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Erhard Brepohl Theorie und Praxis des Goldschmieds · 2015-01-23 · 2. Beispiel: Wie viel Lot...

Date post: 06-Jul-2020
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Erhard Brepohl Theorie und Praxis des Goldschmieds ISBN-10: 3-446-41050-3 ISBN-13: 978-3-446-41050-3 Leseprobe Weitere Informationen oder Bestellungen unter http://www.hanser.de/978-3-446-41050-3 sowie im Buchhandel.
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Page 1: Erhard Brepohl Theorie und Praxis des Goldschmieds · 2015-01-23 · 2. Beispiel: Wie viel Lot entsprechen der Legierung Ag 875? 1000 : 875 ¼ 16 : x x ¼ 875 16 1000 ¼ 14 Lot Silber

Erhard Brepohl

Theorie und Praxis desGoldschmieds

ISBN-10: 3-446-41050-3ISBN-13: 978-3-446-41050-3

Leseprobe

Weitere Informationen oder Bestellungen unterhttp://www.hanser.de/978-3-446-41050-3

sowie im Buchhandel.

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Praktische Goldlegierungen

�hnlich wie bei den Silber-Kupfer-Legierungen habensich auch bevorzugte Goldfeingehalte herausgebildet.Mit dem Stempelgesetz von 1884 wurde festgelegt,dass der Goldgehalt nicht mehr nach »Karat«, son-dern nach Tausendteilen angegeben werden muss.In Abh�ngigkeit von den Anteilen der Zusatzmetalleergeben sich bei gleichem Goldgehalt die unter-schiedlichen Farben der Legierungen. Einen erstenVersuch zur Objektivierung und Normung der Farb-bezeichnungen von Goldlegierungen stellt die DINEN 28654 dar.

Au-333-Legierung

Schmelzdiagramm. Es ergibt sich als Vertikalschnittdes Dreistoffsystems (Bild 1.44). Links stehen die sil-berreichen Blassgoldlegierungen, und je weiter mannach rechts kommt, um so gr�ßer wird der Kupfer-anteil, bis bei 667 Tausendteilen Cu das Rotgold mitreinem Kupferzusatz steht.Der eutektische Bereich liegt zwischen 120 und 550Tausendteilen Cu. Bei 250 Tausendteilen Cu werdengleichzeitig a- und b-Mischkristalle aus der Schmel-ze ausgeschieden, es entsteht das feink�rnige, eutek-tische Gef�ge. Zwischen 120 und 250 TausendteilenCu werden aus der Schmelze zuerst a-Mischkristalleund zwischen 250 und 550 Tausendteilen zuerst b-Mischkristalle gebildet; die Restschmelze erstarrt inbeiden F�llen dann eutektisch.Außerhalb des eutektischen Bereichs entsteht ausder Schmelze ein homogenes Gef�ge, links aus sil-berreichen a-Mischkristallen, rechts aus kupferrei-chen b-Mischkristallen (Bilder 1.45 und 1.46). Wenndie Abk�hlungstemperatur den Entmischungsbereicherreicht, vermindert sich die Aufnahmebereitschaft,sie tendieren zu Zweistoff-Mischkristallen, aus dena-Mischkristallen werden die Kupferteile und ausden b-Mischkristallen die Silberteile ausgeschieden.Da diese Diffusionsvorg�nge eine gewisse Zeit brau-chen und mit sinkender Temperatur immer lang-samer ablaufen, wird bei der in der Praxis �blichenrelativ raschen Abk�hlung ein Mischkristall-Zustandeingefroren.

Eigenschaften. Mit der Feingehaltsangabe ist das Mas-severh�ltnis von 1=3 Gold und 2=3 Zusatz beschrieben.Das tats�chliche Mengenverh�ltnis ergibt sich abererst aus dem Verh�ltnis der beteiligten Atome.Wegender wesentlich geringeren Atommasse der Zusatz-metalle ist ihr Anteil so groß, dass 2 Goldatome vonjeweils 9 Atomen der Zusatzmetalle (Ag, Cu) umge-ben sind!

�blicherweise werden die Legierungen nach ihremHauptbestandteil bezeichnet (Kupferlegierungen, Alu-miniumlegierungen), dann w�ren die Au-333-Legie-rungen lediglich »goldhaltige Silber- bzw. Kupfer-legierungen«. Vielmehr soll mit der Benennung dieN�he zum Gold suggeriert werden, die tats�chlichgar nicht vorhanden ist:

Bild 1.44Dreistoffsystem Au-Ag-Cu. Vertikalschnitt Au 333.a) Zustandsdiagramm, b) mechanische Eigenschaften

1 Metallische Werkstoffe

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• Die Farbe unterscheidet sich auch bei guter Politurdeutlich von der des Goldes.

• An der Luft sind besonders die kupferhaltigen Rot-goldlegierungen ziemlich unbest�ndig und laufenleicht an.

• In Salpeters�ure sind alle Au-333-Legierungen leichtl�slich.

• In der Praxis werden die mittelfarbigen Legierun-gen bevorzugt, wegen hoher H�rte und Festigkeitbei geringer Dehnung wird die Bearbeitung abersehr erschwert.

• Da die bevorzugten Legierungen im eutektischenBereich liegen, »schmoren« sie bereits bei etwa780 �C, wenn das eutektische Gef�ge zerf�llt, esm�ssen also Lote mit entsprechend niedriger Ar-beitstemperatur verwendet werden, trotzdem istdas L�ten schwierig.

Durch erg�nzende Zus�tze von Nickel und Zink kannman die mechanischen Eigenschaften so weit beein-flussen, dass sich die Dehnung verdoppelt und die

Bild 1.45Legierung Au 333. Eutektisches Gef�ge. a) Rekristallisations-gef�ge nach Umformung und Gl�hen. V ¼ 630, b) Ent-mischung der a- und b-Mischkristalle durch anschließendesTempern. V ¼ 1600

Bild 1.46Legierung Au 333. Untereutektisch (b-Mischkristalle grauge�tzt). V ¼ 1600. a) Gussgef�ge, b) gewalzt und bei 700 �Cgegl�ht, Rekristallisationsgef�ge, c) nach dem Gl�hen getem-pert (4 h bei 400 �C). Ausscheidungsvorg�nge in den Misch-kristallen

1 Metallische Werkstoffe

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Nach dem Brand sind die Metallpartikel zu einemmassiven Werkst�ck zusammengesintert, das mandann auf �bliche Weise feilen, bohren, s�gen, schmir-geln und polieren kann. Es handelt sich also um eineganz neue Methode der Schmuckgestaltung, die esbisher so noch nicht gab (Bild 1.58)

1.6.6 Legierungsrechnen

Umrechnung von Karat und Lot in Tausendteile

Erst mit dem »Stempelgesetz«, das am 1. 1. 1888 inKraft trat, wurde in Deutschland der Umgang mitEdelmetallen und deren Legierungen einheitlich ge-regelt. So wurde u. a. festgelegt, dass der Feingehaltder Gold- und Silberlegierungen generell in Tausend-teilen anzugeben ist und die bis dahin �blichen Be-zeichnungen »Karat« und »Lot« nicht mehr zul�ssigsind.Trotzdem sollen dazu einige Hinweise gegeben wer-den, damit man im Bedarfsfall auch �ltere Edelme-tallerzeugnisse richtig beurteilen kann.Bis zur Einf�hrung des einheitlichen MetrischenMaßsystems wurde die Masse der Edelmetalle mitfolgenden Einheiten ausgedr�ckt (Tabelle 1.9).

