-Bachelorthesis-
Entwicklung eines Praxisleitfadens für die
Prävention und ernährungstherapeutische
Behandlung der Divertikelkrankheit
zum Erlangen des akademischen Grades
Bachelor of Science
Ökotrophologie
Vorgelegt von: Valerie Böker
Matrikelnummer: 2017229
Erstprüfer/in: Prof. Dr. oec. troph. Silya Ottens
Zweitprüfer/in: Dipl.-oec. troph. Gudrun Biller-Nagel
Tag der Abgabe: 15.05.2014
Fakultät Life Science
Studiengang Ökotrophologie
I
Vorwort
Aufgrund der inkonsistenten Datenlage zu Ernährungsinterventionen bei der Divertikel-
krankheit kann mit der vorliegenden Abschlussarbeit kein vollständig ausgearbeiteter Pra-
xisleitfaden zur Verfügung gestellt werden. Die systematische Datenbankrecherche er-
möglicht aber die übersichtliche Zusammentragung aktueller wissenschaftlicher Erkennt-
nisse mit Ableitung sowie Visualisierung von konkreten Ernährungsempfehlungen, die in
verschiedenen Stadien der Divertikelkrankheit Anwendung finden können.
Ich bedanke mich ganz herzlich bei meinen Prüferinnen Frau Ottens und Frau Biller-Nagel
für die wegweisende Betreuung und Zusammenarbeit innerhalb des Praktikums sowie bei
der Themenfindung und Anfertigung der Bachelorarbeit. Insbesondere die praktischen
Erfahrungen und enorme Wissenserweiterung innerhalb meiner Praktikumszeit im As-
klepios Westklinikum Hamburg erwiesen sich bei der Planung und Umsetzung von patien-
tenorientierten Ernährungsinformationen als sehr bereichernd.
II
Abstract
Diverticulosis is one of the most common diagnoses in gastroenterological practice. The
spread of disease occurs frequently in the western civilization. Prevalence and incidence
are age-related and rise consistently within population of the USA and Europe. The clini-
cal picture comprises structural changes of the colonic wall with mucosal herniation which
can appear as asymptomatic diverticulosis as well as acute diverticulitis with complica-
tions or recurrence and surgical management. Increasing costs and burdens of inpatient
and outpatient care and the absence of German guidelines for therapeutic use, demon-
strate the need for evidence based study results. The aim of this bachelor thesis is to as-
sess the outcome of recent clinical trials in medical databases and -outgoing from the ma-
jor results, to develop a nutritional concept for individual prevention and rehabilitation of
diverticular disease. Dietetic interventions should improve symptoms or abdominal pain,
maintain remission after an acute episode and prevent complications. The evaluation of
important nutrients and food components in terms of diverticular disease will be connected
to fundamental associations and interactions of etiology and pathophysiology. Genetic
predisposition, eating habits and physical activity are already identified as eminent factors
in course of disease. There is also a close coherence to the intestinal microbiota -which
alters in the higher ages, and determines the effect on health outcomes. The popular “fi-
bre hypothesis” from Painter and Burkitt, refers the formation of diverticula to the daily
intake of dietary fibre. The hypothesis is not evident but of clinical relevance. Other pro-
spective cohort studies find further dietary components such as animal proteins and re-
fined sugar, having a close relationship to diverticular disease. For example vegetarians,
especially people with a high consumption of fruits and vegetables, are less involved in
diverticulosis and have a lower risk for complications. Because of the variety of their
health impacts on the large intestine, -dietary fiber and probiotics are milestones in an
integrated nutritional management. Synergistic effects of different fibre types and its parti-
cle sizes are in complex correlation to the microbiota, whereby the colonic motility and
intestinal immune response are getting stimulated. A combination of bifidobacteria and
lactobacillus shows health-promoting effects on constipation, abdominal pain and flatu-
lence, so that it can be a promising treatment option for diverticular disease. Type, dosage
and required time of fibre supplements and probiotic mixtures are recommended to be
handled in subject to predominant symptoms. High-fiber diets are usually associated with
gastrointestinal discomfort such as excessive gas production and meteorism. Health pro-
fessionals should minimize initial discomfort with a holistic mentoring and practical instruc-
tion. The patient information and recipes developed in this thesis can be applied in thera-
peutic institutions.
III
Zusammenfassung
Divertikulose ist eine der häufigsten Diagnosen in der gastroenterologischen Praxis und
findet ihre Verbreitung in westlichen Industrienationen. Die Prävalenz und Inzidenz sind
stark altersabhängig und steigen stetig. Das klinische Erscheinungsbild umfasst eine oder
multiple Ausstülpungen der Mukosa und Submukosa des Kolons und reicht von asymp-
tomatischer Divertikulose über akute Divertikulitis mit kompliziertem Verlauf bis hin zu
chronisch rezidivierender Divertikulitis mit potenziell letalem Ausgang. Angesichts der
hohen Behandlungskosten und fehlenden Leitsätzen zur therapeutischen Vorgehenswei-
se bei Divertikelkrankheit soll diese Arbeit mithilfe einer systematischen Literaturrecher-
che einen Handlungsleitfaden für diätetische Interventionen entwickeln, der auf Basis sta-
tistisch signifikanter und klinisch relevanter Daten präventiv und kurativ in den verschie-
denen Stadien der Erkrankung greift und patientenindividuell adaptierbar ist. Die Erarbei-
tung und Bewertung von relevanten Nährstoffen und Nahrungskomponenten für die Diver-
tikelkrankheit erfolgt im Kontext der wesentlichen Assoziationen und Interaktionen inner-
halb der Ätiologie und Pathophysiologie. So ist eine genetische Prädisposition für den
Krankheitsverlauf ebenso bedeutsam wie Ernährungsgewohnheiten und körperliche Akti-
vität. Die Mikrobiota wird durch diese Faktoren mehr oder minder stark beeinflusst und ist
überdies im hohen Erwachsenenalter Veränderungen unterworfen, die sich ungünstig auf
den Verlauf einer Divertikulose auswirken können. Die populäre „Ballaststoff-Hypothese“
von Painter und Burkitt, nach der die Höhe der täglichen Ballaststoffaufnahme über das
Auftreten von Divertikeln entscheidet, kann bis heute weder erhärtet noch widerlegt wer-
den, während groß angelegte prospektive Kohortenstudien weitere Komponenten in der
Ernährung hervorbringen, die enge Korrelationen zur Divertikelkrankheit zeigen. Vegetari-
er haben ein signifikant geringeres Risiko für eine Divertikulose und Komplikationen. Bal-
laststoffe und Probiotika sind Meilensteine in einem ganzheitlichen Ernährungskonzept
und müssen in ihrer Art, Dosierung und Anwendungsdauer symptomorientiert gehandhabt
werden. Der synergistische Effekt unterschiedlicher Ballaststofffraktionen sowie die Parti-
kelgröße von Ballaststoffisolaten stehen in komplexer Wechselbeziehung zur Mikrobiota,
worüber Darmmotilität und intestinales Immunsystem stimuliert werden. Die kombinierte
Gabe von Bifidobakterien und Lactobacillen zeigt ein positives Wirkungsspektrum hin-
sichtlich Stuhlunregelmäßigkeiten, abdominellen Schmerzen und Flatulenz und gilt als
vielversprechende therapeutische Maßnahme bei Divertikelkrankheit. Anfängliche gastro-
intestinale Beschwerden in einer ballaststoffmodifizierten Kost müssen über eine praxis-
orientierte Beratung und Anleitung der Patienten so gering wie möglich gehalten werden,
um die Compliance zu sichern. Die in dieser Arbeit entwickelte Patienteninformation sowie
Rezeptvorschläge sollen als Instrumente in der Ernährungstherapie Anwendung finden.
Inhaltsverzeichnis
VORWORT ........................................................................................................................ I
ABSTRACT ...................................................................................................................... II
ZUSAMMENFASSUNG ....................................................................................................III
ABBILDUNGSVERZEICHNIS ........................................................................................... V
TABELLENVERZEICHNIS................................................................................................ V
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS ........................................................................................ VI
1 EINLEITUNG ............................................................................................................. 1
2 DIVERTIKELKRANKHEIT......................................................................................... 3
2.1 Definition und Klassifikation ................................................................................ 3
2.2 Epidemiologie ..................................................................................................... 7
2.3 Pathophysiologie ...............................................................................................13
3 AKTUELLE STUDIENLAGE ....................................................................................18
3.1 Evidenzbasierte Medizin ....................................................................................18
3.2 Methodik ............................................................................................................19
3.3 Auswertung relevanter Studien ..........................................................................23
3.4 Diskussion der Ergebnisse ................................................................................33
4 ERNÄHRUNGSMEDIZINISCHE ANSÄTZE IN DER PRAXIS ..................................38
4.1 Prävention der Divertikelkrankheit .....................................................................38
4.1.1 Alternative Ernährungsformen ....................................................................38
4.1.2 Ballaststoffreiche Kost ................................................................................40
4.1.3 Einsatz von Probiotika ................................................................................42
4.2 Therapie der Divertikelkrankheit ........................................................................44
4.2.1 Symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit ....................................44
4.2.2 Symptomatische komplizierte Divertikelkrankheit .......................................45
4.2.3 Chronisch rezidivierende Divertikulitis.........................................................46
5 PRAKTISCHE UMSETZUNG AKTUELLER ERNÄHRUNGSINFORMATIONEN .....47
5.1 Kostanforderungen bei Divertikelkrankheit .........................................................47
5.2 Exemplarischer Leitfaden für die Ernährungsberatung ......................................48
6 SCHLUSSBETRACHTUNG .....................................................................................49
7 AUSBLICK ...............................................................................................................50
LITERATURVERZEICHNIS .............................................................................................51
EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG ....................................................................................
ANHANG ............................................................................................................................
V
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Schematische Darstellung von Sigmadivertikeln ........................................... 4
Abbildung 2 Entstehungsmodell der Divertikelkrankheit ...................................................12
Abbildung 3 Wandschichten des Kolons mit Divertikeldurchtritt .......................................14
Abbildung 4 Ablaufschema der Literaturrecherche ...........................................................20
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Klassifikation der Divertikelkrankheit modifiziert nach Hansen und Stock .......... 5
Tabelle 2 Evidenzklassen modifiziert nach EBM-Netzwerk ..............................................19
Tabelle 3 Darstellung der Datenbankrecherche ...............................................................22
Tabelle 4 Auswertung relevanter Studien nach PICO-Schema ........................................25
Tabelle 5 Stärken- und Schwächenanalyse relevanter Studien ........................................35
Tabelle 6 Klassifizierung von Ballaststoffen .....................................................................40
Tabelle 7 Probiotisch wirksame Stämme .........................................................................43
Tabelle 8 Ernährungstherapie bei symptomatischer unkomplizierter Divertikelkrankheit ..45
Tabelle 9 Ernährungstherapie bei symptomatischer komplizierter Divertikelkrankheit ......46
Tabelle 10 Ernährungstherapie bei chronisch rezidivierender Divertikulitis ......................46
VI
Abkürzungsverzeichnis
BMI Body Mass Index
BS Ballaststoffe
CED Chronisch Entzündliche Darmerkrankung
CCT Case Control Trial
CT Computertomographie
DB Double Blind
DK Divertikelkrankheit
DGE Deutsche Gesellschaft für Ernährung
EBM Evidenzbasierte Medizin
EFSA European Food Safety Authority
EPIC European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition
FFQ Food Frequency Questionnaire
FU Follow-up
HPFS Health Professionals Follow-Up Studie
I.v. Intravenös
LM Lebensmittel
MeSH Medical Subject Headings
Mo. Monate
NEM Nahrungsergänzungsmittel
NSAID Non Steoridal Antiinflammatory Drugs
NVS Nationale Verzehrsstudie
RCT Randomized Control Trial
RDS Reizdarmsyndrom
RR Relatives Risiko
TN Teilnehmer
WGO World Gastroenterology Organisation
Wo. Wochen
1
1 Einleitung
Die Kolondivertikulose ist ein Sammelbegriff für gutartige Veränderungen des Gastrointes-
tinaltrakts (Andus & Germer, 2011, p. 398), welche häufig als Zufallsbefund innerhalb von
Vorsorgekoloskopien festgestellt werden. Sogenannte Pseudodivertikel treten vielfach in
Form von Ausstülpungen der Dickdarmschleimhaut, vorzugsweise im Bereich des abstei-
genden Dickdarms sowie des Sigmas auf (Simpson & Spiller, 2006, p. 203). Das reine
Vorhandensein von Divertikeln wird in der Medizin noch nicht als Divertikelkrankheit (DK)
eingestuft. Erst das Vorliegen einer klinischen Symptomatik stellt einen Krankheitswert
dar und bedarf einer therapeutischen Behandlung (Koop, 2009, p. 251).
Ältere Menschen der westlichen Industrieländer weisen besonders häufig Divertikel im
Dickdarm auf. Die Prävalenz und Inzidenz verzeichnen seit Beginn der Aufzeichnungen
Anfang des 20. Jahrhunderts einen stetigen Anstieg (Schreiber & Rehner, 2001, pp. 16-
23). Neben der „Urhypothese“ von einer Wechselbeziehung zwischen gestiegenem Le-
bensalter, einer faserarmen, westlichen Ernährung und dem Auftreten von Divertikulose
bringen Innovationen in der Forschung weitere prädisponierende Faktoren hervor, wie
etwa die Zugehörigkeit zu bestimmten ethnischen Gruppen, körperliche Inaktivität und das
Vorliegen einer erblichen Bindegewebsschwäche (Ochsenkühn & Göke, 2002, p. 665).
Bei etwa 25% der von Kolondivertikulose Betroffenen kommt es unerwartet zum Krank-
heitsbild der Divertikulitis, welche je nach Ausmaß der zugrundeliegenden Entzündung
und in Abhängigkeit der patientenspezifischen Risikofaktoren mit vielfältigen Komplikatio-
nen sowie einer erhöhten Mortalität einhergehen kann (Germer & Gross, 2007, pp. 3487-
3488). Eine vollständige Entschlüsselung der Ätiologie und Pathogenese ist aufgrund von
fehlenden klinischen Studien bisher nicht gelungen, weshalb in Deutschland aktuell keine
evidenzbasierte Leitlinie zur Prävention und Therapie der Divertikelkrankheit existiert.
Der genaue Behandlungsaufwand der Divertikelkrankheit ist bislang kaum evaluiert wor-
den. Allerdings stellen Everhart et al. bei epidemiologischen Untersuchungen in den USA
fest, dass die DK im Jahr 2004 die fünft häufigste Ursache für ambulante Behandlungen
ist und direkte Kosten in Höhe von 3,57 Billionen US Dollar verursacht (Everhart & Ruhl,
2009, p. 380). In Deutschland werden pro Jahr circa 60.000 stationäre Behandlungen
verzeichnet, was der Dimension einer Volkskrankheit entspricht (Mansfeld, et al., 2010, p.
28). In medizinischer Fachliteratur gibt es trotz jahrzehntelanger Untersuchung von ernäh-
rungsbezogenen Komponenten in der Genese der Divertikelkrankheit keine konkreten
Handlungsempfehlungen zur nutritiven Therapie, was deutlich den Bedarf für die Erarbei-
tung eines praxisorientierten Ernährungsleitfadens aufzeigt.
2
Ziel dieser Abschlussarbeit ist es, bestehende und in der Praxis aktuell angewandte Er-
nährungskonzepte zur Behandlung einer Divertikelkrankheit durch eine systematische
Literaturrecherche auf Evidenz zu überprüfen und aus diesem Ergebnis ernährungsthera-
peutische Maßnahmen herauszuarbeiten, die sowohl eine akute Divertikulitis symptoma-
tisch mildern als auch durch Kombination geeigneter nutritiver Substanzen eine präventi-
ve Wirkung erzielen können. Die gewonnenen Inhalte sollen abschließend in einen Ent-
wurf für einen Praxisleitfaden eingebracht werden.
Für eine in sich schlüssige Konzeption sollen folgende Fragen beantwortet werden:
Welchen Stellenwert haben Ballaststoffe in der Primär- und Sekundärprävention?
Welche Probiotika-Stämme eignen sich zur Therapie der Divertikelkrankheit?
Wie sind Nebenwirkungen beim Einsatz von Phytopharmaka zu bewerten?
Welche Chancen und Risiken ergeben sich durch alternative Kostformen?
Der theoretische Teil der Bachelorarbeit beleuchtet ätiologische und pathogenetische Hin-
tergründe der Divertikelkrankheit im Kontext heutiger Ernährungsmuster und diskutiert im
Anschluss an eine übersichtliche Darstellung aktueller ernährungsassoziierter Studien
Möglichkeiten der diätetischen Intervention. Da das Geschlecht für die Vergegenwärti-
gung der Inhalte dieser Arbeit nicht relevant ist und eine Berücksichtigung beider Ge-
schlechter den Textfluss stören würde, sind alle Ausführungen im generischen Maskuli-
num formuliert. Medizinische Fachbegriffe oder Anmerkungen sind in Fußnoten erklärt.
Die Skizzierung der Divertikelkrankheit beschränkt sich auf anatomische und physiologi-
sche Erfordernisse des Dickdarms von kaukasischen Patienten, da diese ethnische Grup-
pe am häufigsten von Dickdarmdivertikeln im linksseitigen Kolon betroffen ist. Diagnostik,
medikamentöse und chirurgische Therapie werden nicht detailliert beschrieben, da der
Schwerpunkt auf der ernährungsbasierten Behandlung liegt. Im empirischen Teil der Ba-
chelorarbeit wird die Auswertung relevanter Studien den Anspruch der evidenzbasierten
Medizin dahingehend vernachlässigen, dass ein Repertoire an ernährungstherapeuti-
schen Maßnahmen zusammengetragen und bewertet werden kann.
Die Herausarbeitung gesundheitsförderlicher Aspekte von ausgewählten Nahrungssub-
stanzen wird auf das intestinale und immunologische Wirkungsspektrum begrenzt, da die
Literaturrecherche diese beiden Funktionsbereiche gehäuft als Grundlage diätetischer
Interventionen der Divertikelkrankheit identifiziert hat. Da sich Ätiologie und Symptomatik
bei chronischer Obstipation und Reizdarmsyndrom (RDS) ähneln, werden die Erkenntnis-
se aus Ernährungsinterventionen zu diesen Krankheitsbildern in die Argumentation für
präventive und stadienadaptierte Kostempfehlungen eingebracht.
3
2 Divertikelkrankheit
In diesem Kapitel sollen die wichtigsten Begriffe der Divertikelkrankheit voneinander ab-
gegrenzt, die Einflussfaktoren der Krankheitsentstehung diskutiert sowie aus verschiede-
nen Methoden der Stadieneinteilung ein modifiziertes Modell der Klassifizierung vorge-
stellt werden, welches als Orientierungshilfe für die nachfolgenden Ausführungen zu pa-
thophysiologischen Abläufen im Organismus dient.
2.1 Definition und Klassifikation
Aufgrund unscharfer Definitionen in der Literatur werden nachfolgend die verschiedenen
Zustandsformen der Divertikelkrankheit anhand histologischer und klinischer Kriterien
voneinander abgegrenzt.
Divertikulose beschreibt zunächst nur eine strukturelle Veränderung des Dickdarms, bei
dem sich gutartige Ausstülpungen der Mukosa und Submukosa durch eine Schwachstelle
in der Darmmuskulatur gebildet haben (Koop, 2009, p. 249). Diese Auswölbungen besit-
zen einen sackartigen Aufbau mit einer Größe zwischen 5-10mm (Murphy, et al., 2007, p.
1) und treten in 75-95% der Fälle im Sigma des linksseitigen Kolon auf, da dieser Darm-
abschnitt in seiner Anordnung der Längsmuskelschicht und mit zahlreichen Gefäßlücken
begünstigende Bedingungen schafft (Prescher, 2001, pp. 12-13). Die Kolondivertikulose
verläuft zu etwa 75% asymptomatisch, weshalb der reine Befund noch keine Behand-
lungsindikation darstellt (Andus & Germer, 2011, p. 396).
Der Begriff Divertikel stammt aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie „Abweg“. Die,
meist erworbenen, Wandausstülpungen können vom Ösophagus bis zum distalen Kolon
multipel lokalisiert sein und stören die normale Anatomie des betreffenden Hohlorgans
(Prescher, 2001, p. 4). Definitionsgemäß handelt es sich bei einer Divertikulose nicht um
eine Auswucherung der Darmwand, sondern überwiegend der Darmschleimhaut, weshalb
zwischen Pseudodivertikeln und „echten“ Divertikeln unterschieden werden muss (Andus
& Germer, 2011, p. 396).
Wie in Abbildung 1 veranschaulicht, stülpen sich Pseudodivertikel sackförmig durch die
Mukosa und Submukosa hindurch, da Lücken in der Muskularis1 den Durchtritt erleich-
tern. Echte Divertikel bilden sich aus dem gesamten Gewebe des Mutterorgans, hier der
Kolonwand. Solche Traktions- oder Pulsionsdivertikel kommen nur äußerst selten vor und
sind entweder angeboren (Ochsenkühn & Göke, 2002, p. 666) oder entstehen durch ei-
1 Muskularis (Tunica muscularis) beschreibt die feingewebliche Schicht in Hohlorganen. Ihr Aufbau
grenzt sich durch Anordnung zweier unterschiedlich verlaufender Muskelbündel (Stratum longitudi-nale und Stratum circulare) sowie zahlreichen Gefäßdurchtrittsstellen von dem des Dünndarms ab und verursacht die typische Peristaltik des Dickdarms (Prescher, 2001) (S. 5-7)
4
nen Zug von außen, wie es zum Beispiel bei Narbenverwachsungen nach Operationen
der Fall sein kann (Prescher, 2001, p. 4).
Divertikel können von unterschiedlicher Größe und Anzahl im Kolon vorkommen, ohne,
dass eine Prognose zum Krankheitsverlauf aufgestellt werden kann (Zachert & Meyer,
2001, p. 83). Oftmals erscheint ihre Anordnung „strickleiterartig“ in paarigen Reihen, da
die Blutgefäße an den Tänien auf der mesenterialen Seite penetrieren (Klosterhalfen,
2001, p. 65). Entscheidend für die morphologische Einordnung ist letztendlich die Anzahl
der Wandschichten, die an der Formierung beteiligt sind. Intramurale Aussackungen, wie
die Pseudodivertikel sind im Gegensatz zu den extramuralen Divertikeln noch mit einer
kräftigen Muskelschicht überzogen (Prescher, 2001, p. 10).
Liegen klinische Symptome vor und zeigen bildgebende Verfahren sowie Laborparameter
Entzündungszeichen, spricht man von einer akuten Divertikulitis. Diese wird als die häu-
figste Komplikation der Divertikulose angesehen und kann vielfältige Schweregrade an-
nehmen (Tabelle 1). Etwa 20% der Patienten mit einer Divertikulose entwickeln im Laufe
der Zeit eine Divertikulitis, die durch Stuhlretention mit anschließender Infektion des Diver-
tikels hervorgerufen wird (Andus & Germer, 2011, p. 397).
Die Divertikelkrankheit ist ein Oberbegriff, der sich nach den WGO Practice Guidelines in
Divertikulose, Divertikulitis mit akuter Entzündung eines Divertikels und Divertikelblutung
untergliedert (Murphy, et al., 2007, p. 1). In der Literatur herrscht über diese Zuordnung
Uneinigkeit, da die asymptomatische Divertikulose keinen Krankheitswert besitzt und da-
her als Prädisposition der DK betrachtet werden muss (Zachert & Meyer, 2001, p. 83).
Präventive und therapeutische Ansätze können daher nur bei Komplikationen der Diverti-
kulose auf ihre Wirksamkeit hin untersucht werden.
A Echtes
Divertikel B Falsches
Divertikel C Blutgefäß
D Längsmuskel-
schicht
E Ringmuskel-
schicht
F Submukosa A
F
E D
B
C
Abbildung 1 Schematische Darstellung von Sigmadivertikeln in Anlehnung an (Marks, 2011)
5
Neben der klinischen Einteilung nach Ausprägung der muskulären Wandveränderungen
sowie Dickdarm-assoziierter Stoffwechselveränderungen (Klosterhalfen, 2001, p. 64) exis-
tieren diverse Systeme zur Klassifikation der DK, von denen sich zwei Modelle in der kli-
nischen Praxis etabliert haben. Da der Schweregrad der Krankheit entscheidend das di-
agnostische und therapeutische Vorgehen beeinflusst, behilft man sich im deutschen
Sprachraum der Stadieneinteilung nach Hansen und Stock, die präoperativ Anamnese,
klinische Untersuchungen und bildgebende Verfahren zur präzisen Einschätzung des
Schweregrads kombiniert (Stock, et al., 2001, p. 92). Die Einteilung nach Hinchey zielt auf
chirurgische Verfahren ab und benennt nur die postoperativen Stadien der akuten kompli-
zierten Divertikulitis (Gross & Germer, 2009, pp. 119-120). Da derzeit keine international
gültige Stadieneinteilung existiert und neue Erkenntnisse zur Operationsindikation bei
Divertikulitis in vielen Klassifikationssystemen noch nicht erfasst wurden, wird im Folgen-
den ein erweitertes Modell vorgestellt, das den Schweregrad mit klinischer Symptomatik,
Diagnostik nach Goldstandard und aktuellen therapeutischen Verfahren vereint.
