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Eingereicht von Carina Kerbl, BSc Institut für Soziologie ...

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JOHANNES KEPLER UNIVERSITÄT LINZ Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich www.jku.at DVR 0093696 Eingereicht von Carina Kerbl, BSc Martina Sturmair, BSc Angefertigt am Institut für Soziologie, Abteilung für Wirtschafts- und Organisations- soziologie Beurteilerin Mag. a Dr. in Ursula Rami Monat Jahr August 2016 Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0 Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Social Sciences im Masterstudium Soziologie
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Page 1: Eingereicht von Carina Kerbl, BSc Institut für Soziologie ...

JOHANNES

KEPLER

UNIVERSITÄT

LINZ

Altenberger Straße 69 4040 Linz, Österreich www.jku.at DVR 0093696

Eingereicht von Carina Kerbl, BSc Martina Sturmair, BSc Angefertigt am Institut für Soziologie, Abteilung für Wirtschafts- und Organisations-soziologie Beurteilerin Mag.

a Dr.

in Ursula Rami

Monat Jahr August 2016

Wandel der Arbeit im

Zeichen von Industrie

4.0

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades

Master of Social Sciences

im Masterstudium

Soziologie

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Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig und

ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht

benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich

gemacht habe.

Die vorliegende Masterarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument

identisch.

………………………………………………………………………….

Ort, Datum

…………………………………………………….……………………

Carina Kerbl, BSc

…………………………………………………….……………………

Martina Sturmair, BSc

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Danksagung

Wir bedanken uns bei Frau Mag.a Dr.in Ursula Rami für die exzellente Betreuung die-

ser Masterarbeit bedanken. Ohne ihre Hilfestellungen und ihre motivierenden Worte

wäre diese Arbeit sicherlich um einiges schwieriger gewesen. Sie hatte immer Zeit

für uns, wenn wir sie um Hilfe gebeten hatten und stand uns während der gesamten

Zeit zur Seite.

Weiters möchten wir uns natürlich auch bei unseren Interviewpartnerinnen und Inter-

viewpartnern für die Bereitschaft und die Zeit für die Interviews bedanken, denn ohne

diese wäre die Fertigstellung der Masterarbeit nicht möglich gewesen.

Zu guter Letzt bedanken wir uns auch bei unseren Familien und unseren Freunden,

die uns während der gesamten Studienzeit mit Rat und einem offenen Ohr zur Seite

gestanden haben sowie uns in jeder noch so dunklen Stunde beigestanden haben.

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Kurzfassung

Die vorliegende Arbeit behandelt den Wandel der Arbeit unter dem Gesichtspunkt

der vierten Phase der industriellen Revolution. Zunächst werden kurz die Gescheh-

nisse vor der Industriellen Revolution betrachtet und schließlich die erste Phase nä-

her beschrieben. Anschließend wird das Aufkommen der industriellen Revolution in

den Ländern der Habsburgermonarchie erläutert, bevor schließlich Phase zwei bis

Phase vier der industriellen Revolution beleuchtet werden. Dabei werden ebenso die

geschichtlichen Entwicklungen der bisherigen drei industriellen Revolutionen aufge-

zeigt sowie im Zuge der aktuellen vierten Phase auch aktuelle Veränderungen in der

Produktionsarbeit, als Auswirkungen der vierten industriellen Revolution, geschildert

werden. Ein Schwerpunkt der Arbeit liegt auf dem Konzept „Industrie 4.0“, welches

ausführliche Betrachtung widerfährt. Ziel der vorliegenden Masterarbeit ist es das

Konzept von Industrie 4.0 näher zu beleuchten und die Vorzüge, wie auch Nachteile

davon aufzuzeigen. Außerdem werden die Veränderungen in der industriellen Pro-

duktion durch den verbreiteten Einsatz von Automatisierungstechnologien näher er-

läutert. Der theoretische Teil der vorliegenden Arbeit wurde durch den empirischen

Teil bzw. durch die Befragungen unterschiedlicher Expertinnen und Experten von

den Sozialpartnerschaften, den Betriebsrätinnen und Betriebsräten, den Geschäfts-

führerinnen und Geschäftsführern sowie den Human-Ressource-Mangerinnen und

Human-Ressource-Managern zu diesem Thema ergänzt. Die Analyse liefert dabei

aktuelle Informationen und Standpunkte zum Konzept Industrie 4.0 und Einschät-

zungen über die aktuelle sowie zukünftige Lage in der Produktionsarbeit.

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Abstract

This master-thesis aims to examine the changes in production work conditions and

their social implications with particular focus on the fourth phase of the industrial rev-

olution. To begin with we will outline the events prior to the industrial revolution as

well as its first phase. Then the emergence of the industrial revolution at the time of

the Habsburg monarchy will be illustrated. Finally, the historical developments lead-

ing up to the present fourth phase of the industrial revolution will be shown. We will

analyse the present day changes in production work that have occurred as a result of

the fourth and current phase. For this purpose we examine the concept “Industry

4.0”, assessing advantages and disadvantages for both employer and employee. The

influence of the spread of automation technology on industrial production will also be

appraised in this context. The theoretical part of the thesis is complemented by an

empirical section, which presents the views of experts in the field, such as social

partners, work councils, human resources managers and directors of different com-

panies. This analysis provides current data and opinions on the concept of “Industry

4.0” as well as assessments on the present and future situation in production work.

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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung .......................................................................................................... 11

1.1. Ziel der vorliegenden Masterarbeit und Forschungsfragen ........................................................ 14

1.2. Gliederung und Struktur .............................................................................................................. 15

2. Theoretischer Hintergrund .............................................................................. 18

2.1. Der Vorabend der industriellen Revolution und die feudalistische Gesellschaftsordnung ......... 18

2.2. Die industrielle Revolution und ihre vier Phasen ........................................................................ 20

2.2.1. Erste Phase der industriellen Revolution (Mitte, Ende 18. Jahrhundert) in

Großbritannien und die vier Faktoren der industriellen Revolution ............................. 21

2.2.1.1. Arbeitskräfte und Bevölkerungswachstum................................................. 21

2.2.1.2. Maschinen und Erfindungen ...................................................................... 29

2.2.1.3. Imperialismus ............................................................................................. 37

2.2.1.4. Unternehmer und Kapital ........................................................................... 38

2.2.2. Das Ausbreiten der industriellen Revolution in anderen europäischen Ländern

und die 1848er Revolution in der Habsburgermonarchie ............................................ 39

2.2.2.1. Vorzeichen der Revolution ......................................................................... 39

2.2.2.2. Beginn der Revolution in der Habsburgermonarchie ................................. 41

2.2.3. Während und nach der Revolution in der Habsburgermonarchie ............................... 42

2.2.3.1. Übergriff der industriellen Revolution auf den Rest Europas..................... 45

2.2.4. Zweite Phase der industriellen Revolution (Ende 19., Anfang 20. Jahrhundert) ......... 46

2.2.5. Dritte Phase der industriellen Revolution (Beginn 70er Jahre des 20. Jahrhunderts) . 48

2.2.6. Vierte Phase der industriellen Revolution (21 Jahrhundert, heute) ............................. 50

2.3. Das Konzept von Industrie 4.0 .................................................................................................... 52

2.3.1. Kernelemente von Industrie 4.0 ................................................................................... 53

2.3.1.1. Der Name Industrie 4.0 .............................................................................. 53

2.3.1.2. Das Internet der Dinge ............................................................................... 54

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2.3.1.3. Maschine zu Maschine Kommunikation .................................................... 54

2.3.1.4. Cyber-physische-Systeme ......................................................................... 55

2.3.2. Umsetzung von Industrie 4.0 ....................................................................................... 56

2.4. Wandel der Arbeit ........................................................................................................................ 57

2.4.1. Der Wandel aus Sicht der Arbeitspsychologie............................................................. 58

2.4.2. Allgemeine Indikatoren des Strukturwandels ............................................................... 59

2.4.3. Strukturwandel der Produktionsarbeit .......................................................................... 61

2.4.3.1. Entgrenzung von Arbeit ............................................................................. 61

2.4.3.2. Subjektivierung von Arbeit ......................................................................... 62

2.4.3.3. Subjektorientierung in der Arbeitsforschung .............................................. 64

2.5. Der Wandel von Produktionsarbeit in Richtung Industrie 4.0 ..................................................... 65

2.5.1. Mensch-Maschinen Interaktion .................................................................................... 66

2.5.1.1. Bisherige maschinengestützte Produktionssysteme ................................. 67

2.5.1.2. Neuere Produktionsgestaltungen .............................................................. 68

2.5.1.3. Sozio-technische Systeme – die Mensch-Maschinen Kommunikation

unter Industrie 4.0 ...................................................................................... 69

2.5.1.4. Komplementäre Systemgestaltung ............................................................ 71

2.5.1.5. Entwicklung eines Mensch-Maschinen-Systems ....................................... 72

2.5.2. Veränderung der Aufgabenstruktur ............................................................................. 73

2.5.2.1. Die neuen Anforderungsprofile für das Personal ....................................... 76

2.5.2.2. Die neuen Anforderungen für die Managementebene .............................. 77

2.5.2.3. Das Problem der neugewonnen Autonomie .............................................. 78

2.5.3. Veränderung der Arbeitsorganisation .......................................................................... 79

2.5.3.1. Die polarisierte Organisation ..................................................................... 79

2.5.3.2. Die Schwarm-Organisation ........................................................................ 80

2.6. Modelle der Zukunft..................................................................................................................... 83

2.6.1. Risiken und Chancen in der neuen Produktionsarbeit ................................................ 84

2.6.2. Die Frage nach der Beschäftigung .............................................................................. 85

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2.6.3. Mögliche Beschränkungen für Industrie 4.0 ................................................................ 86

3. Empirische Untersuchung und methodisches Vorgehen ............................. 87

3.1. Die Problembenennung .............................................................................................................. 88

3.2. Das Forschungsdesign................................................................................................................ 89

3.2.1. Die Befragung .............................................................................................................. 89

3.2.2. Das Expertinnen- und Experteninterview .................................................................... 91

3.3. Durchführung der Erhebung ........................................................................................................ 92

3.3.1. Die Konstruktion des Leitfadens .................................................................................. 93

3.3.2. Beschreibung der Expertinnen und Experten sowie der untersuchten Betriebe ......... 94

3.3.3. Die Durchführung der Feldforschung ........................................................................... 97

3.3.4. Die Interviewsituation ................................................................................................... 97

3.4. Aufbereitung und Auswertungsverfahren der gewonnenen Daten ............................................. 97

3.4.1. Das Auswertungsverfahren mittels der qualitativen Inhaltsanalyse ............................ 99

3.4.2. Zusammenstellung eines Kategoriensystems ........................................................... 101

3.4.3. Die Datenerfassung ................................................................................................... 102

3.5. Ergebnisse der qualitativen Untersuchung ............................................................................... 102

3.5.1. Entgrenzung und Subjektivierung in der Produktionsarbeit ....................................... 102

3.5.1.1. Die Trennung zwischen der Arbeits- und der Lebenswelt ....................... 103

3.5.1.2. Die Flexibilisierung in der Produktionsarbeit ........................................... 105

3.5.2. Das Konzept Industrie 4.0 .......................................................................................... 107

3.5.2.1. Stellenwert von Industrie 4.0 in der Produktionsarbeit ............................ 108

3.5.2.2. Profiteure von Industrie 4.0 ...................................................................... 109

3.5.3. Befürchtungen und Potentiale von Industrie 4.0 ........................................................ 111

3.5.3.1. Vorteile von Industrie 4.0 ......................................................................... 113

3.5.3.2. Einbeziehen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei

der Verwirklichung von Industrie 4.0 ........................................................ 115

3.5.3.3. Veränderung der Arbeitsbedingungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

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sowie für Führungskräfte ......................................................................... 117

3.5.3.4. Befürchtungen und Hindernisse zum Konzept Industrie 4.0

und deren Möglichkeiten zur Überwindung ............................................. 121

3.5.3.5. Befürworterinnen und Befürworter des Konzeptes Industrie 4.0 ............. 125

3.5.3.6. Ablehnerinnen und Ablehner des Konzeptes Industrie 4.0 ..................... 126

3.5.3.7. Die Bedeutung von Industrie 4.0 im befragten Unternehmen ................. 127

3.5.4. Arbeitsbedingungen und Qualifikationsanforderungen .............................................. 129

3.5.4.1. Arbeitsbereiche die einer Veränderung unterliegen ................................ 129

3.5.4.2. Veränderungen der Arbeitsbedingungen ................................................. 130

3.5.4.3. Formen der Arbeitsorganisation .............................................................. 133

3.5.4.4. Benötigte Fähigkeiten und Qualifikationen .............................................. 135

3.5.4.5. Auswirkungen auf die Beschäftigten ........................................................ 137

3.5.5. Zukunftsperspektiven und weitere Entwicklungen ..................................................... 138

3.5.5.1. Die Umsetzung von Industrie 4.0 ............................................................. 139

3.5.5.2. Anreize für eine verbreitete Umsetzung .................................................. 143

3.5.5.3. Ziele, Chancen und Herausforderungen von Industrie 4.0 ...................... 147

3.5.5.4. Wünsche hinsichtlich des Konzepts Industrie 4.0 ................................... 152

3.5.6. sonstige Anmerkungen .............................................................................................. 155

4. Schlussbetrachtungen ................................................................................... 162

4.1. Zusammenfassung der Ergebnisse .......................................................................................... 162

4.1.1. Bedeutung des Konzeptes „Industrie 4.0“ ................................................................. 162

4.1.2. Subjektivierung und Entgrenzung in der Produktionsarbeit ....................................... 163

4.1.3. Befürchtungen und Potentiale von Industrie 4.0 ........................................................ 164

4.1.4. Erwartete Veränderungen in den Arbeitsbedingungen und

Qualifikationsanforderungen ...................................................................................... 166

4.1.5. Zukunftsperspektiven und weitere Entwicklungen ..................................................... 166

4.1.6. sonstige Anmerkungen .............................................................................................. 167

4.2. Beantwortung der Forschungsfragen ........................................................................................ 168

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4.3. Potentielle Handlungsempfehlungen ........................................................................................ 171

5. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis .......................................................... 172

6. Literaturverzeichnis ....................................................................................... 173

6.1. Bücher und Zeitschriftenaufsätze .............................................................................................. 173

6.2. Internetquellen ........................................................................................................................... 180

7. Anhang ............................................................................................................ 181

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1. Einleitung

Vor der industriellen Revolution waren die Länder Europas durch die Agrarwirtschaft

bzw. durch die feudalistische Ständeordnung geprägt. Die Untertanen waren den

Lehensherren zur Treue sowie zur Abgabe von Ernteerträgen verpflichtet. (vgl. Hint-

ze 1970, S. 13 ff.) Aufgrund dieser feudalen gesellschaftlichen Ordnung, der die

Bäuerinnen und Bauern unterlagen, verzögerte sich in der Habsburgermonarchie der

Beginn der industriellen Revolution auf Mitte des 19. Jahrhunderts. Im Gegensatz

dazu war die Landbevölkerung Großbritanniens schon einhundert Jahre früher von

der Leibeigenschaft befreit und so begann die industrielle Revolution in Großbritan-

nien bereits im 18. Jahrhundert. (vgl. Henderson 1971, S. 25 f.)

Doch bevor diese Reformation der Gesellschaftsordnung vollzogen war, kam es in

Teilen Europas zu Revolutionsbewegungen, die durch die Hunger- sowie Armutskri-

se der Jahre 1845 bis 1848 geprägt waren. Im Zuge dessen stieg die Kriminalitätsra-

te durch Plünderungen und Diebstähle drastisch an. Ebenso verschlimmerten sich

die sozialen Zustände in der Bevölkerung bzw. die Armut stieg gleichermaßen rapide

an. (vgl. Müller 2002, S. 35 ff.) Ausgelöst wurde die 1848er Revolution in der Habs-

burgermonarchie durch die Gegebenheiten in Paris, im Februar des besagten Jah-

res, als der König aus Frankreich vertrieben wurde und schließlich der Status der

Republik durch die Aufständischen ausgerufen wurde. (vgl. Haupt / Langewiesche

1998, S. 13; Müller 2002, S. 37 ff.) Diese Freiheitsgedanken und der Nationalgedan-

ke verbreiteten sich wie ein Lauffeuer im Rest Europas. Eine der wichtigsten Forde-

rungen der Rebellinnen und Rebellen stellte die Aufhebung des Feudalsystems dar.

In der Donaumonarchie bemühte sich die sogenannte Märzbewegung um die Durch-

setzung der Reformen im Staatssystem, wie um die Einführung der Pressefreiheit

und um die Abschaffung der Gutsuntertänigkeit. Nach zahlreichen Aufständen wurde

vom Parlament in Wien eine liberale Verfassung unterzeichnet und auch das Feudal-

system abgeschafft. (vgl. Müller 2002, S. 45 ff.)

Ein wesentlicher Aspekt, welcher den Bäuerinnen und Bauern aufgrund der aufge-

hobenen Gutsuntertänigkeit nun gestattet war, war es, sich innerhalb des jeweiligen

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Landes frei anzusiedeln. Auf diesem Wege konnte die neu aufkommende Arbeiter-

schicht einer Anstellung in der Fabrik nachkommen und sich im gleichen Zuge in der

Umgebung der Fabrik, meistens in Großstädten ansiedeln. (vgl. Henderson 1971, S.

25 f.) Die aufgekommen Fabrik war mehr als eine vergrößerte Produktionseinheit,

denn sie stellte ein noch nie dagewesenes, neues gesellschaftliches Produktionssys-

tem dar. (vgl. Matis 1988, S. 21 ff.)

Die zweite Phase der industriellen Revolution mit Beginn des 20. Jahrhunderts war

maßgeblich durch die aufkommende Elektro- und Chemieindustrie geprägt. Dazu

trug unter anderem die Erfindung des Telefons und des Telegrafens bei. Erdöl und

Elektrizität wurden zur Hauptenergiequelle und lösten somit Kohle als Energieträger

ab. Es war ebenso die Zeit des Fordismus, benannt nach Henry Ford, welcher die

Fließbandfertigung in der Automobilproduktion förderte, sowie jene Zeit des Taylo-

rismus, benannt nach Frederick W. Taylor, welcher die Arbeitstätigkeit in kleinste

Schritte zerlegte. (vgl. Ziegler 2005, S. 101 ff.; Matis 1988, S. 248 f.).

In den 1970er Jahren begann schließlich die dritte Phase der industriellen Revoluti-

on. In dieser Zeit stieg die Nachfrage nach Rohstoffen immer weiter an, was auf das

gesteigerte Konsumniveau für Autos oder Fernseher beispielsweise sowie auf die

Steigerung des Wohlstandes in der Gesellschaft zurückzuführen ist. (vgl. Young /

Sachs 1994, S. 15 ff.) Die Telekommunikation gewann zunehmend in dieser Zeit an

Bedeutung und intelligente Computersysteme sollten den Alltag der Menschen ver-

einfachen. (vgl. Steinbuch 1982, S. 7 ff.)

Gegenwärtig befinden wir uns in der vierten Phase der industriellen Revolution und

die neuesten Entwicklungen in der Arbeitswelt werden aktuell unter dem Konzept

„Industrie 4.0“ gefasst. Gemeint ist damit eine vierte Phase der industriellen Revolu-

tion, deren Hauptmerkmal der Einsatz von „Cyber-physischen Systemen“ darstellt,

um so die virtuelle mit der physischen Welt zu verbinden. (vgl. Hirsch-Kreinsen

2014b, S. 3) Es handelt sich hierbei um Objekte bzw. Geräte, wie Logistikkomponen-

ten oder ganze Produktionsanlagen, in die kommunikationsfähige Systeme eingebet-

tet werden. Dies bedeutet, dass die entsprechenden Produktionskomponenten an ein

Netzwerk angeschlossen werden, über welches der Datenaustausch ermöglicht wird

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und somit die Voraussetzung für die Kommunikation überhaupt erst erfüllt werden

kann. Durch diese Vernetzung können die Systeme somit über das Internet kommu-

nizieren und zudem auch Internetdienste nutzen. Die Besonderheit der „Cyber-

physischen-Systeme“ liegt darin, dass sie nicht nur ihre Umwelt mit entsprechender

Sensorik wahrnehmen können, sondern zudem die erhaltenen Daten mit Hilfe von

weltweit verfügbaren Daten vergleichen können, um anschließend die Informationen

auszuwerten. Ergänzt wird diese Funktion schließlich noch durch einen Aktor1, mit

dessen Hilfe die „Cyber-physischen-Systeme“ in die Lage versetzt werden, entspre-

chend ihrer Auswertungen, auf die physikalische Welt einzuwirken. (vgl. Bauernhansl

/ Hompel / Vogel-Heuser 2014, S.15 f.) Im Gegensatz zu den bisherigen Stufen, wie

der ersten bis zur dritten Phase der industriellen Revolution, wird dieser Innovations-

schub, in der vierten Phase der industriellen Revolution, ein bisher unbekanntes Ni-

veau der Automatisierung erlangen. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 3)

Das Konzept von Industrie 4.0 umfasst eine komplett neue Art der Automatisierung

der Produktion: Es umspannt dabei eine Prozessautomatisierung, welche durch hohe

Flexibilität gekennzeichnet ist. Weiters kommt es zu einer Veränderung der beste-

henden Muster in der Produktionsautomatisierung und in deren Abläufen. Diese Ver-

änderung basiert auf der Vorstellung von einer laufenden Selbstoptimierung und ei-

ner Anpassungsfähigkeit an aktuelle Geschehnisse, wie Veränderungen auf den Ab-

satzmärkten. Durch das Konzept Industrie 4.0 wird daher auch versucht den immer

zunehmenderen Flexibilitätsanforderungen auf den Absatzmärkten gerecht zu wer-

den; dies kann demnach als ein zentrales Ziel des Konzeptes angesehen werden.

Jedoch stellen die Verfügbarkeit der Technologien in Unternehmen sowie die techno-

logische Infrastruktur die essentiellen Voraussetzungen für die Umsetzung des Kon-

zeptes von Industrie 4.0 dar. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 5 f.)

Doch das Konzept von Industrie 4.0 mit all seinen Automatisierungsvorstellungen ist

bisher größtenteils nur ein Zukunftstraum, denn die heterogenen industriellen Struk-

turen lassen bislang eine Realisierung des Konzeptes kaum zu und es stehen tech-

1 Ein Aktor oder auch Aktuator ist ein Bauelement, das elektrische Signale in mechanische Bewegung

oder in andere physikalische Größen umsetzt. (Duden o. J., o. S.)

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nische sowie soziale Begrenzungen im Weg. Zudem führen solche Veränderungen

der Strukturen unweigerlich zu Widerständen, welche für die Verwirklichung von In-

dustrie 4.0 nicht förderlich sind. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 32 f.)

1.1. Ziel der vorliegenden Masterarbeit und Forschungsfragen

Die Thematisierung von „Industrie 4.0“ im Zusammenhang mit dem Wandel der Ar-

beit zeigt sich als unausweichlich, denn die breite Umsetzung von Automationstech-

nologie wird die Arbeitswelt und dabei im Besonderen die Arbeit in der industriellen

Produktion nachhaltig verändern. Dabei wird sich dieser Wandel auf die unterschied-

lichsten Ebenen auswirken, wie die des Fertigungspersonals, aber auch auf die Ebe-

ne des unteren und mittleren Managements. Zudem könnte dieser Wandel sich nicht

nur innerbetrieblich, sondern auch überbetrieblich vollziehen und dabei die Struktur

ganzer Wertschöpfungsketten verändern. Die daraus potenziell resultierende Verän-

derung der Landschaft der industriellen Produktion und die damit verbundenen Pro-

zessinnovationen zeigen sich somit von einem hohen arbeitssoziologischen Interes-

se. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 3)

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es das Konzept von Industrie 4.0 näher zu beleuchten

und die Vorzüge wie auch Nachteile davon aufzuzeigen. Außerdem werden die Ver-

änderungen in der industriellen Produktion durch Industrie 4.0 näher erläutert. Wei-

ters werden durch die Befragungen unterschiedlicher Expertinnen und Experten zu

diesem Thema nicht nur Informationen und deren Standpunkte zu Industrie 4.0 und

dem daraus resultierenden Wandel der Arbeit aufgezeigt, sondern es sollen auch

neue Blickwinkel in dieser Thematik eröffnet werden.

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Es lassen sich somit folgende Forschungsfragen ableiten, die im Forschungsprozess

beantwortet werden:

I. Welche Entwicklungen ergaben sich in der ersten bis zur vierten Phase der

industriellen Revolution?

II. Welche fördernden und hemmenden Faktoren ergeben sich aus Industrie 4.0?

III. Welche Veränderungen der Arbeitsbedingungen und der Qualifikations-

anforderungen sind zu verzeichnen?

IV. Kann man bei Industrie 4.0 von einer Entgrenzung sowie Subjektivierung von

Arbeit sprechen?

V. Welche Schwierigkeiten im Bereich Technologie, Betrieb, Produktion und

Strukturen behindern die Verbreitung des Konzeptes von Industrie 4.0?

Da die Forschungsfragen aufgezeigt wurden und das Ziel der vorliegenden Master-

arbeit erläutert wurde, wird im nächsten Unterkapitel die Gliederung und Struktur

kurz besprochen.

1.2. Gliederung und Struktur

Im ersten Teil der Masterarbeit werden anhand ausgewählter Literatur die sozialwis-

senschaftlichen Konzepte von „Industrie 4.0“ und „Wandel der Arbeit“ näher vorge-

stellt.

Zunächst wird ein kurzer geschichtlichen Überblick zu den Entwicklungen durch die

Phasen der industriellen Revolution bis zur heutigen Zeit gegeben, um dann im Wei-

teren auf das Konzept von Industrie 4.0 näher einzugehen. Des Weiteren werden die

Schwierigkeiten von Industrie 4.0 aufgezeigt und erläutert, was den Entwicklungen

von Industrie 4.0 im Wege steht.

In einem weiteren Schritt wird dann der Wandel von Arbeit thematisiert. So wird hier

unter anderem auf die Indikatoren des Strukturwandels aber auch auf die Verände-

rungen in den Arbeitsqualifikationen sowie in den Arbeitsorganisationen näher ein-

gegangen.

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Anschließend werden die Dimensionen des Wandels von Produktionsarbeit im Detail

untersucht. Dabei werden zum Einen die neuen Herausforderungen der Mensch-

Maschinen-Interaktion erläutert, in dem auf die neuen Qualifikationsanforderungen

verwiesen wird und neue Varianten von Arbeitstypen vorgestellt werden. Zum Ande-

ren soll hier aber auch auf die Veränderung in der Aufgabenstruktur und der Aufga-

bentätigkeit verwiesen werden. Abschließend wird in diesem Abschnitt noch auf

mögliche zukünftige Entwicklungsfelder in der Produktionsarbeit eingegangen.

Im zweiten Teil der Arbeit wird dann, mit Hilfe von Expertinnen- und Experteninter-

views, versucht, aktuelle Meinungen und Anliegen aus der Praxis aufzuzeigen. Die

Expertise der Wirtschaftskammer soll vor allem dazu dienen Wissen über aktuelle

Wirtschafts- und Politikprogramme, wie zum Beispiel „ProTRANS – 4.0“2 zu erlan-

gen. Diesbezüglich werden wir mit dem Geschäftsführer der Industrie-Sparte in der

WKOÖ Kontakt aufnehmen. Die Befragung in der Arbeiterkammer soll hingegen die

allgemeine Situation der Arbeiterinnen und Arbeiter in Bezug auf Industrie 4.0 auf-

zeigen und dies sollte durch die Befragung des Gewerkschaftsbundes PRO-GE ver-

tieft werden. Abschließend werden noch in Produktionsbetrieben Expertinnen- und

Experteninterviews durchgeführt, um die Sichtweise der direkt Betroffenen einzube-

ziehen, wobei sich hier besonders die Personalleitung, als Blick auf die bisherige und

zukünftige Umsetzung von Industrie 4.0 sowie der oder die Betriebsratsvorsitzende,

als Blick auf die Veränderungen für das Personal, eignen würden. Aber auch Vor-

standsmitglieder oder Geschäftsführerinnen bzw. Geschäftsführer zeigen sich hier

von besonderer Bedeutung. Gesamt werden somit 17 Interviews geführt.

Im letzten Schritt werden schließlich die Ergebnisse mit den literarischen Erkenntnis-

sen zusammengeführt und dabei ihre Bedeutung für die Zukunft der Produktionsar-

beit aufgezeigt.

2 Zuschuss für Entwicklung und Realisierung von Produktfindungsstrategien von KMU im Kontext mit

Produkt-, Prozess- (wie Industrie 4.0) oder Dienstleistungsinnovationen (vgl. aws 2015, o. S.)

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Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0

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Diese Arbeit entstand dabei in gemieinsamer Kooperation zwischen Carina Kerbl und

Martina Sturmair. Dabei war Frau Kerbl für folgende Teile federführend: „Der

Vorabend der industriellen Revolution“ und „Die feudalistische

Gesellschaftsordnung“ sowie für „Die industrielle Revolution und ihre vier

Phasen“. Frau Sturmair ist als Hauptverfasser folgender Teile zu betrachten: für

„Das Konzept von Industrie 4.0“, „Wandel der Arbeit“, „Der Wandel von

Produktionsarbeit in Richtung Industrie 4.0“ sowie „Die Modelle der Zukunft“.

Alle Teile der Arbeit wurden jedoch in gegenseitiger Rücksprache verfasst.

Ebenso wurde die Durchführung sowie die Verschriftlichung der empirischen Unter-

suchung in einer Gemeinschaftsproduktion entwickelt. Dabei verfasste Frau Kerbl die

Definierung des Forschungsdesigns ebenso wie die Darstellung der Durchführung

der Erhebung. Frau Sturmair befasste sich in diesem Teilstück mit der Problembe-

nennung sowie mit der Erläuterung der Aufbereitung und des Auswertungsver-

fahrens für die gewonnen Daten.

Bei der Auswertung der Ergebnisse sowie bei deren Zusammenfassung befasste

sich Frau Sturmair vor allem mit den Abschnitten über die Bedeutung des Konzep-

tes Industrie 4.0, die Subjektivierung und Entgrenzung in der Produktionsar-

beit“ sowie mit dem Abschnitt über erwartete Veränderungen in den Arbeitsbe-

dingungen und den Qualifikationsanforderungen. Frau Kerbl konzentrierte sich

hingegen auf die Bereiche über die Befürchtungen und Potenziale von Industrie

4.0, Zukunftsperspektiven und weitere Entwicklungen sowie auf die sonstigen

Anmerkungen die von den Befragten getätigt wurden.

Abschließend wurden die Forschungsfragen in Kooperation beantwortet sowie po-

tenzielle Handlungsempfehlungen formuliert.

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2. Theoretischer Hintergrund

Beim theoretischen Hintergrund zum Thema vom Wandel der Arbeit im Zeichen von

Industrie 4.0 werden zunächst die Ereignisse vor Beginn der ersten Phase der in-

dustriellen Revolution in Österreich bzw. in der damaligen Habsburgermonarchie be-

trachtet bevor die einzelnen Phasen der industriellen Revolution erläutert werden

sowie das Konzept von Industrie 4.0. Anschließend wird der Wandel der Arbeit, auch

speziell in der Produktionsarbeit diskutiert und danach potentielle Modelle der Zu-

kunft aufgezeigt.

2.1. Der Vorabend der industriellen Revolution und die feudalistische

Gesellschaftsordnung

Um die Vorgänge der industriellen Revolution nachvollziehen zu können, ist es es-

sentiell zunächst tiefer in die Geschichte einzutauchen und die Vorbedingungen so-

wie Hintergründe näher zu betrachten, die die industrielle Revolution ausgelöst ha-

ben oder genauer gesprochen wie es zum Auftakt der Industrie kommen konnte.

Der feudalistische Staat kann als ein Konstrukt aus Staats- und Ständebildung ver-

standen werden. Weiters beinhaltet dieser Begriff des Feudalismus auch das Le-

henswesen bzw. das Obrigkeitswesen in welches Bäuerinnen und Bauern, der Adel

und die Geistlichkeit involviert waren. Das Dienstverhältnis zwischen den involvierten

Akteuren beruhte auf Treue, dem Schutz des Lehnherren und die Sicherung des

standesgemäßen Lebensunterhaltes des Lehnherren durch Verrichtung als Ange-

stellter an seinem Hofe oder durch Abgaben in Form von Lebensmitteln seitens der

Untertanen. Der Lehensherr stellte seiner Gefolgschaft ein Lehnsgut bzw. einen zu

bewirtschaftenden Hof zur Verfügung. Den Bauern standen als Eigentum lediglich

das Vieh und die Gebäude selbst zu, denn das Grundstück blieb im Eigentum des

Lehensherrn. Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass drei Aspekte den Feuda-

lismus bzw. das Lehenswesen kennzeichnen: Zum Ersten die militärische Treue als

ausgebildeter Ritter in einem berufsmäßigen Stand des Kriegers. Zum Zweiten die

ökonomisch soziale Treue gegenüber dem Lehnherrn als in der Landwirtschaft tätige

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Bäuerin und tätiger Bauer. Zum Dritten Treue gegenüber dem Lehnherrn durch eine

lokale Herrenstellung im Feudalstaat. Durch diese drei Faktoren kann das gesamte

Lehenswesen skizziert werden. Es ist allerdings zu beachten, dass jeder Untertan

nur in einem dieser drei Aspekte tätig sein konnte. (vgl. Hintze 1970, S. 13 ff.)

Die feudalen Gegebenheiten erschwerten in gewissen Ländern eine Industrialisie-

rung, wie beispielsweise in Österreich oder Deutschland. Erst im fortgeschrittenen

19. Jahrhundert schreitete hier die industrielle Revolution voran. Vorher war es un-

möglich Arbeiterinnen und Arbeiter für die Fabriksarbeit anzuwerben, da die Bäue-

rinnen und Bauern sowie auch die Handwerkerinnen und Handwerker den jeweiligen

Vorschriften ihrer Städte Gehorsam leisten mussten. Demnach bedarf es einer Er-

laubnis für den Umzug in eine andere Stadt oder Provinz. (vgl. Henderson 1971, S.

25) Im Gegensatz zu Österreich waren die britischen Bäuerinnen und Bauern bereits

im 18. Jahrhundert von der Leibeigenschaft befreit und ihnen war es deshalb mög-

lich, sich frei zu bewegen sowie dort anzusiedeln, wo immer es ihnen beliebte. Auf

diesem Wege war es den bäuerlichen und handwerklichen Bevölkerungsschichten

möglich zu Beginn der Industrialisierung der Arbeiterschicht durch eine Anstellung in

den Fabriken beizutreten. (vgl. Henderson 1971, S. 25 f.)

Vor der industriellen Revolution waren die Handwerksbetriebe und die Gewerbe auf

einen ausschließlich regionalen Verkauf ausgerichtet (vgl. Voppel 1990, S. 32). Im

Handwerksbetrieb geschah der Produktionsablauf in Arbeitsschritten wie in der mo-

dernen Produktion auch. Der Arbeitsablauf hingegen fokussiert sich lediglich auf ei-

nen oder wenige Handgriffe. (vgl. Voppel 1990, S. 71) In kleinen Werkstätten bzw.

Handwerksbetrieben war es noch üblich, dass zwischen dem Meister und seinen

Gesellen ein enges Arbeits- aber auch ein enges persönliches Verhältnis vorhanden

war; vergleichbar mit einer guten Freundschaft. In den großen Fabriken war aufgrund

der hohen Arbeiterzahlen eine solche Bindung nicht mehr aufrecht zu erhalten. Aus

diesem Grund gewannen Gewerkschaften auch an Bedeutung, da es beispielsweise

Lohnverhandlungen der Arbeiterinnen und Arbeiter mit ihren Arbeitgeberinnen und

Arbeitgebern erleichterte. Da beide Parteien sich teilweise fremd waren und kein en-

ges Verhältnis zueinander hatten erleichterte eine starke Vereinigung mehrerer Be-

schäftigter die Durchsetzungskraft. (vgl. Henderson 1971, S. 153)

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Die aufgekommen Fabrik war mehr als eine vergrößerte Produktionseinheit im Ge-

gensatz zu den Handwerksbetrieben. Die Fabrik drückt ein noch nie dagewesenes,

neues gesellschaftliches Produktionssystem aus. Darin werden die Teilnehmerinnen

und Teilnehmer, welche die Arbeiterschaft wie auch die Arbeitgeberschaft umfassen

in einer Hierarchieform nach ihrer Funktion in der Fabrik gereiht. Die Unternehmerin-

nen und Unternehmen sind Eigentümer der Fabrik, haben das Kapital dafür bereitge-

stellt und stellten die Beschäftigten an. Den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern wird

auch die Herrschaftsgewalt der Effizienz der Produktionsfaktoren zugesprochen. Die

Industrialisierung transformiert schließlich die bis dato vorherrschenden Lebensbe-

dingungen der Menschen. (vgl. Matis 1988, S. 21 ff.)

Die Zeit des Feudalismus erstreckte sich in Europa bis ins 16. und 17. Jahrhundert

hinweg, wie zum Beispiel in England. In Frankreich endete der Feudalstaat im Zuge

der Französischen Revolution von 1789 bis 1799. Im 19. Jahrhundert schließlich kam

es in Europa zur Aufhebung des Feudalismus, welcher schließlich vom Kapitalismus

im Zuge der Industriellen Revolution abgelöst wurde. (vgl. Hintze 1970, S. 23)

2.2. Die industrielle Revolution und ihre vier Phasen

In vier zeitlich begrenzte Phasen wird die industrielle Revolution eingeteilt und die

industrielle Revolution ist durch vier essentielle Faktoren gekennzeichnet, welche

gleichzeitig ab Mitte des 18. Jahrhunderts auftraten, welche einen Prozess in Gang

setzten, der als industrielle Revolution bezeichnet wird. Doch zunächst begann die

Industrialisierung ab Mitte des 18. Jahrhunderts in Großbritannien und schließlich im

19. Jahrhundert gelangte sie auch in den Rest Europas sowie nach Nordamerika.

(vgl. Paulinyi 1989, S. 8 ff.) Der Begriff Industrialisierung bezeichnet „(…) die Substi-

tution von Arbeitskräften durch Einführung der maschinenbetriebenen Produktions-

technik, deren Ausbau und die technische Weiterentwicklung zu jeweils neuen Pro-

dukten sowie die Begründung neuer Industriezweige (…).“ (Voppel 1990, S. 21)

Bei der Industrialisierung handelt es sich um einen Ablauf, indem Konsum- sowie

Investitionsgüter durch verschiedene Verarbeitungsprozesse gefertigt werden. Dazu

kommen unter anderem Rohstoffe zum Einsatz, die zu einem Produkt verwertet wer-

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den. Die industrielle Revolution umfasst ein sogenanntes Drei-Sektoren-Modell, wo-

rin sich die Wirtschaftssektoren der Landwirtschaft, der Industrie mit dem des Berg-

baues sowie der Sektor der Dienstleistungen befinden. Die industrielle Revolution

veränderte die Lebensformen der Gesellschaft und führte im 18. Jahrhundert dazu,

dass die Stadtbevölkerung Großbritanniens von 15 auf 25 Prozent anstieg. Zudem

nahm der Bevölkerungsanteil in Industriegebieten durch irische Einwanderinnen und

Einwanderer sowie durch Binnenwanderungen zu. (vgl. Paulinyi 1989, S. 8 ff.)

2.2.1. Erste Phase der industriellen Revolution (Mitte, Ende 18. Jahrhun-

dert) in Großbritannien und die vier Faktoren der industriellen Revo-

lution

Die erste Phase der industriellen Revolution gliedert sich in die vier Faktoren: Ar-

beitskräfte und Bevölkerungswachstum, Maschinen und Erfindungen, Imperialismus

sowie Unternehmer und Kapital. Nachfolgend wird der erste Faktor, der die Arbeits-

kräfte und das Bevölkerungswachstum behandelt, beschrieben.

