+ All Categories
Home > Documents > Entwicklungslinien der jugendlichen

Entwicklungslinien der jugendlichen

Date post: 27-Nov-2021
Category:
Upload: others
View: 0 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
38
Entwicklungslinien der jugendlichen Borderline-Persönlichkeitsstörung F. Resch Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Universitätsklinikum Heidelberg Innsbruck, 2017
Transcript

Entwicklungslinien der jugendlichen

Borderline-Persönlichkeitsstörung

F. Resch

Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie

Universitätsklinikum Heidelberg

Innsbruck, 2017

Borderline-Persönlichkeitsstörung

• anhaltend - umfassende Instabilität • Zwischenmenschliche Beziehungen

• Selbstbild

• Affektregulation

• Impulsivität

Scientific American, 2009

Borderline-Persönlichkeitsstörung (DSM-5-Kriterien)

1. Verzweifelte Versuche, tatsächliches oder vorgestelltes Verlassenwerden zu vermeiden

2. Muster von instabilen und intensiven Beziehungen

3. Identitätsstörung mit durchgängig instabilen Selbstbild oder Selbstwahrnehmung

4. Impulsives Verhalten mit potentiell selbstschädigenden Verhaltensweisen

Borderline-Persönlichkeitsstörung (DSM-5-Kriterien)

5. Wiederholte suizidale Handlungen, Suizidandrohungen oder selbstverletzendes Verhalten

6. Affektive Instabilität

7. Chronisches Gefühle der inneren Leere

8. Unangemessene, sehr heftige Wut oder Schwierigkeiten Wut zu kontrollieren

9. Vorübergehende, stressabhängige paranoide Vorstellungen oder dissoziative Symptome

BPD bei Jugendlichen: Drei Mythen

• Mangel an Validität: – Instabilität von Affekt, Selbstbild und Beziehungsmustern

altersgemäß? nein: Entwicklungsgefährdung

• Mangel an Stabilität: – Kategorielle Diagnose/Symptombelastung: 2-jahres-

stabilität wie bei Erwachsenen

• Keine Therapie – nur Stigma: – Störungsspezifische Psychotherapie

Kaess & Brunner 2016

Borderline-

Persönlichkeitsentwicklungsstörung

• Frühformen und prodromale Zeichen

schon bei Kindern

• Subjektive Beeinträchtigung

• Schwere Bindungsprobleme mit

Bezugspersonen

• Schul- und Leistungsprobleme

• Frühe Anzeichen – frühe Intervention

(Kaess et al. 2012)

Mittleres Alter = 16 (SD = 1.5), NBPD- = 102, NBPD+ = 78

biologische

psychologische

soziokulturelle

Faktoren

Traumatische

Einflüsse

Dynamische Interaktion

kritische Entwicklungsperioden

Heidelberger Schulstudie, n=5832: Brunner et al. Arch Pediatr Adolesc Med. 2007;161(7)

Heidelberger Schulstudie: Brunner et al. Arch Pediatr Adolesc Med. 2007;161(7)

suizidales Verhalten wird von

den Eltern nur selten erkannt

Prävalenz von selbstverletzendem

Verhalten im Jugendalter

(Brunner*, Kaess* et al., 2014) Seyle-Studie: n = 12068

~20% SVV bei 15 jr. Jugendlichen

• Prädisponierende Faktoren?

• Definition spezifischer Vulnerabilität?

Entwicklungswege in die BPD

0.5% bis 5.9% (median 2.8%) BPD bei 25 jr. Erwachsenen

~90%

~30%

Genetische Studien 1

• Heritabilitätsschätzung (Zwillingsstudien, Familienstudien): 35%-45% (Torgersen et al. 2008; Kendler et al. 2008; Distel et al. 2009, 2011)

• Unterschiedliche genetische Faktoren (Kendler et al. 2008)

– negative Emotionalität

– Impulsivität

– Introversion

• Chromosom 9 wahrscheinlichstes Kandidatengen (Distel et al. 2008)

Genetische Studien 2

• Komplexe Gen-Umwelt Interaktion

– Sensitiver Genotyp ↔ prädisponierende

Umweltrisiken

– Sensitiver Genotyp → erhöhte

Wahrscheinlichkeit sich negativen

Lebensereignissen auszusetzen

(siehe Übersicht bei Chanen & Kaess, 2012)

Molekulare Befunde 1

Stress

life events

Suizidales Verhalten

SVV

Depression

erhöhtes Risiko wenn s-Allel-Carrier

(nicht wenn l/l homozygot)

(Lin et al., 2004; Brent u. Mann, 2005)

Serotonin-Transporter-Gen-Promotor (5 HTTLPR)

Polymorphismus

Molekulare Befunde 2

• Serotonin-Transporter-Gen-Promotor (5 HTTLPR) Polymorphismus

– moduliert den Zusammenhang zwischen kritischen Lebensereignissen und Impulsivität bei Patienten mit BPD (Wagner et al. 2009)

– Probleme der Replikation der Ergebnisse (Pasqual et al. 2008; Tadic et al. 2010)

– Träger des s-Allels im Kindes- und Jugendalter haben die deutlichsten BPD Persönlichkeitszüge (Hankin et al. 2011)

Rolle von Traumen in der

Ätiologie? Prospektive Studien (CIC study)

• Child abuse/neglect (4x BPD Risko) – körperliche Misshandlung

– sexueller Missbrauch

– Vernachlässigung

• Kindesmisshandlung (BPD odds ratio = 7.7)

• Inkonsistenz in der Erziehung + Überinvolviertheit

• Frühe Trennungserlebnisse (in den ersten 5 Lebensjahren)

(Cohen et al. 2005, 2008; siehe Übersicht bei Chanen & Kaess 2012)

