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Erwachsenenbildung in Grundbegriffen · 2016-10-05 · findet, mdem er sich zu Gesellschaft u d S N...

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Jörg Dinkelaker Aiga von Hippel (Hrsg.) Erwachsenenbildung in Grundbegriffen Verlag W. Kohlhammer
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Jörg Dinkelaker Aiga von Hippel (Hrsg.)

Erwachsenenbildung in Grundbegriffen

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2015

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Print: ISßN 978-3-17-022478-0

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11 . usschheßlich der JCwcihgc Betreiber vcrantworthch.

H f ncn -in uss auf die vcrkml fit s . . . . a tung. P cn cucn und Ubcrn1mm1 hierfür kcmcrle1

Inhalt

32 Grundbegriffe: Zugänge zur Erwachsenenbildung und zum Lernen Envachsener - eine Einleitung mit Nutzungshinweisen ........ . ... .... _ . .... . 9

/drg Di11kclnkcr c· J\iga von Hippe/

II

Adressatinnen und Teilnahme

Erw<1chscncnalter ........... .. . Bernhard Scl11nidt-Hcr1/w

• • •• „ ••• • ••• „ „ . ' •••• „ •• •• „ •••••••••••••• .

•••••••••••••• •••••• • „ •• „ ••••• • • ••••••••

25 ,­- 1

Subjekt .... , . ...... ..... - . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Daniel \\'ra11a

Aneignung .. .. .. . .. . . ..... ... ....................... .... .... . . . . - - . . . . . 42 Su1a11ic Hartz

Lernen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

/org D111kclakcr

Adressaten, Zielgruppen, Tcilnch111cnde Barbara Lindcmn1111 c~ R11dolf T1ppelt

••••.••.••••••••••. „ •••• „ •.••• ~· ···· 57

Dcutungsn1ustcr . . . . . . . . . ... . . . . . ............ ... - . • . · - ..... ........ - 66

J~nlf Arnold t:'.· lngcborg Sclzußlc:r

\\c1tcrbildungsbcte1ligung .... .. - ........... - ... - ....... ........ - . . . . . . . . 75

Jutta /fric/1 -Clnasscr1

Pädagogisches Handeln und Profession .... . ..... . . - . . ...... ... ... . .... .

Profrssion un<l Profcssionalit~lt .... ........... . ............ .. , - . .. .. ...... .

\ Volfga11s Sl'ittcr

lehren ········· · ·······-··············· ·· ··········· J iH>lllflS. 1~1:;1 ;, ·/~i·r~~.,', ·(;,:,;«,;;/, Ulric/J Kird1giiß11cr, Sven K/aibt•r. t\r11w Lnros C:-

R111/z ,\ fidwlck 0 cr1t 1 11 .. .... „ . ... ~ ········ ·· · · ······· · ··- „ ···•--.• -" • c . . . . . . . ...... . ... .

Clzris tia11c Scl11ers111111111

Ev\lt r 'll ····· · ·· · ~ ·····- ~ ············~·-„······· · • i llC C • , • • • • • • • • • • • • • • • • •

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Vcr11ctzc11 ........ . · · · · · ·· „ • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • ~

Nfrlw1ic: Fr1111z & Ti111111 C. Feld

'v\lcitcrbildungsn1.1nagc111cnt ..... • ·. · · · · · · · · · · · · - · • · - - · · - · · · · · · · - - - - · · • · ·

Strffi l~obak

85

87

93

101

110

117

12·1

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6 Inhalt 7 Inhalt

III Institutionen . •. . . .. . . .. . ........ .... . · . ... . . · · . · · · · · · · . · · · . · · · . . . . 133 Die Autorinnen und Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288

Lernorte •. . . .... •. .. .. .. . . . . .. . • .... • .. . · . . . · · · · · · · · · · · · · · . · · · · · . · · · · · 135 Knri11 Kraus Schlagwortverzeichnis . ... . . .. . .... .. .......... . .................. . .. .. .. .... 291

Kurse . • . . • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 3 }oclie11 Kadc C:~ Sigrid 1\fo/da

l\1edien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 f.1m111ela Pictraß

Zertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . . 158 Bernd Kiipp/i11gcr

Programme und Angebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 l\li/trud Gicsekc

\Ve1terb1ldungsorganisationcn . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 Knri11 Dol/Jia11sc11 & )oscf Scl1rnder

IV Begründungen, Funktionen und Kontexte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183

Lebenslauf und Biographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 Dieter Nittcl c.~ A11drcn Siewcrt

Teilhabe, Inklusion, PartLz1pation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Silke Sclircibcr-Barsclr

Bildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 • „ „ „ . • . „ „ „ „. „ . „ „. „ „ „ „.

Heide \ 'Oll Fe/dem

Kompetenz und Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . • . . . . . . . . . . . . . 20 7 Peter Kossack & Joachim Ludwig Sozialisation ••• „ • •••• •• •••••••• •• • „................. 215 Helmut Bremer . . . . . . . . . ... • .....

Kultur . . ..... . . . . ••• • •• •• • • „ • ••• • • • • c • „ ••• • ••••••••••••• „ • •• ' ••• • „ ••••

Erlrard Sc11/11tz 223

\V' 1ssen .. . . ...... • . . ••• • ••••• •• •• „ • - •• • •• •• • •• „ •• - ••••• „ • • • • • • • •••••

Sigrid No/da 231

Beruf f • „ •• • „ • „ ••••• • ••••• •••

Philipp Go11011 ••••.• •• ••• • • .••••• •• ' • • • · • · · · · . . . . . . . ' . . 238

Interkulturalität Halit Ozttirk & Ni~/: 'Kl~b:;,;,i; · · · · · · · · · ' · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · 244

V System und Reflexion . • . . . . . . . • . . . . • . . . . . • . • . . . . . . . • . . . • . . . . . . . . . . . . . 25 3

Steuerung . . . ...... . • . . M1c11nel Scl1emmmrn · · · · · · · · · · · • • · · · · · · · · · · · · · · · · · · · · • · · · · · · · · · · . . . . . 255

\.Vciterbildungspolitik .. .. . . . Peter Fa11ls1ic/1 6 Erik Haberutii · · · · · · · · • · · · · · · · · · · · · · • · · · · · • · · · · · · · · · · . . . . . 263

Internationalisierung .. .. . .. • Sabine Scl1111idt-Lnuff& Reoina. E · · · · · · · · · · · · · · · · · · • · · · · · • • · · · · · · · · · · . · . . · .. 272

o gete11111eyer Erwachsenenbildungsforschung und F h 01 rf D- .1. orsc ungsmethoden 280 a or11er <.:r B11rkliard Sclutf!er • • . • . .. .. ... ... . .. ..