Grundlage dieser Einteilung der Masse-Einheiten istdie »K�lnische Mark«, die im Laufe der Zeit in vielendeutschen L�ndern eingef�hrt wurde.Die Feingehaltsangaben wurden von diesen Masse-Einheiten abgeleitet, indem die Menge der jeweiligenLegierung als »Raugewicht« zugrunde gelegt wurde,man sprach von »1 rauen Mark«. Bei Goldlegierun-gen wurde die darin enthaltene Feingoldmenge inKarat angegeben, bei Silberlegierungen gab man dieFeinsilbermenge in Lot an (Bilder 1.59 u. 1.60). Beieiner 18-kar�tigen Legierung besteht also die Ge-samtmenge von 1 Mark –– also 24 Karat –– aus18 Karat Feingold und 6 Karat Zusatzmetall.Dies entspricht dem Verh�ltnis von3=4 Gold und 1=4 Zusatz bzw.750 Tausendteile Gold und 250 Tausendteile Zusatz.So wurde also mit den Einheiten der Masse das Ver-h�ltnis des Goldanteils ausgedr�ckt.Im gleichen Sinne k�nnte man die heute �blichenTausendteile auch als Masseteile auffassen, denn:In der Masse von 1 kg –– also 1000 g –– einer 750-Au-Legierung sind 750 g Feingold und 250 g Zusatz ent-halten.Beim Silber wurde angegeben, wie viel Lot Feinsil-ber in der Gesamtmasse einer Silberlegierung von1 Mark –– also 16 Lot –– enthalten ist. Beispielsweiselag in zahlreichen Z�nften die untere Grenze deszul�ssigen Feinsilbergehalts bei 13 Lot. Demnachmusste die »raue Mark« mindestens 13 Lot Feinsilberenthalten, dem 3 Lot Kupfer zulegiert waren.Zwischen den alten und den heutigen Feingehaltsan-gaben besteht folgende Beziehung:

Tausendteile Karat bzw. LotGesamtmenge : Feinmenge ¼ Gesamtmenge : Feinmenge

Der Gesamtmenge entsprechen immer1000 Tausendteile bzw. 24 Karat oder 16 Lot.

Tabelle 1.9 Alte Masse-Einheiten der Edelmetalle

Mark Unze Lot Karat Pfennig Grain Umrech-nung in g

1 8 16 24 256 288 233,8

1 11=2 16 18 14,6

1 102=3 12 9,74

Bild 1.59Silberfeingehalt, ausgedr�ckt in Lotund Tausendteilen (Schema)

1 Metallische Werkstoffe

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Die in der Legierung enthaltene Feingoldmenge bzw.Feinsilbermenge wird der Bezugseinheit entsprechendin die Proportion eingesetzt.

1. Beispiel: Welchem Feingehalt in Tausendteilen ent-sprechen die erw�hnten 13 Lot Silber?

1000 : x ¼ 16 : 13

x ¼ 1000 � 1316

¼ 812,5 Ag

2. Beispiel: Wie viel Lot entsprechen der LegierungAg 875?

1000 : 875 ¼ 16 : x

x ¼ 875 � 161000

¼ 14 Lot Silber

3. Beispiel: Wie viel Tausendteile Gold entsprechen ei-nem Dukatengold von 231=2 Karat?

1000 : x ¼ 24 : 23,5

x ¼ 1000 � 23,524

¼ 979,2 Tausendteile Au

4. Beispiel: Wie viel kar�tig ist Au 400?

1000 : 40 ¼ 24 � xx ¼ 400 � 24

1000¼ 9,6 Karat Au

Grundlagen der Umrechnung

Es sind verschiedene Methoden zur Berechnung derEdelmetalllegierungen und zum Umlegieren derEdelmetalle entwickelt worden. Das hier benutzte

Verfahren ist scheinbar umst�ndlicher, hat aber denVorzug, dass nur ein einziges Proportionsschema ge-braucht wird, in das die Gr�ßen unverwechselbareingesetzt werden k�nnen. Selbst wenn man nurgelegentlich solche Legierungsberechnungen zu ma-chen hat, findet man sich mit einiger �berlegungschnell wieder in dieses System hinein.Das Grundschema lautet:

Tausendteile GrammGesamtmenge : Feinmenge ¼ Gesamtmenge : Feinmenge

Dabei sind:Gesamtmenge der Tausendteile: Allgemeing�ltige Be-zugsgr�ße; sie betr�gt immer 1000 Tausendteile.Feinmenge in Tausendteilen: Anteil des Feingoldes ander Gesamtmenge – also der Feingehalt – ausge-dr�ckt in Tausendteilen, wie Au 585 oder Au 333.Gesamtmenge in Gramm: Gesamtmasse der Legie-rung.Feinmenge in Gramm: Masse des in der Legierungenthaltenen Feingolds.Bei den Erl�uterungen zum Legierungsrechnen wer-den die reinen Metalle mit ihren Symbolen bezeich-net, also Feingold »Au«, Feinsilber »Ag«; f�r die Le-gierungen gilt die �bliche Schreibweise, wie »Au585« oder »Ag 925«. Die Bezugsgr�ße f�r die Ge-samtlegierung steht mit 1000 Tausendteilen immerfest. Da man mit der Proportion jeweils eine Unbe-kannte bestimmen kann, m�ssen noch zwei Gr�ßenvorgegeben sein.Es lassen sich also folgende Aufgaben l�sen:

• Feingehalt berechnen aus der Gesamtmasse der Le-gierung und der Masse des darin enthaltenen Fein-golds.

Bild 1.60Goldfeingehalt, ausgedr�ckt in Karat und Tausendteilen (Schema)

1 Metallische Werkstoffe

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Die Epoxidharze sind glasklar mit leicht gelblich-br�unlicher T�nung und lassen sich leicht einf�rben.Gegen aggressive organische und anorganische Stof-fe sind sie best�ndig. Sie haben fast keinen Schwundbeim Aush�rten, deshalb eignen sie sich auch alsGießharze.

2.8 KeramikKeramik-Schmuck

Auf den beliebten Kunsthandwerkerm�rkten findetman bei so manchem Keramiker neben der tradi-tionellen T�pferware hin und wieder ganz reizvolleSchmuckst�cke, meist Anh�nger, phantasievoll ausTon modelliert und oft farbig glasiert. Sie werdengenauso hergestellt wie alle �blichen Keramiken, wirbrauchen also in unserem Buch darauf nichteinzugehen. Es sei aber angemerkt, dass �ber diesezaghaften Versuche hinaus »Schmuck aus Keramik«ein reizvolles Thema mit guter Perspektive seink�nnte.

Porzellan-Schmuck

F�r »Schmuck aus Porzellan« gilt das Gleiche. Vor et-wa 50 Jahren brachte die Porzellanmanufaktur Mei-ßen ovale Porzellanpl�ttchen heraus, mit Blumen-bildern, roten und gr�nen chinesischen Drachenbemalt, die der Goldschmied zu Anh�ngern verar-beiten musste.

High-Tech-Keramik

Firma CERICO GmbH & Co. KG, Darmst�dter Str. 3664625 Bensheim. Tel.: 06251/985188www.cerico.de, E-Mail: [email protected]

Das hat nichts mehr mit der �berkommenen Vorstel-lung von gebranntem Ton zu tun. Hochwertige Farb-steine, in Gelbgold oder Platin gefasst, in glatte,schlichte Ringe aus hochgl�nzender oder mattierterschwarzer Keramik eingelassen – das ergibt eineedle Materialkombination (Bilder 2.25 und 2.26). Eshandelt sich um einen hochwertigen oxidkeramischenWerkstoff mit dichter, polierf�higer Oberfl�che, sohart wie Korund (H�rte 9), deshalb v�llig kratzfestund dar�ber hinaus sehr bruchz�h und v�llig anti-allergen. Die keramische Pulvermischung, u. a. miteinem Zusatzstoff versehen, der beim Brand diegew�nschte Farbe ergibt, hat die Konsistenz von fein

Bild 2.25Ringe, High-Tech-Keramik, Edelsteine in Gold- und Platin-fassungen (Firma CERICO GmbH & Co KG Bensheim)

Bild 2.26Ringe, High-Tech-Keramik, Edelsteine in Gold- und Platin-fassungen (Firma CERICO GmbH & Co KG Bensheim) 115]

2 Nichtmetallische Werkstoffe

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Mit der Zentrifugal-Gießmaschine ist es m�glich,Goldlegierungen, wie Gelb- und Rotgold, Weißgold,Silber, Messing, Tombak, Bronze und Neusilber,d�nnfl�ssig und schonend zu schmelzen und in dieForm zu schleudern.Je nach Ofentyp werden bei den Zentrifugal-Gieß-maschinen der Firma Lindner die in Tabelle 4.14 zu-sammengestellten Werte erreicht.