Stadium Bezeichnung Klinik CT-Diagnostik Therapie
0 Divertikulose keine Gas- oder Kon-trastmittel gefüllte Divertikel
keine
I Akute unkomplizierte Divertikulitis
Schmerzen im Un-terbauch, ggf. Fie-ber
und ggf. Darm-wandverdickung
Kurzfristige (2-3 Tage) Nahrungskarenz, ggf. orale Antibiotikagabe
II Akute komplizierte Divertikulitis
IIa Peridivertikulitis, phlegmonöse
2
Divertikulitis
Druckschmerz oder lokale Abwehr-spannung, tastbare Walze im Unter-bauch, Fieber
Und entzündliche Dichteanhebung im perikolischen
3
Fettgewebe
(Par)enterale Ernäh-rung und 4-7 Tage intravenöse Antibioti-katherapie
IIb
Abszedierende Divertikulitis, gedeckte Perforation, Fistel
Lokaler Peritonismus, Fieber, Atonie
Und mesokoli-scher
4 oder retro-
peritonealer5
Abszess
I.v. Antibiotikatherapie und Abszessdrainage, ggf. früh-elektive OP
IIc Freie Perforation Akutes Abdomen Freie Luft, freie Flüssigkeit, ggf. Abszesse
Notfalloperation
III Chronisch rezidivierende Divertikulitis
Rezidivierende ab-dominale Schmer-zen, ggf. Fieber, Obstipation oder
Subileus, ggf. Luft-
abgang im Urin
Darmwand-verdickung, ggf. Stenose oder Fistel
Kurzfristige Nahrungs-karenz und orale/ i.v. Antibiotikatherapie, ggf. elektive OP
Tabelle 1 Klassifikation der Divertikelkrankheit modifiziert nach Hansen und Stock (Andus & Germer, 2011, pp. 399-401)
2 Phlegmonös: diffus, infiltrativ ausbreitende Entzündung der Divertikel (De Gruyter, 2013) (S.1656)
3 Perikolisch: neben dem Kolon liegend oder das Kolon umgebend (De Gruyter, 2013) (S.1629)
4 Mesokolisch: am Mesenterium (Gekröse) des Kolons gelegen (De Gruyter, 2013) (S.1344)
5 Retroperitoneal: hinter dem Bauchfell gelegen (De Gruyter, 2013) (S.1840)
6
Mit dem Stadium 0 greift die Klassifikation die Divertikulose auf, um eine sichere Abgren-
zung gutartiger Wandausstülpungen vom Krankheitsbild der Divertikelkrankheit zu errei-
chen (Stock, et al., 2001, p. 94). Stadium I wird häufig ambulant behandelt, während ab
dem Stadium II ein stationärer Aufenthalt angezeigt ist. Die antibiotische Therapie orien-
tiert sich am vorhandenen Keimspektrum im Dickdarm und wird je nach Einstufung der
Divertikulitis oral oder intravenös verabreicht (Gross & Germer, 2009, p. 120). Die Compu-
tertomographie wird häufig ergänzend zur Sonographie angewandt, um eine Verdachtsdi-
agnose zu erhärten und mit hoher Sicherheit die Verteilung von Divertikeln und Lokalisati-
on von Komplikationen zu bestimmen (Stock, et al., 2001, p. 98).
Der Grad der medizinischen Versorgung hängt von der Schwere und Ausdehnung der
zugrundeliegenden Entzündung sowie dem Vorhandensein von Komorbiditäten ab. Früh-
elektive Operationen erfolgen in Abhängigkeit vom Ansprechen auf initial konservative
Therapiemaßnahmen sowie dem körperlichen Zustand des Patienten (Andus & Germer,
2011, p. 400). Divertikulitisrezidive stellen entgegen früherer Annahmen prinzipiell kein
erhöhtes Letalitätsrisiko dar und werden daher wie der erste Divertikulitisschub behandelt.
Indikation zur elektiven Resektion des betroffenen Darmsegments besteht erst bei Auftre-
ten struktureller Veränderungen mit hohem Schadenspotenzial oder ungünstiger Konstel-
lation der patientenspezifischen Risikofaktoren, wie hohes Alter, reduzierte Immunabwehr
und dem individuellen Leidensdruck (Andus & Germer, 2011, p. 401). Lediglich bei freier
Perforation besteht Indikation zur unverzüglichen Notfalloperation.
Die Komplikationen einer Divertikulitis treten oft mit einer Reihe von unspezifischen Symp-
tomen wie intervallartigen Bauchschmerzen, Stuhlunregelmäßigkeiten von Diarrhö bis
chronischer Obstipation und Fieber auf (Mansfeld & Teichmann, 2001, p. 137). Nicht sel-
ten lassen sich trotz gegebener Klinik vorerst keine Hinweise auf entzündliche Prozesse
oder gedeckte Perforationen finden (Classen, et al., 2001, p. 190). Ähnlich wie bei einer
Reizdarmsymptomatik ist die Ursache der Beschwerden zunächst unklar, was die Stadi-
eneinteilung erheblich erschwert. Bei erstmaligem Verdacht auf Divertikulitis müssen des-
halb Differenzialdiagnosen wie chronisch entzündliche Darmerkrankung (CED), Appendi-
zitis oder Tumorerkrankungen ausgeschlossen werden (Koop, 2009, p. 253).
Eine Annäherung der Klassifikation an die evidenzbasierte Medizin erscheint realistisch,
wenn es gelingt, die pathoanatomischen und –physiologischen Veränderungen möglichst
exakt darzustellen und eine ständige Weiterentwicklung der therapeutischen Ansätze zu
gewährleisten. In der klinischen Praxis wird die Herausforderung nach wie vor in der Ab-
wägung der patientenspezifischen Risikofaktoren liegen, weshalb sich eine interdisziplinä-
re Herangehensweise empfiehlt (Zachert & Meyer, 2001, pp. 83-88).
7
2.2 Epidemiologie
Dieses Kapitel zielt darauf ab, Trendprognosen zur Prävalenz und Inzidenz der Divertikel-
krankheit wiederzugeben und Erkenntnisse der Ursachenforschung kritisch zu beleuch-
ten. Die Assoziationen innerhalb der multifaktoriellen Ätiologie können nur als unvollstän-
diges Konstrukt verstanden werden, da viele Hypothesen nicht ausreichend belegt sind.
Prävalenz und Inzidenz der Divertikulose
Genaue Angaben zur Prävalenz der Divertikulose sind aufgrund des überwiegend asymp-
tomatischen Verlaufes sowie einer hohen Dunkelziffer nicht möglich. Laut Autopsiestudien
sind in den 1960er Jahren aber bereits ein Drittel der Menschen über 60 Jahre von Diver-
tikulose betroffen (Parks, 1968, p. 30). Aktuelle Altersabstufungen zeigen deutlich eine
steigende Prävalenz und Inzidenz der Divertikulose: Während nur etwa 5% der unter 40-
Jährigen Divertikelträger sind, steigt die Häufigkeit mit 60 Jahren auf 30% und ab 85 Jah-
ren auf über 65% an (Koop, 2009, p. 250). Die Dunkelziffer schwankt zwischen 10-50%,
was sich zum einen durch reguläre Abstände von 10 Jahren zwischen Vorsorgekolosko-
pien erklären lässt und zum anderen durch die hohe Zahl an potenziellen Betroffenen, die
keine Darmspiegelung in Anspruch nehmen (Sauer, P.; Universitätsklinikum Heidelberg,
2014). Das Durchschnittsalter bei Erstdiagnose ist in den letzten Jahren deutlich gesun-
ken, wie eine Langzeiterhebung aus den USA gezeigt hat (Etzioni, et al., 2009, p. 211).
Als Risikofaktoren für einen komplizierten Verlauf der DK gelten ein hohes Lebensalter,
geringe körperliche Aktivität, Immunsuppression und die Einnahme Nicht-steroidaler Ent-
zündungshemmer (NSAID). Die Mortalitätsrate beträgt für die akute Divertikulitis laut Da-
ten zu stationären Behandlungen (NIS) aus den USA etwa 1% mit leichtem Abwärtstrend
(Etzioni, et al., 2009, p. 212).
Entstehung und Verbreitung der Divertikelkrankheit
Sigmadivertikel werden um 1900 erstmalig durch den deutschen Mediziner Ernst Graser
morphologisch detailliert beschrieben und sind fortan Gegenstand zahlreicher wissen-
schaftlicher Untersuchungen, um die anatomischen und pathologischen Grundlagen der
Divertikelkrankheit zu entschlüsseln (Prescher, 2001, pp. 4-13). Während der Erfolg in der
Medizin viele Jahrzehnte ausbleibt und die noch seltene Entdeckung von Divertikeln als
Kuriosität gilt (Aldoori, et al., 1998, p. 714), können epidemiologische Studien Hypothesen
zur geographischen Verteilung und der Bedeutung von Lebensstilfaktoren in der Ätiologie
hervorbringen. Neil S. Painter und Denis P. Burkitt setzen mit ihrer Publikation von 1971
einen Meilenstein, indem sie die DK als eine Konsequenz der Industrialisierung identifizie-
ren, was sich insbesondere im Vergleich zwischen den USA und Europa mit Afrika äußert
8
(Painter & Burkitt, 1971, pp. 451-452). Da Afrika damals als der am wenigsten ökono-
misch entwickelte Kontinent gilt und hier praktisch keine Divertikel bei operativen Eingrif-
fen entdeckt werden, schlussfolgern sie, dass die Inzidenz mit dem Grad der Industriali-
sierung eines Landes steigt und somit eine Lebensstilerkrankung vorliege, die vermeidbar
sein muss (Painter & Burkitt, 1971, p. 453). Allerdings sind die Beobachtungen in Afrika
nur bedingt mit den Verhältnissen in den USA und Europa vergleichbar, da die Lebenser-
wartung zum Zeitpunkt der Untersuchungen deutlich geringer ist als in den westlichen
Nationen, sodass viele Menschen gar nicht das Alter erreichen, in dem laut der Autopsie-
studien Divertikulose gehäuft auftritt (Commane, et al., 2009, p. 2483). Dennoch wird in
einer prospektiven Populationsstudie in Schweden mit vier Millionen Migranten aus nicht-
industrialisierten Nationen ein erhöhtes Risiko für die DK beobachtet, wenn diese länger
als fünf Jahre in der westlich geprägten Kultur leben. Unter der Studienpopulation befin-
den sich Einwanderer aus Asien, Afrika und Südamerika, deren Divertikulitis-Risiko zwi-
schen 1991 und 2000 unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht und sozioökonomi-
schem Status erfasst wird. Die Migranten haben im Vergleich zu den Eingeborenen ein
signifikant geringeres Risiko für einen Krankenhausaufenthalt aufgrund von akuter Diver-
tikulitis, welches unabhängig vom sozioökonomischen Status in den Jahren nach ihrer
Niederlassung ansteigt. Starke Assoziationen werden für Alter und weibliches Geschlecht
erfasst (Hjern, et al., 2006, pp. 799-803).
Westlicher Ernährungsstil prägt diätetische Interventionen
Die faserreiche Ernährung der afrikanischen Bevölkerung wird zur Grundlage eines Prä-
ventionskonzepts, das Painter und Burkitt zu den „Wegbereitern“ der Ernährungstherapie
der DK macht. Ihre „Ballaststoff-Hypothese“ stützt sich auf die Auswertung von Stuhlpro-
ben und Transitzeit von britischen und afrikanischen Bürgern, deren Nahrungszusam-
mensetzung stark voneinander abweicht. Die Transitzeit der Briten beträgt mehr als das
doppelte im Vergleich zur afrikanischen Bevölkerung. Der geringe Faseranteil in der west-
lich geprägten Kost wird folglich für ein geringeres Stuhlvolumen, eine härtere Stuhlkon-
sistenz und erhöhten intraluminalen Druck verantwortlich gemacht und gilt seither als
Hauptargument sämtlicher Leitsätze für eine ballaststoffreiche Ernährung (Painter &
Burkitt, 1971, pp. 452-453). Entgegen der damaligen Annahme eines Ballaststoffmangels
in der Ernährung westlicher Populationen geht aus Daten der Agrarstatistik für den Zeit-
raum 1950-2010 ein deutlicher Anstieg mit Aufwärtstrend für den Verbrauch von Gemüse
und mit geringen Schwankungen auch für Obst hervor (DGE, 2012, p. 23). Neben einer
inadäquaten Ballaststoffzufuhr sollte daher ebenso eine Verschiebung der Nahrungsquel-
len von Vollkornprodukten hin zu mehr Gemüse und Obst als Einflussfaktor in Betracht
gezogen werden.
9
Eine Erweiterung des Kenntnisstands bringen sogenannte Vegetarierstudien, indem sie
den hohen Konsum an tierischen Produkten, insbesondere an rotem Fleisch, kritisch hin-
terfragen. Innerhalb einer Fall-Kontroll-Studie in Griechenland mit 100 Patienten mit
symptomatischer Divertikulose in der Versuchsgruppe und weiteren 110 Patienten ohne
Divertikulose oder abdominelle Schmerzen in der Kontrollgruppe stellt sich heraus, dass
eine unzureichende Ballaststoffaufnahme nicht allein das Bild einer westlichen Ernährung
prägt, sondern erst durch den vermehrten Konsum von rotem Fleisch eine gesundheitlich
bedenklichen Kombination bildet. Vor allem die Divertikelträger weisen eine signifikant
geringere Aufnahme an Gemüse, Vollkornbrot, Kartoffeln und Obst auf, aber einen größe-
ren Verzehr an Fleisch, Milch und Milchprodukten. Das relative Risiko (RR) einer Diverti-
kelkrankheit liegt in dieser Gruppe um das fünfzigfache höher als bei Personen, die häufig
Gemüse und selten Fleisch verzehren (Manousos, et al., 1985, p. 547). Ein signifikanter
Zusammenhang zwischen der aufgenommenen Ballaststoffmenge und der Entstehung
von Divertikeln kann jedoch bislang nur im Tiermodell nachgewiesen werden (Fischer, et
al., 1985, pp. 798-799).
Ergebnisse einer 2012 veröffentlichten Querschnittstudie mit Probanden aus der Health
Professionals Study, die sich zwischen 1998 und 2010 Koloskopien und Telefoninterviews
unterziehen, sprechen sogar für gegenteilige Effekte einer ballaststoffreichen Kost. Per-
sonen, die sich sehr faserreich ernähren, weisen demnach eine erhöhte Prävalenz der
Divertikulose auf (Peery, et al., 2012, p. 4). Weiterhin lässt sich im Untersuchungszeit-
raum keine Beziehung zu einer fett- und fleischreichen Ernährung, verminderter körperli-
cher Aktivität oder eingeschränkter Darmmotilität herstellen (Peery, et al., 2012, pp. 4-5).
Einfluss weiterer Lebensstilfaktoren
Die Hypothesen zum Einfluss weiterer Lebensstilfaktoren sind uneinheitlich. In der groß
angelegten prospektiven Health Professionals Follow-up-Studie (HPFS) wird eine inverse
Korrelation zwischen körperlicher Aktivität und symptomatischer Divertikelkrankheit er-
fasst (Aldoori, et al., 1995a, p. 279). Strate et al. knüpfen an dieses Ergebnis an, indem
sie den BMI der Person berücksichtigten und eine Aufgliederung der Korrelation nach
verschiedenen Sportarten und der Intensität ihrer Ausübung vornahmen. Lediglich mit
Laufsport kann signifikant das Risiko für Komplikationen der DK gesenkt werden. Weiter-
hin haben Personen, die mindestens 52 Stunden pro Woche sitzend verbringen, ein um
30% höheres Risiko eine Divertikulose zu entwickeln. Das Risiko für Divertikulitis und Di-
vertikelblutung liegt für körperliche Inaktivität bei Männern mit einem BMI >30 am höchs-
ten (Strate, et al., 2009a, pp. 5-7). Die biologischen Mechanismen hinter der Interaktion
zwischen Übergewicht und Komplikationen der Divertikelkrankheit sind noch unbekannt,
10
allerdings stellt ein erhöhtes Taillen-Hüft-Verhältnis einen unabhängigen Risikofaktor dar,
was ein Indiz für eine Beteiligung des viszeralen Fettgewebes sein kann (Strate, et al.,
2009b, p. 120).
Im Rahmen der HPFS untersuchten Aldoori et al. weitere Lebensstilfaktoren in Industrie-
nationen bezüglich ihres Risikopotenzials für eine Divertikelkrankheit. Die Kohorte von
47678 Männern wurde dabei in Zweijahresabständen zu ihrem Konsum von Zigaretten,
Alkohol und Koffein befragt und ob im vergangenen Zeitraum eine DK diagnostiziert wur-
de. Unter den gefundenen Assoziationen sind keine statistisch signifikant, sodass mode-
rate Mengen an Alkohol, Koffein und Zigaretten wahrscheinlich keine negativen Auswir-
kungen haben. Allerdings zeigt die isolierte Betrachtung von täglichem Zigarettenkonsum
in Relation zum Lebensalter ein leicht erhöhtes Risiko für einen symptomatischen Verlauf
der Divertikulose (Aldoori, et al., 1995b, p. 223). Nikotinkonsum stellt trotzdem ein Risiko-
faktor dar, weil in einer anderen prospektiven Studie ein erhöhtes Risiko für gutartige
Dickdarmtumoren nach langjährigem Rauchen ermittelt wird und Raucher eine insgesamt
ungesündere Lebensweise mit regelmäßigem Alkoholkonsum, geringer Ballaststoffzufuhr
und erhöhter Fettzufuhr pflegen (Giovannucci, et al., 1994, p. 185).
Alters- und geschlechtsspezifische Wechselbeziehungen
Bereits in den frühen 70er Jahren lässt die Verteilung und Schwere der Divertikelkrankheit
enge Assoziationen zu Alter und Geschlecht erkennen. Während zunächst nur eine ten-
denzielle Aufteilung der Geschlechter beim Alter der Erstdiagnose beobachtet wird, kön-
nen weitere epidemiologische Studien eine Korrelation zwischen Geschlecht und Krank-
heitsverlauf feststellen. Eine grobe Zuordnung erfolgt durch Gear et al., wonach die DK
unter 60 Jahren eher mit dem männlichen Geschlecht und über 60 Jahren eher mit dem
weiblichen Geschlecht assoziiert wird (Gear, et al., 1979, p. 512). Manousos et al. kalku-
lieren für Frauen jeden Alters ein insgesamt höheres Risiko für die Divertikulose
(Manousos, et al., 1985, p. 547). Aus aktuelleren Daten geht hervor, dass Männer und
Frauen gleichermaßen von Divertikulose betroffen sind, aber Frauen tendenziell häufiger
mit Komplikation einer Divertikulitis konfrontiert sind (Murphy, et al., 2007, p. 2). Divertiku-
litisrezidive werden hingegen mehrheitlich bei Männern festgestellt (Koop, 2009, p. 253).
Die unterschiedlichen Beobachtungen zur geschlechtlichen Verteilung können in gewis-
sen Grenzen mit altersbedingten strukturellen und physiologischen Veränderungen ver-
knüpft sein. Beispielsweise soll sich im höheren Alter die Passagezeit verlängern, was bei
Frauen in einer erhöhten „Divertikelneigung“ resultieren kann. Manousos et al. haben da-
her in ihrer Fallkontrollstudie neben verschiedenen Nahrungskomponenten auch Transit-
zeit und Stuhlfrequenz untersucht, um Rückschlüsse auf eine Obstipationsbeteiligung zu
11
erhalten. Dabei stellt sich heraus, dass zwischen Patienten- und Kontrollgruppe keine
Unterschiede in der Verdauungstätigkeit bestehen. Probanden mit einer Divertikulose
haben sogar eine kürzere Transitzeit (Manousos, et al., 1985, p. 548). Unabhängig davon
scheint die Kolonmotilität bei einer DK gestört zu sein, was vermehrt mit Innervationsstö-
rungen der Darmwand in Verbindung gebracht wird (Wedel & Böttner, 2014, p. 4). Diese
wiederum können durch die altersbedingt nachlassende Elastizität und Zugfestigkeit der
Darmmuskulatur mitverursacht sein (Ochsenkühn & Göke, 2002, p. 667).
Die Annahme, jüngere Patienten seien eher von einem aggressiveren Verlauf betroffen
und sollten deshalb möglichst nach dem ersten Divertikulitisrezidiv elektiv operiert wer-
den, entspringt widersprüchlichen Ergebnissen aus retrospektiven Studien, die zum Teil
länger als 20 Jahre zurückliegen (Lippert & Mantke, 2001, pp. 112-115). Ein Erklärungs-
ansatz bietet hier die Beobachtung, dass sich das Verteilungsmuster der Divertikel bei
jüngeren Patienten häufiger im rechten Hemikolon manifestiert, während es sich bei älte-
ren Patienten in der Regel auf das linke Hemikolon konzentriert (Klosterhalfen, 2001, p.
70). Die noch seltene Erscheinung einer Erstdiagnose vor dem 50. Lebensjahr erhöht nur
das Mortalitätsrisiko, wenn der Patient zusätzlich adipös oder immungeschwächt ist.
(Germer & Gross, 2007, p. 3488). Neue Erkenntnisse könnten Studien zur Untersuchung
des Phänomens von der Prädominanz einer rechtsseitigen DK bei mongolisch stämmigen
Populationen hervorbringen, da neben kulturell geprägten Lebensstilfaktoren auch mor-
phologische Charakteristika von Bedeutung sind (Nakaji, et al., 2002, p. 370).
Hypothesen zur genetischen Komponente
Eine angeborene „Divertikelneigung“ gibt es nicht, aber das uneinheitliche Bild der alters-
und geschlechtsspezifischen Auswirkungen auf Schwere, Lokalisation und Zeitpunkt der
Erstmanifestation einer Divertikelkrankheit spricht für die Existenz einer genetischen
Komponente, die Einfluss auf die intestinalen Wandstrukturen, immunologische und neu-
ronale Reaktionen sowie die Zusammensetzung der Mikrobiota nimmt (Granlund, et al.,
2012, p. 1106). Nachdem seltene Bindegewebserkrankungen wie das Marfan-Syndrom
oder das Ehlers-Danlos-Syndrom sowie die polyzystische Nierenerkrankung lange Zeit
die einzigen genetischen Verknüpfungen zur Divertikelkrankheit darstellen (Ochsenkühn
& Göke, 2002, pp. 665-667), kann erstmalig in einer schwedischen Zwillingsstudie mit
104452 Teilnehmern ein erblicher Anteil von 40% gegenüber 60% Umwelteinflüssen er-
rechnet werden (Granlund, et al., 2012, p. 1105). Eine genetische Prädisposition ist nicht
nur an altersbedingten Veränderungen im Elastin- und Kollagenstoffwechsel beteiligt,
sondern auch an Zusammensetzung und Interaktionen des intestinalen Mikrobioms, wel-
che über Gesundheit und Krankheit entscheiden können (Morgan, et al., 2012, p. 2). Die
12
Wechselbeziehung zwischen Dickdarmflora und Wirt ist bereits als pathologischer Aus-
gangspunkt der inflammatorischen Prozesse bei CED und Reizdarmsyndrom identifiziert
und soll ebenfalls der Urheber der Entzündungskaskade einer akuten Divertikulitis sein
(Quigley, 2010a, p. 128). Verschiedene Spezies sind bereits gut erforscht und werden als
probiotische Stämme zu therapeutischen Zwecken bei einer Vielzahl von gastrointestina-
len Störungen eingesetzt (Bischoff & Manns, 2005, p. 754). Eine Modulation der Mikrobio-
ta zur Verbesserung der funktionellen Integrität der epithelialen Barriere sowie zur Sicher-
stellung einer gesunden Darmperistaltik könnte entscheidend Symptomatik und Verlauf
der Divertikelkrankheit verbessern (Quigley, 2010a, p. 128). Wenn auch die hier genann-
ten Publikationen gewisse Schwächen aufweisen und die biologischen Mechanismen hin-
ter den beschriebenen Assoziationen weitgehend unbekannt sind, so verdeutlichen sie
dennoch die Komplexität des Entstehungsmechanismus der DK. Das folgende Schaubild
soll den derzeitigen Kenntnisstand der multifaktoriellen Ätiologie als Ganzes abbilden.
Abbildung 2 Entstehungsmodell der Divertikelkrankheit
Nachdem die ballaststoffarme Ernährung durch Painter und Burkitt zur Schlüsselkompo-
nente in der Divertikelentstehung tituliert wird, gelingt es in anderen Untersuchungen wei-
tere Ausprägungen des westlichen Lebensstils ausfindig zu machen, wie etwa Fleisch-
konsum. Nikotinabusus, körperliche Inaktivität und Übergewicht. Allerdings können die
einzelnen Faktoren nicht nach ihrer Einflussstärke quantifiziert werden, sodass die DK
nicht als klassische Lebensstilerkrankung bezeichnet werden darf. Die enge Beziehung
zwischen altersbedingten strukturellen Veränderungen an intestinalen Geweben und Ge-
fäßen und der Divertikulose wird farblich hervorgehoben, da sie gesicherter Bestandteil
der Ätiologie ist. Alle anderen Faktoren bedürfen weiterer wissenschaftlicher Prüfung.
