1Kapitel 1
Einleitung
»Der Anfang ist der schwerste Teil der Arbeit.«
– Platon
1.1 Was ist Linux?
Das fängt ja gut an. Da will man ein Buch schreiben und weiß nicht einmal, wie man
das Thema grob umreißen soll. Dabei könnte alles so einfach sein – wir schreiben doch
nur über ein Betriebssystem, das eigentlich keines ist, und über einen Begriff, der nicht
mehr nur Technik, sondernmittlerweile eine ganze Philosophie umschreibt.
Neugierig? Zu Recht! Kurz gesagt, steht der Begriff Linux heute für ein sehr stabiles,
schnelles, freies, UNIX-ähnliches Betriebssystem – obwohl Linux streng genommen nur
der Kern (»Kernel«) dieses Betriebssystems ist. Doch eins nach dem anderen!
Die Entwicklung von Linux begann 1991, als sich der finnische Student Linus Torvalds
an die Programmierung eines Betriebssystemkerns machte. Und weil ein Betriebssys-
temkern natürlich nicht so trivial zu programmieren ist, ließ er sich kurzerhand von
anderen helfen. Damit das Ganze fair zuging, veröffentlichte Torvalds den Code unter
der GNUGeneral Public Licence, kurz GPL. Diese Lizenz besagt, dass jeder das Programm,
das durch diese Lizenz geschützt wird, nach Belieben verändern und verbessern kann
– mit einer Einschränkung: Das veränderte bzw. verbesserte Programm muss auch frei
sein, und sein Sourcecode muss frei zugänglich sein, sodass die Entwicklung weiterge-
hen kann.
Aber ihr Leser, die ihr jetzt schon freudig erregt und »Kommunismus!« schreiend aufge-
sprungen seid, lasst euch sagen: Steckt die rote Fahne wieder ein, hängt das FDJ-Hemd
bitte zurück in den Schrank undmacht bloß die Ton-Steine-Scherben-Platte wieder aus!
Linux ist beiWeitemnicht nur für die ewigen Rebellen unter uns,mittlerweile setzen im-
mer mehr Firmen Linux und andere freie Software ein. Noch schlimmer: Sie verdienen
damit auch noch Geld! Und es werden täglich mehr Firmen, sodass ihre Anzahl, wenn
wir sie während des Schreibens des Buches in mühevoller Recherche ermitteln würden,
bei seinem Erscheinen schon wieder hoffnungslos veraltet wäre.
21
1 Einleitung
Was kann Linux eigentlich, und was soll man damit anfangen? Nun, prinzipiell kann Li-
nux erst einmal alles, was andere Betriebssysteme auch können. Oder es wird zumindest
daran gearbeitet.
Von Linus Torvalds 386er wurde Linux auf mittlerweile alle möglichen und unmögli-
chen Rechnerarchitekturen portiert. Nicht nur aktuelle und historische Systeme wie die
Power-PC-Architektur vonApple, die aufdemAtari verwendeten68020- und68000-Pro-
zessoren des Amiga, die PalmPilots, SGIs MIPS-Systeme, ARM, DEC Alpha-CPUs oder die
Sparc-Systeme von Sun Microsystems sind mittlerweile schon Bastionen des freien Be-
triebssystems, ja, sogar Playstation und Xbox sind nicht mehr vor Linux sicher. In den
letzten Jahren kam zudemdas Internet der Dinge (Internet of Things, kurz IoT) als Domä-
ne für Linux hinzu, sie bezieht Smart Homes und Gebäudeautomation genauso ein wie
Uhren (Smart Watches) und ganze Städte samt ihren Transportsystemen, Fabriken und
Lagerhallen, Kraftwerken und Krankenhäusern – überall wird automatisiert und sehr oft
auf Basis von Linux!
Der Kernel bietet Multitasking- und Multiuser-Fähigkeiten, um das gleichzeitige Arbei-
ten verschiedener Benutzer sowie das parallele Ablaufen von Programmen zu ermögli-
chen. Dies bewirkt, dass sich ein einzelnes Programm nicht um andere auf dem System
laufende Programme zu kümmern braucht. Darüber hinaus können alle Programme
dank der im Kernel eingebundenen Treiber über einheitliche Schnittstellen und wei-
testgehend unabhängig von der vorhandenen Hardware agieren.
DerGrund für dieweite Verbreitung vonLinux ist natürlich in erster Linie, dass sich jeder
und jede seinbzw. ihr Linux so zusammenschusternkann,wie er oder sie es braucht.Und
nach der Lektüre dieses Buches können Sie Linux zwar noch nicht unbedingt auf Ihre
Armbanduhr portieren, aber doch zumindest Ihr System verstehen, nutzen und auch an
Ihre Bedürfnisse anpassen.
Unter Linux können Sie von Ihrem alten Koaxialkabelnetzwerk über kabellose Wire-
less-LAN-Verbindungen sowie Modem- und ISDN-Zugänge bis hin zum Gigabyte-FDDI-
oder UMTS-Netzwerk und zu modernen DSL-Anschlüssen alle Möglichkeiten der Ver-
netzung nutzen – denn als Kind des Internets ist Linux im Netzwerkbereich nahezu
unschlagbar. Verschiedene Serverdienste erlauben den Einsatz in jedem nur denkbaren
Einsatzbereich für Server. Dabei kommt auch der Heimanwender nicht zu kurz, der mit
Linux natürlich auch DVDs brennen, Filme anschauen und Musik hören kann.
Aber hat Linux nur Vorteile? Natürlich nicht. Freie Software – und damit Linux – ist stän-
dig auf die aktive und selbstloseHilfe vieler Freiwilliger rundumdenGlobus angewiesen.
Da kann es schonmal vorkommen, dass ein für Sie ganz wichtiges Feature in einer Soft-
ware noch nicht implementiert oder ein Programm schlicht noch nicht ausgereift ist.
Außerdem halten es viele Hardwarehersteller trotz stark steigender Nutzerzahlen im-
22
1
1.2 Die Linux-Distributionen
mer noch für akzeptabel, Linux-Treiber für ihre Hardware erst mit großer Verzögerung
oder in zweifelhafter Qualität anzubieten. Und so kann es sein, dass man eben nicht alle
Features der neu erstandenen Grafikkarte nutzen kann oder vorerst auf Original-Dol-
by-Digital-Sound aus seinen beiden Plastiklautsprechern verzichten muss. Allerdings
bessert sich die Situation, was Treiber und Hardwareunterstützung anbelangt, ständig
und ist nicht mehr mit den Zuständen zu vergleichen, die herrschten, als wir Autoren
damals anfingen, uns mit Linux zu beschäftigen.
Mittlerweile findet man in Linux ein sehr modernes und leistungsfähiges Betriebssys-
tem, das sich keinesfalls hinter Microsofts Windows oder Apples Mac OS zu verstecken
braucht und für das man auch als Firma keine Lizenzgebühren zahlen muss. Wenn Sie
also Linux-Software kopieren und an Ihre Freunde weitergeben, brauchen Sie nicht mal
ein schlechtes Gewissen zu haben. Eine solche Verteilung ist nicht nur erlaubt, sondern
ausdrücklich erwünscht.
1.2 Die Linux-Distributionen
Die extreme Konfigurier- und Skalierbarkeit von Linux ist zwar sehr schön, aber eigent-
lich möchte man für den Anfang doch einfach nur ein System haben, das erst einmal
funktioniert und mit dem man arbeiten kann. Die Aufgabe, ein funktionierendes Sys-
tem zusammenzustellen, übernehmen sogenannteDistributoren. Sie packen denKernel,
ein Basissystem und nach Lust und Laune noch weitere Software zu einer Distribution
zusammen, die sich dann mehr oder weniger einfach über ein grafisches Interface in-
stallieren lässt.
MancheDistributoren vertreiben ihre Produkte kommerziell, wobei sie jedoch nicht die
Software an sich verkaufen. Sie lassen sich für das Zusammenstellen der Programme, für
die schöne Installation und meist noch für die Handbücher, die einem Paket oft beige-
fügt sind, bezahlen. Es gibt allerdings wie so oft auch kostenlose Distributionen, die im
Internet heruntergeladen werden können. Des Weiteren haben die großen kommerziel-
lenDistributionenmeist eine Art kostenlose Evaluationsversion, in der nicht die gesam-
te Software des kompletten Pakets enthalten ist. Allen Distributionen ist aber in der Re-
gel gemeinsam, dass sie über das Internet Updates und Patches bereitstellen, wenn zum
Beispiel in der ausgelieferten Version eines Programms Bugs oder Sicherheitsprobleme
entdeckt und behoben wurden. Diese Updates und Patches können dann automatisiert
heruntergeladen, entpackt und installiert werden, sodass das System immer aktuell, sta-
bil und sicher läuft. Im Gegensatz zu den »Windows-Updates« von Microsoft beziehen
sich die Updates der Distributoren nicht nur auf das eigentliche Betriebssystem, d. h.
Kernel und Basissystem, sondern auch auf alle installierten Softwaretools.
23
1 Einleitung
Für den allerersten Linux-Schnupperkurs eignet sich eineDistribution besonders: Knop-
pix. Knoppix ist eine komplett von CD lauffähige Version der freien Debian-Distributi-
on und benötigt keinerlei Plattenplatz. Nach dem Booten wird eine hübsche grafische
Oberfläche geladen, unter der Sie viele Programme ausprobieren können, die unter Li-
nux verfügbar sind und oft genutzt werden. Doch Knoppix ist nicht nur für einen ersten
Eindruck sehr gut geeignet, denn selbst professionelle Anwender wissen den Nutzen
von Knoppix als fast schon dekadente Luxusversion der Standardrettungsdiskette von
anno dazumal zu schätzen.
Bleibenwir gleichbeiDebian.Debian ist die freieDistribution, aufderKnoppixundauch
das besonders bei Einsteigern beliebte Ubuntumit seinen Varianten (etwa Kubuntu und
Xubuntu) aufbauen. Professionelle Anwender schätzen Debian vor allem wegen seines
ausgereiften Paketsystems. Die Programme liegen dabei in Paketen vor, die sehr sauber
ins System integriert und auch wieder entfernt werden können. Besonders erwähnens-
wert ist dabei das ursprünglich für Debian entwickelte APT-System, das es ermöglicht,
mit nur einer kurzen Zeile ein neues Softwarepaket automatisch (inklusive aller existie-
renden Abhängigkeiten) aus dem Internet zu laden, zu installieren und konfigurieren zu
lassen. Nur aufrufenmüssen Sie das Programmnoch selbst. Trotz alledem istDebian kei-
ne Distribution für Einsteiger, da die relativ schwierige Installation und Konfiguration
eine gewisse Einstiegshürde darstellt.
Möchteman es noch etwas freakiger haben, kannman Gentoo installieren. Diese Distri-
bution liefert keine bereits übersetzten und damit lauffähigen Programme, sondern nur
den Sourcecode, der dann auf dem lokalen Rechner übersetzt wird. Das stellt sicher, dass
beim Übersetzen alle Optimierungen und Features genutzt werden können, die Ihr Pro-
zessor und Ihr System bieten. Wem selbst das zu einfach ist, dem bleibt nur noch, Linux
»from scratch« zu installieren – bedeutet, man baut alles selbst. Von Grund auf. Ohne
Pakete, ohne Software, ohne Hilfe und ohne jede Installationsroutine.
Das andere Extrem wären wohl die SUSE Enterprise Linux, openSUSE- und die Ubuntu-
Distribution. Diese Distributionen legen ganz besonderenWert auf Benutzerfreundlich-
keit und einfache Bedienung. Und das konsequent. Lobenswert sind hier vor allem die
vorbildliche Hardwareerkennung und die einfache Installation.
Eine andere auch sehr weit verbreitete Distribution, die ebenfalls besonders einsteiger-
freundlich ist, nennt sich Fedora. Fedora hieß früher Red Hat Linux, wurde aber umbe-
nannt. Neben Fedora gibt es noch Red Hat Enterprise Linux für den Einsatz in Unter-
nehmen, auf das wir uns in diesem Einsteigerbuch jedoch nicht konzentrieren.
Eineweitere desktoporientierte Distribution ist LinuxMint. Sie baut auf Ubuntu auf und
bietet auch eine sehr einfache Installation und Konfiguration.Mit LinuxMint ist das Ziel
einer optimalen Integration aller Desktopkomponenten verbunden. Gut integriert sind
24
1
1.3 UNIX- und Linux-Geschichte
dabei auch unfreie, aber zugleich populäre, Softwarekomponenten wie Adobe Flash und
diverse Audiocodecs.
Slackware ist eine der bekanntesten und ältesten freien Distributionen. Slackware bietet
dem Anwender die Möglichkeit, bereits während der Installation einen Blick hinter die
Kulissen auf die Funktionsweise zu werfen. Während Slackware noch aktiv weiterentwi-
ckelt wird, gibt es ebenfalls eine Reihe von aktuellen Distributionen, die auf Basis dieser
Distribution entwickelt werden.
So bleibt zusammenfassend zu sagen, dass die Wahl der Distribution teilweise von ob-
jektiven Gesichtspunkten, aber zu einem sehr großen Teil auch vom persönlichen Ge-
schmack abhängt. Auf jeden Fall sollten Sie sich nicht davon abhalten lassen, auch mal
die eine oder andere Alternative auszuprobieren. Dennmit Linux haben Sie ja die Wahl.
Nutzen Sie sie.
Das Arbeiten ist dabei überall und unter jeder Distribution gleich – Unterschiede erge-
ben sichnur bei der Installation, der Konfiguration und teilweise bei der Administration,
wie zum Beispiel beim Aktualisieren des Systems.
1.3 UNIX- und Linux-Geschichte
Da Linux ein UNIX-ähnliches Betriebssystem ist und eine Unzahl von dessen Eigen-
schaften besitzt, beschäftigen wir uns an dieser Stelle zunächst einmal mit der Ent-
stehungsgeschichte von UNIX. Wir beginnen dazu mit einem Rückblick auf die graue
Vorzeit der Informatik.
1.3.1 UNIX
Im Jahr 1965 begannen BELL, General Electric und das MIT, an einem System namens
MULTICS (MULTiplexed Information and Computing System) zu arbeiten. Als allerdings
feststand, dass dieses Vorhaben scheitern würde, stieg BELL aus.
Als 1969 das Apollo-Raumfahrtprogramm der USA im Mittelpunkt der Aufmerksam-
keit stand, begann Ken Thompson (BELL) aufgrund zu primitiver Möglichkeiten der Pro-
grammentwicklung mit der Entwicklung einer Zwei-User-Variante für den DEC PDP-7.
Sein Ziel war es, raumfahrtbezogene Programme zu entwickeln, um Orbit-Berechnun-
gen für Satelliten, Mondkalender und Ähnliches zu realisieren. Das Grundprinzip von
MULTICS wurde dabei übernommen, und so bekam das spätere UNIX beispielsweise ein
hierarchisches Dateisystem.
25
1 Einleitung
Brian Kernighan nannte dieses System spöttisch UNICS (von uniplexed). Erst später be-
nannte man es aufgrund der Begrenzung für die Länge von Dateinamen auf der Ent-
wicklungsplattform GECOS in UNIX um.
Ursprünglich waren alle UNIX-Programme in Assembler geschrieben. Ken Thompson
entschied sich später, einen FORTRAN-Compiler zu entwickeln, da UNIX seinerMeinung
nach ohne einen solchen wertlos wäre. FORTRAN ist wie C eine Programmiersprache
der dritten Generation und erlaubt das Programmieren auf einer höheren Abstrakti-
onsebene. Nach kurzer Zeit entschied er sich allerdings, eine neue Programmiersprache
namens B zu entwickeln, die stark von der Sprache BCPL (Basic Combined Programming
Language) beeinflusst wurde.