4.5.6.3 Rotationsguss mit Kokille

Auf diese Weise kann man fugenlose Trauringeleichter und rationeller herstellen als mit der ein-fachen Standgusskokille. Das Verfahren ist unkom-pliziert:Die genau dosierte Metallmenge wird in der Schmelz-schale verfl�ssigt, die rohrf�rmige Kokille wird auf

volle Drehzahl gebracht; dann kippt man das fl�ssigeMetall in den schwenkbaren, starren Einguss, sodassdie Schmelze gegen die Wandung der Rotationskokillegeschleudert wird und sich ringsum gleichm�ßig an-lagert. Au 585 wird bei reduzierter Drehzahl eingegos-sen. Soll der Trauring Halbrundprofil bekommen,muss er auf diese Form gerandelt oder abgedreht wer-den.Man kann sich die einfache Rotationskokille von ei-nem Dreher ohne großen Aufwand anfertigen lassen(Bild 4.44).In den Deckel des oberen Rohrst�cks (2) ist der Guss-trichter (1) eingeschraubt. Dieses Rohr (3) wird loseauf den massiven Bolzen (5) aufgesetzt. Mithilfe vonZwischenringen (4), die ebenfalls auf den Bolzen ge-schoben werden, reguliert man den Abstand desRohrdeckels von der Oberkante des Bolzens, und da-mit wird die Breite des Traurings eingestellt. Mitdem Kranz (6), der ringsum durchlocht ist, wird derruhige Lauf der Kokille gesichert, denn er wirkt alsSchwungmasse. Als Antrieb dient der Motor einerkleinen elektrischen Kaffeem�hle mit einer Drehzahlvon mindestens 3000 min�1. Damit der Motor trotzder hohen Zentrifugalkr�fte ruhig l�uft, soll er keineGleitlager, sondern zuverl�ssige Rollager haben. Umdie H�nde freizuhalten, ist ein Fußschalter, der auchals Drehzahlregler dient, ratsam, wie er bei der elek-trischen N�hmaschine �blich ist.

4.5.6.4 VakuumgussVakuum-Gießanlage (Bild 4.45)

W�hrend bei den bisher behandelten Gießanlagendas schmelzende Metall durch die Fliehkraft in dieForm geschleudert wurde, wird es jetzt durch Evaku-ierung der K�vette in die Form hineingesaugt.

Bild 4.44Kokille zum Rotationsguss von Trauringen. (1) Eingusstrich-ter, (2) Rohrdeckel, (3) oberes Rohrst�ck, (4) Zwischenringe,(5) massiver Stutzen, (6) Lochkranz

Bild 4.45Vakuum-Gießanlage[176

4 Zurichtungsarbeiten

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Die Formvorbereitung mit dem Wachsbaum, der indie K�vette eingebettet wird, entspricht dem Schleu-derguss. Die Wand der K�vette muss gelocht sein,dicht unter der Oberkante sitzt ein Flansch, der f�rden luftdichten Verschluss gebraucht wird. Der ein-gesetzten Metallmenge entsprechend sind die K�vet-ten unterschiedlich groß.Die Vakuumpumpe hat eine Doppelfunktion: Mit ihrwerden die Luftblasen aus der fl�ssigen Einbettmas-se herhausgetrieben, außerdem wird mit ihr die Me-tallschmelze in die Form gesaugt.Auf dem Ger�t befindet sich der R�ttler, kombiniertmit der Vakuumanlage, sodass zun�chst die ange-r�hrte Einbettmasse und dann auch die gef�llte K�-vette entl�ftet und damit blasenfrei wird.Die vorgegl�hte K�vette wird in die Aufnahmekam-mer so eingesetzt, dass mit Flansch und Dichtungs-ring die Auflage exakt abgedichtet wird.

Vakuum-Druckgießanlagen

Gießanlage der Firma SchultheissSchultheiss GmbHPforzheimer Str. 82, 71292 FriolzheimTel.: 07044/945440, www.schultheiss-gmbh.deE-Mail: [email protected]

Jetzt kommen wir zur Hochtechnologie f�r die in-dustrielle Serienproduktion:

• Im Tiegel mit Sichtfenster wird das Metall untereiner perfekten Schutzgas-Atmosph�re geschmol-zen und auf die individuell exakte Gießtemperaturgebracht.

• W�hrend dieser Zeit wird die Evakuierung der Guss-form vorbereitet.

• Wird schließlich der Gießprozess ausgel�st, str�mtdie Schmelze, beg�nstigt durch den Unterdruck(100 mbar), in die Hohlr�ume der Form.

• Gleichzeitig wirkt ein �berdruck (bis 3 bar) aufdie Oberfl�che des fl�ssigen Metalls, sodass mitdieser zus�tzlichen Druckkraft die Schmelze in dieHohlr�ume der Form gepresst wird.

Das ist genial!

In Abh�ngigkeit von der Gr�ße der Anlage wird derGießprozess manuell, automatisch oder computer-gesteuert und vollautomatisch durchgef�hrt (Bil-der 4.46 und 4.47).F�r die Schmuckproduktion sind Modelle unter-schiedlicher Gr�ße und Leistungsf�higkeit entwickeltworden. Daf�r einige Beispiele im �berblick (s. Ta-belle n�chste Seite).Es wird die komplette Ausr�stung f�r den technologi-schen Prozess geliefert, die auf das jeweilige Haupt-ger�t abgestimmt ist. Dazu geh�rt beispielsweise der

Bild 4.46Vakuum-Druckgießanlage VPC 100

Bild 4.47Vakuum-Druckgießanlage in ge�ffnetem Zustand 177]

4 Zurichtungsarbeiten

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Ausbrennofen, in dem die Form vorgew�rmt und dasWachs ausgebrannt wird. Die K�vetten stehen aufDrehtellern. Von unten wird die Ofenkammer mitvorgew�rmter, sauerstoffreicher Luft durchstr�mt,sodass das Wachs ohne R�ckstand verbrennt. Nach2 Stunden kann der Ofen neu beschickt werden.Diese perfekte Technologie garantiert h�chste Qua-lit�t auch bei komplizierten Modellen, und sogar dieEdelsteine werden in die Schmuckst�cke mit einge-gossen.

INDUTHERM-Gießanlage

INDUTHERM Erw�rmungsanlagen GmbHBrettener Str. 32, 75045 WalzbachtalTel.: 07203/9218-70, www.indutherm.deE-Mail: [email protected]

Mit der Mini-Vakuum-Druckgießanlage »MC 15« hatdie Firma Indutherm ein kompaktes Tischmodell f�rden Kleinbetrieb entwickelt, mit dem bis zu 250 g Pt,150 g Au 750, 110 g Stahl unter optimalen techni-schen Bedingungen geschmolzen und gegossen wer-den k�nnen (Bild 4.48).

• Im Induktionsofen wird das Metall unter Vakuumoder Schutzgas erschmolzen

• Mit dem Vakuum-Druckgießverfahren wird dieSchmelze in die K�vette gef�llt.

Induktionsverfahren. Egal, ob man die Schmelzw�rmemit Holzkohle, Stadtgas, Erdgas oder im Elektroofenerzeugte, immer wurde zuerst der Schmelztiegel,dann das darin enthaltene Metall erhitzt.

Jetzt ist es umgekehrt: Die W�rme entsteht direkt immetallischen Schmelzgut, und dann erst �bertr�gtsie sich auf den Tiegel; die W�rme�bertragung ver-l�uft von innen nach außen! Um diesen komplizier-ten elektrophysikalischen Vorgang auf einfache Wei-se erkl�ren zu k�nnen, sei an die elektromagnetische

Spule erinnert, deren Feldlinien sich im Inneren derSpule b�ndeln und ihre Energien in einem Metall-kern konzentrieren.In unserer Schmelzanlage befindet sich der Schmelz-tiegel im Zentrum einer solchen Spule, an die einWechselstrom von mehr als 10 kHz angelegt ist. Injeder Sekunde wechselt die Stromrichtung mehr als10000-mal, vorhandene, entstehende, zusammenbre-chende Feldlinien treffen tausendfach aufeinander.Enorme Energiemengen werden frei, wandeln sich indem Schmelzgut in W�rme um, heizen es immerweiter auf, bis sogar hoch schmelzende Metalle indie fl�ssige Phase �berf�hrt werden k�nnen.Mein Vater erz�hlte noch, wie er als Lehrling aus derAsche des Koksofens das Gold heraussieben musste, weilder Tiegel gerissen war – und das war vor 90 Jahren.Das Induktionsverfahren, kombiniert mit Vakuum undSchutzgas, ist die sauberste Schmelzmethode, die mansich denken kann.

• Es gibt keine st�renden Verbrennungsgase, keineAsche- und Schlackereste.

• Sauerstoff und andere unerw�nschte Gase k�nnendie Schmelze nicht mehr erreichen.

Vakuum-Druckguss. Auch daf�r ist der Vergleich mitden traditionellen Verfahren aussagekr�ftig:

• Wenn man nach Altv�terart die Schmelze aus demTiegel in die Form gießt, fließt sie nur mithilfeder Schwerkraft in die Hohlr�ume der Gussform.