•Mikroflora
•Bindegewebs-schwäche
•Polyzystische Nierenerkrankung
•Prädisposition
•Komplikationen
•Rezidivneigung
•westliche Ernährung
•Bewegungsmangel
•Übergewicht
•Nikotinabusus
•Strukturver-änderungen
•Darmpassage
•Immunschwäche
Alter Lebensstil
Genetik Geschlecht
13
2.3 Pathophysiologie
Die zugrundeliegenden Pathomechanismen der Divertikelkrankheit sind sehr facettenreich
und werden im Zuge neuer Erkenntnisse aus der Forschung kontrovers diskutiert. Um
Aktualität der Inhalte dieser Arbeit zu gewährleisten, werden nur die beständigsten Hypo-
thesen kurz erläutert. Da sich im klinischen Alltag der Begriff „Divertikel“ gleichwohl für die
Ausstülpung der Darmschleimhaut etabliert hat, wird in den weiteren Ausführungen auf
die Benutzung des Fachterminus „Pseudodivertikel“ verzichtet.
Formation und Lokalisation von Divertikeln
Erworbene Divertikel entstehen an Muskelschwachstellen, den Durchtrittsstellen der Vasa
recta (Koop, 2009, p. 249). Der genaue Hergang ihrer Formation ist noch unbekannt, aber
es hat sich die Hypothese durchgesetzt, dass eine Hypersegmentation, ausgelöst durch
eine dauerhafte Druckausübung im Inneren des Lumens, zur Hernierung von Bindegewe-
be führt. In medizinischen Fachkreisen werden die hier beschriebenen Divertikel auch als
Schleimhauthernien bezeichnet (Prescher, 2001, p. 3), um die Beteiligung der Wand-
schichten deutlicher abzugrenzen.
Prinzipiell ist die Ausbildung von Divertikeln im gesamten Magen-Darm-Trakt möglich, da
sich die Muskelschicht in allen Abschnitten aus longitudinalen und zirkulären Anteilen zu-
sammensetzt (Junqueira & Carneiro, 2004, p. 260). Trotzdem stellt der Dickdarm eine
architektonische Besonderheit dar, denn seine Wandstruktur gleicht einem Gitternetz aus
auf- und absteigenden spiraligen Muskelfasern, die überkreuz verlaufen und damit die
typische „Antiperistaltik“ verursachen (Prescher, 2001, pp. 5-7). Einerseits ist dies uner-
lässlich für die Eindickung und den Weitertransport des Nahrungsbreis und andererseits
schafft es günstige Bedingungen für Ausstülpungen. Im Gegensatz zum Dünndarm fehlen
dem Dickdarm Zotten sowie in allen Segmenten bis zum Enddarm eine durchgängige
Längsmuskelschicht. Stattdessen bildet die longitudinale Schicht drei kräftige parallel ver-
laufende Tänien6, die in einer zarten Bindegewebsschicht, der Submukosa, eingebettet
sind. Zwischen den Tänien ist die Längsmuskelschicht sehr dünn oder fehlt vollständig
(Prescher, 2001, p. 7). Die Submukosa wird auch als Unterschleimhaut bezeichnet und
dient als Verschiebeschicht zwischen dem inneren Schleimhautrohr und einem äußeren
Muskelrohr (Wedel & Böttner, 2014, p. 1). Ihre Beweglichkeit erhält sie durch charakteris-
tische Vorwölbungen, den Haustren. Sie dienen als kurzfristiges Nahrungsreservoir zur
Absorption von Wasser und Nährstoffen (Schmidt, et al., 2010, p. 820) und können ihre
Form entsprechend der ablaufenden Peristaltik anpassen. In diesen Schichtaufbau inte-
6 Tänien (Taeniae coli): drei Muskelbänder zur Verstärkung der Längsmuskelschicht des Kolons,
die mit dem Gekröse verwachsen sind (De Gruyter, 2013) (S. 2086)
14
griert sind zudem das enterische7 Nervensystem und zahlreiche Blutgefäße entlang der
Vasa recta (Prescher, 2001, pp. 5-7). Die nachfolgende Abbildung zeigt einen Querschnitt
der Wandschichten des Kolons mit einem Divertikeldurchtritt an einer präformierten
Schwachstelle. Die als „Epiploic Appendage“ gekennzeichneten gelblichen Auflagerungen
in der Serosa8 bestehen aus Fettgewebe und sind frei endende Fortsätze der Tänien
(Junqueira & Carneiro, 2004, p. 260). Die drei dicken Muskelbänder werden hier nach
ihrer Lage zum oder entgegen des Mesenteriums unterschieden.
Abbildung 3 Wandschichten des Kolons mit Divertikeldurchtritt (Marks, 2011)
Der spezifische Aufbau des Dickdarms leitet sich aus der mechanischen Beanspruchung
der Darmwand ab, welche einer kontinuierlichen Peristaltik unterliegt und über die beson-
dere Eigenschaft der Segmentierung verfügt. Für einen ausreichenden Kontakt der Muko-
sa zur Stuhlmasse müssen Druckkammern gebildet werden (Ochsenkühn & Göke, 2002,
p. 668). Die zum Gitter angeordnete Ringmuskulatur übernimmt diese Funktion und sorgt
durch einschnürende Kontraktionen für eine regelmäßige Segmentierung der Haustren
(Junqueira & Carneiro, 2004, p. 260). Segmentation und Tänienerschlaffung werden neu-
ronal gesteuert und sind Teil der propulsiven Massenbewegungen zur Beförderung und
Eindickung von Nahrungsbrei. Damit der Koloninhalt nicht zu schnell ins Rectum gelangt,
sondern einige Zeit in den Haustren verweilt, muss die Darmwand einen gewissen Wider-
stand entgegenbringen, weshalb hier naturgemäß erhöhte Druckverhältnisse herrschen
(Schmidt, et al., 2010, p. 820). Im Sigma brechen sich dann die peristaltischen Wellen
7 Enterisches Nervensystem: Darmwandnervensystem (De Gruyter, 2013) (S. 1466)
8 Serosa (Tunica serosa): seröse Auskleidung der Bauchfellhöhle (De Gruyter, 2013) (S. 861)
15
prellbockartig am Übergang in die kontinuierliche Längsmuskelschicht des Rectums
(Prescher, 2001, pp. 12-13). Die zahlreichen Gefäßlücken entlang der Vasa recta dienen
zusätzlich als vaskuläre Gleitschienen für Divertikel, womit dieser Dickdarmabschnitt
präformierte Strukturen aufweist (Wedel & Böttner, 2014, p. 1).
Physiologische Vorgänge der Divertikulose
Der Übergang vom normalen Verdauungsvorgang in einen pathologischen Zustand ist
nicht klar definierbar, da sich altersbedingt Veränderungen an Bindegewebe, Muskeln und
Nerven ergeben, die der Divertikelentstehung bei einem Großteil der Betroffenen Vor-
schub leisten. Zum Beispiel bewirkt eine Hypertrophie9 der Muskelzellen eine Muskelver-
dickung, die eine Lumeneinengung zur Folge hat. Es kommt zur weiteren Druckerhöhung
im Sigma, da sich nach dem Laplace-Gesetz bei gegebener Wandspannung der Radius
verkleinert (Raguse, et al., 2001, p. 103). Die zunehmende Einlagerung des weniger
stabilen Typ-III-Kollagens bewirkt eine qualitative Wandveränderung mit funktionellen
Einbußen in Form einer erhöhten Dehnbarkeit bei gleichzeitigem Elastizitätsverlust
(Schmidt & Jakobs, 2012, p. 320). Elastinablagerungen auf den Tänien vermindern zu-
sätzlich die Rückstellfähigkeit des Darmrohres, da der Bindegewebsanteil den Muskelan-
teil übersteigt (Wedel & Böttner, 2014, p. 5). Weiterhin wurde im Tierversuch beobachtet,
dass die Kontraktionsleistung unabhängig der Muskelschichtdicke im Laufe des Alte-
rungsprozesses abnimmt (Ochsenkühn & Göke, 2002, p. 667).
In diesem Zusammenhang ist auch die Stuhlkonsistenz nicht unerheblich, denn sie beein-
flusst die Passagezeit und mechanische Belastung des Dickdarms. Harte und trockene
Fäzes sind häufig Folge einer typisch westlichen Ernährung mit geringem Ballaststoffan-
teil und erschweren bei unzureichender Wasserbeimengung im Kolon die Darmpassage.
Für ihre Beförderung durch den Darmkanal sind ein kleineres Darmlumen, ein erhöhter
muskulärer Tonus sowie ein erhöhter intraluminaler Druck erforderlich, was zu einer Hy-
persegmentation mit Tänienverkürzung führt. Die Dickdarmwand unterliegt in der Folge
weiteren Umbauvorgängen, die die Textur des Gewebes noch unbeweglicher machen,
sodass es bei anhaltenden mechanischen Verzögerungen an präformierten Schwachstel-
len zur Herniation der Mukosa kommt (Ochsenkühn & Göke, 2002, p. 668).
Bei der Ausstülpung von Schleimhaut und Unterschleimhaut werden die im betreffenden
Areal liegenden Blutgefäße mitgezogen und verengt, sodass das prolabierte Gewebe
nicht mehr ausreichend durchblutet wird und zu Entzündungen neigt (Wedel & Böttner,
2014, p. 2). Die Durchtrittsstellen befinden sich oftmals auf der mesenterialen Seite des
9 Hypertrophie: Größenzunahme eines Organs oder Gewebes (De Gruyter, 2013) (S. 969)
16
deszendierenden Kolons, da hier die submukosalen Blutgefäße und zirkulierenden Mus-
kelstränge angeordnet sind (Prescher, 2001, p. 7).
Die verbreitete Annahme, dass chronisch erhöhte Druckverhältnisse mit Motilitätsstörun-
gen einhergehen, lässt sich bisher nicht eindeutig bestätigen, da noch unklar ist, ob eine
neuromuskuläre Dysfunktion Ursache oder Folge der Divertikelkrankheit ist (Commane, et
al., 2009, p. 2482). Aus tierexperimentellen Untersuchungen ging hervor, dass eine mus-
kuläre Hyperkontraktilität mit spastischer Tonussteigerung erst bei kompliziertem Verlauf
der DK auftritt, während die Beobachtung einer strukturell und funktionell veränderten
Darminnervation bei Divertikulose-Patienten dafür spricht, dass die intestinale Motilität
bereits einen Anteil an der Divertikelentstehung hat (Wedel & Böttner, 2014, p. 6).
Symptomatische Divertikelkrankheit
Die Entwicklung von einer asymptomatischen Divertikulose zur symptomatischen Diverti-
kelkrankheit wird durch eine Reihe entzündlicher Veränderungen implementiert und
zentriert sich auf die Perforation eines Divertikels (Murphy, et al., 2007, p. 4). Die meisten
Komplikationen sind im Bereich des Sigma lokalisiert, da diese aufgrund der architektoni-
schen Gegebenheiten eine intraluminale Hochdruckzone bildet, in der das ausschei-
dungspflichtige Material einige Zeit verweilt, bevor es ins Rectum befördert wird (Murphy,
et al., 2007, p. 3). Die Hypersegmentation ist als bedeutender pathogenetischer Faktor im
weiteren Verlauf dafür verantwortlich, dass sich die ausgestülpten Divertikelsäckchen mit
Kot füllen, weshalb der Entzündungsprozess immer lokal am Divertikel beginnt (Wedel &
Böttner, 2014, p. 2). Intramurale Divertikel haben ein größeres inflammatorisches Poten-
zial als extramurale, da sie durch die umgebende Darmwandmuskulatur stark eingeengt
werden und der enthaltene Fäzes nicht mehr entweichen kann (Prescher, 2001, p. 10).
Der retinierte Stuhl engt das Lumen weiter ein und führt zur Überwucherung mit Keimen,
was als primärer Auslöser für die Entzündungskaskade angesehen wird. Extramurale Di-
vertikel sind dagegen nur von Serosa bedeckt und prädestinieren, unabhängig von ent-
zündlichen Prozessen, für spontane Perforationen oder Divertikelblutungen (Wedel &
Böttner, 2014, p. 2).
Die initiale Entzündung eines oder mehrerer Divertikel geht zunächst mit Schleimhautauf-
werfungen einher, die von Entzündungen, Ulzerationen10 sowie lymphozytären und
neutrophilen Infiltrationen11 betroffen sein können (Wedel & Böttner, 2014, p. 2). Herdför-
mig kommt es zum Ab- und Umbau der Mukosaarchitektur mit Ödembildung, Blutstau und
erhöhter Blutungsneigung (Klosterhalfen, 2001, p. 68).
10
Ulzeration: Geschwürbildung, hier Substanzdefekt der Schleimhaut (De Gruyter, 2013) (S. 2197) 11
Infiltration: Eindringen von Flüssigkeiten oder Zellen in ein Gewebe (De Gruyter, 2013) (S. 1015)
17
Die anhaltende Schmerzsymptomatik nach einem akuten Divertikulitisschub ähnelt einer
Appendizitis und geht auf ausgeprägte Motilitätsstörungen im Kolon zurück, die von neu-
romuskulären Veränderungen initiiert werden. Im Wesentlichen bestehen diese in einem
Defizit an Nervenzellen in der Darmwand bei gleichzeitigem Überschuss an schmerzver-
mittelnden Neurotransmittern (Wedel & Böttner, 2014, pp. 5-6). Die Konsequenz sind ab-
norme Kontraktilitätsmuster im Bereich von Kolondivertikeln, die aus dem Tierversuch als
erhöhter Motilitätsindex beschrieben werden (Prescher, 2001, p. 35). Es können aber
auch viszerale Hypersensitivität und Motilitätsstörungen vorliegen, ohne dass Entzün-
dungsmarker im Blut oder eine eindeutige Pathologie aus der bildgebenden Diagnostik
erkennbar sind, sodass eine Abgrenzung zum Reizdarmsyndrom erschwert wird (Schmidt
& Jakobs, 2012, p. 320).
Komplikationen der akuten Divertikulitis
Komplikationen sind überwiegend auf das linke Hemikolon konzentriert, weshalb dieser
Darmabschnitt bevorzugt elektiv reseziert wird. Bilden sich im Rahmen einer akuten Di-
vertikulitis perikolische Entzündungsherde, kann es zu weitreichenden Komplikationen
kommen, die nachfolgend aufgelistet sind.
Blutung Gefäßschäden treten häufig im Bereich der Divertikelkuppe und am
Divertikelhals infolge einer Ruptur der Vasa recta auf. Die resultie-
rende Blutung kann in allen Dickdarmabschnitten auftreten, ohne
dass ihr eine Entzündung vorausgeht (Raguse, et al., 2001, p. 101).
Bluthochdruck sowie die Einnahme blutverdünnender Medikamente
erhöhen das Risiko. Die Rezidivblutungsrate beträgt 30% (Schmidt
& Jakobs, 2012, p. 321).
Abszess Infolge der Ausbreitung der Entzündung werden durch Einschmel-
zung der Divertikel Abszesse unterschiedlicher Größe gebildet, die
eine gedeckte Perforation bewirken (Klosterhalfen, 2001, pp. 65,67)
und reversible Stenosen verursachen können (Schmidt & Jakobs,
2012, p. 324).
Fistelbildung Fisteln entstehen, wenn Abszesse die Kolonwand penetrieren und
in benachbarte Strukturen, wie die Harnblase, eindringen
(Klosterhalfen, 2001, pp. 67-68). Pathologische Luftansammlungen
im betreffenden Organ oder Ausscheidung von Fäzes über den Urin
sind ein häufiger Befund. (Mansfeld & Teichmann, 2001, p. 139).
18
Freie Perforation Erhöhter intraluminaler Druck kann bei mit Kot gefüllten Divertikeln
für die allmähliche Abtragung der Darmwand verantwortlich sein.
Meist drainiert sich ein Divertikelabszess in die freie Bauchhöhle,
wodurch es zum lebensbedrohlichen Zustand der Peritonitis kommt
(Klosterhalfen, 2001, p. 68).
Peritonitis Entzündung des Bauchfells durch freie Perforation eines Abszess.
Bei eitriger oder kotiger Peritonitis besteht sofortige Operationsindi-
kation (Zachert & Meyer, 2001, p. 87).
Nach Abklingen eines akuten Divertikulitisschub verbleiben in der Regel Fibrosierungen12
der Darmwand mit narbiger Stenosierung, die Ausgangspunkt für Divertikulitisrezidive
sind (Klosterhalfen, 2001, p. 67). Die Assoziationen zwischen den vorherrschenden Ver-
hältnissen im Sigma und den altersbedingten strukturellen und funktionellen Veränderun-
gen, die die Lokalisation von Divertikeln sowie das Ausmaß der Krankheit erheblich beein-
flussen, legen nahe, dass weitere pathogenetische Faktoren beteiligt sind, die vorzugs-
weise die feingeweblichen Ebene betreffen (Ochsenkühn & Göke, 2002, p. 666). Die For-
schung beschäftigt sich zudem mit der Frage, inwiefern die vermehrte Produktion entzün-
dungsfördernder Zytokine als Initiator für die mukosale Entzündung und Komplikationen
verantwortlich ist, da verschiedene Fraktionen in erhöhter Konzentration bei Divertikulitis-
Fällen nachgewiesen wurden (Tursi & Papagrigoriadis, 2009, p. 535).
3 Aktuelle Studienlage
Um einen ernährungstherapeutischen Leitfaden für den stationären und ambulanten Ge-
brauch nutzbar zu machen, benötigen die Handlungsempfehlungen ein wissenschaftli-
ches Fundament, das die Wirksamkeit der Maßnahmen in gewissen Grenzen garantiert.
Aus diesem Grund wird die aus Datenbanken herausgefilterte Literatur nach anerkannten
Evidenz-Härtegraden bewertet und übersichtlich in tabellarischer Form aufgeschlüsselt.
3.1 Evidenzbasierte Medizin
Unter evidenzbasierter Medizin versteht man den ausschließlichen, gewissenhaften Ge-
brauch der derzeit besten wissenschaftlichen Evidenz externer Literatur für Entscheidun-
gen der medizinischen Versorgung (Sackett, et al., 1996, p. 71). Dieser Anspruch soll in
der vorliegenden Arbeit dahingehend umgesetzt werden, dass aus der systematischen
Literaturrecherche verlässliche Empfehlungen abgeleitet werden, die in der Praxis durch
individuelle klinische Expertise ergänzt und in Abstimmung mit den Patientenpräferenzen
12
Fibrosierung (Fibrose): krankhafte Vermehrung von Bindegewebe (De Gruyter, 2013) (S. 684)
19
präventive und therapeutische Anwendung finden. In nachfolgender Tabelle sind die ein-
zelnen Evidenzgrade aufgelistet, die die gefundenen Studien kategorisieren sollen.
Evidenzklasse Anforderung an die Studien
Ia Metaanalyse oder systematische Übersichtsarbeit randomisierter, kontrollierter Studien
Ib Mind. eine randomisierte kontrollierte Studie
IIa Mind. eine gut angelegte kontrollierte Studie ohne Randomisierung
IIb Mind. eine andere Art gut angelegter, quasiexperimenteller Studie
III Gut angelegte, nicht-experimentelle Studie mit deskriptivem Charakter (Korrela-tionsstudien, Vergleichsstudien, Fallkontrollstudien)
IV Berichte oder Expertenmeinungen , ggf. basierend auf klinischen Erfahrungen anerkannter Autoritäten
Tabelle 2 Evidenzklassen modifiziert nach EBM-Netzwerk (Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V., 2007)
Randomisierte, kontrollierte klinische Studien sowie systematische Übersichtsarbeiten
werden als Goldstandard angesehen, wenn es um die Bewertung von Nutzen und Ne-
benwirkungen bestimmter Therapieansätze geht (Sackett, et al., 1996, p. 72). Dennoch
sind Studien mit geringerer Evidenzeinstufung ebenfalls praxisrelevant, wenn keinerlei
Hinweise auf schädliche Wirkungen vorliegen und der behandelnde Arzt aufgrund seiner
Erfahrung eine Anwendung der Ergebnisse am Patienten für sinnvoll einschätzt. Natürlich
sind auch hier die besondere Situation und der Wunsch des Patienten zu berücksichtigen.
3.2 Methodik
Der zentrale Auftrag der Literaturrecherche ist die Neubewertung und Erweiterung bisher
akzeptierter ernährungstherapeutischer Verfahren zur Prävention und Behandlung der
Divertikelkrankheit. Um den roten Faden sicherzustellen, wurden zu Beginn dieser Arbeit
wegweisende Fragestellungen formuliert, die mithilfe der nachfolgenden Studien best-
möglich beantwortet werden sollen. Die Auswahl an geeigneten Datenbanken wird durch
die medizinische Ausrichtung der Bachelorthesis eingeschränkt und auf die Cochrane
Library, Science Direct und PubMed bzw. Medline begrenzt. Zusätzlich wurde die Funkti-
on „scholar“ von Google genutzt, um mögliche Leitlinien zur Divertikelkrankheit von natio-
nalen sowie internationalen Fachgesellschaften ausfindig zu machen und gegebenenfalls
Zugang zu Studien zu erhalten, die über die Datenbanken nicht verfügbar sind. Die Such-
begriffe werden für alle Datenbanken ins Englische übersetzt, da davon ausgegangen
wird, dass relevante Nachweise in englischer Sprache abgefasst sind. Der Umfang der
Recherche in den einzelnen Datenbanken ist davon abhängig, welche Filteroptionen je-
weils zur Verfügung stehen. Der Suchzeitraum umfasst alle Veröffentlichungen vom
01.01.2009 bis einschließlich 15.04.2014. Das nachfolgende Ablaufschema zeigt die we-
sentlichen Schritte der Literaturrecherche bis zur Auswertung relevanter Studien.
20
Abbildung 4 Ablaufschema der Literaturrecherche
Eine Vorauswahl an geeigneten Suchregistern wird durch die Listung von Datenbanken
des Deutschen Instituts für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) gebo-
ten, worüber eine direkte Verbindung zu frei zugänglichen Datenbanken hergestellt wer-
den kann. PubMed besitzt eine eigene Plattform über das National Center for Biotechno-
logy Information (NCBI) und ist primäre Anlaufstelle der Recherche. Die Datenbank wird
seit 1966 fortlaufend mit Artikeln aus medizinisch-orientierten Fachzeitschriften (CAU Kiel,
2009) gespeist und enthält Links zu Volltextzeitschriften. Über PubMed werden weiterhin
Originalpublikationen der Medline Datenbank der US National Library of Medicine gelistet,
die aus internationalen Fachzeitschriften der Medizin und verwandten Fachgebieten
stammen (DIMDI, 2014). Die Suche lässt sich mit Kriterien aus verschiedenen Kategorien
individuell anpassen. Durch Vergleich der Treffermengen von Suchschritten in der „Se-
arch History“ kann die Recherche weiter spezifiziert werden. Die Verwendung von „Medi-
cal Subject Headings“ (MeSH) ermöglicht die Indexierung von Literaturstellen mit medizi-
nischen Fachbegriffen für eine bessere Treffsicherheit der Ergebnisse. „Subheadings“
können den jeweiligen MeSH-Begriff weiter eingrenzen. Die Suchresultate auf PubMed
werden anschließend auf verfügbare Abstracts von RCT-Studien, klinischen Studien, Me-
taanalysen, systematischen Übersichtsarbeiten und multizentrischen Studien limitiert.
21
Die Cochrane Collaboration erstellt systematische Übersichtsarbeiten zur Wirksamkeit
von Maßnahmen der medizinischen Versorgung und bietet diese gemeinsam mit anderen
klinischen Studien und Reviews in ihrer eigenen Datenbank an. Für den Aufschluss der
wesentlichen Untersuchungsergebnisse erweist sich die Cochrane Library als sehr hilf-
reich, da die gefundenen Publikationen nach Relevanz geordnet werden können und eine
hohe Trefferquote aufweisen. Neben den gängigen Operatoren AND, OR und NOT kön-
nen zusätzlich NEAR und NEXT zur präziseren Suche verwendet werden. Außerdem ist
eine gesonderte Darstellung von klinischen Studien, Cochrane Reviews und anderen Re-
views möglich, wodurch ein Überblick über das derzeitige Forschungsinteresse gegeben
wird. Dieser Aspekt ist für die Zielstellung der Thesis besonders nützlich, da für die Praxis
auch Übersichtsarbeiten relevant sind, die Studien mit der nächstbesten Evidenz bündeln
und generelle Aussagen zum Nutzen bestimmter Kostformen oder der Anwendung nutriti-
ver Substanzen erlauben.
