sehr engagierte Frau, der schon damals der Spieltrieb
dieser Kinder ins Auge stach. Die Begegnung mit diesen Kindern war
der Grundstein für die Entstehung der Montessori - Pädagogik und
Grund dafür, dass sie sich mit dem Fachgebiet Pädagogik
auseinandersetzte. Maria Montessori begann sich mit Literatur, die
zur damaligen Zeit über Erziehungsmöglichkeiten geistig behinderter
Kinder zur Verfügung stand, zu beschäftigen. Die Publikationen von
Jean Marc Gaspard Itard (1774- 1838) und Eduard Seguin (1812-
1880) Publikationen dienten Montessori als Grundlage. Itard
untersuchte einen elfjährigen Jungen, der alleine mit Tieren im Wald
lebte, und kam zu der Erkenntnis, dass eine Erziehung der Sinne die
Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten fördert. Seguin, der Schüler
Itard´s, förderte dieses Gedankengut (vgl. Waldschmidt 2001, S.
18f.). Bis Anfang des 19. Jahrhunderts hatten die beiden Ärzte
effektive Arbeiten auf dem Gebiet der Erziehung mit geistig
behinderten Kindern geleistet. Der Arzt Seguin entwickelte eine
Erziehungsmethode, die die Entwicklung dieser Kinder durch
Sinnesübungen förderte. Maria Montessori baute die Konzeption von
Seguin aus, wie wir sie bis heute kennen. Sie wendete diese
Methode mit großem Erfolg bei geistig behinderten Kindern an. Maria
Montessori war davon überzeugt, dass die entsprechende Erziehung
solchen Kindern effektiver helfen kann als nur medizinische
Betreuung (vgl. Röhrs 1998, S. 251, Schulz- Benesch 1999, S. 33ff.).
So wurden beim Lernen die Mittel und Materialien an die
heranwachsenden Menschen angepasst und nicht die
heranwachsenden Menschen den Materialien (vgl. Noll/Schieder
2000, S. 26). Ende des 19. Jahrhunderts übernahm Maria Montessori
die Leitung eines neu gegründeten heilpädagogischen Institutes für
S e i t e | 34
Kinder in Rom. Nach zweijähriger Beschäftigung beendete sie die
Arbeit in diesem Institut. Grund dafür war eine uneheliche
Schwangerschaft, die vor der Öffentlichkeit geheim gehalten wurde.
Maria Montessori gebar 1898 einen Sohn namens Mario, der bei
Pflegeeltern am Land aufwuchs. So war es Montessori möglich,
sofort an ihrer beruflichen Karriere weiterzuarbeiten. Festzuhalten ist
dennoch, dass dieser Schritt eine schmerzhafte Erfahrung in ihrem
Leben darstellte. Zu vermuten ist, dass sie auf Grund dieser
Erkenntnis ihr Einfühlvermögen für Kinder und deren Bedürfnisse zu
verdanken hatte. Als Marios Pflegemutter starb, nahm Maria
Montessori ihren bereits jugendlichen Sohn zu sich. Es kristallisierte
sich im Laufe der Zeit heraus, dass Mario Montessori eine wichtige
Stütze für seine Mutter darstellte. Er führte das Werk seiner leiblichen
Mutter weiter (vgl. Waldschmidt 2001, S. 20f.).
• Tätigkeit als Pädagogin/ Grundsteinlegung der Montessori -
Pädagogik
Im Laufe der Jahre widmete sich Maria Montessori immer intensiver
den Erziehungsmethoden für geistig behinderte Kinder. Zu
damaligen Zeiten wurden in San Lorenzo Wohnungen für bedürftige
Familien sowie ein Kinderhort errichtet. Die Kinder der dort
ansässigen Arbeiterfamilien wurden betreut. Montessori wurde
damals mit der Konzeption der Einrichtungen beauftragt. Der
Grundstein für ihr pädagogisches Handeln wurde gelegt. Montessori
konnte zu dieser Zeit ihre Erziehungsmethoden bei nicht behinderten
Kindern probeweise anwenden. 1907 wurde das erste Kinderhaus,
Casa die bambini, für gesunde Kinder eröffnet. Die Kinder sollten in
dieser Institution zur Selbstständigkeit erzogen werden. Weiteres
wurde den Kindern angeboten, die Welt zu entdecken. Leiterin für
„das Haus der Kinder“ wurde die Tochter des Hausmeisters, da Maria
Montessori davon überzeugt war, dass die klassische Lehrer/
Lehrerinnenausbildung zu sehr autoritär geprägt war (vgl.
Waldschmidt 2001, S. 31ff.) In diesem Kinderhaus entwickelte
Montessori ihren pädagogischen Ansatz. Sie verfolgte die
S e i t e | 35
Einstellung, dass Erziehung nach den inneren Fähigkeiten und
Beobachtungen des Kindes zu erfolgen habe. Die Interessen der
Kinder sollen von speziellen Materialien gelenkt und nicht von den
Pädagogen/ Pädagoginnen bestimmt werden. Personen, die im
Erziehungsprozess tätig sind, zeichnen sich durch Flexibilität aus
und verstehen sich als Helfer/Helferinnen bei der Entwicklung
selbstständiger Individuen. Sie pflegen die vorbereitete Umgebung,
erklären den Gebrauch der Montessori-Materialien und beobachten
heranwachsende Menschen bei der Tätigkeit, die sie durchführen.
Sie unterstützen bei Entwicklung und Selbstfindung und geben
Hilfestellung beim Wahrnehmen sozialer Verantwortung (vgl. Riedl
2007, S. 6). Montessori beobachtete in ihrem Kinderhaus ein
Mädchen, dass sich mit einem Sinnesmaterial beschäftigte. Das Kind
konnte durch nichts gestört werden. Nach der Bewältigung der
Aufgabe konnte Maria Montessori sehen, dass das Kind eine
innerliche Zufriedenheit verspürte. Ihr Gedanke wurde damit
bestätigt, dass Kinder eigenaktiv sind und sich selbst motivieren
können. Bei den geistig behinderten Kindern stellte Montessori fest,
dass sie zu einer Tätigkeit motiviert werden mussten. Der
Grundgedanke, dass in Kindern die Kraft verwurzelt ist, sich selbst in
ihrer Entwicklung voranzutreiben, hat sich bestätigt. Werden Kindern
geeignete Materialen angeboten, so arbeiten sie konzentriert,
motiviert und auf freiwilliger Basis. Das Erfolgserlebnis der
Erziehungsmethode von Montessori war dafür verantwortlich, dass
weitere Kinderhäuser in Italien entstanden. Im Jahre 1909 schrieb
Maria Montessori ihr erstes Buch. Im selben Jahr hielt sie ihren
ersten internationalen Trainingskurs. Maria Montessori hatte mit 40
Jahren den Grundstein für eine neue Erziehungsform gelegt. Der
große Erfolg brachte Maria Montessori dazu, dass sie 1910 ihre
medizinische Laufbahn beendete. Sie konzentrierte sich auf die
Weiterentwicklung und der internationalen Verbreitung ihres
pädagogischen Konzeptes (vgl. Kramer 1997, S. 13-17).
S e i t e | 36
• Internationale Verbreitung der Montessori - Pädagogik
Die Montessori- Pädagogik gewann ab dem Jahre 1911 vermehrt
internationale Anerkennung. Die innovative Erziehungsmethode
polarisierte in den USA. Helen Parkhurst wurde von Maria
Montessori zu ihrer Stellvertreterin in Amerika ernannt. Sie war eine
der internationalen Teilnehmerinnen in den Trainingsseminaren, die
Montessori hielt. Der Daltonplan ist ein pädagogisches Konzept, der
von Helen Parkhurst entwickelt wurde (vgl. Popp 1999, S.29).
Montessori wurde damals klar, dass sie von Rom aus keinen
Überblick über die USA haben konnte. Die gewaltige Dynamik, die
diese Pädagogik annahm, führte dazu, dass Montessoris Werke in
alle Weltsprachen übersetzt wurden (vgl. Röhrs 1998, S. 250). Im
Jahr 1916 verließ Maria Montessori Italien und übersiedelte nach
Barcelona. Sie bildete an den verschiedensten Orten der Welt
Lehrpersonen aus und hielt Vorträge. Montessori Gesellschaften
wurden gegründet. Nennenswert ist die Montessori - Gesellschaft in
den Niederlanden (vgl. Riedl 2013, S.25).
• Entwicklung der Montessori - Pädagogik in Österreich
1922 öffnete Österreich die Tore für das pädagogische Konzept von
Maria Montessori. Es wurde das berühmte Montessori Haus der
Kinder in Wien gegründet. Montessori hatte ihre Pädagogik
mittlerweile soweit ausgebaut, dass das Konzept auf die
verschiedenen Altersstufen ausgedehnt wurde. Die Montessori-
Pädagogik war vom Vorschulbereich bis hin zur Sekundarstufe
breitgefächert vertreten. 1929 wurde in Berlin, die Zentrale der
Organisation, die Assocation Montessori Internationale (AMI)
gegründet. Montessori wurde zur Präsidentin ernannt, ihr Sohn Mario
wurde als Sekretär beschäftigt. Heute befindet sich diese Zentrale in
Amsterdam und verfolgt das Ziel, die Ausbildungsstandards der
Montessori - Pädagogik zu erhalten (vgl. Riedl 2013, S. 26).
S e i t e | 37
• Verbot der Montessori- Pädagogik
Das Aufkommen des Nationalsozialismus vor dem zweiten Weltkrieg
war dafür verantwortlich, dass die Montessori - Pädagogik in den
darauffolgenden Jahren gestoppt wurde. Ministerpräsident Benito
Mussolini war regimeführend und sorgte dafür, dass Maria
Montessori sich endgültig aus Italien zurückzog. Zu dieser Zeit
wurden alle Schulen, die das montessorische Konzept
verinnerlichten, geschlossen. Im benachbarten Deutschland wurden
zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs ebenfalls alle Schulen, die unter
dem Konzept Montessoris liefen, geschlossen. Ebenso veranlasste
man, dass alle Bücher, die von Montessori publiziert wurden,
verbrannt wurden. Zu dieser Zeit beschäftige sich Montessori mit der
Friedenserziehung. Montessoris Konzept der kosmischen Erziehung
entwickelte sich auf Basis der Friedenserziehung. Zu Beginn des
Zweiten Weltkriegs im Jahre 1939 reisten Maria Montessori und ihr
Sohn nach Indien. Ihre Nationalität führte dazu, dass sie in Indien
ihrer Freiheit beraubt wurden. Dennoch konnte Montessori ihre
Tätigkeit weiter fortsetzen. Während der Kriegsjahre fokussierte sie
sich auf die Verbreitung ihres Konzeptes in den asiatischen Ländern.
Alleine in Indien wurden 1000 Lehrpersonen von Maria Montessori
und ihrem Sohn ausgebildet (vgl. Riedl 2013, S. 26-28). Im Jahre
1946 fanden Maria Montessori und ihr Sohn Mario wieder zurück in
die Niederlande. Die damals bereits 80-jährige Frau war bis zu ihrem
Lebensende stets bemüht, ihre Ausbildungskurse in den
verschiedensten Ländern anzubieten, um möglichst vielen Kindern
in ihrer Selbstständigkeit helfen zu können. In der Endphase ihres
Lebens wurde Maria Montessori mit unzähligen Auszeichnungen und
Ehrentiteln von verschiedenen Staaten für ihr Lebenswerk
ausgezeichnet. Durch die Kriegsjahre ging der Einsatz, den Maria
Montessori bezüglich der Friedenserziehung ausübte, unter. Maria
Montessori verstarb am 6. Mai 1952 im Alter von 82 Jahren in
Holland (vgl. Schultz- Benesch 1999, S.37).
S e i t e | 38
6.5.3 Ziel der Montessori - Pädagogik
„Das Kind ist nicht ein leeres Gefäß, das wir mit unserem Wissen aufgefüllt
haben und das uns so alles verdankt. Nein, das Kind ist der Baumeister des
Menschen und es gibt niemanden, der nicht von dem Kind, das er selbst
einmal war, gebildet wurde“ (Montessori 1987, S. 13). Maria Montessori war
davon überzeugt, dass ein heranwachsender Mensch von Geburt an ein
aktives, neugieriges Verhalten sowie Samenkörner für bestimmte
Begabungen in sich trägt, die auf dem Weg des Größerwerdens gepflegt
werden müssen. Vergleichbar mit dem Plan eines Hauses, der durch
effektive äußere Einflüsse und Bedingungen zu einer besseren Entfaltung
gelangt (vgl. Hansen - Schaberg 2005, S.2). Ausschlaggebend für die
Persönlichkeitsentwicklung des heranwachsenden Menschen sind die
Umgebung und das soziale Umfeld, in dem die Kinder aufwachsen. Der Ort
des Aufwachsens sollte der Startplatz in der Erkundungsreise sein und
somit auch ein Ankerplatz, zu dem man jederzeit zurückkehren kann (vgl.
Stein 1998, S. 11f.). Montessori postulierte, dass jedes heranwachsende
Kind einzigartig und unverwechselbar ist und somit die vollkommene
Zuwendung und Förderung verdient bzw. bekommen muss (vgl.
Waldschmidt 2001, S. 41). Die holistische Persönlichkeit, die bei
erwachsenen Personen als selbstverständlich wahrgenommen wird, muss
gerade bei Kindern betrachtet werden. Die Wichtigkeit in der Erziehung liegt
laut Maria Montessori darin, dass der heranwachsende Mensch
wahrgenommen wird unter Einbeziehung der Sinne (vgl. Ludwig 1999, S.
365). Wenn man den Bauplan des Kindes bedenkt, so darf nicht außer Acht
gelassen werden, dass der Bauherr/die Bauherrin immer der
heranwachsende Mensch selbst bleibt. Diese Tatsache muss von den
erziehenden Personen anerkannt werden. So ist ein Lernen aus
Überzeugung möglich und nicht aus Zwang durch autoritäres Verhalten
(vgl. Thomas 2002, S. 7). Das wesentliche Ziel, das die Erziehungsmethode
nach Maria Montessori verfolgt, ist, dass der heranwachsende Mensch in
seiner Selbstständigkeit gefördert und die Möglichkeit, sich frei zu bewegen,
gegeben wird. Freiheit ist in einer derartigen Erziehung für Montessori Weg
und Ziel zugleich. Die zunehmende Selbsttätigkeit der Kinder führt zur
Unabhängigkeit, die für das Leben unerlässlich ist (vgl. Waldschmidt 2001,
S e i t e | 39
S. 42). Der Entwicklungsstand des Kindes ist im Lernprozess jeglicher Art
zu berücksichtigen. Lernen wird nicht von der erziehenden Person
bestimmt, sondern dort, wo sich der heranwachsende Mensch befindet (vgl.
Noll/ Schieder 2000, S. 39). Grundgedanke von Maria Montessori ist es,
dass durch die veränderte Erziehung Menschen heranwachsen, die durch
selbstständiges Handeln einer sich veränderten Welt gewachsen sind (vgl.
Thomas 2002, S.6).
6.5.3.1 Zusammenfassung
Gleichwürdigkeit, Authentizität, Verantwortung und Integration sind Werte,
die in der Gesellschaft große Bedeutung haben. Montessori hat, was
Erziehung betrifft, alles versucht umzusetzen, was auch heute der
wissenschaftliche Stand der Forschung aufzeigt.
„Hilf mir, es selbst zu tun, dann hilfst du mir, ich selbst zu werden“ (Candolini
2007, S. 36).
Dieses zum Abschluss in abgewandelter Form angeführte Zitat diente Maria
Montessori als Leit- und Grundsatz und hat auch in der heutigen Zeit nicht
an Aktualität verloren.
6.6 Nationalsozialismus
Geprägt vom totalitären Anspruch in allen Lebensbereichen herrschte auch
an der Erziehungsfront bedingungsloser Gehorsam. Eigenständiges
Denken und selbstverantwortliches Handeln wurden aus den
pädagogischen Konzepten des Dritten Reichs verbannt. Andersdenkende
Erzieher/Erzieherinnen wurden vom Schuldienst ausgeschlossen.
Unterrichtsinhalte verbreiteten ausschließlich das nationalistisch-
rassistische Rollenbild von Kindern, Frauen und Männern (vgl. Scholtz
2009, S. 168).
S e i t e | 40
6.6.1 Erziehungshaltung im Nationalsozialismus
In einem einleitenden Zitat von Hitler zur Erziehung von heranwachsenden
Menschen wird der Blickwinkel der NS - Ideologie sehr deutlich erkennbar
(vgl. Reicher 2014, S.3).
„Meine Pädagogik ist hart. Das Schwache muss weggehämmert werden. In
meinen Ordensburgen wird eine Jugend heranwachsen, vor der sich die
Welt erschrecken wird. Eine gewalttätige, herrische, unerschrockene,
grausame Jugend will ich. Jugend muss das alles sein. Schmerzen muss
sie ertragen. Es darf nichts Schwaches und Zärtliches an ihr sein. Das freie,
herrliche Raubtier muss erst wieder aus ihren Augen blitzen. Stark und
schön will ich meine Jugend. Ich werde sie in allen Leibesübungen
ausbilden lassen. Ich will eine athletische Jugend. Das ist das Erste und
Wichtigste. Ich will keine intellektuelle Erziehung. Mit Wissen verderbe ich
mir meine Jugend. Aber Beherrschung müssen sie lernen. Sie sollen mir in
den schwierigsten Proben die Todesfurcht besiegen lernen…“ (Bayer 1982,
S.54, zit. nach Reicher 2014, S.3).
Die Wertevorstellungen zu Zeiten Hitlers beziehen sich vorwiegend auf
gesunde Körper. Die gelebten Erziehungsideale, die an Zucht und
Sauberkeit sowie der Unterwerfung orientiert waren, geben auch Einblick in
einen Erziehungsratgeber von Johanna Haarer (1936). Wenn ein Kind
schreit, „dann, liebe Mutter, werde hart! Fange nur ja nicht an, das Kind aus
dem Bett herauszunehmen, es zu tragen, zu wiegen, zu fahren oder es auf
dem Schoß zu halten, es gar zu stillen“ (Haarer 1936, S. 173, zit. nach
Reicher 2014, S. 3).
In der Erziehung wurden Körperkontakt, Liebe und Zuneigung sowie ein
tröstendes Wort abgelehnt. Der Erziehungsratgeber von Johanner Haarer
war bis in die 1960er Jahre als ratgebendes Buch in Fragen Erziehung
verbreitet. Die Ratschläge, die in diesem Buch zu finden waren,
widersprechen den Erziehungsfähigkeiten, die Personen in sich tragen.
