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Entwicklung und Validierung eines Modells zur Abschätzung ... · tik) untersucht. Mit diesen...

Date post: 07-Aug-2019
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Zentrum für Angewandte Geowissenschaften Lehrstuhl für Angewandte Geologie Statusseminar Sickerwasserprognose 2004 FKZ 02WP0198 Projektleiter: PD Dr. Liedl, Universität Tübingen, 07071/297-6991 Projektleiter: PD Dr. habil. R. Liedl Tübingen, den 19. 03. 2004 Prof. Dr. P. Grathwohl Wiss. Bearbeiter: Dr. D. Halm Dipl.-Hyd. S. Bold (bis einschl. Februar 2003) Dipl.-Geol. I. Madlener (April bis einschl. Juli 2003) E. A. Amankwah, MSc. (ab Oktober 2003) Entwicklung und Validierung eines Modells zur Abschätzung der Stoffkonzentration am Beurteilungsort – Teil 1: Bestimmung der Retardation unter Nichtgleichgewichtsbedingungen Statusseminar, 23. / 24. März 2004 in Karlsruhe Projektnummer: 02WP0198
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Zentrum für Angewandte Geowissenschaften

Lehrstuhl für Angewandte Geologie

Statusseminar Sickerwasserprognose 2004 FKZ 02WP0198 Projektleiter: PD Dr. Liedl, Universität Tübingen, 07071/297-6991 Projektleiter: PD Dr. habil. R. Liedl Tübingen, den 19. 03. 2004 Prof. Dr. P. Grathwohl

Wiss. Bearbeiter: Dr. D. Halm Dipl.-Hyd. S. Bold (bis einschl. Februar 2003) Dipl.-Geol. I. Madlener (April bis einschl. Juli 2003) E. A. Amankwah, MSc. (ab Oktober 2003)

Entwicklung und Validierung eines Modells zur Abschätzung der Stoffkonzentration am

Beurteilungsort – Teil 1: Bestimmung der Retardation unter

Nichtgleichgewichtsbedingungen

Statusseminar, 23. / 24. März 2004 in Karlsruhe

Projektnummer: 02WP0198

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1 Einleitung In diesem Projekt wird das Modellwerkzeug SMART (StromröhrenModell für Advektiven

und Reaktiven Transport) weiterentwickelt, mit dem Konzentrationen und Frachten organi-

scher Schadstoffe im Sickerwasser am Ort der Beurteilung (Grundwasserspiegel) prognosti-

ziert werden können. SMART soll die Vorhersage mittlerer, d. h. über längere Zeiträume zu

erwartender Stoffkonzentrationen bzw. -frachten ermöglichen, da gerade diese (Langzeit-)

Werte für die Beurteilung des Stoffeintrags ins Grundwasser entscheidend sind. Die Qualität

des Prognosewerkzeugs wird durch die Zusammenarbeit mit experimentell orientierten Grup-

pen innerhalb des Kleinverbunds „Entwicklung und Validierung eines Modells zur Abschät-

zung der Stoffkonzentration am Beurteilungsort“ sichergestellt, sodass sowohl die transportre-

levanten Prozesse (z. B. Sorption / Desorption, Einfluss bevorzugter Wegsamkeiten, Bioab-

bau, partikelgetragener Transport) als auch die zugehörigen Prozessparameter im Modellan-

satz adäquat berücksichtigt werden.

Schwerpunkte im Berichtszeitraum (01. 01. bis 31. 12. 2003) waren die Überprüfung der

Tauglichkeit des Modells SMART beim Auftreten gekoppelter Prozesse und die Anwendung

von SMART auf ein Szenario der EU-Deponierichtlinie. Insbesondere wurde dabei der Ein-

fluss der Sorption unter Gleichgewichts bzw. Ungleichgewichtsbedingungen (Sorptionskine-

tik) untersucht. Mit diesen Arbeiten wurden die in den bisherigen Zwischenberichten (Liedl et

al., 2002, 2003) sowie in Schmidt (2003) und Bold et al. (2003) vorgestellten Modellstudien

und Laborexperimente zu Einzelprozessen folgerichtig ergänzt. Da die Grundlagen des Mo-

dellwerkzeugs SMART bereits im Zwischenbericht 2001 (Liedl et al., 2002) beschrieben

wurden, wird auf eine entsprechende Darstellung im folgenden verzichtet. SMART wird ü-

berdies in Finkel (1999), Finkel et al. (1999) und Bold (2004) eingehend behandelt.