2.2.1.1. Arbeitskräfte und Bevölkerungswachstum

Ein wichtiger Faktor für die industrielle Revolution war zum Einen die Bevölkerungs-

zunahme und zum Anderen der Einsatz von Arbeitskräften in den Fabriken. (vgl.

Buchheim 1994, S. 55) Robert Malthus stellte um 1800 Theorien über die Bevölke-

rungszunahme und die damit verbundenen Nahrungsressourcen auf. Seiner Ansicht

nach kam es in der vorindustriellen Zeit des Öfteren zu Miseren aufgrund von Über-

bevölkerung. Im Laufe dieser Krisen kam die Bevölkerung am Ende immer an die

Schwelle des verfügbaren Nahrungsmittelangebotes. An diesem Punkt setzten meis-

tens Krisen ein, um die Bevölkerungsanzahl wiederum zu reduzieren, wie Hungerkri-

sen, das Aufkommen von verschiedenen tödlichen Epidemien oder das Aufflammen

neuer Kriege. In der Zeit der industriellen Revolution kam es zu einem rasanten An-

stieg der Bevölkerung, jedoch traten nicht sofort Umstände zur Bevölkerungsredukti-

on auf, obwohl allmählich die Grenze des Nahrungsmittelangebotes erreicht war.

(vgl. Buchheim 1994, S. 25 f.) Das Bevölkerungswachstum erhöhte die Nachfrage

nach Nahrungsmitteln sowie anderen Produktionsgütern, jedoch führten auf der ei-

nen Seite die Zunahme an potentiellen Arbeitskräften, auch zu einer höheren Ar-

beitslosigkeit, da auf der anderen Seite erst, im Zuge des industriellen Wachstums,

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die benötigten Arbeitsplätze geschaffen werden mussten. (vgl. Voppel 1990, S. 67)

Allerdings hielt das Bevölkerungswachstum über zwei weitere Generationen ab der

industriellen Revolution an, erstarrte schließlich für eine gewisse Zeitspanne an ei-

nem sehr hohen Fixpunkt, um letztendlich einen Rückschritt anzutreten auf einen

äußerst niedrigen Stand. In einzelnen Industriestaaten führte dies sogar zu negativen

Geburtenraten. (vgl. Buchheim 1994, S. 25 f.) Jedoch ermöglichte die industrielle

Revolution in den Industrienationen erst die Tatsache, dass mit dem wachsenden

Bevölkerungswachstum auch ein wachsender Lebensstandard der Bevölkerung ein-

herging. (vgl. Buchheim 1994, S. 48) Grund hierfür war auch die Produktivitätssteige-

rung in der Landwirtschaft seit dem Spätmittelalter, zirka seit Anfang des 16. Jahr-

hunderts. Dies trug ebenso zum Bevölkerungswachstum in erheblichem Ausmaße

bei. (vgl. Schultz 1983, S. 71)

Das Bevölkerungswachstum erbrachte der Industrie neue potentielle Arbeitskräfte,

wodurch es zur sogenannten „Landflucht“ das heißt zu einem Ortswechsel vom Land

in die Stadt kam. Zum Bevölkerungsanstieg trugen unter anderem eine geringere

Sterberate und die schrumpfende Kindersterblichkeit durch bessere Ernährung, Hy-

giene und medizinische Vorkehrungen bei. Der Wechsel dieser Arbeitskräfte in die

Fabriksarbeit stellte eine neue Verhaltensweise dar, die widersprüchlich mit früheren

Gewohnheiten war. Das Gebot der Disziplin und des Gehorsams der Arbeiterinnen

und Arbeiter wurde durch Disziplinierungsmaßnahmen seitens der Fabrikherren in

Form von Ge- und Verboten durchgesetzt. Im Zuge dessen gab es strenge Überwa-

chungen bezüglich der Anwesenheit am Arbeitsplatz. Als Sanktionsmittel wurden

Strafen wie Lohnkürzungen bei Erwachsenen oder auch körperliche Bestrafungs-

maßnahmen verwendet, vorzugsweise bei Kindern. (vgl. Paulinyi 1989, S. 210 f.)

In der Fabrik galt im 18. Jahrhundert zwar eine geregelte Tages- und Wochenar-

beitszeit für die Arbeiterinnen und Arbeiter; allerdings kann man diese nicht mit heu-

tigen Bedingungen vergleichen. Eine Arbeitswoche umfasste sechs Tage und ein

Arbeitstag zwölf Stunden ohne Pausen. Summiert ergab dies eine Wochenarbeitszeit

von bis zu achtzig Stunden. Der Arbeitsrhythmus wurde durch die Industrialisierung

nicht mehr von den Beschäftigten selbst festgelegt, sondern von den Maschinen vor-

gegeben. Aufgaben der Belegschaft waren unter anderem das Zuführen von Roh-

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stoffen in die Maschinen, Überwachung der Arbeitsvorgänge und schließlich das

Entgegennehmen des fertig produzierten Gutes. Es war eine monotone Arbeit mit

permanenter Wiederholung der gleichen Abläufe. Diese monotonen Handgriffe erfor-

derten nur wenig Aufmerksamkeit und Konzentration der Arbeiterinnen und Arbeiter.

(vgl. Paulinyi 1989, S. 209 f.)

Frauen arbeiteten nicht nur als Dienstbotinnen, als Gesinde oder als Haushaltskräfte

im bürgerlichen Haushalt, sondern im Zuge der Industrialisierung auch immer mehr

in der Fabrik, vorwiegend in der Textilbranche. Arbeitsgesetze wie ein Nachtarbeits-

verbot oder der Schutz von schwangeren Arbeiterinnen waren noch kein Thema. Die

skrupellose Ausbeutung der weiblichen Arbeiterinnen war an der Tagesordnung,

denn auch im Feudalismus verrichteten Frauen körperlich anstrengende Arbeiten am

Feld. (vgl. Ziegler 2005, S. 47 f.) Im Jahr 1851 waren immer noch ein Drittel der Ar-

beitskräfte in den britischen Industrien Frauen und Kinder, obwohl 1842 ein gesetzli-

ches Verbot für Kinderarbeit erlassen wurde. Frauen und Kinder wurden im Zuge der

Industrialisierung massenweise in Fabriken unter einem eigenständigen Lohnver-

hältnis außerhalb ihrer Familien beschäftigt. Den größten Anteil an Kinder- und Frau-

enarbeit konnte die Textil- bzw. die Baumwollbranche verzeichnen. Ergebnisse aus

statistischen Daten von 1835 ergaben einen 26-prozentigen Anteil an Männern über

18 Jahre unter den Beschäftigten, einen 48-prozentigen Anteil an Frauen, welche

über 13 Jahre alt waren sowie einen 13-prozentigen Kinderanteil. Drei Jahre später,

1838 sank der Anteil an Kinderbeschäftigten auf fünf Prozent, jedoch stieg synergie-

artig der Frauenanteil im selben Jahr von 48 auf 54 Prozent. Daten belegen, dass in

den Anfangsjahren der industriellen Revolution vermutet wurde, dass der Anteil an

Kinderarbeit bei weitem über 13 Prozent lag, denn Waisenhäuer vermittelten ihre

Schützlinge an Baumwollfabriken mit der Begründung der Deckung ihrer Unterbrin-

gungs- sowie Verpflegungskosten und dem Vorwand einer Ausbildung der Kinder in

diesen Fabriken. 1833 folgte schließlich ein Fabrikgesetz, welches den Umfang der

Arbeit von Jugendlichen, welche sich in einem Alter von 14 bis 18 Jahren befanden

auf einen zwölf-Stunden-Arbeitstag und jenen der Kinder im Alter von neun bis drei-

zehn Jahren auf einen neun-Stunden-Arbeitstag begrenzte. Vor dieser Gesetzeser-

lassung war eine 24-Stunden-Beschäftigung von Kindern keine Seltenheit. Wesentli-

che Merkmale der Kinder- und Frauenarbeit umfassten die geringere Entlohnung im

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Gegensatz zu den männlichen Arbeitern und die Möglichkeit jene zügig für etwaige

Hilfsarbeiten anlernen zu können; egal ob für körperliche oder maschinelle Tätigkei-

ten. (vgl. Paulinyi 1989, S. 213 f.)

Die Entstehung neuer Berufe am Beginn der Neuzeit war eine Folge der wachsen-

den Verstädterung. Verschiedene Berufe erlebten einen strukturellen Wandel, wie

beispielsweise das Entstehen von Manufakturen oder das Entstehen von Dienstleis-

tungsberufen. Berufe mit handwerklichem Charakter verschwanden immer mehr.

Viele Handwerkerinnen und Handwerker waren arbeitslos geworden. Dies führte zu

einem enormen Massenelend und zu sozialen Unruhen. (vgl. Palla 2014, Abschnitt

1) Aus diesem Grunde tauchte Mitte des 19. Jahrhunderts das Schlagwort der „Sozi-

alen Frage“ in Bezug auf die Arbeiterinnen und Arbeiter auf. Gemeint waren damit

die verelenden Arbeits- und Lebensbedingungen mit denen die Arbeiterschaft, im

speziellen auch mit Krankheiten, ihrem Alter, der Arbeitslosigkeit und gegebenenfalls

auch mit Invalidität, tagtäglich zu kämpfen hatte. Durch den Einsatz von Maschinen

stieg die Anzahl der Arbeitsunfälle rapide an, wobei die Verantwortung für solch ei-

nen Unfall die Arbeiterin bzw. der Arbeiter noch selbst zu tragen hatte. Krankheit o-

der auch Arbeitslosigkeit trugen nicht selten zur Bedrohung der Existenz der Arbeite-

rinnen und Arbeiter sowie deren Familien bei. (vgl. Ziegler 2005, S. 119 f.) Die Siche-

rung der Existenz der Familie war zudem von der Anzahl an arbeitstätigen Personen

samt Vater, Mutter und Kinder abhängig. Je mehr arbeitsfähig waren, desto besser

und sicherer war der Lebensunterhalt der gesamten Familie. (vgl. Matis 1988, S.

167)

Durch die Bevölkerungszunahme stieg im gleichen Maße auch der Bedarf nach Nah-

rung, Gebrauchsgegenständen und Beschäftigungsstellen. Die Herausforderung der

Industrie war es die Nachfrage an Nahrung und Gebrauchsgegenständen zu decken,

jedoch gab es zu wenig Erwerbsstellen. Vor der explosionsartigen Bevölkerungszu-

nahme bestand ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den beiden Faktoren der

Anzahl an Gesellschaftsmitgliedern sowie dem Angebot an Nahrungsmitteln. Der

Umfang an Eheschließungen war beschränkt und Sexualität sowie auch potentielle

Schwangerschaft vor der Ehe war strengstens untersagt und wurde ansonsten hart

sanktioniert. Die Menschen heirateten spät, denn es war auch nur jenen Männern

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gestattet zu heiraten, die eine gesamte Familie ernähren konnten. Die Anzahl an

Geburten, aber auch an Kindersterblichkeit war in vielen Ehen enorm hoch. Durch

Seuchen, Hungersnöte oder Kriege kam es zur Bevölkerungsreduzierung und so

konnte ein möglicher Geburtenüberschuss wiederrum beglichen werden. (vgl. Müller

2002, S. 20)

In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts kam es zur vermehrten Bevölke-

rungsumsiedlung von den ländlichen in die städtischen Gebiete, wo bald darauf Ar-

beitersiedlungen mit grauenhaften sozialen Verhältnissen entstanden. Diese Wohnsi-

tuation trug in großem Maße zur Verschlechterung der Lebensbedingungen der gan-

zen Arbeiterfamilie bei. Durch die miserablen hygienischen Bedingungen der Sied-

lungen stieg in den Städten die Krankheits- und Sterblichkeitsrate rapide an. Der

Prozess des Pauperismus, also der Fall einer zeitlich lang andauernden Armut nahm

ebenso durch die Industrialisierung zu. In der feudalistischen Zeit hatte die Bauern-

familie noch landwirtschaftlichen Besitz, wie Vieh, welches aber dann im Zuge des

Kapitalismus und der industriellen Revolution wegfiel indem die Familien den Status

von Arbeiterinnen und Arbeitern übernahmen. Der Besitz der Fabrik befand sich im

Eigentum der Unternehmer. Die pauperisierte Gruppe umfasste nicht nur Arbeiterin-

nen und Arbeiter, sondern auch Kleinbauern sowie jene aus dem ländlichen Klein-

gewerbe. (vgl. Matis 1988, S. 167; 173 f.) Auch Polanyi erwähnte die Thematik des

Pauperismus und erörterte, dass Arme nicht nur in unfruchtbaren, ökonomisch

schwachen Ländern zu finden seien, sondern auch in den Industrieländern. Pau-

perismus und Fortschritt gehen miteinander einher und stellten eine eigene Bevölke-

rungsschicht dar. (vgl. Polanyi 1978, S. 147 f.)

Die Strukturen der Familien veränderten sich ebenso im Verlauf der Industrialisie-

rung. Vor der industriellen Revolution war die gesamte Bauernfamilie im eigenen

Haus beschäftigt. Jetzt verließen die Familienmitglieder die häusliche Gemeinschaft

um als Arbeiterinnen und Arbeiter den Unterhalt für die Familie zu bestreiten. Durch

das Verbot der Kinderarbeit galten Kinder nicht länger als potentielle Arbeitskräfte für

die Familie, wie es noch im Feudalismus vorwiegend der vertretene Standpunkt war.

Die Auswirkung davon war die Reduzierung der Anzahl der Kinder je Familie. Durch

die verringerte Anzahl an Kindern war das Lebensalter der Kinder entscheidend;

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denn dieses entschied darüber ob sie bereits für einen Anteil am Lebensunterhalt der

Familie arbeiten konnten. (vgl. Matis 1988, S. 167 f.)

Sozialgesetze existierten im 19. Jahrhundert noch nicht, sondern lediglich ein Sozia-

listengesetz aus dem Jahr 1878, welches sozialistische Arbeiterparteien und Ge-

werkschaften per Gesetz verbot. In Deutschland kam es in den 1880er Jahren zu

verschiedensten Sozialversicherungsgesetzen, welche auch eine Kranken, Unfall,

Alters- und Invalidenversicherung umfassten. Bis ins Jahr 1890 fanden die Aufhe-

bungen der Sonntagsarbeit statt, die Reduzierung der Tagesarbeitszeit, die Festle-

gung von Mindestlöhnen für Arbeiterinnen und Arbeiter sowie Schutzbestimmungen

für Frauen und Kinder. (vgl. Ziegler 2005, S. 120 f.)

Im Zuge der „sozialen Frage“ und der sozialen Probleme der Industriearbeiterinnen

und –arbeiter ergriffen sie Selbsthilfe, da der Staat keine Veranlassung zur Einschrei-

tung sah. Arbeiterinnen und Arbeiter gründeten Gewerkschaften und sie versuchten

durch Selbstbildung ihre geringe Schulbildung aufzuwerten. Ersparnisse wurden auf

Banken gelegt oder in Unterstützungsvereine eingezahlt. 1798 wurde die erste Spar-

kasse in Tottenham in England von Prisicilla Wakefield sowie eine weitere Filiale

schließlich in Schottland von Henry Duncan konstituiert. Sparkassen wurden fortan in

weiteren Industrienationen etabliert, um den Arbeiterinnen und Arbeitern die Mög-

lichkeit zu eröffnen im Falle von Krankheit oder einer Arbeitslosigkeit ihre Ersparnis-

se zu verwerten anstatt sich an die Wohlfahrt zu wenden. Gleichzeitig wurde so das

Sparen unter der Arbeiterschaft gefördert. Die erste Postsparkasse wurde schließlich

1861 fertig gestellt. Gründerinnen und Gründer der Sparkassen waren unter ande-

rem Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, die Stadtverwaltung oder auch der Staat

selbst. Bei Versicherungsvereine hingegen setzte sich die Gründerschaft aus Arbei-

terinnen sowie Arbeitern zusammen, welche den Verein auch selbst verwalteten und

führten. Die Vereinsmitglieder bezahlten wöchentlich ihren Mitgliedsbeitrag und er-

hielten im Gegenzug Unterstützung des Vereins im Fall von Krankheit oder Arbeits-

losigkeit. (vgl. Henderson 1971, S. 143 ff.)

Genossenschaften wurden ebenso im Zuge der Selbsthilfetätigkeiten der Industrie-

arbeiterinnen und –arbeiter fundiert. Darunter fallen Produktionsgenossenschaften,

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Banken, aber auch bäuerliche Genossenschaftsvereinigungen. Durch einen Geset-

zesbeschluss des Jahres 1862 wurde die Gründung einer Gesellschaft mit be-

schränkter Haftung gestattet. Auf diesem Wege konnten die Genossenschaftsmit-

glieder gegenseitig Kapital investieren und ebenso beispielsweise Produktionsge-

nossenschaften gründen. Der Ursprung der Konsumgenossenschaft ist in Großbri-

tannien und jener der Genossenschaftsbank in Deutschland zu finden. In den 1850er

Jahren gründete F. W. Raiffeisen die Raiffeisenbank. Als Raiffeisen in einer kleinen

Stadt im Gebiet um Preußen-Sachsen die Position als Bürgermeister inne hatte, be-

merkte er die Armut der Arbeiterinnen und Arbeiter, die Überstunden verrichten

mussten, um sich ihren Lebensunterhalt und den ihrer Familie sichern zu können.

Diese Überstunden schlugen sich schließlich auf den Gesundheitszustand der Be-

schäftigten. 1849 errichtete Raiffeisen einen Hilfsverein für erkrankte Arbeiterinnen

und Arbeiter und schließlich 1850 die allererste Genossenschaftsbank. Die Raiffei-

senbank war auf das Klientel der Kleinbäuerinnen und –bauern, Handwerkerinnen

und Handwerker sowie auf Kaufleute in kleineren Dörfern bzw. Gemeinden ausge-

richtet. Es ging vorwiegend bei der Gründung von Genossenschaften und auch bei

den Genossenschaftsbanken, wie der Raiffeisenbank um die Förderung der jeweili-

gen Genossenschaftsmitglieder. Die Ansiedlung von Industriegenossenschaften fand

nur in Großbritannien, Frankreich sowie in Italien statt. Des Weiteren konnte die In-

dustriegenossenschaft weniger Erfolg als landwirtschaftlich orientierte Genossen-

schaftsverbände verzeichnen. (vgl. Henderson 1971, S. 146 ff.)

Gewerkschaftsvereinigungen entstanden ebenso im Zuge der Selbsthilfe der Arbeite-

rinnen und Arbeiter. Als reine Arbeitervereinigungen können Gewerkschaften be-

trachtet werden, die im Falle der Androhung von Streiks höhere Löhne, bessere Ar-

beitsbedingungen oder dergleichen von den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern for-

dern konnten. Im Verbund der Gewerkschaft waren solche Forderungen leichter

durchzusetzen. Man trat als eine starke Verbindung auf, die mehr für die Beschäftig-

ten bewegen konnte als eine einzelne Arbeiterin oder ein einzelner Arbeiter. Auf-

grund der großen Durchsetzungskraft der Gewerkschaften waren diese bei Arbeitge-

berinnen und Arbeitgebern nicht besonders beliebt und wurden somit zwischen 1799

und 1800 gesetzlich verboten. Die britische Handwerksvereinigung des 18. Jahrhun-

derts setzte sich für gerechte Löhne und auch für die Verpflegung sowie Unterbrin-

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gung Arbeitssuchender ein, welche auf der Suche nach einer Anstellung von Stadt

zu Stadt wanderten. Die größte Ausdehnung hinsichtlich der Mitgliederzahlen in den

Gewerkschaften summierte sich zwischen den Jahren 1871 bis 1914. Arbeiterstreiks

wurden seitens der Arbeitgeberschaft so sehr verhasst, dass es 1871 zu einem

Streikverbot kam und lediglich eine friedliche Demonstration per Gesetz gestattet

wurde. Bei den Unternehmerinnen und Unternehmen sowie bei der Regierung waren

Gewerkschaften ein Übel. Aufgrund dessen versuchten Regierungen das Wachstum

von Gewerkschaften in ganz Europa durch entsprechende Gesetzgebung zu verhin-

dern. Freie Gewerkschaften haderten lange Zeit um ihre Anerkennung und Unter-

stützung. Ende des 19. Jahrhunderts konnten die freien Gewerkschaften jedoch ho-

he Mitgliedszahlen verzeichnen und hatten somit ihr Recht auf die Gründung eines

gewerkschaftlichen Bündnisses. (vgl. Henderson 1971, S. 153 ff.) Als gewisserma-

ßen berühmt angesehene Arbeiteraufstände werden zum Einen der Aufstand der

schlesischen Weber im Jahr 1844 sowie zum Anderen die Unruhen der Arbeiterinnen

und Arbeiter in Lyon, Frankreich zwischen 1831 und 1834 betrachtet. (vgl. Hender-

son 1971, S. 183 ff.)

Wirtschaftstheoretiker wie Adam Smith befassten sich um 1775 mit der Arbeitstätig-

keit an sich und deren Resultaten daraus. In Smiths Analysen ging es vorwiegend

um die Produktivität, die Arbeiterinnen sowie Arbeiter, das Einkommen der Erwerb-

stätigen, die Güter und die Staatsausgaben. Spezielles Augenmerkt legte Smith aber

auf den essentiellen Wohlstand durch die Arbeit einer gesamten Gesellschaft. (vgl.

Smith 1978, S. 3 ff.) David Ricardo, ein weiterer Wirtschaftstheoretiker war der Auf-

fassung, dass der Fortschritt nicht ohne einen sozialen Preis verlaufen werde. Reale

Arbeitslöhne könnten nur durch den Fortschritt der Produktion erfolgen. Der Lohn für

die Arbeit müsse am Existenzminimum sein Gleichgewicht finden. (vgl. Müller 1992,

S. 135 f.) Doch das enorm hohe Angebot an potentiellen Arbeitskräften drückte das

Lohnniveau unter ein Existenzminimum. Die Erhöhung der Löhne folgte erst in späte-

rer Zeit. (vgl. Matis 1988, S. 170). Fortan galt das Diktat der freien Marktwirtschaft im

kapitalistischen System und nicht länger die feudalistischen Bedingungen und Re-

geln der häuslichen Gemeinschaft. (vgl. Matis 1988, S. 174)

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2.2.1.2. Maschinen und Erfindungen

Nachdem im ersten Faktor die Arbeitskräfte und das Bevölkerungswachstum erläu-

tert wurden, werden im zweiten Faktor der industriellen Revolution die Maschinen

und Erfindungen diskutiert. Der Beginn der Industrialisierung fand in Großbritannien

des 18. Jahrhunderts statt, bevor die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert auch

nach Europa und Nordamerika übergriff. Die bis dato herkömmlichen feudalen

Handwerksbetriebe wurden kontinuierlich mechanisiert und industrialisiert. Mitte des

20. Jahrhunderts war die Industrialisierung in fast jedem Land Europas verankert.

(vgl. Voppel 1990, S. 15 ff.; vgl. Buchheim 1994, S. 45, 69)

Jedoch dauerte die industrielle Revolution bzw. die erste Phase der industriellen Re-

volution in Großbritannien von 1750 bis 1850. Mitte des 19. Jahrhunderts war aller-

dings die Hälfte der gesamten Wirtschaft Großbritanniens im Hand-, Heim- und

Hausgewerbe verankert. Der landwirtschaftliche Sektor – in der vorindustriellen Zeit

noch der dominante Wirtschaftssektor – schrumpfte auf ein Viertel des gesamten

Wirtschaftsumfanges (vgl. Buchheim 1994, S. 45) Rund zwei Drittel der gesamten

Arbeitskräfte Großbritanniens waren um 1800 noch im Agrarsektor beschäftigt und

schließlich 1840 belief sich diese Zahl nur noch auf weniger als dreißig Prozent. Im

Vergleich dazu waren um das Jahr 1880 in Österreich bzw. im österreichischen Teil

der Monarchie Österreich-Ungarn noch fast sechzig Prozent aller Arbeiterinnen und

Arbeiter in der Landwirtschaft tätig. (vgl. Buchheim 1994, S. 52).

Die Produktion der Nahrungsmittel für die schnell wachsende Bevölkerung Großbri-

tanniens konnte durch die vorangeschrittene industrielle Revolution gesichert wer-

den. Aus diesem Grund spielt die sogenannte „Agrarrevolution“ eine beachtliche Rol-

le im Voranschreiten der industriellen Revolution. (vgl. Buchheim 1994, S. 49 ff.) Zu-

nehmende Investitionen in die landwirtschaftliche Produktion und die Verwendung

neuer Anbaumethoden ermöglichten einen größeren landwirtschaftlichen Ertrag. Es

kam zur Entmachtung der Dreifelderwirtschaft und zur Aufnahme der Fruchtwech-

selwirtschaft, bei dem man Pflanzen säte, die das Erdreich wieder mit Stickstoff ver-

sorgten. Durch die Abwechslung von Viehzucht und Ackerbau auf den Feldern sowie

durch den Fortschritt bei der Saatgutauswahl konnte der Ertrag der Landwirtschaft

zunehmend gesteigert werden. Allerdings wurde aufgrund der sozialen Dreiteilung in

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der Agrarwirtschaft die bäuerliche Unterschicht dazu verdammt ihren Lebensunter-

halt als Lohnarbeiterinnen und –arbeiter zu bestreiten. (vgl. Buchheim 1994, S. 53 f.)

Die Bevölkerungsstruktur war nicht alleine ein Grund für das Vorankommen der In-

dustrialisierung. Die Wirtschaftshistorikerin Phylllis Deane sah in der technischen

Entwicklung ebenso einen wichtigen Faktor für die industrielle Revolution. (vgl.

Buchheim 1994, S. 55)

Die Energieversorgung der Fabriken in der Industrie wurde durch Pumpen, Förder-

maschinen oder auch das Wasserrad ermöglicht. Dies gewährleistet auch die De-

ckung eines steigenden Bedarfes an Energie. Dadurch wurde die Antriebskraft von

Mensch und Tieren durch Wind und Wasser teilweise abgelöst. Der sehr vielseitig

mögliche Einsatz der Dampfmaschine als eine Art Universalmotor garantierte ebenso

den zunehmenden Energiebedarf der Fabriken. (vgl. Paulinyi 1989, S. 158 ff.)

Die Baumwollindustrie bzw. das Textilgewerbe Großbritanniens wurde dahingehend

mechanisiert, dass das Spinnen von Garn maschinell vollzogen und auf diese Weise

die Produktion ankurbelte wurde. James Hargreaves entwickelte 1768 ein spezielles

Spindelprinzip und taufte es auf den Namen „Spinning Jenny“. Richard Arkwright ge-

nerierte ein Jahr später eine Spinnradmethodik, welche als „Waterframe“ bezeichnet

wurde. Durch die Verknüpfung der „Waterframe“ und der „Jenny“ zu „Mule“ entwarf

1779 Samuel Cromptons ein automatisch feines Spinnen und ermöglichte auf die-

sem Weg die Grundlage für die kostengünstige Herstellung in der Garnindustrie bei

gleichzeitiger Ermöglichung größtmöglicher Qualität und Zartheit der Gespinste. Das

Wachstum der britischen Baumwollindustrie war fortan nicht mehr aufzuhalten und

übertrumpfte Anfang des 19. Jahrhunderts bereits die bis dato produktionsmäßig

größte Branche, die Wollindustrie. Als Kennzeichen der Industrie fungierte die Mas-

senproduktion in einer zentralen Arbeitsstätte, der Fabrik. Mit Hilfe von Maschinen

stellen Arbeiterinnen und Arbeiter Produkte her. Auf dieser neu geschaffenen Ar-

beitsgrundlage wurde die Ausbildung der Beschäftigten im Sinne einer höheren Ar-

beitsdisziplin bei gleichzeitiger geringerer Bestimmung über den Arbeitsvorgang er-

möglicht. 1787 erfand Edmund Cartwright den mechanischen Webstuhl, da es auf-

grund der Erfindungen in der Garnindustrie zu einer enormen Erweiterung der

Handweberei kam. Allerdings war der Erfolg des mechanischen Webstuhls nach di-

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versen Verbesserungen erst in den 1820er Jahren bahnbrechend. (vgl. Buchheim

1994, S. 55 f.) Die Entwicklungen von Spinnmaschinen und der Dampfmaschine kre-

ierten die Basis für den Aufbau des Fabrikssystems und durch die wachsende Textil-

industrie entstanden weitere Industriezweige. (vgl. Palla 2014, Abschnitt 1)

Die Eisen-, Stahl- und Kohleindustrie erreichte durch den industriellen Aufschwung

ebenso ihren Erfolg. 1709 schaffte Abraham Darby die Verhüttung bzw. die Verarbei-

tung von Eisenerz mit Steinkohlenkoks. Dies war von Bedeutung, da Großbritannien

viel an Steinkohlerohstoffen besaß, allerdings nur wenig Holzkohlenrohstoffe. Erz

und Holzkohle waren die essentiellsten Grundbausteine der Produktion von Eisen-

stücken. (vgl. Buchheim 1994, S. 56 f.)

Durch die Erfindung der Dampfmaschine im Jahr 1712 von Thomas Newcomen und

den darauffolgenden Verbesserung sowie Patentierung dieser 1769 von James Watt,

wurde die Industrialisierung weiter beschleunigt, wenn nicht sogar erst konstituiert.

Vor den Erneuerungen an der Dampfmaschine durch James Watt war die ursprüngli-

che Dampfmaschine von Thomas Newcomen bereits einige Jahrzehnte im industriel-

len Betrieb im Einsatz. Dennoch beschränkte sich die ursprüngliche Dampfmaschine

auf das Wasserpumpen in Bergwerken bis James Watt das Wirkungsmaß durch die

Konstruktion eines getrennten Kondensators steigerte. Durch die Anfertigung einer

Gerätschaft für eine Kreisbewegung des Kolbens statt einer Pumpbewegung wurde

von Watt eine universale Maschine kreiert, die in allen industriellen Arbeitsbereichen

eingesetzt werden konnte. (vgl. Buchheim 1994, S. 57 f.) Weiters wurde durch Watts

Weiterentwicklung der Brennstoffverbrauch der Dampfmaschine reduziert und ver-

hinderte den enormen Wärmeverlust des Zylinders. Zusammenfassend erläutert wa-

ren die wichtigsten Verbesserungen der Dampfmaschine durch Watt der getrennte

Kondensator, die Luftpumpe sowie der Zylinder, welcher durch einen Dampfmantel

umschlungen wird. (vgl. Paulinyi 1989, S. 162 f.)

So glanzvoll und produktiv die Erfindung der Dampfmaschine auch war, so wenig

war ihr Gebrauch für Bohr- und Drehtätigkeiten in der Industrie von Nutzen. Die Kon-

struktion einer modernisierten Drehmaschine erschien somit unerlässlich. In den

1790er Jahren gelang Henry Maudslay und Joseph Bramah der Bau einer speziellen

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Maschine und von Werkzeugen, um Bohr- und Drehtätigkeiten in modernisierter

Form abzuwickeln. 1794 konstruierte Maudslay einen beweglichen Werkzeugschlit-

ten. Eine Schraubenschneide- und Schraubendrehmaschine sollte ebenfalls für die

zukünftige Ausrüstung von Handdrehbänken dienen. Durch Maudslays Erfindungen

konnten Güter aus dem Bohr- und Drehbereich von da an zügiger und kostengünsti-

ger gefertigt werden. Kurz gesagt ermöglichte Henry Maudslay die Transformation

der einfachen Drehbank durch einen Werkzeugschlitten zur modernen Drehmaschi-

ne. (vgl. Paulinyi 1989, S. 93 ff.)

In der Eisenindustrie stockte die Produktion trotz der Erfindung des Verfahrens der

Verhüttung von Eisenerz mit Steinkohlenkoks von Abraham Darby, denn das Koksei-

sen verbreitete sich in der Verarbeitung nur schleppend aufgrund von Zweifeln beim

Herstellungsverfahren und wegen mangelhafter Erzeugnisse. Infolgedessen fand

Watts Dampfmaschine durch eine Idee von John Wilkinson ihren Einsatz in der Ei-

senverarbeitung. Wilkinson benutzte die Dampfmaschine für das Gebläse des Hoch-

ofens und ebnete somit den Weg für eine schnelle sowie brauchbare Herstellung von

Kokseisen ohne Einsatz von Wasser. Folglich wurden größere Hochöfen gebaut und

der Mangel an Roheisen löste sich auf. Jedenfalls blieb noch ein Erschwernis vor-

handen: Das durch Koks hergestellte Roheisen war nur für den Eisenguss brauchbar

aufgrund seines hohen Anteils an Kohlenstoff. Im Jahr 1784 beseitigte Henry Cort

durch sein erfundenes „Puddelverfahren“ diese Problematik. Beim „Puddelverfahren“

wird das rohe Eisen erneut erhitzt, die Luft lässt den Kohlenstoff schließlich oxydie-

ren und die Luft verflüchtigt sich wiederum als Gas. Das schmiedbare Stabeisen,

welches als Resultat aus dem „Puddelverfahren“ hervorging eignete sich für jegliche

industrielle Aufgabe. (vgl. Buchheim 1994, S. 57)

Das „Puddelverfahren“ von Henry Cort war aber zunächst im Jahr 1784 als „Flammo-

fenfrischen“ patentiert worden. Der Name „Flammofenfrischen“ stammt daher, dass

man rohes Eisenmaterial in einem sogenannten Flammofen durch Steinkohle frischte

bzw. auf diesem Wege der Kohlenstoffanteil im Eisen verringert wurde. Die spätere

Bezeichnung des „Flammofenfrischen“ in das „Puddelverfahren“ leitet sich aus dem

deutschen Buddeln oder auch Rühren ab und war unter Hüttenleuten die gängige

Definition des Verfahrens von Cort. Schließlich wurde der Ausdruck des „Puddelver-

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fahrens“ der gebräuchliche Fachausdruck hierfür. (vgl. Paulinyi 1989, S. 125 ff.)

Ebenso entmachteten die Walzverfahren im Zuge der industriellen Revolution die bis

zu diesem Zeitpunkt verwendeten Schmiedeverfahren, wie sie auch noch aus den

feudalistischen Handwerksbetrieben bekannt waren. (vgl. Paulinyi 1989, S. 131 ff.)

Die Transporttechnik und das Kommunikationswesen entwickelten sich ebenso im

Zuge der Industrialisierung. Es bestand ein immer weiter zunehmendes Transport-

aufkommen regional wie auch international. Obwohl zunächst bereits vorhandene

Land- und Wassertransportwege optimiert wurden, diente das Pferd als wichtigstes

Mittel für Fortbewegung und Transport. Der Ausbau Großbritanniens Wasserstraßen

war effizienter als die Ausdehnung des Schienennetzes für den Dampfeisenbahnver-

kehr bzw. bis zu dessen ersten Bau um das Jahr 1830. Ab der zweiten Hälfte des 18.

Jahrhunderts wurden in Großbritannien nicht nur Flussregulierungen für das Trans-

portwesen vorgenommen, sondern es wurde auch ein Grundkanalnetz angelegt. Um

das Jahr 1760 belief sich die Anzahl an Großbritanniens Wasserwegen für den

Transport mit Schiffen auf mehr als eintausend Meilen. Aufgrund der Kanäle und an-

deren Wasserstraßen konnte das erhöhte Verkehrsaufkommen der Industrialisierung

gemeistert werden. Die gewöhnlichen Straßen in Großbritannien waren größtenteils

unbefestigt und deren Benützung war demnach stark vom Wetter abhängig. Der

Landverkehr wurde zwischen 1750 und 1830 Verbesserungen und Erweiterungen

unterzogen. Bis 1800 umfasste das britische gebührenpflichtige Straßennetz rund

22.000 Meilen. Doch lediglich befestigte Straßen würden eine Optimierung der

Transporte zu Land ermöglichen. Hierbei kam die „Packlage-Bauweise“, die in Groß-

britannien von John Metcalf, Thomas Telford und von John McAdam Anwendung

fand zum Einsatz. Im Grunde handelte es sich hierbei um einen nicht britischen Ein-

fall. Bei dieser Bauweise wurden mehrere wasserundurchlässige Steinschichten

verwendet. (vgl. Paulinyi 1989, S. 169 ff.)

Die Dampfeisenbahn ebnete aber den Weg für den Siegeszug des Schienentrans-

portes. Als erstes wurden die Holzräder durch Gusseisenräder in den 1720er Jahren

ersetzt bevor schließlich 1767 gusseiserne Schienen in Großbritannien verlegt wur-

den. Als Erfinder der Dampflokomotive wird Richard Trevithick benannt. Auch wenn

der Name der Dampfeisenbahn zunächst auf die Dampfmaschine von James Watt

verweisen will, kommt hier allerdings anstatt dem Wattschen Niederdruckdampfver-

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fahren das Hochdruckdampfverfahren zum Einsatz. Im Jahr 1808 stellte Trevithick

schließlich seine Dampflokomotive in London vor, zuvor wurde allerdings bereits das

Dampfschiff erfunden, welches jedoch erst in den 1860er Jahren vermehrten zum

Einsatz kam. Den Meilenstein in der Dampfschifffahrt legte der Amerikaner Robert

Fulton und sein Dampfschiff wurde mit einem doppelten Wattschen Niederdruck-

dampfmotor angetrieben. Für die britische Küstenschifffahrt waren die Dampfschiffe

dabei von größerer Wichtigkeit als für die übrigen Regionen Großbritanniens. Erst

1873 fanden Dampfschiffe in der Hochseeschifffahrt Einzug. Um den Antrieb der

Dampfschiffe für Hochseefahrten zu ermöglichen wurden Schiffsteile aus Eisen an-

gefertigt. Zudem wurde noch der Wirkungsgrad der Dampfschiffe gesteigert, um den

Kohleverbrauch auf langen Strecken so gering wie möglich zu halten. Der Antrieb

von Dampfschiffen mittels Schiffsschraube wurde 1829 durch F. Pettit Smith paten-

tiert. Somit wurde zum Einen die Antriebsart verbessert und zum Anderen der An-

trieb mittels Schaufelräder durch Kohle abgelöst. (vgl. Paulinyi 1989, S. 181 ff.)

Vor der Elektrizität als Lichtquelle, war Leuchtgas aus Steinkohle der verwendete

Ausgangspunkt. Leuchtgas ist ein Nebenprodukt der Verkokung der Steinkohle. En-

de des 18. Jahrhunderts wurde das bis dato ungebrauchte Gas der Steinkohleerzeu-

gung für die Leuchtgaserzeugung eingesetzt. Durch den Verbrauch von Sauerstoff

durch das ausströmende Gas war die Beleuchtung flächenmäßig kleinerer Räum-

lichkeiten nicht gerade zweckmäßig. Daher waren die größten Kunden der Gasin-

dustrie vorwiegend Textilfabriken. (vgl. Paulinyi 1989, S. 156)

Einen wesentlichen Schwachpunkt der Gasbeleuchtung stellten die Entstehung von

Ruß der Flamme sowie deren verbrauchen von Sauerstoff dar. In flächenmäßig en-

gen Räumen führte daher die Verwendung von Gas- oder Petroleumleuchten durch

das Verbrauchen des Sauerstoffes in diesem Raum häufig bei Menschen zu Kopf-

schmerzen. Zur Konkurrenz für die Gasbeleuchtung entwickelte sich die Glühlampe,

welche im Zuge der Entdeckung der Elektrizität ihren Siegeszug antrat. (vgl. Ziegler

2005, S. 122 f.)

Das Vorhandensein von Elektrizität wurde vom Physiker Volta im Jahr 1797 nachge-

wiesen und auch er experimentierte, wie einige andere Wissenschaftlerinnen und

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Wissenschaftler mit Batterien. Volta benutzte eine chemische Reaktion in der Batte-

rie, um auf diesem Wege Strom zu erzeugen. Durch die Erfindung des Telegraphen

kam erstmals der elektrische Strom zur Anwendung. In Deutschland wurden Tele-

graphen von Gaus und Weber, in Amerika von Morse und in England von Wheatsto-

ne und Cooke entworfen. Effiziente Dynamos, die durch Wasserräder oder durch

Dampfmaschinen angetrieben wurden, wurden von Antonio Pacinotti und Werner

Siemens entwickelt. (vgl. Henderson 1971, S. 56 f.)