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206 IV Begründungen, Funktionen und Kontexte

makr Kon1posita ausgehöhlt oder in1 Sinne ökono111ischer Verwertung gebrJucht.

\Vill man an1 Bildungsbegriff fosthaltcn, so seien die zwei Aspekte des Überschreitens der geseUschaf tlichen FunktionJlisierung und der t-.1eta-Refle:don z.citgenössischcn Denkens her­vorgehoben. Lernen und Bildung können nicht allein 1m Horizont der Funkt1onserfordemisse von Gesellschaften gesehen ,,·erden und ge­sellschaftliche Denk- und Lcbensforn1en mus­sen in die Reflexion von \Veit- und Selbstrefe­renz einbezogen werden. Peter Faulstich führt in diesen1 Zusammenhang aus, dass sich der „ \•\/iderspruch von Bildung und Herrschaft" im Sinne Hans-Jo:ichin1 Herdorns nicht aufgdost habe, sondern sich im lebenslangen Lernen eher verschärfe (Faulstteh 2002, S.17). Bildung hat solange ihren kritischen Gehnlt nicht ver­loren, solange sie in ihrer transfom1atorischen Funktion gesehen werde: „Bildung durfte dann allerdings nicht nur als Aneignung der \Vis­sensbestande, Interpretationen und Regeln der gegenwartig bestehenden kulturellen Le­bensform best1n1mt werden, sondern auch als die Fähigkeit, diese Lebensform, wenn sie sich selbst gefährdet, 1n ihren Strukturen und ihren herrschenden Regeln zu transform1erenu (Peu­kcrt 2000, 509). In diesem Sinn am Bildungs­begriff festzuhalten, bedeutet die zugrunde liegenden Denkprämissen einzubeziehen und beispiels,,dse die Verschärfungen sozialer La­gen durch neolibernle Strukturen im Rahmen der Erwachsenenbildung zu kritisieren.

Literatur

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Faulstich, P. (2002) Verteidigung von „Bildung~ gegen die Gebildeten unter ihren Ver3chtern. In- Sieben, H. (Hrsg.)· Literatur und Forschungsreport \\'eitcr­bildung Nr. 49, Juni 2002, Bielefeld, t S-25

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dungstheori~. \\'cmhc1m N111cl , D. & ~1Jrot1k1. \\'. 1 t99i) (Hrsg)· ßnufslauf­

bahn und biogr.1ph1schc Lernstrategien. Hohen· gehren

Pcukcn, H. (2000): llcflexioncn uba die .lukunfl von Bildung. In: Zc1t~chnft fur 1'Jdagog1k. Jg. 46, Heft 4. \\\:mhc1m und Uascl, 507-524

Pongratz, LA. ( 2003 ): Zc11gc1~t:.urfcr Bell r.1r,c zur Kri· tik der (rwJch!>cncnbildung \\1cinhe1m

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Ruhloff, J. (1996): Bildung 1111 problcm~11siercndcn Vcrnunftgcbr.1uch In. llorclh, .M. & Ruhloff. J. (Hrsg.): Deutsche Gcgcnw.irt;p.1dagogik. lfand 11. B.1ltmannswc:ikr, l ·18- 1 C.7

Strunk, G ( l 98S): Bildung 1w1\Chen QuJlifiziaung und Aulkl.irung. lfad Hcilhrunn/Obh

Tictgens, H. (1999 ): lie;cl11d11e der Erw.1Chsencnbil· dung. In: Tippelt, R (l lr\g.) Handbuch ErwJch· scnenb1klung/\\'e1tcrlnldung. 2. 1\utlagc. Opl:iJcn. 25-11

f1c;rgcns, H. ( 191!6): En' ~ch,c11cnh1ldung Jls Suchb<· wcgung lhd J kilbrunn/Ohh

Kompetenz und Qualifikation

Peter Kossack & Joachim Ludwig

1 Um was geht es?

In diesem ü berblick wird /.U zeigen versucht, dass die Begriffe Qualifikation und Kompe­tenz ahnlich konfiguriert sind, aber Fahig­kcitcn, Kenntnisse und Einstellungen unter­schiedlich einbinden und in unterschiedlichen Verhältnissen zun1 Bildungsbegriff stehen. „Kompetenz" wurde in1 crwachscncnpada­gogischcn Diskurs zun1 „Begriff des Jahres 2001" (Nuissl u.a. 2002, 5) erklärt. Dies ist wenig verwunderlich , da der Kompetenz­begriff Spannungsvcrhi1ltnisse urnfasst, die im Zcntrun1 crwachscnenpadagogischcr Dis­kurse liegen. „Das KonLept Kompetenz ver­spricht eine Verknupfung von wirtschaftli­chen und p.1d;igog1schen /\ laßstäben, von All tagslernen und institutionalisierter \Vci­terbildung. von Erfahrung5'vissen und wis­senschaftlichen1 \V1ssen, von Kennen und Kön­nen, \·on Bedarfen und ßedurfnisscn" (a.a.0.). Bildungspolitisch 1~t der KornpetenzbegritT enorm Jufgeladen. Selbst 1n der wissenschaft­lichen Litcralur wird Kornpetenz als „Schlüs­sel zur Zukunft" \'Crslanden (Erpcnbeck & \'. Rosenstiel 2003 ). Andererseits ist der pä­dagogische Ko1npctenzbegriff zugleich ein Omnibusbegriff, der f ur alles steht und we­nig erklart. Die Definitionen sind ganz unter­~ch~cdlich: Sie reichen von der Beschreibung 1nd1vidudler Disposi tionen (7" B. Sozialko111-petc:nz) bis hin zu ~itu•lliv crfolgrcichcn1 Han­deln .. Der Kornpctcn/.bcgriff ist deshalb nicht nur rnhaltlich -gcgenst;indlich 1ntercssnnt. Er 151 ~ugleich ein ßci ~pid ftlr die gcsdlschafts­P~htischc Formierung wissensch.1ftlicher Be­gr.1ffc, ~·toddle und ·1 h~onen. lrn Folgenden ''

1rd cm Einblick 1n den 1'on1pc1enzdiskurs ~egcbcn, der insbcsonder~ dns Verhaltnis von K~rnpctrnz und Qu:1ltlik:llion in den ßlick 111rnrnt.