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2 Kopplung Sorption - Bioabbau Dieses Kapitel befasst sich mit dem gemeinsamen Einfluss des Bioabbaus und des Schad-

stoffrückhalts durch Sorption in der Bodenmatrix. Das Modellwerkzeug SMART wird zu-

nächst anhand von Labordaten validiert (Abschnitt 2.1) und anschließend im Rahmen einer

Parameterstudie angewendet (Abschnitt 2.2).

2.1 Modellvalidierung

Die Validierung von SMART für ein Szenario, bei dem sowohl mikrobieller Abbau als auch

Sorption an der Bodenmatrix relevant sind, wurde anhand von Daten mehrerer Säulenexperi-

mente durchgeführt (Langner et al., 1998). Als reaktiver Stoff wurde dabei 2,4-Dichlorphe-

noxyessigsäure (2,4-D) verwendet, die auf wasserungesättigte Bodensäulen mit einer Kon-

zentration von 1 mg/L unter stationären Strömungsbedingungen über einen Zeitraum von 10

Porenvolumina aufgebracht wurde. Hierbei variierten Langner et al. (1998) die Strö-

mungsgeschwindigkeit für Säulen verschiedener Länge (9.5 cm, 28.5 cm, 85.5 cm). Das Füll-

material bestand jeweils aus 85% Sand, 12% Schluff und 3% Ton. Vorabuntersuchungen in

Batch-Experimenten ergaben des weiteren, dass die Sorption von 2,4-D an diesem Füllma-

terial unter der Annahme von Gleichgewichtsbedingungen mit einer linearen Isotherme (Ver-

teilungskoeffizient Kd = 0.66 L/kg) gut nachgebildet werden kann.

Im Projekt wurde die in den Batch-Versuchen von Langner et al. (1998) festgestellte CO2-

Produktion herangezogen, um die Abbaukinetik von 2,4-D zu bestimmen. Die entsprechende

Modellkalibrierung (Abb. 1) führte auf eine Abbaukinetik nullter Ordnung mit einer Halb-

wertzeit von 78 d.

Abb. 1: CO2-Produktion durch mikrobiellen Abbau von 2,4-D (Messwerte aus Langner et al., 1998)

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Mit diesen Parameterwerten wurden die Säulenversuche von Langner et al. (1998) zunächst

„vorwärts“, d. h. ohne weitere Modellkalibrierung, simuliert. Die gemessenen und mit

SMART modellierten Durchbruchskurven sind in Abb. 2 als durchgezogene Kurven darge-

stellt. Hierbei ergibt sich eine gute bis sehr gute Prognosequalität des Modells für Verweilzei-

ten bis zu ca. 20 h (Abb. 2a, b, d, e). Dagegen wird die Langzeitkonzentration bei einer Ver-

weilzeit von 50 h (Abb. 2c) stark überschätzt.

Abb. 2: Gemessene und modellierte Durchbruchskurven von 2,4-D für verschiedene Verweilzeiten (τ = x/v) und

Säulenlängen x (Messdaten aus Langner et al., 1998)

PV [-]

c/c 0

[-]

0 5 1000.5

1

observedmodelled (measured n-th-order kinetics)modelled (measured L.-H. kinetics)modelled (fitted n-th order kinetics)

PV [-]

C/C

INP

[-]

0 2 4 6 8 100

0.10.20.30.40.50.60.70.80.9

1

PV [-]

C/C

INP

[-]

0 2 4 6 8 100

0.10.20.30.40.50.60.70.80.9

1

PV [-]

C/C

INP

[-]

0 2 4 6 8 100

0.10.20.30.40.50.60.70.80.9

1

PV [-]

C/C

INP

[-]

0 2 4 6 8 100

0.10.20.30.40.50.60.70.80.9

1

PV [-]

C/C

INP

[-]