Borderline-Symptome und traumatische

Kindheitserlebnisse

CECA-Interview, SKID-II Interview, n = 187, r = 0.3209, p < 0.001

BPD und graue Substanz

Graue Substanz verringert bei Jugendlichen mit BPD im Vergleich zu gesunden

Kontrollen, FWE-korrigiert, p<0.05, k=50 (Brunner et al., 2010, Neuroimage)

Rechter dorsolateraler

prefrontaler Cortex

Linker orbitofrontaler

Cortex

Linker dorsolateraler

prefrontaler Cortex

Neuropsychologie

• Stärkere Orientierung auf negative

Gesichtsausdrücke

• Haften an negativen Gesichtsausdrücken,

wenn depressiv

• Hypermentalisierung / Überinterpretieren

der Motive anderer

• Präferenz unmittelbarer Belohnung

Kaess et al 2014

Instabilität

Findet affektive Instabilität auf

vegetativ/somatischer Ebene

oder in der

Kognitiven Reflexion

statt?

SVV und Stressantwort

Trier Social Stress Test, 15 Jugendliche mit SVV, 20 gesunde Kontrollen, Alter 15-17.

SVV Gruppe hat verringerte Cortisol-Response, aber normale Pulse-Response.

(Kaess et al. 2012)

BPD und Schmerzwahrnehmung

Weibliche Jugendliche, Alter 16±2, 20 Patientinnen mit BPD, 20 gesunde Kontrollen,

Quantitative Sensory Testing mit TSA-2001 Thermoden. Bei BPD erhöhte Schmerzschwelle

aber normale Wahrnehmungsschwelle (Ludäscher et al, 2015).

Vorläufersymptome und frühe

Symptome

• Wutanfälle • häufiges Weinen / forderndes Verhalten

(BPD-Risiko erhöht 30 Jahre später)

• Verhaltensprobleme + emotionale Störungen

• Oppositionelle Störungen / ADHS in Kindheit und

Jugendalter + Depression

• Impulsives Risikoverhalten

• Substanzmissbrauch (Alkohol)

• SVV (Chanen & Kaess 2012)

Emotionaler Dialog

• affect attunement

– Differenzierte Antwort auf Gefühlsausdrücke

– durch veränderte Antwortamplitude Modulation

• social referencing

– Soziale Referenzierung / Bedeutungsgebung

• joint attention

– Gemeinsame Aufmerksamkeit auf ein Drittes

Emotionaler Dialog

• 6-12 Wo.: Konversationsähnlicher

Austausch

– Protokonversation

– Unterscheidung von

Person und Ding

(Brazelton 1974; Trevarthen 1974; Tarabulsy et al. 1996; Übersicht bei Dornes 2006)

Depression und Dissoziation bei

traumatisierten Müttern stört empfindlich

den emotionalen Dialog

Kinder mit Einschränkungen

der Kontaktfähigkeit

beeinflussen die

Dialogfähigkeit der Mutter

Affect Attunement

Joint attention

Kind folgt dem Finger

Bezugsperson

Kind zeigt

Bezugsperson folgt dem Finger (bringt eventuell)

Kind zeigt

Bezugsperson benennt

Borderline-Persönlichkeits-Störung

• Entwicklungsstörung der wichtigen

Bindungen

• Störung des emotionalen Dialogs

• Störung der Selbstregulation

• KEINE apriori-Hyperreagibilität und

Stressempfindlichkeit!

Entwicklung der Borderline-

Persönlichkeitsstörung

Fragilität vs.

Plastizität der

kindlichen

Persönlichkeit

somatische

Einflüsse

genetische

Disposition

psychosoziale

Entwicklungs-

einflüsse

wiederholte interpersonelle Traumata

Fehlen von protektiven Faktoren, Störungen im

Bindungskontext, Mangel/Vernachlässigung

Fundamentale

Störung der

Affektregulation

und

Selbstregulation

„Vulnerables Selbst“

DepressiveVerstimmungen

Depersonalisation

Somatisierung

Selbstverletzung

Suizidalität

Suchtmittelmissbrauch

Warnzeichen

• Repetitives SVV + Suizidalität

• Häufige emotionale Ausbrüche

• Häufige Streitsituationen

• Selbstwertprobleme

• Identitätsprobleme

Frühintervention bei BPD

• Reduktion der kumulativen Traumatisierung

• Misshandlung, Missbrauch

• Reduktion komorbider Störungen

• Depression, Substanzmissbrauch

• Reduktion von iatrogenen Schäden

• Langzeithospitalisierung, Polypharmakotherapie

• Reduktion negativer sozialer Folgen

• Beruf, Ausbildung, soziales Netz

Kaess 2016

AtR!Sk – Ambulanz für Risikoverhalten und

Selbstschädigung

• Selbstverletzung

• Suizidalität

• Substanzmissbrauch

• Internetsucht

• Promiskuität

• Schulverweigerung

• Impulsives und delinquentes Verhalten

Krankenkassenmodell

Dietmar-Hopp-stiftung

AtR!Sk - Ambulanz

• Stufe 1: „offene Sprechstunde“

• Stufe 2: umfassende Diagnostik

• Stufe 3: ambulante Behandlung • Psychosoziales Management, Psychotherapie

• Stufe 4: „Eskalationsstufe“ • Krisenintervention, Suizidprophylaxe

Dialektisch-behaviorale Therapie für

Adoleszente (DBT-A)

Akzeptanz

der Gegenwart

Veränderung

der Gegenwart

Veränderung durch Akzeptanz

Gruppentherapie: Skillsgruppe

(2x in der Woche)

Unterstützung durch

Pflege- und Erziehungsdienst

Einzeltherapie 2x in der Woche

DBT-A Konzept STEP


Recommended