Der Engländer Swan und der Amerikaner Edison konzipierten die Fadenlampe um

1878 und 1879. Carl Auer von Welsbach entwarf die Osmium-Lampe mit Metallfa-

den, durch welche Elektrizität als Lichtquelle gebrauch finden konnte. (vgl. Hender-

son 1971, S. 56 f.) Doch die rohe Glühbirne und die Glühlampe waren wirtschaftlich

betrachtet ohne die Entwicklung eines gesamten elektrischen Systems wenig innova-

tiv. Thomas A. Edison entwickelte verschiedenste technische Pläne für den Einsatz

von elektrischem Licht. Zunächst wurde Kupfer für die Kraftübertragung des Stroms

eingesetzt. Dies stellte allerdings noch keine kostengünstige und für alle Bevölke-

rungsschichten bezahlbare Variante im Gegensatz zur Gasbeleuchtung dar. Edison

lies im Jahr 1882 die allererste Glühlampe für die Bevölkerung ersichtlich im Ban-

kenhaus von New York erhellen. Die Kraftwerke der Elektrizitätsherstellung hatten

jedoch mit Kapazitätsproblemen zu kämpfen, da Strom vorwiegend abends und

nachts zur Beleuchtung benötigt wurde. Unter Tags war die Auslastung so gering,

dass manche Kraftwerke zu den Tageszeiten ihre Herstellung still legten. Großstädte

kamen aufgrund dieses Erschwernisses zur Idee eines Systems, dass verschiedene

Betriebsbereiche, in denen Elektrizität zukünftig eingesetzt werden konnte, vereinig-

te. Auf diesem Wege kam es zur Elektrifizierung des Verkehrswesens; vor allem be-

traf dies den öffentlichen Personenverkehr im Nah- und Fernbereich. Dies läutete die

Entwicklung der elektrischen Straßenbahn sowie auch der elektrischen Eisenbahn

ein (vgl. Ziegler 2005, S. 123 ff.)

Die elektrische Straßenbahn wurde von Werner Siemens und die elektrische Eisen-

bahn von seinem Bruder Wilhelm Siemens in den 1880er Jahren erfunden. Zehn

Jahre später, in den 1890er Jahren wurden in London, Boston und Budapest U-

Bahnen in Gebrauch genommen. Auf diesem Wege wurden auch die ersten Elektrizi-

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tätswerke gebaut. In New York wurde das erste von Edison und in London das erste

Werk von Ferranti eröffnet. Der Vorteil des Generators im Gegensatz zur Dampfma-

schine machte sich dadurch bemerkbar, dass die erzeugte Kraft der Dampfmaschine

sofort, am produzierten Ort eingesetzt werden musste, während im Gegensatz dazu

der Generator die Energie an eine andere Stelle transferieren konnte, um sie dort zu

benutzen. Das Telefon wurde erstmals von Bell und Edison in Amerika entwickelt,

bevor die Experimente dazu von Reis in Deutschland sowie von Wheatstone in

Großbritannien weiterverfolgt wurden und schließlich der italienische Ingenieur Mar-

coni ein Telefon erfand, mit dem Botschaften übersendet werden konnten. Dieses

Telefon basierte auf elektromagnetischen Wellen, welche von Maxwell und Hertz er-

gründet wurden. (vgl. Henderson 1971, S. 57)

Der deutsche Journalist und Philosoph Friedrich Engels äußerte seine Ansicht zur

Elektrizität in einem Brief an den sozialdemokratischen Politiker Eduard Bernstein als

eine revolutionäre Entwicklung für die Industrie. Begeistert hatte Engels der niedrige

Kraftaufwand und die Übertragung des Stroms an verschiedene Orte. Weiters erhoff-

te sich Engels in der Elektrizität einen Pfad zur Außerkraftsetzung des Stadt-Land-

Gefälles. (vgl. Ziegler 2005, S. 128)

Ebenfalls im 19. Jahrhundert kam es zur Erfindung eines Verbrennungsmotors. Die

Produktion von Gasmotoren fand in Deutschland sowie in Frankreich in den 1860er

Jahren statt. 1864 wurde vom Wiener Siegfried Marcus der Benzinmotor entwickelt

und ebenfalls von ihm 1875 das erste Automobil. Die industrielle Fertigung von Ben-

zinmotoren wurde von Otto und Langen ermöglicht. Gottfried Daimler und Wilhelm

Maybach konstruierten in Zusammenarbeit den Viertaktmotor. Dieser neue konstru-

ierte Viertaktmotor wurde von Karl Benz in Mannheim schließlich in Automobile im-

plementiert. Karl Benz entwarf und produzierte den Volkswagen „Velo“, welcher da-

mals bereits eine Stundengeschwindigkeit von bis zu 20 km erreichen konnte. Der

anfängliche Kältetechniker Rudolf Diesel konstruierte außerdem den Dieselmotor,

der mit seinem Namen versehen wurde. (vgl. Henderson 1971, S. 59 f.)

Amerikanische Erfindungen stellten unter anderem die von Elias Howe im Jahr 1846

entwickelte Nähmaschine dar, die 1852 von Singer verfeinert wurde. Weiters entwarf

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der Südtiroler Peter Mitterhofer im Jahr 1866 die erste Schreibapparatur, welche die

Grundlage für die Schreibmaschine von Remington unterbreitete. (vgl. Henderson

1971, S. 61)

Für die Produktion von Farben, Kunstdünger oder Alkali waren auch Chemikerinnen

und Chemiker Mitte des 19. Jahrhunderts für die Industrie wichtig. Beispielsweise

wurde in den frühen 1860er Jahren die Firma Friedrich Bayer & Co. gegründet, die

durch Forschungen zwischen 1884 und 1886 drei neue Farbstoffe eruierte. Bayer &

Co. produzierte zudem Chemikalien, Arzneimittel und Salben. Durch das rapide

Wachstum der verschiedenen Industriezweige, wie der Textilindustrie, stieg gleich-

zeitig auch die Nachfrage. Vor allem in der Landwirtschaft wurde Kunstdünger immer

häufiger eingesetzt, um den Ertrag zu steigern. Die Produktionsverfahren wurden

schließlich auf die künstliche Herstellung neu ausgelegt und verbessert. In den da-

rauffolgenden Jahren ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden viele neue Farbtöne

chemisch kreiert. Der Schwede Alfred Nobel entdeckte in den 1860er Jahren die

Verwendung von Nitroglyzerin als Grundessenz für Sprengstoff. Ende des 18. und

Anfang des 19. Jahrhunderts wurden in der Feinchemie, welche unter anderem

Kosmetikartikel und Medikamente umfasst, intensive Forschungen betrieben. Kunst-

stoffe wurden in weiterer Folge aus natürlichen Harzen gefertigt und synthetisches

Thermoplast wurde durch die Idee von Alexander Parkes aus Zelluloid angefertigt.

(vgl. Henderson 1971, S. 52 f.) Grundlegende Stoffe der chemischen Produktion wa-

ren Schwefelsäure, Soda sowie Chlor. Auf Grundlage dieser drei Stoffe wurden unter

anderem Glas, Seife, aber auch verschiedene Textilien hergestellt. Eine kostengüns-

tige Massenproduktion wurde durch die Erhältlichkeit der drei genannten Grundstoffe

in enormer Anzahl ermöglicht. (vgl. Paulinyi 1989, S. 151)

2.2.1.3. Imperialismus

Es wurden bereits die ersten beiden Faktoren Arbeitskräfte und Bevölkerungswachs-

tum sowie die Maschinen und Erfindungen der ersten Phase der industriellen Revo-

lution beschrieben. Der dritte Faktor beschreibt den Imperialismus. In Großbritannien

konnten unter anderem die dort vorkommenden Rohstoffe Wolle, Holz, Flachs, Stroh,

Talg und dergleichen für die Produktion verwendet werden. (vgl. Buchheim 1994, S.

50; Paulinyi 1989, S. 208) Großbritannien hatte bereits ab dem 18. Jahrhundert ei-

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nen stetig wachsenden Handel mit anderen Ländern sowie mit den eigenen briti-

schen Kolonien. Zudem wurden aus den britischen Kolonien Rohstoffe, Produkte,

Koloniewaren aber auch Sklaven importiert. Die Handelsbeziehungen mit den Kolo-

nien stellten für Großbritannien ein lukratives Geschäft dar, denn Koloniewaren, wie

beispielsweise Zucker, Gewürze, aber auch Tabak waren gefragte Güter in Großbri-

tannien. Durch diese Einnahme aus dem Handel mit Koloniewaren konnte das er-

wirtschaftete Kapital in Staatspapiere oder Immobilien investiert werden. (vgl. Pauli-

nyi 1989, S. 208 f.)

2.2.1.4. Unternehmer und Kapital

Abschließend wird der vierte bzw. letzte Faktor der ersten Phase der industriellen

Revolution der Unternehmer und das Kapital erläutert. Großbritannien konnte zur

damaligen Zeit des 18. Jahrhunderts als reiches Land bezeichnet werden. Know-how

von Handwerkinnen und Handwerkern, Unternehmerinnen und Unternehmern sowie

von Kaufleuten trug ebenfalls zur industriellen Revolution bei. Die kapitalistische

Wirtschaft Großbritanniens konnte leicht Kapital für das Wachstum der Industrie zur

Verfügung stellen. Das benötigte Kapital für Investitionen in die Industrie stammte

aus den Überschüssen der britischen Landwirtschaft; denn Weiters ermöglichte die

industrielle Revolution eine enorme Steigerung der Produktivität im landwirtschaftli-

chen Bereich. (vgl. Buchheim 1994, S. 50 ff.) Die Einnahmen aus der Landwirtschaft

wurden nicht nur in die britische Industrie, sondern auch in den Ausbau des Trans-

portsystems investiert. (vgl. Paulinyi 1989, S. 209) Dadurch verfügte Großbritannien

über eine exzellente Infrastruktur mit ausgebauten Kanälen und befestigte Straßen.

Die Rolle des Anlagekapitals war in Großbritannien des 18. Jahrhunderts allerdings

noch relativ gering, da neu gegründete Fabriken meist in vorhandenen Gebäuden auf

geliehenen bzw. gemieteten Maschinen ihre Güter produzierten. Obwohl es zu jener

Zeit bereits Hypothekarkredite gab, wurde vorzugsweise Kapital für Investitionen aus

dem Verwandten- und Bekanntenkreis geborgt. (vgl. Buchheim 1994, S. 59 f.) Da

kleinere mittelständische Betriebe wie Handwerker oder auch Kaufleute, das benötig-

te Kapital für die Gründung größere Betriebe nicht aufbringen konnten rutschten sie

sozial betrachtet in ein unteres Milieu ab, das der Proletarier. Ihnen gegenüber stand

die finanziell besser gestellte Klasse der Bourgeoisie, die das benötigte Kapital zur

Fabriksgründung aufbringen konnte. (vgl. Marx / Engels 1999, S. 53)

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2.2.2. Das Ausbreiten der industriellen Revolution in anderen europäi-

schen Ländern und die 1848er Revolution in der Habsburgermonar-

chie

In diesem Unterkapitel wird erläutert, warum die industrielle Revolution in der Habs-

burgermonarchie beinahe 100 Jahre später als in Großbritannien einsetzt. Es wird in

dieser vorliegenden Arbeit deshalb nur die Habsburgermonarchie betrachtet, da zum

Einen eine genauere Erläuterung sonst den Rahmen der vorliegenden Masterarbeit

sprengen würde und zum Anderen, da Österreich im 19. Jahrhundert ein Teil der

Habsburgermonarchie war.

2.2.2.1. Vorzeichen der Revolution

Zunächst werden die Vorzeichen der Revolution von 1848 diskutiert, bevor der Be-

ginn der Revolution erläutert wird. In diesem Unterkapitel und den nachfolgenden

Unterkapiteln wird der Fokus auf die Habsburgermonarchie gelegt. Die Gedanken

der Aufklärung der Französischen Revolution der Jahre von 1789 bis 1799 gehüllt in

einen Nationalitätsbegriff und unter den Schlagworten Freiheit, Gleichheit und Brü-

derlichkeit sprangen allmählich auf andere Länder Europas über. (vgl. Müller 2002,

S. 2 ff.) Im Zuge der napoleonischen Kriege versuchte in der Habsburgermonarchie

Kaiser Joseph II. in den Jahren von 1780 bis 1790 ein Reformprogramm des aufge-

klärten Absolutismus zu etablieren, aber ohne Erfolg. Der Versuch der Reformen und

der Modernisierung scheiterten vorerst in der Habsburgermonarchie. Grund hierfür

war die Schwierigkeit der Durchsetzung einer Reformbürokratie unter den einzelnen

Ständen. Das finanzielle Problem der verschuldeten Donaumonarchie konnte bislang

noch nicht gelöst werden und eine Verfassung war ebenso noch nicht in Aussicht.

(vgl. Müller 2002, S. 15)

Die Revolutionsbewegungen spitzen sich aufgrund der Bevölkerungszunahme und

dem daraus resultierenden Pauperismus aufgrund der zu wenigen Arbeitsplätze und

auch der damit einhergehenden Herausforderung der Industrien für die größer wer-

dende Bevölkerung Nahrung und Gebrauchsgegenstände herzustellen zu. In der

Habsburgermonarchie entfachte nicht nur die Unzufriedenheit unter dem Bürgertum,

sondern in späterer Folge auch unter dem Adel gegenüber der Politik. (vgl. Müller

2002,S. 16 ff.)

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Vor dem Ausbruch der Revolution kam es in vielen Teilen Europas und so auch in

der Habsburgermonarchie zu einer Hunger- und Armutskrise zwischen den Jahren

von 1845 bis 1848. Grund für die Hungerkrise lag in der Fehlernte im Spätsommer

des Jahres 1845 der Kartoffeln, da diese von der sogenannten „Kartoffelkrankheit“

befallen waren und schließlich verdarben. Kartoffeln waren Mitte des 19. Jahrhun-

derts das Massenernährungsmittel der Bevölkerung über viele Jahre hinweg. Da das

gesamte Jahr 1845 von kaltem und regnerischen Wetter gekennzeichnet war, schlug

sich dies auch auf die Roggen- sowie Weizenernte nieder indem diese Erträge sehr

gering blieben. Das darauffolgende Jahr zeigte sich als Gegenteil zum vergangenen

Jahr indem die Temperaturen hoch und deshalb die Böden aufgrund der heißen Mo-

nate staubtrocken waren. Weiters stiegen aufgrund der schlechten Ernteerträge der

Jahre 1845 und 1846 die Nahrungsmittelpreise. Diese genannten Miseren in der

Landwirtschaft trugen in Folge dessen zur Verschlimmerung des Pauperismus in der

Bevölkerung bei. Die Kriminalitätsrate in Form von Plünderungen und Diebstählen,

aber auch die Anzahl an Protesten stieg sprunghaft durch die Hunger- und Ar-

mutskrise an. Die Lage in der Bevölkerung war deshalb äußerst angespannt und

konnte jederzeit in einem Chaos enden. Als die soziale Situation der Bevölkerung

sich bis 1845 immer noch nicht gebessert hatte und die Obrigkeit der Staaten ge-

waltvoll gegen die rebellierenden und hungrigen Bürgerinnen sowie Bürger vorging

war der Ruf nach einem besseren Staat zunehmend vernehmbar. Hinzu kam noch

die schiere Handlungsunfähigkeit des Staates die Hunger- und Armutskrise zu lösen.

(vgl. Müller 2002, S. 35 ff.) Erst ab dem Jahr 1847 kam es wieder zu besseren Ern-

teerträgen und zur allmählichen Senkung der Nahrungsmittelpreise. Auch wenn die

übermächtige Not der Vergangenheit angehörte, waren die Gedanken noch nicht im

Keim erstickt worden. (vgl. Müller 2002, S. 60) Die Dreifelderwirtschaft entwickelte

sich im mittelalterlichen Europa, die gekennzeichnet war durch die dreiteilige Nut-

zung des Bodens. Zuerst wurde am Feld ausschließlich im Winter Getreide angebaut

bevor im darauffolgenden Jahr im Sommer Getreide angebaut wurde. Im Folgejahr

erfolgte schließlich das Brachliegen der Felder, indem sich Pflanzennährstoffe neu

bilden konnten. Davon erhoffte man sich wiederum im folgenden Jahr eine Ernte oh-

ne Einbußen. (vgl. Ziegler 2005, S. 22)

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Da um 1848 im Herzen Europas noch fast jedes Land von der Agrargesellschaft ge-

kennzeichnet war, schien eine Reform der Gesellschaftsordnung durch Revolution

unumgänglich. (vgl. Haupt / Langewiesche 1998, S. 18) Auch die Habsburgermonar-

chie war ein stark agrarisch geprägtes Land. Die Wiener Regierung hatte allerdings

bislang keine Reformen für Themen der Landbevölkerung wie die Lebens-, Rechts-

und Arbeitsverhältnisse in die Wege geleitet. 1848 umfasste die Anzahl an unfreien

Bäuerinnen und Bauern im Habsburgerreich noch Millionen, die ihren Lehensherren

durch Dienste sowie Fronabgaben untertänig waren. (vgl. Müller 2002, S. 65)

2.2.2.2. Beginn der Revolution in der Habsburgermonarchie

Nachdem die Vorzeichen der 1848er Revolution erläutert wurden, wird in diesem Un-

terkapitel auf den Beginn der Revolution eingegangen. Die Emotionen im nationalen

Denken und die neu aufgeflammte nationale Leidenschaft in der Bevölkerung war vor

allem in den 1840er Jahren in einem Aufschwung. (vgl. Müller 2002, S. 6 f.) Die

1848er Revolution wurde maßgeblich durch die Pariser Februarrevolution 1848 aus-

gelöst. Es entwickelte sich gewissermaßen darauffolgend eine Kettenreaktion im ge-

samten Europa. (vgl. Haupt / Langewiesche 1998, S. 13) Der endgültige Ausbruch

der Revolution schlägt die Wurzeln im Frühjahr 1848 in Paris: Die rebellierende Be-

völkerung vertrieb ihren König aus Paris, der sich nach England rettete. König Louis

Philipp von Frankreich dankte schließlich zugunsten seines Enkelsohnes ab. Zwei

Tage nach dessen Abdankung und Straßenkämpfen in Paris wurde der Status der

Republik in Frankreich durch das Volk ausgerufen. Die Berichte der Geschehnisse

aus Paris wurden durch wandernde Arbeiterinnen und Arbeiter sowie durch Reisen-

de über die Grenzen Frankreichs hinaus getragen. Diese Erzählungen regten in den

Bevölkerungen anderer europäischer Länder eine Infragestellung der Drangsalierung

an. (vgl. Müller 2002, S. 37 ff.) Die Gedanken der verschiedenen Nationen waren

geprägt von einem Freiheitsdrang und der Durchdringung verschiedenster national-

politischer Forderungen, wie unter anderem die Pressefreiheit oder die Befreiung der

Bäuerinnen und Bauern aus der Obrigkeit. Der Ausdruck der „Nation“ wurde zu ei-

nem tief emotionalen Begriff in den unterschiedlichen Ländern der Donaumonarchie:

Sie definierten sich anhand der Sprache, das heißt eine Sprache ergibt gewisserma-

ßen eine eigene Nation. (vgl. Müller 2002, S. 59) In den Kronländern der Habsbur-

germonarchie herrschte der Nationalgedanke vor der Idee eines Gesamtstaates un-

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ter einer Krone. Auch kleinere ethnische und sprachliche Gruppierungen erhoben

nationale Forderungen. (vgl. Kořalka 1998, S. 200 ff.)

Die Rebellen der sogenannte Märzrevolution bzw. Märzbewegung 1848 hatten die

Bestrebungen für eine Reform des Staatssystems. Es wurden hierzu seitens der Be-

völkerung Versammlungen abgehalten. Menschenanhäufungen bewegten sich zu

den obrigkeitszugehörigen Stellen, um die Umsetzung ihrer Forderungen zu bean-

spruchen. Im Vielvölkerstaat der Habsburgermonarchie gab es zu jener Zeit einige

Konfliktherde, wie unter anderem in der Lombardei, in Venedig, in Böhmen, in Un-

garn, in Kroatien, in Serbien, aber auch in der Wallachei. Die Berichte über die Er-

eignisse in Frankreich gelangten in alle Ecken der gesamten Donaumonarchie. Die

Märzforderungen der Bürgerinnen und Bürger aller verschiedenen Nationen des

Vielvölkerstaates forderten gleichsam nationale Rechte ein. Unter der rebellierenden

Bevölkerung waren alle sozialen Schichten vertreten: Von den Studierenden über

Ärztinnen und Ärzte bis hin zu einfachen Handwerkerinnen und Handwerkern. Die

Revolution, unter anderem auch in Wien, verlief jedoch keineswegs friedlich, denn es

wurden unter anderem Fabriken besetzt, Polizeibehörden in Brand gesetzt, mecha-

nische Webstühle vernichtet und das Volk lieferte sich blutige Schlachten mit der kai-

serlichen Armee. Der Zorn der Bürgerinnen und Bürger richtete sich aber auch ge-

gen den Staatskanzler des Wiener Kongresses Klemens Fürst von Metternich-

Winneburg. Nach Aufforderungen seitens der Erzherzöge und des Hofkanzlers trat

Metternich zurück und reiste nach England ins Exil. Aufgrund der weiter anhaltenden

Proteste stimmte die Regierung den Liquidationen der Märzrevolution zu: Einer Ver-

fassung, der Freiheit der Presse sowie der Volksbewaffnung. Trotz alle dem blieb die

Stimmung in der Bevölkerung gegenüber dieser kaiserlichen gut gemeinten Taten

höchst brisant. Die nationalen Emotionen des Volkes sollten aber schließlich nach

März und April 1848 nochmals in gewaltigen Fehden fortgesetzt werden. (vgl. Müller

2002, S. 45 ff.)

2.2.3. Während und nach der Revolution in der Habsburgermonarchie

Es ist auch essentiell die Vorgänge während der Revolution, aber auch die Gege-

benheiten nach der Revolution in der Habsburgermonarchie zu diskutieren. Die be-

absichtigte Pillersdorfer Verfassung des Frühjahrs 1848, benannt nach Franz von

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Pillersdorf, wurde vom Volk aufgrund des Zweikammersystems und des Zensuswahl-

rechts als äußerst konservativ betrachtet. Im Mai 1848 forderten bewaffnete Rebellen

das Einkammerparlament, die Einführung eines demokratischen Wahlrechts sowie

die Zusammenkunft einer verfassungsgebenden Nationalversammlung. Diese Ver-

sammlung von Aufständischen belagerte das Haus des neu ernannten liberalen In-

nenministers Pillersdorf, woraufhin allen Ansprüchen des Volkes nachgegeben wur-

de. Da der Kaiser nach Tirol geflüchtet war erließen die übrigen Mitglieder des

Reichstages eine entsprechende Verordnung, doch Ende Mai 1848 flammten erneut

kämpferische Aktivitäten unter dem Volk auf. Es formierte sich eine zirka hundert-

köpfige revolutionäre Nebenregierung. Das gesamte Ministerium von Pillersdorf wur-

de zum Rücktritt aufgefordert und dessen Nachfolger wurden der bisherige Außen-

minister Johann von Wessenberg und der Justizminister Alexander Bach. Die sozial

angespannte Atmosphäre in der Bevölkerung linderte sich dennoch nicht und da im

August desselben Jahres die Löhne verkürzt wurden, mündete diese Aktion in der

sogenannten Praterschlacht. Doch auch in anderen Teilen der Monarchie, nicht nur

in Wien, kam es zu Aufständen, unter anderem auch in Böhmen, wo eine Autonomie

innerhalb des Reiches angestrebt wurde. Diese Rebellion wurde durch General Alf-

red Fürst Windischgrätz mit der Bombardierung von Prag niedergerungen. Die Aus-

schreitungen in der Lombardei wurden durch General Joseph Graf Radetzky in Mai-

land und ebenso auch ein Jahr später in Venetien unterdrückt. Während der 1848er

Revolution konnte Ungarn eine gewisse nationale Unabhängigkeit innerhalb der Mo-

narchie erlangen, wodurch sich Ungarn als autonomer konstitutioneller Staat erhob.

Jedoch unterdrückte die ungarische Regierung die im Land angesiedelten Minderhei-

ten der Rumänen, Serben und Kroaten. Im Sommer 1848 debattierte der Reichstag,

indem alle Länder der Monarchie vertreten waren über die liberale Verfassung. Ein

wichtiger Punkt umfasst die Aufhebung des Feudalsystems. (vgl. Müller 2002, S. 47;

102 ff.) Der Arbeiterverein forderte Weiters freies Niederlassungsrecht und gleiche

Rechte der Arbeiterschaft wie sie auch andere Stände inne hatten, Gründung von

Bildungsanstalten sowie von Kranken- und Invalidenkassen, aber auch das Recht

auf freie Heiratsentscheidungen. (vgl. Kořalka 1998, S. 221)

Im Frühjahr 1848, kurz nach dem Rücktritt des Staatskanzlers Metternich wurde sei-

tens des ungarischen Parlamentes der Feudalismus liquidiert. Die Teile Böhmen,

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Mähren und Schlesien der Donaumonarchie folgten im März 1848. Im April 1848

wurden in Kärnten, der Steiermark, in Grain sowie in Galizien jegliche Fronleistungen

für nichtig erklärt. Der Wiener Reichstag erklärte ebenfalls 1848 durch das Ansuchen

im Reichstag des Studenten Hans Kudlich die Leibeigenschaft für aufgehoben. Wei-

ters beschloss das Parlament eine Entschädigungsleistung der Bäuerinnen und

Bauern an ihren Gutsherren. Die Nutzungsrechte für allgemeinen Besitz des Hofes

gingen ohne jegliche Ablösezahlungen an die landwirtschaftliche Bevölkerung über.

(vgl. Müller 2002, S. 65) Erstmals kam es nach der 1848er Revolution zur Gleichstel-

lung aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sowie zu einem beinahe allgemeinen

Wahlrecht ohne Einschränkungen. (vgl. Kořalka 1998, S. 229)

Wien schien im Herbst des Jahres 1848 einem brodelnden Pulverfass zu gleichen,

welches jederzeit explodieren konnte. Die Lage seit Beginn der Revolution Anfang

des Jahres hatte sich keineswegs beruhigt. Währenddessen kam es erneut zu Auf-

ständen in Budapest, Ungarn. Die Aufstände in Wien begannen erneut, als die Nati-

onalgarde und auch Teile des Bürgertums sich weigerten gegen die rebellierenden

Bürgerinnen und Bürger Ungarns zu kämpfen. Weitere Aufständische in Wien grup-

pierten sich zu einer revolutionären Diktatur, welche unter anderem die Reduzierung

der Arbeitszeit, einen Mindestlohn, eine Krankenversicherung, die Gründung von

Erwerbsgenossenschaften und auch eine Beteiligung am Profit des Unternehmens

forderten. Doch diese erneuten Rebellionen in Wien und Budapest endeten bald in

einem Blutbad, als General Windischgrätz im Oktober 1848 in Wien den Belage-

rungszustand ausrief. Nachdem das Ultimatum für die Aufständischen von Wien ab-

gelaufen war, wurde die Innenstadt Wiens gestürmt. Obwohl die Revolution nieder-

gerungen war waren die Veränderungen in der Habsburgermonarchie spürbar. Im

Dezember 1848 übernahm der junge Franz Joseph die Rolle des Kaisers als sein

Onkel Ferdinand abdankte. Dies läutete eine Modernisierung des Habsburgerreiches

ein, da auch die Gutsuntertänigkeit der Bäuerinnen und Bauern vorbei war. Die neue

zentralistisch gesamtstaatliche Verfassung beschränkte die Macht des Parlaments

und stärkte gleichsam die Rolle des Kaisers. Infolgedessen besserte sich die Atmo-

sphäre in der Bevölkerung des Vielvölkerstaates. (vgl. Müller 2002, S. 114 ff.) In der

Habsburgermonarchie hielt somit nach der Aufhebung der bäuerlichen Abgabeleis-

tungen und nach Beendigung der 1848er Revolution die industrielle Revolution zwi-

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schen 1870 und 1880 Einzug. (Matis 1988, S. 36) Die Abschaffung des Feudalismus

ermöglichte die kapitalistische Entwicklung in der Industrie, aber auch in der Land-

wirtschaft. Schließlich war der Aufwind der Industrialisierung in der Donaumonarchie

nicht mehr aufzuhalten. (vgl. Kořalka 1998, S. 229)

Abschließend ist noch festzuhalten, dass durch die 1848er Revolution kein einziger

Staat Europas als Nationalstaat in diesem Sinne entstanden ist. Der Nationsgedanke

war zwar ein essentielles Ziel der Revolution gewesen, allerdings war diese Forde-

rung nicht umsetzbar. (vgl. Haupt / Langewiesche 1998, S. 37)

2.2.3.1. Übergriff der industriellen Revolution auf den Rest Europas

Nun wurde die 1848er Revolution in der Habsburgermonarchie analysiert, um zu

verdeutlichen wie der Beginn der industriellen Revolution in diesem Vielvölkerstaat

begann. Doch es soll auch noch ein kurzer Überblick gegeben werden, wie die in-

dustrielle Revolution auf den Rest Europas übergriff. Im 19. Jahrhundert gelangte die

industrielle Revolution auch nach Kontinentaleuropa. Jedoch wurden dadurch alte

Gewerberegionen Europas durch eine Überflutungswelle an importierten englischen

Gütern bedroht. Doch der Antrieb aus Großbritannien verbesserte dennoch den

Handel. Gewisse Länder Kontinentaleuropas nutzten den Anstoß aus Großbritanni-

en, während andere Staaten wiederum diese Entwicklung ablehnten. In den Ländern,

die diese Impulse der industriellen Revolution integrierten kam es zu rapidem

Wachstum. Unter diesen Staaten waren unter anderem Frankreich, die Schweiz,

Deutschland und die Benelux-Staaten. Diese Länder entwickelten sich zu Industrie-

ländern. In Staaten, die die Anstöße der industriellen Revolution ablehnten, entwi-

ckelte sich eine De-Industrialisierung und ein Sterben traditionell handwerklicher Be-

triebe, ohne dass diese durch Industriebetriebe ersetzt wurden. Dies kann als Pro-

zess der Peripherisierung bezeichnet werden. Zu diesen Ländern gehörten unter an-

derem Spanien, Portugal, Griechenland und einige Balkanländer. (vgl. Buchheim

1994, S. 69 ff.)

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2.2.4. Zweite Phase der industriellen Revolution (Ende 19., Anfang 20.

Jahrhundert)

In diesem Unterkapitel wird die zweite Phase der industriellen Revolution beschrie-

ben, nachdem schon in den vorigen Kapiteln der grundsätzliche Beginn der industri-

ellen Revolution diskutiert wurde. Die genaue zeitliche Eingrenzung der zweiten

Phase der industriellen Revolution ist jedoch nicht exakt festzulegen, da hier die An-

sichten der Historikerinnen und Historiker differenzierte Zeiten aufweisen. Jedenfalls

kann diese zweite industrielle Revolution als eine Art letzter Innovationsschub vor

dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 betrachtet werden. Die angelsächsische

Literatur versteht im Übergang der ersten zur zweiten Phase der industriellen Revo-

lution die Umstellung auf die Massenproduktion sowie Massenkonsum, während die

deutsche Literatur das Aufkommen der „neuen Industrien“, vor allem der Elektro- und

Chemieindustrie versteht. Höhepunkte der zweiten industriellen Revolution waren der

Taylorismus und der Fordismus. Die Zeit des Fordismus ist nach Henry Fords Fließ-

bandfertigung in der Automobilproduktion benannt. Der Taylorismus geht auf den

Amerikaner Frederick W. Taylor zurück, worunter die Arbeitszerlegung in kleine

Schritte sowie die Verminderung und Entwertung der Arbeitstätigkeit fallen. Taylor

zeichnete die Dauer der einzelnen Arbeitsvorgänge mittels Stoppuhr seit den 1880er

Jahren auf. Zudem gilt er als Begründer der wissenschaftlichen Betriebsführung und

der damit einhergehenden Produktivitätssteigerung der Arbeit. Jedoch war ebenso

seine Absicht, dass Arbeiterinnen und Arbeiter genauso wie Unternehmer von höhe-

ren Absätzen mit Lohnerhöhungen belohnt werden sollten. Die Massenmotorisie-

rung, -produktion und –konsum erfuhren allerdings erst nach dem Zweiten Weltkrieg

ab 1945 in ganz Europa zunehmende Bedeutung. (vgl. Ziegler 2005, S. 101 f.; 121).

Anfang des 20. Jahrhunderts und mit dem Übergang zur zweiten Phase der industri-

ellen Revolution hatten sich auch die Arbeitsverhältnisse zunehmend gewandelt,

denn der Lebensstandard der Industriearbeiterinnen und –arbeiter erfuhr eine deutli-

che Verbesserung gegenüber der ersten Phase der industriellen Revolution. Dies

war das Resultat der Anstrengungen seitens der Regierungen, der Gewerkschaften

und dem Einsetzen von Reformen. Diese Reformen umfassten unter anderem die

Einführung einer allgemeinen Schulpflicht für Kinder, wodurch im gleichen Zuge die-

se nicht mehr in den Fabriken tätig sein konnten. Weiters durften Frauen nicht länger

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im Bergbau arbeiten und Männer hatten eine geringere Arbeitszeit. Die Sicherheits-

bestimmungen in Fabriken und anderen Industriezweigen, wie im Bergbau bei-

spielsweise wurden forciert. Die Arbeiterherbergen in den Industriezentren mit

elendsten Lebensbedingungen wurden beseitigt und Parks wurden errichtet, um die

Lebensqualität für die Arbeiterinnen und Arbeiter sowie ihre Familien zu erhöhen und

um auf diesem Wege einen Rückzugsort aus den überfüllten Städten zu ermögli-

chen. Im Zuge dieser Wandlungen sowie der besseren Ernährung stieg die Lebens-

erwartung der Arbeiterinnen und Arbeiter im Vergleich zur industriellen Revolution im

19. Jahrhundert. Unternehmen konnten nicht länger ihre Beschäftigten behandeln

wie es ihnen beliebte, denn der Druck der Gewerkschaften auf sie war allgegenwär-

tig. Das bürgerliche Dasein der Arbeiterinnen und Arbeiter wurde dahingehend auf-

gewertet, dass ihnen das Wahlrecht zugesprochen und ihnen die Gründung politi-

scher Parteien gestattet wurde. Dennoch waren die Bedingungen der Hilfsarbeiterin-

nen und Hilfsarbeiter immer noch durch mäßige Löhne geprägt. Karl Marx vertrat die

Theorie, dass im kapitalistischen Wirtschaftssystem die Reichen immer mehr Kapital

anhäufen würden und die Armen immer ärmer werden würden. Diese Ansicht hielt

sich nicht zwingend, denn auch Arbeiterinnen und Arbeiter sparten und legten ihr

Geld in Banken oder Genossenschaften an. (vgl. Henderson 1971, S. 203 f.)

Weiters fanden Erdöl und Elektrizität als Energiequelle vermehrten Einsatz und lös-

ten Kohle als Energieträger ab. Tragende Wirtschaftssektoren stellten neben der

Chemieindustrie, der Maschinenbau und die Elektroindustrie dar und ermöglichten

wirtschaftliches Wachstum. Der Informationsaustausch wird weiter vorangetrieben

aufgrund der Erfindungen des Telefons und des Telegrafen bereits Ende der ersten

Phase der industriellen Revolution. (vgl. Matis 1988, S. 248 f.)

Das zentrale Element der zweiten Phase der industriellen Revolution stellte das In-

dustriekapital in Verbindung mit den Produktionsmitteln und dessen Zentralisation

sowie Konzentration dar. Die Konzentration des Kapitals hat durch die rapide Steige-

rung des fixen Kapitals sowie das Agieren neuer Länder am globalen Markt zuge-

nommen. Durch die gleichsame Konzentration des Bankwesens entwickelte sich im

Weiteren Verlauf das Finanzkapital. Die Konzentration der Industrie sowie die Kon-

zentration des Bankwesens stehen aufgrund der Entwicklung des Finanzkapitals in

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einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Die Blüte dieses Prozesses war in der

Verbindung des Bank- mit dem Industriekapital. (vgl. Matis 1988, S. 249 f.)

In den Jahren zwischen 1873 bis 1896 kam es zur ersten Weltwirtschaftskrise,

wodurch erstmals die Schattenseiten des Liberalismus sichtbar wurden. Die Inflation

und der damit einhergehende Anstieg der Preise wurden vergebens versucht abzu-

fangen. Aufgrund des Konkurrenzdruckes und des unerbittlichen Preiskampfes der

Konzerne untereinander, aber auch mit den kleineren Unternehmen, kam es zu ei-

nem erliegen der kleineren Betriebe. Dabei bot das Aufsuchen von noch unentdeck-

ten Marktnischen eine gewisse Überlebenschance. Dieses Machtspiel wird als Kon-

zentration der Industrie bezeichnet, während Weiters durch die Konzentration des

Bankwesens und des gegenseitigen Konkurrenzverhaltens der Banken kleinere Ban-

ken dem Untergang geweiht waren. (vgl. Matis 1988, S. 254 f.)

2.2.5. Dritte Phase der industriellen Revolution (Beginn 70er Jahre des 20.

Jahrhunderts)

Die dritte Phase der industriellen Revolution begann in den 1970er Jahren des 20.

Jahrhunderts. Dieser Abschnitt wird in diesem Unterkapitel erläutert, nachdem be-

reits die erste sowie die zweite Phase der industriellen Revolution behandelt wurden.

Seit den 1960er und 1970er Jahren hat die Nachfrage nach Rohstoffen in den In-

dustrienationen rasant zugenommen. Gründe hierfür stellen unter anderem das er-

höhte Konsumniveau, die Zunahme des Wohlstandes, die technischen Errungen-

schaften, wie Fernseher, Autos oder Haushaltsgeräte und deren einhergehender Ma-

terialverbrauch, dar. Aber auch der Bau von neuen Verkehrswegen und Gebäuden

trug in einem beachtlichen Ausmaß zum Anstieg des Rohstoffverbrauches bei. Wei-

ters stellt die Bevölkerungszunahme einen weiteren Grund für den gestiegenen Roh-

stoffverbrauch dar. Laut Statistiken Anfang der 1990er Jahre aus den USA nahm die

Nachfrage von Rohstoffen durch den weltweiten Konsum um 38 Prozent zu, bei Holz

um 44 Prozent, bei Metall um 26 Prozent, bei Mineralien um 39 Prozent und schließ-

lich bei synthetischen Stoffen, die das Grundelement von Plastik darstellen, sogar

um 69 Prozent. Die Rohstoffverschwendung nahm in der dritten Phase der industriel-

len Revolution aufgrund sinkender Rohstoffpreise und auch der sinkenden Preise für

Verbrauchsgüter zu. Gleichsam steigen die Kosten für die Müllentsorgung und die

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Anzahl an Mülldeponien. Aus diesem Grund ist zur damaligen Zeit der 1990er Jahre

das Thema des Recyclings und der daraus resultierenden Müllreduzierung sowie

Einsparung von Rohstoffen mehr in den Fokus geraten. Allerdings stellte dies erst

den Anfang des Recyclings dar; es steckt gewissermaßen noch in den Kinderschu-

hen. (vgl. Young / Sachs 1994, S. 15 ff.)

Zunächst entdeckte 1884 Thomas A. Edison die Elektronen als elektronische Impul-

se in einem luftleeren Raum. Als die Physiker Lieben und Forest entdeckten wie man

Elektronen steuern konnte, wurden in den darauffolgenden Jahrzehnten Elektronen-

röhren konstruiert. Der elektronische Baustein für die weitere technische Entwicklung

geht in das Jahr 1960 zurück als die integrierte Schaltung entwickelt wurde. Kurz da-

rauf, 1964, wird der allererste Computer mit diesem Element gefertigt. Das amerika-

nische Unternehmen Intel tüftelte zur selben Zeit an der Entwicklung von Bauele-

menten, sogenannter Siliziumplättchen mit einer immer zunehmenderen Speicherka-

pazität und erfand schließlich 1970 den ersten Mikroprozessor. Dieser Mikroprozes-

sor stellte den ersten 1-Chip-Prozessor mit der ersten Mikrocomputerschaltung dar.