0 2 4 6 8 100

0.10.20.30.40.50.60.70.80.9

1

Messdaten (Langner et al., 1998) reine Vorwärtsmodellierung Kalibrierung bei a) und c)

a) x = 28.5 cm τ = 5.5 h

b) x = 28.5 cm τ = 18.7 h

c) x = 28.5 cm τ = 50.0 h

d) x = 9.5 cm τ = 20.4 h

e) x = 85.5 cm τ = 15.0 h

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Mit einer zusätzlichen Modelleichung anhand der Ergebnisse der Säulenversuche kann die

Prognosequalität verbessert werden. Für diesen Schritt wurden die Messergebnisse aus den

Experimenten mit der kürzesten und der längsten Verweilzeit herangezogen und die Halb-

wertzeit als Eichparameter verwendet. Die gestrichelten Durchbruchskurven in Abb. 2 zeigen

die Resultate der Kalibrierung (Abb. 2a, c) bzw. der verbleibenden Vorwärtssimulationen

(Abb. 2b, d, e).

Die Verwendung von Säulenversuchsdaten bei der Modellkalibrierung lieferte eine Halbwert-

zeit von 30 d (statt 78 d auf der Basis von Batch-Daten). In diesem Beispiel können Halb-

wertzeiten aus Batch-Experimenten somit nicht auf Säulenversuche übertragen werden. Ein

Vergleich der simulierten Durchbruchskurven in den Abb. 2b, d und e zeigt, dass die Ver-

wendung von Ergebnissen der Säulenexperimente für die Modelleichung die Prognosefähig-

keit des Modells insbesondere im Hinblick auf Langzeitkonzentrationen verbessert.

2.2 Parameterstudien zum Einfluss der Sorptionskinetik

Während bei der Modellvalidierung im vorhergehenden Abschnitt die Annahme der Gleich-

gewichtssorption gerechtfertigt war, kann i. a. die Berücksichtigung der Sorptionskinetik er-

forderlich werden. In diesem Abschnitt wird daher der gemeinsame Einfluss der Sorptionski-

netik und des mikrobiellen Abbaus auf die Schadstoffausbreitung in der ungesättigten Zone

im Rahmen einer Parameterstudie untersucht. Der konservative Transport wird dabei als rei-

ner Advektionsprozess (ohne Dispersion), die Sorptionskinetik wird mittels eines Intraparti-

keldiffusionsansatzes modelliert (z. B. Grathwohl, 1998). Darüber hinaus wird angenommen,

dass die Intrapartikelporen für die Mikroorganismen unzugänglich sind und darin befindliche

Schadstoffe somit keinem mikrobiellen Abbau unterliegen. Der Abbau von Schadstoffen im

mobilen Wasser wird mit einem Ratengesetz erster Ordnung beschrieben, das z. B. von Paste-

ris et al. (2002) für die Modellierung von Lysimeterexperimenten herangezogen wurde. Die

Parameterwerte für die nachfolgenden Simulationen sind Tab. 1 zu entnehmen.

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Tab. 1: Modellparameter für Parameterstudien

Parameter Wert Quelle Konzentration [mg/L] 10.0 konservativer Transport Mittlere Verweilzeit [a] 1.0 Dispersivität [cm] 0 Sorption Wassergehalt [-] 0.15 Lagerungsdichte [kg/m3] 1.90*103 Feststoffdichte [kg/m3] 2.73*103 Korndurchmesser [mm] 2.0 Intrapartikelporosität [-] 0.01 Verteilungskoeffizient [L/kg] 1.0 Diffusionskoeffizient in Wasser [m2/s] 7.68*10-10

Abbau Halbwertzeit [a] 1.0

Abb. 3 zeigt normierte Durchbruchskurven für verschiedene Szenarien ohne (Abb. 3a) bzw.

mit (Abb. 3b) Bioabbau. Die Durchbruchskurven beider Teilabbildungen decken dabei das

gesamte Spektrum der Sorption von Gleichgewichtsbedingungen („instantane Sorption“) bis

hin zu einer extrem langsamen und daher vernachlässigbaren Schadstoffaufnahme ab. Als

Maßzahl für die relative Bedeutung der Schadstoffsorption gegenüber dem advektiven Trans-

port dient dabei die Damköhler-Zahl Da. Diese drückt das Verhältnis der charakteristischen

Zeitskalen für Advektion und Sorption aus, wobei hohe Damköhler-Zahlen „schnellen“ Sorp-

tionsprozessen entsprechen. Bei einer Damköhler-Zahl von Eins sind die Einflüsse von Ad-

vektion und Sorption auf die Schadstoffausbreitung gleich groß.