Eine dieser Kompetenzen wäre die nonverbale angeborene
Kommunikationsform, die Erzieher/ Erzieherinnen sowie Eltern intuitiv
ausdrücken, wenn sie mit heranwachsenden Menschen interagieren (vgl.
S e i t e | 41
Reicher 2014, S. 3-4). Standpunkt aus heutiger Sicht und
entwicklungswissenschaftlichen Forschungen ist es, dass es von enormer
Wichtigkeit ist, Kindern, egal welchen Alters, tröstende Worte zukommen zu
lassen, die mit emotionalen Signalen verpackt sind (ebd., S. 3-4). Die
beiden Begriffe Führung und Erziehung wurden zu der Zeit gleichgestellt
(vgl. Scholtz 1985, S. 144). Autoritäre Machtausübung im
Erziehungsrahmen Familie und Schule wurde ausgeübt (vgl. Reicher 2014,
S. 3-4).
6.6.1.1 Ziel der NS - Ideologie
Wie aus dem einleitenden Zitat dieses Kapitels von Hitler hervorgeht, sollte
die Schule nicht einen Ort der Wissensvermittlung darstellen. Es wurde
darauf abgezielt, die politischen Grundprinzipien zu lehren. In den
Lehrplänen fand sich die nationalsozialistische Ideologie wieder, wo auf die
Betonung der körperlichen Ertüchtigung, der Rassen- und Vererbungslehre
sowie einer Frauen- und Familienbildlehre Wert gelegt wurde. Der
Unterricht hatte das Ziel, den Rassismus und die Gleichschaltung zu fördern
(vgl. Reicher 2014, S. 4). In dem Buch von Fricke - Finkelnburg (1989) mit
dem Titel „Nationalsozialismus und Schule“ wird dazu geäußert:
„Hitlers ‚Programm‘ für die Schule, entwickelt auf der Grundlage sozial-
darwinistischer Vorstellungen, erhob die ‚Rasse‘ zum obersten Wert. An
erster Stelle stand das Heranzüchtigen gesunder Körper´. Erst in zweiter
Linie kam die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten. Wissensvermittlung
sollte zugunsten körperlicher Ausbildung und ideologischer Ausrichtung
zurücktreten. Naturwissenschaftliche und technische Bildung sollten
zurückgedrängt werden. Betont wurden dagegen die
geisteswissenschaftlichen, in den Dienst ideologischer Indoktrination zu
nehmenden Fächer. Koedukative Erziehung wurde abgelehnt“ (Fricke-
Finkelnburg 1989, S. 12).
Das Ziel der NS - Ideologie war die Vermittlung von politischer Ideologie
(vgl. Reicher 2014, S.4). Fricke - Finkelnburg schreibt: „Das Primat der
S e i t e | 42
Politik hatte die Autonomie der Pädagogik abgelöst“ (Fricke- Finkelnburg
1989, S.13). Es wurde von einer Umkehr von Erziehungs- in
Machtverhältnisse gesprochen (vgl. Scholtz 1985, S. 109ff.).
Heranwachsende Menschen wurden als besonders formbare Personen
betrachtet. Sie sollten so früh wie möglich mit den Idealen der NS - Politik
konfrontiert werden (vgl. Reicher 2014, S.4). Individuelle Bedürfnisse
standen nicht im Vordergrund, die gemeinschaftliche Erziehung und ein
einheitliches Denken wurden angestrebt. Somit waren auch Lehrpersonen
in Schulen dazu verpflichtet, eigenständiges Denken zu untersagen (vgl.
Reicher 2014, S. 5).
6.6.1.2 Zusammenfassung
Die Zeit des Nationalsozialismus nimmt den wohl fragwürdigsten
Stellenwert in der Entwicklungsgeschichte der Erziehung ein. Eine Zeit, die
von einer strikt autoritären Erziehungsform geprägt war und in der Zucht
und Ordnung als die wichtigsten Ziele galten. Eine solche
Erziehungsmethode ist nicht anzustreben, da Kinder nicht in ihrer
Selbsterfahrung gestärkt und nicht als autonomes Wesen angesehen
werden.
S e i t e | 43
7 Veränderung der Erziehung bis heute
In den 1960er Jahren wurden grundlegende Veränderungen im Verhältnis
von Erziehern und Erzieherinnen, egal ob im familiären oder schulischen
Bereich, beobachtet (vgl. Reicher 2014, S.8). Der Übergang von der
alleinigen Bestimmung der Erzieher und Erzieherinnen zur kindbezogenen
Erziehung (vgl. Sieder 1967, S.265), die auf die Wünsche und Bedürfnisse
der heranwachsenden Menschen Rücksicht nimmt, wurde forciert. Die
herkömmliche Erziehung, die geprägt war vom Unterschied zwischen
Erwachsenen und Kindern, von Wissenden und Unwissenden, machte die
Heranwachsenden zum Objekt mit dem Ziel, sie zu nicht frei denkenden
Menschen zu erziehen. Es gibt jedoch keine Eindeutigkeit im Unterschied
von Erwachsenen und Kindern und die Machtausübung, die im
Nationalsozialismus ausgeübt wurde, ist empirisch nicht mehr tragbar (vgl.
Rotthaus 2000, S.130). Eine Erziehung zum freien Denken, wie wir sie
bereits zu Zeiten Montessoris kennenlernten, wurde angestrebt. Der
Gehorsam verlor die Dominanz in Erziehungsaufgaben in den 1968er
Jahren und führte zu innovativen Erziehungskulturen (vgl. Baader/Sager
2010, S. 255-267). Nach den Jahren von Drill und Disziplin interpretierte die
Gesellschaft nach den 68er Jahren, dass heranwachsende Menschen
Fähigkeiten, wie z.B. Motivation, Lebenslust und Zielerreichung, alleine
entwickeln können. Die unmenschliche Behandlung von Kindern und
Jugendlichen, die zu Zeiten der NS - Ideologie herrschte, führte dazu, dass
Erzieher/ Erzieherinnen der Meinung waren, heranwachsende Personen
würden viel ungelenkten Freiraum benötigen. Dies hatte zur Folge, dass die
jugendlichen Personen in eine Art luftleeren Raum verwiesen wurden und
somit ohne Schutzzone aufwuchsen. Heute geht aus neurobiologischen
Studien hervor, dass es ein Irrtum ist, heranwachsende Menschen auf sich
alleine zu stellen. Es wird belegt, dass Interesse, soziale Anerkennung und
Wertschätzung, die von einem Menschen zum anderen Menschen
entgegengebracht werden, effektiv dazu beitragen, dass sich zu erziehende
Personen in ihrer Entwicklung entfalten und wachsen können (vgl. Bauer
2008, S. 18ff.). Einen hohen Stellenwert in der Erziehung des 21.
Jahrhunderts bekommt die Selbstständigkeit der heranwachsenden
S e i t e | 44
Menschen, während die geschichtlich - traditionellen Erziehungsziele wie
Unterordnung und Gehorsam an Wichtigkeit verlieren (vgl. Reicher 2014,
S. 8). Dieser Wandel spiegelt die gesellschaftliche Veränderung wie
zunehmender Wohlstand, wider. Der öffentliche Zugang der Gesellschaft
zu Bildung und ebenso der Anstieg des Bildungsniveaus sind dafür
verantwortlich, dass postmaterialistische Werte, wie Glück, Freude und
Selbstverwirklichung, an Priorität gewonnen haben. Die Erziehung zur
Mündigkeit, zum Mitwirken und zur Selbstständigkeit bedarf einer
holistischen Einbeziehung der heranwachsenden Menschen in den
Erziehungsprozess. Erzieherische Handlungen haben an Hierarchie
verloren. Stattdessen wird das Miteinander von heranwachsenden
Menschen und Erziehern/Erzieherinnen fokussiert (vgl. Reicher 2014, S. 9).
„Die Bedeutung konventioneller Normen der Einordnung, wie Disziplin, gute
Umgangsformen und Achtung, nimmt ab, Autonomiewerte nehmen zu“
(Reicher 2014, S.9). Erst zwischen 1975 und 1989 wurde die Züchtigung
von heranwachsenden Menschen durch Erwachsene verboten. Kinder
haben in der heutigen Zeit ein Recht auf Erziehung ohne Gewalt. Sie sind
berechtigt, mehr Entscheidung für die Lebensverhältnisse zu tragen.
Partizipation, Vorsorge und Schutz gelten als Voraussetzung für eine
bestmögliche Erziehung und Entwicklung (vgl. Reicher 2014 S. 9).
Verallgemeinernd spricht man heute von einer Erziehung, die stark auf die
Selbstbestimmung der heranwachsenden Menschen abzielt. Die
Beziehung von Erziehern und Erzieherinnen zu den Kindern ist heute zum
größten Teil durch positive Emotionalität geprägt (ebd., S.9).
„Erziehungsziele und -einstellungen mit Blickrichtung auf
entwicklungsförderliches und dem Kindeswohl dienliches
Erziehungsverhalten“ (Fuhrer 2007, S.273) werden in der Zeit, in der wir
heute leben, fokussiert. Personen, die in einer Erziehungsfunktion tätig sind,
stellen sich heute immer mehr die Frage, wie Kontrolle und Begrenzung für
mögliches delinquentes Verhalten heranwachsender Menschen
entgegenzusteuern ist. Wie man durch Erziehungsstile ein „Rezept“ für
Erziehung finden kann, wird im nächsten Abschnitt erläutert. Auf
entwicklungsfördernde Merkmale, um heranwachsende Personen
S e i t e | 45
bestmöglich zu fördern und auf das Leben vorzubereiten, wird abschließend
eingegangen.
8 Die Entstehung der Erziehungsstile
„Kurt Lewin (1890-1947) war ein amerikanischer Psychologe deutscher
Herkunft. Er gilt als Vater der
Sozialpsychologie, die erforscht, wie
Erleben und Verhalten durch
Mitmenschen beeinflusst wird und wie
sich der Einzelne in sozialen Bereichen
verhält. Er begründete die Feldtheorie,
nach der das Erleben und Verhalten
eines Menschen durch die Bedingungen
seines Lebensraumes (= Feldes)
bestimmt wird“ (Altenthan et al. 2008, S.
214). Der Psychologe Kurt Lewin lieferte
im Jahre 1939 mit seinen Mitarbeitern Ralph White und Ronald Lippit
erstmals neue Erkenntnisse für die Erziehungsstilforschung. Durch
experimentelle Situationen im nicht schulischen oder familiären Kreis
wurden Führungsstile abgeleitet, auf denen die heutigen Erziehungsstile
zurückzuführen sind. Kindergruppen im Alter von 10-12 Jahren trafen sich
über einen Zeitraum von drei bis sechs Monaten einmal wöchentlich zu
Werk- und Bastelarbeiten. Diese Freizeitgruppen setzten sich aus fünf
Mitgliedern zusammen, die im Hinblick auf Schulleistung, Alter, Intelligenz
vergleichbar zusammengestellt wurden. Jede Gruppe wurde von einer
erwachsenen Person geleitet. Die leitende Person musste während der
Bastel- und Werkarbeiten einen bestimmten Führungsstil (autoritär,
demokratisch, laissez-faire) anwenden. Sechs Wochen vergingen und die
leitenden Personen wechselten in eine andere Gruppe, wo sie einen
anderen Erziehungsstil praktizieren mussten. Am Ende der experimentellen
Situation hatte jede Kindergruppe mindestens zwei erwachsene Personen
mit unterschiedlichen Erziehungsstilen erlebt und jede leitende Person
hatte mindestens zwei Stile ausprobiert. Damit die Ergebnisse vergleichbar
Abbildung 6: Lewin aus https://changecom.wordpress.com/2012/09/04/change-know-alls-kurt-lewin/
S e i t e | 46
gemacht werden konnten, wurde für jeden Stil vor der Durchführung des
Experimentes ein genauer Plan entwickelt, nach dem die erwachsenen
Personen vorgehen mussten. Ziel der Experimente war die Erforschung der
Auswirkung der Erziehungsstile auf das Erleben und Verhalten
heranwachsender Personen. Die Ergebnisse dieses Experiments waren
eindeutig und ergaben, dass Kinder, die autoritär geleitet wurden,sich wenig
bis kaum äußerten. Es wurde zum Teil aggressives Verhalten gegenüber
Gruppenmitgliedern beobachtet, sofern dies nicht von der leitenden Person
untersagt wurde. Spontanität und Kreativität der Gruppe waren
eingeschränkt. Es wurde auf Anregung der leitenden Person gearbeitet. Die
demokratisch geleiteten Gruppen zeigten ein höheres Ausmaß an
Kreativität und Spontanität. Es zeigte sich eine entspannte Atmosphäre und
die Kinder waren ausgeglichen und zufrieden. Laissez- faire geleitete
Gruppen zeigten oft ein wenig zielstrebiges und planloses Verhalten. Da die
leitende Person keine bzw. nur lockere Regeln aufstellte, kam es vor, dass
die Leitung von einem Kind übernommen wurde. Zusammenfassend ist
festzuhalten, dass die laissez-faire geleitete Gruppe am unproduktivsten
war. Die autoritär und demokratisch geleiteten Gruppen boten ungefähr die
gleiche Leistung, allerdings ist anzumerken, dass die Qualität der
erbrachten Arbeit in den demokratisch geleiteten Gruppen höher war (vgl.
Altenthan et al. 2008 S. 214ff.).
9 Erziehungsstile
9.1 Definition Erziehungsstil
„Erziehungsstile bezeichnen die dominante Form konkreten erzieherischen
Verhaltens in der Interaktion mit Kindern. Die Wirkungen solcher
erzieherischer Verhaltensweisen in Gestalt der Reaktionen der Betroffenen
gehen als bestimmende Faktoren in die Klassifikation der Erziehungsstile
mit ein. Weniger beachtet ist bis heute der Aspekt geblieben, daß mit dem
Erziehungsstil gleichzeitig ein jeweils zeitgebundener und historisch
gewachsener Lebensstil vermittelt wird. Die diesbezüglichen Auswirkungen
S e i t e | 47
auf die heranwachsende Generation sind vor allem dann problematisch,
wenn der familiäre, schulische und staatliche Erziehungsstil
auseinanderdriften“ (Köck 1994, S. 193).
9.2 Erziehungsstilforschung
Die Entwicklung der wissenschaftlichen Untersuchungen in Bezug auf die
Erziehungsstilforschung hat in der Zeit von 1962 und 1972 steigend
zugenommen. 1970 erkennt man eine deutlich erkennbare Zunahme an
Publikationen (vgl. Lukesch 1975, S.9).
Abbildung 7: Entwicklung der Untersuchungen aus http://epub.uni-
regensburg.de/2694/1/Einleitung_Erziehungsstile.pdf
S e i t e | 48
Das Interesse über die Auswirkung von erzieherischem Handeln war im
Laufe der Zeit stetig gewachsen. Durch die veränderten
Erziehungseinstellungen auf Grund gesellschaftlichen Wandels wurden
diese Forschungen weiter vorangetrieben. Gehorsam, Fleiß und Höflichkeit
verloren an Wert, eigene Meinung, soziale Kompetenz und
Selbstständigkeit gewannen an Bedeutung und werden seit den 1968er
Jahren gefördert (vgl. Stapf et al. 1972, S. 23ff.). Nach jahrelanger
Forschung deklarierte die amerikanische Entwicklungspsychologin Diana
Baumrind in den 60er Jahren die drei typischen Erziehungsstile: autoritativ,
autoritär und premissiv (vgl. Fuhrer 2007, S.132ff.). Die Studie von Diana
Baumrind wird im folgenden Kapitel erläutert.
9.2.1 Aktueller Stand der Forschung
Nach den Jahren des Gehorsams bis hin zur Akzeptanz des Kindes als
Individuum wurde die Erziehungszielforschung von Diana Baumrind
erweitert. 1983 ergänzten Maccoby und Martin die Erziehungsstile von
Diana Baumrind, indem sie den premissiven Erziehungsstil in einen
nachgiebig erziehenden und vernachlässigenden Stil unterteilten. Baumrind
übernahm in den 90er Jahren diese Aufteilung von Maccoby und Martin
(vgl. Hoppe- Graff 2014, zit. nach Myers 2014, S. 756-757). Somit
kristallisierten sich in weiterer Folge vier nennenswerte Erziehungsstile
hervor, die bis heute ihre Gültigkeit bewahren. Von Glen Elder, Professor
für Soziologie und Psychologie an der Universität in North Carolina, gibt es
weitere Studienarbeiten, in denen er die vier Haupterziehungsstile nach
Baumrind untergliedert. Der absolut strenge autokratische, vor dem
autoritären Erziehungsstil, der partnerschaftlich egalitäre, der sich zwischen
dem autoritativen und premissiven Stil befindet und abschließend der
negierende Erziehungsstil, bei dem kein Interesse am heranwachsenden
Menschen gezeigt wird.
Die Unterteilung erfolgt in: autokratisch, autoritär, autoritativ, egalitär,
permissiv, vernachlässigend und negierend (vgl. Elder 1962, S.241-262).
Zum heutigen Standpunkt gibt es unzählige Einzelstudien der
verschiedensten Disziplinen, wie z.B. in der Erziehungswissenschaft,
S e i t e | 49
Soziologie und Erziehungspsychologie. Der Bezug zu den einzelnen
Fachbereichen fehlt jedoch, so dass keine übergreifenden Ergebnisse
vorliegen. Die Auswirkungen der Erziehungsstile sind erforscht,
zusammenhängende Ergebnisse in der Anwendung wären in Zukunft noch
ein Feld, das zur Forschung näher beleuchtet werden sollte (vgl. Cyprian/
Franger 1997, S.217-221).
9.3 Erziehungsstile nach Baumrind
Wie bereits erwähnt ist die amerikanische Psychologin Diana Baumrind auf
diesem Gebiet nennenswert. Sie untersuchte in
Langzeitstudien die Erziehungsstile von Eltern
mit Kleinkindern. Eine fordernde und eine
reagierende Reaktion der Eltern auf das
Verhalten der Kinder wurde entdeckt. In ihrer
ersten Studie 1966 wurden Eltern von drei nach
Persönlichkeitsmerkmalen und Sozialverhalten
verschiedene Gruppen von Volksschulkindern
verglichen. In der ersten Gruppe befanden sich
kompetente Kinder, die bei Beobachtungen und
Interviews hohe Werte auf den Gebieten
geistige und soziale Reife, Selbstständigkeit,
Selbstvertrauen, Freundlichkeit, Leistungsorientierung und
Entscheidungsfähigkeit erreicht hatten. Die Eltern, die diese Kinder
erzogen, übten einen autoritativen Erziehungsstil aus. Weniger
selbstbewusste, unzufriedene, introvertierte und misstrauische Kinder
bildeten die zweite Gruppe. Diese Kinder erfuhren einen autoritären
Erziehungsstil. Die Kinder mit geringem bis keinem Selbstvertrauen,
mangelnder Selbstbeherrschung und geringer Neugier kamen in die dritte
Gruppe. Gruppe drei wurde mit dem nachgiebigen (permissiven)
Erziehungsstil erzogen. Das elterliche Verhalten wurde mit verschiedenen
Methoden beurteilt. Dazu gehörten Hausbesuche, Beobachtungen in
Abbildung 8: Baumrind aus http://genocide.leadr.msu.edu/c
riticisms-diana-baumrind/
S e i t e | 50
vorstrukturierten Situationen und Interviews. Es wurden vier Aspekte des
elterlichen Verhaltens bewertet (vgl. Fuhrer 2007, S. 131f.).