(vgl. Balkhausen 1978, S. 40 ff.)

Auch das Schlagwort der „Telesierung“ kam in der dritten Phase der industriellen

Revolution auf. Das Zuhause wie auch das Büro sollen zu einer Kommunikationsein-

heit bestehend aus Telefon, Drucker oder Übertragungsnetzwerken wie Computer

werden. Zudem löste die elektronische Kommunikation durch das Versenden von E-

Mails, der elektronische Brief oder die Elektronikpost sozusagen, in gewissem Maße

den Schriftverkehr mittels Briefen ab. In den 1970er Jahren schien außerdem das

Mobiltelefon noch als eine kleine Utopie, die noch in den Kinderschuhen steckte.

Man hatte noch große Bedenken bezüglich der benötigten Infrastruktur und den dar-

aus resultierenden hohen Kosten, die aufkommen würden, würde man ein solches

Datennetz installieren. Doch schon in den 1990er Jahren sollte sich dieser Traum

realisieren. Ebenso zu jener Zeit der 1970er Jahre fantasierte man von benzinspa-

renden und umweltschonenden Automobilen. Doch wie sich zeigte war man damals

noch weit davon entfernt Elektroautos zu bauen. Diese Wunschvorstellungen reali-

sierten sich erst in unserer heutigen Zeit, in der vierten Phase der industriellen Revo-

lution. Weitere Errungenschaften der dritten industriellen Revolution sind unter ande-

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rem der Industrieroboter, elektrische Küchengeräte, Mikrorechner, Lesegeräte, Mini-

computer, Datenbanken, elektrische Spielzeuge, Kabelfernsehen, vollelektronische

Textverarbeitungssysteme, Bildschirmspiele und vieles mehr. (vgl. Balkhausen 1978,

S. 31 ff.; 136 ff.)

Die Telekommunikation nimmt einen immer wichtigeren Standpunkt im Leben der

Gesellschaft ein. Intelligente Computersysteme sollen die alltäglichen Tätigkeiten

vereinfachen. Maßgeblich bestimmte die Informationstechnik unser Leben, deshalb

spricht man immer mehr von der sogenannten „Informationsgesellschaft“ bzw. dem

Prozess der Automatisierung. In den Lebensbereichen des Menschen, so auch in der

Arbeitswelt, greift derzeit der Automatisierungsvorgang um sich. Doch dies stellt erst

den Beginn eines neuen Zeitalters dar. Mikrocomputer können heutzutage immense

Datenmengen verarbeiten und hauchdünne Glasfasernetze ermöglichen eine rapide

Übertragung von Daten. (vgl. Steinbuch 1982, S. 7 ff.)

So glanzvoll die technischen Fortschritte der dritten Phase der industriellen Revoluti-

on auch sein mögen, es verbergen sich dahinter auch soziale Nachteile. Für einen

höheren Lebensstandard nimmt die Gesellschaft Nachteile wie monotone Arbeit oder

die schonungslose Ausbeutung der Natur für Ressourcen in Kauf. Dieses höhere

Lebensniveau wird vor allem definiert über die Freizeit, die bessere Bildung sowie die

Freizeitaktivitäten. (vgl. Balkhausen 1978, S. 30)

2.2.6. Vierte Phase der industriellen Revolution (21 Jahrhundert, heute)

Abschließend wird noch die aktuelle bzw. die vierte Phase der industriellen Revoluti-

on betrachtet, in welcher sich die Gesellschaft gegenwärtig befindet. Diese wird hier

nicht genauer behandelt, da gerade erst der Beginn der vierten Phase eingeläutet

wurde und Weiters weil im nächsten Kapitel auf das Konzept von Industrie 4.0 detail-

lierter eingegangen wird. Es wird lediglich versucht eine kurze Zusammenfassung

der vier Phasen der industriellen Revolution zu geben.

Die erste Phase der industriellen Revolution, Ende des 18. Jahrhunderts war geprägt

durch die Einführung von mechanisierten Anlagen für die Produktion in der Fabrik.

Mit Beginn des 20. Jahrhunderts und dem Anfang der zweiten Phase der industriel-

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len Revolution wurde Elektrizität maßgeblich in der Industrie verwendet, woraus un-

ter anderem das erste elektrisch angetriebene Fließband in Schlachthöfen zum Ein-

satz kam. Die dritte Phase der industriellen Revolution war gekennzeichnet durch die

Verwendung von Elektronik und IT-Systemen in der Industrie. Gegenwärtig befinden

wir uns am Beginn der vierten Phase der industriellen Revolution. Sogenannte Cy-

ber-Physical-Systems, auf welche im nachfolgenden Kapitel näher eingegangen

wird, kommen in dieser aktuellen Phase in der Produktion zum Einsatz. (vgl. Frauen-

hofer Gesellschaft 2011, o. S.) Die nachfolgende Abbildung 1 dient abschließend der

besseren Veranschaulichung der vier Phasen der industriellen Revolution:

Abbildung 1: Die vierte industrielle Revolution aus Frauenhofer Gesellschaft 2011, o. S.

Nachdem die Phasen der industriellen Revolution erläutert wurden und auch die Hin-

tergründe eingehend betrachtet wurden, wird im nächsten Kapitel das grundlegende

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Konzept von Industrie 4.0 erklärt bevor nachfolgend der Wandel in der Arbeitswelt

diskutiert wird.

2.3. Das Konzept von Industrie 4.0

Das Konzept von Industrie 4.0 wurde als Zukunftsprojekt 2011 in Deutschland konzi-

piert. Bei dessen Entwicklung die Akademie der Wissenschaften (acatech) zusam-

men mit den Verbänden BITKOM3, VDMA4 und ZVEI5 sowie weitere Teilnehmerin-

nen bzw. Teilnehmer aus unterschiedlichen Forschungseinrichtungen sowie Univer-

sitäten, aber auch aus namenhaften Industrieunternehmen mitgewirkt haben. Ziel

war es eine Initiative zu entwickeln, die die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes

Deutschland sichern sollte. (vgl. Kaufmann 2015, S. 4)

Mittlerweile hat dieses Konzept großen Anklang gefunden und wird zum Beispiel

auch von der Frauenhofer-Gesellschaft thematisiert. Ihnen zufolge gehe es bei In-

dustrie 4.0 um das Verschmelzen von Informations- und Kommunikationstechnolo-

gien mit gewöhnlichen Produktions- und Logistikabläufen. Im Fokus des Konzeptes

stehen hochentwickelte Produktions- und Logistiksysteme, da Produkte zunehmend

spezieller und in ihrem Lebenszyklus verkürzt werden. In sogenannten intelligenten

Fabriken würden die Technologien selbst Entscheidungen treffen und Informationen

substituieren. Diese Fabriken stellen demnach eine völlig neue Produktionslogik dar,

bei denen Produkte besser an entsprechende Kundenwünsche angepasst und Ein-

zelfabrikate kostengünstiger hergestellt werden könnten. Die Frauenhofer Gesell-

schaft argumentiert weiter, dass das Potential von Industrie 4.0, aufgrund der neu

geschaffenen „künstlichen Intelligenz“ im Produktionsbereich enorm sei und dass die

3 BITKOM ist der Bundesverband für Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien in

Deutschland. Er wurde 1999 als Zusammenschluss einzelner Branchenverbände in Berlin gegründet.

(Bitkom o. J., o. S.)

4 VDMA ist der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau und zählt zu den größten Industrie-

verbänden Europas (VDMA o. J., o. S.)

5 Die ZVEI ist ein Zentralverband der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie in Deutschland und ver-

tritt die Interessen der Elektroindustrie in Deutschland und auf internationaler Ebene. (ZVEI o. J., o.

S.)

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intelligenten Fabriken nicht menschenleer sein werden, sondern versucht wird die

Kenntnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend der intelligenten Ar-

beitssysteme zu optimieren und rentabler zu nutzen. (vgl. Frauenhofer Gesellschaft

2011, o. S.)

Das Konzept Industrie 4.0 zielt demnach auf ein völlig neues Niveau der Produkti-

onsautomatisierung ab. Wobei hier zum Einen bestehende Produktionskonzepte wie

die fortschreitende Vernetzung von Datenbeständen erweitert werden und zum An-

deren neue Stufen der Prozessautomatisierung entwickelt werden, bei denen hoch

flexible Verknüpfungen der Datenebene mit realen Fabriksabläufen erschaffen wer-

den. Dadurch kommt es im Weiteren schließlich zu grundlegend neuen Formen der

Steuerung und Organisation von Produktionsprozessen. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b,

S. 5)

2.3.1. Kernelemente von Industrie 4.0

Da es sich bei dem Begriff „Industrie 4.0“ um ein dahinterliegendes Konzept handelt,

fallen in Erwähnung mit diesem auch oft weitere Begriffe, die jedoch zuvor näher er-

läutert werden sollten. Durch die genauere Abgrenzung der folgenden Begriffe, wie

Cyber-physische-Systeme, das Internet der Dinge oder Maschinen-zu-Maschinen-

Kommunikation sollte dabei zudem auch das Konzept selbst mehr an Klarheit gewin-

nen. (vgl. Sendler 2013, S. 6)

2.3.1.1. Der Name Industrie 4.0

Wie bereits in dem vorangehenden Kapitel erläutert, lässt sich die Geschichte der

Produktion bzw. der Industrie in vier Epochen unterteilen. Die vierte industrielle Re-

volution stellt die aktuell letzte epochale Umwälzung in der Produktion dar, indem

Software nicht mehr nur zur Steuerung und Kontrolle der Produktion eingesetzt wird,

sondern vielmehr als Verknüpfung zwischen Dienstleistungen, Elektronik und Pro-

dukten sowie deren Umwelt dienen soll. Dabei treten an die Stelle von herkömmli-

chen Produkten und Produktionsketten technische Systeme mit bisher unbekannten

Eigenschaften, die zunehmend autonom funktionieren. Da diese Prozesse jedoch

nicht in kurzer Zeit von statten gehen, sondern sich über Jahrzehnte hinwegziehen

werden, wird in Zusammenhang mit dem Rückschluss auf die industrielle Revolution

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oft diskutiert, ob es sich nicht vielmehr um eine Evolution handeln würde. Diesem

Argument wird jedoch entgegengehalten, dass auch die bisherigen Revolutionen

mehrere Jahrzehnte für ihre Vollendung benötigten. (vgl. Sendler 2013, S. 6 f.)

2.3.1.2. Das Internet der Dinge

Die Bezeichnung „Internet der Dinge“ ist bereits vor einigen Jahren im angelsächsi-

schen Raum unter „Internet of Things“ aufgetreten und wurde dann wörtlich über-

nommen. Das Internet der Dinge ist dabei selbst als ein Konzept zu verstehen, dass

sich auf eine neue Entwicklungsstufe des Internets bezieht. In dieser Stufe werden

nicht mehr nur Computer und mobile Endgeräte mit dem World Wide Web vernetzt,

sondern beliebige Geräte erhalten ihre eigene Schnittstelle. Zu Beginn fand dieses

Konzept jedoch kaum anklang, da es zu diesem Zeitpunkt noch kaum Unternehmen

gab, die der softwarebasierten Steuerung eine dominante Rolle einräumten. Mit dem

Aufkommen des Konzeptes von Industrie 4.0 zeigt sich das Internet der Dinge jedoch

wieder als wesentlicher Bestandteil durch den die Produkte und sogar Dienste über

ihre eigene IP-Adresse sowie über Standardprotokolle mit den Menschen vernetzt

werden können. (vgl. Sendler 2013, S. 10)

2.3.1.3. Maschine zu Maschine Kommunikation

Auch die Begrifflichkeit „Maschine zu Maschine Kommunikation“ ist schon älter als

das Konzept Industrie 4.0 und stammt ursprünglich ebenso aus dem angelsächsi-

schen Raum und ist daher auch unter der englischen Bezeichnung „Machine to Ma-

chine“, oder auch kurz M2M Kommunikation, bekannt. Diese Form der Kommunikati-

on ist so alt wie die Automatisierung selbst, da sie sich rein auf die Kommunikation

zwischen Endgeräten und Maschinen bezieht. Dafür ist jedoch keine Vernetzung

über das Internet erforderlich, vielmehr genügt eine Verbindung über Kabel und her-

kömmliche Schaltungen. Die M2M Kommunikation konnte sich so bereits früh in der

industriellen Realität etablieren und führte unter anderem zur Entwicklung von Robo-

terstraßen oder computergesteuerten Fertigungszentren. Unter dem Konzept Indust-

rie 4.0 wird der Maschine zu Maschinen Kommunikation die Vernetzung über draht-

lose Dienste und standardisierten Protokollen hinzugefügt. (vgl. Sendler 2013, S. 11)

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2.3.1.4. Cyber-physische-Systeme

Die Entwicklung und Fertigung der sogenannten Cyber-physischen-Systeme in fast

allen Industriesparten zeigt sich als wesentlicher Bestandteil von Industrie 4.0. Der

Begriff wurde durch die National Science Foundation in den USA geprägt und wurde

von ihnen 2006 als Kernelement der nationalen Forschungsarbeit erklärt. Ziel war es

mit dem Begriff der Cyber-physischen-Systeme erstmals ein vernetztes Zusammen-

wirken von elektronischen Elementen eingebetteter Software sowie mechanischen

Komponenten zu beschreiben. Heute sind Cyber-physische-Systeme klar definiert

als ein Netzwerk interagierender Elemente mit physikalischem In- und Output. Damit

grenzen sie sich von reinen Netzwerken ohne physikalische Ein- und Ausgaben

ebenso ab wie von einfachen Geräten ohne Vernetzungsmöglichkeit. Ermöglicht

wurde diese Entwicklung durch die vorangehende Miniaturisierung der Elektronik,

der enormen Leistungssteigerung der Computer sowie der Speichermedien, wodurch

mittlerweile auf kleinsten Raum drahtlose Funktionalität angeboten werden kann.

(vgl. Sendler 2013, S. 8 f.)

Zur Veranschaulichung sei hier kurz auf das Smartphone, als eines der gängigsten

Cyber-physischen-Systeme verwiesen. Dieses Gerät kombiniert einfache Funktionen

mit einer weltweiten Vernetzung, dadurch werden die Benutzer und Benutzerinnen in

die Lage versetzt neben der ursprünglichen Kommunikation auch jederzeit das World

Wide Web zu nutzen oder über GPS die genaue Position zu bestimmen. Zusätzlich

steht dann noch eine beinahe unendliche Zahl an sogenannten „Apps“6 für nahezu

alle Zwecke zur Verfügung. (vgl. Sendler 2013, S. 8)

Durch die neue Eigenschaft, gewisser Funktionen, autonom, also ohne Bedienerein-

griffe abzulaufen, entsteht zuweilen der Eindruck, dass die neuen technischen Sys-

teme eine gewisse Intelligenz aufweisen. Aus diesem Grund kommt hier zum Teil

auch der Begriff „intelligente, technische Systeme“ zum Einsatz. Dabei bleibt jedoch

die Tatsache bestehen, dass die Fähigkeiten dieser komplexen Systeme lediglich

das Ergebnis menschlicher Intelligenz darstellen und auch vom Menschen erdacht

6 Eine App ist eine zusätzliche Applikation bzw. Anwendung, die auf bestimmte Geräte heruntergela-

den werden kann (Duden o. J., o. S.)

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wurden und somit keine Intelligenz im eigentlichen Sinne repräsentieren. Dennoch

ermöglichen Sensoren und gut programmierte Steuerungen, dass ein System nicht

nur ein anderes als solches erkennt, sondern auch selbst auf äußere Bedingungen

reagieren kann, um sich selbst an bestimmte Situationen anpassen zu können und

dabei das eigene Verhalten zu optimieren. Diese Fähigkeit, der vernetzen Systeme,

zeigt somit eine derartige Annäherung an menschliches Verhalten wie es bisher noch

nicht möglich war. (vgl. Sendler 2013, S. 9 f.)

2.3.2. Umsetzung von Industrie 4.0

Der Einführungsprozess von Industrie 4.0 wird sich in unterschiedlicher Weise auf

die Gestaltung des Systems auswirken, da die neuen Systeme nicht als eine Art Fer-

tiglösung in den Betrieb implementiert werden können. Vielmehr entscheidet der je-

weilige Verlauf darüber, wie sich das System in arbeitsorganisatorischer sowie per-

soneller Hinsicht verändern wird. Auch werden die autonomen Systeme meist nicht

sofort für die komplette Produktion übernommen, sondern vielmehr als sogenannte

Insellösungen eingeführt. Dadurch werden sie innerhalb bestimmter Produktions-

segmente in bereits bestehende technisch-organisatorische Strukturen integriert. Für

eine optimale Umsetzung wird so ein Einführungsprozess erforderlich der eine teil-

weise langwierige und aufwendige wechselseitige Abstimmung zwischen den neuen

Systemen und den bestehenden betrieblichen Bedingungen ermöglicht. (vgl. Hirsch-

Kreinsen 2014b, S. 30)

Allerdings sollte nicht vergessen werden, dass es sich bei diesem Automatisierungs-

konzept bislang weitgehend um eine technische Vision handelt, die bisher kaum um-

gesetzt wurde. Die Realisierungsmöglichkeiten von Industrie 4.0 zeigen sich dabei,

aufgrund des strukturverändernden Charakters, vor allem durch technische, ökono-

mische sowie soziale Einführungsbarrieren beschränkt. Wodurch sämtliche Umset-

zungen eher langfristige und sehr differenzierte Entwicklungsperspektiven aufweisen.

(vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 31)

Entscheidend bei der Form der Umsetzung zeigen sich jedoch auch die betrieblich

verfügbaren Ressourcen, wie die Planungskapazität, das verfügbare Know-how,

aber vor allem auch die finanziellen Spielräume. Besonders bei bisher kaum techno-

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logieintensiven Unternehmen wird die Einführung von Cyber-physischen-Systemen

einen enormen Ressourcenaufwand bedeuten. Zudem wird der Verlauf des Einfüh-

rungsprozesses von arbeits- und betriebspolitischen Einflüssen begleitet, wodurch

die Gestaltung der Arbeitsorganisation schlussendlich davon beeinflusst wird welche

Akteure hierbei besonders einflussreich sind. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 31)

Somit kann auf längere Sicht von einer grundlegenden Veränderung der Arbeitswelt

durch das Konzept von Industrie 4.0 ausgegangen werden und es wird im Zuge des-

sen der Diskussionspunkt aufgeworfen, welche Folgen die vierte Phase der industri-

ellen Revolution zukünftig nach sich zieht. (vgl. Kurz 2014, S. 74 f.) Weshalb eine

umfassende Betrachtungsweise auf Technologie, auf die Beschäftigten und die Ar-

beit unerlässlich erscheint. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014a, S. 71)

2.4. Wandel der Arbeit

Bei der Betrachtung des Wandels der Arbeit wurde bisher meist nur auf den Typus

der Erwerbsarbeit Rücksicht genommen und auch diese Thematisierung wird sich,

aufgrund ihrer spezifischen Beschäftigung mit der Produktionsarbeit im Folgenden

auf diese Form beschränken. Zudem wird auch, wie in der aktuellen Literatur üblich,

nicht ein globaler Blick auf den Wandel angewendet, sondern es werden hier haupt-

sächlich die Veränderungen in den europäischen Industrieländern betrachtet. Die

industrielle Produktion hat dabei zu einem hohen und stetigen Wirtschaftswachstum

beigetragen, auch wenn sie ihre Dominanz als Beschäftigungssektor mittlerweile an

den Dienstleistungssektor teilweise übergeben musste. Der Wandel der Arbeitswelt

führte schließlich auch dazu, dass heute nur noch ein kleiner Teil menschlicher Ar-

beit dazu dient Güter und Produkte herzustellen. (vgl. Ehmer 2012, S. 31 ff.)

In der heutigen Zeit ist eine Unterscheidung zwischen Industriearbeit und Dienstleis-

tung nicht mehr trennscharf möglich, denn der Industriebegriff bezieht sich nicht

mehr ausschließlich auf die materielle Produktion, sondern umfasst zunehmend auch

immer mehr Dienstleistungsfelder. Wobei diese auch die höheren Qualifikationsan-

forderungen mit einbeziehen, wie zum Beispiel die IT-Industrie oder die Finanz-

dienstleistungen. Ausgelöst wurde diese Veränderung durch die neue Dominanz der

Marktökonomie, die bei den Produktionsunternehmen eine Vermarktlichung herbei-

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führte. Die neue Orientierung an den Märkten führte dabei zu einer Ökonomisierung,

die ebenso Auswirkungen auf den Formwandel der Arbeit hatte. Dabei gleichen sich

die Merkmale von Dienstleistungsarbeit sowie Produktionsarbeit an und es lassen

sich in beiden Bereichen eine zunehmende Subjektivierung wie auch Flexibilisierung

von Arbeit als generelle Tendenz feststellen. (vgl. Sauer / Menz 2014, S. 51 f.)

2.4.1. Der Wandel aus Sicht der Arbeitspsychologie

Der historische Wandel des Menschenbildes, in Bezug auf die Erwerbsarbeit, unter-

scheidet sich vor allem darin, in wie weit eine Arbeit zur Selbstfindung und Selbst-

verwirklichung dienen kann und somit in wie weit Erwerbsarbeit ein soziales Feld re-

präsentiert. Dabei geht die Arbeitspsychologie davon aus, dass sich Menschenbilder

aus dem Organisationsverständnis heraus bilden. Gemeint werden damit die Gestal-

tungskonzepte von Arbeit und in wie weit diese als technisches, soziales oder sozio-

technisches System begriffen werden können und wie sie ihrerseits dabei die Orga-

nisationsstrukturen sowie die Bewertungskriterien von Arbeit beeinflussen. (vgl.

Langfeld 2009, S. 23)

Ausgehend von der neoklassischen Theorie der Arbeit lässt sich dabei als erstes das

Menschenbild des „homo oeconomicus“ finden. Hierbei handelt es sich um ein Indi-

viduum das eine nutzenmaximale Aufteilung seiner Zeit in Arbeitszeit und Freizeit

anstrebt. Seine Entscheidungen berücksichtigen dabei die Kriterien Lohn, persönli-

che Präferenzen sowie seine Budgetrestriktionen. Bestimmend für dieses Mensch-

bild ist, dass das Individuum dabei unabhängig von produktionstechnischen Zwän-

gen auftritt und sich rein an der materiellen Dimension von Erwerbsarbeit orientiert.

Dementsprechend drückt sich das zugehörige Organisationsverständnis in einer Ra-

tionalisierung der Arbeit aus, welche eine zentrale sowie bürokratische Gestaltung

aufweist. Die Arbeit selbst wird hierbei nach ihrer Wirtschaftlichkeit und Schädigungs-

freiheit beurteilt sowie direkte Steuerung und Kontrolle einen hohen Stellenwert ein-

nehmen. Abgelöst wird dieses Konzept im Folgenden durch das neue Leitbild des

sogenannten „social man“. Hier bleibt zwar die Organisationsstruktur zentral und bü-

rokratisch, jedoch ändern sich die Kriterien zu Bewertung der Arbeit. Im Vordergrund

stehen die Zufriedenheit sowie das psychosoziale Wohlbefinden der Arbeitnehmer-

schaft und der Betrieb verkörpert ein soziales System. Die Erweiterung vom sozialen

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zu dem gegenwärtigen soziotechnischen Betriebsverständnis ergibt sich im Weiteren

aus einer Aufgabenerweiterung, die auch mit einer dezentraleren Organisationsstruk-

tur verbunden ist. Dazugehörig finden wir zuerst das Menschenbild des „selfactuali-

zing man“, welches im Weiteren durch den „complex man“ ersetzt wird. Betriebe

zeichnen sich durch eine Bereitstellung von Individualisierungskonzepten aus und

führen, im Gegensatz zu vorherigen Modellen, als Kontrollmodus eine indirekte

Steuerung ein. Die Arbeit selbst wird unter diesem Modell durch ihr Potenzial zur

Persönlichkeitsförderung beurteilt. (vgl. Langfeldt 2009, S. 23 f.)

2.4.2. Allgemeine Indikatoren des Strukturwandels

Zur Beschreibung der allgemeinen Indikatoren des Strukturwandels wird hier im Fol-

genden auf den Vortrag von Friedrich Fürstenberg „Arbeitswelten im Wandel“ einge-

gangen, den er 2010 im Rahmen einer Veranstaltung des Berufsverbandes der So-

ziologinnen und Soziologen Österreichs hielt.

Fürstenberg sieht durch die Entwicklungen in Richtung Industrie 4.0 zwar völlig neue

Handlungspotenziale, die in der Tat eine Verbesserung der Lebensqualität ermögli-

chen können, ebenso steigt jedoch auch, besonders in der Arbeitswelt, das Risiko

der Beherrschbarkeit eben dieser Veränderungen. (vgl. Fürstenberg 2010, S. 1) Dar-

aus ergeben sich für den Autor fünf wesentliche Strukturveränderungen, den Verlust

der Vollzeitbeschäftigung, Veränderungen in der Arbeitsqualifikation, eine Erweite-

rung des Dienstleistungssektors gegenüber dem Produktionssektor ebenso wie eine

komplexer gewordenen Arbeitsteilung, aber auch die Veränderung in der Bewertung

der Arbeit.

Wie zuvor erwähnt, bildet ein Indikator der Veränderungen bzw. des Strukturwandels

in der Arbeitswelt sich aus dem fortschreitenden Verlust der Vollzeitbeschäftigung

in Zusammenhang mit einer Häufung der Dauerarbeitslosigkeit. Als Ursachen hierfür

können, unter anderem, die Veränderungen der internationalen Arbeitsteilung, durch

den Globalisierungsprozess sowie die seit den 1960er Jahren stattfindende Integrati-

on der Frauen in das Erwerbsleben genannt werden. Um möglichst dennoch eine

Stabilisierung der Beschäftigung zu erzielen, werden die unterschiedlichsten Flexibi-

lisierungskonzepte entwickelt und gefordert. (vgl. Fürstenberg 2010, S. 2)

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Ein weiterer Indikator zeigt sich in den Veränderungen der Arbeitsqualifikation. So

lassen sich insbesondere in Technologie beeinflussten Arbeitsbereichen wesentliche

Umschichtungen feststellen, wobei diese nicht zwangsläufig als Folge technischer

Innovationen stattfinden. Vielmehr hängen Veränderungen mit den Entscheidungen

des Managements zusammen und in wie weit sich diese für oder gegen bestimmte

Verteilungsmuster betriebsnotwendiger Qualifikationen entscheiden. Grundsätzlich

lässt sich jedoch eine Verschiebung von physischer hin zu einer psychischen Bean-

spruchung feststellen, die mit einer vermehrten Anforderung in Bereichen, wie Ver-

lässlichkeit und Verantwortungsbereitschaft einhergeht. Ebenso wird die Arbeitsan-

forderung der Arbeitnehmerschaft durch einen stärkeren Lernzwang erweitert, der

sich aus den schnell voranschreitenden Entwicklungen ergibt. (vgl. Fürstenberg

2010, S. 2 f.)

Durch den vermehrten Einsatz neuer Technologien kommt es insbesondere im In-

formationsbereich sowie im Steuerungsbereich zu einer Verschiebung der Grenzen

zwischen Menschen- und Maschinentätigkeit. Dies stellt einen weiteren Indikator des

Strukturwandels dar, in dem es durch Funktionsverschiebungen zu einer Erweite-

rung des Dienstleistungssektors gegenüber dem Produktionssektor kommt.

Dabei ergibt sich im Weiteren, neben den bereits bekannten Formen der Arbeitszer-

legung, wie Berufsbildung und Produktionsteilung eine neue horizontale Trennung

die die dominante Wirtschaftstätigkeit von den ihr abhängigen peripheren Bereichen

trennt. Durch diese Funktionsdifferenzierung und Funktionsauslagerung kommt es im

Folgenden zu umfassenden Wirtschaftsverflechtungen auf nationaler sowie internati-

onaler Ebene, die wiederum besonders auf der Unternehmensebene, aber auch auf

der Branchenebene zu erheblichen Strukturwandlungen führen können. (vgl.

Fürstenberg 2010, S. 3)

Als Folge dessen kommt es zu einem weiteren Indikator des Strukturwandels, der

sich nun in einer komplexer gewordenen Arbeitsteilung widerspiegelt. Dabei las-

sen sich neue Arbeitssysteme feststellen, die im Wesentlichen als technisch-

wirtschaftlich determiniert bezeichnet werden können und zusätzlich verstärkt durch

soziale Anforderungen modifiziert werden. Die zunehmende Individualisierung der

Lebensplanung führt dabei zu einer Forderung bzw. Befürwortung flexibler Struktu-

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ren, die sich in Konzepten, wie Zeitsouveränität, Karenzjahren oder Zweitkarrieren

finden lassen. Gestützt wird diese Veränderung durch verankerte Mitbestimmungs-

rechte der Arbeitnehmerschaft. (vgl. Fürstenberg 2010, S. 3 f.)

Veränderungen in der Bewertung der Arbeit durch die Arbeitnehmerschaft lassen

hingegen nur in geringem Maße auf einen Strukturwandel schließen. Auch wenn die

Problematisierung einer Neufassung des Leistungsprinzips in wissenschaftlichen

Kreisen starken Anklang gefunden hat, so hat sich dies jedoch kaum auf die Arbeits-

welt ausgewirkt. Im Zusammenhang mit der steigenden Bedeutung der persönlichen

Entfaltung lässt sich aber auch eine Abnahme der Bedeutung der Arbeitswelt als

zentraler Lebensbereich feststellen. Arbeit soll nun vielmehr der Selbstentfaltung

dienen, wohingegen ursprüngliche Werte, wie Fleiß, Genauigkeit oder Pünktlichkeit,

in den Hintergrund treten. (vgl. Fürstenberg 2010, S. 4 f.)

2.4.3. Strukturwandel der Produktionsarbeit

Wie die vorangegangen Kapitel zeigen, befindet sich die heutige Arbeitswelt in einem

tiefgreifenden Strukturwandel, der mit engverflochtenen Prozessen, wie der Flexibili-

sierung, Prekarisierung aber auch der Subjektivierung und der Entgrenzung, in Ver-

bindung steht. (vgl. Wetzel 2014, S.16 f.)

2.4.3.1. Entgrenzung von Arbeit

Die Entgrenzung gesellschaftlicher Arbeit gilt dabei als leitende Tendenz des Struk-

turwandels. Gemeint wird damit eine Erosion von bislang strukturbildendenden

Grenzziehungen, wie zum Beispiel die Grenze zwischen der Arbeitskraft und der

Person bzw. die Grenze zwischen der Arbeitswelt und der sonstigen Lebenswelt.

Diese Erosion lässt sich dabei im weitesten Sinne auf die Modernisierungsprozesse

in der Erwerbsarbeit zurückführen, wobei sich hier die Dezentralisierung, die Flexibi-

lisierung sowie die Vermarktlichung als bedeutende Konzepte darstellen. Besonders

die Flexibilisierung, als Folge von Rationalisierungsprozessen zeigt sich hier als

übergreifendes Element. Sie zeigt sich in einer Entkopplung der sozialen Sicherheit

von den Beschäftigungsstatus in Verbindung mit einem Rückzug der Unternehmen

aus der Absicherung der Arbeitnehmerschaft. Ebenso trägt die jetzt häufig verwende-

te indirekte Steuerung dazu bei, dass eine mehr oder weniger erzwungene Selbst-

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steuerung in Verbindung mit den Flexibilisierungstrends zu neuen Stresspotenzialen

für die Arbeitnehmerschaft führen. Die indirekte Steuerung zeigt sich dabei in einer

vom Unternehmen vorgegebenen Rahmenbedingung sowie konkreten Zielvorgaben.

Gleichzeitig wird zudem die Verantwortung zur Erfüllung der Kundenanforderungen

bzw. der Anforderungen des Marktsegmentes an die Beschäftigten weitergegeben.

(vgl. Langfeldt 2009, S. 274 f.)

Besonders in modernen Beschäftigungsverhältnissen, welche durch Informatisie-

rungsprozesse gekennzeichnet sind, zeigen sich Flexibilisierung und Entgrenzung

von Arbeit als typische Merkmale. Dabei wird vor allem die Tatsache, dass die Ar-

beitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihre neu gewonnene Autonomie den Unterneh-

menserfordernissen unterordnen sollten, als eher kritischer Punkt des Strukturwan-

dels betrachtet. In diesem Zusammenhang zeigt sich auch die Einteilung der Arbeits-

zeit weniger als individualisierter Prozess, sondern viel eher als Anpassung an die

betrieblichen Flexibilitätserfordernisse. Demnach könnte hier auch von einer Ver-

marktlichung der Arbeitszeit gesprochen werden. (vgl. Langfeldt 2009, S. 275)

Zudem werden die Beschäftigten durch die der Entgrenzung von Erwerbsarbeit zu-

grundeliegenden arbeitskraftorientierten Rationalisierungsstrategie mit neuen Anfor-

derungen konfrontiert. Diese neuen Leistungsanforderungen sind dabei nicht mehr

strikt vorgegeben, sondern werden vielmehr in ihrer geforderten Performanz und der

damit verbundenen Bezahlung, variabel an die ökonomische Situation des Unter-

nehmens angepasst. In der Organisationsstruktur verdrängen indirekte Steuerung,

Selbstorganisation und Subjektivierung bisherige institutionalisierte Strukturen sowie

formalisierte Verfahren und ersetzen sie durch Kooperation und Diskursivität. (vgl.

Langfeldt 2009, S. 276)

2.4.3.2. Subjektivierung von Arbeit

Bei der Betrachtung der Entgrenzung als hauptsächliche Entwicklungstendenz von

Arbeit zeigt sich auch die Thematik der Subjektivierung als zentraler Punkt. (vgl.

Langfeldt 2009, S. 290) Wobei sich Subjektivität, im Kontext der Erwerbsarbeit auf

die physischen und geistigen Fähigkeiten sowie auf extrafunktionale Qualifikationen

und auf die individuellen Anlagen und Bedürfnisse eines Individuums bezieht. (vgl.

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Langfeldt 2009, S. 25) Gemeint wird damit, dass durch veränderte Arbeitsbedingun-

gen zum Einen die Möglichkeit zur Einbringung subjektiver Potenziale eröffnet wird,

während zum Anderen der Einsatz von Subjektqualitäten teilweise nun erst gefordert

wird. In diesem Zusammenhang wird dann auch vom sogenannten „doppelten

Zwang“ der Subjektivität gesprochen. Dieser bezieht sich darauf, dass die Arbeits-

kräfte zum Einen durch den Einsatz subjektiver Beiträge, unter entgrenzten Bedin-

gungen, für die Aufrechterhaltung des Arbeitsprozesses sorgen müssen, während sie

zum Anderen ihre Arbeit selbst aktiv strukturieren, rationalisieren und verwerten

müssen. (vgl. Langfeldt 2009, S. 290)

In der heutigen Zeit findet sich bei vielen Arbeitskräften der Wunsch nach einer Fle-

xibilisierung der Arbeitsbedingungen und vor allem der Arbeitszeit, um so Arbeit und

Leben besser vereinbaren zu können. In diesem Zusammenhang spricht man hierbei

von einer sogenannten normativen Forderung der Subjektivierung. Die Arbeitskräfte

fordern dabei eine gleichberechtigte Betrachtung ihrer Flexibilitätswünsche neben

den betrieblichen Anforderungen. (vgl. Wetzel 2014, S. 19)

Während Subjektivierung als normative Forderung die Ansprüche der Arbeitskräfte

an die Erwerbsarbeit beschreibt und sich aus den Folgen soziokultureller Entwick-

lungen, wie der Individualisierung und dem Wertewandel ergibt, bezieht sich das

Konzept des subjektivierenden Arbeitshandelns auf eine technikinduzierte Subjekti-

vierung. In diesem Zusammenhang sollen durch den Einsatz von Subjektpotenzialen

der Beschäftigten, die technologisch bedingten Lücken in der Produktion geschlos-

sen werden. Die neuen Produktionskonzepte verweisen hier auch auf die, durch sie

steigende systemische Rationalisierung herbeigeführte strukturierende Subjektivie-

rung. Diese zeichnet sich wiederum durch einen Rückzug des Managements aus,

der arbeitsorganisatorischen Verantwortung aus sowie durch die Erweiterung der

Arbeitskraftautonomie. (vgl. Langfeldt 2009, S. 291)

Als Beispiel für diesen Ansatz soll hier das Konzept des „Arbeitskraftunternehmers“

von Voß und Pongratz kurz aufgezeigt werden. In diesem theoretischen Konstrukt

geht es primär um die Verfügbarmachung der Arbeitskraftpersönlichkeit für betriebli-

che Zwecke. Im Weiteren wollten die Autoren mit diesem Konzept die Ambivalenz

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zwischen der Autonomiegewinnung für die Arbeitskräfte einerseits und die Zwänge

zur Selbstorganisation innerhalb begrenzter Spielräume andererseits aufzeigen

ebenso wie die Bedeutung des steigenden Leistungsdrucks. Sie sprechen dabei von

einer „fremdorganisierten Selbstorganisation“. Demnach gestaltet sich der Arbeitsall-

tag dieses Typs als individualisierte und existenzielle Absicherung, die zudem durch

eine hohe Eigenverantwortung geprägt ist. Pongratz und Voß verweisen allerdings

darauf, dass Personen nicht als „Arbeitskraftunternehmer“ zu verstehen sind, son-

dern sich viel mehr nur an dieser Form orientieren und entsprechende Fähigkeiten

entwickeln können, um sich an das Konzept anzupassen. (vgl. Langfeldt 2009, S.

304 f.)

Im Kontext der privaten Lebensführung geht das Konzept des „Arbeitskraftunterneh-

mers“ davon aus, dass sich die neuen Produktionskonzepte auch auf den privaten

Alltag auswirken werden. Denn durch den erweiterten Zugriff der Betrieb auf ihre Ar-

beitskräfte weiten diese Ihre Rationalisierungsbemühungen auf ihre Alltagsorganisa-

tion weiter aus, in dem sie ihren gesamten Alltag systematisch und zweckgerichtet

gestalten. Um seine Arbeitskraft optimal als Ware vermarkten zu können, nutzt der

„Arbeitskraftunternehmer“ die systemische Rationalisierung, um seine soziale Um-

welt zu instrumentalisieren. (vgl. Langfeldt 2009, S. 316)

2.4.3.3. Subjektorientierung in der Arbeitsforschung

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Entgrenzung sowie Subjektivierung von

Arbeit heute vor dem Hintergrund von gesellschaftlichen Individualisierungstenden-

zen stattfindet. Demzufolge widmen sich auch moderne Arbeitsforschungen vermehrt

der eigenverantwortlichen Verarbeitung von Entgrenzung und Subjektivierung anstel-

le von Kollektivschicksalen bestimmter Großgruppen. Dabei konzentrieren sich die

neuen Ansätze hauptsächlich auf den Wandel der Organisation von Erwerbsarbeit

und beziehen sich auf Entgrenzung als eine betriebliche Rationalisierungsstrategie.

(vgl. Langfeldt 2009, S. 336 f.)

Subjektivität in der Erwerbsarbeit wird hingegen weiterhin hauptsächlich als Autono-

miestreben und als Aspekt der Selbstverwirklichung verstanden, wobei sich die tat-

sächlichen Autonomiefreiräume auf die Art der Selbstverwirklichung sowie auf die

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konkrete Tätigkeitsstruktur und die vorhandene Unternehmenspolitik beziehen. (vgl.

Langfeldt 2009, S. 342)

Somit bedarf es zu einer genaueren Systemanalyse eines ganzheitlich Blickes auf

Personal, Arbeitsorganisation sowie auf die Technik. Denn der technologisch getrie-

bene Strukturwandel in der Produktionsarbeit wird die Arbeitssoziologie bzw. die ge-

samte Arbeitsforschung mit neuen Fragestellungen konfrontieren, in denen das Ver-

hältnis von Technik und Arbeit wieder in den Vordergrund rückt. (vgl. Hirsch-Kreinsen

2014a, S. 70 f.)