Abb. 3: Gemeinsamer Einfluss von Sorptionskinetik und Bioabbau auf die Schadstoffkonzentration am Beurtei-

lungsort

PV [-]

C/C

INP

[-]

0 5 10 15 20 250

0.10.20.30.40.50.60.70.80.9

1

PV [-]

C/C

INP

[-]

0 5 10 15 20 250

0.10.20.30.40.50.60.70.80.9

1

a) b)

Gleichgewicht Da = 500 Da = 1 Da = 0.005 reine Advektion

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Aus Abb. 3 ist ersichtlich, dass der mikrobielle Abbau im gesamten Simulationszeitraum zu

einer Verringerung der Schadstoffkonzentrationen führt. Sorptionsprozesse beeinflussen le-

diglich das Durchbruchsverhalten, nicht hingegen die auf lange Sicht zu erwartenden Kon-

zentrationen, da die Sorptionsplätze dann vollständig belegt sind. Eine langfristige Abnahme

der Grundwasserbelastung erfolgt im hier betrachteten Szenario (konstante Quellkonzentrati-

on, keine Dispersion) somit nicht infolge von Schadstoffrückhalt / Sorption, sondern allein

durch Bioabbau.

Bei Vorhandensein von Dispersion wird der konzentrationsmindernde Einfluss des Bioabbaus

allerdings zum Teil wieder aufgehoben (Abb. 4). Mit wachsender Dispersion werden die

Verweilzeiten eines zunehmenden Anteils des Schadstoffs erhöht, wodurch sich die Wirkung

des Bioabbaus abschwächt (Cai, 2004).

0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0 5 10 15 20 25 30PV

C/C

0

ohne Dispersion

5 cm

50 cm

C/C0 = 0.50C/C0 = 0.51

C/C0 = 0.57

Abb. 4: Gemeinsamer Einfluss von Sorptionskinetik und Bioabbau auf die Schadstoffkonzentration am Beurtei-

lungsort für Dispersivitäten von 0 cm, 5 cm und 50 cm (Transportstrecke 100 cm)

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Die Abhängigkeit der Langzeitkonzentration von der Dispersion tritt allerdings nicht auf,

wenn kein Bioabbau vorliegt. In diesem Fall werden stets – also unabhängig von der Disper-

sion – 100% der Zugabekonzentration erreicht. Dies zeigt Abb. 5 für verschieden große Ein-

flüsse von Sorption und Dispersion. Als Maßzahl für dispersive Effekte wird dabei die Peclet-

Zahl Pe verwendet, die das Verhältnis typischer Längenskalen für Advektion und Dispersion

angibt, wobei große Peclet-Zahlen zu advektionsdominierten Transportvorgängen gehören.

PV [-]

C/C

INP

[-]

0 5 10 15 20 250

0.10.20.30.40.50.60.70.80.9

1

without dispersionPe = 100V3V7V4V8

PV [-]

C/C

INP

[-]

0 5 10 15 20 250

0.10.20.30.40.50.60.70.80.9

1

without dispersionPe = 1V3V7V4V9

PV [-]

C/C

INP

[-]

0 5 10 15 20 250

0.2

0.4

0.6

0.8

1

without dispersionPe = 0.01V3V7V4V9

Abb. 5: Gemeinsamer Einfluss von Dispersion und Sorptionskinetik auf die Schadstoffkonzentration am Beur-

teilungsort

kons. Transport

Damatrix = 1

Gleichgew.

kons. Transport

Damatrix = 1

Gleichgew.

kons. Transport

Damatrix = 1

Gleichgew.

a)

c)

b)ohne DispersionPe = 1

ohne DispersionPe = 100

ohne DispersionPe = 0.01

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Zusammenfassend bleibt somit festzuhalten, dass mikrobieller Abbau zu einer Reduktion der

Langzeitkonzentration führt, die jedoch nicht vom Schadstoffrückhalt an der Bodenmatrix

(Sorption) abhängt. Hingegen sind dispersive Prozesse in der Lage, die durch Bioabbau be-

dingte Verringerung der Stoffkonzentrationen geringfügig abzuschwächen. Das Durchbruchs-

verhalten bis zum Erreichen des zeitunabhängigen Konzentrationswerts am Grundwasserspie-

gel wird hingegen von Sorptionsprozessen ganz wesentlich beeinflusst. 50% der Langzeit-

konzentration werden dabei umso später erreicht, je mehr die Schadstoffsorption an der Bo-

denmatrix einem Gleichgewichtsprozess entspricht.