• Beim Schleuderguss wird die Schmelze mit der25-mal gr�ßeren Fliehkraft in die Gussform ge-schleudert, entsprechend groß sind aber auch Be-lastung und Risiko der rotierenden Kokille.

Modell VPC 55 VPC 100 VPC 400

Steuerung Temperatur-regelung,

Vakuum- undDruckkontrolle

Gießautomatikmit 30 Pro-grammen

Gießautomatikmit 30 Pro-grammen

Ablauf manuell automatisch automatisch

Gießdruck bis 2 bar bis 3 bar bis 3 bar

Tiegel 160 cm2

2,4 kg Au 750bzw. 1,6 kg Ag

200 cm2

3,0 kg Au 750bzw. 2,0 kg Ag

400 cm2

6,0 kg Au 750bzw. 4 kg Ag

K�vette,maximal

˘ 100 mmH�he 220 mm

˘ 125 mmH�he 300 mm

˘ 200 mmH�he 400 mm

Gieß-temperatur

1300 �C 1400 �C 1400 �C

Bild 4.48INDUTHERM Mini-Vakuum-Druckgießanlage MC 15

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4 Zurichtungsarbeiten

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• Beim Vakuum-Druckguss wird die Schmelze ganzpl�tzlich in die stillstehende, evakuierte Kokillegesogen und zus�tzlich mit dem Schutzgas-�ber-druck in die Hohlr�ume der Gussform gepresst.

Vorz�ge der Anlage. Diese Gießanlage ist f�r den Be-darf eines kleinen Handwerksbetriebs gut geeignet:

• Obgleich die Anlage hohen technischen Standardrepr�sentiert, ist sie auch ohne gießtechnischeSpezialausbildung leicht zu bedienen.

• Das kompakte Ger�t braucht nur 2 m2 Tischfl�che.• Man kann es an die normale Steckdose mit 230 Vanschließen.

• Mithilfe des Induktionsgenerators von 3,5 kWwird das Schmelzgut schnell aufgeheizt.

• Mit speziellem Einbettmaterial ist es m�glich, dassnach nur drei Stunden aus dem Wachsmodell einfertiges Metallschmuckst�ck geworden ist.

Gießen oder Nichtgießen – das ist die Frage! Die Gieß-anlage MC 15 hat alle von uns ger�hmten Vorz�ge,und, was sehr angenehm ist, die Firma INDUTHERMbietet auch die gesamte Zusatzausr�stung an:

• Vakuumpumpe,• K�vetten aller Art,• Keramiktiegel,• Vakuummixger�t mit Standfuß f�r Einbettmasse/Silikon mit Vakuumpumpe und Mixbecher,

• Einbettger�t zur MC 15,• Ausbrennofen mit digitaler Programmsteuerungzum Entfernen des Wachses und zur Aush�rtungder Einbettmasse,

• Auftisch-Strahlkabine zur MC 15 zum Abl�sen derEinbettmasse vom fertigen Metallobjekt.

Wie bei jeder Investition ist der Vergleich von Kostenund Nutzen unerl�sslich. Dabei muss man ber�ck-sichtigen, dass zu dem nicht ganz billigen Grundge-r�t MC 15 unbedingt eine erg�nzende Zusatzausr�s-tung geh�rt, um rationell arbeiten zu k�nnen.

• Wer nur einmal in der Woche einige St�cke gießenwill, soll die Auftr�ge an eine Spezialfirma abgeben.

• Mit einem Guss k�nnen bis zu 150 g Au 750 ge-gossen werden! Das ist schon ein ganz h�bschesGussb�umchen, und man kann pro Tag eine ganzeReihe solcher B�umchen gießen!

• Das ergibt eine erhebliche Tagesleistung, und diebraucht man auch, damit sich die Investition lohnt.

• Nur wenn der Metallguss kontinuierlich zum Pro-duktionsprofil geh�rt, wenn also ein Team qualifi-zierter Mitarbeiter daf�r sorgt, dass t�glich von derVorbereitung der Wachsmodelle bis zur Nachar-beit der Metallgussst�cke eine manufakturelle Pro-duktion gut funktioniert, ist die Anschaffung derkompletten Gießausr�stung sinnvoll.

4.6 Walzen und Ziehen

4.6.1 Wesen der Umformung

Wenn man das Ph�nomen der Umformung einesmetallischen Werkstoffs untersuchen will, muss mansich dar�ber klar sein, dass im Gef�ge gleichzeitignebeneinander zahlreiche verwickelte Vorg�nge ab-laufen, die �berhaupt nur dadurch zu erfassen sind,dass man sie in Einzelerscheinungen aufteilt. Diesesmethodische Prinzip wird auch hier bei den Erl�ute-rungen angewandt – man muss sich aber immer�ber die Komplexit�t der Vorg�nge klar sein!Folgende Fragen sind zu beantworten:

• Was geschieht innerhalb eines Kristallits?• Wie ver�ndert sich der Kristallverband?• Auf welche Weise wird der ganze Metallblock um-geformt?

Verst�ndlicherweise k�nnen diese Fragen im Rah-men dieses Lehrbuchs nur in vereinfachter Form be-handelt werden. Grunds�tzlich sind die Vorg�nge imEinzelkristallit und im Kristallitverband bei allen Be-anspruchungsarten gleich; dagegen ist die Ver�nde-rung des Blockganzen von der Umformungsmethodeabh�ngig: Beim Schmieden ist es anders als beimZiehen, beim Biegen anders als beim Nieten. Nurdeshalb, weil die allgemeinen Erscheinungen derUmformung – also die Ver�nderungen von Einzel-kristallit und Kristallitverband – beim Walzprozessbesonders klar zu �bersehen sind, sollen sie am Bei-spiel dieser Umformungsart beschrieben werden.

Elastische Umformung

Bereits bei der Erl�uterung des Spannungs-Dehnungs-Diagramms wurde die elastische Umformung be-schrieben. Jeder plastischen Umformung geht sowohlim ganzen Metallblock als auch in jedem einzelnenKristallit eine elastische Umformung voraus. Sie istdadurch gekennzeichnet, dass sich der gesamte Me-tallblock bei Zugbeanspruchung in Zugrichtung ver-l�ngert bzw. bei Druckbelastung in Druckrichtungzusammendr�ckt; h�rt die Belastung auf, nimmt derMetallblock seine urspr�ngliche Form wieder an.In der Praxis wird es immer so sein, dass w�hrendder elastischen Umformung des Metallblocks wohldie meisten Kristallite nur elastisch beanspruchtsind, dass aber doch schon bei einzelnen, besondersg�nstig orientierten Kristalliten eine erste bleibendeUmformung einsetzen kann. Umgekehrt wird es auchnach deutlicher bleibender Umformung des Block-ganzen noch einzelne Kristallite geben, die nur elas-tisch beansprucht wurden. 179]

4 Zurichtungsarbeiten

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anderen Seite aber leicht gerundet. Durch die moder-nen H�mmer mit den Schlagfl�chen aus Gießharzsind die Hornh�mmer heute weitgehend verdr�ngtworden.

5.8.4 Ambosse

Damit sind alle festen Schlagunterlagen aus Stahl ge-meint, die beim Schmieden und Treiben benutztwerden (Bild 5.47).Wirklich gute Ambosse m�ssen aus dem gleichenStahl wie die H�mmer geschmiedet sein, denn auchsie m�ssen z�h und schlagelastisch sein, und die ge-h�rtete Schlagfl�che muss m�glichst widerstands-f�hig sein. Trotz dieser Qualit�tsforderungen werdensolche Werkzeuge traditionsgem�ß als »Eisen« be-zeichnet.

Bretteisen. Der Goldschmied benutzt es f�r seinekleinen Arbeiten. Es ist ein quadratischer Stahlblock,dessen Kantenl�nge dem Verwendungszweck ent-sprechend 50 . . . 100 mm betragen kann. Die Ober-fl�che muss glatt und eben sein, m�glicherweise isteine Kante gerundet.