• Kontrolle: Dieser Punkt beinhaltet die elterlichen Bemühungen, das kindliche Handeln zu beeinflussen sowie die Verdeutlichung, elterliche Standards zu fördern (vgl. Baumrind 1966, zit. n. Fuhrer 2007, S. 132 f.).
• Anforderungen an die Reife: Ein hohes intellektuelles, emotionales oder soziales Leistungsniveau wird vom Kind erwartet (ebd., S. 132f.).
• Klarheit der Eltern - Kind- Kommunikation: Argumente sollen dazu dienen, dass Kinder zum Gehorsam erzogen werden. Es werden jedoch die Gefühle und Meinungen der Kinder berücksichtigt (ebd., S. 132f.).
• Emotionale Zuwendung: Darunter werden Verhaltensweisen wie Liebe, Fürsorge und Mitgefühl, die Eltern durch Wärme vermitteln aber auch Lob und Freude über die Leistungen des Kindes, die durch Anteilnahme gezeigt wird, verstanden (ebd., S. 132f.).
Die Eltern von reifen und kompetenten Kindern, die sich in der Gruppe eins
befanden, hatten in allen vier Bereichen hohe Werte. Sie kristallisierten sich
im Vergleich zu anderen Eltern als warmherziger, liebevoller,
unterstützender heraus. Sie nahmen ihre Pflicht in der elterlichen Rolle
ernster als andere Eltern. Die Eltern der ersten Gruppe kannten die
Interessen und Zukunftsperspektiven sowie die Persönlichkeitsmerkmale
ihrer Kinder. Die Eltern - Kind- Kommunikation war klar und es wurden
offene Gespräche über jegliche Entscheidungsprozesse getroffen. Diese
Eltern vermittelten den Kindern ein Gefühl von Kontrolle und hielten
Konsequenzen mit dementsprechenden Begründungen ein. Sie
respektierten das kindliche Streben nach Autonomie und die Meinungen
des Kindes. Die emotionale Wärme und die konsequente Kontrolle sowie
die positive Förderung kindlicher Selbstständigkeit wird als autoritativer
Erziehungsstil bezeichnet, der im nächsten Kapitel zusammenfassend
erläutert wird (vgl. Baumrind 1966, zit. n. Fuhrer 2007, S. 133f.).
.
S e i t e | 51
Eltern von weniger selbstbewussten und introvertierten Kindern, die die
Gruppe zwei gebildet hatte, zeigten, dass die rationale Kontrolle geringer
ausgeprägt war. Diese Eltern nahmen eine gewisse Machtposition ein und
setzten Gehorsam und Ordnung mit Zwang durch. Das Verhalten der Eltern
war wenig von Wärme, Liebe, Mitgefühl und Unterstützung geprägt.
Verhandlungsgespräche über die Entscheidungen und Vorschriften wurden
nicht gerne akzeptiert. Dieser Stil wird als autoritär bezeichnet.
Eltern der am wenigsten reifen Kinder waren nachgiebig (premissiv),
warmherzig und zeigten kein Kontrollverhalten. Sie vermieden es, Macht
auszuüben und bevorzugten es, Kinder mit dem Entscheidungsprozess
alleine zu lassen. Es wurden seitens der Eltern kaum Anforderungen
gestellt (vgl. Baumrind 1966, zit. n. Fuhrer 2007, S. 134).
Als die Kinder neun Jahre alt waren, fand eine Nachfolgeuntersuchung statt.
Es wurden wie in den früheren Untersuchungen Merkmale von Eltern und
Kindern gemessen. Im Fokus stand die Kombination der beiden
Erziehungsdimensionen: Forderung/ Kontrolle und emotionale Wärme.
Daraus wurden die vier Erziehungsstile abgeleitet, die im nächsten Kapitel
noch einmal erläutert werden. Aus den Studien der Psychologin Baumrind
ging hervor, dass die positivsten Wirkungen der autoritative Erziehungsstil
hatte. Die autoritativ erzogenen Kinder wiesen in den Bereichen soziale
Kompetenz, Reaktionsbereitschaft und intellektuelle Leistungsfähigkeit die
höchsten Werte auf. Diese Kinder waren ziel- und leistungsorientierter als
Kinder aus anderen Gruppen. Töchter autoritärer Eltern, die hohe
Ansprüche mit wenig emotionaler Wärme stellten, konnten sich zwar sozial
durchsetzen, wohingegen sich bei Mädchen permissiver und
vernachlässigender Eltern ein Mangel an sozialer Kompetenz zeigte. Bei
Söhnen ablehnender Eltern zeigte sich eine verstärkte Dominanz bei
geringen Führungsqualitäten und sozialen Kompetenzen (vgl. Baumrind
1989, S. 349-378).
S e i t e | 52
9.3.1 Erziehungsforschung aus dem deutschen Sprachraum
Die autoritative Erziehung hat sich in den amerikanischen Studien als
sinnvoll erwiesen. In den letzten Jahren ist das Interesse an der Forschung
zum Thema Erziehung wieder enorm gestiegen. Nennenswert ist die Studie
von Juang und Silbereisen (1999). Das Ziel der Studie war es, die Wirkung
autoritativer Erziehung über einen Zeitraum von drei Jahren zu
untersuchen. Bei der Stichprobe handelte es sich um 283 Jugendliche aus
Deutschland. Das Alter der jugendlichen und heranwachsenden Personen
war bei der ersten Erhebungswelle im Jahr 1993 zwischen 10 und 13
Jahren. Weitere Erhebungen fanden 1994 und 1995 statt. Die
signifikantesten Ergebnisse dieser Studie waren, dass heranwachsende
Jugendliche, die eine autoritative Erziehung erfuhren, im Vergleich zu nicht
autoritativ erzogenen Menschen geringe Depressivitätswerte zeigten.
Autoritativ erzogene Menschen wiesen außerdem bessere Schulnoten auf
sowie ein höheres Ausmaß an Selbstwirksamkeit im Vergleich zu
Jugendlichen aus nicht autoritativen Erziehungshandlungen. Jugendliche
Personen, die eine nicht autoritative Erziehung genossen, berichteten,
delinquente Handlungen (z.B. die Benutzung einer Waffe, die nicht rechtens
ist) begangen zu haben. Diese Studie belegt ebenfalls, dass eine
autoritative Erziehung mit einer positiveren Entwicklung der
heranwachsenden Personen verbunden ist (vgl. Juang/ Silbereisen 1999,
zit. nach Silbereisen/ Zinnecker 1999, S.317-336).
Somit lässt sich zusammenfassen, dass Personen, die einen autoritativen
Ansatz in ihrer Erziehungshaltung wählen, Herzenswärme und Liebe mit der
Förderung des kindlichen Autonomiestrebens kombinieren. All das
geschieht innerhalb transparenter Regeln, die der Entwicklung des
heranwachsenden Menschen angepasst sind. Ein Mittelweg, wie es der
autoritative Erziehungsstil vorgibt, d.h. weder zu nachgiebig noch zu streng,
ist für die Erziehung von Kindern am förderlichsten. Autoritativ erzogene
Personen verfügen laut der Untersuchungen über das höchste Maß an
geistiger und sozialer Kompetenz im Vergleich zu anderen
Erziehungsstilen. Somit ist der weitere Lebensweg mit hoher moralischer
S e i t e | 53
Haltung, mit Hilfsbereitschaft und der Möglichkeit, beste Schulleistungen zu
erzielen, gewährt (vgl. Fuhrer 2007, S.135 ff.).
10 Kennzeichnung der Erziehungsstile
10.1 Der autoritäre Erziehungsstil
Beim autoritären Erziehungsstil
legt man in der Erziehung der
heranwachsenden Menschen
den größten Wert darauf, dass
den Anweisungen Folge geleistet
wird. Sollten Kinder den
Forderungen in ihrem Verhalten
nicht entsprechen, werden sie
„bestraft“, um so ihren Willen zu
beeinflussen.
Die Eigenständigkeit der Kinder
wird unterdrückt, indem ihre
Wünsche in der Regel nicht mit in
die Entscheidung der
Erzieher/innen einbezogen
werden (vgl. Fuhrer 2007, S.
135ff.). Ein Dialog zwischen
Erzieher/ Erzieherinnen und Kind findet nicht statt. Das Kind wird nicht als
Subjekt mit eigenen Interessen und Bedürfnissen betrachtet, sondern zum
Erziehungsobjekt herabgesetzt. Die Machtposition der Erzieher/
Erzieherinnen wird zur Umsetzung der eigenen Wünsche ausgenutzt und
nicht zugunsten des Kindes. Man würde meinen, dass solch ein
Erziehungsstil völlig überholt und nicht mehr dieser Zeit entspricht. Ziel
einer autoritären Erziehung ist es, die heranwachsenden Personen auf die
gesellschaftlichen Anforderungen vorzubereiten sowie Orientierung und
Wertevorstellungen zu vermitteln. Es wird gezielt in die Persönlichkeit der
zu erziehenden Menschen eingegriffen (vgl. Hurrelmann 2006, S.158f.).
Abbildung 9: eigene Darstellung des autoritären Erziehungsstils
S e i t e | 54
10.2 Der nachgiebige Erziehungsstil
Bei diesem Erziehungsstil sind
Erzieher/innen offen für die
Wünsche der Kinder, stellen
aber keinerlei Anforderungen
und üben nur eine geringe
Kontrolle aus. Sie möchten,
dass ihre Kinder ohne Grenzen
und frei von Zwängen
aufwachsen. Bei diesem
Erziehungsstil kommt es häufig
vor, dass die Kinder die
Erzieher/innen dominieren. Der
Stil kann auf der einen Seite aus
sehr behütendem und
liebevollem Verhalten bestehen.
Auf der anderen Seite kann es
aber vorkommen, dass sich die
Erzieher/innen gänzlich aus der Erziehungsaufgabe lösen und nur aus dem
Grund ihrem Kind enorm viel Freiheiten bieten, da sie mehr Zeit für sich
selbst wollen. Bei diesem Erziehungsstil wird außer Acht gelassen, dass
Kinder sowohl Aufmerksamkeit als auch Grenzsetzungen benötigen. Eine
Entwicklung ohne Zwänge mag zwar gut gemeint sein, aber in der
liebevollen Beziehung, in der weder emotionale Kälte noch Misstrauen
herrscht, kann ein gesetzter Rahmen mehr als nützlich sein. Regeln
können, wenn diese im Einvernehmen und mit Rücksicht auf die
Entwicklungsstufe des Kindes festgelegt werden, dem Kind Sicherheit
bieten. Es weiß, innerhalb welcher Grenzen es sich bewegen darf und dem
Kind sind die Folgen einer Überschreitung idealerweise bekannt. Eine
völlige Handlungsfreiheit bietet keinerlei Struktur und hilft dem Kind nicht,
sich später in der Gesellschaft zurechtzufinden (vgl. Fuhrer 2007, S. 135-
136). In der Erziehung ist ein Rahmen notwendig, da durch Grenzen ein
inneres System von Werten und Normen aufgebaut wird.
Abbildung 10: eigene Darstellung des nachgiebigen
Erziehungsstils
S e i t e | 55
10.3 Der vernachlässigende Erziehungsstil
Erzieher/innen fühlen sich für die Erziehung der Kinder nicht verantwortlich
oder sie nehmen den Auftrag nicht
wahr. Die Verantwortung, dem Kind
Ernährung, Pflege, Förderung und
gesundheitlichen Schutz zu bieten,
wird unterlassen.
Dieser Erziehungsstil, bei dem
drastische Probleme zu erkennen
sind, bietet einem Kind keine
Grundlage. Die Erzieher/innen als
Vorbilder für die Kinder sind mit der
Erziehungsverantwortung überfordert
(vgl. Fuhrer 2007, S. 136). Beim
vernachlässigenden Erziehungsstil
werden die Bedürfnisse der
heranwachsenden Personen von den
Erziehern und Erzieherinnen nicht berücksichtigt. Es wird keine
Erziehungsverantwortung übernommen und ein Desinteresse an der
Entwicklung der Kinder wird gelebt (vgl. Hurrelmann 2006, S. 161).
Abbildung 11: eigene Dar. des vernachlässigenden Erziehungsstils
S e i t e | 56
10.4 Der autoritative Erziehungsstil
Eine Verknüpfung von emotionaler
Wärme, konsequenter Kontrolle
und positiver Förderung kindlicher
Autonomie zeichnet den
autoritativen Erziehungsstil aus. Er
kann als eine Art Mittelweg
zwischen dem autoritären und dem
nachgiebigen Stil betrachtet
werden. Die Basis bilden sowohl
die Kommunikation zwischen
Erzieher/innen und Kindern als
auch emotionale Wärme, Fürsorge
und Sicherheit. Die Erzieher/innen
sind fordernd gegenüber ihren
Kindern und es werden klare aber
flexible Grenzen gesetzt, welche
auch konsequent eingehalten werden (vgl. Fuhrer 2007, S. 132-137).
Kindliche Bedürfnisse und die erzieherische Autorität in dosierter und
ausgeglichener Weise kommen bei diesem Erziehungsstil zum Vorschein
(vgl. Hurrelmann 2006, S. 161). Autoritativ steht für umsichtig und
zurückhaltend eingesetzte Autorität der Erzieher und Erzieherinnen (vgl.
ebd., S. 162). Ein partnerschaftliches Miteinander, Kommunikation und
Verhandlungsbereitschaft entstehen trotz klarer Regeln (ebd., S. 166ff.).
Dieser Erziehungsstil zielt darauf ab, dass heranwachsende Menschen
soziale Verantwortung und Selbstständigkeit im Leben übernehmen. „Das
magische Zieldreieck der Erziehung“ (Hurrelmann 2006, S. 164) kommt hier
in den Vordergrund und zum Einsatz. Es beinhaltet die Erziehungsaufgaben
Anerkennung, Anregung und Anleitung (ebd., S. 164).
Anerkennung beinhaltet die emotionale Akzeptanz und Zuwendung, die
einem heranwachsenden Menschen vermittelt werden sollten (ebd., S.164).
Bei der Anregung sollen positive Impulse und Rückmeldungen für eine
Weiterentwicklung des Kindes gegeben werden (ebd., S.164).
Abbildung 12: eigene Darstellung des autoritativen Erziehungsstils
S e i t e | 57
Die Anleitung, als dritter und letzter Punkt dieses Dreiecks, beinhaltet
transparente Vereinbarungen und Umgangsformen, die dem
Entwicklungsstand und der Persönlichkeit des heranwachsenden
Menschen angepasst sind (ebd., S. 165).
11 Maß der Auswirkungen von Erziehungsstilen
Ein Erziehungsstil hat eine indirekte Wirkung auf die kindliche Entwicklung,
indem er einerseits einen Einfluss auf die Erzieher/innen- Kind - Interaktion
hat und andererseits Persönlichkeitsmerkmale des Kindes beeinflusst. Er
wird durch die Erziehungsstile der Erzieher/ Erzieherinnen und deren Werte
geprägt, weil diese bereits eine gewisse Auffassung von Erziehung und
deren Ablauf haben. Der Stil alleine hat keinen allzu großen Einfluss auf die
kindliche Entwicklung. Die Ziele und Werte der Erzieher/ Erzieherinnen,
welche sich in Ihrem Verhalten gegenüber dem Kind manifestieren, als auch
die persönlichen Merkmale des Kindes haben eine außerordentliche
Wirkung auf die Entwicklung. Da der Stil zum Teil die Bereitschaft des
Kindes, sich erziehen zu lassen, beeinflusst, sollte er mit Bedacht
ausgewählt und flexibel an die sich veränderten Aspekte, die unabhängig
von einem Erziehungsstil zu betrachten sind, angepasst werden (vgl. Fuhrer
2007, S. 131-137). Im Folgenden wird erläutert, wie man
entwicklungsfördernd auf die zu Erziehenden einwirken kann. Fuhrer
betont, dass sich Erzieher/ Erzieherinnen keinesfalls auf einen speziellen
Erziehungsstil festlegen sollten. Eine „gute“ Mischung, für die es kein 100-
prozentiges Rezept gibt, ist ausschlaggebend.
S e i t e | 58
12 Merkmale eines entwicklungsfördernden
Verhaltens
Das Verhältnis zwischen Erziehern/ Erzieherinnen und Kindern ist als eine
gegenseitige Interaktion zu betrachten. Kinder haben Einfluss auf die
alltägliche Gestaltung des Lebens der Erzieher/ Erzieherinnen und führen
zu Veränderung. Sich dieser Tatsache bewusst zu werden ist eine Aufgabe,
der sich werdende Eltern sowie Erzieher/Erzieherinnen stellen müssen (vgl.
Fuhrer 2007, S. 194).
12.1 Liebe und Wertschätzung
Grundlage für eine gelingende Erziehung ist eine Umgebung, die von Liebe
und wohlwollendem Verhalten der Erziehungspersonen geprägt ist. Jedes
Kind benötigt ein anderes Maß an emotionaler Wärme, welches sich im
Laufe der Entwicklung auch ändern kann. Jedenfalls ist dies individuell zu
betrachten. In dem Buch von Tschöpfe - Scheffler „Fünf Säulen der
Erziehung. Wege zu einem entwicklungsfördernden Miteinander von
Erwachsenen und Kindern.“ wird dies als „wahrnehmende Liebe“
bezeichnet. Man gibt dem Kind weder zu viel noch zu wenig, sondern genau
das, was es gerade braucht (vgl. Tschöpe - Scheffler 2013, S. 45-46).
Abbildung 13: Die fünf Säulen der Erziehungs
aus http://www.kindertagespflege-aktuell.de/
S e i t e | 59
Liebe: Dem Kind wird genügend körperliche Wärme entgegengebracht,
damit eine warmherzige Atmosphäre entsteht. Der emotionale Aspekt kann
sich durch Körperkontakt, Lächeln, eine zugewandte Haltung, Blickkontakt
und Trost äußern. An dem Ort, wo erzogen wird und wo Menschen
miteinander in Beziehung treten, entstehen emotionale Bindungen. Im Zuge
der Reformpädagogik Anfang des 20. Jahrhunderts hat Nohl den
pädagogischen Bezug in den Mittelpunkt seiner Lehrmethode gelegt, wie
bereits zu Beginn der Arbeit in einem Zitat festgehalten wurde. Ein weiterer
Begriff, der die erste Säule prägt, ist die wahrnehmende Liebe. Der
Gegenpol zu einer blinden, vereinnahmenden und überfürsorglichen Liebe.