ScienceDirect ist ein fächerübergreifendes Suchportal des Verlages Elsevier, welches
neben Zeitschriften auch Bücher und Buchreihen anbietet. Über die HAW Hamburg wird
der Zugriff auf Volltextzeitschriften aus bestimmten Rubriken ermöglicht. Die Suche wird
in dieser Datenbank vereinfacht, indem automatisch verwandte Synonyme sowie Begriffe
im Singular oder Plural in den Treffern enthalten sind. In der Suchmaske wird zunächst
nur „diverticular disease“ als „Abstract, Title, Keywords“ eingegeben sowie die Limits für
den Suchzeitraum und die gewünschten Medien gesetzt. Auf diese Weise erhält man ei-
nen ersten Überblick über alle verfügbaren Artikel und kann anschließend differenzierter
suchen. Weiterhin bietet es sich an, die zu verknüpfenden Schlüsselbegriffe nicht auf
MeSH-Terms festzulegen, sondern nach „All Fields“ zu recherchieren und anschließend
mithilfe der von ScienceDirect angebotenen „Topics“ die Ergebnisse weiter einzugrenzen.
Bei der Zusammenstellung der Keywords werden möglichst viele ähnliche Begriffe oder
Synonyme für die gleiche Exposition verwendet. Für die Divertikelkrankheit wird einheit-
lich der Schlüsselbegriff „diverticular disease“ genutzt, da es alle Verlaufsformen außer
der Divertikulose integriert. Die asymptomatische Divertikulose ist für die Recherche von
untergeordneter Bedeutung, da sie keinen Krankheitswert besitzt und selten Gegenstand
wissenschaftlicher Aufsätze ist. Alle verwendeten Limitierungskriterien und relevanten
Resultate werden mit Screenshots festgehalten. Unter der verbleibenden Auswahl an Ar-
tikeln werden solche ausgeschlossen, die nach Sichtung des Abstracts nicht dem ge-
wünschten Inhalt entsprechen oder Probanden asiatischer Herkunft untersuchen, da der
Fokus dieser Arbeit auf therapeutische Interventionen an kaukasischen Patienten gelegt
wird. Die folgende Tabelle dokumentiert die verwendeten Suchbegriffe, Treffer sowie die
Anzahl an geeigneten Studien für die weitere Auswertung.
22
Datenbank Keywords Treffer Geeignet
PubMed/Medline
Diverticular disease AND nutrition therapy [MeSH Terms] Diverticular disease AND diet therapy [MeSH Sub-headings] Diverticular disease AND dietary fiber [MeSH Terms] Diverticular disease AND dietary supplements [MeSH Terms] Diverticular disease AND probiotics [MeSH Terms] Diverticular disease AND vitamin/mineral [Ti-tle/Abstract] Diverticular disease AND dietary [Title/Abstract] Diverticular disease AND prebiotics Diverticular disease AND fatty acids [MeSH-Terms]
1 3 10 8 7 0 4 1 1
1 1 3 4 4 0 1 1 0
Cochrane Library
Diverticular disease AND nutrition NEAR vegetarian Diverticular disease AND dietary fiber Diverticular disease AND probiotics Diverticular disease AND probiotic OR symbiotic Diverticular disease AND dietary supplements NEAR supplements NEAR supplementation
1 3 5 15 0
1 2 3 2 0
ScienceDirect
Diverticular disease AND nutrition Diverticular disease AND diet Diverticular disease AND dietary fiber Diverticular disease AND probiotic Diverticular disease AND fibre Diverticular disease AND food Diverticular disease AND supplements Diverticular disease AND vegetarian Diverticular disease AND fibre supplementation Diverticular disease AND dietary modification Diverticular disease AND dietary intervention Diverticular disease AND psyllium
13 21 22 17 21 21 31 4 25 9 10 11
1 2 1 2 0 0 2 0 1 0 0 0
Tabelle 3 Darstellung der Datenbankrecherche
23
Nach der groben Eingrenzung der Treffer wurden die Abstracts gesichtet, um die Evi-
denzklasse einzustufen und die Studien auf ihre Patientenorientierung hin zu überprüfen.
Wichtiges Ausschlusskriterium für die Verwendung von Studien mit nutritivem Interventi-
onscharakter ist die Erprobung am Tiermodell, da die Ergebnisse aufgrund der noch lü-
ckenhaften Kenntnis von Ätiologie und Genese der Divertikelkrankheit unzureichend auf
den Menschen übertragbar sind. Studien mit nicht-experimentellen Ansätzen werden
ebenfalls gemieden, da sie bei der Fragestellung nach geeigneten Therapiemethoden
aufgrund der fehlenden Vergleichbarkeit zu falsch-positiven Ergebnissen kommen kön-
nen. Unter den gefundenen Studien befindet sich eine Kohortenstudie mit quasi-
experimentellem Design, da die Versuchsgruppen nicht zufällig per Randomisierung ge-
bildet werden, sondern anhand bestimmter Charakteristika zugeteilt sind. Trotz der damit
verbundenen Einbußen an innerer Validität (Deutsches Cochrane Zentrum, 2014) wird
diese Studie mit in die Auswertung aufgenommen, da sie einen langen Follow-up-
Zeitraum aufweist und sich durch den Vergleich von verschiedenen Ernährungsformen in
besonderem Maße auszeichnet. Eine weitere Studie mit quasi-experimentellem Design
wird trotz fehlender Kontrollgruppe zur Bewertung herangezogen, da sie über hohe me-
thodische Qualität verfügt und ihre Ergebnisse von klinischer Relevanz sind.
3.3 Auswertung relevanter Studien
Evidenzbasierte Leitlinien zur Prävention und Therapie der Divertikelkrankheit existieren
bislang nicht. Bisher veröffentlichte Practice Guidelines, wie die der WGO, geben nur ei-
nen Handlungsleitfaden wieder, der überwiegend medikamentöse und chirurgische Inter-
ventionen fokussiert, sodass die folgende Literaturauswertung die Eignung der Ernäh-
rungstherapie als drittes Standbein prüfen soll. Die anschließend dargestellte Tabelle
nimmt bereits eine vorläufige Auswertung der selektierten Studien in Anlehnung an das
PICO-Schema vor, was für Patient, Intervention, Comparison und Outcome steht und
gängiges Instrument zur Formulierung einer klinischen Frage ist (Deutsches Cochrane
Zentrum, 2014). Die Anzahl der hier dokumentierten Studien entspricht nicht der Anzahl
an potenziell geeigneten Artikeln aus der Recherche, da einige Artikel mehrfach in den
Treffern vorkommen oder eine ähnliche thematische Ausrichtung aufweisen. Die in der
Tabelle aufgeführten Kriterien ermöglichen einen übersichtlichen Vergleich der Studien,
welcher durch die anschließenden Zusammenfassungen ergänzt wird. Die Outcome-
Parameter werden nicht weiter unterteilt und können sowohl die Lebensqualität des Pati-
enten betreffen als auch zur medizinischen Entscheidungsfindung beitragen. Für die ge-
nauere Beurteilung sind vor allem die Größe der Studienpopulation, der Zeitraum der In-
tervention und die Endpunkte der Exposition interessant, da sie die Übertragbarkeit und
Anwendbarkeit der Ergebnisse beeinflussen.
24
Referenzen Studiendesign/
Evidenzklasse
Intervention/
Exposition
Zeit-
raum
Studien-
population Control Outcome Ergebnis
Crowe et al.;
2011
Prospektive
Kohortenstudie,
Evidenzgrad IIb
Untersuchung und
Befragung von
Vegetariern und
Nicht-Vegetariern
11,6
Jahre
FU13
Anhänger
bestimmter
Kostformen
aus England u.
Schottland
-
Zahl der ärztlichen
Behandlungen auf-
grund von DK14
;
BS-Aufnahme nach 5
Dosierungsbereichen
Höheres Risiko für DK bei
Fleisch- und Fischessern
unter einer geringen BS-
Aufnahme (<25g/Tag)
Ünlü et al.;
2012
Systematische
Übersichtsarbeit
klinischer, rando-
misierter, kontrol-
lierter Studien
sowie einer Fall-
kontrollstudie
Evidenzgrad Ia
Untersuchung bal-
laststoffreicher
Diäten zur Verbes-
serung von Symp-
tomen, Prävention
von Komplikationen
und Rezidivprophy-
laxe nach akuter
Divertikulitis
1) 3 Mo.
2) 4 Mo.
3) 3 Mo.
4) 54 Mo.
+76 Mo.
1) Patienten
mit symptoma-
tischer DK
2) Patienten
mit SUDK15
3) Patienten
mit DK
4) Patienten
mit symptoma-
tischer DK
1) BS-
arme Kost
2) Place-
bo
3) Place-
bo
4) unbe-
handelt
Diagnose einer kom-
plizierten DK oder
Rezidive; Symptome
der DK; Schmerz-
skala und Mortalitäts-
rate
1) BS-reiche Kost ist effek-
tiver in der Reduktion von
Symptomen u. Schmerzen
2) BS-Supplemente verbes-
sern Obstipation
3) Methylcellulose lindert
die Symptome einer DK
4) Mit BS-Kost weniger
Komplikationen der DK
Lamiki et al.;
2010
Prospektive,
randomisierte,
offene Studie
Evidenzgrad IIb
Untersuchung der
Effektivität von
symbiotischen Mix-
turen zur Rezidiv-
prophylaxe bei DK
6 Mo. FU Patienten mit
SUDK -
Quantitative Skalen
für Obstipation, Diar-
rhö und abdomineller
Schmerz; Nachweis
der Spezies im Stuhl
Synbiotika normalisieren die
Darmperistaltik und reduzie-
ren abdominelle Schmerzen
aufgrund von DK; Nachweis
in Faeces ist positiv
13
FU (Follow up): Untersuchungen der Probanden oder Datenerhebung nach vorläufiger Beendigung einer Studie 14
Zur Divertikelkrankheit wird in dieser Erhebung auch die Diagnose einer Divertikulose gezählt 15
SUDK: Symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit
25
Lahner et al.;
2012
Multizentrische,
randomisierte,
kontrollierte
Studie;
Evidenzgrad Ib
Gruppe A: BS-Kost
+ Probiotika;
Gruppe B: BS-Kost
(zweiarmig)
4 Wo.
Wash-out
+ 6 Mo.
Studie
Patienten mit
SUDK BS-Kost
Auftreten und Intensi-
tät abdomineller
Symptome oder Di-
vertikelblutungen;
Sekundär: Toleranz
der Behandlung und
Rezidivprophylaxe
Signifikante Symptomver-
besserung bei beiden
Gruppen nach 3 und 6 Mo-
naten; Reduzierung von
Divertikelblutungen in
Gruppe A. BS-Kost ist mit
Probiotikum effektiver
Tursi et al.;
2013
Multizentrische,
randomisierte,
doppelblinde,
kontrollierte
Studie
Evidenzgrad Ib
Gruppe M: Mesala-
zin16
+ Probiotikum
Placebo
Gruppe L: Probioti-
kum + Mesalazin
Placebo
Gruppe LM: Mesa-
lazin + Probiotikum
Gruppe P: Placebo
10 Tage
pro Mo.
für 12 Mo.
Patienten mit
SUDK
Placebos
von Me-
salazin
und Pro-
biotikum
Wiederauftreten ab-
domineller Schmer-
zen (Skala ≥5 von 10)
für 24h im Follow-up
Kein Rezidiv in Gruppe LM,
7 Rezidive in Gruppe M, 8
Rezidive in Gruppe L und
23 Rezidive in Gruppe P; 6
Fälle von akuter Divertikuli-
tis in Gruppe P und 1 in
Gruppe L
Lanas et al.;
2012
Multizentrische,
randomisierte,
offen kontrollierte
Studie
Evidenzgrad Ib
Vergleichende Ga-
be von tägl. 3,5g
BS mit und ohne
Rifaximin17
für eine
Woche/ Monat
12 Mo.
Patienten mit
akuter Diverti-
kulitis in Re-
mission
BS-
Supple-
ment
Rezidive der akuten
Divertikulitis mit oder
ohne Komplikationen
Die kombinierte Anwendung
von Rifaximin und BS-
Supplementen kann die
Remission der DK verlän-
gern.
Tabelle 4 Auswertung relevanter Studien nach PICO-Schema (Deutsches Cochrane Zentrum, 2014)
16
Mesalazin (5-ASA): gehört zur Gruppe der Antiphlogistika und wird als entzündungshemmendes Medikament häufig bei CED angewendet (De Gruyter, 2013) (S. 124) 17
Rifaximin: ist ein halbsynthetisches Breitbandantibiotikum, was nur lokal im Darmlumen wirkt und nicht resorbiert wird (De Gruyter, 2013) (S. 1855)
26
Kurzbeschreibung der ausgewählten Studien
Crowe et al. (2011)
Im Rahmen der groß angelegten EPIC-Oxford Studie werden 47033 vegetarisch lebende
Männer und Frauen ab 20 Jahren aus England und Schottland zu ihrer Ernährung befragt.
Initiiert wird die Kohortenstudie 1993 mit dem Ziel, eine größtmögliche Bandbreite an al-
ternativen Ernährungsformen zu erfassen und im Follow up-Zeitraum Assoziationen zur
langfristigen Gesundheit der Probanden ausfindig zu machen (University of Oxford, o.J.).
Nach Abschluss des Rekrutierungszeitraumes finden in 5 Jahresabständen anthropomet-
rische und laborchemische Untersuchungen statt, die Aufschluss über den gesundheitli-
chen Zustand der Probanden geben sollen. Mit retrospektiven Instrumenten der Ernäh-
rungserhebung wie Food Frequency (FFQ) Formularen werden Auskünfte zur Ernäh-
rungsweise eingeholt. Zur Kategorisierung der Ernährungsform werden mittels Befragung
vier Gruppen zum Konsum von Fleisch, Fisch, Milchprodukten und Eiern gebildet. Rück-
schlüsse auf die durchschnittliche Nährstoffversorgung geben Angaben zum täglichen
Verzehr von insgesamt 130 der in der FFQ erfassten Lebensmittel und Getränke. Außer-
dem werden die Studienteilnehmer zu ihrem Lebensstil sowie ihrem Bildungsabschluss
interviewt. Zur Berechnung des relativen Risikos (RR) für die DK nutzen die Wissen-
schaftler Daten des National Health Service, welche Auskunft über die klinische Versor-
gung oder Todesfälle unter den Studienteilnehmern geben (Crowe, et al., 2011, p. 2). Die
Ballaststoff-Aufnahme ist neben dem Auftreten von DK ein weiterer relevanter Endpunkt
in der Analyse der verschiedenen Ernährungsformen und wird geschlechtsspezifisch in
fünf Größenordnungen dargestellt. Der Zusammenhang zwischen Kostform, Ballaststoff-
konsum und Divertikelkrankheit wird anhand verschiedener Einordnungsschemata ermit-
telt, die unter anderem die Dauer der Zugehörigkeit zur vegetarischen oder nicht-
vegetarischen Ernährung abfragen. Das Hauptaugenmerk der Sensitivitätsanalyse liegt
aber auf der Beziehung zwischen Ballaststoffkonsum und Auftreten der Divertikelkrankheit
bei Fleischessern.
Während der Follow-up-Periode von 11,6 Jahren treten 812 Fälle von Divertikelkrankheit
unter den Probanden auf, wovon sechs Todesfälle gezählt werden. In über 95% der Diag-
nosen handelt es sich um die komplikationslose DK. Vegetarier und Veganer haben ein
um 30% geringeres Risiko für eine DK als Fleisch- oder Fischesser (Crowe, et al., 2011,
p. 3). Das RR zwischen den beiden Gruppen beträgt 0,72 und ergibt sich aus dem Ver-
hältnis 0,55 Vegetarier zu 0,95 Nicht-Vegetarier (Crowe, et al., 2011, p. 4). Der Effekt der
Risikoreduktion ist bei veganer Ernährung noch ausgeprägter, allerdings wird das nur an
einer kleinen Personenzahl beobachtet und kann nicht verallgemeinert werden. Der Zeit-
27
raum der vegetarischen Kosteinhaltung hat dagegen keinen Einfluss auf die Stärke der
Risikoreduktion (Crowe, et al., 2011, p. 3). Umgekehrt steht die Höhe des Fleischkonsums
in keiner signifikanten Relation zum Erkrankungsrisiko. Eine inverse Korrelation wird da-
gegen zwischen der dosisabhängigen Ballaststoffaufnahme und dem DK-Risiko festge-
stellt. Unabhängig von der Ernährungsweise haben Studienteilnehmer mit einem BS-
Konsum im obersten Fünftel ein um 42% geringeres Risiko für die DK gegenüber dem
untersten Fünftel (Crowe, et al., 2011, p. 4). Die Auswertung der Lebensstilfaktoren ergibt,
dass der überwiegende Anteil an vegetarisch lebenden Teilnehmern (80%) jünger ist als
nicht-vegetarische Teilnehmer und einen insgesamt gesünderen Lebensstil pflegt. Diese
Beobachtung spiegelt sich auch im Vergleich des BMI wieder, welcher im Mittel unter dem
von Fleischessern liegt (Crowe, et al., 2011, p. 3). Dennoch erreichen die Assoziationen
zwischen den Kostform-Gruppen und dem DK-Risiko weder eine Evidenz für die Zuord-
nung zum männlichen oder weiblichen Geschlecht noch für das Alter der Probanden
(Crowe, et al., 2011, p. 4).
Ünlü et al. (2012)
In der systematischen Übersichtsarbeit wird der Fragestellung nachgegangen, ob eine
ballaststoffreiche Diät die Symptome einer Divertikelkrankheit verbessern, Komplikationen
vorbeugen oder Rezidive einer erstmaligen akuten Divertikulitis verhindern kann. Von der
Bewertung ausgeschlossen sind Studien ohne eine vergleichende Kontrollgruppe. Das
methodische Vorgehen umfasst im Wesentlichen die Recherche in den Datenbanken
Medline, Embase, CINAHL und Cochrane (Ünlü, et al., 2012, p. 420). Die Probanden der
Studien sind über 18 Jahre und haben entweder eine unkomplizierte DK oder befinden
sich in einer Episode nach einem ersten akuten Entzündungsschub. Die Diagnosen sind
mithilfe von Koloskopien, Sonografien, CT oder Kontrasteinlauf gestellt worden. Die Wis-
senschaftler schließen nicht nur Interventionen zur ballaststoffreichen Ernährung in ihre
Auswertung mit ein, sondern auch die isolierte Anwendung von Ballaststoffpräparaten.
Unter den geeigneten Studien befinden sich drei RCT-Studien und eine Fallkontrollstudie,
die aufgrund statistisch signifikanter Ergebnisse als relevant eingestuft wird. Zur Verhü-
tung von Divertikulitisrezidiven treffen keine der selektierten Studien die geforderten Krite-
rien zur Sicherung der Validität, sodass dieser Aspekt in der Übersichtsarbeit nicht mit
aufgenommen wird (Ünlü, et al., 2012, p. 421).
Die erste RCT-Studie stammt von Brodribb und untersucht in einem dreimonatigen Zeit-
raum die Effektivität einer ballaststoffreichen Kost bei 18 Patienten mit symptomatischer
Divertikelkrankheit. Die Studienteilnehmer leiden alle unter einem symptomatischen Ver-
lauf der DK, die zwar gastroenterologisch diagnostiziert, aber nicht näher beschrieben ist.
28
Nach Randomisierung in Versuchs- und Kontrollgruppe werden täglich neun Knäckebrote
pro Person verzehrt, die je nach Zuordnung einen Ballaststoffgehalt von insgesamt 0,6g
oder 6,7g aufweisen. Das Auftreten von Symptomen und Schmerzen während der Unter-
suchungsdauer wird anhand eines detaillierten Fragebogens aufgezeichnet und mit Punk-
ten von 0-6 kategorisiert. Aus den monatlichen Befragungen geht eine signifikante Diffe-
renz sowohl in der Reduktion der Symptomatik als auch der Schmerzen zwischen den
beiden Gruppen hervor. Die Studienteilnehmer mit dem ballaststoffreichen Knäckebrot
weisen eine größere Effektstärke in der Symptom- und Schmerzskala auf. Komplikationen
und damit verbundene ärztliche Behandlungen werden bei keinem Probanden verzeichnet
(Brodribb, 1977, p. 665).
Die zweite RCT-Studie zeichnet sich durch ihr Crossover-Design aus und vergleicht die
Anwendung von zwei Ballaststoff-Supplementen mit zwei Placebos bei 58 Patienten mit
symptomatischer unkomplizierter Divertikelkrankheit. Die aktive Intervention umfasst den
täglichen Verzehr von kleiehaltigen Knäckebroten (6,99g BS/Tag) oder einem Getränk,
welches Ispaghula-Flohsamen enthält (9,04g BS/Tag). Die passive Intervention wird in
Form von entsprechenden Placebos (2,34g BS/Tag) durchgeführt. Jede der vier Varianten
wird von allen Probanden über 16 Wochen angewendet. An 12 Kontrollterminen werden
ungenutzte Supplemente von den Teilnehmern zurückgegeben und damit die Compliance
erhoben (Ornstein, et al., 1981, p. 1353). Mit der Diet-History-Methode wird der gewohn-
heitsmäßige Verzehr sowie die basale Ballaststoffaufnahme zu Anfang und Ende des
Untersuchungszeitraums erfasst. Die Probanden sind zudem angewiesen, neben den BS-
Supplementen keine weiteren Ballaststoffquellen im Untersuchungszeitraum zu nutzen.
Zwölf Fragen mit skalierten Antworten zum Auftreten von Symptomen halten zusätzlich
den individuellen Verlauf der DK fest und werden bezüglich Schmerzen, Symptomen im
Unterbauch und Symptomen insgesamt bewertet. Am Ende einer jeden Intervention wer-
den über 7 Tage Stuhlproben gesammelt und die Transitzeit gemessen (Ornstein, et al.,
1981, p. 1354). Die Varianzanalyse offenbart keine statistisch signifikanten Differenzen
zwischen den Versuchs- und Kontrollgruppen hinsichtlich der erhobenen Parameter. Der
Einsatz der BS-Supplemente bewirkt eine Erhöhung des Stuhlgewichts, einen Anstieg der
Stuhlfrequenz sowie eine weichere Stuhlkonsistenz. Der Effekt ist mit Flohsamen stärker,
aber erhöht auch die Flatulenz. Die Symptome einer Obstipation verbessern sich signifi-
kant mit den BS-Anwendungen (Ornstein, et al., 1981, p. 1355).
Die dritte RCT-Studie stammt von Hodgson aus dem Jahr 1977 und geht der Frage nach,
ob ein Placebo-Effekt für die diätetische Therapie der DK notwendig ist. Dafür werden 30
Patienten mit radiologisch diagnostizierter Divertikelkrankheit täglich jeweils zwei Tablet-
ten à 500mg Methylcellulose oder ein entsprechendes Placebo verabreicht. Der Beobach-
29
tungszeitraum beträgt drei Monate mit Interviews in Abständen von sechs Wochen. Von
den 27 Probanden, die die Studie abschließen, entfallen 11 auf die Kontrollgruppe und 16
auf die Versuchsgruppe. Als Endpunkt der Befragungen wird eine Symptomskala erstellt,
die in der Methylcellulose-Gruppe einen signifikanten Rückgang des Symptomscores
zeigt (Ünlü, et al., 2012, p. 424).
Die Fallkontrollstudie von Leahy et al. untersucht an 56 Patienten, die zwischen 1972 und
1981 aufgrund von symptomatischer Divertikelkrankheit behandelt wurden, die Wirksam-
keit einer ballaststoffreichen Kost. 31 Probanden erfüllen die Compliance und stellen die
Versuchsgruppe dar, während 25 Teilnehmer die Kontrollgruppe bilden und keine Inter-
vention erhalten (Ünlü, et al., 2012, p. 424). Die Kost der Versuchsgruppe wird individuell
in Zusammenarbeit mit Ernährungsfachkräften gestaltet, muss aber die Bedingung von
täglich mindestens 25g Ballaststoffe erfüllen. Im Februar 1983 werden die noch lebenden
Patienten über ihre behandelnden Ärzte kontaktiert und ambulant zu ihrer Ernährung so-
wie dem Verlauf ihrer Krankheit befragt. In der Ballaststoffgruppe sterben im Follow-up-
Zeitraum 7 Probanden und 6 erleiden einen symptomatischen Verlauf der DK. In der Kon-
trollgruppe sterben 2 Probanden, 11 erleiden einen symptomatischen Verlauf und 5 sind
von weiteren Komplikationen betroffen. Keiner der Todesfälle ist von der Divertikelkrank-
heit verursacht worden. Der Follow-up-Zeitraum unterscheidet sich in den beiden Grup-
pen und beträgt 54 Monate in der Ballaststoffgruppe und 76 Monate in der Kontrollgruppe.
Die Wissenschaftler leiten für die ballaststoffreiche Ernährung eine positive Wirkung hin-
sichtlich Symptomfreiheit und Verhütung von Komplikationen einer DK ab (Leahy , et al.,
1985, p. 174).
Lamiki et al. (2010)
Die unkomplizierte Divertikelkrankheit geht häufig mit Symptomen wie Unterbauch-
schmerzen, Fieber und Änderung der Stuhlgewohnheiten einher (Lamiki, et al., 2010, p.