Holzklotz. Die folgenden Ambosse haben meist einenkonischen Einsteckfuß, mit dem sie in den Holzfußeingesteckt werden k�nnen, denn der Holzklotznimmt die Wucht des Hammers auf, sodass der Am-boss nicht zur�ckfedert. Seit Jahrhunderten geh�rtein solcher Holzklotz in die Werkstatt: Ein etwa50 cm hohes St�ck eines m�glichst dicken Baum-stamms, in dessen Oberfl�che passende L�cher zumEinstecken der Ambosse und dazwischen Muldenzum Auftiefen eingearbeitet sind.Man kann diese Ambosse aber auch mit dem Ein-steckfuß in den Schraubstock spannen.

Flachstock. Es ist ein Amboss, dessen Schlagfl�chedem Bretteisen entspricht, die Seitenfl�chen sind ko-nisch eingezogen, und mit dem Einsteckfuß wirdder Flachstock im Holzklotz befestigt (Bild 5.48).

Einsteckfaust. Es handelt sich um einen etwa 20 cmhohen, stabilen Amboss, der in den Holzklotz ge-steckt werden kann. Die Schlagfl�che ist meist ge-rundet, beim Bodeneisen – das zum Planieren desBecherbodens gebraucht wird – ist sie flach. Den Er-fordernissen entsprechend gibt es diese Ambossemit unterschiedlicher Kontur: rund, quadratisch, oval.Als B�rdeleisen hat der Einsteckamboss eine scharf-kantige Schlagfl�che, die keilf�rmig an einer Seitegerade, an der anderen schr�g verl�uft.

Kleiner Einsteckamboss. Dieser ist nur etwa 12 cmhoch und kann ganz unterschiedliche Querschnittehaben, also rund, oval, quadratisch, rechteckig; siek�nnen eben mit unterschiedlich gerundeten Kanten

Bild 5.47Ambosse und andere Schlagunterlagen. a) Bretteisen,b) Holzklotz, c) Flachstock, d) Einsteckfaust, e) Bodeneisen,f) kleiner Einsteckamboss, g) B�rdeleisen, h) Hornamboss,i) Schweifstock, k) Mulden im Holzklotz zum Auftiefen

Bild 5.48Einsteckambosse. Ambosse unterschiedlicher Form. Verl�nge-rungsst�ck, Lagereisen

233]

5 Handwerkliche Grundtechniken

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sein; sie k�nnen aber auch mehr oder wenigergew�lbt sein. Besonders g�nstig ist es, wenn ein gan-zer Satz davon zur Verf�gung steht, zu dem noch einVerl�ngerungsst�ck geh�rt, um im Bedarfsfall ihreH�he zu vergr�ßern, und ein Lagereisen, um dieWandung von Hohlgef�ßen bearbeiten zu k�nnen(Bild 5.48).

Hornamboss (Bild 5.47 h) Der massive St�nder hatauch einen Einsteckfuß f�r den Holzklotz, die bei-den konischen »H�rner« k�nnen unterschiedlicheForm haben. Beim »Sperrhaken« hat ein Horn rundenQuerschnitt, das andere kann oben flach gerundetoder ganz eben sein. Beide H�rner liegen so, dassihre Arbeitsfl�chen ganz waagerecht verlaufen. Beim»Schweifstock« dagegen ist die obere Arbeitsfl�che»geschweift«, beide H�rner haben runden Quer-schnitt und sind konisch; eines dicker, das andered�nner.F�r die Ambosse gilt wie f�r die H�mmer, dass mannur dann befriedigende Ergebnisse erreicht, wenndie Oberfl�che absolut glatt und poliert ist. Man darfniemals mit dem Hammer direkt auf den Ambossschlagen – eine st�rende »Schlagmarke« w�re dieFolge. Erst nachdem ein solcher Einschlag aus-geschliffen ist, darf man weiterarbeiten.

Weitere Ambossformen. Neben den beschriebenenStandardformen braucht der Silberschmied immerwieder neue Spezialambosse, und da muss er selbstin der Lage sein, sie den konkreten Bedingungenentsprechend zurechtzuschmieden. Der Bestand ansolchen »Eisen« der verschiedensten Formen undGr�ßen ist der Stolz des Silberschmieds und dieGrundlage seiner Arbeit.

Riegel. Auch die konischen Armreif-, Ring- und Zar-genriegel sind als Ambosse anzusehen (Bild 5.49).Der Querschnitt richtet sich nach dem gew�nschtenZweck. Der Armreifriegel wird meist rund oder ovalsein; der Ringriegel ist immer rund, nur mancheRiegel haben eine eingefr�ste Rille f�r die Steinspit-ze; die Zargenriegel werden außer rund und oval inverschiedenartigen eckigen Formen hergestellt, diesich aus dem Verwendungszweck ergeben.Wie man die Ambosse benutzt, wird auf den Bildern5.50 bis 5.53 gezeigt.

5.8.5 Pflege der Werkzeuge

Grunds�tzlich muss man sich dar�ber im Klaren sein,dass s�mtliche Fehler der Hammerbahn oder der Am-bossfl�che mit jedem Schlag dem Arbeitsst�ck einge-pr�gt werden. Der einwandfreie Zustand der Schmie-dewerkzeuge ist deshalb besonders wichtig. FolgendeForderungen m�ssen unbedingt erf�llt sein:

• Die Hammerbahn muss so hart sein, dass sie sichm�glichst wenig ver�ndern kann.

• Hammerbahn und Ambossfl�che m�ssen unbe-dingt glatt und m�glichst poliert sein.

Bild 5.49Verschiedene Riegel. Ringriegel, kantiger Riegel, Armreifriegel

Bild 5.50Bearbeitung des Werkst�cks mit der Finne des Bretthammersauf dem Bretteisen

[234

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• Durch regelm�ßige Pflege m�ssen die Werkzeugeauch w�hrend des Gebrauchs in makellosem Zu-stand erhalten bleiben.

Sollte trotzdem ein Werkzeug Schrammen, Kratzer,Einschl�ge oder Beulen bekommen haben, m�ssendiese v�llig herausgeschmirgelt werden, ohne dasssich die Gesamtform der Schlagfl�che oder des Am-bosses �ndert. Dann wird auf Polierpapier und zumSchluss mit Korundpulver und Leder der alte Glanzwieder hergestellt. Wenn die Werkzeuge nur seltenbenutzt werden, sch�tzt man sie durch einen leich-ten Fett�berzug vor dem Rosten.

5.8.6 Wirkung unterschiedlicherHammerformen auf dasWerkst�ck

Flache Schlagfl�che. Bei der fl�chigen Hammerbahnwirkt mit jedem Hammerschlag eine senkrechteKraft auf eine relativ große Fl�che des Grundmetalls,der entstehende Druck – also die Kraft pro Fl�chen-einheit – ist relativ gering. Hinzu kommt die Wir-kung der Reibung unter der Schlagfl�che, die demPrinzip der ruhenden Pressfl�chen entspricht. DasGef�ge des Grundmetalls wird verdichtet, im Wir-kungsbereich unter der Schlagfl�che verformen sichzwar die Kristallite und verschieben dadurch rings-

um die benachbarten Kristallite außerhalb des Druck-feldes, trotzdem ist deren Umformungswiderstandso groß, dass es nur zu einer geringen, ringsherumgleichm�ßigen Materialverdr�ngung kommt. Die fla-che Hammerbahn ist deshalb f�r gr�ßere Form�n-derungen beim Schmieden ungeeignet, sie ist aberunentbehrlich, wenn die Oberfl�che nach dem Um-schmieden nachgearbeitet und gegl�ttet werden soll.Die Kanten der Schlagfl�che m�ssen etwas abgerun-det sein, damit sie keine Kerben an der Materialober-fl�che hinterl�sst (Bild 5.54). So ist der Hammer mitder geraden Schlagfl�che als Schlicht- und Planier-hammer gut geeignet.

Bild 5.51Vorschmieden einer Stange auf demBretteisen

Bild 5.52Schmieden eines Ringes auf einemRunddorn

Bild 5.53Schmieden eines Ringes auf demRingriegel

Bild 5.54Wirkung unterschiedlicher H�mmer auf das Gef�ge desWerkstoffs. a) flache, b) kuglige Schlagfl�che, c) keilf�rmigeSchlagfl�che 235]

5 Handwerkliche Grundtechniken

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• egal, welche Außenform das Blech hat, die Schl�gewerden immer von der Mitte her kreisf�rmig nachaußen gef�hrt,

• die Randzone wird weniger oder gar nicht bearbei-tet, damit sich an den Kanten keine Wellen bilden,

• rechteckige und ovale Bleche werden in L�ngsrich-tung bearbeitet.

