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Erwerbslosigkeit und soziale Ausgrenzung –Deutschland im internationalen Vergleich
Regina Konle-SeidlIAB Nürnberg
Werner EichhorstIZA Bonn
3 November 2008
Friedrich Ebert Stiftung, Berlin
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Studie „Aktivierung und soziale Ausgrenzung – Deutschland im internationalen Vergleich“
Internationale Vergleich umfasst folgende Länder:
• Deutschland, Frankreich und Niederlande,
kontinentale Sozialstaatsmodell • Spanien und Italien
mediterrane Variante des kontinentalen Sozialmodells • Großbritannien und die USA,
angelsächsisch-liberale Modell • Dänemark und Schweden,
skandinavische Wohlfahrtsstaaten • Polen
post-kommunistisches Transitionsland
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Fragestellungen
► Ist das Risiko sozialer Ausgrenzung in Deutschland gewachsen, und wie stellt es sich im Vergleich mit anderen Ländern dar?
► Worauf können ungleiche Teilhabechancen auf dem Arbeitsmarkt zurückgeführt werden?
► Können politische Maßnahmen, insbesondere die „aktivierende“ Ausgestaltung von sozialen Sicherungssystemen und das „Fördern und Fordern“ von Erwerbslosen, soziale Ausgrenzung vermindern?
► Gibt es hierzu vorbildliche Praktiken in andern Ländern?
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Soziale Ausgrenzung
= mehrdimensionales Phänomen
Mangel an Verwirklichungschancen (Amaryta Sen)
► Mangel an finanziellen Verwirklichungschancen
► Mangel an gesellschaftlich bedingten Chancen
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Mangel an finanziellen Verwirklichungschancen
Messung von Einkommensarmut
► EU-Ebene (relative Armut) Armutsgefährdungsquote: 60% des mittleren,
bedarfsgewichteten HH-Nettoeinkommens Relative Armut: 50% ; strenge Armut: 40% Verfestigte Armut: Arm in zwei aufeinanderfolgenden
Jahren
► SGB II (sozialstaatlich definierte Armut) Soziokulturelle Existenzminimum = Bedürftigkeitsgrenze Konsumausgaben der unteren EK-Gruppen, einschl.
angemessenen Wohn- und Heizkosten (Grundlage: EVS)
(1.1. 2008: Ø € 681; Alleinlebende; € 1.121 € Allein Erziehende mit 1 K < 7 J.; Ehepaar mit 2 K, € 1.643)
► Materielle Deprivation (Unterversorgungsschwellen)
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Armuts- und Reichtumsgrenzen
► Armuts- und Reichtumsgrenzen sind normativ gesetzte Werte
Armutsrisikoschwellen (60% Medianeinkommen)
Armutsrisikoquote EU-SILC 2006: 781 € netto/Monat 13% SOEP 2006: 880 € netto/Monat 18% SOEP 2007: 891 € netto/Monat 16,5 % EVS 2003: 980 € netto/Monat 14%
EK- Reichtumsgrenze (200% Medianeinkommen) Reichtumsquote EVS 2003 3.268€ netto/Monat 6,4% SOEP 2007 2.970€ netto/Monat
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Mangel an gesellschaftlich bedingten Chancen
► Zugang zu Erwerbsarbeit und Ausgestaltung sozialer Sicherungssysteme
Messung anhand von Erwerbsbeteiligung, Arbeitslosigkeit und Inaktivität
► Langzeiterwerbslosigkeit – LZA-Quoten, Inaktivitätsquoten, Haushalte ohne Erwerbstätige
► Erwerbsbeteiligung ausgewählter Gruppen – Beschäftigungsquoten Geringqualifizierte, Migranten, Jugendliche – Anteil Jugendlicher weder erwerbstätig noch in Ausbildung – Anteil früher Schulabgänger
► Prekäre Arbeitsmarktinklusion – Anteil Beschäftigter im Niedriglohnsektor; Lohnspreizung, Anteil und Dynamik im
Niedriglohnsektor) – Anteil Erwerbstätiger in Armut; „prekäre“ Beschäftigungsverhältnisse
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Exklusionsrisiken
Ausschluss aus dem Erwerbsleben wichtigste Einzelursache für Armut und soziale Ausgrenzung
Verfestigte Erwerbslosigkeit als Exklusionsgefahr
Armut und Erwerbstätigkeit negativ korreliert, auch im Fall von Frauenerwerbstätigkeit / Kinderarmut
Geringer Bildungsgrad und Haushaltsstruktur
aber: nicht nur statistisch gemessene Langzeitarbeitslosigkeit, sondern auch
langjährige Inaktivität…
nicht nur verfestigte Arbeitslosigkeit, sondern auch eine prekäre Arbeitsmarktinklusion und niedrige Entlohnung…
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Deutschland im internationalen Vergleich
► Im internationalen Vergleich ist die statistisch gemessene Langzeitarbeitslosigkeit in Deutschland besonders hoch
► Ist Risiko sozialer Ausgrenzung in Deutschland besonders hoch?