31). Lamiki et al. untersuchen in ihrer 2010 veröffentlichten Studie daher die Effektivität
und Toleranz von symbiotischen Mixturen an 46 Patienten mit symptomatischer unkom-
plizierter Divertikelkrankheit. Die Diagnosen wurden zuvor anhand unspezifischer abdo-
mineller Beschwerden bei bekanntem Divertikelbefund gestellt. 21 der 46 Patienten be-
richten, dass sie in ihrer bisherigen Krankengeschichte von Divertikulitis betroffen waren.
Zu Beginn der Studie sowie nach 1, 3 und 6 Monaten im Follow-up werden Stuhlproben
von den Probanden gesammelt und Check-ups an den Patienten vorgenommen. Die
Symptome Obstipation, Diarrhö und abdominelle Schmerzen werden anhand von quanti-
tativen Skalen erfasst und mit 0 für keinerlei Beschwerden, 1 für geringfügige, 2 für mode-
rate und 3 für starke Beschwerden kategorisiert. Die physische Verbesserung soll in Ab-
30
ständen von jeweils drei Monaten von den Probanden auf einer Likert-Skala von 1-4 mit 1
für sehr effektiv und 4 für verschlechternd eingeschätzt werden. An die Kontrolltermine
sind zudem Befragungen zur Ernährung geknüpft, um wesentliche Veränderungen der
Kostzusammensetzung innerhalb der Follow-up-Periode feststellen zu können. Die sym-
biotische Mixtur enthält die Probiotika L. acidophilus, L. helveticus und Bifidobakterium
spp. in einem mit Phytoextrakten angereicherten Medium und wird 3-Mal täglich in 10ml
Dosierung aufgenommen. Die genomische DNA der Lebendbakterien kann im Gastroin-
testinaltrakt nachgewiesen und somit die Überlebensfähigkeit der verschiedenen Spezies
bestimmt werden (Lamiki, et al., 2010, p. 32). Während des Untersuchungszeitraums
werden keinerlei Nebenwirkungen beobachtet. 45 Probanden schließen die Studie mit
einer Compliance-Rate von über 98% ab. 31 Patienten (68,8%) sind nach der Intervention
symptomfrei, sodass die Behandlung von einem Großteil der Kohorte (77,2%) als „effek-
tiv“ und „sehr effektiv“ beurteilt wird. Obstipationsbedingte abdominelle Schmerzen zeigen
einen statistisch signifikanten Rückgang über den gesamten Versuchszeitraum. Die sym-
biotische Mixtur verursacht bei einigen Patienten eine anfängliche Unbehaglichkeit, be-
wirkt aber bis zum Ende der Studie eine verbesserte oder normalisierte Darmperistaltik.
Die mikrobiologische Untersuchung der Stuhlproben weist einen signifikanten Anstieg der
Anzahl an Anaerobiern, besonders der Lactobacillen und Bifidobakterien auf sowie eine
tendenzielle Reduktion pathogener Clostridien. Die supplementierten Spezies werden
analog zur Dauer der Anwendung im Stuhl nachgewiesen und erreichen den Peak nach
drei Monaten (Lamiki, et al., 2010, p. 34).
Lahner et al. (2012).
In der multizentrischen RCT-Studie wird an 52 Patienten mit symptomatischer unkompli-
zierter Divertikelkrankheit die Effektivität des Einsatzes von probiotischen Kulturen zusätz-
lich zu einer ballaststoffreichen Kost erprobt. Die SUDK wird hier durch vorhandene Diver-
tikel mit abdominellen Schmerzen oder Blutungen ohne Anzeichen einer akuten Entzün-
dung definiert, welche für mindestens 6 Monate vor Rekrutierung bestehen (Lahner, et al.,
2012, p. 5919). Da es sich um eine Parallelgruppen-Intervention handelt, werden die Pro-
banden in Versuchs- und Kontrollgruppe per Zufallsprinzip zugeteilt. 30 Teilnehmer bilden
Gruppe A und werden von Fachpersonal zu einer ballaststoffreichen Diät angeleitet, die
30g BS pro Tag in Form von Obst, Gemüse und Cerealien umfasst. Die Intervention wird
durch die tägliche orale Aufnahme eines symbiotischen Präparates ergänzt, welches Lac-
tobacillus paracasei enthält. Gruppe B hingegen befolgt ausschließlich die BS-Diät. Hilfs-
medikationen sind während des Untersuchungszeitraums nicht erlaubt. Alle Patienten
unterziehen sich drei klinischen Interviews zu Beginn der Studie, nach 3 Monaten und
nach 6 Monaten, bei denen die Compliance über strukturierte Befragungen erhoben und
31
abdominelle Symptome sowie laborchemische Parameter abgefragt werden, um eine aku-
te Entzündung auszuschließen. Die Adhärenz der ballaststoffreichen Kost wird mit einem
semiquantitativen Fragebogen zu den genannten Kontrollzeitpunkten ermittelt, indem der
Konsum relevanter Nahrungsquellen der letzten 7 Tage abgefragt wird. Primäre Endpunk-
te der zweiarmigen Ernährungsintervention sind der Rückgang abdomineller Symptome
und Veränderungen in der Symptomschwere. Sekundär wird erhoben, wie gut die Be-
handlung toleriert wird und ob sie ein Wiederauftreten nachteiliger Ereignisse verhindern
kann (Lahner, et al., 2012, p. 5920). In Gruppe A beenden 27 von 30 Patienten die Studie
und in Gruppe B alle 22. Der BS-Verzehr steigt zu allen Evaluationszeitpunkten in beiden
Teilnehmergruppen an, zeigt aber keinen signifikanten Unterschied in seiner Höhe. Die
Auswertung der Symptomskalen zeigt für beide Interventionen eine kontinuierlich signifi-
kante Verbesserung im Vergleich zum Ausgangswert. Jedoch ist der Therapieerfolg so-
wohl für abdominelle Schmerzen <24 h als auch > 24 h in Gruppe A größer. Abdominelle
Blutungen können lediglich in Gruppe A signifikant reduziert werden. Weiterhin sind in
Gruppe B im Untersuchungszeitraum erneute Fälle von abdominellen Schmerzen (4) und
Divertikelblutungen (2) zu beobachten, während die A-Probanden frei von jeglichen
Symptomen bleiben. Keiner der Patienten entwickelt eine akute Divertikulitis oder andere
Komplikationen der DK. Die Wissenschaftler schlussfolgern, dass eine BS-Diät zwar ab-
dominelle Beschwerden der SUDK senkt, aber effektiver und mit größerer Reichweite
agiert, wenn es mit einem Probiotikum kombiniert wird (Lahner, et al., 2012, p. 5922).
Tursi et al. (2013)
Die multizentrische doppelblinde RCT-Studie überprüft und erweitert die Ergebnisse von
Lahner et al. hinsichtlich der Prävention von Rezidiven der symptomatischen unkompli-
zierten Divertikelkrankheit. Patienten mit kurzzeitigen abdominellen Schmerzen werden
von der Studie ausgeschlossen, da dies ein häufig beobachtetes Symptom bei RDS ist.
210 Probanden werden in 4 Interventionsgruppen eingeteilt und die Auswirkung der jewei-
ligen Exposition über 12 Monate untersucht. Gruppe M erhält täglich 1,6g Mesalazin und
ein Placebo des Probiotikums Lactobacillus casei subsp. DG. Gruppe L erhält das Probio-
tikum und ein Mesalazin Placebo, Gruppe LM wendet Mesalazin und Probiotikum kombi-
niert an und Gruppe P erhält beides als Placebo. Die Kontrollen erfolgen nach 1, 2, 6, 9
und 12 Monaten in 14 verschiedenen Einrichtungen. Abdominelle Schmerzen werden mit
einer Intervallskala von 0 für die Abwesenheit von Schmerzen bis 10 für schwere
Schmerzen erfasst. Symptome der DK, wie Diarrhö, Obstipation oder Blutungen, werden
ebenfalls auf diese Weise erhoben (Tursi, et al., 2013, p. 2). Für jeden Teilnehmer werden
die Ergebnisse der Screeningtermine, demographische Charakteristika, Daten der medi-
zinischen Versorgung sowie Medikationen erfasst. Neben der vorgeschriebenen Mesala-
32
zingabe für einige Probanden sind auch einige begleitende Medikamenteneinnahmen
erlaubt, wenn sie in konstanter Dosierung über einen längeren Zeitraum erfolgen. Der
gesundheitliche Zustand der Probanden wird kontinuierlich über selbstständige Aufzeich-
nungen mit vorgefertigten Formularen erfasst und zu den Visitationen klassifiziert und
bewertet. Eine ballaststoffreiche Ernährung soll im Untersuchungszeitraum gezielt ver-
mieden werden, um die Veränderungen eindeutig auf die beschriebenen Variablen zu-
rückzuführen (Tursi, et al., 2013, p. 3). Primärer Endpunkt ist der Anteil an Patienten, die
nach einer Episode der SUDK die Remission innerhalb der Follow-up-Periode aufrecht-
erhalten. Diese wird als das Ausbleiben abdomineller Schmerzen mit der Bewertung ≥5
für mindestens 24 h definiert. Sekundär werden sämtliche Einflüsse der Divertikelkrank-
heit auf die Remissionserhaltung erhoben, wie etwa die Einnahme bestimmter pharmako-
logischer Substanzen oder einzelne Charakteristika der DK (Tursi, et al., 2013, p. 4). Die
Ergebnisse der Intervention werden als Hazard Ratio (HR) sowie im 95% Konfidenzinter-
vall dargestellt. Von Rückfällen der SUDK sind 7 Patienten in Gruppe M, 8 Patienten in
Gruppe L und 23 Patienten in Gruppe P betroffen. Alle Probanden in Gruppe LM bleiben
symptomfrei. Das RR der klinischen Remission zeigt zwischen den Gruppen L und M kei-
nen signifikanten Unterschied. Die Analyse möglicher Störvariablen ergibt keinen Einfluss
der personenbezogenen Ausgangsbedingungen auf die Remissionserhaltung. DK-
assoziierte Symptome zeigen ebenfalls keine signifikanten Unterschiede zwischen den
Gruppen (Tursi, et al., 2013, p. 6). Akute Divertikulitis tritt bei 7 Personen aus Gruppe P
und 1 Person aus Gruppe L auf. Die Compliance wird für alle Gruppen mit 80% angege-
ben (Tursi, et al., 2013, p. 7).
Lanas et al. (2012)
Die Untersuchung von Lanas et al. ist ursprünglich als multizentrische randomisierte, of-
fene Studie konzipiert, muss aber aufgrund einer zu kleinen Studienpopulation in eine
Machbarkeitsstudie nach dem Proof of Concept umgewandelt werden. In der Follow-up-
Periode von einem Jahr werden gleichartige Parallelgruppen aus 165 Probanden über 18
Jahren entweder einer BS-Supplementation von täglich 3,5g oder einer Kombination mit
dem Antibiotikum Rifaximin ausgesetzt. Zum Zeitpunkt der Rekrutierung befinden sich alle
Patienten in der Remission nach einem oder mehreren akuten Episoden der Divertikulitis
in den vergangenen zwei Monaten. Die Krankengeschichte sowie erforderliche Medikatio-
nen werden bei Aufnahme der Probanden erfragt. Das applizierte Ballaststoffpräparat
besteht aus Flohsamenschalen (plantago ovata), die als aufquellendes Granulat mit Flüs-
sigkeit eingenommen werden. 77 der eingeschlossenen Probanden nehmen zusätzlich
jeweils in der ersten Woche des Monats täglich zwei Tabletten Rifaximin (800mg/Tag) ein.
Die Sicherheit des Antibiotikums wurde zuvor in Langzeituntersuchungen evaluiert und
33
bestätigt, da sich das Breitbandantibiotikum nicht im Körper anreichert. Klinische Visitatio-
nen erfolgen 4, 12, 24, 36 und 48 Wochen nach Studienbeginn. Primär erhoben wird das
Auftreten einer weiteren akuten Episode der Divertikulitis, welche mit oder ohne Komplika-
tionen auftreten kann und als Hazard Ratio gemessen wird. Die Intensität und Vielfalt ab-
domineller Beschwerden und Symptome wird alle 4 Wochen von den Patienten abgefragt
und mit einer visuellen Analogskala von 0-10 gepunktet. Bei jeder Befragung werden die
Vitalfunktionen, Körpertemperatur, BMI und laborchemische Parameter erhoben. Außer-
dem werden alle Patienten auf Blutrückstände im Stuhl zu Beginn der Untersuchung und
im Falle einer wiederauftretenden Divertikulitis getestet (Lanas , et al., 2013, p. 105). Aus
der Versuchsgruppe mit zweifacher Intervention schließen 56 Patienten die Studie ab, von
denen 8 einen Divertikulitis-Rückfall erleiden. Aus der Kontrollgruppe verbleiben am Ende
der Studie 76 Probanden mit 17 Fällen von Rezidiven und einem signifikant höheren Re-
zidiv-Risiko sowie einer kürzeren Remissionsphase (Lanas , et al., 2013, p. 106).
3.4 Diskussion der Ergebnisse
Niedrige Trefferzahlen in der Recherche sowie die spärliche Auswahl an geeigneten Stu-
dien erklären, warum bislang keine evidenzbasierten Leitlinien zur Prävention und Thera-
pie der DK existieren. Die bis dato lückenhafte Kenntnis der Ätiologie sowie die Schwie-
rigkeit eine ausreichend große Kohorte zu rekrutieren sind die wesentlichen limitierenden
Faktoren im Bestreben um Studienergebnisse mit hoher Validität. Die folgende Tabelle
stellt die Stärken und Schwächen der ausgewerteten Arbeiten gegenüber und leitet eine
abschließende Bewertung daraus ab. Die Abkürzung LM steht hier für Lebensmittel.
Studie Stärken Schwächen Beurteilung
Crowe et al. (2012)
+ langer Zeitraum
+ große Kohorte
+ viele Vegetarier le-
ben bei Rekrutierung
seit >5 J. fleischfrei
+ mehrere unabhängi-
ge Variablen werden
gleichzeitig erfasst
+ Prospektives Design
+ während FU Elimi-
nierung von Proban-
den mit DK, um umge-
kehrte Kausalität zu
vermeiden
- quasi-experimentell u.
ohne Randomisierung
- Anzahl der Vegetarier
und Nicht-Vegetarier
unter den Erkrankten
ist nicht bekannt
- keine weiteren Anga-
ben zu LM-Gruppen
und DK-Risiko
- große Abstände zwi-
schen Befragungen
- nur behandlungs-
pflichtige Fälle von DK
werden erfasst
Trotz langer FU-
Periode und großer
Kohorte können nur
Trends abgeleitet
werden, da die Ergeb-
nisse nicht repräsen-
tativ sind. Aussagen
nur bezüglich des
Risikos für die symp-
tomatische DK mög-
lich, da die Fälle von
Divertikulose bei der
Datenerhebung nicht
erfasst sind.
34
Ünlü et al. (2012)
+ nur Studien mit Kon-
trollgruppen gewählt
+ diagnostische Ver-
fahren zur Einstufung
der DK werden erfasst
+ Ausschluss von Pa-
tienten mit zusätzli-
chen gastrointestina-
len Erkrankungen
+ mehrere Endpunkte
- Validität der Ergeb-
nisse durch kleine Ko-
horten und kurze Zeit-
räume limitiert
- Inkonsistente Daten
- oftmals keine kontinu-
ierliche Überwachung
des Gesundheitszu-
stands der Probanden
(Tagebuchstil)
Wenngleich die Evi-
denz der Ergebnisse
durch kleine Studien-
populationen und
Schwächen in der
Methodik geschmälert
wird, ist das Potenzial
ballaststoffreicher
Diäten bei DK deutlich
erkennbar.
Lamiki et al. (2010)
+ detaillierte und re-
gelmäßige Untersu-
chung und Befragung
der Probanden
+ Veränderungen der
Ernährungsgewohn-
heiten werden erfasst
- hohe innere Validität
- SUDK wird anhand
unspezifischer abdomi-
neller Symptome diag-
nostiziert
- Kontrollgruppe fehlt
- keine Angaben zur
Auswertung der Diät-
gewohnheiten
Einschätzung der
Effektgröße schwierig,
da Vergleich mit Pla-
cebo fehlt. Dennoch
empfiehlt sich der
therapeutische Ein-
satz symbiotischer
Mixturen bei DK.
Lahner et al. (2012)
+ SUDK genau defi-
niert und diagnostiziert
+ Ausschluss von Pa-
tienten mit CED oder
Symptomen von RDS
+ Kombination u. Ver-
gleich von diätetischen
Therapieoptionen
+ Wash-out-Periode
vor Beginn der Studie
- keine Placebo-Gruppe
- kleine Kohorte
- kein Vergleich zwi-
schen isolierter An-
wendung von BS und
Probiotikum
Die Pilotstudie be-
scheinigt der Kombi-
nation von BS und
Probiotika einen grö-
ßeren Therapieeffekt
zur Behandlung der
SUDK. Weitere groß
angelegte Studien
müssen die Ergebnis-
se auf Evidenz prüfen.
Tursi et al. (2013)
+ langer Zeitraum
+ große Kohorte
+ Placebokontrolle
+ Ausschluss von RDS
+ Übereinstimmung
der Methodik mit der
guten klinischen Praxis
Aufgrund der hohen
Evidenz der Ergebnis-
se können Probiotika
künftig einen festen
Bestandteil in der
Therapie und Präven-
tion der SUDK bilden.
Lanas et al. (2012)
+ verlässliche Diag-
nostik zur Sicherung
der Zielgruppe
+ Ausschluss von Pa-
tienten mit relevanten
- keine Placebo-Gruppe
- keine Verblindung
- keine Ernährungser-
hebung vorgenommen
- Toleranz der jeweili-
Die kombinierte Gabe
von Antibiotikum und
BS kann bei Patienten
mit akuter Divertikulitis
zur Remissionserhal-
35
Komorbiditäten
+ Durchführung ent-
spricht der guten klini-
schen Praxis
gen Intervention nicht
erhoben
tung beitragen, aber
nicht generell zur The-
rapie der DK empfoh-
len werden.
Tabelle 5 Stärken- und Schwächenanalyse relevanter Studien
Crowe et al. (2012)
Mit einem Anteil von 50% stellt die EPIC-Oxford-Studie die größte Vegetarierstudie dar,
die bislang durchgeführt wurde. Die weitere Kategorisierung für den Verzehr von Fisch,
Eiern und Milchprodukten ist als positiv einzustufen, findet sich aber in der Auswertung
nur unzureichend wieder. Stattdessen wird der Ergebnisteil überwiegend auf die dichoto-
men Variablen Vegetarier und Nicht-Vegetarier beschränkt. Die Erkenntnis, dass zwi-
schen dem Verzehr von Fleisch oder Fisch kein Unterschied hinsichtlich des DK-Risikos
besteht, lässt Zweifel aufkommen, ob der Fleischkonsum weiterhin als eigenständiger
Risikofaktor betrachtet werden kann. Es fehlen weiterhin Angaben darüber, wie viele Ve-
getarier und Nicht-Vegetarier sich unter den Erkrankten befinden. Der prospektiven An-
ordnung der Kohortenstudie liegt ein Beobachtungszeitraum von 11,6 Jahren zu Grunde,
was die Validität der Ergebnisse bei sonst schwachem Studiendesign erhöht. Negativ zu
bewerten ist allerdings, dass die Abstände zwischen den Befragungen im Follow-up mit
fünf Jahren sehr weit gewählt sind und zu Verzerrungen führen können. Die Unterschiede
in der Risikoreduktion zwischen vegetarischen und veganen Probanden wären bei kürze-
ren Abständen zwischen den Nachkontrollen eventuell größer ausgefallen. Für die An-
wendbarkeit der Ergebnisse ist relevant, welcher Zeitraum erforderlich ist, um mit einer
vegetarischen Ernährung das Risiko für DK zu verringern. Bezüglich der Einflüsse des
Lebensstils ist zu kritisieren, dass Stress, ob beruflicher oder privater Natur, ein weit ver-
breitetes Gesundheitsrisiko darstellt, aber in keiner Form erhoben wird. Erwartungsgemäß
zeigt die Auswertung einen signifikant höheren Konsum an Obst und Gemüse bei Vegeta-
riern, weshalb die Frage aufkommt, wie groß das präventive Potenzial der darin enthalte-
nen Vitamine und Mineralstoffe ist. In einer Fortführung des FU oder weiteren prospekti-
ven Studien könnten eingehendere Untersuchungen zur Kostzusammensetzung der ver-
schiedenen Ernährungsformen vorgenommen werden, die den Kenntnisstand erweitern.
Ünlü et al. (2012)
Die systematische Übersichtsarbeit von Ünlü et al. zeigt die vielfältigen Problematiken auf,
die sich bei der Erforschung ernährungstherapeutischer Ansätze bei Probanden mit Diver-
tikelkrankheit ergeben. Erste Schwierigkeiten treten bereits bei der Rekrutierung und Ein-
grenzung potenzieller Teilnehmer auf, da eine Anreicherung der Kost mit Ballaststoffen
36
nicht in allen Stadien der Erkrankung vorteilhaft ist. Kleine Studienpopulationen begren-
zen die Effizienz der Randomisierung und verursachen ein weites Konfidenzintervall. Die
Compliance der Patienten ist ein weiterer limitierender Faktor und wird von der Frequenz
der Befragungen im Untersuchungszeitraum mitbeeinflusst. Alle Studien haben ähnliche
Interventionen und Endpunkte, aber zeigen deutliche Unterschiede in ihrer Vorgehens-
weise. Die methodische Qualität ist bei Ornstein et al. am höchsten, da sie die größte
Probandenzahl aufweist. Brodribb führt nur monatliche Befragungen durch und keine kon-
tinuierliche Aufzeichnung des Symptomverlaufs, sodass die Patienten nur einen Gesamt-
eindruck ihres Befindens wiedergeben können. Individuelle Schwankungen werden nicht
erfasst. Die Effektivität von Interventionen mit Ballaststoffanreicherungen kann in einem
längeren Untersuchungszeitraum größer sein, da der Verdauungstrakt sich erst an das
größere Stuhlvolumen anpassen muss (Brodribb, 1977, p. 665). Ornstein et al. erreichen
durch die Anwendung eines Crossover-Designs mit doppelter Verblindung Ergebnisse mit
hoher Validität. Entgegen Brodribbs Beobachtungen werden keine statistisch signifikanten
Unterschiede in der Anwendung von BS-Supplementen im Vergleich zum Placebo festge-
stellt. Die Inkonsistenz der Daten erschwert die einheitliche Anwendung von Ballaststoffen
in der Therapie der DK. Aus der Übersichtsarbeit geht nicht hervor, welchem Stadium der
DK die Probanden in der dritten RCT-Studie von Hodgson zugeordnet sind, sodass die
Effektstärke der Intervention nicht abschließend beurteilt werden kann. Die Fallkontroll-
studie von Leahy et al. zeigt zwar eine signifikant protektive Wirkung durch Anwendung
einer ballaststoffreichen Kost, aber weist diverse Schwächen in der Methodik auf, sodass
dieses Ergebnis nur als Trend betrachtet werden kann. Ebenfalls negativ zu bewerten ist,
dass die Studienteilnehmer nur zu Beginn und am Ende der Studie interviewt werden und
keine Ausführungen zur Auswertung der Ernährungserhebung erfolgen.
Lamiki et al. (2010)
Die Anwesenheit einer Kontrollgruppe ist zwingend erforderlich, wenn Studienergebnisse
in die Praxis übertragen werden sollen. Diese Voraussetzung wird in der Studie nicht er-
füllt, weshalb der tatsächliche Therapieeffekt unklar bleibt. Dennoch kann die Untersu-
chung durch DNA-Sequenzierung der Stuhlproben, Skalierung der DK-assoziierten Symp-
tome und Ernährungserhebung eine hohe methodische Qualität vorweisen. Die Schluss-
folgerung der Wissenschaftler, die Anwendung von Synbiotika könnte präventiv gegen-
über Divertikulitisrezidiven wirken, lässt sich anhand der Ergebnisse nicht belegen. Die
Intervention erreicht erst nach drei Monaten die maximale Anzahl an Lebendbakterien und
es bleibt offen, wie beständig die Bakterienkultur über einen längeren Zeitraum im Ver-
dauungstrakt gewesen wäre und ob tatsächlich weniger Rezidive auftreten. Allerdings
zeigt diese Studie, dass Synbiotika bereits nach kurzer Anwendungsdauer wirksam sind.
37
Lahner et al. (2012)
Ein großer Vorteil dieser RCT-Studie ist, dass sie erstmalig rein diätetische Interventionen
miteinander kombiniert und vergleicht, da in den meisten Studien nur Einzelaspekte erho-
ben oder Medikamente mit Nahrungssubstanzen in ihrer Effektivität verglichen werden.