Nachdem man das Blech so durchgespannt hat, wiees auf Bild 6.2 a gezeigt ist, h�lt man es schr�g gegenLicht. So erkennt man am besten, ob das Blech ganzglatt ist, oder ob es noch Beulen hat. Eine Beule be-deutet, dass das Metall an dieser Stelle zu stark ge-dehnt wurde, sodass es sich aus der Ebene nach vornoder hinten herausgedr�ckt hat. Solche Beulenm�sse geradegezogen werden. Es n�tzt nichts, wennman auf diese Beule schl�gt, denn man kann dasaufgew�lbte Blech nicht zur�ckdr�cken, sondern mitjedem Schlag w�rde es mehr gedehnt, und die Beulew�rde nur noch gr�ßer.Wenn man dagegen die Metallfl�che rings um dieBeule mit gezielten Schl�gen spannt, wird dieseRandzone h�rter, und das Blech dehnt sich in Rich-tung nach der glatten Fl�che st�rker aus, weil in die-ser Richtung der Umformungswiderstand geringerist. Infolge der rings um die Beule entstehendenSpannung wird der durchgew�lbte Bereich schließ-lich glattgezogen. Wenn n�tig, wird das Ausspannenso oft wiederholt, bis die W�lbung verschwundenist. Selbstverst�ndlich muss rechtzeitig zwischen-gegl�ht werden. H�ufig liegen solche Beulen dichtnebeneinander; sie werden gemeinsam eingeebnet(Bild 6.2 f). Die Eckbereiche des Blechs werden sogespannt, dass man sie wie Dreiecksfl�chen be-handelt, deren Spitzen zum Rand zeigen und die je-weils von ihrem Zentrum aus bearbeitet werden (Bil-der 6.2 b, d).Auf der Richtplatte wird die Qualit�t der gespanntenFl�che kontrolliert.Immer wieder kommt es vor, dass sich lange Blech-streifen beim Zuschneiden oder beim Walzen verzie-hen, dass also eine Seite des Streifens l�nger wirdals die andere. In solchen F�llen wird der Streifen imBereich der k�rzeren Seite gespannt und dadurch sogestreckt, dass sich die L�ngen der Kanten ausglei-chen. Danach wird der Blechstreifen ausgegl�ht undnochmals im Ganzen gespannt (Bild 6.2 g, h).In Weiterf�hrung des Verfahrens kann das ebeneBlech auch so gespannt werden, dass es in der Formeines Uhrglases straff durchgew�lbt wird. Dazu wirddie flach gew�lbte Hammerbahn verwendet, und manschl�gt vom Rand aus in spiralf�rmigem Verlauf biszur Mitte. Nachdem die Randzone durch die Schl�geverfestigt ist, k�nnen bei der fortschreitenden Bear-beitung die Kristallite der �ußeren Kraft nur dadurch

ausweichen, dass sie sich in Richtung zur noch un-bearbeiteten Blechmitte hin umformen. Da sich derRand nicht ausweitet, das Blech mit jedem Hammer-schlag aber gedehnt wird, kann es sich innerhalbdes vorgegebenen Umfangs strecken, und so w�lbtes sich durch. Nat�rlich muss bei der Bearbeitungdas gew�lbte Blech immer so auf dem Flachstockgehalten werden, dass die Schlagstelle genau aufdem Amboss aufliegt.Solche in W�lbung gespannte Bleche haben eine ho-he Stabilit�t. Der Silberschmied benutzt sie als Ge-f�ßdeckel, hohl gew�lbten Gef�ßboden, Leuchterfußund in reiner Form als Gong.

6.4 AuftiefenMit dem Kugelhammer wird das Blech in eine derGef�ßform entsprechende Holzmulde geschlagen.Als Schlagunterlage eignet sich besonders der Holz-klotz; ein standfester, etwa 60 cm hoher Abschnitteines Baumstamms aus Hartholz.Mit dem Stemmbeitel werden einige Mulden unter-schiedlicher Gr�ße und Tiefe sorgf�ltig ausgearbei-tet. Man kann auch Hartholzkl�tze mit eingearbeite-ter Mulde verwenden, die man in den Schraubstockeinspannt, aber sie federn beim Schlag immer etwasnach.Mit kugelf�rmigen und gew�lbten H�mmern kannman ganz gezielt schlagen, sie eignen sich besonderszur Bearbeitung d�nner Bleche.F�r dicke Bleche und tiefere Gef�ßformen wendetman das »Poltern« an. Mit schweren – und dadurchbesonders wirkungsvollen – Kugelh�mmern oder so-gar mit dem kugligen Einsteckamboss stampft manmit großer Wucht das Blech in die Holzmulde.Als �bungsst�cke f�r das Auftiefen eignen sich run-de Schalen von 15 . . . 20 cm Durchmesser. Das Mate-rial kann Kupfer oder Messing sein; die Blechdickesoll 0,7 . . . 1,0 mm betragen.

Gew�lbte Schale.Diese ist die einfachste Form einer auf-getieften Schale, sie entspricht einem Kugelabschnitt.Der Fuß wird als Zarge untergel�tet (Bild 6.3).Zun�chst wird eine Schablone angefertigt, damitman die Form kontrollieren kann (Bild 6.3 b). DieseVorbereitungsarbeit ist bei der Anfertigung aller Kor-pusgegenst�nde erforderlich, muss also bei den fol-genden Beispielen nicht nochmals ausf�hrlich be-handelt werden. Die Zeichnung des Seitenrisses wirdauf Transparentpapier �bertragen. An der Mittel-achse wird die Zeichnung zusammengeknickt, undman �berpr�ft die Symmetrie. Um sicherzugehen,gen�gt es, dass man nur eine H�lfte der Zeichnungauf das Transparentpapier �bertr�gt und die andere[280

6 Silberschmiedearbeiten

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H�lfte auf dem zusammengefalteten Transparent-papier erg�nzt. F�r Schablonen eignet sich gut eine3 mm dicke Hartfaserplatte, auf die die Seitenansichtvom Transparentpapier �bertragen wird; f�r kleinereFormen gen�gt auch stabile Pappe.Die Form wird ausges�gt, nach oben bleibt dieSchablone noch etwas l�nger. Gef�ßh�he und Mittel-achse werden mit einer Linie auf der Schablone mar-kiert.Die Schablone bewahrt man zur Wiederverwendungauf, deshalb werden die wichtigsten Daten daraufvermerkt:

• Gr�ße, Dicke, Masse der Platine,• Abmessung der fertigen Schale (Durchmesser undH�he),

• Hauptarbeitsg�nge, Arbeitszeit, Masse der fertigenSchale.

Wenn man f�r dieses einfache Beispiel einen solchenAufwand auch nicht zu betreiben brauchte, soll die-ses Modell auch f�r kompliziertere Anwendungsf�lleg�ltig sein!Mit dem rechnerisch ermittelten Durchmesser wirddie Platine angerissen, ausgeschnitten und befeilt.F�r Kontrollmessungen w�hrend der Bearbeitung istes bei dieser, wie auch bei allen folgenden Platinenwichtig, dass das Zentrum dauerhaft markiert wird.Am einfachsten l�sst sich das Gef�ß formen, wenndie Holzmulde genau der Schalenform entspricht.

Das w�re w�nschenswert, ist aber durchaus keineBedingung und trifft in den seltensten F�llen zu.Beim Auftiefen wird das Blech grunds�tzlich von au-ßen nach innen bearbeitet!Man beginnt also am Rand und setzt die Schl�ge ineinem spiralf�rmigen Verlauf dicht nebeneinander,bis das Zentrum erreicht ist. Auf diese Weise wirddas Blech vom Rand aus mit kr�ftigen, gleichm�ßi-gen Schl�gen in die Mulde getieft. Da es hohl liegt,gibt es leicht nach und dehnt sich (Bild 6.3 c).Beim Auftiefen wird das Blech etwas d�nner.Schon wenn man einmal rings um den Rand ge-schlagen hat, sieht man deutlich die beginnendeW�lbung. Auch bei der weiteren Bearbeitung achteman immer darauf, dass das Blech an der Schlag-stelle hohl liegt.Nachdem die Schale einmal durchgeh�mmert wor-den ist, vergleicht man das Ergebnis mit der Schab-lone. Wenn man noch weiter tiefen muss, kann dieArbeit in gleicher Weise wiederholt werden. Die Mul-de muss immer so beschaffen sein, dass auch die in-zwischen eingeengte Form noch hohl liegt. Die fertiggetiefte Schale vergleicht man wieder mit der Schab-lone. Wenn der Verlauf der Rundung noch nicht�berall stimmt, korrigiert man die noch unbefriedi-genden Stellen, indem man hier noch etwas nach-schl�gt.