?ie Red~ von Kompetenren steht m einem okonomischen und bildungspolitischen Kon­~ext. Ihre Vermittlung und Bilanzierung wird rn1 Rahmen europäischer und nationaler Bil­~ungsprogramme als Grundlage fur Innova­tion und wirtschaftliches Vv'achstum gefor­dert. Kompetenzen gelten in der sogenannten \\fissensgesellschaft als mdiv1duellc und gesell­schaftliche okonomische Ressource. Die ein­zelnen trlenschen sollen kompetent sein, um auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich zu sein und um politisch teilhaben zu können. Organisa­tionen und Unternehmen greifen auf Kon­zepte der Kompetenzerfassung zurück, ''enn sie Personal einstellen, und sie wollen Kom­petenzen in der betrieblichen \\feiterbildung ent\vickeln. Auf gesellschaftlicher Ebene gelten Kompetenzen als Grundlage für gesellschaft­lichen Fortschritt, okonom1sche Prosperitat und internationale Konkurrenzfähigkeit. Ein weiterer bedeutender Aspekt der Kompetenz­diskussion ist das Verhältnis von Kompecenz­bcdarf und Kompetenzentwicklung. Gefragt wird, welche Kompetenzen politisch. kultu­rell und ökonomisd1 erforderlich werden, ob und w1e sich diese ermitteln lassen und wie sie ent1 \lickelt werden können. Auch wenn Kom­petenzen häufig nach Sclbstkompctcn~, Sach­kompetenz und Sozial.kompctc.nz d~ffcren­ziert werden, gibt es kcmen breiten ~ons~ns über bestimmte Klassifizierungen. Dre ,Liste der Kon1petcnzen, die immer zugl~tch Koi_n­petenzanfordcrungen darstellen, rst schier

dl. L. '1ethodenkompetenz, Fachkorn-unen 1C11_; tY • - son~le Kompetenz. Nlcd1enkom-petenz. per " 1

etenz. pädagogische Kompetenz, tcchmsc te p . Sclbstlernkompctt"nz usw. Vor Kompetenz, . dem Hintergrund unierschiedhc~c:r Syste.'.11a-tisierungen isc es schwer, einen ~on.sens ubc~ Bedarfe zu erzielen und auch dre Frage nac

- Kompetcnzcntwicklungskonzep-gee:1gne1en d r • d . • K npctcnzbe ane wrr ten ftir bcstunmtc: or

d

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208 IV Begründungen, Funktionen und Kontexte

je nach zugrunde liegendem Kompetenzver-ständnis unterschiedlich beantwortet. .

\\leiterhin bezieht sich der Kompetenzdis­kurs in der Envachscnen- und \ \Teitcrbildung sowohl auf die Lernenden als auch auf die lehrenden. Auch für lehrende werden Kon1-petenzstandards definiert und Kon1petenzen erfasst.

2 Historische Dimension

Die Ven\'endung des Kompetenzbegriffs ist jüngeren Datums und Ausdruck einer Be­deutungsverschiebung sowohl 1nit Blick auf die Venvendung des Qualifikatjonsbcgriffs als auch des Bildungsbegriffs. Er soll zwischen einem zweckfrci gedachten Bildungsbegriff und einem funktionalen Quilifikationsbegriff vermitteln (Roth 1971 ). Im ~"1ittelpunkt dieser Auseinandersetzung steht das Spannungsver­hältnis der Aufklarungspädagogik zwischen .Wtenschenbildung auf der einen Seite, welche das Recht des ~1enschen auf sich selbst un1-fasst, und seiner Ausrichtung auf Brauchbar­keit und Gemeinnützigkeit bzw. in weiter ver­engter Form auf die Funktionalisierung des l\1enschen als Arbeitskraft auf der anderen Seite. Diese Spannung geht mindestens auf die Auseinandersetzung der Neuhumanisten rnit den Philanthropen im ausgehenden 18. Jahr­hundert zunick, verdankt sich aber einer noch älteren Difforcnz. In der griechischen Antike de~ 5. und 4. Jahrhunderts v. Chr. galt Arbeit als Zc1ch.en der Unfreiheit Freie ?\1anner arbeite· tcn nicht, sondern folgten dem ldo-.l d p . d . " d ... „ er „ a1-. e1a , er Selbs~bildung, als einer Lebensform, m der ?er (freie männliche) Mensch zu sich findet, mdem er sich zu Gesellschaft u d S

N · ' n taat zu atu.r und Tradition rehtionicrt. Schon i~ :r Antike haben wir es also mit cinern Kon­. ~t ~u tun, das Inklusion und Exklusion lc-

gn1m1ert bzw. reproduziert Zug] . h h . d z . · · e1c ersc eint as weckfre1e erstmals u" bc 1· c 1

t . r 1e1ert a s An-agomsmus zum Nütz)' h

baren . f ic en bzw. Verwert-au . Im ausgehenden 18. Jahrhundert,

also i111 Zuge der Aufkhirung und der Entste­hung eines neuen n1odernen Bildungssystems taucht diese Differenz wieder auf. Padagogisch war diese Bewegung zunächst geprägt durch die Philanthropen, die sich einerseits als Auf. klarer verstanden und andererseits auf Na. turn;ihc und die Einfachheit der Lebensver­hältnisse abzidtl'n. Über Erziehung sollte der Erwerbssinn und die Berufstüchtigkeit gestei­gert werden. Die Neuhu1nanistcn, zu denen u. a. \.\f. v. Hurnboldt zu zählen ist, st:tzten sKh von dieser Position ab. Hier stand die allge-111ein-1nenschlichc und allseitig harmonische Bildung in1 Vordergrund. Dieses Spannungs­verhaltnis wird in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. in1 Streit Z\\' ischen den Begrif­fen Bildung auf der einen Seite und Qualifi­kation auf der anderen Seite weiter fortgesetzt. \Vie diese Begriffe in der jungercn Geschichte gebraucht \\'Urden und sich ennvickelt haben, soll im Folgenden vorgestellt werden.