Da das Team 1971 ein PDP11-System bekam, das byteadressiert arbeitete, entschloss sich
Dennis Ritchie, aus derwortorientierten SpracheB eine byteorientierte Sprachemit dem
schlichten Namen »C« zu entwickeln, indem er unter anderem Typen hinzufügte.
1973 wurde der UNIX-Kernel komplett neu in C geschrieben. Dieses neue UNIX (mittler-
weile in der Version 4) wurde damit auf andere Systeme portierbar. Noch im selben Jahr
wurde UNIX zu einemMultiuser-Multitasking-Betriebssystem weiterentwickelt und der
Öffentlichkeit vorgestellt. Da C gleichzeitig eine sehr portable, aber auch systemnahe
Sprache war, konnte UNIX recht gut auf neuen Plattformen implementiert werden, um
dann auch dort performant zu laufen. Die Vorteile einer Hochsprachewurden hier deut-
lich: Man braucht nur einen Übersetzer auf einer neuen Hardwareplattform, und schon
kann der Codemit nur wenigen Änderungen übernommen werden.
1977 nahm man dann auch die erste Implementierung auf ein Nicht-PDP-System vor,
nämlich auf ein Interdate 8/32. Dies regte weitere UNIX-Portierungen durch Firmen wie
HP und IBM an, und die UNIX-Entwicklung begann, sich auf viele Abkömmlinge, soge-
nannte Derivate, auszuweiten.
Die UNIX-Variante vonAT&Twurde 1981mit der von BELL zu einemeinheitlichen »UNIX
System III« kombiniert. 1983 kündigte BELL das »System V« an, das primär für den Ein-
satz auf VAX-Systemen an Universitäten entwickelt wurde. Im Jahr darauf annoncierte
AT&T die zweite Version von System V. Die Anzahl der UNIX-Installationen stieg bis da-
hin auf ca. 100.000an. 1986 erschien System V, Release 3. Schließlich wurde 1989 System
V Release 4 (SVR4) freigegeben, das noch heute als UNIX-Standard gilt.
Neben SVR4-UNIX gab es noch eine Entwicklung von BSD-UNIX, auf deren Darstel-
lung wir hier natürlich keineswegs verzichten möchten. Schließlich haben wir der BSD-
TCP/IP-Implementierungmehr oder weniger das heutige Internet zu verdanken.
Bereits 1974 verteilte AT&T Quellcodelizenzen an einige Forschungsinstitute. Auch das
Computing Sciences Research Center (CSRC) der Bell Labs bekam solch eine Lizenz.
26
1
1.3 UNIX- und Linux-Geschichte
In Berkeley entwickelte ein Kreis von Programmierern der dortigen Universität in den
folgenden Jahren einen neuen Code und nahm Verbesserungen gegenüber AT&T-UNIX
vor, wonach 1977 »1BSD«, die erste Berkeley Software Distribution, von Bill Joy zusam-
mengestelltwurde. Imdarauffolgenden Jahrwurde »2BSD« veröffentlicht, das über neue
Software und Verbesserungen verfügte.
1979 beauftragte die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) der amerika-
nischen Regierung die Computer Systems Research Group (CSRG) der University of Ca-
lifornia, Berkeley, die UNIX-Referenzimplementierung der Protokolle für das ARPANET,
den Vorläufer des Internets, zu entwickeln. Die CSRG veröffentlichte schließlich das ers-
te allgemein verfügbare UNIX namens 4.2BSD, das unter anderem folgende wichtige
Merkmale aufwies:
E Integration von TCP/IP
E Berkeley Fast Filesystem (FFS)
E Verfügbarkeit der Socket-API
Somit kann dieses BSD-Derivat als Urvater des Internets angesehen werden. Durch die
Integration von TCP/IP und der Berkeley-Socket-API wurden Standards geschaffen bzw.
geschaffene Standards umgesetzt, die für das spätere Internet essenziell sein sollten.
Wennman bedenkt, dass selbst heute noch eben diese Berkeley-Socket-API als Standard
in allen netzwerkfähigen Betriebssystemen implementiert ist, wird erst das volle Aus-
maß der Bedeutung dieser Entwicklungen deutlich.
1989 entschlossmansichdazu, denTCP/IP-Code ineiner vonAT&TunabhängigenLizenz
als Networking Release 1 (Net/1) zu vertreiben. Net/1 war die erste öffentlich verfügbare
Version. Viele Hersteller benutzten den Net/1-Code, um TCP/IP in ihre Systeme zu inte-
grieren. In 4.3BSD Renowurden 1990 noch einmal einige Änderungen amKernel und an
den Socket-APIs vorgenommen, umOSI-Protokolle zu integrieren.
Im Juni 1991 wurde Net/2 herausgegeben, das komplett neu und unabhängig vom
AT&T-Code entwickelt wurde. Die wichtigsten Neuerungen von Net/2 waren:
E komplette Neuimplementierung der C-Bibliothek
E Neuimplementierung von vielen Systemprogrammen
E Ersetzung des AT&T-Kernels bis auf sechs Dateien
Nach einiger Zeit stellte Bill Jolitz, der nun auch die letzten sechs Dateien neu entwi-
ckelt hatte, ein vollständiges, bootbares Betriebssystem zum freien FTP-Download zur
Verfügung. Es trug den Namen 386/BSD und lief auf Intel-Plattformen.
27
1 Einleitung
Die Berkeley Software Design, Inc. (BSDI) brachte 1991 mit BSD/OS eine kommerzielle
Weiterentwicklung von 386/BSD auf den Markt. Diese Version konnte für den Preis von
999 US-Dollar erworben werden.
1992 entstand außerdem das freie NetBSD-Projekt, das es sich zum Ziel setzte, 386/BSD
als nicht kommerzielles Projekt weiterzuentwickeln und es auf möglichst vielen Platt-
formen verfügbar zumachen.
Nachdem die UNIX System Laboratories, eine Tochtergesellschaft von AT&T, BSDI we-
gen einer Urheberrechtsverletzung verklagt hatten, mussten einige Veränderungen am
Net/2-Code vorgenommen werden. Daher mussten 1994 alle freien BSD-Projekte ihren
Code auf den von 4.4BSD-Lite (auch als Net/3 bezeichnet) umstellen. Mit der Veröffent-
lichung von 4.4BSD-Lite2 im Jahr 1995 wurde die CSRG aufgelöst. Allerdings werden die
mittlerweile existierenden vier BSD-Derivate NetBSD, BSD/OS, FreeBSD und OpenBSD
noch bis heute gepflegt und ständig weiterentwickelt.
1.3.2 Die Geburtsstunde von Linux
Wir schreiben das Jahr 1991, und Linus Torvalds kann die Version 0.02 von Linux bereits
in der Newsgroup comp.os.minix posten. Zu diesem Zeitpunkt liefen bereits Programme
wie der GNU C-Compiler (gcc), die bash und compress auf diesem System.
Im Folgejahr veröffentlichte Torvalds Version 0.12 auf einem öffentlichen FTP-Server,
wodurch die Anzahl derjenigen stieg, die an der Systementwicklung mitwirkten. Im sel-
ben Jahrwurde dieNewsgroup alt.os.linux gegründet. Sowiedas Internetmit BSDgroß
wurde, ist Linux also ein Kind des Internets.
Im Jahr 1994 wurde Version 1.0 veröffentlicht. Der Kernel verfügte zu diesem Zeitpunkt
schon über Netzwerkfähigkeit. Außerdem portierte das XFree86-Projekt seine grafische
Oberfläche – das X-Window-System – auf Linux. Das wohl wichtigste Ereignis in diesem
Jahr war jedoch, dass Torvalds auf die Idee kam, den Kernelcode unter der GNU General
Public License zu veröffentlichen. Zwei Jahre später war Linux 2.0 zu haben. Erste Distri-
butionen stellten ihre Systeme nun auf die neue Version um, darunter auch Slackware
mit dem »’96«-Release.
1998 erschien die Kernelversion 2.2. Von da an verfügte Linux auch überMultiprozessor-
support. Im Jahr 2001 erschien schließlich Version 2.4 und im Dezember 2003 Version
2.6. 2011 kam Linux 3.0 heraus. Nach einer Meinungsumfrage auf der Plattform Google+
wurdedie Version im Jahr 2015 schließlich von 3.19 nicht auf 3.20, sondern auf 4.0 erhöht.
Die aktuelle Version 4.6 erschien imMai 2016.
28
1
1.3 UNIX- und Linux-Geschichte
1.3.3 Die Kernelversionen
Der Linux-Kernel erschien bis Juli 2004 in zwei Versionskategorien: einer Entwickler-
und einer Stable-Version. Die Entwicklerversionen hatten ungerade Zahlen als zweite
Versionsnummern (etwa 2.1, 2.3, 2.5), die Stable-Versionen hingegen gerade Zahlen (2.0,
2.2, 2.4, 2.6). Eine dritte Zahl nummeriert die unterschiedlichen kleineren Releases, die
beispielsweise mit neuen Features ausgestattet sind. Seit Kernel 2.6.11 jedoch kann zur
schnellen Bereinigung schwerer Fehler auch eine vierte Versionsnummer geführt wer-
den. 2011 gab es einen Versionssprung von 2.6.39 auf 3.0.
Seit Linux 3.0 wird alle paar Monate die erste Stelle nach dem Punkt (3.x) erhöht, kleine
Änderungen (Fehlerbehebungen und Sicherheitsupdates) werdenmit der zweiten Stelle
hinter dem Punkt angegeben (3.x.y).
Entwicklerversionen des Kernels gibt es mittlerweile nur noch in einem Entwicklungs-
zweig (-mm-Versionen), und der Entwicklungsprozess läuft nun folgendermaßen ab: Es
gibt ein Zeit-Delta, innerhalb dessen neue Features in den Kernel eingebaut werden. An-
schließend werden diese Features optimiert und auf ihre korrekte Funktionsweise hin
überprüft. Steht fest, dass alle neuen Features ordentlich funktionieren, wird schließlich
eine neue Kernelversion herausgegeben.
Sollten Sie mal jemanden treffen, der Ihnen von irgendwelchen komischen Versionen à
la »Linux 8.0« erzählen will, haben Sie ein seltenes Exemplar der Spezies Mensch gefun-
den, die offensichtlich die falschen Bücher liest. Diese bringen nämlich die Versionen
der Distributionen und des Kernels durcheinander.
Aber keine Angst: Aktuelle Distributionen beinhalten natürlich immer die Stable-Ver-
sion. Einige Distributionen beschäftigen auch intern Kernelhacker, die die Features des
(eigenen) Kernels erweitern, um den Anwendern beispielsweise zusätzliche Treiber zur
Verfügung zu stellen.
Wie bereits erwähnt, gibt es Distributionen, die einen modifizierten Kernel beinhalten,
und solche, die den unmodifizierten Kernel nutzen. Dieser unmodifizierte Kernel ohne
zusätzliche Patches wird auch als Vanilla-Kernel bezeichnet.
Auf kernel.org erfahren Sie zu jedem Zeitpunkt etwas über die aktuellen Versionen des
Linux-Kernels.
Das Linux-Maskottchen
Da Linus Torvalds ein Liebhaber von Pinguinen ist, wollte er einen als Logo für Linux
haben. Larry Erwing entwarf mit dem Grafikprogramm GIMP einen Pinguin (siehe Ab-
bildung 1.1). Er gefiel Torvalds, und fertig war Tux, der übrigens für TorvaldsUnix steht.
29
1 Einleitung
Abbildung 1.1 Tux
1.4 Die Anforderungen an Ihren Rechner
Damit Linux auf Ihrem Rechner laufen kann, muss er je nach Einsatzgebiet des Sys-
tems gewisse Hardwarevoraussetzungen erfüllen. Da Linux jedoch sehr sparsam mit
denRessourcen umgeht, reicht für eineMinimalinstallationmit Nutzung der grafischen
Oberfläche durchaus auch ein vielleicht schon ausrangiertes älteres Modell. Alternativ
können Systeme auch ohne grafische Ausgabe genutzt werden, beispielsweise für File-
serverdienste oder als Firewall für den heimischen Internetzugang.
Beim Einsatz auf einem Desktopsystem empfiehlt es sich, einen ganz normalen Stan-
dard-PC heranzuziehen. Je nach Distribution und Ihren Wünschen reicht dabei eine 10
bis 20 GByte große Partition der Festplatte aus – ein Witz im Hinblick auf die Kapa-
zität aktueller Festplatten, die mehrere Tausend GByte Speicher bereitstellen können.
Für speicherfressende Oberflächen wie KDE empfiehlt sich jedoch eine Rechenleistungs-
und Hauptspeicherkapazität, die auch für aktuelle Windows-Versionen reichen würde.
1.4.1 Hardwarekompatibilität
Eines jedoch muss im Umgang mit diesem System beachtet werden: Kaufen Sie nicht
ziellos neue Hardware ein. Hin und wieder kommt es vor, dass die neue Grafikkarte
nicht von der grafischen Oberfläche unterstützt wird oder dass noch niemand einen
Treibercode für eine neue Soundkarte geschrieben hat. Daher gilt: erst nachfragen (oder
mithilfe der Suchmaschine Ihrer Wahl recherchieren), dann kaufen!
1.5 Über dieses Buch
Im Folgenden geben wir Ihnen einen kurzen Überblick über die Themen der folgenden
Kapitel und Hinweise zur Gestaltung des Inhalts.
30
1
1.5 Über dieses Buch
1.5.1 Was Sie in diesem Buch erwartet
Die Kapitel 2 und 3 behandeln die Installation der populärsten Distributionen. Es geht
dabei um die Partitionierung von Festplatten, die Konfiguration des Bootloaders GRUB,
die Installation der Softwarepakete und des Kernels und um den anschließenden Test
der Installation.
Die folgenden Kapitel bieten einen Einblick in die Funktionsweise des Systems. Kapitel 4
widmet sich dem Linux-Desktop und gibt Ihnen eine Einführung in die Benutzung der
grafischen Oberfläche. Kapitel 5 erklärt die grundlegende Funktionsweise, also das Zu-
sammenwirken zwischen der Hardware, dem Kernel und den Userspace-Applikationen
sowie den Einstieg in das Dateisystem. Kapitel 6 beschäftigt sich mit dem Startvorgang
von Linux bis hin zum Login-Prompt.Kapitel 7 befasst sich schließlichmit der Thematik
»Prozesse«, mit deren Umgebung, Hierarchie und Administration.
Kapitel 8 setzt sich mit der grundlegenden Administration auseinander, so zum Bei-
spiel mit der Benutzerverwaltung, der Installation neuer Software, dem Einspielen von
Backups und dem Kompilieren eines eigenen Kernels. Wundern Sie sich nicht, wenn je-
der zu Ihnen sagt, dass heutzutage kein Mensch mehr einen eigenen Kernel kompiliert.
Das ist insofern richtig, als alle benötigten Funktionalitäten standardmäßig integriert
sind oder durch Kernelmodule geladen werden können. Unserer Meinung nach ist es
jedoch essenziell, sich als Anwender mit der Kernelkompilierung auseinanderzusetzen,
wennman wichtige Zusammenhänge verstehen will.
Eines der wohl wichtigsten Themen dieses Buches ist Kapitel 9, »Die Shell«. Leider wird
in vielen Linux-Büchern kaum auf die Shell eingegangen. Stattdessen finden Sie sich
auf Seite 1 in der grafischen Benutzeroberfläche wieder und bekommen gesagt, wo Sie
hinklicken müssen. Wir werden die Shell sehr detailliert behandeln, da diese nicht nur
unter Linux, sondern auch auf allen anderen UNIX-Systemen das definitiv wichtigste
undmächtigste Werkzeug für Anwender, Administrator und Programmierer darstellt.