Flache Schale mit niedrigem Rand (Bild 6.4). Wenndie Schale eine Standfl�che haben soll, wird derSchalenrand von der Außenkante beginnend nur bis

Bild 6.3Auftiefen einer gew�lbten Schale. a) Seitenansicht,b) Schablone, c) Bearbeitung in der Holzmulde

Bild 6.4Auftiefen einer flachen Schale mit niedrigem Rand.a) Seitenansicht, b) Bearbeitung in der Holzmulde 281]

6 Silberschmiedearbeiten

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8.3 GranulierenVorbemerkung

Als Granulation bezeichnet man die Ziertechnik, beider kleine Metallk�gelchen (Granalien) auf eine Me-talloberfl�che gel�tet bzw. geschweißt werden. Um-fangreiche Informationen �ber das Verfahren aushistorischer und technischer Sicht findet man in:

Brepohl: Theophilus;Nestler/Formigli: Granulation;Wolters: Granulation.

Seit dem Ende des 19. Jahrhundert suchte man unterdem Eindruck der wiederentdeckten etruskischen Gra-nulationsarbeiten in historischen Quellenschriften,wie Theophilus, Cellini, nach Informationen�ber »Granulation«. Man fand nichts. Man konnteauch nichts finden, weil es eine solche Spezialtech-nik nie gegeben hatte, aber man war dicht dran,man h�tte nur die Kapitel �ber das L�ten durchlesenm�ssen – und all die vielen, m�hsamen Rekonstruk-tionsversuche h�tte man sich sparen k�nnen. Manw�re auf das Reaktionsl�ten gestoßen, also aufdas Verfahren, mit dem nicht nur Fassungen undDrahtornamente, sondern speziell die uns hierinteressierenden K�gelchen seit der Antike bis zumMittelalter mit dem Grundblech verbunden wurden,das wir anschließend ausf�hrlich behandeln werden,und das nur bei reinen Edelmetallen funktioniert.Gold war immer knapp! Mit Beginn des 13. Jahr-hunderts entwickelten sich die St�dte zu wirtschaft-lichen und kulturellen Zentren. M�nzwesen, Aus-stattung der Kirchen, Anspr�che der b�rgerlichenOberschicht ergaben einen derartigen Edelmetallbe-darf, der nicht mehr zu beschaffen war. Also begannman, das Silber mit Kupfer und das Gold mit Silberund Kupfer zu legieren, um die verf�gbare Edel-metallmenge zu vergr�ßern.Demnach gilt seit 800 Jahren: Keine reinen Edel-metalle – kein Reaktionslot. Filigranornamente undMetallk�gelchen konnte man nur noch mit norma-lem Hartlot aufl�ten.Die Wiederbelebung der Granulation ist bis zumEnde des 20. Jahrhunderts von zahlreichen Irrt�mernund Missverst�ndnissen begleitet, in den zahlreichenFachartikeln r�hmten die Autoren sich selbst undihre Granulationsarbeiten, verh�llten ihre Erfahrun-gen in geheimnisvollem Nebel, und jeder Autor �ber-nahm von seinen Vorg�ngern das M�rchen vomGoldkarbid, das beim Erschmelzen der Kugeln imHolzkohlepulver an der Granalienoberfl�che entstandund die Schmelztemperatur der Kugeloberfl�che ver-ringerte – offenbar eine Analogie zum Eisenkarbid –

nur schade, dass sich das Edelmetall unter Normal-bedingungen nicht mit Kohlenstoff verbinden kann!

Historische L�tverfahren

Seit der Antike bis ins Mittelalter benutzte man, denjeweiligen Erfordernissen entsprechend, zwei ganzunterschiedliche L�tverfahren.Montagel�tung. Wenn man beispielsweise die beidenHenkel an einen Kelch montieren wollte, wurde dieFuge zwischen den Verbundteilen mit einer niedrig-schmelzenden Lotlegierung ausgef�llt, also genauso,wie wir es heute noch machen.

Bild 8.23Bel�tung mit Filigrandr�hten und Granalien. »Goldschatz vonHiddensee«. Ende 10. Jahrhundert, J�tland. a) Gesamtansichtder Scheibenfibel, b) Detail (Kulturhistorisches Museum Stral-sund)[358

8 Verbindende Techniken

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Bel�tung mit Reaktionslot. So wurden beispielsweisedie Stege f�r die alt�gyptischen Zelleneinlagen, dieDrahtornamente und die K�gelchen des Hiddensee-schmucks (Bild 8.23), die Steinfassungen und Fili-granornamente mittelalterlicher Bucheinb�nde mitReaktionslot aufgebracht.F�r das Reaktionslot werden folgende Kupferverbin-dungen empfohlen:

• Chrysokoll. Ein amorphes, erdiges, wasserhaltigesKupfersilikat (CuSiO3 � nH2O), gr�n bis blaugr�n,kantendurchscheinend, ein Stein, der oft zusam-men mit Malachit und Azurit vorkommt. Von Pli-nius erfahren wir, dass das Pulver dieses Steinsschon in der Antike zum L�ten verwendet wurde,daher auch sein Name: »chrysokolla« (gr: cquso-kolla, Goldkleber).In der Literatur wird immer wieder behauptet,dass Plinius damit den Malachit gemeint h�tte.Guido Graeff (Karlshafen-Helmarshausen) hatdurch eigene Experimente nachgewiesen, dass derMalachit ungeeignet ist, dass aber mit Chrysokollauch komplizierte L�tungen in beachtlicher Quali-t�t m�glich sind. So verdanken wir ihm die Er-kenntnis, dass nicht Malachit, sondern Chrysokollder antike »Goldkleber« ist!

• Kupfer(II)-oxid CuO, das schuppenartig beim Gl�hendes Kupfers als »Kupferhammerschlag» entsteht.

• Kupfer(II)-hydroxid Cu(OH)2, das beim Erhitzenmit Alkali in schwarzes Kupfer(II)-oxid �bergeht.

• Kupferchlorid CuCl2 � 2H2O, entsteht beim Gl�heneines mit Kochsalz bestrichenen Kupferblechs(nach Theophilus).

• Kupfersulfat CuSO4 � 5H2O.

Es sei nochmals betont: Die Reaktionsl�tung funk-tioniert nur, wenn das Grundblech und alle Teile, diedamit verbunden werden sollen, aus reinem Goldbzw. reinem Silber bestehen!

• Auf das Grundblech wird eine chemische Kupfer-verbindung aufgebracht.

• Dazu kommt eine organische Substanz als Reduk-tionsmittel, die auch als Kleber dient, und einFlussmittel.

• Auf den so vorbereiteten Rezipienten werden Zar-genfassungen, Dr�hte, Stege und Kugeln aufgelegt.

• Im reduzierenden Holzkohlenfeuer zerf�llt dieKupferverbindung.

• Das freigesetzte Kupfer bildet an der Gold- bzw. Sil-beroberfl�che eine niedrig schmelzende Legierung.

• Wenn die Oberfl�che so aussieht, »als ob du Was-ser ausgesch�ttet h�ttest« (Theophilus), sinkendie aufgelegten Teile in diese Schmelzschicht einund werden innig mit dem Grundmetall verbunden.

Beim Erw�rmen wird die organische Substanz zer-setzt, es wird Kohlenstoff freigesetzt, der, unter-st�tzt durch das reduzierende Holzkohlenfeuer, dieKupferverbindung reduziert. Fein verteilte Kupferteil-chen diffundieren in die Oberfl�chen des Grund-metalls und der Bel�tungselemente. Auf dem hochschmelzenden Feingold bzw. Feinsilber entsteht eineniedrig schmelzende Kupferlegierung.

• Die Schmelztemperatur des Feingolds (1063 �C) wirddurch Cu bis zum Minimum bei Au 820 (889 �C)vermindert.

• Auf Feinsilber (960,5 �C) entsteht eine eutektischeLegierung Ag-Cu (779 �C).

Die besonderen Vorz�ge des Reaktionslots bestehendarin, dass

• eine gleichm�ßige Schmelzschicht ausreichenderDicke auf dem Rezipienten entsteht,

• es auch an den nicht bel�teten Stellen keine Lot-reste gibt, weil das Kupfer v�llig diffundiert,

• es keine Rest von Lotpaillen gibt, die m�hsam ent-fernt werden m�ssten,

• alle Vers�uberungsarbeiten entfallen.