3 Theoretische Konzepte

Aus Sicht der Erliehungswissenschaft sind die Begriffe Kompetenz und Qualifikation theo· retische Modelle bzw. Konzepte. Theoretisch: Konzepte sind eine Art Filter, vergleichbar 111

11

eincn1 tvlikroskop urn \.Virklichkeit in den ) ' d Blick zu nehmen. Es n1acht einen Untersclue ' ob jcn1and auf die Fahigkeitcn eines Mensche'.1

mit der Brille „Kompetenz", der Brille „Quah· fikation" oder der Brille „Bildung" schaut. Nlit jeder Brille geraten andere Aspekte ~n de.~ Blick. l\1it Kornpctenz kann beispielsweise dit individuelle Handlungsweise irn sozialc'.1 Ko~-

. d . Q 1·c.1kat1on die text 1n cn Blick geraten, mit ua lll ' .. · [' ~t fur gesellschaftlich geforderte Funkt1ona 11

A b . . H.ld ' das Span· r ensprozcsse und n11t 1 ung • · . 1 . 1 M 15chhc 1· nungsverhältnis zwischen 1nc lr ei

. b k .t unter ke1t und ökonon1ischer Brauch ar ei d

F Jgen tll den1 Aspekt von l\1 undigkeit. Im 0 ff

d . ·1 1 Q l'.-.1k" tionsbcgn wer cn nun JCWe1 s c er ua 111 ... • fokus ge

u.~d der ~01~pct~nzbcgriff in _den. andcr. in ruckt ßc1de Jeweils 1n Bezug aufein

Kompetenz und Qualifikation

Bezug auf den Bildungsbegriff und ihren je konkreten gesellschaftlichen Kontext.

Qualifikationsbegriff

Der Qualifikationsbcgriff wird ab den 1960er Jahren als Gegenbegriff zur Bildung in Stel­lung gebracht Diese Bedeutung des Qualifi­kationsbegriffs steht einerseits irn Kontext der sogenJnntcn „realistischen Wende" in den pä­dagogischen \<\1issenschaften und der Bildungs­politik, also der Abwendung von den tradi­tionellen geisteswissenschaftlichen Positionen und Begriffen - der Bildungsbegriff war hier ein zentraler Leitbegriff - sowie der Hinwen­dung zu einer Okonon1isicrung des Bildungs­systems. Andererseits steht die Etablierung des Qualifikationsbcgriffs auch im Kontext sich verändernder gesellschaftlicher Verhältnisse. Schon Ende der l 950er Jahre steht die west­liche \Veit unter dem Eindruck des Sputnik­Schocks (1957) und dan1it verbunden vor der Frage, ob das Bildungssystem modernen An­sprüchen genügt, u111 im \Vcttbewerb der Sys­teme bestehen :z.u können. 1 n den späten 1960er Jahren erlebt die noch junge Bundesrepub­lik ihre erste \Virtschaftskrise. In dieser gcsell­schafilichen Gernengelage wird die Frage nach der Produktivität des Bildungssystems und dessen Zusan1n1enhang 111it dem ßcschäfti­gungssysk111 neu diskutiert und n1it dem Qua­lifikationsbegriff bildungspolitisch beantwor­tet. Der Qualifikationsbcgriff wird 1974 von ßaeihge „als Arbcitsvern1ögcn, als die Gcsarnt­hcit der je subjektiv-individuellen Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten, die es den1 ein­zelnen erlauben, eine bcstin1mte Arbeitsfunk­tion ~u crfullcn„ .", definiert ( ßacthgc 1974, 479). Das Ziel padagogischer Anstrengun­gen wird 1nit dcrn Qualifikationsbcgriff von der gesellschaftlichen Arbeitsfunktion her de­finiert. Ebenfalls 1974 definiert der Deutsche Bildung · · 1 K 111 srat 111 Unterscheit ung zum o -~etenzbcgriff: ,„ ". Kon1petcnzen bezeichnen en Lernerfolg i1n Hinblick auf den lernen­

den selbst und seine ßcfohigung zu selbstvcr-antwortl ' J · • b 111· · 1c len1 Handeln 1111 privaten, eru

209

chcn ~tnd. gesellschaftlich-politischen Bereich. 1111 Hmbhc~ auf die Venvertbarkeit im priva­ten Leben, im Beruf, in der Gesellschaft ist der Lernerfolg eine Qualifikation" (Deutscher Bil­d~ngsrat 1?74,65). Der Kompetenzbegriff be­zeichnet hier also die Fahigkeit einer Person in verschiedenen vergleichbaren Situatione~ auf eine vVeise zu agieren, mit der diese Situ­ationen angemessen gelöst werden können. Der Qualifikationsbegriff, zumindest in der Fassung des Deutschen Bildungsrats, ist dem Kompetenzbegriff sehr nahe, aber ausdruck­Jich auf gesellschaftliche Venvertungssituatio­nen (z.B. Zertifikate) bezogen. Es deutet sich hier an, dass die zunehmende Prominenz des Kompetenzbegriffs mit einem zunehmenden Interesse am produktiven Subjekt einhergeht. In1 Kontext sich verändernder Produktionsbe­dingungen und der mit diesen einhergehen­den Veränderungen im Hinblick auf die An­forderungen an die Arbeitskräfte wandelt sich im Verlauf der 1970er Jahre der Qualifikations­begriff. D. h„ er wird nach und nach erweiti:rt und umfasst Ende der 1970er Jahre jede Form der Identitats- und Realitätsarbeit. Er nähert sich den1 Kompetenzbegriff am stärksten in Forn1 der Schlüsselqualifikationen, kann sich aber zugleich nicht seines utilitaristischen B~­deutungshofs und damit seines negativen Be1-oeschmacks entheben. Dafür scheint der Kom­o pctenzbegriff geeigneter,

Kompetenzbegriff

U eh 'ed zum Qualifikat1onsbcgriff, Im nters 1 d die gesellschaf dichen Anfordcrun?en an

er f; beschreibt der Arbdt(shandJungen) um asst, „ . D' k-Kom ctenzbegriff 'vVisse~sbe~tande, . en -

. p Fälugkcitcn. Fertigkeiten sowie Be weisen, ' · bes11·rnm-. d Menschen, um 111 re1tschaften ~s . , erfolgreich handeln ten sozialen S1tuat1oncn b·· ·rr betrnch­

Der Kompetenz tgn zu können. Pos11ion des handeln-tet Handlungen aus derE beschreibt das Zu-

rv1 sehen heraus. ·r . den ! en . von Fähigkeiten, Fertigke1tc_n, sammensp1el . 1 ft , die ein b-tensch für \Nissen und ßere1ts~l ia ~:~ringt bzw. mitbrin­crfolgreichcs Hande n m1

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210 IV Begründungen, Funktionen und Kontexte

gen solL Der Qualifikationsbegriff bele~cht~t die gegenliiufige Perspektive: Er beschreibt die gesellschaftlichen Anforderungen für das Han­deln in bestimn1ten Situationen, die ~tenschen erfüllen sollen. Beide Begriffe beziehen sich so gesehen auf das Handeln in Situationen - al­lerdings aus unterschiedlichen Perspektiven. Zentrale ~1erkmak des Kon1petenzbegriffs sind somit die Bindung an das handelnde Sub­jekt und die Bezogenheit auf Situationen.