In Kapitel 10 lernen Sie mit dem vi einen der wichtigsten UNIX-Editoren kennen. Tat-
sächlich ist der Editor nicht für die grafische Oberfläche ausgelegt, dafür ist er aber auf
fast jedem System vorhanden und immer nutzbar. Wir verwenden diesen Editor selbst,
daman bei der Konfiguration von Linux-Systemen über das Netzwerk hervorragend auf
diese zurückgreifen kann.
Kapitel 11 setzt sich anschließendmit der Netzwerkkonfiguration auseinander. Die wich-
tigsten Netzwerkapplikationen (wie ping, traceroute und netstat) werden hier erläu-
tert. Unvermeidlich und daher natürlich auchmit dabei sind die DNS-Konfiguration, die
wichtigsten Dienste, syslog, die Firewall und die Routingkonfiguration.
31
1 Einleitung
Kapitel 12, »Netzwerk-Tools«, stellt wichtige Programme für die Nutzung des Internets
vor.
Verschiedene von Linux unterstützte Speichermedien und -verfahren werden in Kapitel
13 erläutert. Darunter befinden sich SCSI- und RAID-Systeme sowie CD/DVD-Laufwerke,
CD/DVD-Brenner und USB-Memorysticks.
In Kapitel 14, »Multimedia und Spiele unter Linux«, erfahren Sie nun endlich – wir legen
eben sehr großen Wert auf die spirituelle Reinigung eines jeden Users durch die Shell –,
welche Software Sie für Audio, Video oder auchWebcams & Co. nutzen können.
Für Freunde des Raspberry Pi deckt Kapitel 15 dessen Grundlagen, Inbetriebnahme und
Nutzung ab.
Im Anhang finden Sie zudem noch Konfigurationsbeispiele einzelner Dienste, die in
diesem Buch besprochen werden.
1.5.2 Wie Sie dieses Buch lesen sollten
Natürlich von links nach rechts und von oben nach unten. Aber auch wenn Sie dann
von vorn nach hinten lesen, kann es theoretisch noch vorkommen, dass Sie mit eini-
gen Begriffen oder Bezeichnungen noch nichts anfangen oder die Beispiele nur schwer
nachvollziehen können. Wir bemühen uns zwar, das Buch schrittweise aufzubauen, al-
lerdings ist die Thematik viel zu komplex, als dass dies immer reibungslos gelingen
würde. Wenn Sie an so einer Problemstelle sind, lesen Sie einfach weiter, aber merken
Sie sich Ihr Problem. Irgendwann wird der Punkt kommen, an dem wir jedes Problem
im Detail behandeln und hoffentlich alle Fragen aus der Welt schaffen.
Ein solcher Vorgriff auf später behandelte Probleme sei gleich an dieser Stelle getan:
Wie bereits erwähnt, möchten wir viel mit der Shell arbeiten, auch wenn wir diese im
Detail erst in Kapitel 9 behandeln. In den Kapiteln davor ist es daher notwendig, dass
Sie wissen, dass die Shell eine Art Eingabeaufforderung oder Kommandointerpreter ist.
Man tippt einen Befehl ein, drückt die Enter-Taste und wartet das Ergebnis ab. Diese
archaische Methode der Bedienung eines Computers mag Ihnen vielleicht nicht ganz
zeitgemäß vorkommen, aber wir schwören: Sie werden sie lieben lernen und später mit
einemmitleidigen Blick auf alle mausgewöhnten Computerbenutzer schauen.
In den Beispielen werden Sie also oft einen sogenannten Prompt, eine Eingabeauffor-
derung, sehen. Dahinter schreiben wir dann jeweils den Befehl, den wir im aktuellen
Beispiel benutzen wollen. Des Weiteren gilt: Jede Zeile ohne Prompt ist logischerweise
das Resultat eines Befehls.
32
1
1.5 Über dieses Buch
In den Beispielen werden wir zwei unterschiedliche Prompts benutzen: # sowie $. An
dieser Stelle reicht es, wenn Sie wissen, dass Sie alle Befehle, die hinter einer Raute (#)
stehen, nur als Systemadministrator ausführen können, alle Befehle nach dem Dollar-
zeichen hingegen als x-beliebiger Nutzer. Was es sonst noch alles mit Administratoren
und Benutzern auf sich hat, erfahren Sie zu gegebener Zeit.
# BefehlAusgabe des Befehls
Listing 1.1 Ein Beispiel
In Listings führen wir hin und wieder einen Backslash (\) ein, um ein umbrochenes
Zeilenende zu verdeutlichen.Wir haben künstliche Zeilenumbrüche nur dann eingefügt,
wenn andernfalls Text über den Rand der Seite hinaus reichen würde.
Icons
Im Buch sind einige Icons zu finden:
Dieses Icon leitet einen Hinweis ein. Im Buch werden Sie einige Hinweise finden, die
zusätzliche Randinformationen beinhalten.
Dieses Icon leitet ein Beispiel ein. Oftmals werdenwir verschiedene Themen erst bespre-
chen und dann anhand eines Beispiels verdeutlichen.
Wenn Sie dieses Symbol sehen, möchten wir Ihnen etwas Wichtiges mitteilen oder Sie
vor einemmöglichen Problemwarnen.
1.5.3 Wo Sie weitere Informationen bekommen
Im Laufe der letzten Jahre entstandenunzählige Dokumentationen und frei zugängliche
Informationssammlungen zum Betriebssystem Linux.
Wenn Sie eine gewisse Portion Mut aufbringen, auch einmal selbst etwas auszuprobie-
ren, und eine Problemlösung gern konstruktiv angehen, stellt Ihnen Linux mehr als
jedes andere BetriebssystemMöglichkeiten zur Selbsthilfe bereit.
Foren undWikis: Hilfe von anderen Usern
Eine Interaktion mit anderen Usern bieten dagegen Foren und Wikis. In Foren können
Sie beispielsweise Fragen stellen oder Probleme mit anderen Usern diskutieren. In Wi-
kis kann jeder (also auch Sie!) beispielsweise kleine Anleitungen oder Problemlösungs-
schritte hinterlegen, um so anderen Benutzern das Leben ein wenig zu erleichtern.
33
1 Einleitung
Bei einem akuten Problem füttern Sie idealerweise die Suchmaschine Ihrer Wahl mit
einer möglichst genauen Problem- oder Fragestellung, um dann auf relevante Foren,
Wikis oder auch Blogs zu stoßen.
Alternativ können Sie auch auf den Webseiten Ihrer Distribution Hilfe und Infor-
mationen finden. Für Ubuntu hilft Ihnen beispielsweise die deutschsprachige Seite
www.ubuntuusers.deweiter.
Manpages
Im späteren Verlauf des Buches kommen wir noch auf die Manpages zu sprechen. Man-
page bedeutet so viel wie Handbuchseite (Manual Page). Manpages bieten Hilfe zu allen
möglichen auf Ihrem Linux-System verfügbaren Kommandos, Syscalls und eigentlich
allem, was immer mal schnell wichtig ist.
Usergroups
In vielen größeren Städten gibt es Linux-Usergroups. Usergroups treffen sich hin und
wieder und tauschen die neuesten Linux-Probleme, Neuerungen und Eigenentwicklun-
gen aus bzw. helfen einander. Die Mitgliedschaft ist in der Regel frei, und Anfänger sind
willkommen.
1.6 Zusammenfassung
Linux entstand nicht ohne Vorgeschichte. Einige Jahrzehnte zuvor wurden mit der Ent-
wicklung von UNIX und seinen Vorgängern bereits die Grundsteine für die Entwicklung
von Linux gelegt. Das erste freie UNIX-ähnliche Betriebssystem war BSD. Erst Jahre spä-
ter folgte Linux, das von Linus Torvalds entwickelt wurde. Später entstanden die ersten
Distributionen (etwa SLS, Slackware und Debian), die als Grundlage und Vorgängerver-
sionen vieler heute aktueller Distributionen dienen und teilweise noch immer aktiv
weiterentwickelt werden.
34
2
Kapitel 2
Installationsvorbereitung
»Adventure is the result of poor planning.«
(dt. »Abenteuer ist die Folge schlechter Planung.«)
– Colonel Blatchford
Bevor Sie zur Tat schreiten können und Ihr Linux-System installieren, sollten Sie zu-
nächst einige Vorbereitungen treffen. Genau damit beschäftigt sich dieses Kapitel. Im
gleichen Kontext werden wir viele wichtige Fragestellungen anreißen und für eine aus-
führliche Klärung gegebenenfalls auch auf spätere Kapitel verweisen.
Dieses Kapitel ist in erster Linie als Sammlung von Hinweisen zu verstehen, die Ihnen
während der Installation einer Linux-Distribution helfen sollen. Die eigentliche Installa-
tion besprechen wir am Beispiel einiger populärer Distributionen im nächsten Kapitel.
Keine Sorge!
Siewerden in diesemKapitel vielleicht auf Begriffe und Abkürzungen treffen, die Sie nicht
sofort verstehen. Geben Sie nicht auf – überspringen Sie es erst einmal und probieren Sie
gleich die Buch-DVD mit Kapitel 3 aus! Bei Problemen werfen Sie einen Blick zurück in
Kapitel 2.
Um ein System zu installieren, müssen Sie sich darüber im Klaren sein, welche Hard-
ware in Ihrem Zielsystem steckt. Die Kompatibilität dieser Geräte sollte geprüft werden.
Eventuell werden Sie dann feststellen, dass einzelne Komponentennicht oder nicht voll-
ständig unterstützt werden. In diesem Fall können Sie entweder vorerst auf die Funktio-
nen verzichten, oder Sie schaffen sich andere Hardware an – denn einen Kerneltreiber
werden Sie ja wohl kaum programmieren wollen. Leider sind davon oft die neueren
und superteuren Spielzeugewie aktuelleGrafik- oder Soundkartenbetroffen.Wennman
schon so ein Schmuckstück sein Eigen nennt, macht es nämlich überhaupt keinen Spaß,
sich mit irgendwelchen qualitativ minderwertigen Kompatibilitätsmodi zufriedenge-
ben zu müssen.
35
2 Installationsvorbereitung
Haben Sie die hardwaretechnischen Fragen vorerst geklärt, sollten Sie sich den Festplat-
ten zuwenden. Ist eine oder sind mehrere Festplatten in das System integriert? Welche
Daten befinden sich darauf?Müssen Backups erstellt werden? Soll neben Linux noch ein
weiteres Betriebssystem auf der Festplatte installiert werden? Und die wohl wichtigste
Frage ist: Wie soll die Partitionierung der einzelnen Platten gestaltet werden? Aber eins
nach dem anderen.
2.1 Die Anforderungen an Ihre Hardware
Wie wir bereits im vorherigen Kapitel erwähnt haben, können Sie Linux durchaus auf
älteren Systemen installieren. Welche Hardware Sie letztendlich benötigen, hängt aber
vor allem von den Anwendungen ab, die Sie benutzen wollen.
Für Netzwerk- oder Serverdienste sind auch kleine Rechner ausreichend, für 3-D-Spiele
und andere rechenintensive Aufgaben benötigen Sie aber eigentlich immer eine Hard-
wareausstattung, wie sie unter Windows für die gleiche Aufgabe notwendig wäre.
2.2 Hardwareunterstützung
Auf dem Zielsystem – so bezeichnen wir in diesem Buch den Rechner, auf dem eine
Installation erfolgen soll – muss natürlich die entsprechende Hardwarekompatibilität
gewährleistet sein. Dochwoher weißman, welche Hardware überhaupt unterstützt wird
und, wenn ja, wie gut?
Die Frage der Hardwareunterstützung ist vor allem dann relevant, wenn Sie sich neue
Komponenten anschaffen und diese auch unter Linux nutzen wollen.
In der Regel ist es so, dass ältere Hardware mit einer höheren Wahrscheinlichkeit als
neuere Hardware unterstützt wird. Das liegt daran, dass die Entwickler genug Zeit hat-
ten, einen entsprechenden Treibercode in den Kernel zu implementieren. Es vergehen
ca. drei bis sechsMonate vomErscheinen derHardware bis zur Unterstützung imKernel.
Nur selten geben die Hardwarehersteller die nötigen Informationen über ihre Produkte
frei – schließlich könnte ja die Konkurrenz davon profitieren. Bei der wachsenden Un-
terstützung für Linux kann man sich eine solche Haltung aber bald nicht mehr leisten,
da immer mehr Anwender eben schon vor dem Produktkauf auf Kompatibilität achten.
36
2
2.2 Hardwareunterstützung
2.2.1 Hardwarekompatibilitätslisten der Hersteller
Der Distributor Novell stellt auf http://en.opensuse.org/Hardware eine Datenbank bereit,
in der die Hardwarekomponenten verzeichnet sind, die mit dieser Distribution funk-
tionieren. Der Besucher kann mithilfe der Weboberfläche aus diversen Kategorien, wie
Firewire-Karten, Netzwerkkarten, Scanner, Chipsets, Drucker oderWireless-Geräten aus-
wählen und/oder nach Begriffen im Bereich Hersteller undModellbezeichnung suchen.
Red Hat bietet für sein Enterprise Linux ebenfalls einen ähnlichen Service an. Unter
https://access.redhat.com/ecosystem/ ist die aktuelle Hardwareunterstützungsliste (Cer-
tified Hardware) zu finden. Die gebotenen Suchmöglichkeiten sind ähnlich komfortabel
wie auf der oben genannten Hardwareseite von openSUSE.
Auch für die Ubuntu-Distribution sind entsprechende Informationen verfügbar – et-
wa unter http://wiki.ubuntuusers.de/Hardwaredatenbanken und für offiziell für Ubuntu
zertifizierte Hardware unter http://www.ubuntu.com/certification/.
Wenn diese Ressourcen immer noch unbefriedigende Ergebnisse liefern, hilft Ihnen auf
jeden Fall die Suchmaschine Ihrer Wahl weiter. Sicher hatte schon einmal irgendjemand
auf dieser Welt ein ähnliches Problem und hat sich darüber ausgelassen. Allerdings er-
fordert dieses Vorgehen durchaus Eigeninitiative – und wenn Ihnen das nicht passt,
schreiben Sie ruhig Ihrem Lieblingshardwarehersteller einen oder gern auch mehrere
Brandbriefe. Letztendlich liegt es nämlich nicht an den Leuten, die Linux aktiv weiter-
entwickeln, ob eine bestimmte Hardware unterstützt wird. In letzter Konsequenz ist
dafür immer noch der Hersteller verantwortlich.
2.2.2 X11 und Grafikkarten
Eine ganz spezielle Bemerkung bezüglich unterstützter Hardware sei hier denGrafikkar-
ten gewidmet. Wie in kaum einem anderen Segment der Hardwareentwicklung gilt hier
seit Jahren das Prinzip »höher, schneller, weiter«. Die neuesten Karten müssen ständig
noch höhere Auflösungen beim Arbeiten und eine noch bessere Performance bei 3-D-
Spielen liefern.
Wie schön, dass Linux es im Kontrast dazu erlaubt, ein System vollständig ohne Bild-
schirmausgabe in vollem Umfang zu nutzen – Linux selbst schert sich nämlich nur be-
grenzt um die Ausgabe. Sie kann natürlich wie gewohnt lokal auf einem an den Rechner
angeschlossenen Bildschirm oder auch auf einem Tausende Kilometer entfernten, über
das Internet mit diesem System verbundenen Rechner erfolgen.