2.5. Der Wandel von Produktionsarbeit in Richtung Industrie 4.0

Durch eine computergestützte Produktionsweise kam es in den letzten Jahrzehnten

zu einer Wiedereinführung und Verankerung der Produktionsintelligenz in den Berei-

chen der ausführenden Arbeit. Dadurch ergab sich eine Komplexitätssteigerung der

Arbeit, die wiederum mit einem Anstieg des Bedarfs an gut ausgebildeten und mit-

denkenden Arbeitskräften einherging. Jedoch bergen diese neuen Arbeitsbedingun-

gen, neben den Autonomiezuwächsen und Regulationschancen auch ein hohes Po-

tenzial an wachsender psychischer Belastung. (vgl. Langfeldt 2009, S. 119)

Besonders die strukturellen Folgen einer vernetzten Produktion zeigen sich in einer

Erhöhung der Flexibilität und Effizienz im Rahmen einer systematischen Rationalisie-

rung. Bisher autonome Produktionsketten organisierter Fertigungsabläufe werden in

diesem Zusammenhang geöffnet und neuen Instrumenten der Steuerung sowie der

Kontrolle zugewiesen. Ebenso werden Funktionen, die nicht unmittelbar an die Ferti-

gung geknüpft sind, wie zum Beispiel die Forschung oder die Qualitätssicherung,

dezentralisiert. Dies soll dazu dienen, dass diese Funktionen einerseits vernetzter

agieren können und andererseits dabei als prozessorientierte Querschnittsfunktion

eingesetzt werden können. Somit kann die Relevanz von Arbeit oder von Technik

nicht mehr Anhand eines Prozesses bzw. innerhalb einer Ebene beurteilt werden.

Vielmehr bedarf es dazu einer Betrachtung der Funktion beider Aspekte, die diese

nun in der unternehmensübergreifenden Produktion innehaben. Demnach stehen

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sich die Technisierung sowie die Nutzung von Arbeitskraft auch nicht mehr als Ge-

gensätze gengenüber. (vgl. Langfeldt 2009, S. 124 f.)

Bei der genaueren Betrachtung des Wandels von Produktionsarbeit lassen sich ein

paar grundlegende Dimensionen ausmachen. Zum Einen zeigt sich dabei die unmit-

telbare Mensch-Maschinen Interaktion von besonderer Bedeutung, aber zum Ande-

ren auch die damit in Verbindung stehenden neuen Qualifikationsanforderungen für

die Arbeitnehmerschaft. Weitere grundlegende Dimensionen des Wandels zeigen

sich in den Veränderungen der Aufgabenstrukturen sowie in Veränderungen der ge-

samten Arbeitsorganisation. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 13)

2.5.1. Mensch-Maschinen Interaktion

Eine sozialwissenschaftliche Sicht auf die Automatisierungstendenzen bietet die

techniksoziologische Forschung über die Interaktion von autonomen oder zumindest

teilautonomen Systemen auf der einen Seite und menschliches Handeln, auf der an-

deren Seite (vgl. Abbildung 2) sowie welche Formen der Interaktion sich dabei her-

ausbilden. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 9)

Abbildung 2: Darstellung eines Mensch-Maschinen-Systems aus Konradt 1993, S. 115

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Die Kernfrage bei einer Mensch-Maschinen Interaktion bildet dabei das Problem wie

sich menschliche und maschinelle Elemente verbinden lassen, um eine möglichst

effiziente Zusammenarbeit von menschlichen Fähigkeiten und maschinellen Funkti-

onsmechanismen zu bewirken. Im Mittelpunkt der Gestaltungsüberlegung steht da-

bei, dass sich der Mensch nun nicht mehr einfach den Vorgaben der Maschine un-

terwerfen muss, sondern sich vielmehr die Maschine an die Denkstrukturen des

Menschen anpassen sollte. Diese Anpassungsmöglichkeiten ergeben sich jedoch

erst aufgrund der technisch fortschreitenden Entwicklung. (vgl. Paetau 1990, S. 1 f.)

Bei den Mensch-Maschinen-Interaktionen lassen sich dabei zwei grundsätzliche

Wandlungstendenzen feststellen. Während auf der einen Seite von einer Dequalifi-

zierung und Teilsubstituierung von qualifizierten Facharbeitern ausgegangen wird,

kann es auf der anderen Seite aber auch zu einer Tätigkeitsanreicherung kommen.

Zum Einen werden Aufgaben, wie einfachere Maschinenbedienungen, materialbe-

dingte und werkstoffbedingte Einstellungen sowie verschiedene Kontrollfunktionen,

automatisiert, während es zum Anderen zu einer Erhöhung der Komplexität der Fer-

tigung durch eine informationstechnologische Dezentralisierung von Entscheidungs-

und Koordinationsfunktionen kommt. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 18 f.)

2.5.1.1. Bisherige maschinengestützte Produktionssysteme

Nach der tayloristisch geprägten Arbeitsgestaltung der 1970er Jahre, welche unter

anderem zu einer Einführung flexibler und selbstbestimmter Arbeitszeiten sowie zu

einer Enthierarchisierung führten, folgte in den 1980er Jahren die Umsetzung eines

rechnerintegrierten Produktionsprozesses. Dieses Konzept der Produktion wurde

unter der Bezeichnung „Computer Integrated Manufacturing“ oder kurz CIM-Konzept

bekannt. Ziel dieser Produktionsform ist es eine vollständige Vernetzung sowie eine

ganzheitliche Betrachtung der Produktionsentwicklung bis hin zur Qualitätskontrolle

zu erreichen. Durch die gemeinsame Anwendung entsprechender Softwarelösungen

für die gesamte Produktionsplanung sowie deren Steuerung wird eine Informations-

bündelung auf einer gemeinsamen Datenbasis ermöglicht, welche wiederum das Po-

tenzial zu einer Steigerung der Produktionsflexibilität bei gleichzeitiger Verringerung

der Durchlaufzeiten beinhaltet. Bisherige Umsetzungsversuche zeigten hier jedoch

auch, dass die Umsetzung mit rationalisierungsbedingten Arbeitsplatzverlusten ein-

hergeht und die Ziele nur bedingt erreicht wurden. Als mögliche Ursache für die ein-

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Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0

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geschränkten Erfolge dieser Produktionsform wird in der Arbeitsforschung die man-

gelnde Berücksichtigung des Menschen, sowohl in seiner Rolle als Mitarbeiter oder

Mitarbeiterin als auch als Kunde oder Kundin, angeführt. (vgl. Deuse / Weisner /

Hengstebeck / Busch 2015, S. 100 f.)

2.5.1.2. Neuere Produktionsgestaltungen

Neure Konzepte, wie zum Beispiel der Ansatz des Lean Management fokussieren

vielmehr einen organisationszentrierten Ansatz der Produktionsentwicklung. Hierbei

sollen möglichst schlanke, verschwendungsarme, aber dennoch kundenorientierte

Organisationen entstehen. Ziel ist es möglichst eine umgehende Verschwendung

und Überlastung von Mitarbeitern wie auch von Betriebsmitteln zu vermeiden und

dennoch eine bestmögliche Qualität an Produkten mit optimalem Kundennutzen ent-

lang einer effizienten Wertschöpfungskette zu erzeugen. (vgl. Deuse / Weisner /

Hengstebeck / Busch 2015, S. 101)

Die Vergangenheit zeigte, dass weder die rein humanistischen Ansätze wie zu Zeiten

des Taylorismus noch die rein technisch zentrierten Ansätze, wie das CIM-Konzept

zu wirklich erfolgreichen Produktionssystemen führten. Daher wird in einem neuen

Ansatz versucht die Organisation als Ganzes in den Blick zu nehmen. Dabei wird

davon ausgegangen, dass eine erfolgreiche Umsetzung der Industrie 4.0 davon ab-

hängt, ob diese erfolgreich und zielgerecht in der Organisation verankert werden

kann. Genauer gesagt bedeutet dies, dass die Produktionsfaktoren Mensch und

Technik an die Strukturen und Prozesse der Organisation angepasst werden, wobei

das dynamische und komplexe Wettbewerbsumfeld den Unternehmen dabei unter-

schiedliche Richtungen für eine Arbeits- und Organisationsgestaltung eröffnet. (vgl.

Deuse / Weisner / Hengstebeck / Busch 2015, S. 102)

Im Zusammenhang mit den organisationzentrierten Ansätzen werden auch die soge-

nannten soziotechnischen Arbeits- und Produktionssystemgestaltungen von Bedeu-

tung. Diese Cyber-Physischen-Produktions-Systeme oder kurz CPPS sind dabei

durch eine dezentralerer Führungs- sowie Steuerungsform gekennzeichnet und be-

inhalten neue Formen der Arbeitsorganisation mit einem hohen Maß an Autonomie

und gleichzeitiger wachsender technischer Unterstützung. Bei dieser systemischen

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Prozesssicht zeigt sich der Mensch somit neben dem technischen Entwicklungspo-

tenzial als bedeutender Faktor bei der Gestaltung von cyber-physischen Produkti-

onssystemen. Menschliche Fähigkeiten, wie die Flexibilität und Kreativität, sollen

durch den Einsatz der Technik nicht ersetzt, sondern vielmehr erweitert und unter-

stützt werden. (vgl. Deuse / Weisner / Hengstebeck / Busch 2015, S. 102 f.)

2.5.1.3. Sozio-technische Systeme – die Mensch-Maschinen Kommu-

nikation unter Industrie 4.0

Bei den sogenannten „sozio-technischen-Systemen“ spricht man auch von soge-

nannten „hybriden“ Systemen. Gemeint wird damit, dass sich das Aufgabenverhältnis

ebenso wie das Handlungsverhältnis zwischen Technik und Mensch in bestimmter

Weise stets erneut einspielt. Im Gegensatz zu den vorherigen Mensch-Maschinen-

Schnittstellen handelt es sich in diesen Systemen um eine fragmentale und interakti-

ve Verteilung des Handelns zwischen Mensch und Maschine und nicht mehr um eine

funktionale sowie hierarchische Aufteilung. Wobei unter fragmentaler Aufteilung hier

verstanden werden kann, dass Prozesse zwar oftmals parallel und getrennt vonei-

nander stattfinden diese jedoch stets dabei einen Bezug auf das Gesamtsystem auf-

weisen und so nebeneinanderherlaufen. Die interaktive Verteilung des Handelns be-

zieht sich hingegen darauf, dass die Lösungswege zur Zielerreichung nun nicht mehr

programmhaft festgelegt sind, sondern vielmehr je nach Situation und Kontext in ei-

nem Aushandlungsprozess zwischen den verschiedenen technischen und nicht

technischen Elementen des Systems, also zwischen Maschinen und den Menschen,

festgelegt werden. Es kommt so zu einer interaktivitätsgesteuerten Mensch-

Maschinen-Umwelt-Beziehung in der sich die Verteilung der Aufgaben situativ an die

Aktivitäten und das Handeln anpasst in der Problembearbeitungen parallel ablaufen

und eine Selbstorganisation in einem vorgegebenen Rahmen ermöglicht wird. (vgl.

Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 9 f.)

Für die soziologische Forschung bedeutet dies, dass der Ansatz eines Dualismus

zwischen Mensch und Maschine in den Hintergrund rückt und stattdessen das kom-

plexe Zusammenspiel technischer sowie sozialer Komponenten an Bedeutung ge-

winnt. Das Besondere an diesem Konzept bildet die Tatsache, dass hier nicht der

Wandlungsprozess einzelner Strukturen eines Gesamtsystems für sich in den Blick

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genommen werden, sondern die Wechselwirkung zwischen technischen und nicht-

technischen Elementen sowie deren unterschiedlichste Kombinationen ins Zentrum

der Untersuchung rücken. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 10 f.)

Dabei bietet dieses Konzept, vorallem mit der Perspektive auf den technologisch

induzierten Wandel der Produktionsarbeit, die Möglichkeit die wechselseitigen

Zusammenhänge zwischen den technologischen und den sozialen Teilsystemen

näher zu betrachten. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 12)

Mit Hilfe von Abbildung 3 lassen sich die wechselseitigen Zusammenhänge der Teil-

bereiche Mitarbeiter, Arbeitsorganisation sowie das autonome System darstellen.

Dabei soll gezeigt werden, dass die vom Unternehmen vorgegeben Rahmenbedin-

gungen den Spielraum der Prozesse beschränken. Innerhalb dieses Rahmens

kommt es jedoch zu einem Zusammenspiel, der oben genannten Teilbereiche, sowie

zu einer Wechselwirkung.

Abbildung 3: Industrie 4.0 als sozio-technisches System aus Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 12

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Als weitere wissenschaftliche Disziplin, die sich mit dem Zusammenspiel der

Mensch-Maschinen-Systeme beschäftigt, sei hier auch noch kurz auf das sognannte

„Cognetiv Engineering“ verwiesen. Diese Disziplin beschäftigt sich mit der Entwick-

lung von Wissen und Techniken, um Systeme mit der Anwendung kognitiver Prinzi-

pien zu verbessern. Dabei entwickelten sie, neben mehreren Studien zur Untersu-

chung kognitiver Prinzipien auch Methoden und Werkzeuge, um diese Prinzipien an-

zuwenden. (vgl. Lüdtke 2015, S. 132)

2.5.1.4. Komplementäre Systemgestaltung

Ein komplementäres Automatisierungskonzept soll dazu dienen eine neue Aufgaben-

teilung zwischen Mensch und Maschine zu entwerfen, bei der die drei Dimensionen

des sozio-technischen Systemkonzeptes, der Mensch, die Organisation sowie die

Technik mit einbezogen werden. Die Organisation sollte sich dabei mit kleinen

Regelkreisen selbst regulieren, wobei die Technik einer Kontrollierbarkeit durch den

Menschen unterliegt, und wohingegen der Mensch zudem durch die Aufgaben-

orientierung eine neue Motivation erfährt. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 29 f.)

Bei dieser Vorgehensweise sollen dabei die spezifischen Schwächen und Stärken

der einzelnen Elemente, also von Mensch und Maschine zu einer neuen Qualität des

Gesamtsystems verschmolzen werden. Durch die Kombination aus Kontrollierbarkeit

der Technik einer motivationsorientierten Aufgabengestaltung sowie aus der Selbst-

regulation der Tätigkeiten soll das System dazu befähigt werden Schwankungen und

Störungen erfolgreich zu bewältigen. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 29)

Entscheidend ist hierbei, dass die Gestaltung der Mensch-Maschinen-Interaktion den

jeweiligen Operateur ermöglicht jederzeit über die notwendigen Informationen über

den Zustand des Prozesses und die Kontrolleingriffe der Automatisierungssysteme

verfügen zu können. Werden der Arbeitskraft diese Möglichkeiten jedoch nicht gege-

ben, kann es im Folgenden zu einer Erosion manueller Fähigkeiten kommen sowie

von essentiellen Kenntnissen über das Verhalten und die Steuerung der relevanten

Prozesse. Ohne diese entsprechenden Fähigkeiten sind die Arbeitskräfte jedoch

nicht mehr in der Lage effektiv Störfälle zu bewältigen. (vgl. Lüdtke 2015, S. 127)

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Die Mensch-Maschinen Interaktion muss somit als Gesamtsystem betrachtet wer-

den, in dem Menschen und Maschinen gemeinsam Aufgaben bewältigen umso ge-

meinsame Ziele zu erreichen. Um dies zu ermöglichen muss dabei eine entspre-

chende Kommunikation stattfinden, die ein gegenseitiges Verstehen gewährleistet.

Denn wenn die Maschinenhandlungen für den Menschen nachvollziehbar sind und

auch abänderbar, führt dies in der Gesamtbetrachtung zu einer stabileren Funktiona-

lität des Gesamtsystems. Wichtig ist dabei, dass nicht die einzelne Maschine im

Zentrum der Überlegungen steht, sondern immer der Gesamtprozess. Daher muss in

einem ersten Schritt überlegt werden, welche Aufgabe überhaupt durch das Gesamt-

system erfüllt werden soll, um dann im Weiteren Strategien zur dynamischen Aufga-

benlokation, also wie die Aufgaben auf die einzelnen Akteure, Mensch und Maschi-

ne, verteilt werden sollen, zu entwickeln. Des Weiteren bedarf es neuer Strategien

um eine erfolgreiche und situationsbedingte Kommunikation zwischen den Menschen

und Maschinen zu ermöglichen. (vgl. Lüdtke 2015, S. 130 f.)

2.5.1.5. Entwicklung eines Mensch-Maschinen-Systems

Mittlerweile lassen sich unterschiedliche modellbasierte Vorgehensweisen zur Unter-

stützung bei der Entwicklung eines Mensch-Maschinen-Systems finden. Diese teil-

weise erprobten und bewährten Techniken können dabei helfen die notwendigen

Anforderungsarten systematisch zu erfassen und zu analysieren. Zudem helfen die-

se Modelle entsprechende Entwurfsentscheidungen zu formalisieren und bereits in

frühen Entwicklungsstadien gegeneinander abzuwägen. Des Weiteren bieten einige

Werkzeuge sogar die Möglichkeit Entwurfsspezifikationen automatisch in Implemen-

tierungsbausteine umzusetzen. Dabei zeigen sich diese Vorgehensweisen beson-

ders bei der Modellierung der Aufgaben der Arbeitsdomäne der menschlichen Infor-

mationsverarbeitung sowie bei der Modellierung der Funktionalität der Maschinen als

hilfreich. (vgl. Lüdtke 2015, S. 135)

Bei der Modellierung der Aufgaben werden Aufgaben der höheren Abstraktionsebe-

ne zerlegt, bis nur noch die unterste Ebene der konkreten Aktionen vorhanden ist. So

entsteht ein Aufgabenmodell mit einer Hierarchie, bei dem genau festgelegt ist wel-

che Schritte in welcher Reihenfolge zu erledigen sind, um das Gesamtziel zu errei-

chen. Dabei wird jedoch auch berücksichtigt, dass es unterschiedliche Vorgehens-

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weisen für die einzelnen Schritte geben kann, die je nach Situation angepasst wer-

den. Entscheidend ist, dass diese Anpassungen in einer adäquaten Darstellungsform

präsentiert und kommuniziert werden. Da jedoch nicht alle Situationen vorweg defi-

niert werden können, bedarf es einer klar definierten Arbeitsdomäne. Diese beinhal-

tet die Prinzipien und Rahmenbedingungen nach denen die Arbeitskräfte das gesam-

te Mensch-Maschinen-System kontrollieren, steuern und überwachen. (vgl. Lüdtke

2015, S. 135 f.)

Die Modellierung der Maschinen erfolgt dabei meist durch die Anwendung von sys-

tematischen Ingenieursmethoden umso die funktionalen Anforderungen, die Funkti-

onsspezifikationen sowie die Systemarchitektur effizient miteinzubeziehen. Im Ge-

gensatz dazu lassen sich jedoch kaum Modelle von menschlichen Verhalten voll-

ständig entwickeln. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache bezieht man sich, bei

der Modellierung der Menschen, daher hauptsächlich auf kognitive Fähigkeiten, wie

die Wahrnehmung, Entscheidungsfindung, Multitasking und dergleichen. Die Abs-

traktion des menschlichen Verhaltens soll dabei im Wesentlichen dazu dienen, zu

entscheiden welche kognitiven Muster für welche Entwicklungsfragen geeignet sind.

Werden die Menschenmodelle dann mit den Maschinenmodellen kombiniert, lassen

sich Simulationen erstellen die schon in frühen Entwicklungsphasen durchgeführt

werden können. (vgl. Lüdtke 2015, S. 136 f.)

Diese modellbasierten Verfahren können in Kombination mit anderen Verfahren, wie

zum Beispiel Probandentests, angewendet werden. Jedoch sollten Modellverfahren

eher am Beginn der Entwicklung eingesetzt werden, da mit ihnen Entwurfsschwä-

chen einfach festgestellt und zudem auch besonders kritische Szenarien identifiziert

werden können. Dennoch bilden modellbasierte Verfahren nur eine Abstraktion der

Realität ab und diese Tatsache muss stets berücksichtigt werden. (vgl. Lüdtke 2015,

S. 137)

2.5.2. Veränderung der Aufgabenstruktur

Unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass der Mensch auch weiterhin eine ent-

scheidende Rolle als Arbeitskraft spielen wird, gilt es bereits bei der Aufgabenstruk-

tur wesentliche Aspekte zu berücksichtigen. Um ein erfolgreiches Zusammenspeil

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von Mensch und Maschine zu gewährleisten, sollte daher berücksichtig werden, wel-

che Funktionalität die Maschinen im Prozess übernehmen sollen und welche Gren-

zen und Möglichkeiten dabei die Automatisierung bietet, aber auch welche menschli-

chen Fähigkeiten für diese Prozesse nötig sind und welche Schwächen dabei hinder-

lich sein könnten. (vgl. Lüdtke 2015, S. 128)

Allerdings ist hier auch zu bedenken, dass nicht einfach jene Fähigkeiten automati-

siert werden können in denen die Maschinen den Menschen überlegen sind, denn

auch wenn der Mensch so noch seine Stärken einbringen könnte, berücksichtigt die-

ser einfache Prozess keine arbeitspsychologischen Faktoren. Zufriedenheit, Motiva-

tion aber auch das Selbstverständnis bilden dabei Elemente die jedoch für die Ar-

beitsleistung, wie bereits in mehreren Studien belegt wurde, entscheidend sind. Zu-

dem müssen die Arbeitskräfte, um situationsbedingt auch die Maschinenarbeit über-

nehmen zu können, weiterhin über adäquate manuelle Fähigkeiten verfügen. We-

sentlich erscheint hier, dass die Aufgabenverteilung nicht starr erfolgt, sondern dy-

namisch bleibt und die Arbeitskräfte immer frei entscheiden können Aufgaben selbst

zu übernehmen. Durch diese Möglichkeit können sie auch weiterhin manuelle Fähig-

keiten aufrechterhalten. Bei der neueren Mensch-Maschinen Interaktion kommt es

somit zu einer Fokusverschiebung von der Betrachtungsweise der Automatisierung

als rein technische Funktionalität hin zur Betrachtung des Zusammenspiels von

Mensch und Maschine. (vgl. Lüdtke 2015, S. 129 f.)

Die bisher dargestellten Charakteristika der Arbeit in den neueren Produktionskon-

zepten sowie das sich ständig verändernde Arbeitsumfeld durch den zunehmenden

Einsatz von komplexen Technologien führen in weiterer Folge dazu, dass sich die

Anforderungen an die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Arbeitskräfte ändern. Dabei

müssen die bisherigen Kompetenzniveaus an der Prozessorientierung angepasst

werden und neue Fähigkeiten, die zum Verständnis und Funktionsweise des Sys-

tems beitragen gefördert werden. (vgl. Deuse / Weisner / Hengstebeck / Busch 2015,

S. 103)

Als Beispiel für eine Unterstützungsfunktion der neuen Technologien soll hier der

Einsatz der Automatisierungslösung für Transport- oder Bearbeitungsaufgaben ange-

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führt werden. Der Einsatz derartiger Assistenzsysteme mit intuitiven Benutzerschnitt-

stellen kann so zu einer körperlichen Entlastung des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeite-

rin führen. Von besonderer Bedeutung ist jedoch, dass geeignete Rahmenbedingun-

gen geschaffen werden, in denen eine Kooperation zwischen Mensch und Technik

ermöglicht wird und in denen der Mensch als letzte Instanz die Entscheidung trägt.

Dadurch können Arbeitskräfte zukünftig in einem flexiblen und anpassbaren Niveau

in die Steuerung- und Koordinationsaufgaben mit einbezogen werden. (vgl. Deuse /

Weisner / Hengstebeck / Busch 2015, S. 104)

Die Umsetzung von autonomen Produktionssystemen wie vom Konzept Industrie 4.0

vorgesehen würde demnach dazu führen, dass zukünftig langfristig planbare und

leicht zu standardisierende Aufgaben von technischen Systemen übernommen wer-

den. Im Gegensatz dazu wird der menschlichen Arbeitskraft vermehrt die Verantwor-

tung für individuelle und unvorhersehbare Aufgaben übertragen. Ebenso wird die

ursprüngliche Arbeitnehmerschaft nach wie vor in schwer zu standardisierenden Ar-

beitsbereichen, in denen die Produktionsbedingungen körperliche und manuelle Ar-

beit voraussetzten erhalten bleiben. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 19)

Daraus ergibt sich, dass auch die neuen Anforderungsprofile an die Arbeitnehmer-

schaft in zwei wesentliche Bereiche unterteilt werden können. Zum Einen werden

Betriebe durch die Automatisierung in die Lage versetzt niedrig qualifiziertes Perso-

nal kostengünstig und ohne langwieriger Anlernzeit einzusetzen. Zum Anderen steigt

jedoch auch der Bedarf an gut ausgebildeten und qualifiziertem Personal mit wel-

chem, unter Berücksichtigung der vorhandenen Qualifikationen, Arbeitsabläufe opti-

miert werden können. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 20)

Dabei bietet die Vernetzungstechnologie eine ganz neue räumliche Dimension, bei

der nicht mehr nur Automatisierung vor Ort sondern auch die autonome Kommunika-

tion und Abstimmung mit weiter entfernten Produktionsanlagen ermöglicht wird. Die

Digitalisierung der Arbeit führt dabei zu einer neuen Dimension der Transparenz bzw.

besser gesagt der Kontrolle der Arbeitskräfte. Die Leistungen sowie die Arbeitser-

gebnisse der Belegschaft können präzise und in Echtzeit erfasst werden und zudem

nicht nur unter den Beschäftigten selbst, sondern auch zwischen verschiedenen

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Standorten verglichen werden, was wiederum ein enormes Konkurrenzpotenzial be-

inhalten würde. (vgl. Sauer / Menz 2014, S. 54 f.)

2.5.2.1. Die neuen Anforderungsprofile für das Personal

Durch die Einführung automatisierter und flexibler Arbeitssysteme stiegen auch die

Qualifikationsanforderungen an die Arbeitnehmerschaft. Allerdings sollte man hier

nicht einfach nur von einem generellen Anstieg ausgehen, sondern die unterschiedli-

chen Dimensionen berücksichtigen. Das bereits hohe Niveau der spezifischen beruf-

lichen Fachkompetenz wird durch Kenntnisse im Bereich der Programmierung weiter

ausgebaut. Ebenso stiegen durch fortlaufende Automatisierungen auch die Anforde-

rungen an informationstechnischen Kompetenzen. Als neues Anforderungsprofil für

die Arbeitnehmerschaft entwickelten sich über die letzten Jahre auch die sogenann-

ten organisatorisch dispositiven Kompetenzen. Gemeint werden damit Fähigkeiten

zur Beherrschung von Teilfunktionen der Produktionsplanung und der Produktions-

steuerung sowie die Fähigkeit zur Prioritätssetzung anhand verschiedener Optimie-

rungsmethoden. Die Anforderung an die Methodenkompetenz zeigt sich besonders

in Fähigkeiten der Problemlösung, die durch Diagnosefähigkeit sowie logisch analyti-

schem Denken definiert ist. Ein weiterer besonderer Bestandteil der neuen Anforde-

rungen bildet hierbei die Lernkompetenz, wobei das Besondere sich in der Tatsache

wiederspiegelt, dass die Arbeitnehmerin und der Arbeitnehmer nun selbst in der La-

ge sein müssen, die für sie relevanten Qualifikationen zu identifizieren und sie sich

anzueignen. Es geht dabei also vor allem um selbstbestimmtes und selbstgesteuer-

tes Lernen. Obwohl gerade die „unteren“ Arbeitskräfte, also jene mit einem geringen

Bildungsgrad im Wesentlichen von dem Automatisierungsprozess betroffen sind und

so ihre Fähigkeiten ständig weiterentwickeln sollten, erhalten gerade diese Gruppen

kaum Weiterbildungsmöglichkeiten. (vgl. Eichener 1993, S. 92 ff.)

Grundsätzlich zeigen sich die Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten als eine neue

Herausforderung unter Industrie 4.0. Denn bisher galten die Fachbereiche, wie Me-

chatronik, Informatik oder Betriebswirtschaft als klar voneinander abgegrenzte Dis-

ziplinen. Dementsprechend sind auch die Universitäten in diesen Bereichen in unter-

schiedliche Fakultäten gegliedert. Nach dieser immer strikteren Spezialisierung in

den letzten Jahrzehnten fehlt es bei der Entwicklung der neuen komplexen techni-

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schen Systeme folglich jedoch an Personal das in der Lage ist auch das gesamte

System zu verstehen. Hier muss die Industrie der Wissenschaft, aber auch der Politik

vermitteln welche Anforderungen an zukünftige Arbeitskräfte gestellt werden, um de-

ren Ausbildung von Beginn an anzupassen. So könnten die Universitäten zum Bei-

spiel auch den Studenten sowie Studentinnen ermöglichen einen Studienplan über

mehrere relevante Fakultäten hinweg frei zusammenzustellen, um so einen besseren

Blick für das Gesamtsystem zu erlangen. Da derartige Prozesse meist jedoch einen

längeren Zeitraum beansprucht, sollte die Industrie in der Zwischenzeit mit entspre-

chender beruflicher Weiterbildung den Arbeitskräften neue berufliche Felder ermögli-

chen. (vgl. Sendler 2013, S. 18)

2.5.2.2. Die neuen Anforderungen für die Managementebene

Auch auf der Planungs- und Managementebene lassen sich zwei unterschiedliche

Entwicklungen feststellen. Während auf der einen Seite durch die Automatisierung

ein Teil der Planungsfunktionen sowie Steuerungsfunktionen auf die unteren Ebenen

abgegeben wird, kommt es auf der anderen Seite zu einer komplexitätsbedingten

Erweiterung der Planungsaufgaben. Dies bedeutet, dass es somit zu einem teilwei-

sen Hierarchieabbau in den ohnehin schon flachen Produktionsunternehmen kommt

und zugleich durch die Systemkomplexität die Aufgabe der Problemlösung vor allem

für das Management an Bedeutung gewinnt. Grundsätzlich lässt sich dabei festhal-

ten, dass die früher getrennten Bereiche der Planungsebene und der Management-

ebene fortan eher miteinander verschmelzen. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 21 f.)

Für die Managementebene ergibt sich jedoch auch eine neue Anforderung im Be-

reich der sozial kommunikativen Kompetenz. Hier sollen vor allem durch Fähigkeiten,

wie zum Beispiel Zuhör- und Einfühlungsvermögen, aber auch die Fähigkeit seine

Hilfe richtig anzubieten, Kompetenzen im Bereich der Konfliktbewältigung hervortre-

ten. (vgl. Eichener 1993, S. 95)

Zudem müssen Managerinnen und Manager jetzt auch die Form des induktiven

Denkens erlernen. Während früher eine deduktive Denkweise, also eine Problemde-

finition mit anschließender Lösungsfindung von Vorteil war, wird nun vermehrt auf

eine induktive Denkweise gebaut, bei der das Personal zuerst einen überzeugenden

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Lösungsansatz entwickeln soll, um dann die Probleme zu identifizieren die damit be-

hoben werden könnten. (vgl. Hammer / Champy 1995, S. 113 f.)

Im Besonderen bietet für das Management dabei die Entwicklung in Richtung Indust-

rie 4.0 die Möglichkeit betriebswirtschaftliche Entscheidungen fortan vermehrt an-

hand von Echtzeitdaten zu treffen. Da jedoch zugleich die Abläufe der autonomen

Systeme aufgrund ihrer Komplexität meist intransparent bleiben, müssen bisherige

Entscheidungskompetenzen teilweise an die darüber liegende operative Ebene ver-

lagert werden. Daraus ergibt sich eine oft mangelnde Akzeptanz der neuen Techno-

logien auf der Managementebene. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 22).

2.5.2.3. Das Problem der neugewonnen Autonomie

Die neu entstandene Autonomie für die Arbeitskräfte kann sich in diesen Formen der

Produktionsarbeit nicht mehr als Gegenbegriff zu einem rationalisierten Zugriff auf

das Arbeitsvermögen zeigen sondern vielmehr als immanenter Bestandteil davon.

Die neue stärkere Eigenverantwortlichkeit in der Arbeit unter immer restriktiveren

Rahmenbedingungen bietet dabei immer weniger Möglichkeiten die Potenziale der

erweiterten Selbstständigkeit auch zu realisieren. Dementsprechend lässt sich bei

den Krankenkassen ein Anstieg psychischer Erkrankungen und Stressbelastungen

feststellen, welche in unmittelbaren Zusammenhang mit den neuen Steuerungsme-

thoden und Anforderungsstrukturen stehen, denn die neuen Autonomiepotenziale

können vor allem durch die veränderten Rahmenbedingungen und Steuerungsfor-

men von Organisation und Arbeit immer wieder systematisch begrenzt werden. In

der Extremform bildet dabei das Prinzip der Autonomie nur noch einen Zwang unter-

nehmerisch frei zu handeln, was so viel bedeutet wie, so zu handeln wie der Markt

und die Verwertungszwänge es erfordern und Autonomie nur noch dazu dient sich

den jeweiligen Anforderungen anzupassen. Um derartige Ausprägungen jedoch zu

vermeiden, bedarf es hier einer innovativen Arbeitspolitik, die nicht nur die Arbeits-

platzgestaltung in den Blick nimmt, sondern auch den kompletten Zusammenhang

der Organisation sowie die neuen Steuerungsformen von Arbeit betrachtet. (vgl.

Sauer / Menz 2014, S. 56 f.)

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2.5.3. Veränderung der Arbeitsorganisation

Die Strukturen eines Industrieunternehmens bilden sich normalerweise über Jahr-

zehnte hinweg und werden nur selten grundlegend geändert und dann meist nur in

Teilbereichen. Unter Industrie 4.0 erfahren jedoch mehrere Bereiche gleichzeitig ei-

nen gravierenden Wandel. So werden zum Einen die organisatorischen Abschottun-

gen zwischen den Fachbereichen aufgehoben, um den Weg für neue Projektstruktu-

ren zu öffnen. Zum Anderen wird die bisherige Produkt- und Komponentenstruktur

durch eine dominante Rolle der Funktionsstruktur abgelöst. Genauer gesagt bedeu-

tet dies, dass die Trennung zwischen Entwicklung, Produktionsplanung, Fertigung

und Service überwunden werden muss, um der Funktion den Vorrang einräumen zu

können. (vgl. Sendler 2013, S. 13 f.)

Die Veränderungen der Arbeitsorganisation durch die Umsetzung des Konzeptes 4.0

beziehen sich hier vor allem auf die arbeitsteilige Strukturierung von Aufgaben und

Tätigkeiten sowohl in horizontaler, als auch in hierarchischer Hinsicht. Ebenso be-

zieht sich die Arbeitsorganisation in diesem Zusammenhang auf die Gestaltung der

Kommunikation und Kooperation zwischen den Beschäftigten. Unter dieser Betrach-

tung lassen sich dabei sehr unterschiedliche Muster der Arbeitsorganisation identifi-

zieren, die im Folgenden durch zwei entgegengesetzte Idealtypen als Extremformen

dargestellt werden sollen. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 23)

2.5.3.1. Die polarisierte Organisation

Diese Form der Aufgabenorganisation zeichnet sich, wie der Name schon sagt durch

eine Polarisierung von Aufgaben, Qualifikationen sowie Personaleinsatz aus. Dies

bedeutet, dass das Produktionssystem nur noch eine geringe Zahl einfacher Tätig-

keiten beinhaltet, die dabei, wenn überhaupt nur noch einen geringen Handlungs-

spielraum für die Beschäftigten bereitstellen. Es handelt sich dabei vor allem um

Überwachungsaufgaben sowie Kontrollaufgaben, die in einer fortlaufenden und stan-

dardisierten Variante auszuführen sind. Bei der polarisierten Organisation kommt es

jedoch auch zu einer Erweiterung bzw. Neubildung einer hochqualifizierten Exper-

tengruppe, die sich zudem aus technischen Spezialisten zusammensetzt (vgl. Abbil-

dung 4). Deren Anforderungsprofil sowie ihr Qualifikationsprofil liegen dabei deutlich

über dem der bisherigen Facharbeiter. Diese Form der Organisation entspricht somit

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der bisher beschrieben Zweiseitigkeit von Aufgabenerweiterung einerseits und Stan-

dardisierung andererseits. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 23)

Abbildung 4: Die polarisierte Organisation aus Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 24

Durch die erweiterten Qualifikationen des eingesetzten Facharbeiter- und Ingenieurs-

personals können so auch selten auftretende Störungen hoch komplexer Systeme

behoben werden. Zudem bietet diese Form der Organisationsstruktur eine einfache

Anschlussfähigkeit an bisher bestehende Strukturen sowie die Weiterführung eines

flexiblen Personaleinsatzes. (vgl. Meireis 2015, S. 9)

2.5.3.2. Die Schwarm-Organisation

Die sogenannte Schwarm-Organisation ist hingegen durch eine Arbeitsorganisation

gekennzeichnet, die sich in einer Vernetzung sehr qualifizierter Beschäftigter darstellt

(vgl. Abbildung 5). Niedrig qualifizierte Tätigkeiten sind in dieser Form der Organisa-

tion nicht mehr anzutreffen, da sie vollständig durch die Automatisierung ersetzt wur-

den. Die Beschäftigten arbeiten hier als hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitar-

beiter gleichberechtigt, ohne dass ihnen dabei Aufgaben vorab definiert werden. Die

Arbeitsorganisation zeigt sich somit als hoch flexibel, selbstbestimmt und zudem si-

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tuationsbestimmt. Natürlich wird auch in dieser Form der Organisation ein gewisser

Handlungsrahmen von der Leitungsebene vorgegeben. Dieser beinhaltet vor allem

strategische Ziele sowie die kollektive Orientierung. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S.

24 f.)

Abbildung 5: Die Schwarm-Organisation aus Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 25

In der Form der Schwarm-Organisation würde die Notwendigkeit an einer mehrfach

geschulten und mehrfach qualifizierten Arbeitskraft, dem sogenannten „Facharbeiter-

Ingenieur“ abnehmen, da sich hier eine Art Schwarm bilden soll, in dem sich die

Facharbeiter sowie Facharbeiterinnen mit den Ingenieuren und Ingenieurinnen aus-

tauschen können. (vgl. Ohm / Bürger 2015, S. 26) Dabei muss allerdings auch wei-

terhin berücksichtigt werden, dass Qualifikationsanforderungen differenziert zu be-

trachten sind. Dies bedeutet, dass die notwendigen Anforderungen nicht rein durch

eine formale oder akademische Ausbildung zu erwerben sind und dass einfache und

routinierte Tätigkeiten nicht ohne weiteres einfach automatisiert werden können. In

diesem Zusammenhang wird somit auch weiterhin, der in einem dualen Ausbil-

dungssystem erworbene Kompetenzmix eine erhebliche Ressource für die Organisa-

tionsstruktur darstellen. (vgl. Meireis 2015, S. 12) Jedoch beinhaltet diese Form der

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Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0

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Produktion auch ein erhebliches Produktionsrisiko, denn um die gewünschten Ziele

zu erfüllen, bedarf es einer kollektiven und überindividuellen Handlungsorientierung.

Somit ist die Verwirklichung eines selbstorganisierten Projektes in der Schwarm-

Organisation nur möglich, wenn die Mitglieder gemeinsame Ziele verfolgen und die

individuellen Bedürfnisse zurückstellen. (vgl. Ohm / Bürger 2015, S. 26)

Die Schwarm-Organisation setzt somit bei ihrer Gestaltung explizit auf die Nutzung

informeller sozialer Prozesse der Kommunikation und Kooperation. Damit werden

neben dem spezifischen Prozesswissen auch dementsprechende extrafunktionale

Kompetenzen von den Beschäftigten erwartet bzw. verlangt. (vgl. Buhr, 2015, S.10)

Hier lässt sich klar eine Verbindung zu bisherigen Gruppenkonzepten feststellen.