Ein drittes ~1erkmal ist das Spannungsver­hältnis zwischen Kon1petenz als subjektiven1 (Denk)Vern1ogen zur Entwicklung von Steu­erungs- und Gestaltungsprozessen einerseits und den konkreten Situationsanforderun­gen andererseits: Kompetenz bezeichnet seit Cho1nsky das subjektive Vern1ögen, (Sprach) Handlungen kreativ gestaltend zu entwerfen, d. h. Anforderungen der sozialen Situation nicht nur zu bewältigen, sondern sie in der Interaktion mit anderen Nlenschen kreativ zu gestalten und zu 'eriindern - ein Gedanke den bereits Humboldt entwickelt hat {vgl. Vonkcn 2005, 20). Kompetenz umfasst einen Uber­schuss an Handlungsfahigkcit gegenüber der konkreten Handlungsanforderung. In diesem kreativen und Innovation versprechenden As­pekt des Kon1petenzbegriffs wird sein beson­derer Ertrag gegenuber dem relativ starren Qualifikationsbegnff gesehen. Der Begriff ver­weist damit auf kreative und innovative Poten­tiale i1n Handeln, die fur sogenannte \Vissens­und Lerngesellschaften als besonders relevant bewertet werden.

Diese Spielrnume, die weit über die Situa­t~onsbewaltigung hinausgehen können, lassen sich gegenüber den gesellschaftlichen Anfor­d~run~en .affirmativ oder kritisch ausgestalten_ Ein Be1sp1el fur affirmative Kompetenz ist der ber~flic~c Leistungsträger, der die bestehende be.tnebhche Praxis fortführt und kreativ opti­miert. .J\tenschen, welche die fraglosen gesell­schaftlichen Praxen kritisch hinterfragen und verandem möchten, sind Beispiele fur kriti­sche Kompetenz. In den pädagogischen Kom­petenzkon~.pten spiegeln sich diese affirmati­ven und kr1t1schen Varianten wieder. Kritische Ko1npetcnzkonzepte set1.cn Kompetenz in

Beziehung zun1 U1ldungsbcgriff und verste­hen Kon1petenz als Grundlage fur Selbstbe­stimnn1ng unJ tvlundigkc1t {Roth 1971, 180). Heinrich Roth unterscheidet Sdbstkompe­tenz, Sachkon1pctenz und Sozialko1npetcnz. Eine Unterschc1c.lung, die 1n vielfachen Varia­tionen bis heute ßestand hat und darauf ver­weist, dass Ko1npctcnz nicht nur\ Visscn, son­dern auch Persönlichkeit und ihr Verhjltnis zur sozialen \Vdt urnfasst. In den l 970er und l 980cr Jahren wurde von Dieter Baackc ( 1973) und Erhard Schlutz ( 1984) 1nit Bezug auf Jür­gen Haben11as komn1unikativcs Handeln bzw. Verständigung als eine Kon1petenz diskutiert, die es gesti.lttet, die Fraglosigkcit gesellschaft­licher Praxis durch kon1n1unikative Kompe­tenz kritisch zu rdlcktic:rcn. ivl it Kompetenz wird hier nicht nur S1tuationsbewi1ltigung, sondern auch kritische Situationsveränderung in1 Sinne des Bildungsbegriffs beschrieben -ganz im Sinne des aufklärerischen Gedankens, Unmtindigkeit zu ubcn\'inden. Individuelle Handlungsfähigkeit so,,ic gesell~chaftliche

Partizipations- und Gestaltungsfähigkeit sind bis heute zentrale tvterkmale kritischer Kom­petenzbegriffe, die sich gegen eine Reduktion ntenschlichen Handelns auf Situat1onsbc­wältigung und gegen die Reduktion auf ge­sellschaftlich en,•unscbte Leistungsfahigkeit entlang vordefinierter Normen sperren. Korn· petenzen sind in kritischer Perspektive Voraus­setzung und Ergebnis von Bildungsprozessen als Selbst- und \Vcltvcrstandigungsprozcsse, die Kompetenz schaffen. Kon1pctenzentwick­lung lasst sich in1 Kontext des Bildungsgedan­kens als ein Reflexionsprozess in alltaglichcn Selbstverständigungsver!)uchcn zwischen dem Subjekt und seiner ~ozialen Un1welt verste­hen, der auf erweiterte gesellschaftliche Hand· lungsfahigkeit zielt

In den l 990er Jahren t retcn im Kontext ver­schiedener gesellschaftlicher Veränderungs­prozesse Sclbstorgantsationskonzcpte in den Vordergrund des Kompeten1d1skurses. Korn· petenz als Selbstorgan1~ationsfahigkei t ist aus dic-ser Perspektive ein Konzept, das nicht nur Fähigkeiten eines Menschen ;;:ur Sclbstorga· nisation bezeichnet, sondern ,1uch ihre Ent·

Kompetenz und Qualifikation 21 1

wicklung in sclbstorganisierter Weise - insbe­sondere in informellen Kontexten - erworben sieht. Diese Denkfigur ist flir die beruflich-be­triebliche Bildung atlraktiv, weil sie den Her­ausfordcn1ngen 111odcrner Arbei ts- und Pro­duktionskonzepte zu entsprechen scheint, die mit Sub1cktivierung der Arbeit, Sclbstorgani­satwn und Selbstver.11ttwortung der Bcschaf­tigten fur Produktionsablaufe charakteri­siert werden. Kon1pctcnte Menschen gelangen demnach auch in unklaren Situation zu erfolg­retehen Handlungsentscheidungen. ,Lernen im Prozess der Arbeit' wird dan1it zu eine1n l\ompctenzentwicklungsprogra1nm, in des­sen Rahmen selbstorganisiert lernende ße­sclüftigte ihre Kon1petcnzcntwicklung fur die Verbesserung der ArbciL~prozesse selbst in die Hand nehn1cn sollen. Die Selbstorganisations­konzepte betonen da~ Selbst und die Inner­lichkeit des Menschen so stark, dass die Anf or­derungcn der sozialen Situation und die mit ihnen verbundenen lbctricblichen) Interessen in Vergessenheit LU geraten drohen.