Das impliziert natürlich, dass der Betriebssystemkern nur begrenzte Unterstützung für
Grafikkarten jenseits des guten alten Textmodus bietet, der den Veteranen unter den
37
2 Installationsvorbereitung
Lesern sicher noch aus der MS-DOS-Zeit bekannt ist. Aus diesem Grund ist die grafische
Oberfläche, auf die wir im übernächsten Kapitel noch intensiv eingehen werden, vom
Kernel getrennt.
NVIDIA, Intel und AMD bieten Kerneltreiber an, damit Sie deren High-End-Karten auch
unter Linux voll ausnutzen können. Distributionen wie Ubuntu unterstützen solche
Treiber entweder »outof thebox«oder erlaubendie Einbindungnacheinpaar einfachen
Mausklicks.
Die unter Linux und einigen UNIX- und BSD-Derivaten verwendete grafische Oberflä-
che ist das X-Window-System. Es wird oft einfach nur mit X oder X11R7 (X-Window-Sys-
tem Version 11, Release 7) bezeichnet. Die Grafikkartentreiber dieser Oberfläche sind in
der X.Org-Software selbst enthalten, die natürlich standardmäßig bei jeder Distribution
mitgeliefert wird. Den aktuellen Status der Treiberentwicklung können Sie auf der Seite
x.org nachlesen.
Notieren Sie sich gegebenenfalls den Chipsatz Ihrer Grafikkarte, den Sie auf den Web-
seiten des Herstellers finden sollten. Einige Grafikkarten sind zwar nicht in der Konfigu-
rationsauswahl aufgelistet, beinhalten aber den gleichen Chip wie bereits unterstützte
Karten. Ist das der Fall, kann die Karte in den meisten Fällen trotzdem verwendet wer-
den. Wenn dies nicht erfolgreich ist, bleiben Ihnen immer noch Kompatibilitätsmodi
wie beispielsweise VESA. So wird zwar nicht das gesamte Potenzial der Karte ausgereizt,
aber das System ist zumindest benutzbar.
2.2.3 Linux auf Laptops
Sofern Sie Linux auf einem Laptop betreiben möchten, sei Ihnen die Webseite
www.linux-on-laptops.comwärmstens empfohlen. Die von Kenneth E. Harker gestaltete
Seite enthält eine Liste nachHerstellern sortierter Laptops. Zu jedemdort eingetragenen
Objekt gibt es eine Informationsseite, auf der eventuell zu ladende Kernelmodule und
die (nicht) unterstützte Hardware aufgelistet sind. Ebenfalls auf dieser Seite zu finden ist
das Linux-HOWTO für mobile Computer. Mit etwas Glück stößt man für das eine oder
andere Modell auch auf eine komplette Installationsanleitung. Beachten Sie zudem,
dass insbesondere USB-Dockingstations oftmals Problememit Linux bereiten können.
2.2.4 Andere Geräte
Im Internet gibt es zahlreiche Informationsquellen, die sichmit der Hardwareunterstüt-
zung vomAmateurradiogerätbis hin zumWebcamdreher beschäftigen.Wirmöchten an
dieser Stelle auch auf die Hersteller verweisen, die sich seit einigen Jahren immer mehr
38
2
2.3 Festplatten und Partitionen
in Richtung Treiberentwicklung unter Linux bewegen und Ihnen oftmals schon auf den
Webseiten der Produkte die entsprechenden Informationen geben. Andernfalls hilft nur
Nachfragen weiter.
An dieser Stelle Hardwarelisten zu publizieren, würde nicht nur den Umfang des Buches
sprengen, sondern auch unmöglich sein, da nahezu täglich neue Treiber veröffentlicht
werden, sodass unsere Liste wohl noch vor dem Druck schon wieder veraltet wäre.
Fazit: Mit der Hardwareunterstützung unter Linux sieht es bei Weitem nicht mehr so
schlecht aus wie noch vor einigen Jahren. Wenn Komponenten unterstützt werden, lau-
fen diese meist ohne zusätzliche Handgriffe. Falls nicht, müssen Sie sich als Linux-An-
wender allerdings intensiver mit dem Thema »Kompatibilität« auseinandersetzen, als
Sie dies unter anderen Betriebssystemen tunmüssten.
2.3 Festplatten und Partitionen
Da eventuell der eine oder andere Leser ein kleines Problem mit der Unterscheidung
zwischen Festplatte und Partition hat, wollen wir zuerst auf die kleinen, aber feinen
Unterschiede hinweisen.
Eine Festplatte ist zuerst einmal nur das physikalische Gerät, das irgendwo im Inneren
Ihres Computers mit dem Rest der Technik verkabelt ist. Um eine Festplatte nutzen zu
können, muss sie partitioniert werden, sprich: Die Platte wird in kleinere Teile (Parti-
tionen) aufgeteilt. Jede dieser Partitionen wird dann beispielsweise unter Windows als
eigenes Laufwerk behandelt.
Damit ein Betriebssystem auf den Partitionen Daten speichern kann, muss es natürlich
eine gewisse Ordnung einhalten, um die gespeicherten Informationen später auch wie-
derzufinden. Eine solche Ordnung wird durch ein Dateisystem realisiert. Indem Sie eine
Partition entsprechend formatieren, versehen Sie sie mit dem jeweiligen Dateisystem.
Nun ist es aber so, dass Computer meist schon vorinstalliert verkauft werden. Es gibt
dann oft genau eine Partition, die genauso groß ist wie die Festplatte. Das macht in
fast allen Fällen ein Umpartitionieren der Festplatte erforderlich, wenn Linux installiert
werden soll. Dazu aber später mehr.
2.3.1 Funktionsweise unter Linux
Erst einmal zurück zur generellenUnterstützung von Festplatten durch Linux:Diemeis-
ten modernen Festplatten laufen unter Linux völlig problemlos, nur beim Kauf von
Controllern (insbesondere RAID-Controllern) sollten Sie sich vorher erkundigen, welche
39
2 Installationsvorbereitung
Hardware wie unterstützt wird. Auch hier hilft die Suchmaschine Ihrer Wahl, und auch
die Linux-Foren sind der richtige Ort für solche Fragen.
Um Ihre Festplatte richtig partitionieren zu können, müssen Sie zuerst verstehen, wie
Linux Ihre Festplatte(n) organisiert. DieseOrganisationwird sichgrundlegendvonallem
unterscheiden, was Sie bisher kennen – es sei denn, Sie hatten schon einmal mit einem
UNIX-ähnlichen Betriebssystem zu tun.
Das virtuelle Dateisystem
Linux ist es gleichgültig, wie viele Festplatten bzw. ob Sie überhaupt Festplatten haben
und wie diese partitioniert sind. Es ist Linux auch egal, ob Sie gerade Daten von einer
DVD oder von einem Verzeichnis eines anderen Rechners aus dem Internet lesen. Linux
organisiert seine Daten in einem großen »virtuellen Dateisystem«, demVFS (Virtual File
System).
Das VFS ist ein großer Verzeichnisbaum, in den alle vorhandenen Dateisysteme beim
Systemstart oder auch später zur Laufzeit eingebunden bzw. gemountet werden. Der
Begriff »mount« kommt aus dem Englischen und bedeutet eben das Einbinden eines
Dateisystems. Das Dateisystem – egal ob von einer Festplattenpartition, einer DVD oder
einem USB-Stick – wird während des Mountens unter ein bestimmtes Verzeichnis, den
sogenannten Mountpoint, gehängt. Nach dem Mounten ist das Dateisystem ganz nor-
mal unterhalb dieses Verzeichnisses zu erreichen.
Sofern Sie zuvor ein Dateisystem wie Microsofts NTFS oder das alte FAT32 in einer Win-
dowsumgebung gewohnt waren, wird es Ihnen vielleicht zu Anfang etwas schwerfallen,
die neue Verzeichnisorganisation zu verstehen. Jedoch legt sich dasmit der Zeit und bei
häufigerer Anwendung.
Unter Windows werden Laufwerke mit Buchstaben, etwa C oder D, bezeichnet, wobei
das Laufwerk C üblicherweise die Systempartition ist. Unter Linux sind alle Laufwerke
an Mountpoints (Einhängepunkten) im Root-Dateisystem, das mit »/« bezeichnet wird,
eingehängt. Der Pfad C:\Test\Datei.txt würde unter Linux daher /Test/Datei.txt heißen.
Würde die Datei hingegen auf einer in /media/cdrom gemounteten CD-ROM liegen, er-
gäbe sich der Pfad /media/cdrom/Test/Datei.txt – und nicht D:\Test\Datei.txt wie unter
Windows.
Festplatten, Partitionen und Devices
Eine Festplatte (wie auch jedes andere Gerät) wird unter Linux einemDevice zugeordnet.
Ein Device ist nichts anderes als eine Datei, die ein Gerät repräsentiert. Normale Fest-
platten werdenmit sdx bezeichnet, wobei x für einen Kleinbuchstaben beginnendmit a
(erste Festplatte), b (zweite Festplatte) etc. steht. Die einzelnen Partitionen werden über
40
2
2.3 Festplatten und Partitionen
Nummern angesprochen: sda1 (Platte 1, Partition 1), sdb2 (Platte 2, Partition 2). Hiermit
setzen wir uns aber noch genauer in Kapitel 13 auseinander.
Für die typische Partitionierung eines Desktopsystems gehen wir von einem Rechner
mit einer 500-GByte-Festplatte aus. Wie Sie sehen, ist die typische Aufteilung der Parti-
tionen recht einfach:
Partition Mountpoint Kapazität
sda1 / 80 GByte
sda2 Swap 2 GByte
sda7 /home restlicher Speicher (418 GByte)
Tabelle 2.1 Konfiguration eines Desktopsystemsmit einer 500-GByte-Festplatte
Sie können die Aufteilung sogar noch einfacher gestalten und eine riesige Partition »/«
erstellen, auf der sich das ganze System samt aller Nutzdaten befindet.
ImVerzeichnis /home sind inder Regel dieHeimatverzeichnisse der einzelnenBenutzer-
konten hinterlegt. Jeder Benutzer (in diesem Fall also auch Sie selbst) darf seine eigenen
Dateien persönlich an diesem Ort ablegen, daher die große Speichermenge in diesem
Verzeichnis.
Möchten Sie es sich allerdings ganz einfach machen und haben Sie – sagen wir mal –
mindestens 4 GByte RAM, könnten Sie auch auf die Swap-Partition verzichten. Außer-
dem könnten Sie das System auf einer einzigen Partition (/) installieren, auf der auch
die /home-Verzeichnisse liegen. Dies bringt Vorteile, aber auch Nachteile1 mit sich, und
außerdem können Sie sich ruhig der Herausforderung stellen, verschiedene Partitionen
undMountpoints anzulegen.
2.3.2 Die Partitionierung von Hand durchführen
Wenn Sie einmal eine Festplatte unter Linux partitionierenmöchten, weil Sie diese Fest-
platte nicht schon während der Linux-Installation partitioniert haben (alle modernen
Linux-Distributionen bieten Ihnen hierfür eine schöne Oberfläche), können Sie eine
Festplatte noch immer von Hand editieren.
1 Stellen Sie sich vor, Siemöchten eine andere Linux-Distribution ausprobieren, aber Ihre Benutzer-
dateien allesamt behalten. Dann ist es praktisch, wenn / und /home unterschiedliche Partitionen
sind – man braucht lediglich / zu formatieren und muss /home nach der Installation nur wieder
korrekt einhängen.
41
2 Installationsvorbereitung
fdisk
Zur Partitionierung verwendet man entweder das Programm fdisk oder die komforta-
blere Variante cfdisk, die wir anschließend besprechen werden. Geben Sie einmal spa-
ßeshalber diesen Programmnamen ein und bestätigen Sie mit (¢). Das Ergebnis ist ein
Fehler – Sie haben keine Festplatte angegeben – sowie eine Anleitung zur Nutzung des
Programms. Keine Angst, noch ist nichts kaputt.
Einem Programm können – wie auch unter anderen Betriebssystemen wie MS-DOS –
Parameter undArgumentemit auf denWeg gegebenwerden. In diesemBuchverwenden
wir die beiden Begriffe der Einfachheit halber synonym. Im Fall von fdisk müssen wir
die zu partitionierende Festplatte in Form eines Dateinamens (in diesem Fall /dev/sda,
die erste Festplatte) übergeben:
# fdisk /dev/sda
Command (m for help):
Listing 2.1 Aufruf von fdisk
Es erscheint nun die Aufforderung zur Eingabe eines fdisk-Befehls, wobei dieser aus
einemeinzigenBuchstabenbesteht. Eine Liste der verfügbarenKommandos bekommen
Sie durch Eingabe von m.
Eine Partition löschen
Falls Ihre Festplatte bereits partitioniert ist (zum Beispiel mit einer Windows-Partition)
und diese gelöscht werden soll, um Speicher zu schaffen, sollten Sie den Buchstaben d
eingeben.
Anschließend wird Ihnen die Frage nach der zu löschenden Partitionsnummer gestellt.
Die Partitionsnummer der Zielpartition erhält man, indem man im Kommandomenü
print the partition table (p) auswählt und die Partitionsliste von oben abzählt.
Eine Partition erstellen
Eine neue Partition wird via n erstellt, wobei zunächst angegeben werden muss, ob es
sich um eine logische oder um eine primäre Partition handelt. Anschließend sind die
Größe und der Typ der Partition festzulegen. Beide Informationen sind weiter unten
beschrieben.
Der Partitionstyp
Der Partitionstyp wird durch eine ID bestimmt. Jede ID ist einem Dateisystem zugeord-
net und entweder direkt in der Eingabehilfe von fdisk für Partitionstypenoder inKapitel
6 dieses Buches zu finden. Die Eingabehilfe bekommen Sie, indem Sie sich die Liste der
möglichen IDs anzeigen lassen, was Sie mit dem l-Kommando bewerkstelligen. In der
42
2
2.3 Festplatten und Partitionen
Regel sollten eine Linux-Partition (ID 83h) sowie eine Swap-Partition (ID 82h) erstellt
werden.
Bootflag setzen
DasBootflagwird fürdie zubootendePartitiongesetzt.MöchtenSie vielleicht lieber eine
Windows-Partition booten? Dann setzen Sie mit a die aktive Partition auf die Nummer
jener Partition. Linux ist dieses Flag nämlich egal, da man es – wie Sie später sehen
werden – problemlos über einen Bootmanager booten kann.
Die Partitionstabelle betrachten
Wenn Sie p im Kommandomenü eingeben, erhalten Sie eine Liste der Partitionen Ihrer
Festplatte wie die in Listing 2.2:
Device Boot Start End Blocks Id System/dev/sda1 * 1 535 4044568+ 83 Linux native/dev/sda2 536 559 181440 82 Linux swap
Listing 2.2 Die Beispielpartitionstabelle
Die erste Spalte gibt die Gerätebezeichnungen für die Partitionen der Platte an. Die zwei-
te Spalte enthält das eventuell vorhandene Bootflag.
Da eine Festplatte in Zylinder aufgeteilt ist (diese hier verfügt über 559 Zylinder), werden
die Partitionen durch diese abgegrenzt. Start und End geben jeweils den Anfangs- und
Endzylinder einer Partition an.
Die Blocks-Spalte zeigt die Größe der Festplatte in Blockeinheiten, Id gibt den Partitions-
typ und System die Bezeichnung des Partitionstyps an.
Speichern der Konfiguration
Die Konfiguration wird mittels der Taste w in die Partitionstabelle geschrieben, und mit
qwird fdisk beendet.
2.3.3 Das Tool cfdisk
Ist Ihnen fdisk zu kryptisch? Kein Problem. Das Programm cfdisk bietet eine konsolen-
basierte grafische Oberfläche und ist mit den Cursortasten bedienbar – wobei (¼) und
(½) zur Auswahl der Partition und (æ) und (Æ) zur Auswahl der Menüoption dienen.