Zwar fehlt in dieser wissenschaftlichen Arbeit die Absicherung der Ergebnisse durch eine
zusätzliche Placebo-Gruppe, aber es existieren vergleichbare Untersuchungen, die den
Vorteil einer ballaststoffreichen Kost gegenüber einem Placebo deutlicher herausstellen
(Vgl. Ornstein et al.). Es kann nicht geschlussfolgert werden, ob Probiotika gegenüber
einer BS-Diät wesentlich effektiver in der Symptomlinderung und Remissionserhaltung
sind, da das Probiotikum nicht isoliert angewendet wurde. Weiterhin liegt laut EFSA kein
Hinweis für eine Reduktion gastrointestinaler Beschwerden oder Beeinflussung der Tran-
sitzeit durch die Anwendung von Lactobacillus paracasei B21060 vor (EFSA, 2010, p. 8).
Tursi et al. (2013)
Von den vorliegenden Studien weist diese RCT-Studie die höchste methodische Qualität
auf, denn sie verfügt über ein gutes Studiendesign mit überdurchschnittlicher Untersu-
chungsdauer und ausreichend großer Studienpopulation. Einflüsse auf das Ergebnis sei-
tens der Probanden und Therapeuten werden bestmöglich vermieden mittels doppelter
Verblindung und vorheriger Ausschlussprozedur. Die SUDK wird auch in dieser Studie
vorab genau definiert und in ihrer Ausprägung der Symptome vom RDS abgegrenzt. Mit
einem Minimum von 50 Probanden pro Versuchs- und Kontrollgruppe wird die Vorausset-
zung für den Chi-Quadrat-Test erfüllt. Ebenfalls wird durch explizite Beschreibung von
methodischem Vorgehen und Auswertung eine hohe Transparenz der Ergebnisse sicher-
stellt. Für Patienten mit hohem Rezidivrisiko ist die komplementäre Anwendung von Me-
salazin und Probiotika eine bedeutende Option, die künftig abzuwägen gilt.
Lanas et al. (2012)
Trotz einiger Schwächen im Studiendesign sind die Ergebnisse von klinischer Relevanz,
da ihre Zielgruppe Patienten mit akuten Episoden der Divertikelkrankheit sind, deren Re-
mission aufrechterhalten werden soll. Inwiefern die Probanden und Therapeuten den Ver-
lauf der Untersuchung beeinflussen ist unklar, da die Interventionen offen stattfinden. Wei-
terhin werden keinerlei Befragungen über das Ernährungsverhalten durchgeführt, die un-
ter anderem die Gesamt-BS-Aufnahme erfassen kann. Der wahre Therapieeffekt durch
Einsatz von Rifaximin kann nicht beurteilt werden, da die Placebo-Kontrolle fehlt. Ob die-
se Therapieform angebracht ist, muss in Abhängigkeit der patientenspezifischen Faktoren
sowie nach Expertise des behandelnden Arztes entschieden werden.
38
4 Ernährungsmedizinische Ansätze in der Praxis
Nach Auswertung der aktuellen Datenlage soll mit diesem Kapitel die Zusammenführung
wissenschaftlicher Erkenntnisse mit bewährten präventiven und therapeutischen Ansät-
zen aus der Praxis zu einem kohärenten Ganzen gelingen. Anhand dieser inhaltlichen
Erweiterung wird im Anschluss ein Entwurf für Ernährungsinformationen entwickelt.
4.1 Prävention der Divertikelkrankheit Die bereits geschilderten Wechselwirkungen in der Ätiologie der Divertikelkrankheit geben
Anlass zur näheren Betrachtung einzelner Nahrungskomponenten, um diese auf ihr prä-
ventives Potenzial hin zu prüfen.
4.1.1 Alternative Ernährungsformen
Als alternative Ernährungsformen werden verschiedene Kostformen bezeichnet, die von
der heute üblichen Ernährungsweise abweichen. Alternative Ernährungsformen dürfen
nicht mit Diäten gleichgesetzt werden, da sie zur dauerhaften Anwendung konzipiert sind
(F. A. Brockhaus, 2008, p. 26). Häufig steht eine bestimmte Philosophie dahinter, wie et-
wa die Heilung oder Vorbeugung von Krankheiten. Während die Datenlage zu den meis-
ten Vertretern alternativer Ernährungsformen selten für einen gesundheitlichen Benefit
spricht, konnten für den Vegetarismus zahlreiche wissenschaftliche Nachweise hervorge-
bracht werden, die die Vorbeugung ernährungsmitbedingter Krankheiten betreffen
(American Dietetic Association, 2009, pp. 1272-1275).
Die vegetarische Ernährung ist die populärste unter den alternativen Ernährungsformen
und umfasst im Wesentlichen drei Untergruppen mit spezifischer Nahrungsauswahl. Laut
Definition schreibt der Vegetarismus die Ernährung von pflanzlichen und vom lebenden
Tier stammender Erzeugnisse vor (F. A. Brockhaus, 2008, p. 644). Laktovegetarier neh-
men von tierischen Erzeugnissen nur Milch und Milchprodukte zu sich, Ovovegetarier nur
Eier, Ovo-Lacto-Vegetarier beides und Piskovegetarier nur Fisch. Ein weiterer, sich zuse-
hends verbreitender Abkömmling des Vegetarismus ist die vegane Ernährung, die strikt
auf jegliche tierische Produkte verzichtet. Die damit verbundenen Einschränkungen in der
Lebensmittelauswahl führen langfristig zu Nährstoffdefiziten, denen nur mit ergänzender
Supplementierung vorgebeugt werden kann. Hinzu kommt, dass die physiologischen Ef-
fekte einer veganen Kostform mehrheitlich im Rahmen von groß angelegten Vegetarier-
studien untersucht werden, da sich bislang nur kleine Probandengruppen herausbilden
und es sich häufig um Mischformen oder aufgelockerte Varianten handelt (Leitzmann,
2005, pp. 148-149). Generell ist die Anwendung von Kostformen mit stark begrenzter
Nahrungsauswahl nicht für Patienten zu empfehlen, die krankheits- oder altersbedingt zu
Nährstoffunterversorgungen neigen (American Dietetic Association, 2009, p. 1272).
39
Im Bemühen um praxistaugliche Empfehlungen wird sich daher auf gesundheitsrelevante
Assoziationen zwischen ovolactovegetabiler Kost und Divertikelkrankheit beschränkt. Die
groß angelegte EPIC-Oxford Studie hat bereits herausgestellt, dass der vegetarischen
Ernährung eine wichtige Rolle in der Risikoreduktion der DK zukommt. Für eine präventi-
ve Wirkung ist kein jahrelanger Verzicht auf Fleisch und Fisch erforderlich, aber der Kon-
sum muss dennoch vollständig eingestellt werden (Crowe, et al., 2011, p. 4). Mit dem
Ausschluss von Fisch in der Ernährung kann die Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren unzu-
reichend sein, wenn keine alternative Bedarfsdeckung über entsprechende Pflanzenöle
oder Algenextrakte erfolgt. Mögliche Folgen einer solchen Versorgungslücke können der-
zeit nur anhand der zellulären und immunologischen Funktionen dieser Substanzen abge-
leitet werden (American Dietetic Association, 2009, p. 1268). Die American Dietetic
Association bewertet die ovolactovegetabile Kost in allen Lebensphasen als uneinge-
schränkt empfehlenswert zur Verhütung sämtlicher Krankheiten. Um eine ausreichende
Versorgung kritischer Nährstoffe wie Vitamin B12, Eisen, Jod, Zink und Vitamin D zu ge-
währleisten, sollte vorab eine professionelle Anweisung zur Aufnahme der wichtigsten
Nahrungsquellen erfolgen (American Dietetic Association, 2009, p. 1266). Die aktuelle
Studienlage bringt nur Einzelnachweise zu den intestinalen Auswirkungen hervor, da pri-
mär Effekte hinsichtlich der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und metaboli-
schem Syndrom beobachtet werden. Patienten mit DK profitieren mittelbar ebenso von
Verbesserungen der Blutfettwerte, einem konstanten Blutzuckeranstieg sowie einem nied-
rigeren BMI im Vergleich zu Mischkostvertretern (Leitzmann, 2005, p. 150), da sie mit
guter gesundheitlicher Konstitution schneller genesen und seltener von Komplikationen
betroffen sind (Crowe, et al., 2011, p. 3). Enge Assoziationen zwischen der vegetarischen
Ernährungsform und der DK sind im Wesentlichen auf die gesteigerte Ballaststoffaufnah-
me und die Vitamine und Mineralstoffe aus Obst und Gemüse zurückzuführen. Vor allem
die höheren Konzentrationen an Magnesium, Kalium, Vitamin C und E, Folat, Carotinoi-
den und Flavonoiden werden als verantwortliche Inhaltsstoffe für die gesundheitlichen
Vorteile der Kostform diskutiert (American Dietetic Association, 2009, p. 1267). Antioxi-
dantien und sekundäre Pflanzenstoffe sind gleichwohl in der Prävention und Therapie der
DK relevant, da sie entzündlichen Prozessen entgegen wirken. Durch den Verzehr natür-
licher und frischer Lebensmittelvarianten erhält man den größten synergistischen Effekt
und vermeidet Überdosierungen mit nachteiliger Wirkung für den Organismus (Liu, 2003,
p. 519). Insbesondere ältere Patienten sollten ihren Vitamin B12- und Vitamin D-Status
regelmäßig überprüfen lassen, da die Absorptionsrate im Darm sowie die körperliche Ei-
gensynthese abnehmen (American Dietetic Association, 2009, p. 1272). Konsistente Da-
ten zur unmittelbaren Beeinflussung der DK existieren für die intestinalen Wirkungsme-
chanismen der enthaltenen Ballaststoffe einer pflanzlich ausgerichteten Kost.
40
4.1.2 Ballaststoffreiche Kost
Sowohl die Ergebnisse der EPIC-Oxford Studie als auch die Beobachtungen der Health
Professionals Follow-Up Studie kommen überein, dass eine hohe Ballaststoffaufnahme
unabhängig des Geschlechts, Alters oder der sonstigen Zusammensetzung der Kost das
Risiko für die DK senkt. Schon Gear et al. beobachten bei Teilnehmern der EPIC-Studie
unabhängig des Alters kürzere Transitzeiten und erhöhte Stuhlfrequenzen. Aufgrund der
verkürzten Passagezeit wird weniger Wasser im Dickdarm rückresorbiert, was einen ge-
schmeidigeren Stuhlgang zur Folge hat (Gear, et al., 1981, p. 80). Ein Zusammenhang
zwischen Transitzeit und DK kann aufgrund von inkonsistenten Daten zwar nicht hergelei-
tet werden, aber die Verhütung einer Obstipation sollte dennoch Bestandteil der Pri-
märprävention sein (Huth & Burkard, 2004, p. 81). Für die Gesunderhaltung des Dick-
darms sind vor allem die physiologischen Eigenschaften der unverdaulichen Nahrungsbe-
standteile relevant, welche je nach Struktur die Darmperistaltik und das Stuhlvolumen
mehr oder weniger stark beeinflussen. Die nachfolgende Tabelle informiert über die we-
sentlichen Eigenschaften löslicher und unlöslicher BS, anhand welcher die Eignung zur
Anwendung bei Divertikulose abgeleitet werden soll. Die Zuordnung von Nahrungsquellen
erfolgt hier nur grob nach ihren jeweiligen BS-Anteilen (Huth & Burkard, 2004, pp. 11-25).
Vertreter Eigenschaften Intestinale
Wirkung
Nahrungs-
quellen
Wasserlöslich
Pektine, Algen
Schleimstoffe,
Pflanzen-
gummen,
ß-Glukane,
Hemicellulose
↑ Wasserbindung
↑ Gelbildung
↑ Fermentation
↓ Stuhlvolumen
↓ Magenentleerung
↑ Darmmotilität
- saures Milieu
- Nährstoffver-
sorgung der
Schleimhaut
- Bindung von
GS18
Obst, Gemüse,
Hülsenfrüchte,
Getreidekörner
(Hafer, Gerste),
Flohsamen-
schalen
Wasserunlöslich
Cellulose,
Hemicellulose,
Lignin
↑ Stuhlvolumen
↑ Darmmotilität
↑ Wasserbindung
↓ Fermentation
- erleichterte
Stuhlentleerung
- Verkürzung
der Transitzeit
Cerealien
(Roggen) , Ge-
müse, Obst-
schalen, Kleie
Tabelle 6 Klassifizierung von Ballaststoffen modifiziert nach (Huth & Burkard, 2004, p. 8)
Wasserlösliche BS werden auch als Quellstoffe bezeichnet, denn ihre Struktur weist Hohl-
räume auf, in die sich Wasser einlagern kann. Die beim Gärungsprozess entstehenden
kurzkettigen Fettsäuren, insbesondere Butyrat, stellen Energiesubstrate für die Mikrobiota
des Kolons dar und schaffen ein saures Milieu, welches pathogene Erreger abwehrt und
die Darmmotilität stimuliert. Wasserunlösliche BS fördern als Füllstoffe die Volumenzu-
nahme von Faeces. Die steigende Bakterienmasse sowie Gasbildung aufgrund der zuge-
18
GS: Gallensäuren
41
führten löslichen BS verkürzen zusätzlich die Transitzeit, welche wiederum eine verringer-
te Wasserrückresorption bewirkt und in weichen, voluminösen Stühlen resultiert (Huth &
Burkard, 2004, p. 48). Somit wird deutlich, dass sich beide BS-Arten stets synergistisch
verhalten und der Frage nachzugehen ist, in welchen Anteilen sie verzehrt werden sollten.
Aldoori et al. identifizieren in einer groß angelegten Kohortenstudie (HPFS) zur Untersu-
chung verschiedener BS-Fraktionen in Nahrungsmitteln Cellulose als besonders effektiv
in der Risikoreduktion einer DK (Aldoori, et al., 1998, p. 715). Cellulose ist als Hauptbe-
standteil pflanzlicher Zellwände nicht nur in Vollkornprodukten vertreten, sondern kann
ebenso hohe Gehalte in Früchten, Gemüse und Leguminosen vorweisen (Li, et al., 2002,
pp. 719-721). In der heutigen Ernährung wird über Obst und Gemüse im Durchschnitt
sogar mehr Cellulose aufgenommen, weshalb diese als Schlüsselkomponente in der Prä-
vention und Therapie der DK vermutet wird (Aldoori & Ryan-Harshmann, 2002, p. 1633).
Die Partikelgröße ist ebenfalls ein wichtiges Kriterium bei der Bewertung präventiver Po-
tenziale von Ballaststoffen, da sie das Stuhlgewicht beeinflussen. Große Partikel werden
langsamer abgebaut, während kleinere Partikel die verfügbare Oberfläche für Darmbakte-
rien erweitern und damit die Verdaubarkeit steigern, sodass Cellulose aus gemahlener
Kleie beispielsweise schneller verdaut wird als aus grober Kleie (Cabré, 2011, p. 92).
Körner und Leguminosen werden zum Teil unverändert ausgeschieden, was lange als
Risiko für Komplikationen der Divertikulose gesehen wird. Strate et al. untersuchen diese
Hypothese innerhalb der HPFS und stellen fest, dass der Konsum von Nüssen, Körnern
und Popcorn weder das Risiko für eine Divertikulose erhöht noch Komplikationen wie Di-
vertikulitis oder Divertikelblutungen verursacht. Gleiches kann auch für die Samen im
Fruchtfleisch von Beerenobst nachgewiesen werden, sodass diese bedenkenlos verzehrt
werden können. Vor allem die günstige Zusammensetzung aus einfach und mehrfach
ungesättigten Fettsäuren und Vitamin E in Nüssen, Samen und Vollkornwaren wird als
natürlicher Schutz vor Entzündungsreaktionen innerhalb der Divertikulitis gesehen (Strate,
et al., 2008, p. 6). Aufgrund des hohen Fett- und Energiegehalts sollten Nüsse in kleinen
Rationen und im Rahmen eines gesundheitsbewussten Lebensstils konsumiert werden.
Die resistente Stärke nimmt eine Sonderstellung in der Klassifizierung der BS ein, da sie
aus verdaulicher Stärke entsteht. Man unterscheidet drei Typen natürlicher Herkunft, von
denen die Stärke in cellulosehaltigen Strukturen wie Vollkornprodukten sowie die retro-
gradierte Form in gekochten, abgekühlten Kartoffeln ernährungsphysiologisch relevant
sind, da sie bevorzugtes Nahrungssubstrat für die Mikroorganismen im Darm sind (Huth &
Burkard, 2004, pp. 16-17). In ihrer Funktion als qualitativ hochwertige Präbiotika sorgen
sie für die kontinuierliche Erneuerung der Dickdarmkrypten und damit der Darmmukosa.
Der Anstieg des Butyratspiegels aus der Stärke-Fermentation ist am höchsten, wenn zu-
42
sätzlich Fleisch in der Ernährung gemieden wird (Jacobasch, 2002, pp. 6-7). Die von
Peery et al. 2012 veröffentlichte Querschnittstudie mit 2104 Probanden der HPFS spricht
für gegenteilige Effekte einer ballaststoffreichen Kost, da mehrheitlich eine Divertikulose
bei Probanden festgestellt wird, deren BS-Konsum laut Befragungen im obersten Viertel
liegt (Peery, et al., 2012, p. 4). Trotz der großen Kohorte und statistisch signifikanter Er-
gebnisse reicht die Studie nicht aus, um Ballaststoffe von künftigen Empfehlungen auszu-
schließen. Wichtige Aspekte, wie eine Charakterisierung der von Divertikulose betroffenen
Probanden, stehen noch aus, sodass keine klare Zuordnung von unabhängiger und ab-
hängiger Variable möglich ist. Weiterhin wird das Alter als wesentlicher Einflussfaktor für
die DK beschrieben, sodass die Möglichkeit besteht, dass einem Großteil der Divertikulo-
sefälle eine entsprechende Prädisposition zugrunde liegt. Nachteilig ist außerdem, dass
die Ernährungserhebung ausschließlich telefonisch erfolgt, was das Risiko für Verzerrun-
gen durch äußere Variablen erhöht. Die Hypothese bedarf daher weiterer Evaluierung.
Aus aktuellen Daten der NVSII und EFSA geht hervor, dass Erwachsene mehrheitlich die
empfohlene Zufuhr von 30g BS/Tag nicht erreichen (NVSII, 2008, p. 98). Die verzehrte
Menge liegt im Mittel zwischen 15-30g und nimmt ab 65 Jahren nochmal ab (EFSA, 2010,
p. 28). Unterschiedliche BS-Fraktionen nehmen unterschiedlichen Einfluss auf die Darm-
peristaltik, weshalb täglich Variation in der Lebensmittelauswahl erreicht werden soll. In
Anlehnung an die D-A-C-H-Referenzwerte erscheint es sinnvoll, die empfohlene Zufuhr
jeweils zur Hälfte aus Cerealien und Obst und Gemüse umzusetzen (Schulze-Lohmann,
P.; DGE, 2012, p. 412). Isolierte BS wie Flohsamenschalen oder Kleie weisen gegenüber
komplexen Nahrungsmitteln keinen signifikanten Vorteil auf, aber erleichtern die Bedarfs-
deckung, was vor allem bei älteren Patienten relevant wird (Haack, et al., 1998, p. 620).
4.1.3 Einsatz von Probiotika
Die intestinale Mikrobiotia eines jeden Individuums verfügt über einen spezifischen „Fin-
gerabdruck“, der das Bakterienprofil einzigartig macht (Bischoff & Köchling, 2012, p. 289).
Die Milieubedingungen sowie ihre Beständigkeit werden zum einen durch das Spektrum
der Nahrungssubstrate und zum anderen über die vom Wirt in den Darm abgegebenen
Metaboliten bestimmt (Jacobasch, 2002, p. 4). Probiotika sind im engeren Sinne Mikroor-
ganismen, die in aktiver Form in den Darm gelangen und dort positive gesundheitliche
Wirkungen erzielen. Im weiteren Sinne zählen dazu auch Lebensmittel, denen probioti-
sche Kulturen zugesetzt werden (F. A. Brockhaus, 2008, p. 521). Probiotika sind wissen-
schaftlich gut erforscht und gelten auch bei langfristigem Verzehr als völlig sicher (DGE,
2008, p. 347). Trotz der mikrobiellen Diversität im menschlichen Kolon gibt es 57 Spezies,
die im Darm eines jeden nachweisbar sind und daher großes Potenzial für probiotische
Anwendungen haben. Assoziationen zwischen verschiedenen probiotischen Kulturen und
43
der Divertikelkrankheit werden erst in den vergangenen 5 Jahren gehäuft untersucht,
weshalb die Gesundheitspotenziale noch nicht in ihrer Gesamtheit erfasst sind. Die eng
verwandte Symptomatik von DK und Reizdarmsyndrom führt zu der Annahme, dass pro-
biotische Stämme, die zur Linderung von abdominellen Schmerzen, Stuhlunregelmäßig-
keiten und Entzündungen angewendet werden, auch bei Patienten mit DK präventiv und
therapeutisch wirksam sein können. Nachfolgend werden gängige Probiotika mit evaluier-
ter Wirksamkeit zur Prävention und Behandlung von Symptomen der DK sowie vergleich-
barer gastrointestinalen Beschwerden aufgeführt und Produktbeispiele gegeben. Eine
spezifische Zuordnung nach Subgruppen erfolgt hier nicht, sodass für die gezielte Be-
handlung von Symptomen erst eine Beratung durch einen Fachkundigen erfolgen muss.
Probiotikum Produkt
LM / NEM Arzneimittel Positiver Effekt bei
Lactobacillus casei Yakult, Actimel Diarrhö19
, Remission der DK
Lactobacillus acidophilus SymbioLact Diarrhö, Meteorismus
Lactobacillus rhamnosus GG Emmifit, LGG Infectodiarrstop Antibiotika-assoziierte Diarrhö
E. coli Nissle Mutaflor Remission nach Entzündungen
Saccharomyces boulardii Perenterol Antibiotika-assoziierte Diarrhö
Bifidobacterium spp. Activia Meteorismus, Obstipation
Probiotika-Kombinationen VSL#3
20
SymbioLact
Flatulenz, Diarrhö, Obstipation
Diarrhö, Meteorismus
Tabelle 7 Probiotisch wirksame Stämme modifiziert nach (Bischoff & Köchling, 2012, p. 292)
Der Einsatz von Probiotika beruht auf der Erkenntnis, dass viele intestinale Erkrankungen
mit einer Störung der Darmbarriere einhergehen, ausgelöst durch einen Mangel an fakul-
tativen Anaerobiern mit der Folge einer Verschiebung des Mikrobioms (Bischoff & Manns,
2005, p. 753). Besonders ältere Menschen weisen eine instabile Zusammensetzung der
Bakterienflora auf, die bereits in mehreren Studien eine Abnahme an Bifidobakterien und
Lactobacillen beobachten ließ (Tiihonen, et al., 2010, p. 108), was die bevorzugte Ver-
wendung von Mischungen dieser Stämme rechtfertigt. Wie lange die zugeführten Bakteri-
enkulturen im Darm überleben oder ihn sogar kolonisieren, ist stammspezifisch und meist
unklar. Rein präventive Effekte durch Probiotika zu belegen, ist schwer umsetzbar, da
hohe Kosten und strenge Rahmenbedingungen mit der Evaluierung verbunden sind, was
in Anbetracht der noch wenigen RCT-Studien derzeit nicht realistisch erscheint (Bischoff
& Köchling, 2012, p. 293). Eine wechselseitige Orientierung an Probiotika-Interventionen
von Patienten mit RDS und DK erweist sich hier als wegweisender Forschungsansatz, da
19
Diarrhö: umfasst die akute infektiöse Diarrhö, Reisediarrhö und Antibiotika-assoziierte Diarrhö 20
VSL#3: Patentierte Mischung aus acht verschiedenen lebenden Milchsäure- und Bifidobakterien in hoher Dosierung (Actial Farmaceutica Lda, 2013)
44
sich deren Mikrobiota signifikant von gesunden Personen unterscheidet und eine Modifi-
kation die Symptome beeinflussen kann (Bischoff & Köchling, 2012, p. 295). Welcher
Stamm der wirksamste ist, kann noch nicht beurteilt werden. Lactobacillus GG ist gut er-
forscht und führt bei täglicher Aufnahme zu einer effizienten Besiedlung des Kolons. Sac-
charomyces boulardii zeigt in Studien ein ähnliches Wirkungsspektrum (Bischoff & Manns,
2005, p. 755) und leistet gemeinsam mit Lactobacillus casei einen Beitrag der Prävention
bei Antibiotika-assoziierter Diarrhö (McFarland, 2010, p. 11). Bifidobakterien, speziell B.
infantis, zeigen sich effektiv bei abdominellen Schmerzen, Blutungen und erschwerter
Stuhlentleerung bei RDS (Brenner, et al., 2009, p. 1046) und könnten ebenso bei DK hilf-
reich sein, wenn das Beschwerdebild zutreffend ist. E. coli Nissle hat sich in der therapeu-
tischen Anwendung bei Colitis ulcerosa als ebenso effektiv wie Mesalazin herausgestellt
(Kruis, et al., 2004, p. 1620) und könnte in einer ergänzenden Untersuchung zu den Er-
gebnissen von Tursi et al. (S. 32f) ähnliche Erfolge bei der DK erzielen. Darüber hinaus
sind Probiotika in der Lage, die Ausschüttung bestimmter Neurotransmitter zu stimulieren
und über die Interaktion mit Rezeptoren der Darmepithelzellen immunologische Prozesse
zu regulieren (Quigley, 2010b, p. 215), was die Verbesserung abdomineller Schmerzen
sowie die Verhütung von Komplikationen in Lahner et al. (S. 31f) erklären könnte. Die zum
Teil uneinheitliche Datenlage zu postulierten Effekten kann durch die fehlende Berück-
sichtigung von Subgruppen zustande kommen (Bischoff & Manns, 2005, p. 758). Die
Wirksamkeit einer Probiose kann gesteigert werden, indem eine präbiotische Komponente
Lactobacillus- und Bifidobakterien selektiv zum Wachstum anregt. Allerdings fehlt es bis-
lang an evidenzbasierten Empfehlungen, da unverdauliche Oligosaccharide und Oligof-
ructose kaum in klinischen RCT-Studien geprüft wurden (Bischoff & Manns, 2005, p. 753).