► Oder werden bei einem relativ ähnlichem Niveau der Ausgrenzung aus dem Erwerbsleben lediglich unterschiedliche Verteilungen auf die Transfersysteme erreicht?
10
0
10
20
30
40
50
60
Anteil der Langzeitarbeitslosen (mehr als 12 Monate) an allen Arbeitslosen
Quelle: OECD Employment Outlook, 2008
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Erwerbstätige, Erwerbslose und Inaktive
Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15- 64 Jahre)
Erwerbspersonen
Inaktive
Erwerbstätige / Beschäftigte
Erwerbslose Teilnehmer an arbeits- Marktpolitischen Maß-
nahmen
Personen in Aus-/ Bildung
z.B. Schüler,
Studenten
Personen mit
familiären Verpflicht-
ungen
Krank heit/
Erwerbs-unfähigkeit
„bedingung
slose“ Sozialhilfe
Vorruhe stand
Nichterwerbstätige
12
Erwerbsbeteiligung und Inaktivität, 2007
13,6 15,48,5
16,6
8,9
27,4
5,810,7
7,2 9,1
63,554,0
56,1
54,7
49,8
48,6
51,2
63,5
58,4
62,8
3,8
8,4
8,3
5,3
6,1
3,2
9,6
6,1
8,3
4,6
19,724,4
30,5
13,7
37,5
23,1
36,8
19,427,4
14,7
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Erwerbstätig Teilzeit Erwerbstätig Vollzeit Arbeitslos Inaktiv
13
Gründe für Inaktivität, 2007
5,4 7,9 8
22,515,3
4,49,6 12,4
29,1
38,5
18,7
28,5
22,136,4 28,8
39,3
4,5
18,8
27,6
17,3
16,315,4
34,14,2
33,4
8,1 29,07,0
27,6 19,9
18,5
33,2
27 25,6
16,2
15,9
15,118,8
6,7 8,8
0
8,93,5 5,2 2,4
2,21,1 0,4
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
Dänemark Deutschland Großbritannien Italien Niederlande Polen Spanien Schweden
Sonstiges Ausbildung Student, Schüler
Familiäre, Persönliche Verpflichtung Krankheit, Invalidität
Vorruhestand Entmutigt
Quelle: Eurostat.
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Fazit I
► Große Länderunterschiede im Hinblick auf die Struktur der Nichtbeschäftigung
► niedrige Arbeitslosenraten in den Niederlanden, Dänemark, Schweden, Großbritannien und den USA gehen einher mit einer hohen Zahl von inaktiven Personen in „passiven Leistungssystemen“ (Erwerbsunfähigkeit, Vorruhestand)
► „verdeckte“ Arbeitslosigkeit in Deutschland im Ländervergleich niedrig
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Bildungsgrad und Armutsgefährdung
NEET - Rate 2005 in %
0%
5%
10%
15%
20%
Quelle: OECD Labour Force Statistics and Education Databases, nach OECD Employment Outlook, 2008.