Die Bedienung ist selbsterklärend und einfacher als bei fdisk. Darüber hinaus wird die
Nutzung durch bestimmte Details vereinfacht. So wird zum Beispiel die Größe der Par-
titionen inMegabyte dargestellt.
43
2 Installationsvorbereitung
Abbildung 2.1 cfdisk
2.3.4 Vorinstallierte Systeme
Was tun Sie, wenn schon ein anderes System installiert ist? Es kommt sehr oft vor, dass
Anwender Linux parallel zu einem anderen System auf einem Einzelrechner installieren
möchten. Das setzt voraus, dass Linux und das andere System auf getrennten Partitio-
nen installiert werden.
Linux muss dabei nicht auf der gleichen Festplatte installiert werden wie das andere
System – es kann auch auf einer zweiten Festplatte abgelegt werden.
Dochwoher soll der Computer wissen, welches Betriebssystem er wann booten soll? Um
diese Problematik zu lösen, muss man einen Bootmanager verwenden, der Sie auswäh-
len lässt, welches System gebootet werden soll. Linux-Distributionen bringen bereits
einen Bootloader mit, den Sie schon während der Installation konfigurieren können.
2.3.5 Windows und Linux
Falls bereits Windows auf Ihrem Rechner installiert ist und Linux trotzdem auf dersel-
ben Festplatte installiert werden soll wie das Windows-System, gibt es mindestens vier
Möglichkeiten:
44
2
2.4 Installationsmedien
E Sie löschen die Windows-Installation und partitionieren die Festplatte erneut. Dann
werden zunächst Windows und anschließend Linux mit einem Bootmanager (etwa
GRUB) auf der Platte installiert.
E Mit einigen Programmen lassen sichWindows-Partitionen verkleinern. Sowird Platz
für eine zweite Partition geschaffen, auf der sich dann Linux installieren lässt.
E Bei einigen Windows-Versionen lassen sich übrigens die Partitionen direkt von der
Systemsteuerung aus verkleinern. Den freien Platz können Sie dann während der
Linux-Installation wieder füllen, indem Sie neue Partitionen anlegen.
E Sie entscheiden sich letztendlich gegen die Installation auf derselben Festplatte und
besorgen sich eine Zusatzplatte, auf der Linux gespeichert werden kann.
2.3.6 Erstellen eines Backups
Wenn Sie eine Festplatte neu partitionieren, sollten Sie vorher immer ein Backup aller
wichtigenDatenmachen.Wennalles gut geht, erzielenSie zwardas gewünschte Ergebnis
auch so, aber sicher ist sicher.
Ist die Festplatte schon partitioniert und damit eine Linux-Partition vorhanden, könnte
trotzdem etwas bei der Installation schiefgehen. Es soll schon oft vorgekommen sein,
dass bei der Auswahl für das Ziel der Installation die falsche Platte angegeben wurde.
Daher gilt auch in diesem Fall: Sichern Sie zumindest die wichtigsten Daten.
2.4 Installationsmedien
Linux können Sie je nach Distribution auf verschiedenen Wegen installieren. Hierzu
zählt zum Beispiel die Installation von CD oder DVD, aber auch die Installation über
das Netzwerk. So kann je nach verwendeter Distribution beispielsweise eine Installation
über FTP oder über das Network Filesystem (NFS) vorgenommen werden.
Ebenfalls im Bereich des Möglichen ist die Installation von einer anderen Festplatte,
einem USB-Stick oder teilweise sogar von einer Diskette2.
Wie Sie von dermitgelieferten Buch-DVD installieren, verrät Ihnen das nächste Kapitel.
2 Diese Möglichkeit war früher verbreitet, wobei allerdings Dutzende Disketten benötigt wurden,
um eine Distribution vollständig zu installieren. Heutzutage finden Sie nur noch bei sehr exoti-
schen Distributionen, etwa Monkey-Linux, eine Diskettenversion vor.
45
2 Installationsvorbereitung
2.5 Zusammenfassung
Bei der Neuanschaffung eines Computers sollten Sie darauf achten, Hardwarekompo-
nenten auszuwählen, die von Linux unterstützt werden. Bei einer Testinstallation auf
einem bestehenden Rechner ist dies nicht so notwendig, da meistens alle wichtigen
Komponenten unterstützt werden.
Weiterhin ist es wichtig, sich zu überlegen, ob und wie Sie Linux installieren möchten.
Insbesondere müssen Sie hierbei entscheiden, auf welche Festplatte oder Partition ein
Linux-Systemplatziert werden soll. Sind bereits andere Betriebssysteme (etwaWindows)
auf einem Rechner vorhanden, hilft oftmals nur der Kauf einer zweiten Festplatte oder
eine Neuinstallation desWindows-Systemsmit einer Partitionierung, die auch eine Par-
tition für Linux bereitstellt.
46
3
Kapitel 3
Linux-Installation
»Falls Sie weder ein Systemmit einem bootfähigen CD-ROM-Laufwerk
noch die Möglichkeit haben, von einer anderen Festplatte aus zu installieren,
werden Sie ziemlich sicher Bootdisketten verwendenwollen.«
– Die Autoren des vorliegenden Buches in der ersten Auflage (2004)
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der eigentlichen Linux-Installation, genauer gesagt
mit der Konfiguration der Festplatten, der Installation der Software und der Konfigurati-
on des Bootloaders unter verschiedenen Distributionen. Wir orientieren uns in diesem
Kapitel an den Distributionen, die auf der Buch-DVD enthalten sind: Ubuntu 16.04 LTS,
openSUSE 42.1 Leap und Fedora 23.
Der normaleWeg, Linux zu installieren, beginnt damit, eine CD oder DVD der jeweiligen
Distribution (bzw. die Buch-DVD) in denRechner zu legenundvondieser zubooten. (Das
heißt: Lassen Sie die CD/DVD im Laufwerk und starten Sie den Computer neu, sodass er
beim Hochfahren nicht das eigentlich installierte Betriebssystem startet, sondern ein
Startprogramm zur Installation von der CD/DVD lädt.)
Wenn die Installations-CD/-DVD nicht startet
Funktioniert das Booten von CD/DVD nicht, müssen Sie die Bootreihenfolge in Ihrem
BIOS anpassen. Das BIOS ist das Programm, das direkt nach dem Start des Computers
ausgeführt wird. Sie gelangen meist über Tasten wie (F2), (Esc) oder (Entf) in Ihr BIOS.
Wie die Bootreihenfolge der Laufwerke in speziell Ihrem BIOS umgestellt wird, erfahren
Sie in der Bedienungsanleitung Ihres Computers bzw. Mainboards. Mit etwas Ausdauer
und Kenntnis der englischen Sprache dürfte es Ihnen aber auch ohne Hilfe gelingen.
Die Veränderung der BIOS-Einstellung lässt sich jederzeit rückgängig machen. Zudem
wird Ihr installiertes Betriebssystem automatisch gestartet, wenn keine bootbare DVD
im Laufwerk liegt.
47
3 Linux-Installation
Was für einen Computer benötige ich, damit Linux läuft?
Für eine aktuelle Linux-Arbeitsumgebung mit Unity-, GNOME- oder KDE-Desktop soll-
ten Siemindestens einenComputermit 2GByte RAMund 15GByte Platz für eine Festplat-
tenpartition haben. Ein alter Prozessor mit 2 GHz sollte für das Allernötigste genügen.
Wir empfehlen Ihnen aus Erfahrung mindestens 4 GByte RAM, eine 80 GByte große
Festplatte sowie einen Multicore-Prozessor. Ansonsten macht das Arbeiten mit Linux
nur begrenzt Spaß.Wie bei jedem anderenmodernen Betriebssystem gilt also auch hier:
Je mehr Rechenleistung und Speicherplatz vorhanden sind, desto besser.
Beginnen werden wir in diesem Kapitel mit der Installation von Ubuntu, gefolgt von
openSUSE und Fedora. Da die Installation von Ubuntu am ausführlichsten beschrie-
ben ist (schließlich erklären wir hier viele erstmals auftauchende Fragen), sollten Sie
zunächst diesen Abschnitt studieren.
3.1 Installation von Ubuntu 16.04 LTS
Legen Sie die Buch-DVD in Ihr Laufwerk und geben Sie nachdemStart denBefehl »ubun-
tu« ein, umUbuntu auszuprobieren. NachdemStart der DVD können Sie entweder nach
Belieben mit dem von der DVD gestarteten Ubuntu-System spielen und seine Funktio-
nen ausprobieren oder die Installation starten. Wählen Sie als Menüsprache beim Start
Deutsch (German) und anschließend Ubuntu installieren.
Nach demStart des Installationsprogramms erscheint erneut einMenü zur Auswahl der
Installationssprache. Im Folgenden gehen wir davon aus, dass Sie als Installationsspra-
che Deutsch angeklickt haben. Die Ubuntu-Installation überprüft nun, ob Ihr Rechner
die notwendigen Mindestanforderungen (Festplattenspeicher etc.) für Ubuntu bereit-
stellen kann. Im Normalfall müssen Sie an dieser Stelle aufWeiter klicken. Wir empfeh-
len Ihnen zudem, die Häkchen bei Herunterladen der Aktualisierungen (falls der
Rechner mit dem Internet verbunden ist) und Installation von Drittanbieter-Soft-
ware für Grafik- undWLAN-Geräte, Flash, MP3 und andere Medien zu setzen.
3.1.1 Partitionierung der Festplatte
Das Partitionierungsprogramm teilt Ihnenmit, ob bereits ein Betriebssystem auf Ihrem
Rechner installiert ist. Ist dies der Fall, müssen Sie, wie in Kapitel 2 besprochen, die Ent-
scheidung treffen, ob Sie an einer Stelle der Festplatte (oder auf einer zweiten Festplatte)
Ihr zukünftiges Linux-System installieren möchten oder nicht. Alternativ können Sie
auch, um Platz für Ubuntu zu schaffen, das bestehende System mit all seinen Daten lö-
48
3
3.1 Installation von Ubuntu 16.04 LTS
schen, was sich allerdings nicht rückgängig machen lässt. Wir gehen im Folgenden von
einer Installation ohne vorhandenes Betriebssystem aus.
Computereinsteigern empfehlen wir, die gesamte Platte für die Installation zu verwen-
den (Menüpunkt Festplatte löschen und Ubuntu installieren). Das Setup-Pro-
gramm wird für Sie automatisch Dateisystemtypen auswählen und ihre Partitionen
formatieren, es stellt keine komplizierten Fragen. Der Nachteil dieser Methode ist die
geringe Einflussmöglichkeit auf Partitionsgrößen (etwa auf die Größe der Auslage-
rungspartition) und, dass alle bisher vorhandenen Daten auf der Festplatte gelöscht
werden. Um die Sicherheit Ihres Ubuntu-Systems zu steigern, empfiehlt es sich, die
Verschlüsselung der Installation zu aktivieren.
Wenn Sie sich sicher sind, dass keine Daten überschrieben werden, klicken Sie auf Jetzt
installieren.
3.1.2 Zeitzone und Tastaturlayout festlegen
Während der Installation der Pakete können Sie die Zeitzone auswählen, in der sich
Ihr Computer standardmäßig befindet. Im Normalfall wird Berlin ausgewählt sein. Im
nächsten Schritt muss die Tastaturbelegung festgelegt werden. Wählen Sie in der linken
TabelleDeutsch und in der rechten ebenfalls Deutsch aus.
3.1.3 Anlegen eines Benutzers
Der folgende Schritt hat das Anlegen eines Benutzers zum Ziel (siehe Abbildung 3.1). Der
Name Ihres Rechners ist für denAnfang nicht so sehr vonBedeutung, und daher können
Sie ruhig den vom Setup vorgeschlagenen Rechnernamen verwenden. Aus Sicherheits-
gründen empfiehlt es sich, kein automatisches Login zu verwenden. Wenn Sie keinen
allzu langsamen Computer besitzen, sollten Sie auch Ihr Heimverzeichnis verschlüsseln
lassen (letzter Auswahlpunkt).
MerkenSie sich auf jedenFall dengewähltenBenutzernamenunddas gewähltePasswort.
Ohne diese können Sie nach der Installation nur über technische Tricks wieder Zugriff
auf Ihr System erlangen!
3.1.4 Systeminstallation
Das Setup-Programminstalliert nun das Basissystemmit grafischerOberflächeund eine
Arbeitsumgebung mit Officeumgebung, E-Mail-Programm, Webbrowser und Co. und
zeigt – besonders für Einsteiger – wichtige und interessante Informationen über Ihr zu-
49
3 Linux-Installation
künftiges Linux-System an. Sollten Sie über eine aktive Internetverbindung verfügen,
wird Ihr Linux-System nochmit aktuellen Paketdaten und erweiterter Sprachunterstüt-
zung versorgt, was bei einer langsamen Internetverbindung eine Weile dauern kann.
Abbildung 3.1 Ubuntu-Installation: Anlegen eines Benutzers
3.1.5 Fertigstellung
Nach der Installation müssen Sie Ihren Computer nur noch neu starten. Entfernen Sie
nun kurz nach dem Systemstart die Ubuntu-CD/-DVD wieder aus Ihrem Laufwerk, um
die Installation nicht erneut zu starten.
Ihr Computer startet nun Ubuntu-Linux. Loggen Sie sich mit dem bei der Installation
vergebenen Benutzernamen und dem entsprechenden Passwort ein, und haben Sie viel
Freudemit Ihrem neuen Linux-Rechner. Herzlichen Glückwunsch!
3.2 Installation von openSUSE 42.1 Leap
Wie bei Ubuntu gestaltet sich auch die Installation von openSUSE sehr einfach. Geben
Sie den Befehl »opensuse« im Menü der Multiboot-DVD ein und wählen Sie dann den
Menüpunkt Installation, nachdem das Startmenü geladen wurde.
50
3
3.2 Installation von openSUSE 42.1 Leap
3.2.1 Erste Schritte
Nachdemdie Installations-CD gebootet hat, wird zunächst die Sprache (Language) aus-
gewählt, bei der Sie German – Deutsch wählen sollten. Auch das Tastaturlayout sollte
aufDeutsch geändert werden. Klicken Sie zum Fortfahren aufWeiter.
Im nächsten Schritt sind die Installationsoptionen zu wählen. Wenn Ihr Rechner mit
dem Internet verbunden ist, sollten Sie Vor Installation Online-Repositories hin-
zufügen anklicken. Die Zusatzprodukte aus separatenMedienwerden bei einer ers-
ten Installation sicherlich nicht vorliegen und müssen daher nicht ausgewählt werden.
Klicken Sie anschließend aufWeiter.
3.2.2 Partitionierung
Je nachdem, wie gut Sie sich mit der Partitionierung von Festplatten auskennen, kann
diese entweder manuell oder automatisch vorgenommen werden. openSUSE schlägt
Ihnen zunächst automatisch eine Partitionierungsmöglichkeit vor, die Sie entweder
akzeptieren oder abwandeln können. Das Setup-Programm wählt für Sie außerdem
ganz automatisch den Typ des Dateisystems und die Größe der Auslagerungspartiti-
on (Swap-Partition). Sie können auch einen ganz eigenen Partitionsaufbau definieren,
etwa um openSUSE auf einer zweiten Festplatte zu installieren und ein bestehendes
Windows-System nicht zu löschen. Sofern openSUSE das einzige Betriebssystem auf Ih-
rem Rechner sein soll und die bisherigen Daten der Festplatte überschrieben werden
können, klicken Sie einfach aufWeiter.