\Veit entfernt von1 kritischen \ Vdtverhalt­nis stellt sich das 1'.0111pctenzkonzept der Päd­agogischen Psychologie dar. Klien1e bezeichnet Kompetenzen als „kontextspezifische Leis­tungsdispos1t1oncn" ( Klicn1i:/Hartig 2007, 14). Der „Kon1pctenzturn" 1n der Psychologie von der Lcistungs1ne-.~ung zur Kon1petcnzmes­sung ist eng n1it den Forderungen der OECD nach mehr Nutzen- und Problc1nlöseoricntie­rung verbunden. Ll·1:.tung.s1ncssung soll auch aus Sicht der Bildungspolitik stiirkcr als bisher anwcndungs- und problc1norienticrt crfolgcn. Die Effizienz. und EffektiviWt vergleichenden ~0111pctcnz1ncssungcn 1n1 Rah111en von PISA smd pron1incntl'r Au:.druck d1cscs Kon1pc­tenzvcrstandnbscs. Franz \Vcincrt ( \Vcinert 2002, 27f.) definiert in d1escn1 Kontext Kom­petenz. als kognitl\'l' F:1higkcit und Fertigkeit sowie soziale Bcrc1t:.ch:ift, un1 Probleme in llnterschiedhchcn Situationen erfolgreich und verantwortlich 1u lösen. Diese Kon1peten1defi­n1tion wird heute 111 den Kon1pctcnzdiskursen Weitgehend ge tl'ilt. Sie gilt als eine Konsensfor­mcl. Psychologische Kompctenzkonzcpte wer­den auch in crw.1chsenenpadagogischen For-

schungen venvcndeL Beispielsweise wird die Lese- und Schreibkompetenz funktionaler An­alphabeten mit standardisierten Testverfahren gem~sen und in drei bzw. vier Kompetenzle­vels eingeteilt (vgl. Grotli.Jschen & Riekmann 2012).

Auffallig ist, dass im Rahmen des päda­gogisch-psychologischen Kompetenzkonzepts keine Bezuge zum professionstheoretischen Diskurs hergestellt werden. Dort wird z.B. in Anlehnung an Oevermann und Ttctgens professionelle Kompetenz als Transforma­tionskompctenz, d.h. als Verschrankung all­gemeinen \Vlssens mit den Besonderheiten konkreter Situationen verstanden (Ludwig 2011 ). Kompetente Professionelle transfor­mieren und übersetzen allgemeines (Theorie) vVissen zur Erklärung der konkreten Situation und für die Entwicklung von Handlun~op­tionen. Kritiker des \Veinert'schen Konzepts wenden ein, dass dort e111 reduzierter \Vissens­begriff zugrunde liegt, der nicht - wie im pro­fessionstheorettSchen Diskurs- \Vissen als Re­tlexionsfolie für Pram begreift, sondern als unmittelbar anzuwendendes Handlungswis­sen. Der Grund fur die Parallelität der beiden Dislairse ware dann in unterschiedlichen \\'is­sensbegriffen zu sehen.

4 Empirische Befunde

Die Aufgabe, Kompetenzen cmpiris~~ zu untersuchen, stellt sich sowohl in der \<\ is.~e~ -

- 1 h . der pädagogisclwn Praxis. schalt a s auc m . . , . S. ht der \Vissenschaft wird eme cmp1-

Aus 1c . . d Kompe-. 1 begründete Theoncb1I ung zu .

nsc l ·bt um die verschiedenen tenzen angestn: ' , Kompetenzkonzepte im Rahm~n der KD~mpe:

über rüfen zu konnen. ic cm tcnzforschung . pi ge gilt allgcmctn als gc-. · eh Erkenntnis a

p1ns ~ „ ische Praxis ist vor allem an ring. Die p~dagog , m . ctcnzcrfossungsmög­praxistaughchen Ko PB ProfilPass). Grund· lichkeiten tnteress1crt (d~· . ostik sind unter-

d Kompetenz 1agn · . Jage er d Fähigkcitsnweaus. schiedliche Leistungs- un

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212 IV Begründungen, Funktionen und Kontexte

Die Einschätzung und t-. lessung dieser ! iveaus " 'ird sowohl zur Kompetenzentwicklung als auch zur Selcl.-tion eingesetzt. Sowohl i1n Be­reich der Kompetenzforschung als auch der Kon1petenzerfussung existieren unterschied­liche Mt:thodcn und Verfahn:n (Selbst- und Fren1deinschätzung), die von den jeweils zu­grunde gelegten Kon1pctenzkonzepten abh:tn­

gen. In der Kon1petenzforschung werden für

psychologische Kompeten1,konzcpte fast aus­schließlich messmethodisch fundierte Instru­mente genutzt, z. B" im Kontext von PISA oder der Erhebung der Leseschreibleistung 11n Kon­text der Alphabetisierungsforschung ( Grotli.J­schen & Rick.mann 2012). Die größte inter­national vergleichende Untersuchung der Kompetenzniveaus Erwachsener stellt die Yon der OECD in Auftrag gegebene PIAAC-Studie dar (in Deutschland 5000 Personen z\\·ischen 16 und 65 Jahren) . Der Ertrag dieser kognitiv orientierten Instrumente wird un1so geringer, Je breiter das Kompetenzkonzept cnn,•orf en wird, z.B. wenn neben kognitiven Kompeten­zen auch soziale und en1otionale Aspekte der Kon1petenz einbezogen werden sollen. In päd­agogischen Kontexten \\Tl!d Ko1npetenz über­wiegend mit Handlungsbegnindungen und Deutungsmustern konzipiert So fokussiert die Profcssionalisierungsforschung \'Or allem die Reflexivität von Handlungsbegründun­gen als professionelle Kon1petenz in padago­gischen Situationen. Ftir die Untersuchung re­flexiver Bezüge auf Handlungsbegründungen eignen sich weniger quantitative Messverfah­ren als viehnehr qualitativ-sinnrekonstruk­tive Verfahren (vgL z.B. in der Professionali­sierungsforschung Ludwig & Schmidt-\"lenzcl 2014 ).