Der Schlüsselbegriff der wahrnehmenden Liebe geht auf den Pädagogen
Johann Heinrich Pestalozzi zurück, der im 18.
Jahrhundert lebte. Pestalozzi hat die Erziehung,
die Jean-Jacques Rousseau beschrieben hat,
weiter beleuchtet und beschrieben. Er forderte eine
denkende Liebe von der mütterlichen Rolle. Die
Liebe war das Hauptthema in Pestalozzis
Erziehung und Leben. Aufgrund dessen wird seine
Erziehung nie an Aktualität verlieren. Seine
Erkenntnis basiert darauf, dass Liebe die
Grundvoraussetzung für eine förderliche
Entwicklung ist. Heranwachsende Menschen
haben ein Gespür dafür, wenn Erzieher/
Erzieherinnen im familiären oder schulischen Raum Kindern mit „echter“
Liebe begegnen. Das heißt, den heranwachsenden Personen muss ein
liebender Mensch gegenüberstehen, damit die Liebe im Kind gebildet
werden kann (vgl. Tschöpe - Scheffler 2013, S. 47-54). Die wahrnehmende
Liebe zeichnet sich dadurch aus, dass Erziehungspersonen nicht vorschnell
in das Leben der Heranwachsenden eingreifen, sondern sorgfältig
Beobachtungen Folge leisten. Eine der herausforderndsten Aufgaben im
Erziehungsprozess ist es, die eigenen Bedürfnisse, Wünsche und
Vorstellungen von den heranwachsenden Kindern und dessen Leben
zurückzunehmen, zum Vorteil der Entwicklung der individuellen
Persönlichkeit. Sind Einfühlung und Beobachtung fixer Bestandteil der
Abbildung 14: Pestalozzi aus https://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Heinrich_Pestaloz
zi
S e i t e | 60
Liebe zu den Kindern, dann nehmen Erziehungspersonen wahr, dass
heranwachsende Menschen sich gegen Einengung und Überbehütung zu
wehren wissen. Wenn Erziehungspersonen in der Lage sind eine
Zurückweisung als essentiellen Entwicklungsschritt zur Selbstständigkeit
der Kinder zu akzeptieren und bereit sind, Heranwachsende für ihre
eigenen Lebenserfahrungen loszulassen, dann steht einer förderlichen
Entwicklung nichts mehr im Wege. Durch die Reflexion der eigenen
Gefühle, kann eine besitzergreifende Liebe zu einer sehenden, sprich
wahrnehmenden Liebe werden (ebd., S. 54-60).
Achtung: Erwachsene zeigen gegenüber dem Kind Aufmerksamkeit und
akzeptieren das Anderssein des Kindes. Personen, die in einer
Erziehungsaufgabe tätig sind, akzeptieren, dass heranwachsende
Menschen anders sind als sie selbst, die kindliche Individualität wird
wertgeschätzt. Den Kindern wird zugetraut, dass sie einen eigenen Weg
gehen können und der Eigensinn der Kinder wird mit Respekt betrachtet.
Der polnische Arzt, Pädagoge, Waisenhausvater und Schriftsteller Janus
Korczak (1878-1942) hat maßgeblich zur Säule der
Achtung beigetragen. Sein Konzept der Achtung setzt
voraus, dass die eigenen Einstellungen gegenüber den
heranwachsenden Menschen grundlegend zu
überprüfen sind. Janucz Korrczak war lange als der
Mann bekannt, der 1942 zusammen mit 200
Waisenkindern den letzten Weg durch die Warschauer
Straßen antrat. Dieser Weg führte nach Treblinka in die
Gaskammer und letztendlich zum Tod. Er begleitete,
trotz Möglichkeit zu fliehen, freiwillig die
heranwachsenden Menschen in den Tod. Dieses Ende
zeigt deutlich seine achtende, begleitende und liebende Haltung gegenüber
den Kindern. Korczak postulierte, dass das herkömmliche hierarchische
Denken verlassen werden muss (Erzieher/ Erzieherin - Zögling). Erziehung
ist ein dialogisches Verhältnis (vgl. Tschöpe - Scheffler 2013, S. 60-62).
Abbildung 15: Korczak aus http://www.jewishvirtuallibrary.org/jsource/biography/Korczak.h
tml
S e i t e | 61
In einer Erziehung der Achtung steckt für Erziehungspersonen eine enorme
Herausforderung, da der Mensch hinter seiner Rolle als Mutter/ Vater oder
beispielsweise Lehrer/ Lehrerin gefragt ist. In einer Erziehung, die auf
Achtung basiert, schenkt die Person, die erzieht, dem heranwachsenden
Menschen die volle Aufmerksamkeit, erkennt, dass er oder sie anders ist
als sie selbst und akzeptiert die ihr unbekannten Anteile. Die Grundlage des
Erziehungsprozesses ist geprägt von hoher Wertschätzung, die dem
heranwachsenden Menschen entgegengebracht wird. Erziehungspersonen
bestärken die Kinder, eigene Wege zu gehen und lassen zu, dass sie selbst
Lösungen für das Wollen und Streben finden. Vordergründig ist der Respekt
vor dem „Eigenen - Sinn“ der heranwachsenden Menschen. Wenn
Erziehung zu einem Dialog gleichbedeutender Interaktionspartner/
Interaktionspartnerinnen werden soll, dann bedeutet das, dass man wie
Korczak den individuellen Erfahrungen der Heranwachsenden einen hohen
Wert zuschreibt. Das allweit gängige Erziehungssystem von oben nach
unten wird von Korczak durchbrochen und in ein Beziehungsgefüge gestellt.
Der heranwachsende Mensch wird nicht zum Objekt der Erziehung,
sondern als Subjekt in seiner Einzigartigkeit ernst genommen (vgl. Tschöpe
- Scheffler 2013, S.63-67).
Kooperation: Die Erwachsenen vermitteln dem Kind Verständnis und
geben ihm die Möglichkeit, sich in die Erziehung einzubringen. Das heißt,
dass in der dritten entwicklungsfördernden Dimension die Interaktion, das
wechselseitige Verstehen, Gespräche und Erklärungen mit den
heranwachsenden Menschen von großer Bedeutung sind. Es geht dabei
um ein Miteinander und um das gegenseitige Verstehen und Anhören. Die
Meinung der Kinder wird in die Entscheidungen der erwachsenen Personen
miteinbezogen. Eine respektvolle, wechselseitige Verständigung zu finden
ist Grundlage für eine förderliche Entwicklung und ermöglicht den
Erziehungspersonen den Blick in die Welt der Wirklichkeit des Kindes. Die
Struktur der Personen, die erziehen, sieht jedoch häufig die Teilung in eine
Erwachsenenwelt und eine vom Erwachsenen vorgegebene Kinderwelt. So
hängt es von den Erziehungspersonen ab, inwieweit ein heranwachsendes
S e i t e | 62
Wesen am Leben der Erwachsenen teilhaben darf (vgl. Tschöpe - Scheffler
2013, S. 67f.).
„Wenn sich die gesellschaftliche Welt der Erwachsenen und die des Kindes
überschneiden, sind weniger methodisierte zielorientierte
Erziehungsimpulse nötig, weil sie durch vielfältige gemeinsame
„Umgangssituationen“ gemeinsame Erfahrungen ergeben und dadurch für
Kinder und Erwachsenen mehr emotionales, kognitives und soziales
Lernen möglich wird“ (Tschöpe - Scheffler 2013, S.68).
Im Mittelpinkt dieser kooperativen Säule der Erziehung stehen das
Interaktionsverhalten, Erklärungen, Gespräche und wechselseitiges
Verstehen. Akzeptanz und Respekt spielen ebenso eine wichtige Rolle wie
die emotionale Zuwendung. Der Fokus liegt hier jedoch auf dem
partnerschaftlichen Umgang miteinander (vgl. Tschöpe - Scheffler 2013, S.
68ff.).
Struktur: Eine weitere entwicklungsfördernde Säule ist die Struktur. Dem
Kind wird klargemacht, dass das Zusammenleben und Miteinander nur mit
klaren Regeln möglich ist, die allen beteiligten Personen bekannt und
einsichtig sind. Wenn die Regeln nicht beachtet werden, gehen
Konsequenzen hervor, die eingehalten werden müssen. Rituale, wie das
Vorlesen von Geschichten, Begrüßungsrituale oder ein gemeinsames
Essen geben dem Erziehungsalltag Struktur und dem heranwachsenden
Menschen Sicherheit, auf die er sich verlassen kann. Jeder Prozess der
Erziehung, auch der, in dem es um Grenzen und Verbindlichkeiten geht,
muss eine liebevolle Beziehung, emotionale Wärme und Verbundenheit von
der Person, die erzieht, voraussetzen. Man ist sich heute weitgehend
darüber einig, dass heranwachsende Menschen Strukturen, das heißt,
Grenzen und Verbindlichkeiten benötigen. Das „Wie“ ist nach wie vor
Diskussion vieler Erziehungspersonen (vgl. Tschöpe - Scheffler 2013, S.
72). Viele postulieren, dass es von Bedeutung sei, heranwachsenden
Menschen zu erklären, warum etwas von Wichtigkeit ist. Andere wiederum
meinen, in den ersten Lebensjahren Kindern ohne Erklärungen Regeln und
S e i t e | 63
Grenzen vorzugeben. So heißt es, dass die Gewöhnung an Disziplin in den
ersten Lebensjahren ausschlaggebend sei. Eine Erklärung nach dem „Wie“
könnte im Verstehen des Lernverhaltens von Säuglingen und Kleinkindern
liegen. T. Berry Brazelton und Stanly I. Greenspan haben an der George-
Washington-Universität ein Modell für die Beobachtung und Behandlung
von Säuglingen und Kindern mit Entwicklungsstörungen erstellt. Sie sind
der Meinung, dass die Struktur nach der Liebe das zweitwichtigste
Erziehungselement ist, um die Entwicklung heranwachsender Menschen zu
fördern (vgl. Tschöpe - Scheffler 2013, S. 72f.).
„Grenzen und Struktur müssen auf Zuwendung und Fürsorge aufbauen,
denn mit dem Wunsch des Kindes, den Menschen, die es liebt, Freude zu
bereiten, ist die Aufgabe, ihm die Internalisierung von Grenzen zu
ermöglichen, bereits zu 90 % gelöst. Kinder suchen die Zustimmung ihrer
Bezugspersonen aus verschiedenen Gründen: weil sie diese Menschen
lieben und von ihnen anerkennt und respektiert werden möchten oder weil
sie sich vor deren Missbildungen fürchten. Selbstverständlich sind Angst
und das Bedürfnis zu gefallen, häufig gleichzeitig im Spiel. Kinder lernen
auch, indem sie sich die Menschen ihrer Umgebung zum Vorbild nehmen.
Moral erwächst aus dem Versuch so zu werden wie ein bewunderter
Erwachsener“ (Brazelton/ Greenspan 2002, S. 247 f.).
Pestalozzi postulierte in seinen Werken, dass es für heranwachsende
Menschen wichtig ist, dass sie verstehen, warum eine Erziehungsperson
gewisse Grenzen setzt. Für ihn bedeutete es nicht, durch Grenzen Kinder
in erster Linie für ihr Verhalten zu bestrafen oder sie in eine Struktur
hineinzupressen. Heranwachsenden sollte es ermöglicht werden, Grenzen
und Regeln im sozialen Miteinander anzuerkennen, zu verstehen und sie
zu erlernen. Das kann durch Gewöhnung an Rituale, wie bereits zu Beginn
dieses Erziehungselementes erwähnt oder durch Regeln geschehen.
Ebenso dadurch, dass die heranwachsenden Personen mit der Zeit die
Einsicht für Grenzsetzungen entwickeln. Die Verhaltensvorgaben und
Strukturen werden im Laufe der Zeit des Großwerdens zu einem inneren
Wertesystem der Kinder und dies sollte in einer Atmosphäre liebender
Zugewandtheit geschehen. Der Wunsch nach Zugehörigkeit und
S e i t e | 64
Anerkennung, den Heranwachsende haben, ist immer zu berücksichtigen.
Eine liebevolle, verlässliche Erziehungsperson, die als kontinuierliche
Weltvermittlerin auftritt, um die Welt den heranwachsenden Menschen
deuten zu können, ist für Kinder, denen Erfahrungen fehlen,
ausschlaggebend, um in der Gesellschaft Orientierung zu finden,
sozusagen Wert- und Normvermittlung. Normen schreiben die erwünschten
Verhaltensweisen in einer Gesellschaft vor und somit bestimmen sie das
soziale Handeln der Persönlichkeit. Sie geben Struktur und regeln den
Umgang von Mensch zu Mensch. In der Begegnung mit anderen Menschen
und der Welt entstehen Fragen, Erfolge, Misserfolge, Staunen. Ein
heranwachsendes Wesen erfährt Liebe und Hass, Freude und Angst sowie
Trauer und es spürt und erfährt die Grenzen anderer Menschen sowie die
eigenen. Die neuen Erfahrungen, die ein junger Mensch macht, werden in
den eigenen Lebenszusammenhang eingeordnet. Es bilden sich Muster,
Typisierungen, Zugehörigkeits- und Abgrenzungsstrategien. Im Bild einer
anderen Person kann sich die eigene Persönlichkeit entwickeln (vgl.
Tschöpe - Scheffler 2013, S.73-74). Heranwachsende Menschen
entwickeln sich zu einem „definierten Ich innerhalb einer sozialen Realität“
(Erikson 1981, S. 17). Bei der sogenannten „Ich – Identität“ nach Erikson ist
es notwendig, dass heranwachsenden Menschen eine klare Regelvorgabe
und Struktur, die den Alltag ordnet, beim Aufbau dieser Identität behilflich
ist. Konkret heißt das, dass Heranwachsenden die Regeln des
Zusammenlebens einsichtig gemacht werden und diese bekannt sind. Bei
Nichteinhalten, wie bereits oben erwähnt, gibt es erwartete Konsequenzen,
die sich auf das Verhalten des Kindes beziehen und nicht auf die Person
bezogen werden und den Menschen in seiner Würde in Frage stellen.
Erziehungspersonen sind ebenso dazu angehalten, ihre Gefühle und
eigenen Grenzen durch Ich- Botschaften zu zeigen, z.B.: Mir gefällt es nicht,
wenn du mit dem Finger in der Nase bohrst und nicht, weil du mit dem
Finger in der Nase bohrst, mag ich dich nicht mehr. Falls vereinbarte Regeln
nicht Einhalt erzielen, folgen Konsequenzen. Dies bietet Kindern
Handlungssicherheit. Neben den Regeln zählen Gewohnheiten und
Alltagsrituale in der Lebensführung zu den Grenzsteinen in einer
strukturierten Erziehung. Pestalozzi postulierte, dass die geistige und
S e i t e | 65
körperliche Konzentration und Gewöhnung sowie die Stille das
Ordnungssystem von Heranwachsenden unterstützen (vgl. Tschöpe -
Scheffler 2013 S. 75). Festzuhalten ist, dass die Grenzen und Regeln nicht
als Verbote im negativen Sinn zu betrachten sind, sondern sie sind ein
Leitfaden, um Orientierung für eine förderliche Entwicklung zu ermöglichen.
Sind Grenzen und Regeln sowie Strafen den Heranwachsenden
nachvollziehbar und haben sie mit dem Verhalten des Kindes und nicht mit
der Person zu tun, dann tritt eher eine Veränderung aus Einsicht ein, als
wenn aus Angst gehandelt und Druck auf das Kind ausgeübt wird. Eine
kontinuierliche Struktur, die von Erziehungspersonen vorgelebt wird, ist für
die Entwicklung von jungen Menschen von enormer Wichtigkeit, um ein
selbstregulierendes Leben führen zu können (vgl. Tschöpe - Scheffler 2012,
S.76ff.).
Förderung: Die fünfte Säule ist die allseitige Förderung, damit
heranwachsende Personen sich und ihre Umwelt verstehen lernen.
Erziehungspersonen bieten eine stimulierende Umwelt. Kinder werden mit
der Natur, Religion, Technik usw. vertraut gemacht. Erwachsene Personen
stehen bei Fragen zur Verfügung und ermöglichen dem heranwachsenden
Menschen verbale, motorische, intellektuelle und sinnliche Erfahrungen, die
für die Entwicklung ausschlaggebend sind. Die Fähigkeiten und Interessen
des Kindes werden gefördert und es wird für eine Umgebung mit
Anregungen und Bildung gesorgt (vgl. Tschöpe- Scheffler 2013, S. 78ff.).
Ein heranwachsender Mensch ist zunächst fremd in der Welt. Die Aufgabe
der Erziehungspersonen ist es, dem Individuum eine an Anregung reiche
Umgebung zu bieten, das heißt, das Kind lernt die Natur, Religion, Technik
usw. kennen. Das Neugierverhalten von Kindern wird unterstützt und auf
Fragen der Kinder antwortet die Person, die erzieht. Somit wird den
Heranwachsenden die intellektuelle, sinnliche und sprachliche Erfahrung
ermöglicht. Was nun sollen Erziehungspersonen heranwachsenden
Menschen vermitteln? Die Autorin Donata Elschenbroich lieferte zwischen
1996 und1999 Antworten, indem sie Menschen aller Schichten, jeden Alters
und unabhängig vom Bildungsstand diese Frage stellte (vgl. Tschöpe-
S e i t e | 66
Scheffler 2013, S.79). So stellte sich heraus, dass die eigene Anwesenheit
von Erziehungspersonen als positiver Beitrag im Entwicklungsprozess von
jungen Menschen angesehen wird. Kinder sollen einem Erwachsenen eine
ungerechte Strafe verziehen, in einer anderen Familie übernachtet und
einen Schneemann gebaut haben. Das sind nur einige Erfahrungen, die laut
dieser Umfrage heranwachsende Menschen im Alter von sieben Jahren
erlebt haben sollen (ebd., S. 79ff.).
„Wissen, das sind ebenso Erinnerungsspuren des Kindes, Routinen,
Zweifel, offenen Fragen, intelligentes Raten. Auch entscheiden können:
Das interessiert mich jetzt nicht. Wissen heißt nicht über etwas viel zu
reden, sondern etwas tun können“ (Elschenbroich 2001, S. 30ff.).