3.2.3 Uhr und Zeitzone
Es folgt die Auswahl Ihrer Zeitzone, die allerWahrscheinlichkeit nach Europa/Deutsch-
land ist. Sollte das angezeigte Datum oder die angezeigte Uhrzeit nicht stimmen, kön-
nen Sie das jetzt ändern.
3.2.4 Repository-Auswahl
Im nächsten Schritt müssen Sie festlegen, welche Quellen für Softwarepakete verwen-
det werden sollen (sogenannte Repositories). Relevant sind für Einsteiger nur die ersten
vier Repositories:Haupt-Repository (NON-OSS),Hauptaktualisierungs-Repository,
Haupt-Repository (OSS) und Aktualisierungs-Repository (NON-OSS). Ein Klick auf
das jeweilige Repository zeigt Ihnenweiter unten im Fenster eine kurze Beschreibung an
(allerdings in Englisch). Die Abkürzungen OSS und NON-OSS stehen dafür, dass es sich
um quelloffene Software (Open Source Software) bzw. proprietäre Software handelt. Im
51
3 Linux-Installation
Anschluss sollten Sie sich die eingeblendeten Lizenzvereinbarungen durchlesen und im
Fall Ihrer Zustimmung bestätigen.
3.2.5 Auswahl des Desktops
openSUSE lässt Ihnen anschließend die Wahl zwischen verschiedenen Desktopumge-
bungen. Die populärsten Umgebungen sind GNOME und KDE. Wir empfehlen Ihnen,
einen dieser beiden Desktops zu wählen, da sie optimal in openSUSE integriert sind. Im
nächsten Kapitel besprechen wir beide Umgebungen.
3.2.6 Anlegen eines Benutzers
Beim Anlegen eines Benutzers sind schlicht die vorgegebenen Felder auszufüllen. Es
empfiehlt sich, das gewählte Passwort auch für den Administratoraccount zu verwen-
den, um leicht administrative Aufgaben durchführen zu können. Auch das Empfangen
von Systemmails ist sinnvoll. Eine automatische Anmeldung am Linux-Rechner ist hin-
gegen aus Sicherheitsgründen zu vermeiden. Die Standardmethode zur Passwortspei-
cherung über eine passwd-Datei und der Standardalgorithmus (SHA-512) sind unter den
gebotenen Optionen die richtige Wahl.
Abbildung 3.2 openSUSE-Installation: Anlegen eines Benutzers
52
3
3.3 Installation von Fedora 23.0 (Live-Install)
3.2.7 Systeminstallation
Im nächsten Schritt werden alle von Ihnen gewünschten Änderungen und Konfigura-
tionen nochmals angezeigt. Nach einer Bestätigung beginnt die eigentliche Installation
von openSUSE. Dabei wird Ihre Festplatte formatiert. Danach wird das openSUSE-Basis-
system auf Ihren Rechner kopiert.
3.2.8 Fertigstellung
Nach Abschluss der Systeminstallation müssen Sie Ihren Rechner nur noch neu starten.
Entfernen Sie nach dem Herunterfahren die openSUSE-DVD aus dem Laufwerk. Was im
Anschluss folgt, ist der automatische Konfigurationsprozess von openSUSE. Danach ist
Ihr neues Linux-System betriebsbereit.
3.3 Installation von Fedora 23.0 (Live-Install)
Legen Sie die Multiboot-DVD in Ihr Laufwerk und starten Sie den Computer neu, um
das Installationssystem zu booten. Geben Sie den Befehl »fedora« ein, drücken Sie beim
folgenden Bildschirm die (Ð)-Taste und wählen Sie dann denMenüpunkt Install to
Hard Drive aus.
3.3.1 Erste Schritte
Wählen Sie zunächst die Tastaturbelegung (Deutsch/German) aus. Anschließend kön-
nen Sie optionale Einstellungen anDatumundUhrzeit (die Zeitzone ist Europe/Berlin)
sowie an der Tastatur (Deutsch (ohne Akzenttasten)) vornehmen. Im Regelfall wer-
den diese Einstellungen über eine bestehende Netzwerkverbindung erkannt. Das gilt
auch für den Menüpunkt Netzwerk-Konfiguration, der im LAN-Betrieb automatisch
erkannt werden kann. Sie können diese Einstellungen nach Bedarf anpassen.
Klicken Sie anschließend auf den Menüpunkt Installationsziel. In diesem Schritt
muss die Festplatte ausgewählt werden, auf der Ihr Fedora-System installiert werden
soll. Klicken Sie auf die gewünschte Festplatte (es muss ein kleines Häkchen bei der
Festplatte erscheinen). Optional könnten Sie zur Erhöhung der Sicherheit ein Häkchen
beiMeine Daten verschlüsseln setzen. Anschließend klicken Sie auf Fertig.
Nun können Sie Details zur Partitionierung festlegen. Gegebenenfalls müssen Sie Spei-
cher auf der Festplatte freigeben (klicken Sie in diesem Fall auf Speicherplatz fest-
legen). Im Folgeschritt können Sie gemäß Kapitel 2 vorgehen und im einfachsten Fall
53
3 Linux-Installation
Alles löschen und anschließend Speicherplatz freigeben anklicken, womit die ge-
samte Festplatte für Fedora verwendet wird. Klicken Sie nun auf Installation starten.
3.3.2 Abschließen der Installation
ImnächstenSchrittmuss einAdministratorpasswort vergebenwerden (Root-Passwort
anklicken, zweimal Passwort eingeben, auf Fertig klicken). Danach benötigen Sie noch
den Benutzer, mit dem Sie auf Ihrem neuen System arbeiten möchten. Klicken Sie hier-
zu auf Benutzer einrichten. Die erweiterten Einstellungen sind fürs Erste nicht von
Bedeutung. Klicken Sie anschließend wieder auf Fertig.
Jetzt müssen Sie nur noch auf die Fertigstellung des Kopiervorgangs warten, den Sie
unten im Bild angezeigt bekommen. Anschließend startet Ihr System neu (wenn nicht,
klicken Sie auf den Fertig-Button rechts unten).
3.4 Linux starten
Nach der Installation sollte Ihr Linux-System automatisch beim Hochfahren des Rech-
ners starten. Falls Sie mehrere Betriebssysteme installiert haben, müssen Sie das Li-
nux-System noch in dem Bootmanager auswählen, der nach der BIOS-Initialisierung
angezeigt wird. Loggen Sie sich, falls Sie keinen automatischen Login bei der Installati-
on konfiguriert haben (was bei einigen Distributionen möglich ist), mit dem gewählten
Benutzernamen und dem entsprechenden Passwort ein. Es erscheint daraufhin die gra-
fische Oberfläche. Wie diese grafische Oberfläche aufgebaut ist, wie sie funktioniert und
welche verschiedenen Desktopoberflächen es gibt, erfahren Sie im nächsten Kapitel.
3.5 Zusammenfassung
Wie Sie vielleicht gemerkt haben, unterscheiden sich die vorgestellten Distributionen
nur unwesentlich, was den Ablauf der Installation angeht. Dies liegt daran, dass wir für
Sie besonders einsteigerfreundliche Distributionen gewählt haben, die keine umfassen-
den technischen Kenntnisse verlangen. Trauen Sie sich ruhig, die verschiedenen Dis-
tributionen auszuprobieren. Dieses Ausprobieren sollte natürlich nicht mit der Instal-
lation enden – Sie können ruhig einmal etwas mit dem System spielen. Bei geeigneter
Partitionierung (zum Beispiel wenn /home auf einer eigenen Partition liegt) können Sie
durchaus, ohne Daten oder eigene Konfigurationen zu verlieren, mal eine neue Distri-
bution testen.
54
4
Kapitel 4
Der Linux-Desktop
»Wissen bedeutet, durch die Oberfläche zu denWurzeln
und damit zu den Ursachen vorzudringen.«
– Erich Fromm
In diesemKapitelwerdenwir unsmit demDesktopunter Linuxbeschäftigen. Gerüchten
zufolge ist Linux zwar als Serverbetriebssystem tauglich bis unschlagbar, als Desktop je-
doch noch nicht unbedingt »ausgereift« genug. Dass das definitiv nicht stimmt, werden
wir Ihnen im Folgenden zeigen.
4.1 X11 – die grafische Oberfläche
Das X-Window-System Version 11 ist der zentrale Bestandteil des Desktops unter Linux.
In puncto Ausgereiftheit ist X11 (oder kurz, »X«) über jeden Zweifel erhaben, wie auch ein
Blick in seine Geschichte zeigt.
4.1.1 Geschichte von X11
Das Massachusetts Institute of Technology (MIT) entwickelte Mitte der 80er-Jahre das
X-Window-System. Aus der Idee, eine netzwerktransparente grafische Oberfläche zu er-
stellen, wurde 1986 schließlich der Standard X10R4 (X-Window-System Version 10, Re-
lease 4).
Das vomMIT ins Leben gerufeneXConsortium befasste sich in den darauffolgenden Jah-
ren mit der Weiterentwicklung des Systems. So wurden ab September 1987, beginnend
mit X11R1 bis zu X11R5 (1991), im Jahresrhythmus jeweils neue Versionen veröffentlicht.
1992 entschlossman sich zur Gründung derXConsortium, Inc.Das Konsortiumwar eine
Non-Profit-Organisation mit dem Ziel, die Weiterentwicklung des X-Window-Systems
voranzutreiben. Aus ihren Entwicklungen entstand die Version X11R6, die zum Teil noch
bis heute Verwendung findet. Am 31. Dezember 1996 übertrug das X Consortium die
55
4 Der Linux-Desktop
Rechte an X an die Open Software Foundation, und 2005 wurde schließlich die Version
X11R7 veröffentlicht, die nach wie vor weiterentwickelt wird.
Aus der Open Software Foundation ging das XFree86-Projekt hervor. Dort wurde zwar
vor allem an der Entwicklung eines X-Window-Systems auf Intel-Plattformen gearbeitet,
doch aufgrund seines modularen Designs ist X11 mittlerweile in sehr vielen Umgebun-
gen verfügbar, sogar unter Mac OS X.
Doch auch inderOpen-Source-Welt gibt esmanchmal Stress, und sowurde am22. Januar
2004 wegen Differenzen um eine Lizenzänderung beim XFree-Projekt das X.org-Projekt
gegründet, das sich seitdemmit der Weiterentwicklung des X11-Codes befasst.
Die herausragende Eigenschaft des X11-Standards ist sicherlich dieNetzwerktransparenz,
die es bei Windows und auch anderen Systemen zumindest »out of the box« so über
lange Zeit nicht gab. Sie können unter X11 nämlich ein grafisches Programm auf einem
Rechner starten, das Fenster aber auf einem anderen Rechner im Netzwerk sehen und
damit arbeiten.
4.1.2 Funktionsweise
DieseNetzwerktransparenz wird dadurch erreicht, dass dasX-Protokoll den hardwareab-
hängigen Teil vom hardwareunabhängigen trennt (siehe Abbildung 4.1).
hardwareunabhängig
hardwareabhängig
X Client
Toolkit
X Lib
X Server
Grafikkarte
Abbildung 4.1 Das X-Window-System
Die Anwendung selbst ist der XClient, der eventuell über den Umweg eines Toolkits auf
die XLib zugreift. Mithilfe dieser Bibliothek kann dann der XClient über das asynchrone
X-Protokoll mit dem XServer kommunizieren. Erst der XServer »zeichnet« das Fenster
56
4
4.1 X11 – die grafische Oberfläche
und kümmert sich um die Behandlung von Eingaben von Maus oder Tastatur. Die Ein-
gaben werden dann zur Verarbeitung zum Client geschickt.
Dieses Design hat natürlichmehrere Vorteile:
E Alle Anwendungen sind automatisch netzwerktransparent, ohne dass Benutzer oder
Entwickler etwas beachtenmüssen.
E XServer sind sehr portabel (es gibt z.B. auch XServer für Mac OS X). Für unterschied-
liche Hardware kann es jeweils verschiedene XServer geben, was die dezentrale Ent-
wicklung in der Open-Source-Community unterstützt.1
E XClients sind sehr portabel.
E Wegen des asynchronen Protokolls ist die Performance gut.
Aufgrund dieses durchdachten Designs bringt X11 bereits die wesentlichen Features
einesTerminalserversmit.DieAnwendungenkönnten zentral installiert, ausgeführt und
auch gewartet werden, während die Darstellung beim Anwender lokal auf dem Arbeits-
platz bzw. demX-Terminal2 erfolgt.
In Kapitel 9, »Die Shell«, finden Sie ein Beispiel, wie Siemithilfe der Umgebungsvariable
DISPLAY die Ausgabe eines XClients auf einen XServer umleiten können, der auf einem
anderen Rechner läuft.
4.1.3 X.org
Beim X-Window-System handelt es sich also in erster Linie um ein Protokoll, das zurzeit
in der Version 11, Release 7.x, vorliegt. Daher sagt man oft auch X11R7 oder einfach nur
X11. Nun braucht man natürlich noch eine möglichst freie Software, die dieses Protokoll
implementiert.
Dieser Aufgabe hat sich das X.org-Projekt angenommen. Im X11-Code werden also zum
Beispiel dieGrafiktreiber realisiert. Schließlichwärendiese imLinux-Kernel fehl amPlat-
ze, da er sich überhaupt nicht um die Darstellung von was auch immer kümmert. Auch
wenn spezielle Firmenwie AMD eigene Kernelmodule für beschleunigte 3-D-Leistungen
bereitstellen, wird diese Schnittstelle nur gebraucht, damit dann die Grafiktreiber für X11
auch auf die erweiterten Befehle des Grafikchips zugreifen können.
1 Es kann auchmehrere unterschiedliche XServer für dieselbe Hardware geben – beispielsweise
wenn der Hersteller nur einen Closed-Source-Treiber veröffentlicht und die Community parallel
einen eigenen Treiber entwickelt.
2 Ein X-Terminal ist ein Rechner, auf dem nur ein XServer läuft, um entsprechend entfernte XClients
darzustellen.
57
4 Der Linux-Desktop
4.1.4 Window-Manager
Im letzten Abschnitt haben wir uns ausführlich mit den Grundlagen von X11 sowie den
XClients und XServern befasst. Der XServer ist für die lokale Hardwareverwaltung sowie
für die Darstellung zuständig. Grafische Anwendungen, die XClients, sind unabhängig
vom XServer und der Darstellung selbst.
In diesemmodularen Konzept fehlt noch ein wichtiger Baustein – derWindow-Manager.
Ein Window-Manager tut genau das, was der Name sagt: Er verwaltet »Fenster«. Der
Inhalt eines Fensters ist die Darstellung eines XClients, aber alles rund um den Rahmen
eines Fensters verwaltet der Window-Manager (siehe Abbildung 4.2).
Abbildung 4.2 Darstellung eines XClients in einemWindow-Manager
Window-Manager sind nach den austauschbaren XServern ein weiteres Beispiel für Mo-
dularität. Es gibt viele verschiedene Window-Manager, denn eine gute Lösung muss
nicht unbedingt immer für jeden die beste Lösung sein.
Aufgaben
Mit dem Window-Manager wird das Verhalten des Fensters und dessen Position von
der Anwendung abstrahiert. Genau genommen übernimmt einWindow-Manager unter
anderem folgende Aufgaben:
E Eingabefokus
DerWindow-Manager verwaltet den Eingabefokus so, dass beispielsweise nur das im
Moment aktive Fenster die Tastatureingaben bekommt. Zudem wird sichergestellt,
dass der Benutzer irgendwie (meistens mit der Maus) zwischen den Fenstern wech-
seln kann.