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Konzentration von Erwerbslosigkeit
Anteil der Bevölkerung in Haushalten ohne Erwerbstätige
0,0
5,0
10,0
15,0
20,0
25,0
DEU GBR POL FRA ITA DNK NLD USA SWE ESP
2005
1995
Quelle: OECD Grow ing Unequal 2008 Anmerkung: Zahlen für Polen aus der OECD Income Distribution Study
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Armut und Erwerbstätigkeit im Hauhaltskontext (2005)
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100%
GBR DEU FRA DNK NLD ITA POL USA SWE ESP
Zwei oder mehrArbeitnehmer
EinArbeitnehmer
KeinArbeitnehmer
Quelle: OECD Growing Unequal 2008
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Erwerbsstatus und Armutsrisiko, 2005
Land Armut unter Personen im
erwerbs-fähigen Alter
Verän-derung
1995 - 2005
Alleinstehende Paarhaushalte
Erwerbs-los
Teil-zeit
Voll-zeit
Erwerbs-los
Teilzeit Mind. 1 Vollzeit
DE 8 + 0,8 49 32 5 32 25 2
FR 7 -0,6 31 8 6 18 4 4
SE 5 + 1,0 23 16 1 21 1
DK 5 + 1,2 22 28 1 15 6 0
UK 7 - 0,3 38 11 3 28 22 2
US 15 + 1,0 80 54 14 63 12 7
ES 11 - 0,4 62 27 18 46 26 8
IT 10 - 2,8 40 50 4 36 33 8
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Prekäre Arbeitsmarktinklusion
► 1997-2007: starke Expansion atypischer Beschäftigungsverhältnisseund des Niedriglohnsektors
atypisch ≠ prekär– Alternative zu einer fortgesetzten Arbeitslosigkeit oder Inaktivität – prekär, wenn längerfristige Ketten instabiler Beschäftigung (Sackgasse)– UND wenn Erwerbstätigkeit nicht ausreicht, um ein Einkommen
oberhalb des Existenzminimums zu sichern („Working Poor“) Empirische Befunde:
– Leiharbeit: senkt Risiko der Arbeitslosigkeit aber keine kausalen Effekte auf Wiedereingliederung in reguläre Beschäftigung
– gute Chancen auf Übergang von befristeten in unbefristete Jobs– niedrig entlohnte Tätigkeit ist in Deutschland relativ schwer in Richtung
höherer Entlohnung zu überwinden – bislang unklar, ob durch „Fordern und Fördern“ beförderte Integrationen
eindeutig mit geringer Entlohnung einhergehen
20
Anteil der Niedriglohnempfänger an allen Erwerbstätigen
0
5
10
15
20
25
30
2000
2006
Quelle: Zahlen für 2000: employment in Europe 2004 chapt.4; Zahlen für USA und Schw eden: Employment Outlook 1996: Schw eden 1994, USA 1993; Zahlen für 2006 EU-SILC, für USA Employment Outlook 2008
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Verbleib vollzeitbeschäftigter Niedriglohnbezieher* - 1998/1999 in 2005, in Prozent -
34,1
13,313,5
10,1
29,1Weiterhin Niedriglohn
Höherer Lohn
In Teilzeit
Arbeitslos
Keine Information
Quelle: IAB KB 14/2008
22
Working Poor nach Arbeitszeit, 2005
0
5
10
15
20
25
Niederlande Dänemark Deutschland Frankreich Großbritannien Schweden Spanien Italien Polen
Quelle: Eurostat
Vollzeit Teilzeit
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Bedürftig trotz Arbeit?
► D: Bedürftigkeit trotz Arbeit (Aufstocker) hängt stark von Art und Dauer der Beschäftigung sowie vom Haushaltskontext ab
► ist in D eher ein vorübergehendes Phänomen
– Kurzfristige Aufstocker (bis 3 Monate); darunter ¼ Leiharbeiter – Mehr als 50% der Leiharbeiter konnte innerhalb von 3 Monaten
Hilfebedürftigkeit überwinden– Vollzeitbeschäftigte: nach 22 Monaten noch 7% hilfebedürftig– Teilzeitbeschäftigte: „ „ noch 12% „– geringfügig Beschäftigte: noch 14% „
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Fazit II
Armut ist vor allem eine Frage der Nicht- oder der partiellen Erwerbstätigkeit
Konzentration von Erwerbslosigkeit ; D: hoher Anteil von „armen“ Haushalten ohne Erwerbstätige (zumindest bis 2005)
Vollzeitbeschäftigung mindert die Armutsgefährdung in D um die Hälfte gegenüber Teilzeitbeschäftigung
D: eher niedrige Armutsrisiken für Erwerbstätige (Working Poor) trotz starkem Anstieg des Niedriglohnsektors und atypischer Beschäftigungsverhältnisse
Klarer Zusammenhang zwischen Bildungsgrad und Armutsrisiko Drop out Quote jüngerer Kohorten in D auf mittlerem Niveau; Ähnlich hohes Niveau bei frühern Schulabgängern; Länder wie DK und NL
haben jedoch „aufgeholt“