Die Autorin beschreibt in ihrem Buch heranwachsende Menschen als
Lebens – Experten/ innen. Sie sind Sammler/ Sammlerinnen, Forscher/
Forscherinnen und Erfinder/ Erfinderinnen. Kinder sollen in ihren Kräften
unterstützt werden, damit sie zu ihren eigenen Lehrpersonen werden
können. Erwachsene sind dafür verantwortlich, den Heranwachsenden
Erfahrungen zu ermöglichen, sie ihnen näher zu bringen und die Augen
offen zu halten, wo sie nötige Möglichkeiten des Lernens verhindern. Die
fünf Säulen, die zur Entwicklungsförderung der heranwachsenden
Personen dienen, befinden sich auf einer Basis, in der die Kinder als
Subjekt gesehen werden. Erziehungspersonen bejahen die Rolle und die
damit verbundenen Veränderungen und akzeptieren diese. Dadurch
entsteht Liebe, Achtung, Kooperation, Struktur und eine allseitige
Förderung, die ständig wächst (vgl. Tschöpe - Scheffler 2013, S. 84).
S e i t e | 67
12.2 Qualität statt Quantität
Es ist kein Geheimnis, dass Kinder viel Aufmerksamkeit benötigen. Das
häufigste Problem bei der Erziehung von Kindern ist der Zeitmangel der
Erzieher/ Erzieherinnen. Materielle Dinge als Versuch der Kompensation
von Abwesenheit werden genutzt. Kinder können auf Materielles
verzichten, jedoch niemals auf soziale und emotionale Aspekte. Arbeit zur
Finanzierung des Lebensunterhaltes ist jedoch erforderlich. Ist aus diesem
Grund zu wenig Zeit vorhanden, sollte die Zeit, die bleibt, sinnvoll genutzt
werden. Hierbei sollte dem Kind ungeteilte Aufmerksamkeit geschenkt
werden (vgl. Fuhrer 2007, S. 139-145).
12.3 Grenzsetzung und Konsequenzen bei Überschreitung
Grenzen sind notwendig und sinnvoll, soweit sie auf einer liebevollen und
fürsorglichen Beziehung aufbauen. Sie sind allerdings von der autoritären
Erziehung abzugrenzen, bei der den Kindern keinerlei Spielraum bzw.
Freiraum geboten wird. Die Aufstellung von Regeln nützen Kinder im
Idealfall, um Orientierung zu finden. So lernen Kinder, innerhalb welcher
Grenzen sie sich bewegen können und welche Werte und Normen sie zu
berücksichtigen haben. Grenzen sollten flexibel sein, das heißt, je nach
Altersstufe des Kindes sind sie zu verändern. Ausschlaggebend ist die
Konsequenz. Grenzen werden im Sinne des Kindes gesetzt. Sie sollten für
das Kind logisch und nachvollziehbar sein. Dies gilt auch bei einer
Grenzüberschreitung. Hier ist es ebenfalls wichtig, dass eine Konsequenz
folgt, welche für das Kind absehbar ist. Sie sollte angemessen sein sowie
im zeitlichen Rahmen und im Sinnzusammenhang mit der überschrittenen
Regel stehen. Wichtig ist aber, dass eine Reaktion folgt, da ansonsten die
Glaubwürdigkeit der Erzieher/Erzieherinnen in Frage gestellt wird. Kinder
lernen auf diese Art und Weise auch Verantwortung für ihr Handeln zu
tragen. Da Erzieher/Erzieherinnen und Eltern für Kinder ein Vorbild
darstellen, sollten sie selbst in der Lage sein, sich an aufgestellte Regeln zu
halten (vgl. Fuhrer 2007, S. 144- 149).
S e i t e | 68
12.4 Fördernde Entwicklungsangebote
Ein Kind lernt die Welt zunächst nur durch die Angebote kennen, die ihm
ein erwachsener Mensch ermöglicht. Es ist somit die Aufgabe der Eltern
und Erzieher/ Erzieherinnen, es möglichst umfassend aber nicht
überfordernd zu fördern. Kinder sollten selbst entscheiden dürfen und
sollten nicht in eine bestimmte Richtung gedrängt werden (vgl. Fuhrer 2007,
S. 153- 156). Nach Maria Montessori strebt jedes Kind nach
Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Montessoris Grundsatz zielt darauf
ab, dem Kind möglichst eigenständiges Handeln zu gewähren und ihm
lediglich mit Hilfestellungen beiseitezustehen. Dadurch werden die
Selbstregulation sowie die Selbstwirksamkeit des Kindes gefördert (vgl.
Hörburger 1967, S. 159).
12.4.1 Bedeutung von Vorbildern
Der Psychologe Albert Bandura sorgte in den 60er Jahren für großes
Aufsehen, als er behauptete,
heranwachsende Menschen bzw. die
Menschen allgemein lernen am meisten
davon, wenn sie andere Menschen erleben
oder beobachten.
Für die Verhaltenspsychologie war es jedoch
eine interessante Entdeckung, da man
glaubte, das menschliche Verhalten entstehe
durch gelernte Reaktionen auf Bestrafungs-
und Belohnungsreize. Banduras Theorie ist
inzwischen durch psychologische Studien gut
fundiert und wurde neurobiologisch bestätigt.
Handlungen, Gefühle, Empfindungen und Stimmungen, alles was eine
erziehende Person von sich gibt, wird von heranwachsenden Menschen
beobachtet. Dazu kommt, dass das Verhalten der Erwachsenen stimuliert
und so auf eine gewisse Art und Weise von heranwachsenden Personen
nachgespielt wird (vgl. Bauer 2008, S. 26f.). Kinder ahmen gerne die Rolle
der Mutter und des Vaters sowie von Lehrern und Lehrerinnen nach. In
Abbildung 16: Bandura aus https://prezi.com/ychnfrskjh6m/albert-banduras-social-learning-
theory/
S e i t e | 69
ihrem Spielverhalten lässt sich beobachten, dass diese Rollen verkörpert
werden. Was man heranwachsenden Menschen zeigt, wird im Gehirn des
beobachteten Kindes gleichsam wie in einem Spiegel nachgeahmt. Es sind
die Nervenzellen, die darauf ausgerichtet sind, das System der
Spiegelneuronen zu bilden. Diese Spiegelnervenzellen sind dafür
verantwortlich, dass das, was Menschen sehen oder miterleben, in eine Art
„Mit - Tun“ übersetzt wird. Diese Nervenzellen bilden im Gehirn der
beobachtenden Menschen neben den Handlungen auch Gefühle und
Empfindungen nach. Daraus entwickeln sich die Gesamteindrücke, die z.B.
ein heranwachsender Mensch von einer zu erziehenden Person gewinnt,
inklusive der emotionalen Einstellungen, Handlungsstrategien und
Motivationen. Erziehende Personen, egal ob im familiären oder im
schulischen Bereich, sollten sich daher im Klaren sein, dass sie im Kopf der
heranwachsenden Personen Bilder hinterlassen und dass diese visuellen
Darstellungen Kinder verändern bzw. zu einem Teil von ihnen werden
können und somit maßgeblich zu einer förderlichen Entwicklung beitragen
(vgl. Bauer 2008, S.27f.).
„Modell-Lernen liegt vor, wenn ein Individuum als Folge der Beobachtung
des Verhaltens anderer Individuen sowie der darauf folgenden
Konsequenzen sich neue Verhaltensweisen aneignet oder schon
bestehende Verhaltensmuster weitgehend verändert“. (Vogl 1974, S. 85,
zit. n. Edelmann 2000, S. 191).
Heranwachsende Menschen werden dabei zu Beobachtern, die sich
Verhaltensweisen aneignen, die sie bei einer anderen Person sehen. Die
beobachtete Person wird dabei Modell genannt und diese hat Wirkung auf
den/die Beobachter/in. Als Ergebnis dieses Prozesses zeigt der/die
Beobachter/in neues oder geändertes Verhalten. An der Art und Weise, wie
heranwachsende Menschen von Erziehern/Erzieherinnen ihren
wahrgenommen werden, erkennen sie nicht nur, wer sie selbst sind,
sondern wer sie sein könnten, das heißt, worin die Potenziale und
Entwicklungsmöglichkeiten bestehen. Heranwachsende Menschen leben
S e i t e | 70
sich sozusagen in die Vorstellungen und Visionen der erziehenden
Personen hinein. Voraussetzung dafür ist, dass erziehende Personen einen
Zukunftskorridor haben und diesen vermitteln und vorleben. Zu erziehende
Personen verwerten sowohl unmittelbare Vorbilder der erziehenden
Personen, als auch die Spiegelung ihres eigenen Bildes, das sie von der
Erziehungs- oder Bezugsperson erhalten, um so Stück für Stück ein Selbst
zu entwickeln. Das ist der Mittelpunkt, worum es in Erziehung geht, der
Grund, warum Beziehungen zu Erwachsenen für heranwachsende
Menschen eine entscheidende Rolle spielen. Beziehungen, die erziehende
Personen als „Vorbilder“ mit heranwachsenden Menschen gestalten, tragen
maßgeblich dazu bei, was aus Kindern und Jugendlichen wird. Zur
grundlegendsten Voraussetzung gehört es, dass Personen, die in einer
Erziehungsaufgabe tätig sind, für den jungen Menschen da sind. Sie
müssen sich als Menschen mit Eigenschaften zeigen. Dies gelingt, wenn
erwachsene Personen vital auftreten, das Leben und sich selbst lieben,
Bescheid darüber wissen, wie man Lösungen für Probleme sucht, sich für
Ziele begeistern und für Lebensstile und Werte eintreten, die sie für richtig
halten. Das heißt, authentisch bleiben und eigene Schwächen nicht
verleugnen. Personen, die die Bandbreite dieser Eigenschaften aufweisen,
dürfen menschliche Fehler haben. Viel wichtiger ist es, dass sie über das
System der Spiegelneuronen einen Resonanzraum erzeugen, der bei
heranwachsenden Menschen eine Flamme der Begeisterung entzündet.
Heranwachsende Menschen erkennen, wie sie sich in der Wahrnehmung
von Erziehungspersonen spiegeln und spüren, was ihnen eine erwachsene
Person rückmeldet (vgl. Bauer 2008, S.28ff.).
S e i t e | 71
Vom Erleben bis zum Ausführen eines Verhaltens durchläuft der
heranwachsende Mensch Verarbeitungsprozesse.
Diese Prozesse werden in die Aneignungsphase und in die
Ausführungsphase unterteilt. In der ersten Phase geschieht zuerst der
Aufmerksamkeitsprozess und danach setzt der Gedächtnisprozess ein. Der
heranwachsende Mensch muss dem Modell eine gewisse Aufmerksamkeit
zukommen lassen. Damit ein Modell als solches angenommen wird, muss
es bestimmte Charakteristika haben, die es in den Augen des Beobachters/
der Beobachterin als solches geeignet erscheinen lässt, Fähigkeiten, wie
z.B. Mut, eigene Fehler einzugestehen. Ein beobachtetes Verhalten kann
erst nach einer gewissen Zeit offen gezeigt werden. Inzwischen muss es so
im Gedächtnis gespeichert werden, dass es bei Bedarf schnell und
problemlos abgerufen werden kann. Dabei kann es als konkretes Bild der
Situation oder verbal abgespeichert werden (vgl. Edelmann 2000, S. 191).
Die so genannte Ausführungsphase wird wiederum in den motorischen
Reproduktionsprozess und in den Verstärkungs - und Motivationsprozess
unterteilt. Das Verhalten wird konkret wiedergegeben und durch die
spezifische kognitive Organisation des Beobachters/ der Beobachterin
gesteuert. Ein Verhalten wird aber nur dann zur Ausführung durch die
beobachtende Person gelangen, wenn es für ihn/ sie sinnvoll erscheint. Die
Ausführung ist also abhängig von den Erwartungen des Beobachters/ der
Beobachterin, die dieser Mensch an das Verhalten knüpft (ebd., S. 191).
Abbildung 17: Vorgang des Modell - Lernens aus: http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/LERNEN/Modelllernen.shtml
S e i t e | 72
Bandura bezeichnet dies so: „Ein Individuum mag zwar die Fähigkeit
erwerben und behalten, ein modelliertes Verhalten auszuführen, wird das
Erlernte aber nur schwerlich offen ausführen, wenn Sanktionen drohen oder
die Umstände keinen Ansporn bieten“ (Bandura 1976, S. 29).
Der Einfluss des äußeren Ansporns auf das Beobachtungslernen konnte
deutlich gezeigt werden, wobei einmal mehr Lob stärker als Bestrafung
wirkte. Auch Selbstansporn und -evaluation haben großen motivationalen
und entwicklungsfördernden Einfluss (vgl. Edelmann 2000, S 191).
12.4.2 Motivation als entwicklungsfördernde Maßnahme
„Für Psychologen ist Motivation ein Bedürfnis oder ein Verlangen, das
Verhalten auslöst und es in eine bestimmte Richtung lenkt. Motivation ist –
wie Intelligenz – ein hypothetisches Konstrukt. Wir schließen vom
beobachtbaren Verhalten auf die dahinter liegende Motivation.“ (Myers
2005, S. 496). Es gibt vier Merkmale, die Motivation kennzeichnen, nämlich
Aktivierung, Richtung, Intensität und Ausdauer. Man aktiviert ein
bestimmtes Verhalten, um ein Ziel zu erreichen. Dies macht man so lange,
bis das Ziel erreicht wurde, oder ein anderes Motiv wichtiger wird. Wie jeder
von uns weiß, ist ein bestimmtes Verhalten einmal mehr, einmal weniger
stark ausgeprägt und weist unterschiedliche Beständigkeit auf (vgl.
Edelmann 1996, S. 353ff.). Psychologisch gesehen beeinflussen drei
Theorien den Umgang mit dem Begriff Motivation: „die Instinkttheorie (heute
durch die evolutionäre Perspektive ersetzt), die Triebtheorie (die die
Interaktion von inneren Trieben und äußeren Zwängen betont) und die
Erregungstheorie (die von einem Drang nach einem optimalen
Stimulationsgrad ausgeht)“ (Myers 2005, S. 496).
Die richtige Motivation ist eine unentbehrliche Voraussetzung für eine
gesunde Entwicklung.
„Es ist keine menschliche Aktivität denkbar, ohne dass in irgendeiner
Weise eine Motivation dabei beteiligt wäre.“ (Edelmann 2000, S. 258).
S e i t e | 73
Kreativität, Motivation und ein kooperatives Miteinander klingen sehr
vielversprechend und all dies möchte man den heranwachsenden
Personen auf dem Lebensweg mitgeben (vgl. Bauer 2008, S.9).
„Lebenslust, Motivation und die Bereitschaft, sich für ein Ziel anzustrengen,
entstehen in einem Menschen nicht von selbst“ (Bauer 2008, S.18).
Der Mensch, der als ein biologisches System zu betrachten ist, ist nicht wie
ein Computer durch seine Gene programmiert. Gene empfangen Signale
und dienen als Kommunikatoren und Kooperatoren (vgl. Bauer 2008, S.19).
„Was Gene leisten, lässt sich nur im Zusammenhang mit der Umwelt
erfassen, in der sie - als Teil des Organismus - tätig sind und auf die sie
reagieren. Umwelten wiederum erschließen sich in ihrer Bedeutung nur,
wenn wir sie vor dem Hintergrund der biologischen und psychischen
Reaktionen beschreiben und verstehen, die sie in lebenden Systemen
auslösen“ (Bauer 2008, S.19-20).
Legt man diese Erkenntnis auf heranwachsende Menschen um, so wird
aufgezeigt, dass man Kinder nur dann fördern und verstehen kann, wenn
man sie im Kontext ihrer Lebenssituation und der biologisch,
psychologischen Reize sieht. Wie bereits erwähnt kommt die Motivation
nicht von alleine. Die Erforschung der neurobiologischen Areale, die für
Energie, Motivation, Lebenswillen und Lust an Leistung verantwortlich sind,
liegt erst ein paar Jahre zurück. Durch die Entdeckung der
neurobiologischen Motivationssysteme kam man drei Botenstoffen auf die
Spur. Diese drei Botenstoffe, die als „Mischung“ zu betrachten sind, werden
dem Körper vom Gehirn zugeführt. Zu den drei Botenstoffen zählen:
• Dopamin: Bewirkt, dass ein Mensch Lust hat, etwas zu tun und bereit
ist, Anstrengung und Leistung zu erbringen.
• Opioide: Diese körpereigenen Opioide sorgen dafür, dass sich
Menschen seelisch gut und wohl fühlen.
• Oxytozin: Ein Botenstoff, der uns bestimmten Menschen besonders
verbunden fühlen lässt (vgl. Bauer 2008, S. 20-21).
„Gemeinsam bilden die Leistungsdroge Dopamin, die Wohlfühldrogen aus
der Gruppe der Opioide und das Freundschaftshormon Oxytozin ein
geradezu geniales Trio“ (Bauer 2008 S. 21). Heranwachsende Menschen,
die mit einem solchen „Cocktail“ versorgt werden, sind in der Lage,
S e i t e | 74
gemeinsam mit anderen Personen etwas auf die Beine zu stellen, haben
Lust auf das Leben und wollen den Erfolg der erledigten Handlungen
genießen (ebd., S. 22). Was aber muss auf zwischenmenschlicher Ebene
ausgelöst werden, damit diese Botenstoffe vom Gehirn in den Körper
gelangen? Damit die Motivationssysteme im Körper heranwachsender
Personen in Schwung kommen, benötigt es soziale Interaktion und
Anerkennung sowie ein hohes Maß an Wertschätzung, die verbal oder
nonverbal einem Individuum zum Ausdruck gebracht werden können. Das
Gehirn verwandelt seelische Eindrücke in biologische Signale. Studien
belegten, dass soziale Isolation und Ausgrenzung Gene im Bereich der
Motivationssysteme außer Betrieb setzen. Anders herum betrachtet hat die
Aussicht auf Wertschätzung und Anerkennung die Inbetriebnahme der
Motivationssysteme zur Folge. So ist es ausschlaggebend, dass Personen,
die in einer Erziehungsaufgabe tätig sind, heranwachsenden Menschen das
authentische Gefühl vermitteln, anerkannt zu werden. Das Interesse an den
zu erziehenden Personen ist offensichtlich zu zeigen. Dort, wo sich
Erzieher/ Erzieherinnen für heranwachsende Menschen persönlich
interessieren, wird Kindern das Gefühl vermittelt, dass das Leben einen
Sinn verfolgt und es sich deshalb lohnt, sich für Ziele anzustrengen.