58
4
4.1 X11 – die grafische Oberfläche
E Fensterrahmen
Der Window-Manager zeichnet darüber hinaus Rahmen um die Fenster.
E Verwaltung der Eingabeevents
Der Window-Manager verwaltet natürlich nicht nur den Eingabefokus, er kümmert
sich auch allgemein um Eingaben von Maus und Tastatur. Manche Eingaben sind ja
auch für ihn selbst gedacht, beispielsweise wenn ein Benutzer ein Fenster schließen
möchte und dazu die entsprechende Aktion ausführt.
E Verwaltung der Fenster an sich
Natürlich muss der Benutzer die Fenster auch bewegen und zwischen ihnen wech-
seln können.
Nun gibt es natürlich Unterschiede, wennman sich die einzelnen Window-Manager an-
schaut, zwischendenen Sie unter Linuxwählen können. Vielleicht ist Ihnen schonaufge-
fallen, dass die Fenster auf den Screenshots in diesem Buch manchmal unterschiedlich
aussehen – sie haben einen anderen Rahmen, andere Buttons und natürlich andere Far-
ben.
Konzepte
Zum komfortablen Arbeiten brauchen Sie etwas mehr. Viele Fenster werden zum Bei-
spiel schnell etwas unübersichtlich. Für dieses Problem gibt es mehrere Ansätze:
E Iconify
Man kann, wie allseits bekannt, Fenster minimieren und dann als kleinen Button
in irgendeiner Taskleiste sehen, bis man sie das nächste Mal braucht. Dann kann
man meist mit einem Klick auf den entsprechenden Button das Fenster wieder ver-
größern. Da so etwas im weitesten Sinne mit dem Verwalten von Fenstern zu tun
hat, kümmert sich natürlich der Window-Manager auch um diese Aufgaben. Das
Minimieren an sich kann dann von Window-Manager zu Window-Manager anders
realisiert sein.
E Virtuelle Desktops
Virtuelle Desktops sind eineMöglichkeit, Ihren Bildschirmumein paar logische Bild-
schirme zu erweitern. Sie können dann Ihre Fenster über diese virtuellen Desktops
verteilen und meistens über einen sogenannten Pager mit Miniaturansichten der
Desktops darauf zugreifen. Auch diese Funktionalität ist vom Window-Manager ab-
hängig.
E Workspace
Workspaces sind im Prinzip dasselbe wie virtuelle Desktops, allerdings mit dem Un-
terschied, dass man versucht, die Fenster thematisch zu gruppieren. Man kann dann
59
4 Der Linux-Desktop
also beispielsweise einen Arbeitsbereich für die Textverarbeitung, einen für die E-
Mail-Kommunikation sowie einen weiteren für das Arbeiten mit der Shell nutzen.
E Taskleiste
In einer Taskleiste werden alle offenen Fenster einer X-Session bzw. eines Workspace
angezeigt, sodass man trotz zum Beispiel überlappender Fenster schnell auf alles
zugreifen kann.
E Startleiste
Eine Startleiste ist kein Feature, um vorhandene Fenster zu verwalten, sondern viel
eher dazu da, komfortabel neue Programme starten zu können.Meistens findetman
in einer Startleiste daher Icons für bestimmte Programme oder auch sogenannte
Startmenüs, die wiederum eine Vielzahl verschiedener Programme enthalten.
Des Weiteren finden Sie oft vielfältige Hybriden zwischen Task- und Startleisten, also
Leisten, die beide Funktionalitäten verbinden wollen.
Window-Manager unterscheiden sich demnach nicht nur in Äußerlichkeiten, sondern
auch im Funktionsumfang. Man unterscheidet dabei grob zwischen zwei Klassen: den
klassischenWindow-Managern und den umfangreichen Desktopsystemen.
Klassische Window-Manager zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie sich relativ
ressourcensparend verhalten. Allerdings beschränken sie sich dafür auf das Nötigste,
und das Arbeiten mit ihnen ist daher oft eher gewöhnungsbedürftig.
fvwm, fvwm2
Die Window-Manager der fwvm-Familie werden über die Datei .fvwmrc bzw. .fvwm2rc im
Homeverzeichnis eines jeden Benutzers konfiguriert. Dort kann man Farben und vor
allem eine Art Startmenü definieren.
Dieses Startmenü öffnet sich meistens beim Klick mit der rechten (manchmal auch der
linken) Maustaste und ersetzt damit das bekannte Prinzip einer Startleiste.
twm
Der twm ist eine Art »eingebauter« Standard-Window-Manager für X.org, da er mit die-
sem Projekt eng verknüpft ist. Entsprechend einfach ist seine Bedienung und entspre-
chend eingeschränkt sein Funktionsumfang. Er wird normalerweise gestartet, wenn
man für einen Benutzer keinen anderenWindow-Manager definiert hat.
WindowMaker
Ganz anders derWindowMaker (siehe Abbildung 4.3). DieserWindow-Manager zeichnet
sich durch gute Performance, gepaart mit hübschen grafischen Eigenheiten aus. Auch
60
4
4.1 X11 – die grafische Oberfläche
ist die Bedienung stark an NeXTStep angelegt, was ihm ein typisches UNIX-Feeling und
damit einen gewissen Freakfaktor verschafft.
Abbildung 4.3 WindowMaker
Interessant sind vor allem die sogenannten Themes. Für den WindowMaker gibt es (wie
für viele andere Fenstermanager auch) sehr, sehr viele Themes, die alle einen Farb- bzw.
Musterkanon mit einem mehr oder weniger hübschen Hintergrundbild kombinieren.
So kommenMatrixfans mit dem »Matrix«-Theme genauso voll auf ihre Kosten wie ver-
träumte Romantiker mit »Mastersons Hideout«. Prädikat: besonders wertvoll.
Ansonsten ist für den WindowMaker noch das sogenannte Dock typisch, eine Art Start-
leiste, mit der Programme gestartet sowie deren – und nur deren – Instanzen verwaltet
werden können.Man kann in das Docknoch sogenannteApplets einfügen, die bestimm-
te Funktionen,wiebeispielsweise eineAnzeigeüberdie Systemauslastung, übernehmen.
So ein Dock findet man in dieser oder ähnlicher Form zudem bei vergleichbaren Win-
dow-Managern wie beispielsweise dem AfterStep.
61
4 Der Linux-Desktop
4.1.5 Desktopumgebungen
KompletteDesktopumgebungenwieKDEoderGnomebringennichtnur einenWindow-
Manager, sondern gleich einen ganzen Satz Anwendungenmit. Diese Anwendungen ha-
ben in der Regel ein einheitliches Look-and-feel und erleichtern so gerade Einsteigern
die Arbeit mit dem neuen Betriebssystem. KDE und Gnome werden wir im nächsten
Abschnitt näher vorstellen.
4.1.6 Zusammenfassung
Das X-Window-System ist alles andere als »unausgereift«. Mit XClients, Window-Mana-
gern und XServern ist X11 sehrmodular aufgebaut, und es besitzt bewährte und wirklich
durchdachte Konzepte. Auch kannman – anders als bei zu großen Einheitsbreisystemen
– auch einzelne Teile austauschen und ersetzen.
Das Gerüst steht also. Aber den Desktop machen eigentlich die Anwendungen aus, mit
denen Sie arbeiten können. Wichtige, interessante und hilfreiche Anwendungen werden
wir Ihnen im Laufe dieses Kapitels vorstellen.
4.2 KDE, Gnome und Unity
Doch zuerst wenden wir uns mit KDE, Gnome und Unity den wichtigsten Desktopum-
gebungen unter Linux zu. In der Regel können Sie bei der Installation Ihrer Distribution
zwischen einer der drei Umgebungen wählen, oder es wird automatisch ein Default ge-
laden.
Bei Ubuntu können Sie beispielsweise zwischen den Varianten Ubuntu und Kubuntu
wählen. Ubuntu installiert standardmäßig den Gnome-Desktop, während Kubuntu KDE
mitbringt. Es handelt sich jedoch immer noch um dieselbe Distribution, da sich nur
die Installations-CDs bzw. deren Inhalte unterscheiden, um dem Benutzer die Wahl zwi-
schen Gnome und KDEmöglichst einfach zu machen.3
4.2.1 Grafische Login-Manager
Auf Desktop-Workstations wird in der Regel nicht mehr das »normale« Text-Login be-
nutzt. Stattdessen wird beim Booten ein auf X11 basierender grafischer Login-Manager
als Dienst gestartet. Über diesen Dienst erfolgt schließlich das Login.
3 Es ist also ohne Weiteres möglich, unter einem Ubuntu KDE nachzuinstallieren bzw. unter Kubun-
tu GNOME.
62
4
4.2 KDE, Gnome und Unity
Das Schema ist dabei altbekannt: Nur Benutzername und Passwort werden zum erfolg-
reichen Einloggen benötigt, allerdings kann man beides – je nach Konfiguration des
Login-Managers – auch vor einem hübschen Hintergrundbild auswählen bzw. eingeben.
Eine manuelle Installation der jeweiligen Login-Manager ist im Regelfall nicht nötig, da
diese bei allenwichtigenDesktopdistributionen automatischmitinstalliert werden. Die
wichtigstenWindow-Manager sind:
E xdm
Der xdm ist der »klassische« Login-Manager für X11. Über den xdm können Sie sich
auch remote an entfernten Rechnern anmelden und dort dann entsprechende
X11-Sessions nutzen.
E SDDM
Der Simple Desktop Displaymanager kommt insbesondere bei KDE zum Einsatz.
E gdm
gdm ist quasi ein Display Manager für Gnome.
E lxdm
Die LXDE-Desktopumgebung bringt ebenfalls ihren eigenen Login-Manager mit.
E lightdm
Der lightdm ist die desktopunabhängige und zugleich aktuelle Variante der
Login-Manager.
Nach dem erfolgreichen Login hat man, ähnlich wie nach dem Starten der Textkonsole,
eine ganze Session zur Verfügung, die bis zum Beenden desWindow-Managers bzw. der
Desktopumgebung aktiv ist. Allerdings endet bei grafischen Login-Managern imGegen-
satz zumKonsolen-Loginmit der Session desWindow-Managers auch die Login-Session.
4.2.2 Look-and-feel
Wie bereits erwähnt, zeichnen sich Desktopumgebungen dadurch aus, dass sie bereits
eine ganze Reihe an Programmen und Tools mitbringen. Als besondere Eigenschaft ha-
ben diese Programme alle ein einheitliches Look-and-feel. Das kommt daher, weil die
entsprechendenProgrammeallemit demselbenToolkit geschriebenwurden. Unter KDE
ist das Qt, unter Gnome GTK+.
Wenn Sie eine Desktopumgebung nutzen, können Sie natürlich immer noch alle ande-
ren Programme weiterhin nutzen – Sie sind also entgegen landläufiger Meinung bei-
spielsweise unter KDE nicht auf die Applikationen beschränkt, die KDE mitbringt, son-
dern können nachWunsch auch Gnome-Programme einsetzen.
63
4 Der Linux-Desktop
Programme einer Desktopumgebung bieten neben dem einheitlichen Look-and-feel
mitunter gemeinsam genutzte Einstellungen, Funktionen wie Drag & Drop und ande-
re kleine Dinge, die das Leben einfacher machen. Zudem gibt es nützliche Dienste, wie
beispielsweise Soundserver, die mehreren Programmen das gleichzeitige Nutzen der
Soundkarte ermöglichen.
Im Folgenden wollen wir die beiden großen Desktopumgebungen kurz mit ihren jewei-
ligen Besonderheiten vorstellen. Diese zu erkunden und nach Lust und Launemit ihnen
herumzuspielen, überlassen wir aber Ihnen.
4.2.3 KDE
Die KDE Software Compilation, ehemals K Desktop Environment, entstand als ein Klon
des kommerziellen CDE (Common Desktop Environment) von Sun. Dieses Projekt wird
gleichermaßen von Linux-Einsteigern wie -Profis genutzt, da es eine gute Bedienung
und geniale Programme bietet.
Abbildung 4.4 KDE
64
4
4.2 KDE, Gnome und Unity
Die Besonderheit an KDE ist vor allem seine Homogenität und Konsistenz bezüglich der
Bedienung. Mit den KDE System Settings (das sind die KDE-Systemeinstellungen) kann
man dabei das Look-and-feel der Oberfläche sehr stark seinempersönlichenGeschmack
anpassen.
Aus der großen Anzahl der KDE-Applikationenwollen wir die vielleicht wichtigsten kurz
vorstellen:
E Dolphin
Der Dateimanager Dolphin ist äußerst benutzerfreundlich und einfach aufgebaut,
verfügt aber dennoch über zahlreiche Features.
E Konqueror
Der Konqueror (siehe Abbildung 4.5) ist der Webbrowser des KDE-Projekts und dient
gleichzeitig als Dateimanager. Konqueror unterstützt alle essenziellen Features, die
heutige Webseiten benötigen.
Übrigens:Mit demKonqueror kannman auch sehr angenehmManpages betrachten
(Sie erinnern sich?). Tippen Sie dazu einfach mal man:/xinit in die Adresszeile ein,
um sich die Hilfeseite für das xinit-Kommando anzeigen zu lassen.
Abbildung 4.5 Konqueror
65
4 Der Linux-Desktop
E Konsole
Die Konsole bietet eine Möglichkeit, die Vorteile der Shell unter X11 zu nutzen.
E Kate
Dieser unter KDE vorhandene Editor beinhaltet eine ganze Reihe netter Features, wie
Syntax-Highlighting oder eine Rechtschreibprüfung.
E KMail
Sollten Sie mit KDE arbeiten, bietet sich die Nutzung des »hauseigenen« Mailpro-
gramms an. KMail gliedert sich wie alle anderen Applikationen sauber in das System
ein – wenn Sie also im Browser auf eine Mailadresse klicken, wird KMail geöffnet.
E K3b
Mit diesem Programm können Sie unter Linux recht komfortabel CDs und DVDs
brennen. Es ist ein Meilenstein in Richtung Benutzerfreundlichkeit bei dieser Aufga-
benstellung.
E Calligra
Das ausKOffice hervorgegangene Calligra ist ein eigenständiges Projektmit demZiel,
ein Officesystem direkt für KDE zu entwickeln.
E Amarok
Amarok ist ein ausgefeilter Media-Player für KDE.
Wie gesagt, alle Applikationen gliedern sich sauber in das System ein. Allerdings können
Sie jedemDateityp auch Ihr eigenes Lieblingsprogrammzuordnen, das bei einemAufruf
einer entsprechenden Datei im Dateimanager geöffnet werden soll.
4.2.4 Gnome
Das Gnome-Projekt wurde ursprünglich als freie Alternative zu KDE entwickelt, das auf
der früher nicht ganz freien Qt-Bibliothek aufsetzt. Mittlerweile ist Qt für X11 allerdings
Open Source und steht unter der GPL, sodass dieses Argument in den Glaubenskriegen
zwischen Anhängern beider Umgebungen nicht mehr wirklich zählt.
Gnome bietet ein ebenso hervorragendes Look-and-feel wie KDE, verbunden mit einer
Unmenge an passend integrierten Applikationen.
Wichtige Gnome-Applikationen sind:
E Nautilus
Nautilus ist ein, besser gesagt, derDateimanager für Gnome.
E The GIMP
Das GNU Image Manipulation Program (GIMP) – ein Bildbearbeitungsprogramm –
gab es eigentlich schon vor Gnome. Um dieses mit einem Benutzerinterface aus-
66
4
4.2 KDE, Gnome und Unity
zustatten, wurde das GTK-(GIMP ToolKit-)Interface programmiert, auf das Gnome
später aufsetzte.