Aber auch wenn die Einführung der Gruppenarbeit als Faktor der Humanisierung der

Arbeit populär war, lässt sich ein Umbau auf eine derartige Organisationsstruktur nur

unter erheblichen Aufwand verwirklichen. (vgl. Meireis 2015, S. 9)

Beide Formen der Organisationsstruktur, die Polarisierte- ebenso wie die Schwarm-

Organisation beinhalten dabei eine neue Form der Datenabhängigkeit, was zukünftig

der Frage der Datensicherheit auch in den Produktionsstätten stärkere Bedeutung

zukommen lassen wird. Zudem gilt es, für eine erfolgreiche Umsetzung jeglicher Än-

derungen, die Beschäftigten von Anfang an in die Umgestaltung miteinzubeziehen

und sie dabei als mitbestimmende Kräfte technischer sowie sozialer Innovationen zu

betrachten. (vgl. Buhr 2015, S. 10)

Wie bereits erwähnt, bilden diese beiden Formen der Organisation Extremfälle und

sollten hier nur der Veranschaulichung dienen. Anhand der unterschiedlichsten Mög-

lichkeiten zur Aufgabengestaltung sowie zur Organisationsgestaltung ist klar ersicht-

lich, dass es nicht nur einen Weg zur optimalen Umsetzung der Industrie 4.0 Syste-

me geben kann. Vielmehr werden sich die zukünftigen Arbeitsorganisationen an die

jeweiligen konkreten Anwendungsgebiete mit ihren spezifischen Systemfunktionen

sowie betrieblichen Strukturbedingungen anpassen und so eine Vielzahl unterschied-

licher Formen sowie Muster von Arbeitsorganisation ergeben. Zudem kann davon

ausgegangen werden, dass die Umsetzung von Industrie 4.0 in sehr unterschiedli-

cher Geschwindigkeit stattfinden wird. So kann es dann dazu kommen, dass sehr

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Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0

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weit fortgeschrittene Produktionsbetriebe neben nach wie vor traditionell und manuell

funktionierenden Betrieben existieren. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 26 f.)

2.6. Modelle der Zukunft

Die aufgezeigten Entwicklungen lassen nun auf zwei mögliche Zukunftsszenarien

schließen.

Zum Einen könnte durch die immer stärker werdende Individualisierung die Arbeits-

welt schrittweise immer mehr an Bedeutung als zentraler Lebensbereich verlieren bis

es schließlich zu einem Ende der berufsorientierten Arbeitsgesellschaft führen wür-

de. Dem widerspricht jedoch, dass die Anspruchniveaus an ein Arbeitsverhältnis e-

her steigen und dass vermehrt Chancen zur qualifizierten Erwerbstätigkeit gefordert

werden. Ebenso lässt sich nach wie vor ein vielfältiger Arbeitszwang sowie Leis-

tungszwang im privaten Bereich ausmachen. (vgl. Fürstenberg 2010, S. 5 f.)

Zum Anderen könnte es zu einer Transformation der Berufstätigkeit kommen, indem

ihre Grundlagen allmählich umstrukturiert werden. Derartige Transformationsprozes-

se lassen sich zum Teil schon in einigen Bereichen feststellen. So gehen die neuen

technischen Nutzungspotenziale mit einer gesteigerten Ausbildungsintensität einher,

bei der manuelle Fertigkeiten in den Hintergrund treten und Kenntnisse über das Zu-

sammenwirken technischer Systeme sowie sozialorganisatorischer Einsatzbedin-

gungen notwendig werden. Des Weiteren lässt sich durch die bereits erwähnte

Marktdifferenzierung eine gesteigerte Mobilität und Flexibilität der Arbeitsstruktur

feststellen, bei dem Arbeitsplatzwechsel und Berufswechsel zu einem Standard im

Lebenslauf werden. Von besonderer Bedeutung ist hier jedoch vor allem, dass durch

den Produktionsfortschritt nur noch ein sehr geringer Anteil im Primär- und Sekun-

därsektor eine Beschäftigung finden wird. Daraus folgt, dass sich duale Arbeitsver-

hältnisse herausbilden, die sich in sogenannten „Doppelberufen“ zeigen werden. Zu-

dem wird es zu einer Ausprägung in den Zweit- und Drittkarrieren kommen, um zum

Teil auch die Arbeitsanforderungen an die jeweilige Lebenssituation anzupassen. Um

die oft empfundenen Spannungen zwischen den verschiedenen Lebensbereichen,

wie Familie und Arbeit weiter abzubauen, werden zudem neue alternative Formen

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Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0

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der Lebensgestaltung entwickelt. Wobei sich diese insbesondere durch ihre zeitlich

beschränkte Form auszeichnen, wie zum Beispiel dem sogenannten „Bildungsur-

laub“. Bei dieser Variante des Zukunftsmodells wird es somit unweigerlich zu einer

zunehmenden Differenzierung und Segmentierung der Berufssituation kommen. (vgl.

Fürstenberg 2010, S. 7 f.)

Welche der beiden Varianten man für sich selbst als realistischer betrachtet oder ob

man gar ein anderes Zukunftsszenario erahnt, bleibt dabei völlig offen. Dennoch

lässt sich festhalten, dass der Strukturwandel der Erwerbsarbeit eine flexiblere Le-

bensplanung erfordern wird. (vgl. Fürstenberg 2010, S. 10)

2.6.1. Risiken und Chancen in der neuen Produktionsarbeit

Wie bereits aufgezeigt wurde, könnten die Produktionsbedingungen unter Industrie

4.0 auf der einen Seite dazu führen, dass Arbeitskräfte mit nur geringen oder gar fal-

schen Qualifikationen auf der Strecke bleiben. Ebenso könnten die neuen Technolo-

gien zu einem erheblichen Ausbau der Kontrollmechanismen sowie zu einer ver-

stärkten Störanfälligkeit der Produktionssysteme führen. (vgl. Kurz 2014, S. 74) Ein

weiterer Aspekt der Entwicklung in Richtung Industrie 4.0 bietet die Tatsache, dass

sich die großen Unternehmen in Zukunft immer mehr in ihrer inneren Struktur anglei-

chen werden. Dies lässt sich dadurch erklären, dass die benötigte Software von nur

wenigen Konkurrenten angeboten wird und diese in ihrem Kern sehr ähnlich sind.

Die Software wird dann für die jeweiligen Kunden, wenn überhaupt nur minimal an-

gepasst. (vgl. Kurz / Rieger 2013, S. 246)

Auf der anderen Seite bieten die neuen Produktionsbedingungen jedoch auch das

Potenzial neue und interessante Arbeitszusammenhänge sowie Tätigkeitsfelder für

die Arbeitskräfte zu schaffen. Ebenso beinhalten die neuen Konzepte auch eine

wachsende Eigenverantwortung sowie vielfältige Beteiligungs- und Entfaltungsmög-

lichkeiten für das Personal. Für eine erfolgreiche und auch für die Arbeitskräfte posi-

tive Umsetzung des Konzeptes von Industrie 4.0 bedarf es somit noch einiger Arbeit

sowie Zusammenarbeit bei den beteiligten Akteuren, wie den Ingenieurswissenschaf-

ten, der Arbeitsforschung im Allgemeinen aber auch der Arbeits- und Industriesozio-

logie im Besonderen. (vgl. Kurz 2014, S. 74 f.)

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2.6.2. Die Frage nach der Beschäftigung

Eine wesentliche und stark diskutierte Frage in Bezug auf die Automatisierung ist,

welche Beschäftigungseffekte diese nach sich ziehen wird. Die Argumente lassen

sich dabei in zwei wesentliche Positionen einteilen. (vgl. Hirsch-Kreinsen, 2015, S. 5)

Auf der einen Seite wird die Auffassung vertreten, dass durch digitale Technologien

dauerhaft Arbeitsplätze verloren gehen werden. Somit werden, im Gegensatz zur

Vergangenheit, kurzfristige Arbeitsplatzverluste nun nicht mehr langfristig durch neue

Beschäftigungsmöglichkeiten kompensiert, sondern vielmehr das verfügbare Volu-

men an Arbeitsplätze durch die zunehmende Automatisierung reduziert. Dabei wird

davon ausgegangen, dass hauptsächlich routinehafte Tätigkeiten ersetzt bzw. auto-

matisiert werden, aber im Weiteren auch komplexere Tätigkeiten. Diverse Studien

zeigen dabei eine potenzielle Automatisierungsgefahr für rund die Hälfte der gegen-

wärtigen Berufe aus den verschiedensten Wirtschaftssektoren. (vgl. Hirsch-Kreinsen

2015, S. 6)

Auf der anderen Seite wird dieser Standpunkt zwar nicht völlig verworfen, jedoch

aber stark abgemildert. So seien diese Studien über mögliche Arbeitsplatzverluste

rein an das mögliche Automatisierungspotenzial geknüpft und dies könne man nicht

gleichstellen. Vielmehr können sich durch die neuen Technologien zwar Arbeitsplät-

ze verändern, aber diese müssen nicht zwangsläufig auch ersetzt werden. Dabei

können zudem neue und bisher unbekannte komplementäre Tätigkeiten entwickelt

werden, die es bisher noch nicht gibt. Die Frage ist hier nicht, ob ein Mitarbeiter oder

eine Mitarbeiterin durch einen Roboter ersetzt wird, sondern vielmehr wie sich die

Tätigkeit faktisch verändert und welche potenziellen Veränderungsmöglichkeiten

vorhanden sind. Auf Grundlage dieser Überlegung sehen andere Studien lediglich

zwölf Prozent der Arbeitsplätze als automatisierungsgefährdet an. Dabei bleibt je-

doch zu beachten, dass besonders die niedrig qualifizierten Arbeitskräfte davon be-

troffen und scheinen und bei einer Betrachtung ihrer Tätigkeiten zeigt sich sogar eine

Automatisierungswahrscheinlichkeit von achtzig Prozent. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2015,

S. 7 f.)

Gesamt betrachtet wird jedoch auch von beiden Seiten davon ausgegangen, dass

die neuen Technologien auch Effizienzvorteile, neue Produkte sowie neue Märkte

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eröffnen, die wiederum neue Beschäftigungsmöglichkeiten beinhalten werden und

somit möglicherweise Jobverluste kompensieren können. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2015,

S. 8)

2.6.3. Mögliche Beschränkungen für Industrie 4.0

Bei den Industrie 4.0-Systemen handelt es sich bisweilen meist jedoch noch um

technologische Visionen, da ihre Umsetzungen mit schwer überwindbaren techni-

schen, ökonomischen aber auch sozialen Hindernissen einhergehen. Zum Einen er-

geben sich durch die Abstimmungserfordernisse mit den bestehenden informations-

und produktionstechnischen Strukturen, langwierige Einführungsprozesse, welche

nicht nur eine hohe technische Komplexität, sondern zudem einen erheblichen kos-

tenträchtigen Faktor aufweisen. Zum Anderen stößt das Konzept immer wieder auf

Akzeptanzprobleme. Besonders die Managementebene zweifelt dabei die Automati-

sierungs- und Effizienzversprechungen von Industrie 4.0 an. Zudem führt die neue

Dominanz der IT-Kompetenzen dazu, dass gerade technische Experten und Exper-

tinnen einen Kompetenzverlust sowie den Verlust ihrer bisherigen einflussreichen

Position befürchten und neigen deshalb dazu den Wandel zu blockieren. Ebenso

lässt sich eine allgemeine Furcht vor dem Kontrollpotential der digitalen Systeme

feststellen, mit der Angst dadurch sogenannte „gläserne“ Mitarbeiter und Mitarbeite-

rinnen zu schaffen. Aufgrund dieser Umsetzungsproblematiken lässt sich daher ver-

muten, dass das Konzept Industrie 4.0 vorerst nur in begrenzten Insellösungen An-

wendung finden wird. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 33 f.)

In diesem Zusammenhang zeigt es sich demnach als unerlässlich zu untersuchen,

wie das Wirkverhältnis bzw. das Zusammenspiel zwischen Mensch, Technik und Or-

ganisation folglich ausgeprägt sein sollte, um tatsächlich ein stabiles Produktionsver-

hältnis im Sinne von Industrie 4.0 erzeugen zu können. (vgl. Deuse / Weisner /

Hengstebeck / Busch 2015, S.100) Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die aufge-

zeigten Arbeitshypothesen noch durch zahlreiche Forschungen überprüft und auf

ihre Praxisrelevanz getestet werden müssen. Denn trotz des hohen Potenzials des

Konzeptes Industrie 4.0 befinden sich derartige Entwicklungen noch in ihren Anfän-

gen. (vgl. Deuse / Weisner / Hengstebeck / Busch 2015, S. 104)

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3. Empirische Untersuchung und methodisches Vorgehen

Die empirische Untersuchung sowie das methodische Vorgehen sind an das fünf

Phasen Modell über den Forschungsablauf von Peter Atteslander angelehnt. Daraus

ergeben sich, wie in der folgenden Abbildung 6 erkennbar im Wesentlichen die nach-

stehenden Unterkapitel über die Problem- bzw. Gegenstandsbenennung, die Darstel-

lung der Durchführung und Anwendung der gewählten Forschungsmethoden sowie

die Erläuterung des Auswertungsverfahrens und die nachfolgende Analyse, um dann

mit der Verwendung der Ergebnisse zu schließen. (vgl. Atteslander 2010, S. 21)

Abbildung 6: Phasen des Forschungsablaufes aus Atteslander 2010, S. 21

Im Folgenden werden die Problembenennung, das Forschungsdesign, die Durchfüh-

rung der Erhebung, die Aufbereitung und das Auswertungsverfahren sowie schließ-

lich die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung erläutert.

1. Problembenennung

2. Gegenstandsbenennung

3. Durchführung - Anwendung von Forschungsmethoden

4. Analyse - Auswertungsverfahren

5.Verwendung von Ergebnissen

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3.1. Die Problembenennung

Nach Atteslander ist unter der Problembenennung die Formulierung der sozialen

Probleme in eine wissenschaftliche Fragestellung zu verstehen. Dabei sollte zudem

eine konkrete Abgrenzung des Problems, ein Nachweis über die Erklärungsbedürf-

tigkeit und der Bedarf einer empirischen Untersuchung erfolgen. (vgl. Atteslander

2010, S. 22)

Diese Problembenennung wurde bereits im ersten Kapitel dargelegt. Gegenstand der

vorliegenden Arbeit ist somit die Thematisierung von „Industrie 4.0“ im Zusammen-

hang mit dem Wandel der Arbeit. Dabei wird das Konzept von Industrie 4.0 näher

beleuchtet und die Vorzüge wie auch Nachteile aufgezeigt. Außerdem werden die

Veränderungen in der industriellen Produktion durch Industrie 4.0 näher erläutert.

Des Weiteren werden durch die Befragungen unterschiedlicher Expertinnen und Ex-

perten zu diesem Thema nicht nur Informationen und ihre Standpunkte zu Industrie

4.0 und dem daraus resultierenden Wandel der Arbeit aufgezeigt, sondern auch

neue Blickwinkel eröffnet.

Zur genaueren Abgrenzung der untersuchten Problemlage werden an dieser Stelle

nochmals die zuvor definierten Forschungsfragen erwähnt:

I. Welche Entwicklungen ergaben sich in der ersten bis zur vierten Phase der

industriellen Revolution?

II. Welche fördernden und hemmenden Faktoren ergeben sich aus Industrie 4.0?

III. Welche Veränderungen der Arbeitsbedingungen und der Qualifikations-

anforderungen sind zu verzeichnen?

IV. Kann man bei Industrie 4.0 von einer Entgrenzung sowie Subjektivierung von

Arbeit sprechen?

V. Welche Schwierigkeiten im Bereich Technologie, Betrieb, Produktion und

Strukturen behindern die Verbreitung des Konzeptes von Industrie 4.0?

Für die konkrete Gegenstandsbenennung wurde, aus zeitlichen und organisatori-

schen Gründen, die zu untersuchende Region auf Oberösterreich beschränkt. Zu-

dem wurden als Gegenstandsbereiche die Produktionsindustrien sowie die Sozial-

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partnerschaften bestimmt. Die Beschränkung auf die Produktionsindustrie ergibt sich

zum Einen aus dem Kern des Konzeptes „Industrie 4.0“ selbst, da dieses ursprüng-

lich auch für die Industrie gedacht war und zum Anderen erscheint dieser Bereich als

jener Bereich der von den aktuellen Entwicklungen am stärksten betroffen ist. Der

Gegenstandsbereich der Sozialpartnerschaft soll dabei den Blick erweitern und zum

Teil auch die besondere Bedeutung von Industrie 4.0 für die Arbeitnehmerschaft auf-

zeigen. Im nächsten Kapitel wird das Forschungsdesign der empirischen Untersu-

chung näher betrachtet.

3.2. Das Forschungsdesign

Unter dem Begriff Forschungsdesign wird hier im Weiteren der Vorgang der empiri-

schen Überprüfung näher erläutert. Dabei kann festgehalten werden, dass sich For-

schungsdesigns im Allgemeinen nach der Art der Problem- bzw. Gegenstandsbe-

nennung, nach der Schwierigkeit des Feldzuganges und der Komplexität der zu

überprüfenden Hypothesen unterscheiden. Zudem unterliegen quantitative Messvor-

gänge einer anderen Methodologie als jene, die die Feststellung qualitativer Zusam-

menhänge voraussetzt. (vgl. Atteslander 2010, S. 49) Grundsätzlich kann die syste-

matische Analyse der sozialen Wirklichkeit anhand von vier Methoden erfolgen:

Durch die Inhaltsanalyse, das Experiment, die Beobachtung sowie die Befragung. Je

nach Gegenstandbenennung ergibt sich dabei die geeignete Methode bzw. die ent-

sprechende Kombination der geeigneten Methoden. (vgl. Atteslander 2010, S. 54)

Da sich die hier gewählte Fragestellung hauptsächlich an den Prozessen von „In-

dustrie 4.0“ und den Bedeutungen für den Wandel in der Arbeitswelt orientiert, ergab

sich für den empirischen Teil ein qualitatives Design, welches mittels der Methode

der Befragung, genauer gesagt, mittels Experten- und Expertinneninterviews, in

Form von Leitfadeninterviews, durchgeführt wird. (vgl. Flick 2014, S. 39 f.)

3.2.1. Die Befragung

Im Allgemeinen stellt die Befragung eine Kommunikation zwischen zwei oder mehre-

ren Personen dar. Dabei werden durch Fragen, sogenannte verbale Stimuli, verbale

Reaktionen und somit Antworten hervorgerufen. Wichtig ist hier, dass dies stets in

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konkreten sozialen Situationen geschieht und gegenseitigen Erwartungen unterliegt.

Damit kann mit der Befragung nicht soziales Verhalten insgesamt erfasst werden,

sondern lediglich verbales Verhalten als Teilaspekt. Die Antworten beziehen sich da-

bei auf erlebte und erinnerte soziale Ereignisse und sind als Meinungen und Bewer-

tungen wahrzunehmen. Zudem kann die Kommunikation auch durch nichtverbale

Äußerungen, wie die Erscheinung oder Mimik des Gesprächspartners beeinflusst

werden. (vgl. Atteslander 2010, S.109 f.)

Bereits im Alltag wird das Mittel der Befragung, bewusst oder unbewusst eingesetzt,

um der individuellen Problemlösung zu dienen. Diese Alltäglichen Befragungen stel-

len einen sozialen Vorgang dar, bei dem zwei oder mehrere Personen miteinander in

Beziehung treten, um zielgerichtet anhand eines bestimmten Interesses die ge-

wünschten Informationen zu erlangen. Dabei wird die Situation der Befragung durch

das verwendete Mittel, also die Sprache sowie durch die unmittelbare Umwelt, wie

zum Beispiel die Räumlichkeit oder weitere Gegebenheiten beeinflusst. Im Unter-

schied zu alltäglichen Befragung wird bei der sozialwissenschaftlichen Befragung die

vorhandene Systematik und Zielgerichtetheit der Befragung durch das wesentliche

Element der theoriegeleiteten Kontrolle ergänzt, denn die Wissenschaftlichkeit beruht

hier ebenso auf der systematischen Zielgerichtetheit und auf der Theorie. (vgl.

Atteslander 2010, S. 110 f.)

Die sozialwissenschaftliche Befragung kann dabei in sieben grundlegende Typen der

Befragung unterteilt werden, wobei sich für die Unterscheidung die Kommunikations-

form und Kommunikationsart als wesentlich erweisen. Während die Kommunikati-

onsart schriftlich oder auch mündlich erfolgen kann, teilt sich die Kommunikations-

form in wenig, teil oder stark strukturiert. Beim wenig strukturierten Interview wird die

Last der Kontrolle auf die Interviewerin oder den Interviewer übertragen und das Ge-

spräch findet ohne Fragebogen statt. Bei der teilstrukturierten Form handelt es sich

hingegen um Gespräche, die mit Hilfe von vorformulierten Fragen stattfinden, wobei

die Abfolge der Fragen der Interviewerin oder dem Interviewer überlassen bleibt. Das

stark strukturierte Interview erfordert bereits im Vorfeld die Konstruktion eines Frage-

bogens, welcher beim Gespräch selbst exakt und sorgfältig eingehalten werden

muss. (vgl. Atteslander 2010, S. 132 ff.)

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Für die vorliegende Arbeit ergab sich als geeignete Form die mündliche teilstruktu-

rierte Befragung mittels Experteninnen- und Experteninterviews.

3.2.2. Das Expertinnen- und Experteninterview

Expertinnen- und Experteninterviews bilden eine spezielle Form der Leitfadeninter-

views. (vgl. Flick 2012, S. 214) Der Leitfaden ist für die Expertinnen- und Expertenin-

terviews von besonderer Bedeutung, da hierbei bestimmte inhaltliche Schwerpunkte

gesetzt werden, jedoch können sich die interviewenden Personen, in diesen

Schwerpunkten völlig frei bewegen. (vgl. Kannonier-Finster / Ziegler 1996, S. 38 f.)

Diese Strukturierung dient auch als Steuerung bezüglich der Abfrage für die Unter-

suchung relevanter Themengebiete, statt irrelevanter Themen (vgl. Flick 2012, S.

216). Der Leitfaden selbst darf dabei nicht als Fragebogen verstanden werden, son-

dern soll vielmehr das Forschungsinteresse sowie das Vorwissen organisieren. Dies

erfolgt indem er eine Kontrolle darüber bietet, dass auch alle relevanten Themenbe-

reiche auf die eine oder andere Weise im Laufe des Gespräches erwähnt werden.

Dies wird ermöglicht, da bei einem Leitfadeninterview die Phase des Erzählens und

die des kommunikativen Gespräches sich ineinander verschieben. So dient der Leit-

faden in gewisser Weise als Mittel zu einer leichten Intervention ohne dabei den Ge-

sprächsverlauf komplett zu strukturieren. (vgl. Kannonier-Finster / Ziegler 1996, S. 38

f.) Um eine Vergleichbarkeit der Interviews zu gewährleisten, wird versucht den Leit-

faden möglichst identisch zu halten und dieser nur gegebenenfalls minimal ange-

passt.

Als Expertin oder Experte gilt in den Sozialwissenschaften jene Person, die aus theo-

retischer und konzeptiver Sicht geeignet erscheint, um Erkenntnisse im Kontext des

Forschungsgegenstandes beizusteuern. Wobei hier zu bedenken ist, dass es sich

dabei um Wissen handelt über das nicht jede Person verfügt. Weiters sind Expertin-

nen und Experten von einem „gut informierten Bürger“ dadurch zu unterscheiden,

dass sich Expertinnen und Experten in dem jeweilig relevanten Umfeld bewegen und

so interne Strukturen für ihre Entscheidungen und Aussagen heranziehen können.

(vgl. Meuser / Nagel 1991, S. 442 ff.)

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Es kann unter Umständen schwierig sein das Expertentum entsprechend einzugren-

zen. Weitere Unannehmlichkeiten, die zum Scheitern des Interviews beitragen kön-

nen, kann mitunter die Auswahl von Expertinnen und Experten sein, die keine sind.

Die Expertinnen und Experten können in der Interviewsituation vom Thema abwei-

chen und so zum Beispiel von internen Problemen im Arbeitsbereich zu sprechen

beginnen. Des Weiteren kann es vorkommen, dass sich die Expertinnen und Exper-

ten nicht auf das Frage-Antwort-Schema des Interviews einlassen oder dass die Ex-

pertinnen und Experten mehr über sich selbst erzählen als über das Fachgebiet

selbst. Ebenso ist der Punkt der Vertraulichkeit ein brisantes Thema, wenn es um die

Erfragung von Informationen über heikle Themen geht. Hier können Unternehmen

mit Antwortverweigerungen reagieren. (vgl. Flick 2012, S. 217 f.)

Zudem können aufgrund des Zeitmangels zur Fertigstellung der Masterarbeit nur ei-

ne gewisse Anzahl an Interviews geführt werden, die sich dabei auf eine angemes-

sene Anzahl beschränken. Des Weiteren kann die Anwendung der Expertinnen- und

Experteninterviews durch technische Probleme eingeschränkt sein; es kann aber

auch der erwähnte Zeitdruck auftreten. (vgl. Flick 2012, S. 219) Da das Forschungs-

design der qualitativen Untersuchung diskutiert wurde, wird im nächsten Kapitel die

Durchführung der Erhebung erläutert.

3.3. Durchführung der Erhebung

Nach der Festlegung des Forschungsdesigns erfolgte die Auswahl der zu befragen-

den Personen anhand der vorab definierten Kriterien. Wie bereits erwähnt beinhalten

diese eine regionale Begrenzung auf das Land Oberösterreich sowie einen Fokus

auf die Produktionsindustrie. Demnach sollten die Firmen auch aus dieser Branche

stammen und die Personen aus den Sozialpartnerschaften einen Schwerpunkt in

diesem Bereich aufweisen. Die Kontaktaufnahme wurde teilweise per E-Mail und

teilweise per Telefon getätigt und mit jenen Personen, die sich für ein Interview bereit

erklärten, wurde ein Termin für das Gespräch vereinbart.

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3.3.1. Die Konstruktion des Leitfadens

Als Basis für die Erstellung des Leitfadens dienten die Forschungsfragen dieser vor-

liegenden Arbeit. Die daraus konstruierten Fragen wurden den Expertinnen und Ex-

perten gestellt, um relevante Informationen für die Beantwortung der Forschungsfra-

gen zu bekommen. Die Leitfäden für die Expertinnen und Experten aus den Sozial-

partnerschaften, wie der Arbeiterkammer oder der Wirtschaftskammer decken sich

bis auf zwei zusätzliche Fragen für die Befragungen der Expertinnen und Experten

aus den Unternehmen.

Jedes der Interviews begann mit einer persönlichen Vorstellung der Interviewerinnen

sowie einer Information darüber, um welche Thematik es sich bei diesem Interview

handelt. Weiters wurde den interviewten Personen die Anonymität bei der Auswer-

tung in dieser vorliegenden Masterarbeit zugesichert. Bevor die Interviewfragen ge-

stellt wurden, wurden die Befragten um ihre Erlaubnis für die digitale Aufzeichnung

des Interviews mittels Handy ersucht.

Die Fragestellungen gliedern sich im Leitfaden in sechs Abschnitte: Bevor der erste

Themenblock des Leitfadens abgefragt wurde, wurden ein paar soziodemographi-

sche Daten zu den interviewten Personen erhoben. Der erste Abschnitt des Leitfa-

deninterviews behandelte die Entgrenzung und Subjektivierung in der Produkti-

onsarbeit, wie die Trennung von Privat- und Arbeitsleben oder die Flexibilität der

Arbeit. Im nächsten Fragenblock wurde nach der persönlichen Meinung der befrag-

ten Personen zum Konzept von Industrie 4.0, dem Stellenwert des Konzeptes so-

wie nach dem persönlichen Verständnis des Begriffes von Industrie 4.0 gefragt. Die

Befürchtungen und Potentiale von dem Konzept Industrie 4.0 wurden im dritten

Abschnitt des Leitfadens hinterfragt. Dabei handelte es sich um potentielle Vorteile

durch das Konzept, wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Umsetzung von In-

dustrie 4.0 einbezogen werden, ob sich Arbeitsbedingungen verschlechtern bzw.

verbessern sowie Befürchtungen, wie auch Hindernisse und wie man diese überwin-

den könnte. In den Unternehmen wurde in diesem dritten Fragenblock zusätzlich

nach der Bedeutung von Industrie 4.0 für den Betrieb gefragt. Die nächsten Fragen

des vierten Abschnittes umfassten die Arbeitsbedingungen und Qualifikationsan-

forderungen, wie sich beispielsweise die Fähigkeiten und Qualifikationen der Beleg-

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schaft künftig durch dieses Konzept von Industrie 4.0 verändern werden, welche

neuen Formen der Arbeitsorganisation benötigt werden, um Arbeitskräfte effektiv in

den Produktionsprozess einzubinden oder wie sich die Arbeitsbedingungen dadurch

wandeln werden. Zusätzlich wurde in den Unternehmen bei diesem Abschnitt noch

gefragt, wie die Befragten die Auswirkungen von Industrie 4.0 für die Beschäftigten

einschätzen. Der fünfte Fragenblock beschäftigte sich mit Fragestellungen zu den

Zukunftsperspektiven und weiteren Entwicklungen, wie unter anderem welche

Umsetzungsarbeiten das Unternehmen bzw. die Organisation zur Umsetzung von

Industrie 4.0 vorantreibt, welche Anreize es für eine verbreitete Umsetzung des Kon-

zepts benötigen würde, welche Herausforderungen, Ziele oder Chancen durch das

Konzept von Industrie 4.0 entstehen. Der letzte und somit sechste Block umfasste

lediglich die Frage, welche zusätzlichen Anmerkungen die Befragten abschließend

noch machen möchten. Danach wurde noch das Einverständnis der interviewten

Personen eingeholt, ob diese für etwaige Nachfragen, die bei der Auswertung der

Interviews auftauchen könnten zur Verfügung stehen. Nachdem die Befragten zu

dieser letzten Frage geantwortet hatten, bedankten wir uns für das Interview.

Ziel des Leitfadeninterviews der Expertinnen und Experten war es, dass sich die be-

fragten Personen zu jeder einzelnen Frage gewissermaßen spontan äußern sollten.

Daher waren den interviewten Personen die Fragen vorab nicht bekannt. Der Leitfa-

den, für die Interviews ist im Anhang dieser vorliegenden Arbeit zu finden.

3.3.2. Beschreibung der Expertinnen und Experten sowie der untersuch-

ten Betriebe

Es wurden im Zuge der Erhebung der qualitativen Daten 17 Interviews durchgeführt.

Die Ansprechpersonen der Sozialpartnerschaften wurden nach ihren passenden Tä-

tigkeitsfeldern zum Thema „Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0“ ausge-

wählt. Zudem wurden nur Betriebe in Oberösterreich ausgewählt aus den Branchen

der Industrie bzw. Produktion und auch aus den IT-Bereichen. Auf eine spezielle

Größe der Betriebe wurde bei der Auswahl der Betriebe nicht geachtet. Dies stellten

die zentralen Auswahlkriterien der Befragung dar.

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Die potentiellen Interviewpartnerinnen und Interviewpartner wurden per E-Mail und

anschließend teilweise auch telefonisch kontaktiert. Zunächst wurde nur mit Mit-

gliedsbetrieben aus der „Strategiegruppe Technologie und Innovation“ der Wirt-

schaftskammer Oberösterreich via E-Mail Kontakt aufgenommen mit einer ausführli-

chen Beschreibung des Themas dieser vorliegenden Masterarbeit und mit der Bitte

ein Interview führen zu dürfen. Anfangs sollten in den Betrieben Betriebsrätinnen und

Betriebsräte, Human-Ressource-Mangerinnen und Human-Ressource-Manager so-

wie zwei Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter befragt werden. Da sich die Möglichkeit

ein Interview mit Beschäftigten zu führen als schwierig herausstellte, wurden letzt-

endlich neben den Betriebsrätinnen und Betriebsräten sowie den Human-Ressource-

Mangerinnen und Human-Ressource-Managern auch Geschäftsführerinnen bzw.

Geschäftsführer und Vorstandsmitglieder interviewt. Da nicht alle Interviewpartnerin-

nen und Interviewpartner innerhalb weniger Tage aus zeitlichen Gründen befragt

werden konnten, lagen zwischen den geführten Interviews teilweise einige Tage Ab-

stand.

Aus der nachfolgenden Tabelle 1 ist die Anzahl der Interviews, deren Abkürzung

(Abk.), das Geschlecht der befragten Personen, die Position im Unternehmen, die

Dauer der Unternehmenszugehörigkeit und die Branche der Betriebe. Bei den Sozi-

alpartnerschaften wurde nicht nach der Position innerhalb der Sozialpartnerschaft,

der Dauer der Zugehörigkeit und auch nach keiner Branchenzugehörigkeit gefragt,

da diese Aspekte für die vorliegende Untersuchung nicht relevant erschienen. Be-

fragt wurden schließlich Personen aus der Arbeiterkammer Oberösterreich, aus der

Gewerkschaft, aus der Wirtschaftskammer Oberösterreich und aus dem Institut Zu-

kunftsakademie sowie aus dem Institut für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik. Zu-

dem wurden in sechs unterschiedlichen Firmen, je nach Bereitschaft, Personen be-

fragt die sich in folgende berufliche Positionen gliedern lassen: Geschäftsführerinnen

bzw. Geschäftsführer, Human-Ressource-Managerinnen bzw. Human-Ressource-

Manager, Betriebsrätinnen bzw. Betriebsräte sowie auch ein Vorstandsmitglied.

Hinsichtlich der Befragungen existierte aber eine gewisse Einschränkung, da nur je-

ne Betriebe interviewt werden konnten, die sich für ein Interview zum Thema „Wan-

del der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0“ bereit erklärten.

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Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0

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Interview-Nr. Abk. Geschlecht Position Dauer der Un-ternehmenszu-

gehörigkeit Branche

Interview 1 A1 männlich AKOÖ

Interview 2 B1 männlich Gewerkschaft

Interview 3 C1 männlich WKOÖ

Interview 4 D1 männlich Institut für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik

Interview 5 E1 weiblich Institut Zukunftsakademie

Interview 6 F1 männlich Human-Ressource-Manager 18 Jahre IT für Gesundheitswesen

Interview 7 G1 männlich Betriebsratsvorsitzender 24 Jahre Mischkonzern

Interview 8 G2 männlich Geschäftsführer 33 Jahre Mischkonzern

Interview 9 H1 männlich Betriebsrat 42 Jahre Maschinen- und Anlagenbau

Interview 10 H2 männlich Geschäftsführer 20 Jahre Maschinen- und Anlagenbau

Interview 11 H3 weiblich Human-Ressource-Managerin 30 Jahre Maschinen- und Anlagenbau

Interview 12 I1 männlich Betriebsratsvorsitzender 26 Jahre Produktions- und Fertigungsbetrieb

Interview 13 I2 weiblich und männlich

Human-Resource-Managerin und Human-Resource-Manager

24 Jahre Produktions- und Fertigungsbetrieb

Interview 14 J1 männlich Betriebsratsvorsitzender 35 Jahre Maschinenbau

Interview 15 J2 männlich Human-Ressource-Manager 8 Jahre Maschinenbau

Interview 16 J3 männlich Vorstandsmitglied 36 Jahre Maschinenbau

Interview 17 K1 männlich Geschäftsbereichsleiter 26 Jahre Produkt- und Hochleistungsautomation

Tabelle 1: Charakterisierung der Expertinnen und Experten sowie der Betriebe

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Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0

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3.3.3. Die Durchführung der Feldforschung

Um eine möglichst natürliche Umwelt für die Interviewpartner und Interviewpartnerin-

nen zu gewährleisten wurden diese an ihrem Arbeitsplatz und während ihrer Arbeits-

zeit interviewt. Die Gespräche selbst fanden entweder direkt im Büro des Inter-

viewpartners oder in einem ruhigen Besprechungszimmer statt. Insgesamt nahmen

die Gespräche fünfundzwanzig bis siebzig Minuten in Anspruch und wurden, mit Zu-

stimmung der Personen digital aufgezeichnet sowie im Anschluss transkribiert. Die

Interviewreihe erstreckte sich dabei über einen Erhebungszeitrum von April bis Juni

2016.

3.3.4. Die Interviewsituation

Wie bereits erwähnt, wurden die Interviews entweder in den Büros oder in Bespre-

chungsräumen durchgeführt. Dadurch wiesen alle Interviews eine ruhige und freund-

liche Raumatmosphäre auf und verliefen ohne Störungen. Jedoch kam es bei fast

jedem Gespräch zu einer einzigen kurzen Unterbrechung, entweder durch das Tele-

fon des Interviewpartners oder durch eine Person, die an der Tür klopfte. In diesen

Fällen wurde die Frage anschließend wiederholt und das Gespräch fortgesetzt. Die

befragten Personen waren überwiegend bereit die Fragen ausführlich und ernsthaft

zu beantworten sowie über ihre Erfahrungen und Sichtweisen zu sprechen. Die Fra-

gen schienen allen verständlich zu sein, auch wenn auf die Frage nach den Forde-

rungen der Arbeitskräfte nach mehr Flexibilität meist mit kurzer Verwunderung rea-

giert wurde, wurden alle Fragen ohne große Verständnisschwierigkeiten beantwortet.

Eine Person differenzierte bei ihren Antworten jedoch immer stark, ob die Fragen

eine allgemeine Position erfragen wollen oder ihren persönlichen Standpunkt. Bei der

verwendeten Sprache wurde von allen Personen der Dialekt etwas gemildert und

wenn, auch nur teilweise an die hochdeutsche Ausdrucksweise angepasst.

3.4. Aufbereitung und Auswertungsverfahren der gewonnenen Daten

In diesem Kapitel geht es um die Aufbereitung sowie das Auswertungsverfahren der

gewonnen Daten aus den zuvor geführten Expertinnen- und Experteninterviews. Die

Auswertung der Interviews erfolgte mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Phi-

lipp Mayring. Bei der qualitativen Inhaltsanalyse wird Material aus zuvor stattgefun-

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dener Kommunikation systematisch, regelgeleitet und theoriegeleitet analysiert. Das

vorrangige Ziel der qualitativen Inhaltsanalyse liegt darin begründet, das gewonnene

Datenmaterial einer Analyse zu unterziehen. Die qualitative Inhaltsanalyse umfasst

sechs Punkte, die die Analyse von Kommunikation, Sprache und Texten beinhalten

(vgl. Mayring 2015, S. 11 f.):

I. Bei der Inhaltsanalyse geht es um die Projektion von Symbolen in Form von

Kommunikation, wie durch Sprache, Musik oder auch Bilder.

II. Das für die qualitative Inhaltsanalyse herangezogene kommunikative Material

liegt in protokollierter Form vor, wie zum Beispiel als Text oder Bild.

III. Wichtig bei der Inhaltsanalyse ist es, das systematische Vorgehen der Analyse

hervorzuheben, deshalb kann man hier nicht von einer freien Interpretation des

Materials sprechen.

IV. Die systematische Vorgehensweise der qualitativen Inhaltsanalyse erfolgt nach

festen Regeleinheiten. Diese Regeln ermöglichen es ebenso, dass die Analyse

für außenstehende Personen verständlich, nachvollziehbar sowie überprüfbar

erscheint.

V. Ebenso geht die Inhaltsanalyse auch theoriegeleitet bei der Analyse des Mate-

rials vor. Der Text soll nicht lediglich wiedergegeben werden, sondern das

kommunikative Material soll, unter dem Mantel einer theoretischen Fragestel-

lung, einer Analyse unterzogen werden. An einer bereits vorhandenen theore-

tischen Überlegung orientieren sich hier auch die einzelnen Analyseschritte

und die Ergebnisse werden, bei Bedacht auf den theoretischen Hintergrund in-

terpretiert.

VI. Das Ziel der qualitativen Inhaltsanalyse ist es, nicht nur das Material einer Ana-

lyse zu unterziehen, sondern Ziel ist ein Fragment des kompletten Kommunika-

tionsprozesses, denn die Inhaltsanalyse versucht Rückschlüsse auf Perspekti-

ven in der Kommunikation zu werfen anhand von Behauptungen über das Ma-

terial. (vgl. Mayring 2015, S. 12 f.)

Zusammengefasst analysiert die qualitative Inhaltsanalyse mit einem systemati-

schen, regelgeleiteten und theoriegeleiteten Vorgehen die Kommunikation mit dem

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Ziel, bestimmte Konklusionen auf getätigte Kommunikation zu ziehen. (vgl. Mayring

2015, S. 13; 65).