Heranwachsende Personen haben ein biologisches Grundbedürfnis,
Anerkennung zu erlangen. Ohne dies können sie nicht nur keine Motivation
erlangen, sondern sich ganzheitlich nicht gesund entwickeln. Um die
neurobiologischen Prozesse anzukurbeln und Motivation aufzubauen,
brauchen heranwachsende Menschen verbindliche Beziehungen. Dies
bedeutet nicht, dass man Kinder unter eine Glashaube setzen oder in Watte
packen soll. Da Kinder Anerkennung suchen, ist es von enormer
Wichtigkeit, ihnen Informationen und Auskunft darüber zu geben, was
Erzieher/ Erzieherinnen von ihnen erwarten. Erwachsene sollen bei der
Erziehung nicht auf das Wert legen, was für sie der einfachste und
bequemste Weg ist, sondern das in heranwachsenden Menschen fördern,
was das Leben von ihnen verlangen wird (vgl. Bauer 2008, S.22f.).
S e i t e | 75
Dazu zählen:
• Begeisterungsfähigkeit
• Pfiffigkeit
• Kreativität
• Hilfsbereitschaft
• kritisches Denken
• Fairness
• Sportlichkeit
• Unbestechlichkeit
• Fleiß
• Durchhaltevermögen
• Konfliktbereitschaft
• Empathie (vgl. Bauer 2008, S. 23).
Bereits Sokrates, wie zu Beginn dieser Recherche erwähnt, definierte vier
Grundtugenden wie die Tapferkeit, Wissen, Gerechtigkeit und Mäßigung
(vgl. Bauer 2008, S.22f.). Priorität ist es demzufolge, heranwachsenden
Menschen Aufmerksamkeit, Anerkennung und Wertschätzung zu
vermitteln. Wird dies außer Acht gelassen, suchen sich Kinder und
jugendliche Personen Ersatzreize, die in der Lage sind, die
Motivationssysteme des Gehirns zu täuschen, um doch an die Botenstoffe
heranzukommen, die eine lebensnotwendige Bedeutung haben (vgl. Bauer
2008, S. 23f.).
12.4.3 Das Neugierverhalten
Die Neugier ist ein eigenständiges Konzept der Motivationspsychologie und
ist ein Aspekt der intrinsischen Motivation. Intrinsisch bezeichnet man die
Motivation, die von innen herauskommt. Man hat den Wunsch oder die
Absicht etwas Bestimmtes zu machen, man führt eine Handlung durch, weil
man es selbst will. Dies genügt als Belohnung (z.B. Spaß). Die Intrinsische
Motivation setzt sich zusammen aus der Neugier, dem Anreiz und den
Erfolgserwartungen. Gegenpool zu der intrinsischen Motivation ist die
S e i t e | 76
extrinsische Motivation, die so zu beschreiben ist: Man tut etwas, damit man
positive Folgen (z.B. gute Noten, Lob) herbeiführt und negative
Konsequenzen vermeidet (schlechte Noten, Strafen). Als Neugier
bezeichnet man in der Literatur eine kurzzeitige Zuwendung zu einem
Gegenstand oder einer Situation. Neben Hunger, Durst und dem Verlangen
nach Schlaf ist die Neugier ein Grundbedürfnis für alle Menschen (vgl.
Edelmann 1996, S. 361ff.).
„Die Suche nach Neuem stellt einen unumstrittenen Prädikator der
Kreativität dar.“ (Rost 2001, S 497).
Die Neugier löst beim Menschen vier verschiedene Verhaltensmuster aus:
• Perzeptive Zuwendung: Dabei spricht man von einer sinnlichen
Aufmerksamkeit durch ungewöhnliches Reizmaterial. Man beobachtet
oder hört etwas. Die Sinnesorgane werden auf einen neuen Reiz
gerichtet.
• Lokomotion: Man geht auf etwas zu oder kommt sich räumlich näher.
Ein Beispiel dafür wären z.B. Ratten in einem neuen Labyrinth.
• Manipulation: Man nimmt eine Veränderung durch komplexe
Gegenstände vor.
• Fragen: Moderne Entwicklungstheorien sehen in der Neugier eine
wichtige Antriebskraft für die Eigentätigkeit des Kindes in seiner
Auseinandersetzung mit der Umwelt. Obwohl man davon ausgeht, dass
das Neugiermotiv angeboren ist, muss das Kind die notwendigen
Verhaltensweisen (z.B. Inspizieren, Betasten, Manipulieren,
Fragenstellen) im Laufe seiner Entwicklung erst lernen (vgl. Schmalt/
Langens 2009, S. 161ff.).
„In einer Situation, die Unbekanntes enthält, fühlt man sich einerseits zum
Neuen hingezogen, um es untersuchen zu können. Andererseits entstehen
aber auch Fluchttendenzen, weil sich das Unbekannte als gefährlich,
vielleicht sogar als lebensbedrohlich erweisen kann. Furcht ist der Gegner
des Neugierverhaltens.“ (White 1959, o.S., zit. nach Mietzel 2000, S.351).
S e i t e | 77
Dies zeigt jedoch heranwachsenden Menschen auf eine eigene Art und
Weise, wann sie an ihre Grenzen stoßen. Die Neugier ist es auch, die den
Menschen dazu bringt, neue Dinge in Angriff zu nehmen. Neugierverhalten,
das für die Entwicklung junger Menschen essentiell wichtig ist, kann in der
freien Natur gefördert werden, was in dieser Arbeit noch erläutert wird.
Für Kinder ist es wichtig, sich mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Dies
machen sie meist auch selbsttätig. Wichtig dafür ist aber eine anregende
Umwelt.
„Die Neugier der Menschen wird geweckt, wenn er etwas erfährt, was er
nicht erwartet hat, was ihn folglich verblüfft.“ (Mietzel 2000, S. 354).
12.4.4 Interaktion im erzieherischen Alltag
Jede gemeinschaftliche Aktion im Erziehungsprozess drückt sich durch die
Art und Weise aus, in der Erziehungspersonen und heranwachsende
Menschen miteinander kommunizieren. Nach Friedemann Schulz von Thun
gibt es für jede Botschaft vier Aspekte (vgl. Schulz von Thun 2001, S. 25).
• Die Beziehungsebene, die ausdrückt, wie man zueinander steht
(ebd., S. 27).
• Die Sachebene, die darüber Auskunft gibt, welche Information eine
Person weiterleitet (ebd., S. 26).
• Der Appell, der eine Person auffordert, etwas zu tun (ebd., S. 29f.).
• Die Selbstoffenbarungsebene, die darüber informiert, was eine
Person, z.B. als Erziehungsperson, über sich preisgibt (ebd., S. 26f.).
Eine Aussage enthält somit mehrere Botschaften, die dem Sender,
im Erziehungsprozess also dem heranwachsenden Menschen,
oftmals nicht bekannt sind und erst interpretiert werden müssen. Die
Kommunikation kann ausdrücklich formulierte (explizite) oder
unausgesprochene (inplizite) Nachrichten enthalten. Ausdrücklich
wird meist auf der Appellebene formuliert, z.B. „du sollst“. Die
anderen Aspekte geschehen nicht ausdrücklich, also eher
S e i t e | 78
unbewusst, „zwischen den Zeilen“. Nach Schulz von Thun wird
Erziehung besonders durch die nichtausdrücklichen Aspekte
(inplizite) Nachrichten geprägt. Mimik, Gestik, Tonfall, Lautsprache,
also die gesamte Körpersprache, was wie gesagt oder nicht
verbalisiert wird, spielen für die Erziehung eine ausschlaggebende
Rolle. Ohne dass etwas nicht ausdrücklich formuliert wird, können
Kinder erfassen, wozu Erziehungspersonen sie auffordern, wie ihnen
zumute ist (Selbstkundgabe) oder was sie von ihnen halten
(Beziehungsebene). Diese Beziehungsebene trägt zur Stärkung des
Selbstwertgefühls bei. Kinder nehmen durch die Ebene der
Beziehung in der Kommunikation wahr, was Erzieher/Erzieherinnen
von ihnen halten. Durch die Art und Weise, wie zu Erziehende von
Erziehungspersonen behandelt werden, verbal oder nonverbal, wird
vermittelt, wie erwachsene Personen zu ihnen stehen (vgl. Schulz
von Thun 2001, S. 25-41). Erzieher/Erzieherinnen, die den
heranwachsenden Menschen Zuneigung, emotionale Wärme und
Achtung zeigen, klare Strukturen und Grenzen vorgeben sowie die
Mitbestimmung und Partizipation im Erziehungsprozess zulassen,
geben dem heranwachsenden Wesen das Gefühl von
Selbstwirksamkeit. Dadurch wird die Entwicklung von
Selbstständigkeit und Selbstregulation gefördert. Personen, die in
einer Erziehungsaufgabe, egal ob im schulischen oder familiären
Bereich, wirksam sind und dies den Heranwachsenden ermöglichen,
können davon ausgehen, dass sich die Kinder zu selbstsicheren,
autonomen, emotional stabilen, lebensfrohen, sozial kompetenten
und leistungsbereiten Persönlichkeiten entwickeln. Personen, die
sich physisch, psychisch und sozial wohl fühlen, greifen am
wenigsten zu Suchtmitteln, besitzen Kommunikations- und
Konfliktfähigkeit und die Fähigkeit, mit Gefühlen umzugehen. Sie
können kritisch Denken sowie Entscheidungen und Handlungen
treffen, zeigen Selbstbewusstsein und reflektieren sich selbst. Diese
Fähigkeiten basieren auf sozialen Beziehungen, die durch eigene
Erfahrungen erlernt werden. Einige dieser Fähigkeiten sind in einem
Menschen angelegt, müssen jedoch weiterentwickelt werden oder
S e i t e | 79
bedürfen der Unterstützung durch die Erziehungsperson. Damit dies
gelingen kann, ist nicht der Austausch von Informationen vorrangig,
sondern die Erprobung, durch die heranwachsende Menschen selbst
zu den Akteuren der Lern- und Erfahrungsprozesse werden, z.B.
einen Lebensraum erkunden, wie ihn die Natur bietet (vgl. Tschöpe-
Scheffler 2013, S. 34ff.).
12.4.5 Gemeinsame Esskultur
Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass gemeinsame Mahlzeiten, die
heranwachsende Menschen mit Erziehern/ Erzieherinnen bzw.
Bezugspersonen, die mit einer Erziehungsaufgabe betraut sind,
einnehmen, sich positiv auf den Entwicklungsprozess auswirken. Eines der
ältesten Rituale, die die Menschheit seit jeher auslebt, ist das Essen in einer
Gruppe. Beim Essen geht es nicht nur darum, das Hungerbedürfnis zu
stillen. An einem Ort, wo man es sich im Kreise lieber und vertrauter
Menschen schmecken lässt, kommen wichtige Eigenschaften zum
Vorschein, die ein Individuum zu dem Individuum machen, was es ist.
Dazu zählen:
• Freude an Geselligkeit
• Sehen und Gesehenwerden
• wechselseitige Anteilnahme
• miteinander Teilen
• miteinander Sprechen
• Erleben von Zusammenhalt (vgl. Bauer 2008, S.101f.).
In der Studie von Marla Eisenberg und ihren Kollegen/ innen „Correlation
between familiy meals and psychosocial well-being among adolescents“ (zu
Deutsch: Zusammenhänge zwischen Familienessen und psychosozialen
Wohlbefinden unter Jugendlichen) wurde belegt, dass heranwachsende
Menschen, die mindestens siebenmal in der Woche mit Bezugspersonen
essen, ein signifikant besseres Allgemeinbefinden, niedrigeres
Drogenrisiko und bessere Schulnoten aufwiesen als Jugendliche, die nur
zweimal oder seltener gemeinsame Mahlzeiten einnahmen.
S e i t e | 80
Die Daten stammten aus einer schulischen Umfrage von 1998 bis 1999
unter 4746 Jugendlichen aus Gemeinden des Großstadtgebietes
Minneapolis/St. Paul, Minnesota, die ethnisch und sozialökonomische
Unterschiede aufwiesen. Aus der Studie geht hervor, dass sich Eltern
bemühen sollten, mit ihren Kindern gemeinsame Mahlzeiten einzunehmen.
Dabei sollte auf jegliche Medien verzichtet werden. Die gemeinsame
Mahlzeit sollte von den Eltern dazu genutzt werden, sich bei den
heranwachsenden Menschen über ihr Befinden, ihre Erlebnisse und
Gedanken zu erkundigen. Den Untersuchungsergebnissen zufolge kann
das Einnehmen gemeinsamer Mahlzeiten das Wohlbefinden und die
Entwicklung der heranwachsenden Menschen verbessern. Die Wichtigkeit
der Familie bzw. Bezugspersonen als Schlüsselkomponente wurde in der
Studie klar festgehalten. Gemeinsames Essen schafft Routine und
Beständigkeit in dem heute so oft schnelllebigen Alltag. Gemeinsame
Mahlzeiten bieten eine Möglichkeit, heranwachsende Menschen zu
sozialisieren und ihnen Kommunikationsfähigkeiten, Verhaltensweisen und
gute Essgewohnheiten zu vermitteln, die sich begünstigend auf die
Entwicklung auswirken (vgl. Eisenberg et al. 2004).
12.4.6 Die Natur als Ort der Entwicklung
Blickt man zu den Vorfahren unserer Zeit zurück, wird bewusst, dass das
Leben und somit auch die Erziehung in der Natur stattgefunden hat. Eine
Entwicklung ohne Steckdosen ist für heute heranwachsende Personen
kaum bis gar nicht vorstellbar. In diesem Kapitel wird darauf eingegangen,
was der Reichtum der Natur, den die Welt bietet, für heranwachsende
Menschen mit sich bringt. Kinder brauchen in Zeiten wie diesen das gleiche
Ausmaß an körperlicher Bewegung wie vor Tausenden von Jahren, wo es
als Selbstverständlichkeit galt, sich zu bewegen, Abenteuer zu erleben und
bis an die eigenen Grenzen zu stoßen. In einem Zeitalter von Handy,
Fernseher, Internet und Co wird auf den essenziellen Entwicklungsraum
vergessen - die Natur. (vgl. Renz - Polster/ Hüther 2013, S. 35f.).
S e i t e | 81
12.4.6.1 Die vier Quellen der Entwicklung
• Unmittelbarkeit
Fühlen, Riechen, Hören und Sehen sind bei allen Menschen auf Zentimeter
bis wenige hundert Meter begrenzt. Jedoch tragen diese Sinne dazu bei,
dass sich Menschen jeden Tag auf das Neue selbst erweitern. Für
heranwachsende Menschen spielen sinnliche Erfahrungen im
Entwicklungsprozess eine entscheidende Rolle: Berührungen, das Hören
bekannter Melodien, das Riechen vertrauter Gerüche und das Schmecken.
Betrachtet man die Entwicklung vom Säugling bis zum heranwachsenden
Menschen, stellt sich heraus, dass der Mensch sich zunächst entlang
sinnlicher Spuren entwickelt. Es wird gerochen, Dinge werden in den Mund
gesteckt, es wird geschmeckt, beäugt und gefühlt. Was die Bewegung
betrifft, ist der ganze Körper im Einsatz. Der Phantasie sind hier keine
Grenzen gesetzt. Die Sinne eines Menschen tragen maßgeblich zum
Selbstbewusstsein von Kindern bei. In einer Zeit, wo virtuelle Medien immer
mehr den Selbsterweiterungsprozess steuern, ist es wichtig, den festen
Boden unter den Füßen nicht zu verlieren (vgl. Renz - Polster/ Hüther 2013,
S. 43ff). Was die Natur an Motivation, sich zu bewegen, bietet, kann kein
Spielzeug der Welt ersetzen.
„Wollen wir erreichen, dass sich unsere Kinder in einer technischen Welt
zurechtfinden, müssen wir dafür sorgen, dass sie sich zuerst einmal dort zu
Hause fühlen, wo sie die meiste Zeit ihr Habitat hatten: unter freiem Himmel“
(Roeper 2011, S.99).
Heranwachsende Menschen leben und lernen von Erfahrungen, die unter
die Haut gehen. So ist es nicht verwunderlich, dass Kinder den Umgang mit
den vier Elementen Feuer, Wasser, Luft und Erde suchen. Das Knistern
eines Feuers, verbunden mit dem Geruch, das Plätschern eines Baches,
einen Windhauch spüren und mit den Händen aus Erde einen Brei formen,
all dies bildet die Körperlichkeit eines Kindes aus, verbindet Sinne mit Seele
und stellt den unmittelbaren Zugang zur Natur her (vgl. Renz - Polster/
Hüther 2013, S.43ff.).
S e i t e | 82
• Freiheit
Einen großen Vorteil, den die Natur bietet, ist die Freizügigkeit. Beobachtet
man heranwachsende Menschen auf Spielplätzen, die in Parks angelegt
wurden, so wird oft festgestellt, dass Kinder mit den Gegebenheiten vor Ort
zu Beginn nicht viel anfangen können. Auf einem Bauernhof die Wiesen und
Felder durchstreifen, eine verlassene Burgruine erkunden, das sind
Erfahrungen, die man heranwachsenden Menschen im Laufe ihrer
Entwicklung ermöglichen sollte. Aber warum? Kinder wollen Taten
umsetzen und etwas bewirken - wirksam sein. Heranwachsende Menschen
wollen mit der Welt zusammenstoßen und dabei lernen. Sie suchen nach
Ecken und Kanten, sowie Höhlen und Hügel, die sie erforschen können, ob
in der Realität oder in der Fantasie. Streifzüge, verbunden mit spielerischen
Aktivitäten im Freien, sind für Kinder von enormer Wichtigkeit, sie nehmen
die Spielsituation ernst und stoßen selbst an ihre Grenzen. Nicht umsonst
kommen Kinder völlig abgekämpft und müde aus einer Welt des Freiseins
nach Hause zurück. Kinder suchen das Neue und wollen unbekannte Dinge
entdecken. Deswegen ist für eine förderliche Entwicklung entscheidend,
dass Kinder äußere und innere Erlebnisse, die sich in der Natur unter freiem
Himmel abspielen, erleben können. Das Klettern auf einen Baum, der
Sprung über einen kleinen Bach, das Hüpfen auf einem Heuhaufen, all das
sind Erlebnisse, die zur Gestaltungsfreiheit und Selbstverwirklichung eines
heranwachsenden Menschen beitragen (vgl. Renz - Polster/ Hüther 2013,
S.46ff.).