E Evolution
Evolution ist ein E-Mail-Client mit Groupware-Funktionen wie Kalender, Aufgaben-
listeundAdressbuch fürGnome. Evolutionhat einLook-and-feel, dasOutlookähnelt,
und kann über die OWA-Schnittstelle auchmit Exchange-Servern kommunizieren.
E Totem, Banshee, Rhythmbox
Totem ist der Standard-Video- und -Musikplayer für Gnome. Er kann über unter-
schiedliche Backends vonMP3s bis zuDVDs alles abspielen.Weitere Programme stel-
len wir Ihnen in Kapitel 14, »Multimedia und Spiele unter Linux«, vor.
Ein besonders ausgefeilter Musikplayer ist Banshee, der ebenfalls Bestandteil von
Gnome ist und sich hervorragend dazu eignet, um größere Musiksammlungen und
Podcasts zu verwalten. Die Synchronisationmit Android und iPod ist ebenfalls mög-
lich.
Ein weiterer Kandidat dieser Kategorie ist Rhythmbox.
Abbildung 4.6 Gnome
Es gibt natürlichnoch vieleweitere »kleineHelfer«, z. B. den Taschenrechner, Notizzettel,
den Gnome-Papierkorb, das Bildanzeigeprogramm eog (Eye of Gnome) oder ein Termi-
nalprogramm,umdieKommandozeile benutzen zu können. Ambesten gehen Sie selbst
auf Entdeckungstour und probieren die Tools einfach aus.
67
4 Der Linux-Desktop
4.2.5 Unity
Unity ist neben Gnome die Standardoberfläche für Ubuntusysteme und wurde von der
Firma Canonical entwickelt. Unity ist nicht im herkömmlichen Sinne eine Desktopum-
gebungmit eigenen Applikationen, sondern nutzt die GTK+-Applikationen von Gnome.
Canonical hat in das Hauptmenü von Unity – Sie erreichen es mit der Windows-Taste –
eineOnlinesuche integriert,mitder Sie beispielsweiseAmazon-Produkte findenkönnen.
Diese Eigenschaft stieß allerdings zu Recht auf Bedenken bei Datenschützern und lässt
sich deaktivieren. Unity ist eine schlanke Umgebung, mit der sich komfortabel arbeiten
lässt und die wir Ihnen genauso wie die anderen beiden Umgebungen GNOME und KDE
ans Herz legen.
Abbildung 4.7 Unity
Eine weitere Besonderheit von Unity ist die effiziente Nutzung des verfügbaren Platzes.
So wird die Menüleiste des jeweils aktiven Programms nicht innerhalb des Programm-
fensters, sondern an der oberen Bildschirmleiste angezeigt.
Einige der genannten Applikationen, nämlich die multimedia-relevanten wie Amarok,
werden wir in Kapitel 14 noch etwas genauer unter die Lupe nehmen.
68
4
4.3 Officeumgebungen
4.3 Officeumgebungen
Im Folgenden wollen wir uns kurz mit den unter Linux verfügbaren Officeumgebungen
befassen. Wir wollen nicht viel Wirbel um die unterschiedlichen Programme machen,
sondern Ihnen einfach die wichtigsten Applikationen vorstellen.
4.3.1 LibreOffice
Das Projekt LibreOffice ging aus OpenOffice.org, und somit ursprünglich aus dem erst
kommerziellen und später freien StarOffice hervor. LibreOffice hat das Ziel, eine platt-
formunabhängige Officeumgebung bereitzustellen.
Abbildung 4.8 Die LibreOffice-TextverarbeitungWriter
Die LibreOffice-Suite
Wenn man LibreOffice Writer nutzt, wird man unweigerlich an ältere Versionen des be-
kannten Microsoft Office Word erinnert – was durchaus eine Hilfe für Umsteiger ist.
Zudem ist es nicht verwerflich, Designentscheidungen zu übernehmen, wenn sie denn
gut sind. Aber LibreOffice bietet mehr als nur eine Textverarbeitung, wieman leicht aus
der Komponentenliste ersehen kann. Dazu gehören:
69
4 Der Linux-Desktop
E ein Textverarbeitungsprogramm (Writer)
E ein Tabellenkalkulationsprogramm (Calc)
E ein Präsentationsprogramm (Impress)
E ein Zeichenprogramm (Draw)
E ein Formeleditor (Math)
LibreOffice ist eine funktionsreiche Officeumgebung, die auf vielen Plattformen wie
auch MS Windows und Linux läuft und dabei noch Open Source ist. Der nächste lo-
gische Schritt ist, sich zu fragen, warum man dann noch Geld für eine kommerzielle
Office-Suite wie MS Office ausgeben soll. Tatsächlich tun das auch viele Firmen und öf-
fentlicheVerwaltungennichtmehr.Wo esmöglich ist, wird bereits häufig auf LibreOffice
umgestellt.
Im Übrigen unterstützt LibreOffice das OASIS-Format, einen Standard für Dateiformate
im Office-Bereich. Die von LibreOffice eingesetzten Dateiendungen sind dabei .odt für
Textdokumente, .ods für Tabellenkalkulationsdokumente, .odp für Präsentationen, .odf
für Formeln und .odg für Grafiken.
4.3.2 Calligra
Eine besondere Officeumgebung für KDE ist Calligra. Da die Office-Suite natürlich auf
den KDE-Komponenten aufbaut, ist sie zumindest unter KDE die subjektiv am besten
integrierte Office-Suite. Wenn Sie ausschließlich Linux und KDE nutzen, kann Calligra
durchaus die bessereWahl alsOffice-Suite sein. AuchCalligra unterstützt soweitmöglich
die OpenDocument-Formate.
Zu Calligra gehören folgende Programmteile:
E Words: eine Textverarbeitung
E Sheets: eine mächtige Tabellenkalkulation
E Stage: ein Programm für Bildschirmpräsentationen
E Flow: ein Programm für Flussdiagramme
E Karbon: ein Vektorzeichenprogramm
E Krita: ein pixelorientiertes Zeichenprogramm
E KChart: ein integriertes Grafik- und Diagrammzeichenprogramm
E KFormula: ein mächtiger Formeleditor, mit dem man Formeln schreiben, ausdru-
cken oder in andere Tools, etwa inWords, integrieren kann
E Kexi: ein Tool für den Datenbankzugriff
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4.4 Die wichtigsten Programme und Tools
Die Integration in KDE
Das Besondere an Calligra ist die Integration in KDE. Durch KPartswird dabei eine Inte-
gration in andere KDE-Applikationen und damit auch in andere Calligra-Komponenten
möglich.
4.4 Die wichtigsten Programme und Tools
Wie wir bereits erwähnt haben, hängt die Qualität eines Desktopsystems in letzter Kon-
sequenz von der Qualität der zur Verfügung stehenden Programme ab. Im Folgenden
wollen wir Ihnen weitere wichtige Programme des Linux-Desktops vorstellen. Die Aus-
wahl ist dabei willkürlich, wir haben aber versucht, uns am Bekanntheitsgrad und der
Verbreitung der einzelnen Programme zu orientieren.
4.4.1 Eterm, xterm und Co.
Anfangen wollenwirmit den grafischen Shells, von denen Sie im Laufe des Buches noch
einiges hören werden. Im Prinzip sind diese grafischen Shells nichts anderes als ein
Fenster mit einer Kommandozeile darin (was auch sonst?), das sich mehr oder weniger
gut konfigurieren lässt.
Die Standard-Shell für X11 – wenn man das so sagen kann – ist xterm. Wenn wir von
xterm sprechen, meinen wir aber meistens auch jede andere Shell für X11 und nutzen
den xterm-Begriff somit als Bezeichnung für die Gruppe dieser Programme. Andere Ter-
minalemulationen (wie der eigentlich korrekte Begriff lautet) unterscheiden sich vom
xterm selbst vor allem durch erweiterte Konfigurationsmöglichkeiten und höhere Be-
nutzerfreundlichkeit.
Und an dieser Stelle kommt die nach dem xterm wohl zweitberühmteste Terminalemu-
lation ins Spiel – der Eterm. Wenn Sie auf diversen Screenshots für Window-Manager-
Themes transparente Shells bzw. Fenster oder gar vermeintlich auf den Desktophinter-
grund ausgegebene Logfiles bewundern, ist in denmeisten Fällen der Etermmit im Spiel.
Mithilfe der Manpage kann man alle möglichen und unmöglichen Konfigurationsop-
tionen setzen, und ein Blick in das hauseigene Konfigurationsverzeichnis ˜/.Eterm of-
fenbart dann noch einmal Welten. Und spätestens beim halb transparenten Eterm ohne
Fensterleiste findet auch der letzte Windows-verwöhnte Kritiker die Shell cool.
Ansonsten bringen die gängigen Desktopumgebungen KDE und Gnome auch ihre eige-
nen grafischen Shells (Terminals) mit, die über sehr großen Feature-Reichtum verfügen.
So können nicht nur Themes verwendet, sondern auch Tabs aufgebaut werden.
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4 Der Linux-Desktop
4.4.2 Mozilla: Browser, Mail- und Usenet-Client
Der Firefox-Browser ist mittlerweile nicht mehr nur unter Linux eine Institution. Auch
unter Windows und anderen Betriebssystemen ist Firefoxmittlerweile enorm populär.
Abbildung 4.9 Firefox
BeimMozilla-Firefox handelt es sich nicht mehr nur um einen puren Browser, sondern
um eine ganze Suite von Programmen und Tools. Ursprünglich ist das Projekt aus dem
offenenQuellcode des Netscape-Browsershervorgegangen, undNetscape 6 und 7 bauen
auf demMozilla auf.
Das für Endanwender neben Firefox wohl bedeutendste Mozilla-Subprojekt stellt das
freie E-Mail-ProgrammThunderbird dar. Das Programmbeinhaltet auch ein Adressbuch,
eine Rechtschreibprüfung für Mails, die Möglichkeit, das Design durch diverse Themes
anzupassen, und einen Junk-Mail-Analyser, um Sie recht effektiv vor Spam zu schützen.
Und nicht zu vergessen: Selbstverständlich ist es auch möglich, mehrere Mailaccounts
parallel zu verwenden. Zudem existiert für Thunderbird eine sehr schöne Kalender-Er-
weiterung namens Lightning. Die Erweiterung Enigmail unterstützt alle wichtigen Stan-
dards wie S/MIME, digitale Signaturen und OpenPGP-Verschlüsselung.
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4.4 Die wichtigsten Programme und Tools
4.4.3 The GIMP
DasGNU ImageManipulation Program (GIMP) hatten wir bereits kurz angesprochen, als
es um herausragende Gnome-Programme ging. Hier wollen wir nun etwas mehr über
GIMP und die entsprechenden Konzepte erzählen und beschreiben, was er alles kann.
Abbildung 4.10 The GIMP
Welche Bedeutung GIMP für die Linux-Community hat und hatte, wird vielleicht aus
folgendem Artikel deutlich, der zum Release der Version 1.0 der Grafiksuite erschien:
»It has been a long time coming, but the wait is over: Linux has its first real end-user
power tool. It’s not for administrators. It’s not for network hacks. It’s not another devel-
opers tool. It’s for artists. It’s for media managers and graphics nuts. It’s for fun. It’s for
real. It’s the GIMP.«
– Michael Hammel (Linux Journal, November 1997)
Wie der Name schon sagt, ist GIMP also ein Bildbearbeitungsprogramm. Aber eigentlich
ist es mehr als das. Man kann GIMP zur professionellen Bearbeitung von Fotos, zum
Erstellen von Grafiken, zum Konvertieren von Bildformaten, als Bild-Renderer und für
vielesmehr verwenden. Im Folgendenhabenwir eine von gimp.org adaptierte kurze und
deshalb unvollständige Liste der Features zusammengestellt. GIMP bietet:
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4 Der Linux-Desktop
E vielfältige Zeichentools wie Pinsel, Bleistift, Airbrush, Klonen etc.
E ausgefeiltes Speichermanagement, sodass die Bildgrößenur durchdenvorhandenen
Plattenspeicher begrenzt ist
E hochqualitatives Anti-Aliasing durch Sub-Pixel-Sampling
E vollen Alpha-Channel-Support für Transparenzeffekte
E Unterstützung von Bildebenen und Farbkanälen
E eine prozedurale Datenbank, über die interne Funktionen durch
externe Plug-ins genutzt werden können
E erweiterte Skripting-Möglichkeiten
E mehrfaches Rückgängigmachen/Wiederherstellen
E eine nur durch die Hardwareressourcen begrenzte Anzahl gleichzeitig
offener Bilder
E einenmächtigen Editor für Farbverläufe und Überblendungen
E Unterstützung von Animationen über die Bildebenen (Frame as Layer)
E Transformationstools zum Rotieren, Skalieren, Ausschneiden, Spiegeln etc.
E viele unterstützte Dateiformate wie .gif, .jpg, .png, .xpm, .tiff, .tga, .mpeg, .ps, .pdf, .pcx,
.bmp etc.
E Auswahltools für rechteckige, elliptische, freie, unscharfeund»intelligente«Bereiche
E Plug-in-Support für die Unterstützung neuer Dateiformate und Effekte
E über 100 bereits vorhandene Plug-ins
E eigene Pinselformen und Muster
Wenn Sie GIMP zum ersten Mal starten, wird Ihnen auffallen, dass das Programm aus
mehreren separaten Fenstern besteht. Für Windows-Anwendermag das vielleicht etwas
ungewohnt erscheinen, aber wenn man mehrere virtuelle oder auch reale Bildschirme
zur Verfügung hat, ist es einfach angenehmer, wenn man alle zu bearbeitenden Bilder
in separaten Fenstern entsprechend verteilen kann.
GIMP erlaubt nun, Grafikdateien relativ unabhängig vom verwendeten Format profes-
sionell zu bearbeiten. Dazu werden standardmäßig mehrere Bildebenen (»Layer«) un-
terstützt, und zudem enthält GIMP eine ganze Reihe schon vorkonfigurierter Plug-ins
sowie Schnittstellen für eigene Erweiterungen.
Für was und wie man GIMP dann letztendlich nutzt, ist jedem selbst überlassen. Es
gibt schließlich auch tausendseitige Bücher über GIMP, und daher wollen wir hier nicht
zu sehr ins Detail gehen. Unser Tipp: Sehen Sie sich einmal die Dokumentation von
www.gimp.org an, wenn Sie sich näher mit dem Programm beschäftigen möchten. Ge-
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4
4.5 Zusammenfassung
rade der Umgang mit Layern und Plug-ins ist wichtig und für Neulinge vielleicht nicht
so ganz intuitiv zu begreifen.
Letztendlich kann man das Resultat dann in vielen verschiedenen Formaten speichern.
Um während des Bearbeitungsprozesses keinen Restriktionen zu unterliegen, bringt
GIMPmit .xcf sogar ein eigenes Dateiformat mit.
4.5 Zusammenfassung
Wie Sie gesehen haben, lässt sich mit dem Linux-Desktop wirklich produktiv arbeiten.
Gerade im Desktopbereich können Sie hier viel intuitiv ausprobieren und lernen – fan-
gen Sie an! Wenn Sie Linux wirklich begreifen wollen, überwinden Sie sich, und nutzen
Sie es wirklich für alle Aufgaben des täglichen Bedarfs. Die Anfangshürde mag hoch
erscheinen, sie ist aber definitiv überwindbar.
In den folgenden Kapiteln werden wir uns auf die eigentlichen Linux-Grundlagen und
erste, einfache Arbeitenmit der Shell konzentrieren. Dies ist notwendig, damit Sie wich-
tige Eigenschaften und Philosophien hinter Linux verstehen und kennenlernen. Und
nicht zuletzt werden Sie so vom Einsteiger zum Linux-Profi.
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