Heutige Granulationsverfahren (Bilder 8.24 bis 8.29)

Herstellung der Granalien. Ein Blech wird so d�nnwie m�glich ausgewalzt, davon werden wie beim LotPaillen abgeschnitten. Man kann auch von d�nnenDr�hten kleine St�cke abschneiden. In einen Schmelz-tiegel bringt man im Wechsel schichtenweise Holz-kohlenpulver und mit einem Salzstreuer die Metall-paillen ein. Der Tiegel wird so lange erhitzt, bis sichdie Paillen zu Kugeln zusammengezogen haben.

Bild 8.24Brosche, Gold. Ornamentale Zeichnung mit Granalien(Siegfried Meyer, Freiberg, Sachsen) 359]

8 Verbindende Techniken

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Der Tiegelinhalt wird in Wasser gegossen, ausge-schl�mmt und getrocknet.Um die Kugeln zu sortieren, fertigt man sich ein ge-staffeltes Siebbeh�ltnis an. Dazu braucht man einigeMetallsiebe unterschiedlicher Maschenweite oderBleche mit unterschiedlichen Bohrungen. Die Siebewerden in einem Rohr geeigneter Gr�ße so ange-ordnet, dass die Lochgr�ßen von einem Sieb zumn�chsten abnehmen. So kann man die Kugeln nachGr�ßen sortieren und in den Eins�tzen festhalten.

Reaktionsl�tung der Granalien

Dieses Verfahren gilt besonders f�r die etwas gr�ße-ren Granalien, die in der Hitze, w�hrend des Ver-bundvorgangs, nur an der Oberfl�che erschmelzen,w�hrend der Kern unver�ndert fest bleibt.Eine w�ssrige L�sung aus Kupfersalz, Flussmittelund Klebstoff (Tragant) wird auf die Bereiche desRezipienten aufgebracht, die mit Granalien belegt

Bild 8.25Anh�nger, Au 900, granuliertes Ornament (Pura Ferreiro,M�nchen)

Bild 8.26Kreuz mit Fl�chengranulation, Au 900 (Pura Ferreiro,M�nchen)

Bild 8.27Ohrklipp mit granulierter Windrose, Au 900, Diamanten(Wiebke Peper, Wackernheim)

Bild 8.28Granulierte Kugeln, Au 900 (Wiebke Peper, Wackernheim)

Bild 8.29Granuliertes Kettenschloss »Spirale«, Au 900. Kette ausLabradoritperlen (Wiebke Peper, Wackernheim)

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8 Verbindende Techniken

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SchmuckvitrineVon den Zurichtungsarbeiten bis zu den vollendendenTechniken sind alle Arbeitsverfahren behandelt wor-den, die der Goldschmied braucht, um aus seinengestalterischen Ideen sch�ne, brauchbare Schmuck-st�cke entstehen zu lassen. Neben den Bildern, die zurErl�uterung der handwerklich-technischen Prozesseerforderlich sind, wurden immer wieder Schmuck-

st�cke gezeigt, an denen man die gestalterische Um-setzung der jeweiligen Arbeitstechnik erkennen kann.Jetzt, am Ende des 9. Kapitels, werden in der kleinenSchmuckvitrine einige meisterliche Arbeiten gezeigt,an denen man erkennen kann, welche gestalterischenM�glichkeiten sich aus der Kombination der verschie-denen Goldschmiedetechniken ergeben.

Bild 9.35Ring. Au 900, Platin, S�dseeperle, Brillanten(Ute Buchert-B�ge, Rodenbek)

Bild 9.36Ring. Au 900, Platin, Brillanten(Ute Buchert-B�ge, Rodenbek)

Bild 9.37Ring. Au 900, eingeschweißtesPlatingitter, Tahiti-Perle, Brillant(Wilhelm Buchert, Rodenbek)

Bild 9.38Ring. Au 900, gelbe Saphire(Wilhelm Buchert, Rodenbek) 411]

9 Vollendende Techniken

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15 Blick in die Zukunft

15.1 Das virtuelle Schmuckst�ckEwald Klopf, Goldschmiedemeister in Wien, hat allehier abgebildeten Computerdarstellungen geschaffenund dankenswerterweise zur Verf�gung gestellt.Mit spitzem Pinsel und Aquarellfarben habe ich 50Jahre lang meine Schmuckentw�rfe gemacht, ge-nauso wie es seit Jahrhunderten �blich war, und ichw�re nie auf den Gedanken gekommen, dass mandas jemals so ganz anders machen k�nnte.Gewiss, ich kannte einfache Computerdarstellungen,aber die waren tats�chlich sehr einfach!

Da fand ich ganz zuf�llig im Internet den IrischenLiebesring mit den beiden H�nden! Ich erkundigtemich sofort bei Ewald Klopf: »Kein Foto – ein virtu-elles Schmuckst�ck!« Ich war begeistert – bin es im-mer noch – und so habe ich mich ganz spontan ent-schlossen, diesen »Blick in die Zukunft« in letzterMinute dem Manuskript anzuf�gen.Der Bildschirm des Computers ist der Zeichenblock,Maus und Tastatur ersetzen Zeichenstift und Lineal,Pinsel und Aquarellkasten.

Sch�n w�re es, wenn ich hier mit einigen S�tzen eineGebrauchsanleitung geben k�nnte, aber um die Qua-lit�t der hier abgebildeten virtuelle Schmuckst�ckezu erreichen, bedarf es eines intensiven Studiums,sehr viel �bung und der Beherzigung des nachden-kenswerten Ausspruchs von Karl Valentin: »Kunst istsch�n – macht aber viel Arbeit! «

Einige Voraussetzungen seien erw�hnt:

� Um das virtuelle Schmuckst�ck �berzeugend dar-stellen und sp�ter materiell realisieren zu k�nnen,soll der Gestalter die Arbeitstechniken des Gold-schmieds und des Fassers gut kennen.

� Man braucht einen Computer mit einem sehr leis-tungsf�higen Mikroprozessor.

� Die Software-Pakete m�ssen so beschaffen sein,dass die Geometrieobjekte erstellt und dann mitHilfe unterschiedlicher Texturen �berzogen wer-den k�nnen.

� Die Gestaltung der Oberfl�che in Edelmetallfarbe,Hochglanz und Spieglung der Metalloberfl�che,Glanz und Feuer der Edelsteine stellen h�chsteAnforderungen an Gestalter und Computer.

Am Beispiel des Silberrings mit Zitrin kann man dieArbeitsschritte des Verfahrens gut erkennen:

� Der Ring wird zun�chst mithilfe eines Gittersys-tems in zwei Ansichten dargestellt, die zu einemdreidimensionalen Bild zusammengefasst werden(Bild 15.1).

� Die r�umliche Darstellung wird so gedreht, dassman die Gestaltung des Rings gut erkennen kann(Bild 15.2).

� So, wie man fr�her auf die Spanten eines Segel-flugzeugs die Stoffbahnen klebte, wird das r�umli-che Gittermodell mit einer Textur �berzogen, dieeingef�rbt und mit den Effekten der Spieglungund des Glanzes aufbereitet wird (Bild 15.3).

Der Liebesring (Bilder 15.4 und 15.5) mit den beidenH�nden ist ein Beispiel f�r die Virtuosit�t virtuellerSchmuckgestaltung.Der Schmuckgestalter kann seine Idee in optimalerQualit�t sichtbar machen, das virtuelle Schmuckst�ck�bertrifft jede Fotografie eines realen Schmuckst�cks.Mit den Computerdaten kann in einer speziellen An-lage ein Kunststoffmodell des konkreten Rings auf-gebaut werden, mit dessen Hilfe schließlich aus demvirtuellen Abbild ein ganz realer Silber- oder Goldringentsteht.

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15 Blick in die Zukunft

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Bild 15.1Silberring mit Zitrin. Darstellung mitGittersystem: Hauptansicht, Seiten-ansicht, dreidimensionale Zusammen-fassung

Bild 15.2Silberring mit Zitrin. Darstellung mit Gittersystem: optimale3D-Ansicht

Bild 15.3Silberring mit Zitrin. Das virtuelle Schmuckst�ck

Bild 15.4Irischer Liebesring. Darstellung mit Gittersystem

Bild 15.5Irischer Liebesring. Gold mit Edelsteinen: Das virtuelleSchmuckst�ck[580

15 Blick in die Zukunft


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