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3 Kopplung Bioabbau – partikelgetragener Transport Der gemeinsame Einfluss von Bioabbau und partikelgetragenem Transport auf die Schad-

stoffausbreitung in der ungesättigten Zone wird nachfolgend anhand einer Parameterstudie il-

lustriert. Dabei wird der konservative Stofftransport als reiner Advektionsprozess modelliert

(keine Dispersion). Wie in Abschnitt 2.2 wird Bioabbau wiederum mittels eines Ratengeset-

zes erster Ordnung beschrieben. Für die Sorption des Schadstoffs in der Bodenmatrix wie

auch in den mobilen Partikeln wird ein Intrapartikeldiffusionsmodell zugrunde gelegt. Dieser

Ansatz wurde von Bold et al. (2003) für die Sorption von TCE an mobilen Braun- und Aktiv-

kohlepartikeln erfolgreich verwendet. Eine Wechselwirkung zwischen mobilen Partikeln und

der Bodenmatrix (z. B. Abscheidung) wird im folgenden außer Acht gelassen. Des weiteren

wird angenomen, dass im Zustrom ein physiko-chemisches Gleichgewicht zwischen gelöstem

und in Partikeln sorbiertem Schadstoff vorliegt (prä-equilibrierte Suspension).

Abb. 6 zeigt normierte Durchbruchskurven für Szenarien ohne (Abb. 6a) und mit (Abb. 6b)

mikrobiellem Abbau. Der Bezugswert CINP stellt dabei die gesamte mobile Schadstoffkon-

zentration dar und beinhaltet somit sowohl die im Sickerwasser gelösten als auch die partikel-

gebundenen Schadstoffe. Die einzelnen Kurven in beiden Teilabbildungen repräsentieren das

gesamte Spektrum des Desorptionsverhaltens des Schadstoffs von den mobilen Partikeln. Die

relative Bedeutung der Schadstoffsorption an Partikeln gegenüber dem advektiven Transport

kann wiederum mittels Damköhler-Zahlen ausgedrückt werden (Abschnitt 2.2).

+ + + + + + + + + + + + + + + ++++++++++++++++++++++++++ + + + + +

PV [-]

C/C

INP

[-]

0 5 10 15 200

0.10.20.30.40.50.60.70.80.9

1 without particlesequilibriumDa,particle = 500Da,particle = 1Da,particle = 0.005uncoupled transport

+

+ + + + + + + + + + + + + + ++++++++++

+++ + + + + +

PV [-]

C/C

INP

[-]

0 5 10 15 200

0.10.20.30.40.50.60.70.80.9

1without particlesequilibriumDa,particle = 500Da,particle = 1Da,particle = 0.005uncoupled transport

+

Abb. 6: Gemeinsamer Einfluss von partikelgetragenem Transport und Bioabbau auf die Schadstoffkonzentrati-

on am Beurteilungsort

Falls die Desorption der Schadstoffe von den Partikeln unter Gleichgewichtsbedingungen (d.

h. „schnell“) abläuft, dann verschiebt sich die Durchbruchskurve gegenüber dem Szenario

a) b)

+ ohne Partikel Gleichgew. DaPartikel = 500 DaPartikel = 1 DaPartikel = 0.005 entkoppelt

+ ohne PartikelGleichgew. DaPartikel = 500 DaPartikel = 1 DaPartikel = 0.005 entkoppelt

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ohne Partikel in Richtung kürzerer Verweilzeiten. Sehr langsame Desorption kann unter der

Annahme modelliert werden, dass kein Schadstoffaustrag aus den Partikeln stattfindet („ent-

koppelter Transport“). In diesem Fall bricht der partikelgebundene Schadstoff nach 1 PV

durch und die Durchbruchskurve stimmt für spätere Zeiten mit dem Ergebnis des Szenarios

ohne Partikel überein. Eine Zwischenstellung nehmen die Durchbruchskurven für eine Dam-

köhler-Zahl gleich Eins ein (gleichwertiger Einfluss der Schadstoffdesorption von Partikeln

und des advektiven Transports).