• Widerständigkeit
Wie aus dieser Literaturarbeit bereits hervorgeht, benötigen
heranwachsende Menschen Grenzen und genau die kann der
Entwicklungsraum Natur aufzeigen. Einen gewissen Rahmen und Freiheit
zu haben, gehört in der Welt draußen zusammen. Die Natur ist nicht nur
Einladung zur Freizügigkeit, sondern sie ist widerständig. Das heißt, sie
richtet sich nicht nach den Wünschen und Bedürfnissen der
heranwachsenden Personen. Schneit es und ist es kalt, so kann keine
Person die Heizung betätigen. In der freien Natur sind es die Menschen, die
sich an die Gegebenheiten anpassen müssen. Ist es beim Zelten kalt,
S e i t e | 83
sammelt man Holz und versucht Feuer zu machen. Kinder sammeln das
Holz dafür ein, es muss etwas getan werden. Man hilft zusammen und
erfährt somit die eigenen Grenzen. Alles, was Kinder selber tun und
erleben, stärkt und fördert ihre Entwicklung. Am Beispiel Zelten kann man
bei heranwachsenden Personen beobachten, dass die Kraft einer Gruppe
förmlich Berge versetzen kann. Kinder lernen unaufhörlich, Schritt für
Schritt, den eigenen seelischen Haushalt zu führen, um selbstständig zu
werden und der Lebens- und Entwicklungsraum Natur kann dazu
maßgeblich beitragen. Für den etappenweisen Aufbau der Selbstkontrolle,
für die vielen Schritte des Großwerdens suchen Kinder das Abenteuer, das
die Natur zu jeder Zeit bereitstellt. Am Abenteuer erkennt man, dass Freiheit
und Grenzen eine Symbiose bilden. Ein Abenteuer, das Spiel mit den
eigenen Grenzen, kann von erziehenden Personen weder verordnet noch
organisiert werden. Das Sprungbrett zum Abenteuer ist Freiheit (vgl. Renz
- Polster/ Hüther 2013, S.50f.).
„In einer unter Regulativen von Eltern und Betreuern stehenden Welt (…)
bleiben Eigenschaften auf der Stecke, wie wir sie gemeinhin mit gelungenen
Menschen verbinden. Zu diesen Eigenschaften, die als Ausdruck von Reife
am Ende der elterlichen Erziehung stehen sollen, gehören Autonomie,
Selbstbestimmung, Eigenverantwortung, das Meistern von Risiko,
Phantasie und Kreativität, schöpferisches Denken und spontane
Bezogenheit zu Menschen und anderen Wesen in der Welt. Es ist
bemerkenswert, dass Kinder genau diese Eigenschaften und Fähigkeiten
suchen. Sie haben einen Instinkt für das Richtige, eine Intuition für die
passende (…) Nahrung. Es sollte uns zu denken geben, dass wir die
genannten Qualitäten zwar fordern, dass wir aber die Felder, auf denen die
Kinder von allein zu ihnen finden, zunehmend blockieren: die von selbst
auflebende Natur, das freiheitliche Spiel in der Wildnis, die ungeplante,
ungesteuerte Zeit“ (Weber 2012, S. 49).
S e i t e | 84
• Verbundenheit
Mitmenschliche Beziehungen sind für heranwachsende Kinder der
Schlüssel zu einer gesunden Entwicklung. Darunter versteht man eine
verlässliche, feinfühlige und authentische Beziehung. Was jedoch hat die
Natur damit zu tun? Gerade die Natur bietet einen Entwicklungsraum, wo
sich mitmenschliche Beziehungen entwickeln, z.B. zu den Spielgefährten.
Die Natur ist ein Ort, wo Treffen unter den zu Erziehenden stattfindet.
Gerade diese Konstellation, die im Lebensraum Natur entstehen kann, führt
zu Verbundenheit. Es ist jedoch noch viel mehr, was die Natur bietet. Da
sind die Pflanzen, die Bäume und die Tiere. Hügel, Berge und Wälder,
verbunden mit Gerüchen und dem Klang der Natur, der den
heranwachsenden Menschen Beziehungen ermöglicht und somit zu einer
förderlichen Entwicklung beiträgt.
Die Natur ist der beste Beweis, dass nicht nur die menschliche Welt für
Kinder Bindungen bereithält. Somit lässt sich sagen, dass der Reichtum der
Natur den heranwachsenden Menschen mit vielen Facetten begegnet: als
Spielraum, einen Ort der Entdeckung, einen Raum, der Beziehungen
schafft, einen Gestaltungsraum, Selbsterfahrungsraum und Rückzugsraum.
Zusammenfassend wird festgehalten, die Natur bietet alles, was ein Kind
für die Entwicklung benötigt (vgl. Renz - Polster/ Hüther 2013, S.54ff.).
Kinder suchen eine Umwelt, in der sie die sozialen und seelischen
Entwicklungsbedürfnisse befriedigen können. Das ist der Grundstein, den
sie bei der Erforschung der Umwelt, beim Spielen und bei der Formung ihrer
Beziehung legen. Danach richtet sich der Kompass der Entwicklung aus.
Personen, die in einer Erziehungsaufgabe tätig sind, sollten durch die
Augen der heranwachsenden Menschen blicken, um festzustellen, dass
Kinder für neue Ideen bereit sind, Ideen, wo sie spielerisch entdecken,
gestalten und wirken können. Welchen Bezug ein heranwachsendes Kind
zur Natur hat, ist an den selbstgemalten Kinderbildern abzulesen. Es gibt
kein Kinderbild ohne Sonne, Himmel, Bäume oder Tiere. Die Erfahrungen
in der Natur sind für Kinder eine Stärkung (vgl. Renz - Polster/Hüther 2013,
S. 57 ff.).
S e i t e | 85
13 Umsetzung im Erziehungsalltag
13.1 Haltungen und Einstellungen
Was „gute“ Erzieher und Erzieherinnen kennzeichnet, ist nicht, dass sie viel
über heranwachsende Menschen wissen, sondern dass sie eine Haltung
bzw. eine Einstellung gegenüber den Heranwachsenden haben, die ihnen
das Gefühlt gibt, dass sie bedingungslos anerkannt und akzeptiert werden,
das heißt, in der Subjekthaftigkeit angenommen werden. In einer
schnelllebigen Zeit, in der Leistung, so hinterlässt es den Eindruck,
dominiert, ist diese Haltung nicht einfach einzunehmen. Der heutige
Irrglaube, dass Kinder keine Höchstleistung erbringen, wenn sie nicht von
Erziehern und Erzieherinnen angetrieben werden, kann nicht bestätigt
werden. Beobachtet man Kinder beim Bauen eines Legoturms, wird man
eines Besseren belehrt. Jedes Individuum baut für sich den höchsten Turm
und nicht einen mittelmäßig hohen Legoturm. Die Anlage, Höchstleistung
zu erbringen, schlummert von Geburt an in jedem Kind. Es ist nicht
erforderlich, Kindern ständig zu sagen, was sie zu leisten haben, weil sonst
die Bereitschaft etwas zu tun eher verloren geht. Kinder werden als
Gestalter und Gestalterinnen ihres eigenen Lernprozesses geboren.
Sprechen, Greifen, Krabbeln und Gehen, all diese entscheidenden
Entwicklungsschritte lernen Kinder von der ersten Stunde an von sich selbst
heraus (vgl. Hüther 2017, o.S.).
.
13.2 Kinder als Subjekte wahrnehmen
Ab einem Alter von drei bis vier Jahren bemerken Kinder, dass sich Erzieher
und Erzieherinnen nicht bedingungslos freuen, was sie gestalten und
entdecken. Erzieher und Erzieherinnen im familiären Bereich sowie auch in
Einrichtungen machen klar deutlich, dass Kinder nur dann bedingungslos
akzeptiert und anerkannt werden, wenn sie sich mit dem beschäftigen, was
die Erziehungsperson für relevant empfindet. Ein heranwachsender
Mensch reagiert dem zu Folge mit Anpassung. Er versucht, die
Vorstellungen der Erzieher und Erzieherinnen zu erfüllen. Kinder, die das
S e i t e | 86
umsetzen, haben nicht die Absicht, für sich selbst Erfahrungen zu sammeln,
sondern sie wollen Bedeutsamkeit und Anerkennung erlangen. So wird
nicht die Subjekthaftigkeit der Kinder gefördert, sondern ein Rückschritt in
der Erziehungsaufgabe forciert, wo ein Kind als Objekt angesehen wird.
Kinder werden zu Objekten der Absichten, der Bewertungen und Ziele der
Erzieher und Erzieherinnen. Erziehende sollten versuchen, eine andere
Grundhaltung zu entwickeln und sich nicht als Former und Formerinnen der
Kinder sehen, sondern als suchende Erwachsene, um zu entdecken, was
aus den heranwachsenden Menschen entspringen möchte. Dies bietet die
Möglichkeit, ein Kind besser kennenzulernen, wenn man sich einfach neben
das Kind setzt und beobachtet (vgl. Hüther 2017, o.S.).
13.3 Die Fragehaltung unterstützen
Auch wenn einem Erzieher und einer Erzieherin beim Wort „Warum“ so
manches Mal der Geduldsfaden reißt, Kinder erschließen sich ihr Wissen
durch Fragestellungen und nicht durch Belehrungen. Man sollte versuchen,
einen heranwachsenden Menschen immer im Fragemodus zu halten (vgl.
Hüther 2017, o.S.). Eine Methode, die uns von Sokrates bereits bekannt ist.
Keine dauernden Erklärungen, das Kind soll zum Nachdenken angeregt
werden und Fragen formulieren. So hat ein Kind die Chance, selbst Dinge
herauszufinden und gleichzeitig wird es ein Erfolgserlebnis erfahren (vgl.
Hüther 2017, o.S.).
.
13.4 Rahmenbedingungen schaffen
Alle entwicklungsfördernden Maßnahmen sind sehr interessant zu lesen, es
braucht jedoch einen Rahmen, innerhalb dessen sich heranwachsende
Menschen entwickeln können. Eine Erziehung zu Zeiten der NS - Ideologie,
wo Disziplin und Dressur an der Spitze der Erziehung standen oder das frei
– laufen, das in den 1968 Jahren Anklang fand, ist, so geht es aus der
Literatur hervor, auch heute noch aktuell. Beides ist nicht korrekt. Es geht
vielmehr darum, dass die erwachsenen Personen die Verantwortung über
S e i t e | 87
die Erziehung übernehmen, die sie haben, weil sie erwachsen sind und das
Kind vor den negativen Erfahrungen schützen wollen, die sie vielleicht
selber gemacht haben. Kurz um, es benötigt also Regeln. Ein Kind benötigt
eine Struktur, damit es den Alltag gestalten kann und sich nicht in
Tätigkeiten verliert, von denen der Erzieher und die Erzieherinnen wissen,
dass sie nicht optimal sind. Erziehungspersonen haben die Aufgabe,
Kindern zu helfen eine Struktur zu entwickeln. Wenn man heranwachsende
Menschen ernst nimmt, dann reicht es nicht, ihnen einfach Verbote zu
erteilen. Man muss ihnen auf eine Art und Weise erklären, warum sie ein
Verbot erhalten haben. Das ist nicht zu vergleichen mit einer Dressureinheit
aus dem Zirkus. Es sind Regeln, an die sich alle Personen halten müssen.
Wenn Erzieher und Erzieherinnen im familiären Kreis einem Kind
Fernsehverbot erteilen, so ist es völlig unangebracht, wenn erwachsenen
Personen selbst vor dem TV – Gerät anzufinden sind. Münzt man die
Situation auf Erzieher und Erzieherinnen in den Schulalltag um, kann man
Kindern das Essen und Trinken nicht verbieten und selbst das Gegenteilige
tun. Solche Regeln wird ein Kind zwar nicht als Liebesbeweis wahrnehmen,
sie sind jedoch für die weitere Entwicklung maßgeblich entscheidend und
spätestens im Erwachsenenalter wirft man retrospektiv betrachtet einen
dankenden Blick zurück (vgl. Hüther 2017, o.S.).
13.5 Lebensräume schaffen
Die Natur als Ort der Entwicklung war schon vor tausenden von Jahren ein
Lebensraum, wo Kinder entdeckt, geforscht und gelernt haben. Im 21.
Jahrhundert ist das nicht anders, außer der Tatsache, dass weiter Angebote
dazu gekommen sind. Die Nutzung von digitalen Medien. Die Nutzung von
Computer, Fernseher und Co sind auch nicht verwerflich, wenn sie in
dosierter Art und Weise angewendet werden. Bedenklich wird es, wenn
Medien eingesetzt werden, um Langeweile abzubauen. Neben Erziehern
und Erzieherinnen im familiären und schulischen Bereich gibt es auch noch
den Freundeskreis. Man sollte darauf achten, mit wem das Kind
Freundschaft schließt und nicht dem Zufall überlassen – leichter gesagt als
S e i t e | 88
getan. Eine Möglichkeit dem entgegenzusteuern wäre z.B. im privaten
Erziehungsalltag Elterngruppen zu bilden, die gemeinsam mit den
heranwachsenden Menschen den Ort der Natur entdecken. Dort gibt es
unzählige Möglichkeiten, wie fischen, wandern usw. Das hat zu Folge, dass
man sich näher kennenlernt und Freundschaften entstehen (vgl. Hüther
2017, o.S.).
13.6 Gemeinschaft erleben
Im Erziehungsprozess in einer Einrichtung wäre es möglich Eltern-
Kennenlern-Abende zu veranstalten, um so allen Erziehungspersonen die
Möglichkeit zu bieten sich näher zu kommen. Die Erziehung von Kindern ist
nämlich keine Einzelangelegenheit von einer Person, wie es rückblickend
den Frauen überlassen war. Für die Erziehung heranwachsender
Menschen ist die Gemeinschaft in der nächsten Umgebung genauso wichtig
und auch zuständig (vgl. Hüther 2017, o.S.).
„Um Kinder gut groß zu ziehen, braucht man ein ganzes Dorf“ (afrikanisches
Sprichwort, zit. n. Hüther 2017, o.S.).
In unserer heutigen Zeit, wo Großfamilien eher Seltenheitswert haben, eher
schwierig umzusetzen. Man sollte versuchen auch in der Nachbarschaft
ältere Personen zu finden, die gerne bereit sind mit Kindern Zeit zu
verbringen. Es geht um das gegenseitige Ermutigen. Der Gedanke, dass
die Erziehung von Kindern allein Elternsache ist, wird nicht bestätigt. Es
benötigt einen breitflächigen Austausch mit Eltern, Großeltern,
Kindergartenpädagogen und Kindergartenpädagoginnen sowie Lehrern
und Lehrerinnen. Wir leben in einer gesellschaftlichen Umbruchsituation,
wo man im Hier und Jetzt nicht sagen kann, welche Zukunft vor unseren
Kindern liegt. Das Entscheidende ist, dass man die Kinder nicht als einen
Besitz betrachtet, sondern immer als Geschenk, das einem anvertraut
wurde - ein Geschenk, das man auf seiner Reise begleiten darf (vgl. Hüther
2017, o.S.).
S e i t e | 89
Abbildung 18: Emma Haas 2016, 7 Jahre
S e i t e | 90
14 Zusammenfassung und Ausblick
Wird der Verlauf der Geburt von Erziehung, wie sie heute definiert wird, seit
ihrer Entdeckung als Phänomen in ihrer damaligen Erscheinungsform
nachverfolgt, so ist erkennbar, dass sie an die geschichtlichen und
politischen Veränderungen angepasst wurde. Stellt man die früheren
Erziehungsziele den heutigen gegenüber, fällt auf, dass es schon in der
Antike oberste Bestrebung war, den heranwachsenden Menschen
Willensfreiheit auf dem Lebensweg mitzugeben (vgl. Krüger/ Helsper 2006,
S.67f.).
In den Studien von Baumrind sowie in der Studie von Juang und Silbereisen
wird belegt, dass die positive Wirkung des autoritativen Erziehungsstils in
der Erziehungsaufgabe als die „Optimalform“ gilt, da die sozialen
Kompetenzen und die kindliche Persönlichkeitsbildung gefördert werden.
Fuhrer betont in seinem Werk „Erziehungskompetenz“, dass es keinen
perfekten Erziehungsstil gibt und auch keinen Leitfaden, der Punkt für Punkt
befolgt werden muss. Erziehungsaufgabe benötigt Mut, Fehler zu machen
und die Bereitschaft, eigene Denkmuster zu verändern (vgl. Bauer 2008, S.
30). Erwachsene Personen müssen sich im Klaren sein, wie es Bandura in
den 60er Jahren beschrieben hat, dass sie als Vorbildfunktion fungieren und
somit maßgeblich dazu beitragen, welche Entdeckungen im Laufe des
Entwicklungsprozesses den Kindern ermöglicht werden. Wenn Erzieher/
Erzieherinnen und Eltern in einem Team zusammenarbeiten und jede Partei
im Sinne und um des Kindes Willen auf eine ehrliche, liebevolle Art und
Weise handelt, so steht einer gelingenden Entwicklung des Kindes nichts
mehr im Wege. Die Menschheit muss sich hinsichtlich der zukünftigen
Kompetenz der Kinder immer wieder mit Erziehungsdiskussionen
auseinandersetzen. In der demokratischen Gesellschaft, in der wir leben,
sind die Zielvorstellungen hinsichtlich entwicklungsfördernder Erziehung
nicht stimmig und somit die Antworten nicht eindeutig (vgl. Gudjons 2008,
S.193). In der Vergangenheit war es ein langer Weg bis zu dem Punkt, an
dem Kinder nicht mehr als kleine Erwachsene betrachtet wurden. Ein
bedeutender Schweizer namens Jean - Jacques Rousseau (1712 – 1778)
brachte Licht in das Dunkel, er galt und gilt als Entdecker der Kindheit. Er
S e i t e | 91
zeigte eine Abgrenzung des Kindes vom Erwachsenen und betitelte die
Kindheit als selbstständige Entwicklungsstufe (vgl. Hörburger 1967, S. 68-
70). Tschöpe - Scheffler betont, dass Kinder an der Erwachsenenwelt
teilnehmen sollten und dass es sehr wichtig ist ihnen beiseite zu stehen und
zu helfen, wenn sie Unterstützung benötigen. Ein Kind sollte in die
Gesellschaft eingegliedert werden und muss sich daher gewisse Normen
und Werte aneignen. Kinder und Erwachsene sind als gleichwertige
Menschen zu betrachten. Es gibt keine Hierarchie. Die Erwachsenen
können die Kinder an ihrem Wissen teilhaben lassen, sollten den Kindern
aber auch die Möglichkeit bieten, ihre eigenen Erfahrungen zu machen. Die
intentionale Erziehung ist also nicht überzubewerten oder zu idealisieren.