4.2 Therapie der Divertikelkrankheit Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist eine korrekte Stadieneinteilung der DK
unter Berücksichtigung von patientenspezifischen Risikofaktoren bei der Erstdiagnose
(Germer & Gross, 2007, p. 3488). Diätetische Maßnahmen können nur in entzündungs-
freien Phasen greifen und sollten in einen langsamen Kostaufbau integriert werden.
4.2.1 Symptomatische unkomplizierte Divertikelkrankheit
Bei der SUDK liegen meist funktionelle Beschwerden wie Schmerzen im linken Unter-
bauch und Stuhlunregelmäßigkeiten ohne Entzündungszeichen vor. Die Auswirkung einer
trägen oder aktiven Darmperistaltik für die Entstehung einer DK ist schwer zu beurteilen,
da keine einheitliche Definition für eine normalgesunde Transitzeit existiert (EFSA, 2010,
p. 28). Täglicher Stuhlgang sowie eine Passagezeit zwischen 48 und 72 Stunden gelten
laut Studien als gewöhnlich und sind daher Orientierungswerte für den therapeutischen
Bereich (Haack, et al., 1998, p. 616).
45
Konservativer Ansatz Stuhlregulierung über faserreiche Kost und viel Flüssigkeit
Kostaufbau
Bei der Anhebung des BS-Gehaltes orientiert sich die Lebens-
mittelauswahl an der BS-Aufnahme der bisherigen Ernährung.
Blähendes Gemüse ist zu meiden, Rohkost je nach Verträg-
lichkeit. Zur Verbesserung der Stuhlpassage bei Obstipation
zeigen Flohsamenschalen nach 4-wöchiger Anwendung sehr
gute Ergebnisse, da trotz hohem Anteil löslicher BS nur eine
geringe Fermentation stattfindet. Sie können künftig den Ge-
brauch von Lactulose21 ersetzen und sind besser verträglich als
Kleie (Kreft, 2001, pp. 484-485). Empfohlen werden täglich 2TL
auf ein Glas Wasser, bei Kleie 10-25g mit mind. 2L Flüssigkeit
am Tag (Koop, 2009, p. 250). In Kombination mit einem geeig-
neten Probiotikum kann nach 8-12 Wochen die Symptomfrei-
heit erzielt werden (Lahner, et al., 2012, p. 5922).
Langzeiternährung
Resistente Stärken, Inulin und Oligofructose stabilisieren die
Mikrobiota und regen die Darmperistaltik an. Verzicht auf rotes
Muskelfleisch und Einhaltung einer moderaten Fettzufuhr mit-
hilfe einer pflanzlich basierten Ernährung. Regelmäßig fein
geschrotetes Vollkornbrot, Hafer-/Dinkelflocken, Kartoffeln und
Reis. Nüsse können in kleinen Mengen zu Salaten, Frühstück-
scerealien, in Obst-Smoothies oder pur verzehrt werden.
Tabelle 8 Ernährungstherapie bei symptomatischer unkomplizierter Divertikelkrankheit
4.2.2 Symptomatische komplizierte Divertikelkrankheit
Die akute Divertikulitis wird in Abhängigkeit vom Stadium zunächst konservativ behandelt
(Germer & Gross, 2007, p. 3488). Die orale Nahrungszufuhr ist nach individueller Tole-
ranz immer zu bevorzugen (Weimann, et al., 2013, p. 158). Der exakte Hergang von
Komplikationen im Rahmen der DK ist noch unbekannt und der Anteil von Ernährungsfak-
toren nur hypothetisch gewichtet, weshalb diätetische Maßnahmen in einer mehrwöchigen
Testphase auf individuelle Verträglichkeit und Zweckmäßigkeit erprobt werden müssen.
Konservativer Ansatz
2-3 Tage Nulldiät, Elektrolyt- und Flüssigkeitsersatz, bei schwe-
rem Verlauf parenterale Ernährung, bei Entzündung differen-
zierte Antibiose für 4-7 Tage (Andus & Germer, 2011, p. 400).
Kostaufbau Pürierte Gemüsesuppen, Naturjoghurt, Banane, Obstkompott
und Zwieback. Viel Flüssigkeit in Form von Tee, stillem Wasser
21
Lactulose: synthetisches Disaccharid mit laxierender Wirkung (De Gruyter, 2013) (S.1168)
46
und stark verdünnten Fruchtsäften. Anschließend 4-6 Wochen
ballaststoffarme Kost (Koop, 2009, p. 253). Unter resistenter
Stärke schwächt sich die Entzündungssymptomatik ab; die
Zahl pathogener Keime und Ausschüttung proinflammatori-
scher Zytokine nimmt ab (Huth & Burkard, 2004, p. 48). Zusätz-
licher Einsatz von Probiotika zur Prävention erneuter Entzün-
dungen und Antibiotika-assoziierter Diarrhö sinnvoll. Vor allem
Saccharomyces boulardii und bestimmte Lactobacillus-Stämme
zeigen eine starke Evidenz (Bischoff & Köchling, 2012, p. 295).
Langzeiternährung
Für Patienten mit Unverträglichkeiten oder nervösem Darm
empfiehlt es sich, Lebensmittel so naturbelassen wie möglich
zu verzehren. Brote aus eigener Herstellung sind oftmals ver-
träglicher und können zusätzlich mit eingebackenen Leinsa-
men, Guar, Kleie oder Nüssen ernährungsphysiologisch auf-
gewertet werden (Huth & Burkard, 2004, p. 48).
Tabelle 9 Ernährungstherapie bei symptomatischer komplizierter Divertikelkrankheit
4.2.3 Chronisch rezidivierende Divertikulitis
Komplexe Faktoren bestimmen das Risiko für weitere Divertikulitisrezidive, weshalb es
keine strenge Vorgehensweise zur Remissionserhaltung gibt (Lanas , et al., 2013, p. 108).
Vor elektiven operativen Eingriffen sollte der Ernährungsstatus geprüft werden, da ein
Ernährungsdefizit als unabhängiger Risikofaktor für Komplikationen gilt (Weimann, et al.,
2013, p. 160). Die Langzeiternährung ähnelt weitestgehend den vorherigen Stadien.
Konservativer Ansatz
Entzündungsschub: Nulldiät, Elektrolyt- und Flüssigkeitsersatz;
prä- und postoperative orale bilanzierte Diät über Trinknahrung
reduziert Gewichtsverlust und Komplikationen (Weimann, et al.,
2013, p. 164). Bei elektiver Resektion präoperative Gabe eines
glucosehaltigen Getränks (12,5% Glucose) zur Verbesserung
des postoperativen Wohlbefindens und Erhalt der Muskelmas-
se (Weimann, et al., 2013, pp. 157-158).
Kostaufbau
Bis zur Erholung des Gesamtkörperproteins bilanzierte Trink-
nahrung oder parenteral. Anschließend leichte Vollkost: fettar-
me LM, 4-6 Wochen niedriger BS-Verzehr (siehe Tabelle 9).
Langzeiternährung
Zur Prävention postoperativer infektiöser Komplikationen kön-
nen gezielte Probiotika-Gaben über 4-15 Tage den Aufbau der
Darmbarriere unterstützen (Bischoff & Köchling, 2012, p. 298).
Tabelle 10 Ernährungstherapie bei chronisch rezidivierender Divertikulitis
47
5 Praktische Umsetzung aktueller Ernährungsinformationen
Dieser Abschnitt bündelt die Quintessenzen aus den geschilderten Überlegungen zu einer
bekömmlichen und kurativen Ernährung bei Divertikelkrankheit und wandelt sie in konkre-
te Kostanforderungen und Patientenempfehlungen im Sinne eines Praxisleitfadens um.
Die Lebensmittel-Tabelle im Anhang ist nach den Kriterien Ballaststoffgehalt, Verträglich-
keit und Nährstoffdichte mit Hilfe von aid (aid, 2010), DGE (Schulze-Lohmann, P.; DGE,
2012) und einer wissenschaftlichen Nährwerttabelle (Senser, et al., 2009) erstellt worden.
Die Mengenangaben in den Rezeptvorschlägen orientieren sich an einem Grundlagen-
werk zur Mengenlehre für die Küche (Union Dt. Lebensmittelwerke GmbH, 1995).
5.1 Kostanforderungen bei Divertikelkrankheit
Ein Ernährungskonzept zur präventiven und therapeutischen Behandlung der DK muss
langfristig umsetzbar und flexibel an das Krankheitsstadium adaptierbar sein. Die Diverti-
kulose ist das Resultat jahrzehntelanger Lebensgewohnheiten in hoch industrialisierten
Ländern. Eine Ernährungsumstellung muss deshalb auf Dauer eingehalten werden, um
eine positive Modifikation der Mikrobiota zu bewirken, eine rege Darmperistaltik aufrecht-
zuerhalten und Komplikationen der DK vorzubeugen. Da die pflanzlich betonte Kost un-
mittelbar auf die Verdauungsfunktion einwirkt, sollte eine Eingewöhnungsphase mit nied-
rigen Ballaststoffgehalten in den Mahlzeiten bedacht werden. Insbesondere der Anteil an
wasserlöslichen BS sollte in den ersten Wochen gering gehalten werden, um eine niedri-
ge Fermentation und damit weniger Gase im Darm zu erzeugen. Isolierte BS werden un-
terschiedlich gut toleriert, daher sollen den Patienten mehrere Optionen erläutert werden.
Kleie wird oft als weniger schmackhaft empfunden, während Lein- und Flohsamen immer
häufiger zum Einsatz kommen (Kreft, 2001, p. 483). Entsprechend der Datenlage zur Par-
tikelgröße der zugeführten BS sollten Flohsamen in Form ihrer Schalen und Leinsamen
geschrotet verzehrt werden. Kleie aus Hafer oder Weizen bietet sich aufgrund des hohen
Celluloseanteils und kleiner Partikelgröße als gut bekömmliche Ballaststoffquelle zur An-
reicherung von Müsli, Joghurt und Smoothies an. Nicht-Stärke-Polysaccharide zeigen die
beste intestinale Toleranz, wenn sie in Form von fester Nahrung aufgenommen werden,
da sie darüber bereits die Transitzeit verkürzen (Grabitske & Slavin, 2008, p. 1679). Die
Ernährungsempfehlungen sollen möglichst über natürliche Produkte gedeckt werden. Ins-
besondere vermeintliche Vollkornprodukte aus dem Handel wie Frühstückscerealien,
Müsliriegel, abgepackte Brote und Gebäck enthalten oft mehr Zucker als Ballaststoffe.
Getreidearten mit hoher Ballaststoffdichte sind Roggen, Gerste, Dinkel und Hafer. Rezep-
tideen zur schonenden Steigerung der BS-Aufnahme in den Mahlzeiten sind im Anhang
ersichtlich. Zugleich soll mit der Kost die Komplexität einer apathogenen Mikrobiota stabi-
lisiert und ein kontinuierlich hoher Butyratspiegel im Darmlumen erreicht werden, um die
48
Versorgung der Schleimhaut mit Nährsubstanzen sicherzustellen. Angestrebt wird daher,
mit modifizierter Kost Bakterienstämme mit pathogenem Potenzial, wie etwa Clostridien,
zurückzudrängen und das Wachstum solcher mit protektiven Eigenschaften zu fördern
(Schulze-Lohmann, P.; DGE, 2012, p. 415). Empfehlenswert sind neben Probiotika auch
fermentierte Milchprodukte wie Joghurt, Kefir und Käse. Besonders Naturjoghurt ist sehr
gut verträglich und enthält die Bakterienstämme Streptococcus thermophilus und Lacto-
bacillus bulgaricus, die über ein ähnliches, aber weniger effizientes Wirkungsspektrum wie
Probiotika verfügen (Bischoff & Köchling, 2012, p. 293).
5.2 Exemplarischer Leitfaden für die Ernährungsberatung
Patienten mit Divetikelkrankheit zeigen häufig einen ähnlichen Leidensdruck wie
Reizdarmpatienten, weshalb ein symptomorientiertes Ernährungskonzept erarbeitet wer-
den muss, das den Betroffenen eine zeitnahe Rekonvaleszenz sichert. Das methodische
Vorgehen in der Beratung sollte eine bestmögliche Compliance des Klienten anstreben.
Methoden Ausführliche Anamnese mit Erfassung anthropometrischer Daten,
der bisherigen Krankengeschichte und Lebensstilfaktoren wie Rau-
chen, körperliche Aktivität und Alkoholkonsum. Zusätzlich soll die
individuelle Verträglichkeit bestimmter ballaststoffhaltiger Nah-
rungsmittel erfragt werden, um Einstiegsdosierungen für Präparate
und Mengenempfehlungen für den Kostaufbau abzuleiten. Ausgabe
eines 3-Tage-Ernährungsprotokolls für die nächste Beratung.
Inhalte Entwicklung eines gemeinsamen Verständnisses über kurz- und
langfristige Ziele der Ernährungstherapie, anhand welcher die Kost
ausgerichtet wird. Empfehlungen für die Eingewöhnungsphase hin-
sichtlich geeigneter Ballaststoffquellen anhand einer Lebensmittel-
Tabelle (siehe Anhang). Darstellung der Wechselbeziehungen zwi-
schen BS und Probiotika. Aufklärung über relevante Bakterien-
stämme zur Therapie von Symptomen und Prävention von Kompli-
kationen der DK. Dosierungsempfehlungen und Anwendungsdauer
von BS-Isolaten und Probiotika. Zubereitungs- und Einkaufstipps
zur Vermeidung von Nährstoffverlusten und Verbesserung der Be-
kömmlichkeit. Physiologische Auswirkungen des Konsums von Zu-
cker, Zuckeralkoholen und Süßstoffen mit Lebensmittelbeispielen.
Materialien Exemplarisches Informationsblatt „Ernährung bei Divertikelkrank-
heit“ und Rezeptvorschläge für den Kostaufbau bei SUDK (Anhang)
49
Praxistipps - Probiotika durch tägliche Einnahme über 4 Wochen testen
- kein leichtfertiger Konsum von Probiotika aus dem Handel
- Prüfung der Zutatenliste bei funktionellen LM und Fertigwaren auf
Gehalt an Zucker, Zuckeraustauschstoffen, gesättigte Fettsäuren
Empfehlungen22 - Listung probiotischer LM und NEM durch die WGO Practice Gui-
delines mit Angaben zum Produkt, Hersteller und Dosierungen
Referenz: Guarner et al.; Probiotics and prebiotics; 2008
- Fachinformationen und Schaubilder der Deutschen Gesell-
schaft für Mukosale Immunologie und Mikrobiom (DGMIM)
Referenz: www.dgmim.de
6 Schlussbetrachtung
Die Divertikelkrankheit ist eine Zivilisationskrankheit mit starker Verbreitung in den USA
und Europa, die erhebliche Anforderungen an das Gesundheitssystem stellt, da sie oft-
mals erst per Zufallsbefund bei Koloskopien zur Darmkrebsvorsorge oder innerhalb eines
symptomatischem Verlaufs entdeckt wird (Schmidt & Jakobs, 2012, p. 320). Die Grenze
zwischen den einzelnen Schweregraden der Divertikulitis ist nicht klar abgesteckt, sodass
individuell und interdisziplinär über das therapeutische Vorgehen entschieden werden
muss (Mansfeld, et al., 2010, p. 29). Einheitliche Ernährungsempfehlungen bei Divertikel-
krankheit fehlen weitestgehend. Das konservative Vorgehen mit Medikamenten kann aber
bei gegebener Expertise des behandelnden Therapeuten teilweise oder vollständig durch
die hier vorgestellten Ernährungsstrategien ersetzt werden.
Eine ballaststoffreiche Ernährung als isolierte Therapiemaßnahme kann das Auftreten
einer Divertikulose nicht verhindern, aber das Risiko eines krankhaften Verlaufes verrin-
gern und abdominelle Symptome lindern. Über die Gabe von Ballaststoffpräparaten muss
patientenindividuell entschieden werden, da diese neben der Beseitigung von Stuhlunre-
gelmäßigkeiten und Anregung der Darmmotilität auch zur erhöhten Gasbildung mit Meteo-
rismus und Flatulenz beitragen und in bestimmten Situationen kontraindiziert sind. Eine
gleichwertige Aufnahme von unlöslichen und löslichen Ballaststoffen verspricht nach der-
zeitigem Wissensstand die beste Verträglichkeit. Prospektive randomisierte Interventions-
studien zur Verhütung von Divertikulitisrezidiven mit einer BS-Kost existieren bislang
nicht, stellen aber eine sinnvolle Erweiterung des aktuellen Forschungsstandes dar. In der
praktizierenden Ernährungsmedizin sollte ein Paradigmenwechsel dahingehend vollzogen
werden, dass Probiotika und Synbiotika häufiger anstelle von Antibiotika zum Einsatz
22
Bei den Empfehlungen handelt es sich um weiterführende Literatur/Materialien für Fachkräfte
50
kommen. Wie erfolgreich eine Probiotikatherapie ist, hängt vom körperlichen Zustand des
Patienten, seiner weiteren Medikation sowie vom verabreichten Bakterienstamm ab. Trotz
der Fortschrittlichkeit in der Probiotikaforschung muss betont werden, dass der Wirkme-
chanismus unvollständig entschlüsselt ist und der gewünschte Effekt maßgeblich von der
Subgruppe der Spezies beeinflusst wird (Bischoff & Manns, 2005, p. 758).
Die Schwierigkeit bei der Entwicklung eines Praxisleitfadens bestand hauptsächlich in der
Prüfung und Bewertung der zahlreichen Hypothesen, die zum Teil auf inkonsistenten Da-
ten basieren und verdeutlicht einmal mehr, dass nahezu alle Empfehlungen zur Präventi-
on und Therapie der Divertikelkrankheit regelmäßig einer kritischen Evaluation unterzo-
gen werden müssen. Ein Ernährungskonzept, wie es hier vorgestellt wird, kann nur erfolg-
reich sein, wenn es mit zusätzlicher Aufklärungsarbeit durch Multiplikatoren in Gesund-
heitsberufen gelingt, eine gute Compliance der Patienten sicherzustellen.
7 Ausblick
Zielgruppe zukünftiger Interventionsstudien sollten Patienten mit einem ausgeheilten ers-
ten Divertikulitisschub sein, um Erkenntnisse darüber zu erlangen, inwieweit die Remissi-
on durch verschiedene Kostformen und Lebensstilfaktoren beeinflusst wird. Pharmakolo-
gische Interventionen zur Rezidivprophylaxe haben bereits das Potenzial von Probiotika
aufgezeigt. Weitere randomisierte, kontrollierte klinische Studien sind erforderlich, um
verschiedene Varianten der Ballaststoffzufuhr sowie deren Kombination mit probiotisch
wirksamen Bakterienstämmen zu untersuchen. Mit Probiotika fermentierte Lebensmittel
sollten ebenfalls in ihrer Effektstärke untersucht werden, da das Medium die Wirkung be-
einflussen kann (Bischoff & Köchling, 2012, p. 293). Crowe et al. geben mit ihren Ergeb-
nissen aus der Follow up-Periode der EPIC-Oxford Studie Anstoß für eine weitere verglei-
chende Untersuchung von vegetarischer Kost, die Seefisch integriert und der üblichen
Mischkost mit Fleischkonsum. Omega-3-Fettsäuren können über ihr antiinflammatori-
sches Potenzial positiven Einfluss auf die Therapie der Divertikulitis nehmen, sodass
exemplarisch der Einsatz von Fischölkapseln und einem Placebo an Patienten mit DK
erprobt werden sollte. Weiterhin ist mit einem experimentellen Forschungsdesign zu klä-
ren, welche Funktion Vitaminen und Mineralstoffen in einer pflanzlich basierten Kost für
die Prävention und Therapie der Divertikelkrankheit zukommt. In einer neuen Studie wer-
den signifikante Unterschiede des Vitamin D-Gehalts im Serum von Patienten mit Diverti-
kulose und Divertikulitis festgestellt, was für eine Assoziation zwischen einem Vitamin D-
Defizit und der Genese einer Divertikulitis spricht (Maguire, et al., 2013, p. 1633). In einer
Fortführung dieser Untersuchung könnte herausgestellt werden, ob eine Vitamin D-
Supplementierung zur Rekonvaleszenz und Rezidivprophylaxe bei DK beitragen kann.
51
Literaturverzeichnis Actial Farmaceutica Lda, 2013. www.vsl3.de. [Online]
Available at: http://vsl3.de/de/zutaten_und_eigenschaften.htm
[Accessed 6. Mai 2014].
aid, 2010. www.aid.de. [Online]
Available at:
https://www.aid.de/downloads/tabelle_leicht_schwer_vertraegliche_lebensmittel.pdf
[Accessed 10. Mai 2014].
Aldoori, W. H. et al., 1995a. Prospective study of physical activity and the risk of
symptomatic diverticular disease in men. Gut, Volume 36, pp. 276-282.
Aldoori, W. H. et al., 1995b. A prospective study of alcohol, smoking, caffeine, and the risk
of symptomatic diverticular disease in men. Annals of Epidemiology, Mai, 5(3), pp. 221-
228.
Aldoori, W. H. et al., 1998. A prospective study of dietary fiber types and symptomatic
diverticular disease in men. American Society for Nutritional Services, 1. April, 128(4), pp.
714-719.
Aldoori, W. & Ryan-Harshmann, M., 2002. Preventing diverticular disease: review of
recent evidence on high-fibre diets. Canadian Family Physician, Oktober, Volume 48, pp.
1632-1637.
American Dietetic Association, 2009. Position of the American Dietetic Association:
Vegetarian Diets. Journal of the AMERICAN DIETETIC ASSOCIATION, pp. 1266-1282.
Andus, T. & Germer, C.-T., 2011. Klinische Gastroenterologie. Stuttgart: Thieme Verlag.
Bischoff, S. C. & Köchling, K., 2012. Pro- und Präbiotika. Aktuelle Ernährungsmedizin,
Volume 37, pp. 287-306.
Bischoff, S. C. & Manns, M. P., 2005. Probiotika, Präbiotika und Synbiotika. Deutsches
Ärzteblatt, 18. März, Volume 11, pp. 752-762.
Brenner, D. M., Moeller, M. J., Chey, W. D. & Schoenfeld, P. S., 2009. The utility of
probiotics in the treatment of irritable bowle syndrome: a systematic review. The American
Journal of Gastroenterology, 10. März, Volume 104, pp. 1033-1049.
Brodribb, A. J. M., 1977. Treatment of symptomatic diverticular disease with a high-fibre
diet. The Lancet, 26 März, pp. 664-666.
Cabré, E., 2011. Nutrition in the prevention and management of irritable bowel syndrome,
constipation and diverticulosis. The European e-Journal of Clinical Nutrition and
Metabolism, April, 6(2), pp. 85-95.
CAU Kiel = Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 2009. http://www.ub.uni-kiel.de.
[Online]
Available at: http://www.ub.uni-
kiel.de/ueber/oeffnungszeiten/med/bilder/PubMed_Kurzanleitung.pdf
[Accessed 12. April 2014].
52
Classen, H., Hansen, O. & Stock, W., 2001. Was leistet das CT bei der Stadieneinteilung
der Kolondivertikulitis?. In: V. Schumpelick & R. Kasperk, eds. Divertikulitis. Eine
Standortbestimmung. Heidelberg: Springer-Verlag, pp. 190-194.
Commane, D. M. et al., 2009. Diet, aging and genetic factors in the pathogenesis of
diverticular disease. World Journal of Gastroenterology, 28. Mai, pp. 2479-2488.
Crowe, F. L., Appleby, P. N., Allen, N. E. & Key, T. J., 2011. Diet and risk of diverticular
disease in Oxford cohort of European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition
(EPIC): prospective study of British vegetarians and non-vegetarians. British Medical
Journal (BMJ), 19. Juli, Volume 343, pp. 1-15.
De Gruyter, W., ed., 2013. Pschyrembel.Klinisches Wörterbuch. Berlin: Parzeller print &
media GmbH & Co. KG.
Deutsches Cochrane Zentrum, 2014. www.cochrane.de. [Online]
Available at: http://www.cochrane.de/de/cochrane-glossar
[Accessed 14 April 2014].
Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e.V., 2007. http://www.ebm-netzwerk.de.
[Online]
Available at: http://www.ebm-netzwerk.de/was-ist-ebm/images/evidenzklassen.jpg/view
[Accessed 10. April 2014].