Für die pädagogische Praxis werden einer­seits von der Wissenschaft Instrumente für die Kompetenzerfassung konzipiert. Sie nutzen überwiegend Selbstauskunft, Selbsteinschät­zung und Fremdeinschätzungen bzw. Kombi­nationen davon (vgl. Kaufuold 2006). Ande­rerseits werden Assessments durchgeführt, in denen tiber Handlungsweisen der Getesteten auf deren Kompetenz geschlossen wird. Pro-

blen1atisch bleibt dabei, dass diejenigen vor­handenen Ko111petenzcn nicht erfasst werden, d1c in der Testsituation nicht erforderlich sind bzw. \'Oll der Testperson als nicht errorderlich betrachtet werden . Offen bleibt auch, ob der Kon1pctenLnachwc1s dauerhaft Bestand hat oder nur punktuell erfolgt (z.. B. eingeschränkt durch Prufungsa ngst ). Die Erhebu ng entlang \'On Zeitreihen w;1rc ,n1ssagckraftiger, ven,1c1st aber zugleich auf die Problcn1atik punktueller Kompetenzerfassung.

5 Internationale Bedeutung

Die Kon1petenzkonjunktur ist nicht allein ein deutsches, sondern vicln1ehr ein internatio­nales Phanomen. Ein grundlegender Unter­schied in1 Gebrauch und in der Diskussion des Kon1pctenzbcgriffs liegt in der Spezifik des deutschsprachigen Diskurses begründet In dic.sen1 werden der Qualifikations- und Kon1-pctenzbegnff in einem engen und zugleich problematischen Verhaltnis zum Bildungsbe­gnff verhandelt (s. o.), während die interna­tionale Debatte, 1n1 Besonderen in der anglo­amerikanischen \Veit den Kompetenzbegnff pragn1atischer gebraucht. Hier findet sich dann auch \\'ieder ein Anschluss an die natio­nale wie auch europäische bildungspolitische Diskussion, die den Kompetenzbegriff nicht proble1natis1ert. In EU-Initiativen und Politik­doku1nenten ist das lebenslange Lernen vor al­lein an einen Kompetenzbegriff geknüpft . der auf die Erhöhung der Beschäftigungschancen abzielt ,

Im internationalen Kontext werden die ße· griffe Qualifikation und Kompetenz ebenfalls gebraucht. ln1 franzusisch-sprachigcn Kontext lassen sich unterschiedliche Gebrauchsweisen iin Hinblick auf den Qualifikations- und den Kompetenzbegriff unterscheiden. Qualifika­tion kann sich auf das a) Handeln, b) Können und c) Wissen beziehen. In der englischspra· ehigen Diskussion wird eine Reihe von Be· griffen gebraucht, die jeweils unterschiedliche

Kompetenz und Qualifikation

Rl!ichwcitcn haben. Zu diesen Begriffen geho­rcn „co1npetence", „competency", „skill" und „abilit}'"· Unter „con1 petc11cc" wird einerseits das Nive.1u von Fertigkeiten (skill), \Vissen (knowlcdge) und Einstellungen (attitude) ver­srnndcn. d ic notwendig 1.ind, lllll ci ne Arbeit ef­fizient zu erledigen .. Andererseits n1cint „con1-petcncc" die Fiihigkeit (ab1hty), professionell 1u handeln. „Co1npctcncy" wiederun1 bezeich­net die Fähigkeit (ability) oder Leistung (capa­b1lit)'), die notwendig ist, um eine bestimmte HJndlung zu realisieren bzw. bestim111tcs Ver­halten zu zeigen. Neben der Diskussion dieser Konzepte in der internationalen Fachliteratur werden sie vor allem von internationalen bil­dungspolitisch interessierten Akteuren pro­minent 111 den Vordergrund gerückt. Zu die­sen Akteuren zahlen die EU, die beispielsweise mit dem EQR (bzw. dem EQF, European Qua­lification Framework) den europa1schen Re­ferenzrahmen fur die jeweiligen nationalen Quahfika11onsrahmcn cnt\vickclt hat , und die OECD. In der hat die „DEELSA" (das Direk­torat fUr Bildung, ßesch;iftigung, Arbeit und Soziales) ein Konzept entwickelt, das cbenfalb emcn Refcrenzr,1hn1en ,·orstellt, 1nit den1 die Definition und lVlessung von Schlusselko111-pctcnzcn moglich werden soll (vgl. DEELSN OECD 2002, 6).

6 Aktuelle Problemlagen und Ausblick auf die Zukunft

Aus der Perspektive einer crw:1d1scnenp<i­dagogischcn f.orschung gilt es, den Gegen­~land Kompctcn1 1nithilfe einer cn1pirischen ~~mpeknzror~chung, die grundlagcn- und ildungstheon:tisch orientiert ist, zu unter­

suchen. Zu klaren wäre das Vcrhaltnis von Schltissclko1npctenzen und situationsbe7.o­s;ncn Ko1npctcn7.cn, insbesondere weil der Kornpctenzbegnff situationsbczogen definiert ;v1rd . Schließlich gilt es, Kon1pctl•nzcntw1Ck­ung lll ihrer Proicsshaftigke1t zu untersuchen,

213

um daran anknü r d K . picn ompetenzentwick-lung d1dakt1sch zu rahmen.

. Dieser Überblick sollte 7.eigen, dass die Be­griffe Qualifikation und Kompetenz ahnlich k~nfiguriert sind, aber Fähigkeiten, Kennt­nisse und Einstellungen unterschiedlich fassen. \·Va~ren_d mit dem Qualifikationsbcgriff diese Fah1gke1ten etc. von der Arbeitsfunktion her bestimmt werden, sind diese mit dem Kompe­tenzbegriff vom Indi,·iduum her gerahmt. Der ?esondere Ertrag des Kompetenzbegriffs liegt 1m Überschuss an Handlungsfähigkeit, der In­novation und nicht nur Situationsbewaltagung verspricht. Diese Innovation kann affirmativ oder kritisch orientiert sein. Mit der begriff­lichen Urnstdlung auf „Kompetenz" geht eine Responsibilis1erung- und Flexibilisicrungs· zurnutung an die Indi"iduen einher. D. h. sie werden selbst fü r ihre Kompetenzen bzw. deren Enn,'lcklungsmveau verantwortlich gemacht. Durch die Etablierung\ on Kompetenzniveaus, wie sie mit dem Deutschen Qualifikationsrah­n1en entwickelt wurden, wird zugleich sic.htbnr, wie der Kompetenzbegriff soziale Unterschiede legitimieren kann.