Liegt mikrobieller Abbau vor, dann verursacht partikelgetragener Transport eine Erhöhung

(auch der normierten!) langfristig zu erwartenden Schadstoffkonzentration am Ort der Beur-

teilung. Partikelgetragener Transport kann somit den risikomindernden Einfluss des mikro-

biellen Schadstoffabbaus abschwächen.

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4 Anwendungsbeispiel Abschließend soll anhand eines Beispiels, das an die EU-Deponierichtlinie angelehnt ist (z. B.

Guyonnet 2000; van der Sloot et al., 2000), demonstriert werden, wie SMART beim Vorhan-

densein mehrerer gekoppelter Prozesse angewendet werden kann. Das entsprechende Szena-

rio ist in Abb. 7 dargestellt.

Abb. 7: Szenario zur EU-Deponierichtlinie

Für die Sickerwasser-Transportprognose ist die Strecke zwischen den in Abb. 7 mit POC1

und POC2 gekennzeichneten Punkten von Interesse. POC2 repräsentiert den Beurteilungsort

am Grundwasserspiegel. Ausgehend von dieser Konstellation wurden realistische Parameter-

werte aus der Literatur zusammengetragen (Tab. 2), um mit SMART Prozesssimulationen un-

ter Berücksichtigung von Schadstoffsorption an der Bodenmatrix, Bioabbau, präferenziellem

Fluss und partikelgetragenem Transport zu simulieren.

5-20 m Inert waste

1 - 5m

groundwater

unsaturated zone

landfill parameters:

infiltration rate: 300 mm a-1

unsaturated zone parameters: POC1: secondary objective

POC2: secondary objective

150 m

5 m

saturated zone parameters: POC3 primary target

20 m downstream

flow direction

POC4 primary target

200 m downstream

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Tab. 2: Modellparameter zur Sickerwasserprognose für ein Szenario der EU-Deponierichtlinie

Parameter Wert Quelle PAK-Konzentration [mg/kg] 10.0 konservativer Transport Länge der Sickerstrecke [m] 5.0 Mittlere Verweilzeit [a] 5 Dispersivität [m] 0.5 Sorption Sättigungsgrad [-] 0.97 Lagerungsdichte [kg/m3] 1.5⋅103 Korndurchmesser [mm] 2.0 Intrapartikelporosität [-] 0.01 Verteilungskoeffizient [L/kg] 1.0 Diffusionskoeffizient in Wasser [m2/s] 7.68⋅10-10 Abbau Halbwertzeit [a] 0.5 Partikelgetragener Transport Partikelkonzentration [mg/L] 10 Korndurchmesser [µm] 5.0 Intrapartikelporosität [-] 0.01 Verteilungskoeffizient [L/kg] 10000 Präferenzieller Fluss Anteil [%] 5 Mittlere Verweilzeit [d] 50

Das linke Diagramm in Abb. 8 zeigt das Langzeitverhalten der Schadstoffausbreitung in Form

dreier stationärer Konzentrationsprofile. Die durchgezogene Kurve („Standardszenario“) rep-

räsentiert dabei eine Situation, bei der Schadstoffsorption an der Bodenmatrix und Schad-

stoffabbau in der mobilen Phase berücksichtigt wurden. Die beiden gestrichelten Kurven il-

lustrieren Konzentrationsanstiege aufgrund von präferenziellem Fluss sowie zusätzlich parti-

kelgetragenem Transport. In der rechten Bildhälfte sind zudem die Durchbruchskurven in 1 m

bzw. 5 m Tiefe angegeben.