Es sollte nicht immer nur danach gehen, das Kind in eine bestimmte
Richtung zu lenken, um einem Erziehungsstil gerecht zu werden. In der
heutigen Zeit spricht man von einer demokratischen Erziehung, in der die
Autonomie der heranwachsenden Personen als ein realistisches
Erziehungsziel dargestellt wird (vgl. Schickhardt 2012, S.161ff.). Aus Sicht
der Neurobiologie geht hervor, dass Kinder durch die Aktivierung der
genannten Botenstoffe Dopamin, körpereigenen Opioide und Oxytozin in
der Lage sind, ein motivationsreiches Leben zu führen, das für die
Entwicklung von großer Bedeutung ist (vgl. Bauer 2008, S18ff.). Es geht
hervor, dass der Lebensraum Natur bestens für eine gesunde Entwicklung
der heranwachsenden Menschen beiträgt. Für Kinder ist es enorm wichtig,
dass ihre individuellen Fähigkeiten gefördert werden, indem man Angebote
bereitstellt, bei denen sie sich kreativ und voller Elan entfalten können. Es
geht darum, die heranwachsenden Personen in ihrer Eigenleistung zu
stärken, ihnen bei Schwierigkeiten, die das Leben mit sich bringt,
hinwegzuhelfen und dafür zu loben, was sie im Spiel oder beim Lernen
geleistet haben (vgl. Bauer 2008, S.100). Kinder lernen frei zu denken,
Entscheidungen selbst zu treffen und sich auf ein gleichberechtigtes
Zusammenleben einzustellen. Man ist sich heute allerdings weitgehend
darüber einig, dass eine gute Erziehung Kindern auch Grenzen und Regeln
mitgeben muss. Eine situative und wertschätzende Erziehung steht jedoch
immer im Vordergrund. Entscheidend ist es, in problematischen Situationen
S e i t e | 92
auf sein Gefühl zu hören und mit dem Kind die Kommunikation
aufzusuchen.
Abbildung 19: Postkarte, Weisheit aus Tibet
S e i t e | 93
15 Literaturverzeichnis
Altenthan, Sophia/ Betscher-Ott, Sylvia/ Gotthardt, Wilfried/ Hobmair,
Hermann/ Höhlein, Reiner/ Ott, Wilhelm/ Pöll, Rosemarie/ Schneider, Karl-
Heinz (2008): Pädagogik. In: Hobmair, Hermann (Hrsg.): Pädagoik. 4. Aufl.,
Troisdorf: Bildungsverlag Eins, S. 214-218.
Baader, Meike Sophia/ Sager, Christin (2010): Die pädagogische
Konstitution des Kindes als Akteur im Zuge der 68er- Bewegung. Diskurs
Kindheits- und Jugendforschung, Heft 3. In: https://www.uni-
hildesheim.de/media/fb1/erziehungswissenschaft_allg/PDFs/Baader-
Sager_Kinder_als_Ak [14.07.2016].
Bandura, Alfred (1976): Lernen am Modell. Ansätze zu einer
sozialkognitiven Lerntheorie. Stuttgart: Klett Verlag.
Bauer, Joachim (2008): Lob der Schule. Sieben Perspektiven für Schüler,
Lehrer und Eltern. München: Wilhelm Heyne Verlag.
Baumrind, Diana (1989): Rearing competent children. In W. Damon (Ed).
Child development today and tomorrow. San Francisco, CA: Jossey- Bass.
Becher, Matthias (2014): Karl der Große. 6. Aufl., München: C.H. Beck
Verlag.
Bowen, James (1975): A history of western education. Volume 2.
Civilization of Europe. Sixth to Sixteenth Century. London: Routledge.
Böhm, Winfried (2013): Geschichte der Pädagogik. Von Platon bis zur
Gegenwart. 4. Aufl., München: C.H.Beck Verlag.
Brazelton, Thomas, Berry/ Greenspan, Stanley, I., (2002): Die sieben
Grundbedürfnisse von Kindern. Was jedes Kind braucht, um gesund
aufzuwachsen, gut zu lernen und glücklich zu sein. Weinheim: Beltz Verlag.
S e i t e | 94
Brezinka, Wolfgang (1995): Erziehungsziele Erziehungsmittel
Erziehungserfolg. 3. Aufl., München/Basel: Ernst Reinhardt Verlag.
Candolini, Gernot (2007): Schule der Kinder. Leben und Lernen mit
Montessori. München. Kösel- Verlag.
Cyprian, Gudrun/ Franger-Hühle Gaby (1995): Familie und Erziehung in
Deutschland: kritische Bestandsaufnahme der sozialwissenschaftlichen
Forschung. 46. Schriftenreihe des Bundesministeriums für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.). Stuttgart: Kohlhammer Verlag, S.
217-221.
Decher, Friedhelm (2012): Die Schule der Philosophen. Große Denker über
Bildung und Erziehung. Darmstadt: Lambert Schneider Verlag.
Denk, Ulrike (2016): Die Artes liberales. Das Rückgrat der universitären
Lehre vom Mittelalter bis in die Neuzeit. In:
http://geschichte.univie.ac.at/de/themen/die-artes-liberales [14. 07.2016].
Edelmann, Walter (1996): Lernpsychologie. 5. Aufl., Weinheim. Beltz
Verlag.
Edelmann, Walter (2000): Lernpsychologie. 6. Aufl., Weinheim: Beltz
Verlag.
Eisenberg, Marla/ Olson, Rachel E./ Neumark-Sztainer, Dianne/ Story,
Mary/ Bearinger, Linda H. (2004): Correlations Between Family Meals and
Psychosocial Well-being Among Adolescents. In:
http://archpedi.jamanetwork.com/article.aspx?articleid=485781
[16.07.2016].
S e i t e | 95
Elder, Glen Holl (1962): Structural Variations in the Child Rearing
Relationship. In: Sociometry Vol. 25, No. 3, pp. 241-262.
Elschenbroich, Donata (2001): Weltwissen der Siebenjährigen. Wie Kinder
die Welt entdecken können. 6. Aufl., München: Antje Kunstmann Verlag.
Erikson, Erik H. (1981): Identität und Lebenszyklus. 7. Aufl., Frankfurt am
Main. Suhrkamp Verlag.
Fricke - Finkelnburg, Renate (1989): Nationalsozialismus und Schule.
Amtliche Erlässe und Richtlinien 1933-1945. Opladen: Leske und Budrich
Verlag.
Fuhrer, Urs (2007): Erziehungskompetenz. Was Eltern und Familien stark
macht. 1. Aufl., Bern: Hans Huber Verlag.
Fuhrmann, Manfred (2002): Bildung. Europas kulturelle Identität. Stuttgart:
Reclam.
Gudjons, Herbert (2008): Pädagogisches Grundwissen. 10. Aufl., Bad
Heilbrunn: Julius Klinkhardt UTB.
Hansen - Schaberg, Inge (2005): Der Turm. Umgangsweisen mit der
Montessori- Pädagogik. In: Hansen - Schaberg, Inge/ Schonig, Bruno
(Hrsg.): Basiswissen Pädagogik. Band 4. Reformpädagogische
Schulkonzepte. Montessori - Pädagogik. Baltmannsweiler: Schneider-
Verlag Hohengehren.
Heidenfelder, Claudia (2015): Erziehung heute. In: http://www.planet-
wissen.de/alltag_gesundheit/lernen/erziehung/erziehung_heute.jsp
[29.02.2016].
Henting, Hartmut (2004): Rousseau oder die wohlgeordnete Freiheit.
München: C.H. Beck Verlag.
S e i t e | 96
Hoppe- Graff, Siegried (2014): Pädagogische Psychologie. Übersicht und
ausgewählte Themen. In: Myers, David, G. (Hrsg.): Psychologie. 3. Aufl.,
Heidelberg: Springer Verlag, S. 756-758.
Hörburger, Franz (1967): Geschichte der Erziehung und des Unterrichts.
Wien: Österreichischer Bundesverlag für Unterricht, Wissenschaft und
Kunst.
Hurrelmann, Klaus (2006): Einführung in die Sozialisationstheorie. 9. Aufl.,
Weinheim/Basel: Beltz Verlag.
Hüther, Gerald (2017): Erziehung ist keine Dressur. In:
http://www.kleinezeitung.at/lebensart/familie/erziehung/5186910/Was-
Kinder-stark-macht_Erziehung-ist-keine-Dressur [27.03.2017].
Juang, Linda P./ Silbereisen, Rainer K. (1999): Elterliche Erziehung in
verschiedenen ökologischen Nischen und zu unterschiedlichen Zeiten
während der Jugend. In: Silbereisen, Rainer K./ Zinnecker, Jürgen (Hrsg.).
Entwicklung im sozialen Wandel. Weinheim: Beltz- Psychologie Verlags
Union, S. 317-336.
Juul, Jesper (2014): 4 Werte die Kinder ein Leben lang tragen. München:
Gräfe und Unzer Verlag.
Klaus, Arnold (1980): Kind und Gesellschaft in Mittelalter und Renaissance.
Beiträge und Texte zur Geschichte der Kindheit. Paderborn: Schöningh
Verlag.
Köck, Peter/ Ott, Hans (1994): Wörterbuch für Erziehung und Unterricht.
3100 Begriffe aus den Bereichen Pädagogik, Didaktik, Psychologie,
Soziologie, Sozialwesen. 5. Aufl., Donauwörth: Auer Verlag.
S e i t e | 97
Kramer, Rita (1997): Maria Montssori. Biografie einer außergewöhnlichen
Frau. In: file:///C:/Users/Judith/Downloads/leseprobe01788.pdf
[12.05.2016].
Krüger, Heinz- Hermann/ Helsper, Werner (Hrsg) (2006): Einführung in
Grundbegriffe und Grundfragen der Erziehungswissenschaft. 4. Aufl.,
Opladen: Barbara Budrich Verlag.
Lindgren, Uta (2004): Die Artes Liberales in Antike und Mittelalter. Bildungs-
und wissenschaftsgeschichtliche Entwicklungslinien. 2. Aufl., Augsburg:
Erwin Rauner Verlag.
Ludwig, Harald (1999): Montessori - Pädagogik und interkulturelle
Erziehung. In: Ludwig, Harald (Hrsg.): Montessori - Pädagogik in der
Diskussion. Aktuelle Forschungen und internationale Entwicklungen.
Freiburg im Breisgau: Herder Verlag.
Lukesch, Helmut (1975): Erziehungsstile als abhängige und unabhängige
Variable. In: Lukesch, Helmut (Hrsg.): Auswirkung elterlicher
Erziehungsstile. Göttingen: Hogrefe.
Mietzel, Gerd (2000): Pädagogische Psychologie des Lernens & Lehrens.
6. Aufl., Göttingen – Bern – Toronto – Seattle: Hogrefe Verlag für
Psychologie.
Montessori, Maria (1987): Das kreative Kind. Der absorbierende Geist. 6.
Aufl., Freiburg: Herder Verlag.
Myers, David, G. (2005): Psychologie. Inklusive Psychologie,
Pädagogische Psychologie, Merksätze, Zusammenfassungen,
Prüfungsfragen, deutsch-englisches Glossar, Über 700 farbige
Abbildungen und Comics. 1. Aufl., Heidelberg: Springer Medizin Verlag.
S e i t e | 98
Nohl, Herman (1982): Die pädagogische Bewegung in Deutschland und ihre
Theorie. 9. Aufl., Frankfurt/M.: Schulte-Bulmke Verlag.
Noll, Heike/ Schieder, Martin (2000): Montessori- Freiarbeit. Möglichkeiten
und Grenzen im Alltag öffentlicher Schulen. Bd. 7. Ulm/ Münster: Kinders
Verlag.
Popp, Susanne (1999): Der Daltonplan in Theorie und Praxis. Ein aktuelles
reformpädagogisches Modell zur Förderung selbstständigen Lernens in der
Sekundarstufe. 2. Aufl., Innsbruck: Studien- Verlag.
Raithel, Jürgen/ Dollinger, Bern/ Hörmann, Georg (2009): Einführung
Pädagogik. Begriffe, Strömungen, Klassiker, Fachrichtungen 3. Aufl.,
Lehrbuch. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Reble, Albert (1951): Geschichte der Pädagogik. 20. Aufl., Stuttgart: Klett-
Cotta.
Reicher, Hannelore (2014): Dossier für Projekt „Generationendialog goes
Youtube“. In: http://www.generationendialog-steiermark.at/wp-
content/uploads/2014/03/Dossier-Erziehung.pdf [07.07.2016].
Renz - Polster, Herbert/ Hüther Gerald (2013): Wie Kinder heute wachsen.
Natur als Entwicklungsraum. Ein neuer Blick auf das kindliche Lernen,
Fühlen und Denken. Weinheim/ Basel: Beltz Verlag.
Riedl, Alfred (2007): Lernzirkel, Reformpädagogik. Didaktik der beruflichen
Bildung. In: http://riedlpublikationen.userweb.mwn.de/pdf/
lzrefpaedinforiedl2007.pdf [10.05.2016].
S e i t e | 99
Riedl, Julia (2013): Reformpädagogische Ansätze nach den Grundsätzen
von Maria Montessori und Helen Parkhurst im mathematischen
Regelunterricht der Sekundarstufe 1. Diplomarbeit vorgelegt am Institut für
Mathematik und Wissenschaftliches Rechnen Karl-Franzens-Universität
Graz.
Roeper, Malte (2011): Kinder raus. Zurück zur Natur. Artgerechtes Leben
für den kleinen Homo sapiens. München: Südwest Verlag.
Rost, Detlef, H. (2001): Handwörterbuch. Pädagogische Psychologie. 2.
Aufl., Weinheim: Beltz Psychologie Verlags Union.
Rotthaus, Wilhelm (2000): Wozu erziehen? Entwurf einer systemischen
Erziehung. 3. Aufl., Heidelberg: Carl- Auer- Systeme Verlag.
Röhrs, Hermann (1998): Die Reformpädagogik. Ursprung und Verlauf unter
internationalem Aspekt. 5. Auflage. Weinheim: Deutscher Studienverlag.
Saathoff, Menke (2014): Erwartungshaltung von Lehrkräften in Bezug auf
den außerschulischen Lernort. In: http://oops.uni-
oldenburg.de/2384/1/Masterarbeit Erwartungshaltung von Lehrkräften in
Bezug auf den außerschulischen Lernort [09.03.2016].
Schickhardt, Christoph (2012): Kinderethik: Der moralische Status und die
Rechte der Kinder. Münster: mentis Verlag.
Schmalt, Heinz-Dieter/ Langens, Thomas A. (2009): Motivation. In:
Hasselhorn, Marcus/ Heuer, Herbert/ Rösler, Frank (Hrsg.): Motivation. 4.
Aufl., Stuttgart: Kohlhammer Verlag, S. 161-173.
Scholtz, Harald (1985): Erziehung und Unterricht unterm Hakenkreuz.
Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht.
S e i t e | 100
Schulz- Benesch, Günter (1999): Maria Montessori. In: Hellmich,
Achim/ Teigeler, Peter (Hrsg.): Montessori -, Freinet -, Waldorfpädagogik.
Konzeption und aktuelle Praxis. 4. Aufl., Weinheim: Beltz Verlag.
Schulz – Benesch, Günther/ Oswald, Paul (Hrsg.) (2012): Grundgedanken
der Montessori Pädagogik. Quellentexte und Praxisberichte. 3. Aufl.,
Freiburg im Breisgau: Herder Verlag.
Schulz von Thun, Friedemann (2001): Miteinander Reden. Störungen und
Klärungen. Band 1. Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.
Sedlak, Franz (2000): Wege zum Ich, zum Du, zum Wir. Erziehung als
Förderung der Beziehung zu sich selbst und zu anderen. Wien:
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur.
Sieder, Reinhard (1987): Sozialgeschichte der Familie. Neue Historische
Bibliothek. 4. Aufl., Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.
Speichert, Horst (2005): Maria Montessori. Aus ihrem Leben, ihre Sicht auf
das Kind und Vorschläge für den Umgang mit Kindern. In: Hansen-
Schaberg, Inge/ Schonig, Bruno (Hrsg.): Basiswissen Pädagogik. Band 4.
Reformpädagogische Schulkonzepte. Montessori - Pädagogik.
Baltmannsweiler: Schneider - Verlag Hohengehren.
Standop, Jutta (2005): Werte - Erziehung. Einführung in die wichtigsten
Konzepte der Werteerziehung. Weinheim/Basel: Beltz Verlag.
Stapf, Kurt H./ Herrmann, Theo/ Stapf, Aiga/ Stäcker, Karl H. (1972):
Psychologie des elterlichen Erziehungsstils. Komponenten der
Bekräftigung in der Erziehung. Bern: Stuttgart: Gemeinschaftsverlag Huber,
Klett.
Stein, Barbara (1998): Theorie und Praxis der Montessori- Grundschule. 4.
Aufl., Freiburg: Herder Verlag.
S e i t e | 101
Thomas, Judith Gertrud (2002): Maria Montessori. Die Montessori-
Pädagogik. Spannungsverhältnis zwischen Anspruch und Realisierung. 1.
Aufl., Wuppertal: Blaxxilver Verlag.
Treml, Alfred K. (2005): Pädagogische Ideengeschichte. Die Evolution
einflussreicher Semantik. Ein Überblick. Stuttgart: Kohlhammer- Urban-
Taschenbücher Verlag.
Tschöpe - Scheffler, Sigrid (2013): Fünf Säulen der Erziehung. Wege zu
einem entwicklungsfördernden Miteinander von Erwachsenen und Kindern.
7. Aufl., Ostfildern: Patmos Verlag.
Waldschmidt, Ingeborg (2001): Maria Montessori. Leben und Werk.
München: C.H. Beck Verlag.
Weber, Andreas (2012): Mehr Matsch! Kinder brauchen Natur. Berlin:
Ullstein Verlag.
S e i t e | 102
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Sokrates .............................................................................. 16
Abbildung 2: Karl der Große .................................................................... 20
Abbildung 3: septem artes liberales ......................................................... 22
Abbildung 4: Rousseau ............................................................................ 25
Abbildung 5: Montessori .......................................................................... 32
Abbildung 6: Lewin ................................................................................... 45
Abbildung 7: Entwicklung der Untersuchungen ....................................... 47
Abbildung 8: Baumrind ............................................................................. 49
Abbildung 9: eigene Darstellung des autoritären Erziehungsstils ............ 53
Abbildung 10: eigene Darstellung des nachgiebigen Erziehungsstils ...... 54
Abbildung 11: eigene Dar. des vernachlässigenden Erziehungsstils ....... 55
Abbildung 12: eigene Darstellung des autoritativen Erziehungsstils ........ 56
Abbildung 13: Die fünf Säulen der Erziehungs ........................................ 58
Abbildung 14: Pestalozzi .......................................................................... 59
Abbildung 15: Korczak ............................................................................. 60
Abbildung 16: Bandura ............................................................................ 68
Abbildung 17: Vorgang des Modell- Lernens ........................................... 71
Abbildung 18: Emma Haas, 2016 7 Jahre ............................................... 89
Abbildung 19: Postkarte, Weisheit aus Tibet ........................................... 92