DGE = Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V., 2008. Ernährungsbericht 2008. Bonn:
Druck Center Meckenheim GmbH.
DGE = Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V., 2012. Ernährungsbericht 2012. Bonn:
Warlich Druck Meckenheim GmbH.
DIMDI = Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, 2014.
www.dimdi.de. [Online]
Available at: http://www.dimdi.de/static/de/db/dbinfo/me66.htm
[Accessed 12. April 2014].
EFSA = European Food Safety Authority, 2010. Scientific Opinion on the substantiation of
health claims related to Lactobacillus paracasei B21060. EFSA Journal, 19 Oktober,
8(10), pp. 1-15.
EFSA, 2010. Scientific Option on Dietary Reference Values for carbohydrates and dietary
fibre. EFSA Journal, 8(3), pp. 1-77.
Etzioni, D. A., Mack, T. M., Beart, R. W. & Kaiser, A. M., 2009. Diverticulitis in the United
States: 1998–2005: changing patterns of disease and treatment. Annals of Surgery,
Februar, 249(2), pp. 210-217.
Everhart, J. E. & Ruhl, C. E., 2009. Burden of digestive diseases in the United States part
I: overall and upper gastrointestinal diseases. Gastroenterology, Februar, 136(2), pp. 376-
386.
F. A. Brockhaus, 2008. Der Brockhaus Ernährung. Gesund essen, bewusst leben. 3.
vollständig überarbeitete Auflage ed. Mannheim: F.A. Brockhaus GmbH.
53
Fischer, N. et al., 1985. Cereal dietary fiber consumption and diverticular disease: a
lifespan study in rats. The American Journal of Clinical Nutrition, November, 42(5), pp.
788-804.
Gear, J. S. S., Brodribb, A. J. M., Ware, A. & Mann, J. I., 1981. Fibre and bowel transit
times. The British Journal of Nutrition, Januar, 45(1), pp. 77-81.
Gear, J. S. S. et al., 1979. Symptomless diverticular disease and intake of dietary fibre.
The Lancet, 10. März, 313(8115), pp. 511-514.
Germer, C.-T. & Gross, V., 2007. Divertikulitis: Wann konservativ, wann operativ
behandeln?. Hamburger Ärzteblatt, 14. Dezember, Issue 50.
Giovannucci, E. et al., 1994. A prospective study of cigarette smoking and risk of
colorectal adenoma and colorectal cancer in U.S. men. Journal of the National Cancer
Institute, 2. Februar, 86(3), pp. 183-191.
Grabitske, H. A. & Slavin, J. L., 2008. Low-digestible carbohydrates in practice. Journal of
the AMERICAN DIETETIC ASSOCIATION, Oktober, pp. 1677-1681.
Granlund, J. et al., 2012. The genetic influence on diverticular disease - a twin study.
Alimentary Pharmacology and Therapeutics, 20. März, 35(9), pp. 1103-1107.
Gross, V. & Germer, C.-T., 2009. Divertikulose und Divertikulitis. Gastroenterologie
up2date, 5(2), pp. 115-127.
Haack, V. S. et al., 1998. Increasing amounts of dietary fiber provided by foods
normalizes physiologic response of the large bowel without altering calcium balance or
fecal steroid excretion. American Journal of Clinical Nutrition, September, 68(3), pp. 615-
622.
Hjern, F. et al., 2006. Diverticular disease and migration - the influence of acculturation to
a Western lifestyle on diverticular disease. Alimentary Pharmacology & Therapeutics, 27.
Februar, 23(6), pp. 797-805.
Huth, K. & Burkard, M., 2004. Ballaststoffe. Stuttgart: Wissenschaftliche
Verlagsgesellschaft GmbH.
Jacobasch, G., 2002. Die Bedeutung resistenter Stärken für eine gesundheitsorientierte
Ernährung. Ernährungs Umschau, 49(1), pp. 4-9.
Junqueira, L. C. L. & Carneiro, J., 2004. Histologie. 6 ed. Heidelberg: Springer-Verlag.
Klosterhalfen, B., 2001. Pathologie der Divertikulose/Divertikulitis des Kolons. In: V.
Schumpenick & R. Kasperk, eds. Divertikulitis. Eine Standortbestimmung. Heidelberg:
Spinger-Verlag, pp. 64-72.
Koop, I., 2009. Gastroenterologie compact - Alles für Klinik und Praxis. Stuttgart: Thieme
Verlag.
Kreft, D., 2001. Flohsamenschalen - lösliche Ballaststoffe zur Therapie der chronischen
Obstipation. Ernährungs-Umschau, 48(12), pp. 482-488.
54
Kruis, M. et al., 2004. Maintaining remission of ulcerative colitis with the probiotic
Escherichia coli Nissle 1917 is as effective as with standard mesalazine. Gut, 7. Mai,
53(11), pp. 1617-1623.
Lahner, E. et al., 2012. High-fibre diet and Lactobacillus paracasei B21060 in symptomatic
diverticular disease. World Journal of Gastroenterology, 7. November, 18(41), pp. 5918-
5924.
Lamiki, P. et al., 2010. Probiotics in diverticular disease of the colon: an open label study.
Journal of Gastrointestinal & Liver Diseases, März, 19(1), pp. 31-36.
Lanas , A., Ponce, J., Bignamini, A. & Mearin, F., 2013. One year intermittent rifaximin
plus fibre supplementation vs. fibre supplementation alone to prevent diverticulitis
recurrence: A proof of concept study. Digestive and Liver Disease, 11. Mai, Volume 45,
pp. 104-109.
Leahy , A. L., Ellis, R. M., Quill, D. S. & Peel, A. L. G., 1985. High fibre diet in symptomatic
diverticular disease of the colon. Annals of the Royal College of Surgeons of England,
67(3), pp. 173-174.
Leifeld, L. & Kruis, W., 2008. Moderne Therapie der Divertikelkrankheit. Der Internist, 23
Oktober, Volume 49, pp. 1415-1420.
Leitzmann, C., 2005. Vegetarian Diets: What are the advantages?. Diet Diversification
and Health Promotion, Issue 57, pp. 147-156.
Li, B. W., Andrews, K. W. & Pehrsson, P. R., 2002. Individual sugars, soluble, and
insoluble dietary fiber contents of 70 high consumption foods. Journal of Food
Composition and Analysis, Dezember, 15(6), pp. 715-723.
Lippert, H. & Mantke, R., 2001. Ist die Divertikulitis bei unter 40- 50-Jährigen eine
aggressivere Erkrankung?. In: V. Schumpelick & R. Kasperk, eds. Divertikulitis. Eine
Standortbestimmung. Heidelberg: Springer-Verlag, pp. 111-118.
Liu, R. H., 2003. Health benefits of fruit and vegetables are from additive and synergistic
combinations of phytochemicals. American Journal of Clinical Nutrition, September, 78(3),
pp. 5175-5205.
Maguire, L. H. et al., 2013. Higher serum levels of Vitamin D are associated with a
reduced risk of diverticulitis. Clinical Gastroenterology and Hepatology, 19. August,
11(12), pp. 1631-1635.
Manousos, O. et al., 1985. Diet and other factors in the aetiology of diverticulosis: an
epidemiology study in Greece. Gut, 26(6), pp. 544-549.
Mansfeld, T., Mai, U. & Schmitz, N.-D., 2010. Wie eine Volkskrankheit. Hamburger
Ärzteblatt, Januar, Volume 64, pp. 28-31.
Mansfeld, T. & Teichmann, W., 2001. Divertikulitis - ein Chamäleon im klinischen
Erscheinungsbild. In: V. Schumpelick & R. Kasperk, eds. Divertikulitis. Eine
Standortbestimmung. Heidelberg: Springer-Verlag, pp. 137-140.
55
Marks, J. W., 2011. www.medicinenet.com. [Online]
Available at:
http://www.medicinenet.com/diverticulitis_diverticulosis_pictures_slideshow/article.htm
[Accessed 4. April 2014].
McFarland, L. V., 2010. Probiotics and diarrhea. Annals of Nutrition and Metabolism, 8.
September, Volume 57, pp. 10-11.
Morgan, X. C. et al., 2012. Dysfunction of the intestinal microbiome in inflammatory bowel
disease and treatment. Genome Biology , pp. 1-18.
Murphy, T., Hunt, R. H., Fried, M. & Krabshuis, J. H., 2007. World Gastroenterology
Organisation. [Online]
Available at: http://www.worldgastroenterology.org/diverticular-disease.html
[Accessed 8. November 2013].
Nakaji, S. et al., 2002. Comparison of etiology of right-sided diverticula in Japan with that
of left-sided diverticula in the West. International Journal of Colorectal Disease,
November, 17(6), pp. 365-373.
NVSII, 2008. www.mri.bund.de. [Online]
Available at: http://www.mri.bund.de/NationaleVerzehrsstudie
[Accessed 2. Mai 2014].
Ochsenkühn, T. & Göke, B., 2002. Pathogenese und Epidemiologie der
Sigmadivertikulose. Der Chirurg, Juli, 73(7), pp. 665-669.
Ornstein, M. H. et al., 1981. Are fibre supplements really necessary in diverticular disease
of the colon? A controlled clinical trial. British Medical Journal, 25. April, Volume 282, pp.
1353-1356.
Painter, N. S. & Burkitt, D. P., 1971. Diverticular disease of the colon: a deficiency disease
of western civilization. British Medical Journal, 22. Mai, Volume 2, pp. 450-454.
Parks, T. G., 1968. Post-mortem studies on the colon with special reference to diverticular
disease. Proceedings of the Royal Society of Medicine, September, 61(9), pp. 932-934.
Peery, A. F. et al., 2012. A High-Fiber Diet Does Not Protect Against Asymptomatic
Diverticulosis. Gastroenterology, Februar, 142(2), pp. 266-272.
Prescher, A., 2001. Divertikel: Allgemeine Grundlagen der Nomenklatur, Klassifikation,
Lokalisation und Anatomie. In: V. Schumpelick & R. Kasperk, eds. Divertikulitis - Eine
Standortbestimmung. Heidelberg: Springer Verlag, pp. 4-13.
Quigley, E. M. M., 2010a. Gut microbiota, inflammation and symptomatic diverticular
disease. New insights into an old and neglected disorder. Journal of Gastrointestinal and
Liver Diseases, Juni, 19(2), pp. 127-129.
Quigley, E. M. M., 2010b. Prebiotics and probiotics; modifying and mining the microbiota.
Pharmacological Research, 18. Januar, 61(3), pp. 213-218.
56
Raguse, T., Tusek, D. & Vecqueray, I., 2001. Warum entwickeln Divertikel im
Sigmadickdarm häufiger Komplikationen als Divertikel anderer Lokalisationen?. In: V.
Schumpelick & R. Kasperk, eds. Divertikulitis. Eine Standortbestimmung. Heidelberg:
Springer-Verlag, pp. 100-109.
Reindl, W. & Schmid, R. M., 2009. Divertikulitis - Diagnose und Therapie. Der
Gastroenterologe, 24. Juni, Issue 4, pp. 357-366.
Sackett, D. L. et al., 1996. Evidence based medicine: what it is and what it isn't.. British
Medical Journal, 13. Januar, Issue 312, pp. 71-72.
Sauer, P.; Universitätsklinikum Heidelberg, 2014. www.klinikum.uni-heidelberg.de.
[Online]
Available at: https://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Darmkrebs-Vorsorge-Koloskopie-mit-
ueberzeugenden-Ergebnissen.116288.0.html
[Accessed 26. März 2014].
Schmidt, E.-M. & Jakobs, R., 2012. Divertikulose und Divertikulitis im Alter. Der
Gastroenterologe, 1. Juli, 7(4), pp. 320-325.
Schmidt, R. F., Lang, F. & Heckmann, M. eds., 2010. Physiologie des Menschen mit
Pathophysiologie. 31. überarbeitete und aktualisierte Auflage ed. Heidelberg: Springer
Medizin Verlag.
Schreiber, H. W. & Rehner, M. a., 2001. Historische Entwicklungen. In: V. Schumpelick &
R. Kasperk, eds. Divertikulitis. Eine Standortbestimmung. Berlin, Heidelberg: Springer
Verlag, pp. 16-26.
Schulze-Lohmann, P.; DGE, 2012. Ballaststoffe. Grundlagen, präventives Potenzial,
Empfehlungen für die Lebensmittelauswahl. Ernährungs Umschau, Juli, pp. 408-417.
Senser, F., Scherz, H. & Kirchhoff, E., 2009. Der kleine Souci Fachmann Kraut.
Lebensmitteltabelle für die Praxis. 4. ed. Garching: Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft
mbH Stuttgart.
Simpson, J. & Spiller, R., 2006. Kompendium evidenzbasierte Medizin. Bern: Hans Huber
Verlag.
Stock, W., Hansen, O. & Heinz, T., 2001. Erfahrungen mit einer klinisch-pragmatischen
Stadieneinteilung. In: V. Schumpelick & R. Kasperk, eds. Divertikulitis. Eine
Standortbestimmung. Heidelberg: Springer-Verlag, pp. 92-99.
Strate, L. L., Liu, Y. L., Aldoori, W. H. & Giovannucci, E. L., 2009a. Physical activity
decreases diverticular complications. The American Journal of Gastroenterology, Mai,
104(5), pp. 1221-1230.
Strate, L. L. et al., 2009b. Obesity increases the risks of Diverticulitis and Diverticular
Bleeding. Gastroenterology, Januar, 136(1), pp. 115-122.
Strate, L. L. et al., 2008. Nut, corn and popcorn consumption and the incidence of
diverticular disease. The Journal of the American Medical Association, 27. August, 300(8),
pp. 1-8.
57
Tiihonen, K., Ouwehand, A. C. & Rautonen, N., 2010. Human intestinal microbiota and
healthy ageing. Ageing Research Reviews, 9. April, Volume 2, pp. 107-116.
Tursi, A. et al., 2013. Randomised clinical trial: mesalazine and/or probiotics in
maintaining remission of symptomatic uncomplicated diverticular disease - a double-blind,
randomised, placebo-controlled study. Alimentary Pharmacology and Therapeutics, 1.
August, pp. 1-11.
Tursi, A. & Papagrigoriadis, S., 2009. Review article: the current and evolving treatment of
colonic diverticular disease. Alimentary Pharmacology and Therapeutics, September,
30(6), pp. 532-546.
Union Dt. Lebensmittelwerke GmbH, 1995. Mengenlehre für die Küche. 14 ed. Hamburg:
Union Dt. Lebensmittelwerke Presse- und Informationsabteilung .
University of Oxford, o.J.. www.epic-oxford.org. [Online]
Available at: http://www.epic-oxford.org/methods/
[Accessed 16. April 2014].
Ünlü, C., Daniels, L., Vrouenraets, B. C. & Boermeester, M. A., 2012. A systematic review
of high-fibre dietary therapy in diverticular disease. International Journal of Colorectal
Disease, April, Volume 27, pp. 419-427.
Wedel, T. & Böttner, M., 2014. Anatomie und Pathogenese der Divertikelkrankheit. Der
Chirurg, pp. 1-7.
Weimann, A. et al., 2013. S3-Leitlinie der DGEM. Klinische Ernährung in der Chirurgie.
Aktuelle Ernährungsmedizin, 31. Dezember, pp. 155-197.
Zachert, H.-R. & Meyer, H.-J., 2001. Divertikulitis: Klassifikation nach Schweregraden. In:
V. Schumpelick & R. Kasperk, eds. Divertikulitis. Eine Standortbestimmung. Heidelberg:
Springer-Verlag, pp. 82-91.
Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre ich an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig angefer-
tigt, keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt und die Stellen der Arbeit, die
im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt aus anderen Werken entnommen wurden, mit
genauer Quellenangabe kenntlich gemacht habe.
Hamburg, den 15.05.14
_____________________________
Valerie Böker
Anhang
Ernährung bei Divertikelkrankheit
Das sollten Sie in Ihrer Ernährung beachten:
Reichlich Flüssigkeit über den Tag verteilt trinken!
o Je nach Ballaststoffaufnahme mind. 2 Liter/Tag
Abwechslungsreiche Auswahl an pflanzlichen Produkten
Probiotika-Therapien nach ärztlicher Absprache/Beratung
o Kontinuierliche Anwendung erforderlich!
Grobe Vollkornware sowie Nüsse sehr gut kauen!
Integrieren Sie zunächst ein „neues“ Lebensmittel in kleiner
Dosierung in Ihren Speiseplan und steigern die Zufuhr über
mehrere Wochen – so verbessern Sie die Verträglichkeit!
Kostaufbau nach akuter Divertikulitis:
Phase 1 2-3 Tage Karenz mit klaren Flüssigkeiten (Tee, Wasser, Gemüsebrühe); in geringen Mengen Buttermilch, Trinkjoghurt, Kefir
Phase 2
Langsamer Kostaufbau mit pürierten Gemüse-suppen, Naturjoghurt, Obstkompott, Banane, Zwieback, Reiswaffeln, feines Vollkorntoast mit mildem Käse oder Fruchtgelee, Haferbrei oder Smoothie mit Schmelzflocken, Reis, Kartoffeln
Phase 3
Ideal: Ballaststoffmodifizierte, fleischlose Kost Meiden: Fettreiche, geräucherte und blähende Lebensmittel/Speisen, scharfe Gewürze Geeignet: fein vermahlene Vollkornprodukte; Gemüse, wenig Rohkost, fruchtzuckerarmes Obst, ggf. zusätzlich Flohsamenschalen/ ge-schrotete Leinsamen/ Kleie sowie Probiotika
Lebensmittelgruppe Häufig Gelegentlich Selten
Getreideprodukte
Basmati-/Vollkornreis, Bulgur, Vollkornprodukte aus Roggen, Dinkel, Hafer (-flocken) , Mais, Knäckebrot, Amaranth, Quinoa, Polenta, Kartof-feln, Buchweizen, Hirse
Nudeln, Graupen, Haferkekse, Dinkel-kräcker, Reis- und Maiswaffeln, Mehr-kornbrot, Getreide-riegel, Obstkuchen (Rührteig), Grieß
Weißmehl-produkte, Gezu-ckerte Müslimi-schungen. abge-packte Brote, Ku-chen, Blätterteig. Kartoffelbackwaren
Gemüse und Hülsenfrüchte
Prinzessbohnen, grüne Erbsen, Blumenkohl, Broccoli, Pastinaken, Topinambur, Möhren, Fenchel, Zucchini, Blatt-salate, Kürbis, Tomate, Kräuter, junger Kohlrabi, Chicorée, Spinat, Gurke
Kürbiskerne, Son-nenblumenkerne, Sesamsamen. Chi-nakohl, Spargel, Artischocke, Sellerie, Schwarzwurzeln, Rote Linsen, Papri-ka, Wirsing, Oliven
Konserven, stark blähende Gemüse wie Zwiebeln, Lauch, Kohl, Pilze, bestimmte Hülsen-früchte (Mungo-und Sojabohnen), Tomatenmark
Obst
Zitrusfrüchte, Beeren-obst, Mango, Papaya, Pfirsich, Aprikose, Me-lone, Kiwi, Banane (reif)
Äpfel, Weintrauben, Nüsse, Rhabarber, Pflaumen, Avocado, Birne, Feige, Ananas
Obstkonserven, Trockenfrüchte. Konfitüre
Milch und Milchprodukte
Naturjoghurt, Milch, Buttermilch, Hüttenkäse, Emmentaler, Edamer, Frischkäse, Speisequark
Fettarme Weichkäse, Mozzarella, Fetakä-se, Parmesan, Schimmelkäse
Schmelzkäse, Creme fraiche, Sahne, fertige Milchspeisen
Fleisch, Wurstwaren und
Eier
Filet von Rind, Kalb, Lamm, Putenbrust, Bratenaufschnitt, Corned Beef, Eier
Schweinefleisch, Salami. Brühwurst, Speck, Cervelat-wurst, Streichwurst
Fisch und Fischerzeugnisse
Kabeljau, Schellfisch, Seelachs, Thunfisch, Rotbarsch, Hering, Makrele, Aal, Scholle
Fischkonserven, (frittierte) Meeres-früchte, eingeleg-ter/ Räucherfisch
Fette und Öle Rapsöl, Olivenöl, Wal-nussöl, Leinöl, Hasel-nussöl
Margarine, Butter, Maiskeim- und Wei-zenkeimöl, Sojaöl
Distelöl, gehärtete Pflanzenfette, Schmalz
Getränke Stilles Wasser, unge-süßter Tee,
Frucht/Gemüsesäfte (verdünnt), Kaffee
Limonaden, Alko-hol, Energydrinks
Rezepte für ein ballaststoffreiches Frühstück
Haferbrei mit frischen Pflaumen und Zimt
Zutaten:
70 g Haferflocken
250 ml fettarme Milch oder Hafer-/Sojadrink
4 frische Pflaumen/Aprikosen
1 TL Zucker und Zimt
2 TL gemahlene Haselnüsse
Buttermilchshake mit Beerenobst und Schmelzflocken
Zutaten: für 2 Portionen
500 ml Buttermilch
300g Himbeeren oder Erdbeeren
3 EL Schmelzflocken
1-2 EL Kleie
nach Belieben 1 TL Vanillezucker
Avocado-Brot mit Tomatensalat
Zutaten:
2 Scheiben Dinkelbrot (alternativ Roggen, Gerste, Hafer)
1 reife Avocado
1 TL frischen Ingwer (geraspelt)
6 kleine Tomaten
1 Frühlingszwiebel
Saftiges Dinkel-Roggenbrot mit Leinsamen
Zutaten: für ca. 1000g
450 ml Wasser
250 g Roggenmehl (Type 1150)
250g Dinkelmehl (Type 1050)
1 Packung Sauerteig (frisch)
1 gehäuften EL Salz
1 Päckchen Hefe
2 EL Leinsamen (geschrotet)
3 EL Kürbiskerne/Haselnüsse oder Walnüsse
Rezepte für ballaststoffreiche Zwischenmahlzeiten
Selbstgemachte Müslikekse mit Cranberry, Sesam und Mandeln
Zutaten:
100 g kernige Haferflocken
50g gehackte Mandeln
2 EL Sesamsamen
80 g getrocknete Cranberries
2 frische Feigen (für Mus)
50 g Trockenpflaumen
Saft aus 2 Orangen
Bunte Smoothies
Zutaten: Variante 1 (süß)
3 Karotten
½ Apfel
Saft aus 4 Orangen
Klein zerhackte Zitronenmelisse oder Minze
Zutaten: Variante 2 (herzhaft)
100g Naturjoghurt
1 Handvoll junger Blattspinat
½ Gurke (ohne Schale)
Salz, Pfeffer
1 Schuss Limettensaft (alternativ Zitronenkonzentrat)
Sommerlicher Feldsalat mit Früchten
Zutaten: Variante 1
75 g Feldsalat
100 g Erdbeeren
2 EL Sonnenblumenkerne
20 g Schafskäse
Essig-Öl-Dressing (Walnussöl und Balsamicoessig)
Zutaten: Variante 2
75 g Feldsalat
100 g Mango
2 EL gehackte Walnüsse
Joghurt-Basilikum-Dressing (150 g Joghurt, Salz, Pfeffer)
Kohlrabi-Fritten mit Dip
Zutaten:
2 mittelgroße junge Kohlrabi
Salz, Pfeffer, Paprika, Rosmarin, Thymian
1 EL Rapsöl
Orangen-Quark-Dip
200g Magerquark (glatt gerührt)
2 EL Pistazienkerne
Schalenabrieb einer Bio-Orange
1 Kasten Gartenkresse
1 Bund gehackte Petersilie
Orientalischer Dip
150 g Hüttenkäse
50 g Ziegenkäse
1-2 TL Currypulver
1 TL Sesamsamen
Pfeffer, Salz, Kreuzkümmel
Rezepte für ballaststoffreiche Hauptmahlzeiten
Zucchini-Kartoffel-Creme
Zutaten: (für 2 Portionen)
3 mittelgroße Kartoffeln (mehlig kochend)
1 mittelgroße Zucchini (alternativ Broccoli)
100 g Kräuterfrischkäse
300 ml Gemüsebrühe
1 EL Rapsöl
Pfeffer, Salz, Muskatnuss
2 EL Mandelblättchen (angeröstet)
Vegetarisches Pastinaken-Cordon Bleu
Zutaten: (für 2 Portionen)
1 Pastinake
1 Scheibe Birne je Pastinakenschnitzel
1 Scheibe Gorgonzola je Pastinakenschnitzel
Gefüllte Paprika mit Reis und mediterranem Gemüsesud
Zutaten:
2 große Paprika
½ Aubergine
2 Möhren
2 Schalotten
100g Schafskäse
Kräuter der Provence, Pfeffer, Salz
Fenchel-Pasta aglio e olio
Zutaten:
125g Vollkornnudeln
1 Fenchelknolle
8 Kirschtomaten
einige Rucolablätter
½ Zwiebel
1 Knoblauchzehe
1 Möhre
3 EL schwarze Oliven
1 Lorbeerblatt
2 EL Olivenöl
150 ml Gemüsebrühe
Pfeffer, Salz