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Abb. 8: Modellierte stationäre Konzentrationsprofile und Durchbruchskurven für das Szenario der EU-Deponie-

richtlinie

Die Durchbruchskurven der Abb. 8 demonstrieren die abgeschwächte Wirkung des mikrobiel-

len Abbaus sowohl aufgrund von partikelgetragenem Transport als auch aufgrund von Schad-

stofftransport entlang präferenzieller Fließwege. Der Einfluss des partikelgetragenen Trans-

ports wurde bereits in Kapitel 3 diskutiert und ist darauf zurückzuführen, dass die in mobilen

Partikeln sorbierten Schadstoffe nicht bioverfügbar sind. Demgegenüber sind Schadstoffe, die

in präferenziellen Fließwegen transportiert werden, bioverfügbar, allerdings reduziert sich ih-

re Verweilzeit in der Sickerstrecke, sodass Bioabbau nur über einen kürzeren Zeitraum aktiv

sein kann.

Dieses Beispiel illustriert augenfällig, dass eine Simulation von Prozesskopplungen, wie sie

mit SMART möglich ist, eine ganz wesentliche Voraussetzung für zuverlässige Sickerwas-

serprognosen darstellt.

C/CINP [-]de

pth

[m]

0 0.25 0.5 0.75 10

1

2

3

4

5

"standard"with pref. flowwith pref. flow and particles

time [a]

C/C

INP

[-]

0 10 20 30 40 500

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

time [a]

C/C

INP

[-]

0 10 20 30 40 500

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

0.7

0.8

0.9

1

Tiefe [m]

Zeit [a]

Zeit [a]

„Standardszenario“ mit präferenziellem Fluss mit präf. Fluss und partikelgetr. Transp.

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5 Zusammenfassung und Schlussfolgerung Mit den bisherigen Modellvalidierungen bzgl.

• Sorptions- / Desorptionskinetik (Schmidt, 2003),

• Partikelgetragenem Transport (Bold et al., 2003),

• Bioabbau / Gleichgewichtssorption (Abschnitt 2.1)

wird die Tauglichkeit des prozessbasierten Simulationswerkzeugs SMART für die modellge-

stützte Sickerwasserprognose untermauert. Die Modellierung eines Szenarios der EU-Depo-

nierichtlinie bietet zudem ein Demonstrationsbeispiel für die Einsatzmöglichkeiten von

SMART bei einer praktischen Problemstellung.

Im Hinblick auf die routinemäßige Modellanwendung im Rahmen der Sickerwasserprognose

erscheinen folgende weiteren Schritte angebracht:

• Modellvalidierung anhand von größerskaligen Experimenten (Lysimeter):

Mit diesem Schritt soll demonstriert werden, dass die Sickerwasserprognose mit SMART

auch unter naturnahen Bedingungen durchgeführt werden kann. Die entsprechende Vali-

dierung trägt ganz wesentlich zur angestrebten Justiziabilität des Modellwerkzeugs bei.

• Entwicklung einer vereinfachten und benutzerfreundlichen Modellversion:

Diese Modellversion soll den Routinebetrieb bei der Sickerwasserprognose ermöglichen.

Neben Bedienerfreundlichkeit und Robustheit ist dabei jedoch sicherzustellen, dass die in

der bisherigen Projektphase als relevant identifizierten Prozesse auch in einem vereinfach-

ten Modellwerkzeug, das z. B. in Form von Arbeitsblättern einer Tabellenkalkulations-

software aufgebaut sein könnte, korrekt abgebildet werden.

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6 Literatur Bold S. (2004): Process-based prediction of the long-term risk of groundwater pollution by

organic non-volatile contaminants, Tübinger Geowissenschaftliche Arbeiten C72, 76 S.

Bold S., Kraft S., Grathwohl P., Liedl R. (2003): Sorption / desorption kinetics of contami-nants on mobile particles: Modelling and experimental evidence, Water Resour. Res. 39(12), 1329, doi:10.1029/2002WR001798.

Cai W. (2004): Modelling the effects of enhanced solute spreading in the unsaturated zone on the bioavailability of contaminants, Master-Arbeit (unveröffentlicht), Zentrum für An-gewandte Geowissenschaften, Universität Tübingen, 58 S.

Finkel M. (1999): Quantitative Beschreibung des Transports von polyzyklischen aromati-schen Kohlenwasserstoffen (PAK) und Tensiden in porösen Medien, Tübinger Geo-wissenschaftliche Arbeiten C47, 98 S.

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