\Vie lange entspricht der Kompetenzbegriff noch den gesellschafilichcn Anforderungen nach Flexibilität, Innovation und individu­eller Verant\,·ortung? Das lässt sich nicht mit Sicherheit vorhersagen. Die \'Orhergehcnde Darstellung soll aber gezeigt haben, _dass diese ßenritTc: in der Regel nicht einfach em vorher­gehendes Problem auflösen oder_ ein _Phano­men genauer fassen. Es handelt sich v1~lmchr um diskursiv·e Akte, mit denen best1mm~e Positionen vertreten werden, bestimmte Posi­tionen andl!ren ,·orgezogen werd:n usw. G~­rade auch weil es sich hier um bild~mgspoh­tisch gebrauchte Begriffe handelt, ist ~eren

1 . eh D"1ncnsion nicht zu unterschatzen.

Po 1t1s e 1 , _

eh . - als ob der Komp1:-Gegenwart1g s cmt e~. ' . ..

b 'ff di , nachste Zukunft weiter pragen

tenz egn t: d d · htb:ir in dem . d. N"cht zuletzt wir as s1c

wir 1 . h d den da-\~ , h n1it dem europaisc en un . .

en,uc • · 1 1 Quah-. ' 1 'ingenden nauona er mit ~usamhmc:~ \,die klassischen zertifizierten fikat1onsra mcn . . , enzmatrix zu Qualifikationen in eine Kompet

ubcrsetzcn.

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214 IV Begründungen, Funktionen und Kontexte

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Sozialisation

Helmut Bremer

1 Sozialisation - um was geht es?

Sozialtsatton als einer der erz1ehungswisscn­schafthchen Grundbegriffe thematisiert ganz allgemein den Prozess der Vcrgcscllschaftung, d.h. das Verh~iltnis von Individuum und Gesellschaft bzw. der Entwicklung \'On Persön­lichkeit und Identität im Kontl!xt gcsdlschaft­hcher Bedingungen. Für die Erwachsenen­bildung liegt die Relevanz von Sozialisation darin, dass dan1it einerseits auf die intendier­ten und nicht intendierten Erziehungs-, Lcrn­und Bildungsprozesse ven,riesen wird, an die (instirut1onclle) Bildung anknupft. Anderer­seits wird auch ein reflexiver Blick auf die ge­sellschaftliche Funktion von En\l'achsenen­bildung ern1öglicht. \\lahrend es auf einer wisscnsch;iftlich-analytischen Ebene um das grunds;itzlichc Verstehen von b1ogr.1phischen ProLcssen und sozialen L;iulbahnen geht, kann man f ur die prakttschc Ebene sagen, dass Kon­zepte wie Teilnehn1er-. Lebenswelt - oder All­tagsorientierung „ohne sozialts.1tionstheore­tischc Fundierung kau1n tats;1chlich grdfen" können (\.V1ttpoth 1994, 2).

Trotz dieser un1nittdbarcn Rclev.111z fuhrt das Konzept „Sozialisation" in der Erwach­senenbildung eher ein Sch.1 ttcnd:1sei11. Das hat zum Teil dan11t zu tun, d:1ss in den ein­schhig1gcn Ans:it1en So1.i;1lisation lange Zeit als e111 Prozess betrachtl't wurde, der n1i t der Kindheit und Adoleszenz 1nchr oder weniger abgeschlossen ist. Das haufige Verständnis, Sozialisation sei der Proze~s. in dessen Verlauf sich Menschen zu cinl'r „sozi;il handlungs­fähigen Persönlichkeit" entwickeln (Hurrel­mann 1990, 14), legt nahe, dass n1it dem Er· wachscncnscin der Soz1alisationsprozess irn Grunde abgeschlossen ii.t - drückt doch „Handlungsf.ihigkeit" mehr oder n11ndcr den

E~vachsenenstatus aus. Verbreitet war also die Annahme, dass die Individuen in Kind­heil und Jugend eine Art Grundausstat­tung erhalten, mit der sie als fertige Er­wachsene in der Gesellschaft agieren. Die Vorstellung, dass Sozialisation als lebenslanger und damit für Enn1chscncnbildung bedcul­samer Prozess zu verstehen ist, setzte sich erst langsam durch.

Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist, dass in der En,rachsenenbildung verbreitet eine Affimtät fur emphatische Subjektvor­stellungen vorhanden ist, die dazu führt, die biographischen Konstruktionsleistungen der Subjekte bei der Entwicklung Yon Per.sönhch­keit und Identität hen·orzuheben und die so­zialen Rahmungen und Vorstrukturierungen, auf die Sozialisationskonzepte immer vcn1•ei­scn, zu vcrnachlassigen.

Aktuell begri.mdct werden können Soziah· sationserfordcrnisse im Erwachsenen:ilter da­mit, dass ausgehend \On gesellschaftlichen, okonomischcn und technischen Entwick­lungen Lebenslanges Lernen als ~otwendig propagiert und zugleich ein Erodieren der En,'erbsarbeitsmuster und der sog.. Normal­biographien konstatiert wird. Die Akteure n1üsscn sich demnach - hier wird oft auf Bc_cks Individuahsierungstheorem ( 1986) r~kurncrt - i11sgcsamt auf Diskontinuitäten ~mste~len und damil umgehen. Im Ergebnis sind diese Entwicklungen mit arbeitsweltb~ogenem Da­zulernen wie auch mit biogr.1p~1~ch~n ,Ncu-· ustierungen' \'erbunden; Identltat JSI ~em­~ach dann immer wieder neu herzust~llen

• 1999 161T. ). Solche ObergJngc (Keupp u.a. • . . zwischen verschiedenen sozialen Pos1tion~n , die gesellschaftlich und subj~ktiv be\b1'lilttg~

d müssen und die sich innerbal un wer en . II E "3Chsene.n-. tßerh·tlb ''On instituuone er n . 1 S at ' . k' lassen sich a s o· bildung abspielen ·onnen, zialisat ionsprozcsse fussen.

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