3.4.1. Das Auswertungsverfahren mittels der qualitativen Inhaltsanalyse

Nachdem kurz auf den Weg der Datenerfassung hingewiesen wurde, wird im Fol-

genden der eigentliche Prozess der qualitativen Inhaltsanalyse in fünf Schritten (vgl.

Abbildung 7) näher beleuchtet. Da es mittlerweile mehrere Verfahren der qualitativen

Inhaltsanalyse gibt, welche sich allerdings stark in ihrer Breite und Tiefe der Analyse

unterscheiden, wurde für diese Arbeit ein Verfahren gewählt, welches sich vor allem

zur Strukturierung und Interpretation qualitativer Interviews eignet. (vgl. Atteslander

2010, S. 212) Dieses Verfahren ist im Grunde an der qualitativen Inhaltsanalyse von

Mayring orientiert, allerdings wurde es etwas von den Autoren Nawratil und Schön-

hagen vereinfacht.

Im ersten Schritt der Inhaltsanalyse bedarf es einer Auseinandersetzung mit relevan-

ten Theorien, um den Forschungsgegenstand sowie das Forschungsziel zu präzisie-

ren. In einem weiteren Schritt wird aus den Vorüberlegungen ein deduktives Kriteri-

enraster erstellt. Dieses ist jedoch nicht als abgeschlossen zu betrachten, sondern

soll im Gegenteil nur einen ersten Rahmen bilden, der im späteren Verlauf der In-

haltsanalyse induktiv ergänzt wird. Der dritte Schritt der Inhaltsanalyse bezeichnet

die Beschaffung und Bereitstellung des geeigneten Untersuchungsmaterials, also die

Transkription der Audiodateien sowie die Vorbereitung der computergestützten Ana-

lyse. (vgl. Nawratil / Schönhagen 2008, S. 338) In der Vorliegenden Arbeit wird hier-

zu das spezielle Computerprogramm „MAXQDA“ verwendet, welches konkret für

derartige Verfahren entwickelt wurde.

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Abbildung 7: Schritte der Qualitativen Inhaltsanalyse aus Nawratil / Schönhagen 2008, S. 339

Die ersten drei Schritte entsprechen somit einer Vorbereitung für die eigentliche Ana-

lyse, die in einem vierten Schritt durch Strukturierung und Zusammenfassung des

Materials erfolgt. Dabei werden zum Einen die bereits vordefinierten Kriterien beach-

tet und zum Anderen zusätzliche Kriterien aus dem Material heraus abgeleitet. Bei

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der Strukturierung sollen zuerst, anhand des erarbeiteten Kriterienrasters, relevante

Aussagen identifiziert und das Material entsprechend geordnet werden. Hierbei ist zu

beachten, dass wenn mit deduktiven Kriterienraster operiert wird sichergestellt wer-

den muss, dass sich alle relevanten Textstellen eindeutig den jeweiligen Kategorien

zuordnen lassen. Anschließend werden bedeutungsgleiche Textstellen zusammen-

gefasst, um innerhalb der Kriterien unterschiedliche Ausprägungen sichtbar zu ma-

chen, aber auch um weitere Aspekte oder Auffälligkeiten ausfindig zu machen. Dem-

entsprechende Textstellen werden ebenfalls zusammengefasst und Kriterien von

diesen abgleitet. Aus diesem Schritt ergibt sich auch die induktive Eigenschaft des

Kriterienrasters. (vgl. Nawratil / Schönhagen 2008, S. 340 ff.)

Der Vorteil des qualitativen Verfahrens zeigt sich in diesem Fall darin, dass während

der eigentlichen Analyse laufend das Raster induktiv ergänzt oder verändert werden

kann. Besonders die Kombination von deduktiver und induktiver Kategorienbildung

ermöglicht ein systematisches und theoriegeleitetes Arbeiten, welches zudem die

Offenheit der qualitativen Methodik beibehält. (vgl. Nawratil / Schönhagen 2008, S.

346)

Im fünften und letzten Schritt der qualitativen Inhaltsanalyse werden die Ergebnisse

schließlich dargestellt und interpretiert. Wobei die Ergebnisse bezüglich mehrere Kri-

terien zwar zusammengefasst dargestellt werden können, aber dennoch erklärt wer-

den sollte in welchem Zusammenhang diese Forschungsgegenstände stehen. Zu-

dem erfolgt bei der Ergebnisdarstellung ein Rückbezug auf den Theorieteil sowie die

Anführung von Ankerbeispielen zur Veranschaulichung. (vgl. Nawratil / Schönhagen,

2008, S. 342)

3.4.2. Zusammenstellung eines Kategoriensystems

Wie zuvor beschrieben wird im Folgenden, nach bereits erfolgter Präzisierung des

Forschungsgegenstandes ein Kategorienraster entwickelt, welches bei der eigentli-

chen Analyse ein systematisches und theoriegeleitetes Arbeiten ermöglichen soll.

(vgl. Nawratil / Schönhagen 2008, S. 346)

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3.4.3. Die Datenerfassung

Das gewonnene Datenmaterial aus den Interviews wurde mit Hilfe des Mobiltelefons

aufgezeichnet und im Anschluss in eine, für die weitere Analyse fähige Form ge-

bracht bzw. transkribiert. Die dialektische Sprache in den Interviews wurde im Zuge

der Transkription geglättet; nur jene Bezeichnungen, welche essentielle Emotionen

für die Auswertung und Interpretation aufzeigten, wurden nicht geglättet. Alle Anga-

ben, welche Rückschlüsse auf die befragten Personen oder Unternehmen zulassen,

wurden anonymisiert. Nachdem die Aufbereitung und Auswertungsverfahren erläu-

tert wurden, werden im nächsten Kapitel die Ergebnisse der qualitativen Untersu-

chung diskutiert.

3.5. Ergebnisse der qualitativen Untersuchung

Im Folgenden werden die Ergebnisse der Analyse dargestellt, dabei wurden die Da-

ten entsprechend des Kategoriensystems in sechs Blöcke eingeteilt. Wobei sich der

erste Block mit der Entgrenzung und Subjektivierung in der Produktionsarbeit

auseinandersetzt, gefolgt von den Erhebungen zum Konzept Industrie 4.0. Der drit-

te Abschnitt behandelt danach die Befürchtungen und Potenziale, die mit dieser

Thematik verbunden werden. Anschließend erfolgt dann im vierten Block eine Dar-

stellung der erwarteten Veränderungen innerhalb der Arbeitsbedingungen sowie

bei den Qualitätsanforderungen, um dann die Zukunftsperspektiven und weite-

ren Erwartungen aufzuzeigen. Im letzten Abschnitt werden dann noch die sonstigen

Anmerkungen der Expertinnen und Experten behandelt.

3.5.1. Entgrenzung und Subjektivierung in der Produktionsarbeit

Wie bereits im Kapitel 2.4.3 erwähnt, geht es bei dem Thema Entgrenzung der Arbeit

um eine Erosion bzw. um eine Verwischung der Grenze zwischen dem Privat- und

dem Arbeitsleben. Diese Auflösung der Grenze lässt sich dabei vor allem auf die

Modernisierungsprozesse in der Erwerbsarbeit zurückführen, wie zum Beispiel die

selbstverständliche Nutzung des Smartphones als Kommunikationsmittel. Diese Ent-

grenzung zeigt sich besonders in einer Flexibilisierung der Arbeitsbedingungen, die

jetzt als Folge von Rationalisierungsprozessen vermehrt auftritt. Zudem trägt die nun

häufig verwendete Selbststeuerung unter konkret vom Unternehmen vorgegebenen

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Rahmenbedingungen sowie konkreten Zielvorgaben zur Erhöhung der Stresspoten-

ziale für Arbeitskräfte bei. (vgl. Langfeldt 2009, S. 274 f.)

3.5.1.1. Die Trennung zwischen der Arbeits- und der Lebenswelt

Die Befragungen zu diesem Thema zeigten sehr unterschiedliche Standpunkte, die

im Wesentlichen in fünf Kategorien aufgeteilt werden können. Während auf der einen

Seite der Standpunkt vertreten wird, dass eine Trennung zwischen dem Privat- und

dem Arbeitsleben notwendig ist, wird auf der anderen Seite davon ausgegangen,

dass die Trennung bereits aufgehoben wurde. Ergänzt werden diese zwei Gegensät-

ze durch Positionen, die man dazwischen ansiedeln könnte. Hier wird zum Einen je

nach beruflicher Position unterschieden, ob eine derartige Trennung noch möglich ist

und zum Anderen auf eine Selbstverantwortung in diesem Bereich verwiesen. Zu-

dem erscheint manchen eine Regulierung durch Maßnahmen als sinnvoll.

Der Standpunkt, dass eine Abgrenzung zwischen dem Arbeitsleben und dem Privat-

leben wichtig ist, lässt sich dabei in den unterschiedlichsten beruflichen Positionen

unter den Befragten finden, wobei hier auch auf eine Verantwortung der Arbeitgebe-

rin bzw. des Arbeitgebers verwiesen wird, um eine Trennung zu ermöglichen. Als

Beispiel dient hierzu die Aussage eines Betriebsrates.

„Ja das ist aber immer wichtiger, trotz der ganzen Zusammenspiele der Vernetzungen

ist es wichtig, dass man das Private stark trennt, dass man den Punkt weiß, ob man

privat ist oder ob man firmenmäßig unterwegs ist, weil das eigentlich zu einem Thema

führt, dass man das alles vermischt und bis zum burn out führt, was man schon stark

spürt, dass das auftritt sonst noch stärker fördern würde. Da sind auch die Firmen ge-

fordert, dass sich die Leute ihre private Sphäre auch halten können und nicht dass in

Privatzeit ständig irgendwelche Anforderungen kommen und man muss da jetzt reagie-

ren drauf. Das ist meiner Meinung nach sehr wichtig.“ (H1, Abs. 9)

Diese Sichtweise zeigte sich innerhalb der Befragung jedoch kaum als relevant und

wurde zum Beispiel von den Sozialpartnerschaften überhaupt nicht in Betracht gezo-

gen. Die Verantwortung der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers wurde jedoch von

mehreren Expertinnen und Experten unter dem Gesichtspunkt von Maßnahmen zur

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Regulierung berücksichtigt. Dabei wurde darauf verwiesen, dass manche Firmen die

Weiterleitung von E-Mails außerhalb der Arbeitszeit direkt unterbinden wollen und

teilweise auch die Server abschalten, um zu verhindern, dass außerhalb der Dienst-

zeit die Arbeitskräfte Firmenmails empfangen. Aber auch, dass die Einführung von

Firmen-Smartphones eine Regulierung darstellen kann, da hier die Arbeitskräfte

selbst entscheiden könnten, ob sie die Geräte in ihrer Freizeit nutzen oder nicht.

Diese Selbstverantwortung zeigt sich in der Analyse auch als stark vertretenes Ar-

gument, welches von den Expertinnen und Experten als ein wichtiger Faktor gese-

hen wird. Entscheidend sei dabei, dass jede und jeder für sich selbst entscheiden

müsse, in wieweit sie ihre oder er seine Arbeit in die Freizeit mitnehmen möchte und

dass hier die Arbeiterin und der Arbeiter selbst in der Lage sein müsste, sich abzu-

grenzen. Allerdings wurde von Befragten auch darauf verwiesen, dass es je nach

Beruf auch vorgegeben sein könnte. Während zum Beispiel die Arbeiter und Arbeite-

rinnen, die an einer Maschine tätig sind, kaum Arbeit mit nach Hause nehmen kön-

nen, leben Führungskräfte beinahe damit, dass sie eher rund um die Uhr erreichbar

sein sollten.

Jedoch war sich der Großteil der Expertinnen und Experten darin einig, dass eine

Trennung zwischen dem Arbeits- und dem Privatleben eigentlich gar nicht mehr exis-

tieren würde. Allerdings lassen sich innerhalb dieser Feststellung wiederum drei Po-

sitionen ausfindig machen: Während von Unternehmensseite her eher eine Vermi-

schung der Lebenswelten erwartet wird, sehen vor allem Sozialpartnerschaften, aber

auch Betriebsrätinnen bzw. Betriebsräte eine Vermischung als mögliche negative

Entwicklung für die Arbeitskräfte.

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„Sehr kritisch, weil natürlich ein großes Problem dahingehend ist, steckt dahinter ein

versteckter Zwang, dass ich das dann auch machen muss und dann auch wirklich im-

mer erreichbar sein muss. Kann ich dann selber … leiden? Ist das meine Freizeit oder

muss ich eigentlich immer damit rechnen, dass ich ein paar Mal schlagartig von der ei-

nen Minute auf die andere eigentlich wieder in der Arbeit bin? Die Grenzen ver-

schwimmen hier sehr oft. Es kann in manchen Bereichen oder in manchen Branchen

weniger problematisch sein, es kann je nach privaten Umständen weniger problema-

tisch sein. Wenn man dann irgendwo eine Familie hat und mit Kindern unterwegs ist

und dann dauernd erreichbar ist, ist dies natürlich extrem schwierig. (…).“ (B1, Abs. 9)

Dieser Entwicklung entgegengesetzt sehen aber Sozialpartnerschaften und Betriebs-

rätinnen bzw. Betriebsräte auch mögliche Vorteile für die Arbeitskräfte, die sich aus

einer Entgrenzung ergeben könnten.

„(…) und für manche ist es eine Arbeitserleichterung, weil sie einfach schon wissen

was ansteht und manche machen dadurch einfach eine Verlagerung, dass sie es sich

einfach herausnehmen wann sie ihren Teil der Arbeit erledigen. (…)“ (I1, Abs. 9)

Zusammengefasst lässt sich im Bereich der Entgrenzung festhalten, dass es sich

hierbei um ein Thema handelt, bei dem die Ansichten weit auseinandergehen. Aller-

dings erscheint eine gewisse Einigkeit darin zu bestehen, dass eine Trennung zu-

mindest in manchen beruflichen Positionen kaum noch möglich ist, aber dass es

auch eine Frage der Eigenverantwortung darstellt inwieweit das Arbeitsleben in das

Privatleben eingreift.

Nachdem die Entgrenzung und Subjektivierung der Arbeit betrachtet wurde, wird im

nächsten Kapitel die Meinung der Expertinnen und Experten zur Flexibilisierung in

der Produktionsarbeit diskutiert.

3.5.1.2. Die Flexibilisierung in der Produktionsarbeit

In der heutigen Zeit findet sich bei vielen Arbeitskräften der Wunsch nach einer Fle-

xibilisierung der Arbeitsbedingungen und vor allem der Arbeitszeit, um so Arbeit und

Leben besser vereinbaren zu können. Die Arbeitskräfte fordern dabei eine gleichbe-

rechtigte Betrachtung ihrer Flexibilitätswünsche neben den betrieblichen Anforderun-

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gen. (vgl. Wetzel 2014, S. 19) Dabei wird zwar der Wunsch nach mehr Flexibilität

weiterhin hauptsächlich als Autonomiestreben und als Aspekte der Selbstverwirkli-

chung verstanden, jedoch beziehen sich die tatsächlichen Autonomiefreiräume meist

auf die konkrete Tätigkeitsstruktur und die vorhandene Unternehmenspolitik. (vgl.

Langfeldt 2009, S. 342)

Dementsprechend zeigten sich auch innerhalb unserer Befragung unterschiedliche

Standpunkte zum Thema Flexibilisierung. Für manche Expertinnen und Experten

erzeugte bereits die Frage nach den Flexibilisierungswünschen der Arbeitskräfte

Verwunderung. Wobei allerdings nach einer kurzen Überlegungsphase doch von den

meisten der Befragten der Wunsch als etwas angesehen wurde, dass zumindest im

Rahmen einer Arbeitszeitflexibilisierung klar vorhanden scheint.

Während vor allem Sozialpartner den Wunsch nach Flexibilisierung als ein zu be-

rücksichtigendes Element in der Arbeitsorganisation ansehen, verweisen vor allem

die Unternehmen darauf, dass es sich hierbei aktuell meist um eine beidseitige For-

derung handle.

„Ich meine Flexibilität ist generell Thema, weil jeder, Flexibilität ist notwendig aufgrund

der Wirtschaft, weil sich … Situationen regelmäßig ändern, sind nicht vorhersehbar, d.

h. es gibt Wochen wo mehr zu tun ist, es gibt Wochen, wo wieder einmal wenig zu tun

ist oder Flexibilität ist genauso privat ein Thema. Man hat mal Wochen, wo privat mehr

ist, wo man am Abend Veranstaltungen hat, das andere Mal hat man weniger, d. h. so-

fern es sich einrichten lässt ist Flexibilität ein wichtiges Thema. (…).“ (H2, Abs. 13)

Allerdings zeigte sich bei den Interviews auch deutlich, dass Firmen zwar versuchen

möglichst eine flexiblere Arbeitszeit zu bieten, dabei jedoch die Firmen Bedürfnisse

klar dominieren und den Rahmen vorgeben.

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Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0

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„Ja, natürlich. Es wird grundsätzlich immer versucht auf die Wünsche der Mitarbeiter

einzugehen. Allerdings muss man aber auch klar sagen, dass wir ein Unternehmen

sind und dass das im Mittelpunkt steht und das andere kommt danach. Also wir sind

jetzt kein Sozialverein, wenn man das so will und tun nebenbei wirtschaften, sondern

wir sind ein Wirtschaftsbetrieb und bemühen uns auf die Interessen der Mitarbeiter ein-

zugehen.“ (G2, Abs. 12)

Wie bereits im theoretischen Teil dieser Arbeit aufgezeigt, zeigen sich besonders in

modernen Beschäftigungsverhältnissen, welche durch Automatisierungsprozesse

gekennzeichnet sind Flexibilisierung und Entgrenzung von Arbeit als typische Merk-

male. Dabei erscheint vor allem die Dominanz der Firmen als kritisch, wenn die Ar-

beitskräfte ihre verfügbare Flexibilität den Unternehmenserfordernissen unterordnen

sollen. In diesem Zusammenhang zeigt sich auch die Einteilung der Arbeitszeit weni-

ger als individualisierter Prozess, sondern viel eher als eine Anpassung an die be-

trieblichen Erfordernisse. (vgl. Langfeldt 2009, S. 275)

Im nächsten Unterkapitel wird schließlich das Konzept von Industrie 4.0 näher be-

leuchtet.

3.5.2. Das Konzept Industrie 4.0

Wie unter Kapitel 2.3 nachzulesen ist, bezieht sich das Konzept „Industrie 4.0“ auf

eine neue Form der Produktionsautomatisierung. Wobei hier zum Einen bestehende

Produktionskonzepte, wie die fortschreitende Vernetzung von Datenbeständen, er-

weitert werden und zum Anderen neue Stufen der Prozessautomatisierung entwickelt

werden, bei denen hoch flexible Verknüpfungen der Datenebene mit realen Fab-

riksabläufen erschaffen werden. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 5)

Die Expertinnen und Experten dieser Befragung folgten größtenteils dieser Definition

und verstehen unter Industrie 4.0 hauptsächlich eine extrem stark ausgebaute Ver-

netzung. Allerdings erscheint der Begriff „Industrie 4.0“ vielen der Befragten eher als

ein Modewort, welches in Deutschland konzipiert wurde, um die aktuellen Entwick-

lungen zu beschreiben und einen neuen wirtschaftlichen Fokus auf die Industrie le-

gen soll.

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„Ich persönlich verstehe darunter ein Modewort, das von der Politik in den Mund ge-

nommen wird, um der Industrie wieder mehr Gewicht in der aktuellen tagespolitischen

Auseinandersetzung zu geben. (…).“ (G2, Abs. 14)

Zudem empfinden einige der Expertinnen und Experten die Bezeichnung aufgrund

des Rückschlusses auf die industrielle Revolution als unpassend. Begründet wird

dieser Standpunkt damit, dass es sich bei diesen Entwicklungen vielmehr um einen

langwierigen Prozess handle als um eine Revolution.

Vor allem auf Unternehmensseite wird dieser Standpunkt, dass es sich hierbei um

einen Prozess handle, um die Vermutung ergänzt, dass diese Entwicklung nicht auf-

zuhalten sein werde.

Die Ansicht der befragten Interviewpartnerinnen und Interviewpartner zu Industrie 4.0

in der Produktionsarbeit wird im folgenden Unterkapitel erläutert.

3.5.2.1. Stellenwert von Industrie 4.0 in der Produktionsarbeit

Entwicklungen in Richtung Industrie 4.0 zeigen sich vor allem für die Expertinnen und

Experten aus den Unternehmen mit einer Veränderung der Arbeitsorganisation ver-

bunden. Dabei zeigt sich ebenso die neue Datennutzung, aber auch die Arbeitszeit-

einteilung als relevanter Faktor. Allerdings wird das Thema einer möglichen Arbeits-

platzreduktion kaum berücksichtigt. Es wird lediglich darauf verwiesen, dass vermut-

lich eher leicht zu standardisierende Tätigkeiten wegfallen könnten.

Unter den Befragten wurde jedoch auch klar der Standpunkt vertreten, dass es sich

bei dem Konzept Industrie 4.0 um Entwicklungen handle, die klar der Standortsiche-

rung in Europa dienen. Wobei hier vor allem von Unternehmensseite auch deutlich

erwähnt wird, dass es sich bei den Entwicklungen um einen Prozess handle der we-

der aufgehalten noch abgelehnt werden kann, wenn die Wirtschaftlichkeit des Unter-

nehmens gesichert werden soll.

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„(…). Ich stell mir halt grundsätzlich die Frage, kann ich´s überhaupt verweigern. Und

da sag ich nein, eigentlich nicht. Es ist eine Bewegung in Gange getreten und da muss

man sich seinen Platz da drinnen suchen.“ (I2, Abs. 27)

Nachdem der Stellenwert von Industrie 4.0, aus Sicht der Interviewpartnerinnen und

Interviewpartner, kurz beleuchtet wurde, wird im Folgenden auf die Profiteure von

Industrie 4.0 näher eingegangen.

3.5.2.2. Profiteure von Industrie 4.0

Betrachtet man die Einschätzungen der Expertinnen und Experten zu dem Thema

wer zukünftig von den Entwicklungen in Richtung Industrie 4.0 profitieren wird, so

können verschiedenste Blickwinkel identifiziert werden. Wie in Abbildung 8 ersichtlich

lassen sich dabei Unterschiede feststellen wie und wer einen Nutzen von Industrie

4.0 ziehen kann.

Abbildung 8: Profiteure von Industrie 4.0

Eigentümer / Eigentümerinnen

• Einsparrungen

Arbeitskräfte • Job-Erleichterung

Die Schnellen • Anpassungen

• Umsetzungen

Profiteure

Vorgesetzte • Arbeitsorganisation

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Zum Einen wird darauf verwiesen, dass vor allem die Eigentümer und Eigentümerin-

nen durch Einsparungen profitieren könnten sowie die Vorgesetzten durch eine bes-

sere Arbeitsorganisation. Zum Anderen lassen sich aber auch Standpunkte finden

bei denen die Arbeitskräfte aufgrund von besseren Arbeitsplätzen als Profiteure gel-

ten.

„(…). Arbeiten, die weniger gesundheitsschädlich sind, also man körperlich nicht mehr

so schwer tragen, heben muss. Es gibt die Möglichkeit die Gewinne durch die Produk-

tivität in der Verkürzung der Arbeitszeit zu lenken. Das wäre eine Möglichkeit. Möglich-

keit das Problem der Arbeitslosigkeit, die vorhandene Arbeitszeit kann man dadurch

besser aufteilen, kann das Szenario malen, wo die Leute länger und gesund arbeiten

können, dass ihre Tätigkeiten interessanter sind, anspruchsvoller sind und bei kürzerer

Arbeitszeit und vielleicht sogar mit besseren Löhnen (…).“ (A1, Abs. 28)

Grundsätzlich lässt sich aber auch hier innerhalb der Befragung eine Einigkeit darin

feststellen, dass wenn die Gewinne gleichmäßig verteilt und die Möglichkeiten er-

kannt werden, dass alle beteiligten Akteure von den Entwicklungen profitieren könn-

ten.

„(…). Profitieren wir der, der es erkennt. Also wer sagt, ok die Digitalisierung, ich nenne

das jetzt Digitalisierung, weil Industrie 4.0, ich würde das jetzt nicht nur aus Industrie-

sicht sehen, weil da muss es jeder beachten, aber auch die KMU´s sollten das sehen

als Chance und die Arbeitnehmer, ich will das nicht nur aus Arbeitgebersicht sehen,

aus Sicht der Unternehmen sondern auch die Arbeitnehmer können das als Chance

sehen. Es wird ja immer nur danach gefragt, naja Industrie 4.0 könnte so und so viele

Arbeitsplätze kosten, ja Arbeitsplätze werden sich wahrscheinlich verändern. Das ist

klar. Aber das war immer schon so. Wer schreibt heute noch auf einer Schreibmaschi-

ne, das macht auch keiner mehr. Also es hat immer einen Fortschritt in der Technik

gegeben und das ist jetzt genauso. Man muss sich halt drauf einstellen können.“ (C1,

Abs. 21)

Zu bedenken geben manche Unternehmen jedoch, dass vor allem diejenigen von

Industrie 4.0 profitieren, die die Entwicklungen schnell erkennen und auch in der La-

ge sind diese umzusetzen.

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„Naja, profitieren werden die, die mit zu den Schnellen in der Umsetzung gehören, das

ist klar, weil dann die Effekte rascher nutzbar sind und der Spruch ist glaube ich schon

längere Zeit existent und gültig, dass möglicherweise die Schnellen eher die Langsa-

men … als die Großen die Kleinen. Das ist glaube ich zu erwarten.“ (J2, Abs. 17)

Nachdem das Konzept von Industrie 4.0 diskutiert wurde, werden im nächsten Un-

terkapitel die Befürchtungen und Potentiale von Industrie 4.0, die die Expertinnen

und Experten äußerten aufgezeigt.

3.5.3. Befürchtungen und Potentiale von Industrie 4.0

Der dritte Fragenblock der Interviews behandelte die Befürchtungen bzw. Hindernis-

se und Potentiale hinsichtlich von Industrie 4.0. Potentielle Befürchtungen oder Hin-

dernisse wurden in dieser vorliegenden Arbeit bereits in Kapitel 2.4. sowie 2.5. aus-

giebig behandelt, deshalb wird dies hier nur noch kurz wiederholt bevor auf die Aus-

sagen der befragten Interviewpartnerinnen und Interviewpartner eingegangen wird.

Eine Befürchtung ist die Komplexitätssteigerung einzelner Arbeiten durch Industrie

4.0, wodurch immer mehr fachlich gut ausgebildete Arbeitskräfte benötigt werden

und möglicherweise niedrig qualifizierte Dienstnehmerinnen und Dienstnehmer nur

noch schwer eine Anstellung finden. Potentiale des Konzeptes Industrie 4.0 resultie-

ren unter anderem aus Autonomiezuwächsen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

und Regulationschancen. Jedoch werden vermutlich auch die psychischen Belastun-

gen durch die Arbeit zunehmen und es wird von den Beschäftigten mehr Flexibilität

sowie Effizienz der Tätigkeiten gefordert werden. Außerdem kann eine Befürchtung

die zunehmende Kontrolle der Arbeitskräfte durch die neuen Technologien sein. (vgl.

Langfeldt 2009, S. 119 ff.)

Zu Beginn werden die von den Befragten erwähnten Vorteile von Industrie 4.0 sowie

die geäußerten Befürchtungen zu den zukünftigen Entwicklungen zusammengefasst

(vgl. Tabelle 2) bevor diese im folgenden Abschnitt genauer erläutert werden.

Bei den Vorteilen wurden zahlreiche Aspekte erwähnt, wie zum Beispiel die Entlas-

tung der Arbeitskräfte durch kürzere Arbeitszeiten verbesserten Lebensbedingungen

sowie die Re-Industrialisierung Europas durch eine höherer Wettbewerbsfähigkeit

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und höher qualifizierter Arbeitskräfte. Zudem würde Industrie 4.0 auch zu einer höhe-

ren Produktivität und Flexibilität führen die wiederrum eine höhere Individualität bei

den Produkten ermöglicht und so auch neue Produkte entstehen lässt.

Bei der Betrachtung der Befürchtungen in Zusammenhang mit Industrie 4.0 wurde in

Bezug auf die Arbeitskräfte zwar auch auf den möglichen starken Rückgang von Ar-

beitsplätzen verwiesen, jedoch wurde dabei auch eine mögliche verstärkte Entgren-

zung von Arbeits- und Privatleben erwähnt. Für die Unternehmen zeigen sich die Be-

fürchtungen eher in den Bereichen des Datenschutzes oder in einem möglichen Wi-

derstand gegen die neuen Technologien, aber vor allem die empfunden Umset-

zungspflicht von Innovationen im Bereich Industrie 4.0, um den Anschluss nicht zu

verlieren und die Wirtschaftlichkeit weiter zu sichern und die damit verbundenen Kos-

ten bereiten den Unternehmern und Unternehmerinnen Sorgen.

Vorteile von Industrie 4.0

• Entlastung der Arbeitskräfte

• Re-Industrialisierung Europas

• höhere Wettbewerbsfähigkeit und Wettbewerbsvorteile

• höer qualifizierte Arbeitskräfte

• kürzere Arbeitszeit

• umweltschonende und ressourcensparende Produktion bzw. weniger Umweltschäden

• verbesserte Lebensbedingungen

• höhere Produktivität

• höhere Flexibilität

• höhere Individualität in der Produktion

• neue Produkte

Befürchtungen zu Industrie 4.0

• Umsetzungspflicht

• Entgrenzung von Arbeits- und Privatleben

• Verlust des Arbeitsplatzes

• Widerstand gegen die Automatisierung

• Probleme mit dem Datenschutz

• Verlust der Kenntnisse über den Gesamtprozess

• Kosten der Umsetzung

Tabelle 2: Vorteile und Befürchtungen von Industrie 4.0

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Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0

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3.5.3.1. Vorteile von Industrie 4.0

Bei den potentiellen Vorteilen von Industrie 4.0 wurden die Interviewpartnerinnen und

Interviewpartner nach allgemeinen Vorteilen, Vorteilen für die Produktionsindustrie

sowie nach Vorteilen für das Unternehmen bzw. die Organisation befragt. Allgemei-

ne Vorteile stellen unter anderem der Wegfall einfacher und eintöniger Tätigkeiten

für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Entlastung der Arbeitskräfte von

belastenden Arbeitsschritten durch Roboter oder Hebehilfen sowie dass durch In-

dustrie 4.0 Arbeitsplätze geschaffen, anstatt vernichtet werden, dar. Außerdem se-

hen die Expertinnen und Experten, dass durch das Konzept die Produktion nicht

mehr in Billiglohnländer ausgelagert werden muss und somit der Industriestandort

Europa bzw. Österreich wiederum gestärkt werde. Dadurch kann die Wettbewerbs-

fähigkeit gesteigert werden und es ergeben sich Wettbewerbsvorteile. Es werden

zwar Arbeitsplätze durch Industrie 4.0 geschaffen, doch man werde besser qualifi-

zierte Arbeitskräfte benötigen. Ebenso stelle das Konzept Industrie 4.0 den Vorteil

dar, dass die Arbeitszeit verkürzt werden könnte, wodurch man sich anderen Tätig-

keiten, wie beispielsweise einem ehrenamtlichen Engagement widmen könnte.

„B2: M hat´s kurz angesprochen, eben schlechte Arbeit nicht mehr machen zu müssen,

also Arbeiten die gesundheitsschädigend sind, dass die dann wegfallen könnten durch

Industrie 4.0. Eben die Möglichkeit Arbeitszeit zu verkürzen, sich anderen Dingen zu

widmen, Ehrenamt, Demokratie, Freizeit so in die Richtung.“ (A1, Abs. 31)

Die Vorteile für die Produktionsindustrie ergeben sich daraus, dass man die neu-

en technischen Möglichkeiten für die umweltschonende und ressourcensparende

Produktion nutzen kann, aber auch Kosteneinsparungen durch die Technologisie-

rung. Außerdem können sich die Lebensbedingungen durch Industrie 4.0 für die

Mehrheit der Menschen verändern bzw. verbessern. Erhöhte Produktivität, erhöhte

Flexibilität, bessere Markterfordernisse, mehr Marktanteile, gesteigerten Umsatz,

bessere Produktqualität, höhere Individualität in der Produktion und die Generierung

neuer Geschäftsfelder sowie neuer Produkte stellen weiter Vorteile für die Produkti-

onsindustrie dar. Außerdem erläuterte der Betriebsratsvorsitzende der Firma I, dass

durch das Konzept von Industrie 4.0 es möglich sein werde, mehr Individualisierung

in die Produktion zu bekommen und Einzelstückfertigungen kostengünstiger zu pro-

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duzieren. Durch die Vernetzung und Digitalisierung der Produktion durch das Kon-

zept wird es außerdem möglich sein, Produktionsausfälle oder Maschinenstillstände

schneller zu erkennen und auch beheben zu können. Der Betriebsratsvorsitzende

sowie der Human-Ressource-Manager der Firma J waren sich einig indem, dass In-

dustrie 4.0 die Produktionsabläufe vereinfachen werde, die Schnelligkeit der Produk-

tion steigern und mit weniger Aufwand einen höheren Ertrag erzielen werde. Auch

die Arbeiterkammer Oberösterreich erläuterte, dass man durch Industrie 4.0 gezielter

und mit weniger Umweltschäden produzieren werden kann.

„B2: Ich glaube eine Idee, nicht direkt auf den Produktionsbereich, aber schon auch,

dass man eben gezielter produzieren kann. Dass man keine hohen Lagerbestände

mehr anhäuft, dass man keine Überschüsse mehr produziert, zumindest wäre das

meine Idee, Idealvorstellung und Zugang. Auf der anderen Seite auch weniger Um-

weltschäden und so Belastung der Umwelt herbeiführt, just in time und so jetzt von der

Produktionsseite her betrachtet aber ich bin nicht der Experte. (…).“ (A1, Abs. 36)

Bezüglich der Vorteile für das Unternehmen bzw. für die Organisation, in wel-

chen die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner beschäftigt sind, wurden

Faktoren hinsichtlich der Digitalisierung angesprochen. Denn aufgrund der heutigen

Technologien ist es bereits gegenwärtig leicht möglich von zu Hause aus zu arbeiten.

Weiters werde es möglich sein kostengünstiger sowie schneller zu produzieren. Auf

diesem Wege werden die Innovationskraft und die Lebenszyklen der Produkte ver-

längert. Außerdem ermögliche Industrie 4.0 einen höheren Individualisierungs- und

Flexibilisierungsgrad sowie, dass Produktionsstandorte durch die Technologisierung

gesichert werden. Außerdem liegen weitere Vorteile für Betriebe darin, dass man

schneller auf Marktveränderung durch die Digitalisierung reagieren könne, die Si-

cherheit erhöhte werde, dass durch Produktionsassistenten, wie Roboter oder Tools

auf den Maschinen die Arbeitstätigkeit erleichtert wird und auch die Sicherheit im Be-

trieb steige. Das Institut Zukunftsakademie äußerte, dass sich die Produktion dahin-

gehend verändern werde, dass die Arbeitskräfte lediglich die Maschinen bedienen,

um ein Produkt herzustellen.

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Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0

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„(…). Es werden sich auch bei uns Arbeitsplätze ändern, es wird auch bei uns Jobs

geben die automatisiert werden können, natürlich nicht in der Form einer Industrie 4.0,

wo man sagt ok die ganzen Abläufe und das Werkstück ist am Schluss dann quasi fer-

tig und der Mensch hat nur mehr gesteuert. Das wird´s bei uns so sicher nicht geben.

Aber es gibt bei uns sicher Jobs wo man sagt, ok, das könnte eigentlich ein Computer

alleine auch machen.“ (E1, Abs. 23)

Es wurden die Vorteile im Allgemeinen, die Vorteile für die Produktionsindustrie so-

wie die Vorteile für das Unternehmen bzw. die Organisation aus Sicht der Expertin-

nen und Experten beschrieben. Im nächsten Kapitel werden die Möglichkeiten für die

Einbeziehung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der Verwirklichung des Kon-

zeptes von Industrie 4.0 aufgezeigt.

3.5.3.2. Einbeziehen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der

Verwirklichung von Industrie 4.0

Auf die Frage wie die Betriebe ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Umset-

zung von Industrie 4.0 am Besten einbeziehen könnten, nannten die befragten Ex-

pertinnen und Experten unter anderem, dass die Einbindung als Prozess geschehen

würde, durch das Stattfinden von Betriebsversammlungen oder durch das Einbezie-

hen von Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitskräfte, wie beispielsweise Betriebs-

ratsvorsitzende in die Umsetzung. Die Gewerkschaft erklärte, dass nicht alle Mitar-

beiterinnen und Mitarbeiter gleichermaßen bei der Verwirklichung von Industrie 4.0

einbezogen werden würden. Es können aber auch Schwierigkeiten bei der Einbin-

dung auftreten, wie die Arbeiterkammer Oberösterreich äußerte, denn die Thematik

von Industrie 4.0 ist noch zu wenig bekannt und das Unternehmen müsste seinen

Arbeitskräften mehr Vertrauen entgegen bringen, um die Beschäftigen in einer

selbstständigen Art ohne Druck arbeiten zu lassen.

„B2: Ich glaube, dass Industrie 4.0 eine ganz andere Unternehmensführung verlangt

als das jetzt der Fall ist. Das ist eben bei uns noch viel zu wenig in den Köpfen. Man

muss den Mitarbeitern mehr vertrauen, selbstständiger arbeiten lassen können und

nicht irgendwie von oben herab und Druck ausüben, Misstrauenssttruktur, Anwesen-

heitsfetischismus.“ (A1, Abs. 51)

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Förderlich für eine Einbindung ist eine gute Grundbildung bzw. Weiterbildung und

dass Betriebe bereits bei der Rekrutierung von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbei-

tern darauf achten, dass diese bestimmte Qualifikationen, wie ein gutes fachliches

Computerwissen, bereits mitbringen. Einer speziellen fachlichen Weiterbildung der

Arbeitskräfte können auch hauseigene Schulungen oder Ausbildungsprogramme

dienen wie der Human-Ressource-Manager der Firma J äußerte.

„Ich glaube, dass es zukünftig wichtiger wird, dass man im Job lernt. Also es wird

schwieriger werden dass man sagt, ok, man lernt bevor man ins Berufsleben eintritt al-

les was dann auf einen zukommt und man steigt dann ein und man kann das, sondern

man wird’s auch am Stück lernen müssen. Also ich habe meinen Job, es kommt meis-

tens irgendeine technologische Veränderung auf mich zu und ich muss … dann lernen,

wobei die technologischen Entwicklungen auch den Vorteil haben, dass sie oft auch

selbstlernend sind (…).“ (E1, Abs. 25)

Eine weitere Möglichkeit der Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stelle

nach Ansicht einiger Interviewpartnerinnen und Interviewpartner eine Aufklärung und

viel Kommunikation über das Konzept von Industrie 4.0 dar. Wichtig sei es nach

Meinung des Institutes für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik, dass alle im Betrieb

zusammenarbeiten und auch das Konzept verstehen, denn jede und jeder ist für die

Mitgestaltung und Umsetzung von Industrie 4.0 mitverantwortlich. Auch der Vorstand

der Firma J äußerte, dass es wichtig sei, dass bei jeder neuen technologischen Ent-

wicklung die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so gut es nur gehe mit eingebunden

werden.

„Ja, von Beginn an, bei jeder neuen Technologie die jetzt irgendwo interessant ist.

Nicht nur Thematik, Abläufe die umgesetzt werden müssen, müssen die Mitarbeiter

von Beginn an mit dabei sein, von der Idee bis zur Umsetzung, da führt auch kein Weg

dran vorbei. (…).“ (J3, Abs. 25)

Es wurde in diesem Unterkapitel die Möglichkeiten der Einbeziehung der Arbeitskräf-

te zur Umsetzung von Industrie 4.0 aufgezeigt. Im nächsten Unterkapitel werden die

Veränderungen der Arbeitsbedingungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber

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auch für die Führungskräfte nach Meinung der befragten Expertinnen und Experten

erläutert.

3.5.3.3. Veränderung der Arbeitsbedingungen für Mitarbeiterinnen

und Mitarbeiter sowie für Führungskräfte

Bei der Frage nach den Veränderungen der Arbeitsbedingungen für Arbeitskräfte

und für die Führungskräfte, sahen einige der Interviewpartnerinnen und Inter-

viewpartner die Veränderung der Arbeitsbedingungen neutral. Wichtig sei es,

dass die Gewinne, die durch Industrie 4.0 entstehen gerecht im Unternehmen in

Form von guter Bezahlung der Arbeitskräfte verteilt werden. Unter anderem wurde

geäußert, dass die Arbeit an sich anspruchsvoller werden würde und Führungskräfte

mehr Verantwortung aufgrund der technischen Systeme und der Vernetzung abge-

ben werden müssen. Des Weiteren werden Führungskräfte mehr Überzeugungsar-

beit leisten müssen, um Ängste seitens der Arbeitskräfte einzudämmen. Außerdem

werden sich Führungskräfte darum kümmern müssen, dass die Arbeitnehmerinnen

und Arbeitnehmer die entsprechenden Qualifikationen mitbringen, um gute Arbeit

verrichten zu können. Ein wertschätzender Umgang zwischen Arbeitskräften und

Führungskräften sei zudem ebenso essentiell. Der Vorstand der Firma J erklärte,

dass sich die Arbeitsbedingungen nicht per se verbessern oder verschlechtern wer-

den, sondern sie werden sich einfach verändern bzw. das Arbeiten an sich werde

sich verändern oder ein Anderes sein. Teams werden sich durch Industrie 4.0 zu-

nehmend selber organisieren und selbstständig ihre Aufgaben erledigen. Die Arbeits-

flexibilisierung nehme außerdem ebenso zu, denn viele Mitarbeiterinnen und Mitar-

beiter wünschen sich eine Teilzeitbeschäftigung, um sich mehr der privaten Lebens-

planung zu widmen, wie beispielsweise der Kindererziehung, so der Geschäftsführer

der Firma G.

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„(…) ich sozusagen per se nicht sagen kann, ob eine hohe Arbeitszeitflexibilisierung

ein Vorteil oder ein Nachteil ist. Viele MitarbeiterInnen die in erster Linie teilzeitbeschäf-

tigt sind, die das auch gerne möchten. Keine Ahnung, 3 Tage in der Woche, 4 Stun-

den. Umgekehrt glaube ich, dass auch viele dieser MitarbeiterInnen, Frauen oder

Männer, auch wieder uns brauchen, weil sie in ihrer Lebensplanung irgendwo stehen,

Kinder (…). Grundsätzlich müsste diese Digitalisierung zu mehr autonomen Arbeiten

führen. Es wird der Job wichtiger werden den man zu erfüllen hat als die tatsächlich

manuelle Tätigkeit. (…).“ (G2, Abs. 32)

Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbei-

ter stelle nach Meinung einiger Expertinnen und Experten die Arbeitserleichterung

durch den Wegfall eintöniger Arbeitstätigkeiten dar. Auch die Arbeitszeit werde sich

flexibler gestalten bzw. verkürzen oder durch die Technik wird es möglich werden,

mehrere Tage von zu Hause aus zu arbeiten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

werden des Weitern mehr in Teams arbeiten und Betriebe werden untereinander

stärker vernetzt sein. Eine große Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Arbeits-

kräfte stellen unter anderem Roboterassistenten in den Fertigungsbetrieben dar, die

den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Heben schwerer Produktionsteile behilflich

sein werden. Des Weiteren werden durch die neuen Technologien anstrengende

manuelle Tätigkeiten für die Beschäftigten der Vergangenheit angehören. Diese As-

sistenzsysteme für die Unterstützung physischer Tätigkeiten, speziell Hebehilfen

werden größtenteils älteren Beschäftigten zu Gute kommen, da diese vielleicht an-

sonsten gar nicht mehr im Stande wären ihre Arbeit auszuführen.

„(…). Und es ist auch jetzt, ich meine wenn man sagt ältere Arbeitnehmer sollen länger

im Job bleiben und gerade in Produktionsbetrieben ist das natürlich schwer, weil das

ist ja eine harte Arbeit und körperliche Arbeit. Wenn ich sage ok (…) ich kann das …

nicht mehr heben, weil´s mir einfach zu schwer geworden ist und der Computer hebt

mir das oder der Roboter hebt mir das, dann finde ich das ja eigentlich nur positiv. Ich

bin da eher sicher positiv eingestellt. Ich glaube auch es wird auch nicht die Menschen

ersetzen, also nicht in absehbarer Zeit.“ (E1, Abs. 27)

Für Führungskräfte können sich die Arbeitsbedingungen dahingehend verbes-

sern, dass sie gewisse Informationen nicht mehr erhalten werden bzw. Entscheidun-

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gen treffen müssen, da dies bereits von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern

optimal gelöst wurde. Dies bedeutet, dass die Kontrolle durch Führungskräfte weni-

ger wird und dass diese ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Vertrauen ent-

gegenbringen müssen. Wie der Geschäftsführer der Firma G erläuterte, wird eine

Leiterin oder ein Leiter eines Teams im Betrieb diese Gruppe möglichst gut durchmi-

schen und nach Fähigkeiten aufstellen oder ihnen die nötige Freiheit für ihre Tätig-

keiten gewähren. Außerdem würden jüngere Generationen heutzutage nur noch jene

Arbeiten verrichten, worin sie einen Sinn erkennen.

„(…). Wenn sich heute eine Führungskraft darüber definiert, dass sie Kontrolle hat über

ihre Mitarbeiter, dann wird´s auf dem falschen Fuß stehen. Das wird´s de facto so nicht

mehr geben. Was heißt das? Die Kontrolle wird weniger, das Vertrauen muss dement-

sprechend steigen damit dieses Gleichgewicht irgendwie in Balance ist. (…). Aber es

wird mehr dieses Thema werden, das außenstehende, wie ein Coach versucht sein

Team möglichst bunt zusammen zu stellen, alle Erfahrungen drinnen zu haben, alle

Kenntnisse drinnen zu haben und man denen entsprechende Freiheit gibt, dass sie da

arbeiten, weil es so werden wird, das ist jetzt auch schon so, allerdings wird sich glau-

be ich das Kräfteverhältnis etwas ändern und Leute werden nur mehr das machen was

einen Sinn dahinter hat. Sonst werden sie´s einfach nicht mehr tun. (…).“ (G2, Abs. 34)

Eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für Mitarbeiterinnen und Mitar-

beiter ergebe sich aus einer Zunahme der Flexibilität in der Arbeit und die Entgren-

zung zwischen Privat- sowie Arbeitsleben. Die Wirtschaftskammer Oberösterreich

äußere auch, dass es in den Unternehmen eine flachere Organisation durch Indust-

rie 4.0 geben werde. Des Weiteren nehme die permanente Verfügbarkeit von Ar-

beitskräften durch die neuen Technologien immer weiter zu. Außerdem resultiere

daraus, so die Human-Ressource-Managerin der Firma H, dass der persönliche Kon-

takt der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter untereinander durch die Kommunikation mit-

tels Technik verloren gehen werde.

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„Ich fange vielleicht einmal an mit dem verschlechtern, indem ich vielleicht den persön-

lichen Kontakt ein Stück weit zu manchen Anlassfällen verliere. (…) Menschen oder

Mitarbeiter sind halt so gestrickt, die hätten viel mehr persönlichen Kontakt noch und

nicht so sehr diesen digitalen, die müssen das ein Stück weit. Sie kommen vielleicht

auch mit verschiedensten Anwendungen nicht so schnell zurecht wie andere. (…).“

(H3, Abs. 26)

Die Führungskräfte werden eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen da-

hingehend erleben, dass es für sie schwieriger wird zu führen in Zeiten, wo Mitarbei-

terinnen und Mitarbeiter selbstständig in Teams arbeiten. Das Institut Zukunftsaka-

demie und ein Betriebsratsvorsitzender erörterten, dass es künftig wahrscheinlich

keine Führungskräfte mehr geben werde, wenn man seine Arbeitskräfte nicht mehr

führen müsse. Außerdem sei der persönliche Kontakt zwischen Führungskräften und

Beschäftigten von großer Bedeutung, denn weder Telefon, Videochats oder E-Mail-

Verkehr würden die Pflege dieser privaten Beziehung ersetzen. Die Sozialpartner-

schaft schließt sich auch der Meinung anderer befragter Expertinnen und Experten

an, dass die Organisation im Unternehmen flacher werden wird und sich die Ausprä-

gung der Führungstätigkeiten von Vorgesetzten ändern werden, da die Arbeitskräfte

zukünftig viel mehr in Teams arbeiten werden und die Leitung gewissermaßen selbst

übernehmen.

„Für die wird´s interessant werden. Da gibt´s ja auch verschiedene Ansätze wie sich

die Führung verändern wird. Ich glaube einfach, dass sie flacher wird. Und da stellt

sich halt die Frage, in wie weit braucht man noch ein mittleres Management, wenn ich

wirklich in Teams arbeite, wie ich gesagt habe, einmal übernehme ich die Führung, ein

anderes Mal der andere. (…).“ (C1, Abs. 36)

Die Diskussion über potentielle Veränderungen der Arbeitsbedingungen für Füh-

rungskräfte sowie für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Unternehmen hat gezeigt,

dass das Konzept von Industrie 4.0 definitiv einiges in der Arbeitswelt erneuern bzw.

umwandeln wird. Im nächsten Unterkapitel werden die Befürchtungen und Hindernis-

se, welche das Konzept mit sich bringen könnte aus Sicht der Expertinnen und Ex-

perten betrachtet.

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3.5.3.4. Befürchtungen und Hindernisse zum Konzept Industrie 4.0

und deren Möglichkeiten zur Überwindung

Als Befürchtungen oder Hindernisse, welche durch das Konzept von Industrie 4.0

entstehen könnten, nannten die befragten Expertinnen und Experten, dass jede Per-

son bzw. jedes Unternehmen, welches sich dieser technologischen Entwicklung nicht

anschließen will, früher oder später auf der Strecke bleibe. Weiters werden rechtliche

Rahmenbedingungen für das Umsetzen des Konzeptes Industrie 4.0 nötig sein, da-

mit das Konzept nicht missbraucht werden kann. Es wird zudem gewisse Personen

in der Gesellschaft geben, die sich nur schwer bis gar nicht abgrenzen können, das

heißt die Berufs- und Privatleben miteinander vermischen. Der Betriebsratsvorsit-

zende der Firma J erklärte, dass die wirkliche Umsetzung von Industrie 4.0 bzw. was

man sich darunter vorstelle noch einige Zeit dauern werde.

„(…).die Umsetzung wird noch lange dauern, wenn es überhaupt einmal zu einer end-

gültigen Umsetzung kommt mit dem was wir uns möglicherweise unter Industrie 4.0

vorstellen. Wir haben eine sehr unterschiedliche Produktion, also das ist nicht so eine

0815 Geschichte, also sehr viele verschiedene Sachen (…).“ (J1, Abs. 32)

Die Angst der Beschäftigten über den Verlust des Arbeitsplatzes durch die Digitalisie-

rung, wie beispielsweise der Ersatz der Arbeitskraft durch Roboter hält das Institut für

Arbeitsforschung und Arbeitspolitik für unwahrscheinlich, denn es kann sein, dass

Betriebe noch mehr Beschäftigte durch Industrie 4.0 für die Produktion aufgrund des

gestiegenen Wachstums des Unternehmens benötigen werden. Allerdings werde es

nach der Human-Ressource-Managerin der Firma I zu Bildungsverschiebungen und

dem vermehrten Robotereinsatz in Fertigungsbetrieben kommen. Die Arbeitsplatz-

verlustängste können bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen höheren Ar-

beitsdruck hervorrufen und auch Widerstände gegen das Konzept von Industrie 4.0

erzeugen. Der Betriebsratsvorsitzende der Firma J erörterte, dass bei den Beschäf-

tigten im Betrieb J die Sorge des Arbeitsplatzverlustes stark verankert sei, doch der

Betriebsratsvorsitzende sehe in den nächsten Jahren keinen drohenden Abbau der

Stellen.

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„(…). Befürchtungen ist das Ungewisse, weil man nicht weiß, was ist es wirklich, was

könnte man bei uns im Haus noch machen, weil wir halt in den Köpfen haben durch

Vereinfachung, durch Unterstützung von einer Maschine, einem Roboter oder wie auch

immer, verliert man Arbeitsplätze. Das sind halt die Befürchtungen. Aber ich glaube so

tragisch große Sorgen brauchen wir uns in den nächsten Jahren sicher nicht machen.

Da müsste wirklich sehr viel modernisiert werden, es wird eh immer was gemacht.

(…).“ (J1, Abs. 32)

Die Widerstände gegen die Automatisierung und Technisierung könnten mitunter ein

enormes Hindernis darstellen, welches es zu überwinden gilt, denn es werde vermut-

lich einige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben, die sich den technischen Verän-

derungen nicht anpassen wollen. Auch das Institut Zukunftsakademie erläuterte Wei-

ters, dass ebenso ein Hindernis für das Konzept von Industrie 4.0 die fehlende Tech-

nik bzw. die fehlenden IT-Systeme der Unternehmen sein könnten oder dass sich

Betriebe erst viel zu spät auf die technischen Veränderungen und Entwicklungen ein-

lassen.

„Da haben wir eigentlich eh schon geredet jetzt, dass sehr stark befürchtet wird, dass

Unternehmen nicht mitziehen können, dass sie einfach das IT-mäßig noch nicht schaf-

fen, sich auf das Neue einlassen, zu spät einlassen (…) und es wird natürlich für die

kleineren Produktionsbetriebe sehr schwierig werden (…).“ (E1, Abs. 33)

Eine Befürchtung hinsichtlich Datenschutz und Technologisierung äußerten ebenso

einige der befragten Expertinnen und Experten aufgrund des zunehmenden Daten-

austausches und der Datenvernetzung. Auch dass sich kleinere Betriebe hohe Inves-

titionssummen für eine Vernetzung ihrer Daten durch Systeme gar nicht leisten könn-

ten, stelle eine Befürchtung dar. Hier steht ebenso wieder die Befürchtung der zu-

nehmenden Kontrolle der Beschäftigten durch die Führungskräfte im Raum. Der Ge-

schäftsführer der Firma H äußerte ebenfalls die Problematik des Datenschutzes

durch die neuen technologischen Systeme und erklärte, dass Kundinnen und Kun-

den sobald sie ein technisches Gerät zu Hause haben eine Kontrolle durch die Her-

stellerfirma nicht mehr wünschen.

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„Hindernisse gibt es sicher, das ist das Thema Datenschutz bzw. was lässt auch unser

Kunde zu. Wenn wir eine Anlage liefern, könnten wir im Prinzip aus der Anlage alle Da-

ten rausfiltern (…). Es gibt aber auch Kunden die sagen, wenn ich die Maschine bei mir

stehen hab, geht dich die Maschine nichts mehr an und lässt das gar nicht zu. (…).“

(H2, Abs. 33)

Ein Verlust der Kenntnisse für den Gesamtprozess bzw. Prozessabläufe könnte sich

unter anderem ebenso durch das Konzept von Industrie 4.0 ergeben. Es könne zu

Verlusten für das gesamte Verständnis eines Produktionsablaufes kommen, wo ma-

nuelle Tätigkeiten nicht mehr gefragt sind, sondern nur noch Fachexpertinnen und

Fachexperten mit entsprechenden Fachkenntnissen benötigt werden, um die gesam-

te Fertigung am Laufen zu halten. Des Weiteren sieht die Gewerkschaft es kritisch,

dass durch den Datenaustausch die Menschen immer weniger persönlich miteinan-

der kommunizieren. Die Human-Ressource-Managerin der Firma H sprach noch das

Thema der Technik innerhalb verschiedener Generationen an, denn nicht alle Perso-

nen hätten gleichermaßen denselben Zugang zur Digitalisierung bzw. ältere Men-

schen sind schneller mit den neuen Systemen überfordert als jüngere Beschäftigte.

Doch nicht nur im Berufsleben seien ältere Generationen stark durch die neuen

Technologien gefordert, sondern auch im privaten Umfeld würden sich Überforde-

rungen zeigen. Dazu gehören auch, nach Ansicht der Human-Ressource-Managerin

der Firma H niedriger qualifizierte Arbeitskräfte, die mit der neuen Technik nicht mehr

mithalten könnten.

„Ich sehe es dahin, weil in manchen Bereichen es doch sehr rasch vor sich geht, dass

man möglicherweise Generationen, die da nicht den Zugang haben oder vor allem Äl-

tere, was man ja jetzt schon merkt, die komplett überfordert sind, die nicht mehr mit-

kommen was da alles abläuft, die so im Alltag sich in gewissen Bereichen gar nicht

mehr zurecht finden. Die brauchen Unterstützung, (…) keine Ahnung was, was man

halt auch als privater Mensch zu erledigen hat. Das ist die große Befürchtung, wenn

man in diesem … Leute einspart, das Ganze digitalisiert über Online-Plattformen usw.,

dass möglicherweise sich gewisse Zielgruppen, da gibtt´s vielleicht auch die, die nicht

so gut ausgebildet sind, gar nicht mehr zurecht kommen. Das ist ja jetzt teilweise

schon so. Das kriegt man einfach auch mit im Alltag, in der Gesellschaft.“ (H3, Abs. 36)

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Die Kosten- und Gewinnperspektive stelle vor allem für kleinere bis mittlere Unter-

nehmen eine Herausforderung dar, denn neue technische Systeme sind mit einem

gewissen Kostenaufwand verbunden, welchen sich nicht alle Firmen gleichermaßen

leisten können. Die Firma F betonte, dass auch der realwirtschaftliche Nutzen bzw.

der Nutzen für die Volkswirtschaft des Konzeptes Industrie 4.0 wichtig sei und nicht

lediglich der Selbstzweck, das heißt der eigene Nutzen für ein Unternehmen.

„(…) als Unternehmen muss man sich da halt einfach echt die Frage stellen, was ist

mein realwirtschaftlicher Nutzen, warum, aus welchen Zweck besteht, warum bin ich

da und der Zweck ist hoffentlich nicht der Selbstzweck, weil es so spannend und lässig

ist in einem hoch technologisierten Thema tätig zu sein, sondern der, dass ich realwirt-

schaftlich einen Nutzen schaffe, dass ich volkswirtschaftlich auch einen Zweck erfülle.

(…).“ (F1, Abs. 31)

Als potentielle Möglichkeiten der Überwindung der Befürchtungen und Hindernisse

Bezüglich dem Konzept von Industrie 4.0 äußerten die Interviewpartnerinnen und

Interviewpartner Opportunitäten, wie die Festlegung spezieller Rahmenbedingungen

oder Standards durch den Staat bzw. die Politik, einen breiten Diskurs, eine konkrete

Auseinandersetzung mit der Thematik und einer präzisen Zielformulierung, um Ge-

rüchten, Ängsten oder Missverständnissen vorzubeugen. Aber auch Gewerkschaften

oder Betriebsräte seien gefordert, die Veränderungen durch Industrie 4.0 in eine rich-

tige Linie zu lenken und um eine ausgewogene Gerechtigkeit in der Gesellschaft, wie

durch faire Löhne bzw. Gehälter herzustellen. Informationen stellen für manche Be-

fragten auch einen Versuch zur Überwindung der Befürchtungen dar, indem man die

Gesellschaft aufklärt. Weiters solle man junge Leute bereits in ihrer Ausbildungszeit

dazu animieren effektiv an den Veränderungen für eine erfolgreiche Umsetzung von

Industrie 4.0 mitzuarbeiten, damit es nicht zu potentiellen Befürchtungen oder Hin-

dernissen komme. Doch der Geschäftsführer der Firma G ist der Ansicht, dass das

Konzept von Industrie 4.0 sich sowieso durchsetzen werde und es nur wenig wir-

kungsvolle Möglichkeiten der Überwindungen etwaiger Befürchtungen oder Hinder-

nisse gebe. Ob der derzeitige technische Entwicklungsstand überhaupt schon dem

von Industrie 4.0 entspreche stellte der Betriebsratsvorsitzende der Firma I in Frage.

Ein bewusster und verantwortungsvoller Umgang mit der neuen Entwicklung der

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Technologisierung durch Industrie 4.0 ist für den Human-Ressource-Manager der

Firma F sehr wichtig. Man solle die Wirklichkeit nicht aus den Augen verlieren und

jedes Gesellschaftsmitglied solle einen respektvollen Umgang mit der Umwelt, aber

auch zu seinen Mitmenschen pflegen.

„Es ist ja, ich würd das gar nicht so sehen, dass das jetzt eine massiv schlechte Ent-

wicklung ist, sondern man muss einfach damit mit einem vernünftigen Maß umgehen

und sich der Handlungen auch bewusst sein, die man in diesem Kontext setzt. Es ist

einfach viel Hausverstand, weil man soll den Boden unter den Füßen nicht verlieren,

man soll nicht glauben, dass man in einer Unendlichkeit in der oder scheinbaren Un-

endlichkeit dieser Technologisierung alle Probleme dieser Erde löst, sondern einfach

mit beiden Füßen am Boden stehen, mit Wertschätzung und Respekt der Natur ge-

genüber, dem Menschen gegenüber, dann kann beides eine gute Symbiose sein (…).“

(F1, Abs. 33)

Im nächsten Unterkapitel werden die potentiellen Befürworterinnen und Befürworter

des Konzeptes von Industrie 4.0 aus Sicht der befragten Interviewpartnerinnen und

Interviewpartner aufgezeigt.

3.5.3.5. Befürworterinnen und Befürworter des Konzeptes

Auf Zustimmung wird das Konzept von Industrie 4.0 vorwiegend bei den Betrieben

aus der Industrie und bei den Eigentümerinnen sowie Eigentümern großer Unter-

nehmen stoßen, wenn man damit einen hohen Ertrag erwirtschaften kann. Ebenso

zählen manche der Befragten, Expertinnen und Experten zu den Befürworterinnen

und Befürwortern von Industrie 4.0, insbesondere Beraterinnen und Berater sowie

Technikerinnen und Techniker. Weitere positiv eingestellte Gruppen würden jene

Personen darstellen, die bereits mit den IT-Systemen aufgewachsen sind, also jün-

gere Generationen, aber auch jene Arbeiterinnen und Arbeiter, die dadurch ein bes-

seres Leben in Bezug auf Arbeitsentlastungen und mehr Entgelt haben würden. Des

Weiteren initiiert Industrie 4.0 die Möglichkeit im internationalen Wettbewerb als Un-

ternehmen konkurrenzfähiger zu sein und ebenso leichter weltweit zu agieren. Dass

das Konzept bei jüngeren Unternehmen auf Begeisterung stoßen werde, erläuterte

der Vorstand der Firma J, denn kleinere Betriebe werden davon profitieren, wenn sie

sich auch mit diesem Thema auseinandersetzen. Weiters sollte dem Unternehmen

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immer bewusst sein, dass man mit jeglicher Art der Veränderung zu Recht kommen

müsse.

„Bei jungen Unternehmen, die bereit sind und eigentlich schon länger sich mit Verän-

derungen befasst haben, da wird das eher auf Zustimmung stoßen. (…). Viele kleine

und kleinere Unternehmen könnten davon mehr profitieren, wenn sie bereit sind sich

mit dieser Thematik mehr zu beschäftigen. (…) und es muss uns auch bewusst sein,

es muss uns immer bewusst bleiben, dass wir mit der Veränderung leben müssen.“

(J3, Abs. 35)

Nachdem in diesem Unterkapitel kurz die Befürworterinnen und Befürworter des

Konzeptes von Industrie 4.0 aufgezählt wurden, werden im nächsten Unterkapitel die

Ablehnerinnen und Ablehner des Konzeptes, also die Gegenseite näher diskutiert.

3.5.3.6. Ablehnerinnen und Ablehner des Konzeptes Industrie 4.0

Auf eine Ablehnung werde das Konzept von Industrie 4.0 nach Meinung der befrag-

ten Expertinnen und Experten bei jenen Personen stoßen, die mit der Thematik

nichts anfangen können und somit Angst vor dem Konzept haben. Des Weiteren,

würden Unwissende irgendetwas in das Thema Industrie 4.0 hinein interpretieren,

wodurch schnell die Gefahr bestehe, dass die Meinung vertreten wird, dass es sich

bei dem Konzept nur um eine Automatisierungsveränderung handeln würde oder

dass Arbeitskräfte dadurch ihren Arbeitsplatz verlieren würden. Des Weiteren würden

ältere Generationen der neuen technologischen Entwicklung skeptischer gegenüber

stehen als jüngere Generationen und auch jene, die mit der neuen Technik nicht um-

gehen können. Ebenso werde es bei jenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auf Ab-

lehnung stoßen, welche sich weigern sich weiterzubilden. Jedoch stellt sich für Un-

ternehmen die Frage, ob man diese Entwicklung von Industrie 4.0 überhaupt ableh-

nen könne. Ebenso wäre es nach Ansicht der Arbeiterkammer Oberösterreich nicht

förderlich, wenn die Politik keine regulierenden Maßnahmen für das Konzept von In-

dustrie 4.0 festlege und die Entwicklung alleine dem Markt überlassen würde. Au-

ßerdem äußerte die Arbeiterkammer Oberösterreich, dass das Konzept generell bei

jenen Arbeitskräften auf Ablehnung stoßen werde, die mehr arbeiten müssen und

Angst haben, ihren Job durch Industrie 4.0 zu verlieren.

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„(…). Auf Ablehnung wird es dort stoßen, ich sage pauschal bei den Beschäftigten. Da

kann man glaube ich trennen zwischen jenen die eher gut ausgebildet sind, qualifizier-

ter sind, und den anderen, die eben wenig qualifiziert sind, keine Ausbildung haben. Da

ist eine Polarisierung zu befürchten, die jetzt schon zu sehen ist, nämlich die erste

Gruppe, wo die Arbeitszeiten entgrenzter, wo tendenziell auch mehr gearbeitet wird.

(…). Die eine Gruppe, die Urlaub darunter brauchen wird, Arbeiten im Urlaub, wo sich

die Arbeit, wenn sie krank sind stapelt, nicht erledigt wird (…). Die andere Gruppe, die

sehr fremdbestimmt und kontrolliert arbeitet und sehr leicht substituierbar ist, aus-

tauschbar ist und immer die Angst vom Jobverlust im Hintergrund hat. Das ist die Prob-

lematik.“ (A1, Abs. 62)

Die Bedeutung des Konzeptes von Industrie 4.0 für die befragten Unternehmen wird

im nächsten Unterkapitel beleuchtet. Diese Frage wurde nur an die Betriebe gestellt.

3.5.3.7. Die Bedeutung von Industrie 4.0 im befragten Unternehmen

Für die meisten der befragten Expertinnen und Experten hat das Konzept von Indust-

rie 4.0 eine hohe bis sehr hohe Bedeutung im Betrieb. Die Firma J veranstaltet sogar

einen eigenen Stammtisch, welcher sich mit dem Thema der vierten Phase der in-

dustriellen Revolution auseinandersetzt. Weiters äußerte der Betriebsrat der Firma

H, dass Industrie 4.0 ein Thema sei, dessen man sich nicht verschließen könne und

wo man immer auf dem neuesten Stand bleiben müsse. Dieser Aussage schloss sich

der Vorstand der Firma J ebenso an, denn Unternehmen werden sich langfristig nicht

vor der Thematik Industrie 4.0 verschließen können.

„Es ist ein Thema an dem wir nicht vorbei gehen können, das geht gar nicht und ein

Thema das für uns denke ich einmal vielleicht nicht für die kurzfristige, sondern mittel-

und langfristige Zukunft entscheidend ist und wichtig ist, ich würde sogar sagen ein

nicht existenzbedrohendes, sondern existenznotwendiges Thema. Es ist sehr wichtig.“

(J3, Abs. 37)

Eine Bedeutung von Industrie 4.0 für Führungskräfte äußerte der Geschäftsführer

der Firma G, denn Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in Betrieben

sind häufig ältere Generationen, welche mit der Technologie weniger zu tun haben

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als jüngere Personen. Diesen Managerinnen und Managern fehle die Vorstellungs-

kraft, dass sich Veränderungen innerhalb kürzester Zeit ereignen können.

„Dass wir uns mit Fragen auseinandersetzen müssen. In der Regel ist es so, dass Füh-

rungskräfte keine 18 bis 25-jährigen sind, sondern mindestens 35 oder älter sind. Dass

da heute zumindest durchaus noch ein Bruch durchgeht, weil die mit Digitalisierung am

wenigsten am Hut haben und sozusagen gerne in die Richtung diskutieren, das wird

sowieso nicht kommen, weil einfach die Vorstellungskraft fehlt und jetzt übertreiben

wir´s, die sich durchaus aus Digital natives verstehen in dem Sinne es trifft mich so-

wieso nicht. (…). Das ist glaube ich für jede Führungskraft schwierig, wenn er sozusa-

gen seine bisherige Laufbahn so verstanden hat, so geht das und so ist das und hat

das auch 6 Mal bewiesen bekommen im Laufe seiner Karriere und jetzt sagt ihm …

Morgen wird das völlig anders. Das glaubt man nicht.“ (G2, Abs. 42)

Hinsichtlich der Technisierung als einen bedeutenden Faktor erklärten manche Inter-

viewpartnerinnen und Interviewpartner, dass Betriebe diese schnelle Entwicklung

nicht übersehen dürften, um rechtzeitig mit der Veränderung mitzugehen. Wichtig

wäre es auch, dass man der Gesellschaft die Angst vor Industrie 4.0 nimmt, denn

Maschinen oder Roboter werden nicht die Arbeitskräfte ersetzen.

„(…). Ja, es schwirrt ab und zu ein Schreckgespenst umher, aber das ist halt auch

wieder mit unserer Unwissenheit zu begründen und die glauben, dass sie was wissen

davon, darum stellt es sich auch jeder ein bisschen anders vor. Ich glaube, es wäre

ganz wichtig, wenn man den Leuten etwas die Besorgnis nehmen könnte, dass es

wahrscheinlich nicht so wild wird wie es angenommen wird, dass auf einmal fast keine

Leute mehr herinnen sind, wir nur mehr Maschinen und Roboter da haben, das wäre

auch nicht in …“ (J1, Abs. 38)

Nachdem die Befürchtungen und Potentiale von Industrie 4.0 aufgezeigt wurden,

werden im nächsten Unterkapitel die Arbeitsbedingungen und Qualifikationsanforde-

rungen, die durch das Konzept entstehen diskutiert.

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3.5.4. Arbeitsbedingungen und Qualifikationsanforderungen

Wie bereits im theoretischen Teil unter Kapitel 2.5 aufgezeigt wurde, wird auch der

Mensch weiterhin eine entscheidende Rolle als Arbeitskraft spielen. Dennoch führen

die Entwicklungen in Richtung Industrie 4.0 dazu, dass bereits bei der Gestaltung der

Aufgabenstruktur wesentliche Aspekte zu berücksichtigen sind. Um ein erfolgreiches

Zusammenspiel von Mensch und Maschine zu gewährleisten, sollte daher berück-

sichtig werden, welche Funktionalität die Maschinen im Prozess übernehmen sollen

und welche Grenzen und Möglichkeiten dabei die Automatisierung bietet, aber auch,

welche menschlichen Fähigkeiten für diese Prozesse nötig sind und welche Schwä-

chen dabei hinderlich sein könnten. (vgl. Lüdtke 2015, S. 128)

3.5.4.1. Arbeitsbereiche die einer Veränderung unterliegen

Bei der Gestaltung der Arbeitsbereiche bleibt zu bedenken, dass nicht einfach jede

Fähigkeit automatisiert werden kann und nicht immer die Maschinen den Menschen

überlegen sind. Zudem müssen die Arbeitskräfte, um situationsbedingt auch die Ma-

schinenarbeit übernehmen zu können, weiterhin über adäquate manuelle und geisti-

ge Fähigkeiten verfügen. Wesentlich erscheint hier, dass die Aufgabenverteilung

nicht starr erfolgt, sondern dynamisch bleibt. (vgl. Lüdtke 2015, S. 129 f.)

Dennoch zeigt die Befragung, dass einige Expertinnen und Experten durchaus davon

ausgehen, dass manche Arbeiten wegfallen werden. Dabei erscheint ihnen eine Au-

tomatisierung der sogenannten Hilfstätigkeiten sowie der monotonen Tätigkeiten am

wahrscheinlichsten, wobei dies nicht nur auf die Produktion, sondern durchaus auch

auf Verwaltungsbereiche bezogen wird. Trotz des möglichen Verlustes an Arbeits-

plätzen gehen manche Expertinnen und Experten davon aus, dass mit der Umset-

zung der neuen Technologien auch neue Berufsfelder und Arbeitsplätze entstehen

werden. Selbst wenn teilweise der Standpunkt vertreten wird, dass sich alle Arbeits-

bereiche verändern, so sind sich doch die meisten der Befragten darin einig, dass die

Produktion auf jeden Fall einem Wandel unterliegen wird.

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„(…). Es werden trotzdem die Fertigungstätigkeiten auch einer Veränderung unterlie-

gen, wenn ich Richtung Assistenzsysteme oder vernetzte Prozesse denke, werden die

Leute vielleicht auf eine andere Art arbeiten, weil das Produkt / das Stück an sich ja

weiß was es zu tun hat in der Industrie 4.0. (…).“ (I2, Abs. 63)

Im nächsten Unterkapitel wird schließlich auf die Veränderungen der Arbeitsbedin-

gungen durch Industrie 4.0 eingegangen, nachdem die veränderten Arbeitsbereiche

durch das Konzept beleuchtet wurden.

3.5.4.2. Veränderungen der Arbeitsbedingungen

Die bisher dargestellten Charakteristika der Arbeit in den neueren Produktionskon-

zepten sowie das sich ständig verändernde Arbeitsumfeld, durch den zunehmenden

Einsatz von komplexen Technologien, führen in weiterer Folge dazu, dass sich auch

die Arbeitsbedingungen verändern. (vgl. Deuse / Weisner / Hengstebeck / Busch

2015, S. 103)

Bei diesen Veränderungen lassen sich innerhalb der Befragung die unterschiedlichs-

ten Schwerpunkte feststellen, welche in der folgenden Abbildung 9 aufgezeigt wer-

den.

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Abbildung 9: Veränderungen bei den Arbeitsbedingungen

Während auf der einen Seite ein negatives Bild für die Arbeitnehmerinnen und Ar-

beitnehmer gemalt wird, bei dem auf eine mögliche Ausbeutung und Überforderung

verwiesen wird, wird auf der anderen Seite auf die besseren Arbeitsbedingungen

direkt am Arbeitsplatz verwiesen. Dabei sollen sich nicht nur die Bedingungen ver-

bessern wie auch schon in den letzten Jahrzehnten, sondern Arbeitskräfte von Ma-

schinen direkt unterstützt werden, wie zum Beispiel bei schweren Hebearbeiten.

für Führungskräfte

stärkere Kommunikations-

fähigkeit

für Arbeitskräfte

Wegfall monotoner Tätigkeiten

bessere Arbeitsplätze

Entgrenzung

Überlastung

Überfor-derung

maschinelle Unterstützung

flexiblere Arbeitszeit

ergebnisorientiertere Arbeitsstruktur

Veränderungen bei den

Arbeitsbedingungen

stärkere soziale Sensibilität

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„Es wird unterstützender werden, also, es wird sicher, monotone Arbeiten werden

Menschen wahrscheinlich nicht mehr verrichten im Konzept Industrie 4.0, es wird ge-

forderter werden, also dass mehr Möglichkeiten sind. Es ist nicht mehr so, dass ich am

Fließband stehe und jeden Tag dasselbe mache. Oder man geht in die Arbeit und

muss immer nur schauen, dass da alles aufgefüllt ist. Diese Sachen wird´s nicht mehr

geben. Wie gesagt, also ich bin da eher positiv eingestellt, dass die Arbeitsplätze auch

für Menschen besser werden. (…).“ (E1, Abs. 45)

Zudem verweisen Expertinnen und Experten darauf, dass es sich wohl eher um eine

Kombination aus beiden handeln wird, so das zum Einen die Arbeitsbedingungen

besser werden zum Anderen aber aufgrund der fortschreitenden Entgrenzung es

auch zu mehr Überlastungen kommen kann.

Weitere Aspekte zeigen sich darin, dass zukünftig von den Führungskräften mehr

Sensibilität für soziale Anliegen der Arbeitskräfte erwartet wird sowie eine stark aus-

geprägte Kommunikationsfähigkeit. Des Weiteren könnte die Arbeitsstruktur in Zu-

kunft eher ergebnisorientiert strukturiert werden. Der wesentlichste Aspekt für die

Expertinnen und Experten aus den Sozialpartnerschaften scheint jedoch die Verän-

derung in der Arbeitszeit zu sein.

„Arbeitszeit hab ich vorher schon gesagt, die wird flexibler werden oder soll flexibler

werden, ich sage einmal gerade in einer globalisierten Welt oder wenn ich mich da ein-

fach jetzt gut vernetze mit meinen weltweiten Partnern, dann muss ich arbeiten kön-

nen, wenn die sagen, ich brauche das Produkt oder ich brauche das. Dann brauche ich

die Leute dazu, dafür wird´s auch sicher Phasen geben, wo´s nicht so gut rennt, die hat

einfach jeder und wir haben eh gerade eine Phase, die für viele Betriebe schwierig ist.

Da muss es mir auch möglich sein, wenn es gut läuft, dass man Zeiten aufbaut, jetzt

kann ich dafür einmal sagen, ok meine Mitarbeiter, jetzt baut´s die Zeiten einmal ab, d.

h. da muss man einfach flexibler werden. (…)“ (C1, Abs. 53)

Nachdem die Veränderungen der Arbeitsbedingungen aus Sicht der Expertinnen und

Experten betrachtet wurden, werden im nächsten Kapitel die Formen der Arbeitsor-

ganisation diskutiert.

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3.5.4.3. Formen der Arbeitsorganisation

Wie bereits unter Kapitel 2.5.3 erläutert wurde, bilden sich die Strukturen eines In-

dustrieunternehmens normalerweise über Jahrzehnte hinweg und werden nur selten

grundlegend geändert und dann meist nur in Teilbereichen. (vgl. Sendler 2013, S.

13) Von dieser schrittweisen bzw. teilweisen Veränderung ist auch bei der Arbeitsor-

ganisation auszugehen. Dabei beziehen sich die Veränderungen durch die Umset-

zung des Konzeptes 4.0 hier vor allem auf die arbeitsteilige Strukturierung von Auf-

gaben und Tätigkeiten sowohl in horizontaler, als auch in hierarchischer Hinsicht.

Ebenso bezieht sich die Arbeitsorganisation in diesem Zusammenhang auf die Ge-

staltung der Kommunikation und Kooperation zwischen den Beschäftigten. Allerdings

lassen sich unter dieser Betrachtung dabei sehr unterschiedliche Muster der Arbeits-

organisation identifizieren. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 23)

Demzufolge zeigten sich auch innerhalb der Befragung sehr unterschiedliche Stand-

punkte und Erwartungen in Bezug darauf wie eine Arbeitsorganisation gestaltet sein

müsste, um die Arbeitskräfte effektiv in den Produktionsprozess einzubinden. Einige

Unternehmen verwiesen darauf, dass hier vor allem eine entsprechende Bildung er-

forderlich sein wird um einen gesicherten Umgang mit den neuen Technologien zu

gewährleisten. Ebenso kann es zu einer stärker vernetzten Arbeitsorganisation

kommen, bei denen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen vermehrt auf Abruf eingesetzt

werden. Zudem wurde auch erwähnt, dass neue Tätigkeitsfelder entwickelt werden

müssten, um einen Ersatz für mögliche weggefallene Arbeitsbereiche zu schaffen.

„(…). Ich denke, dass da keine Arbeitsplätze de facto zerstört werden, sondern verän-

dert werden, also die Arbeitsplätze werden sich verschieben müssen von einer derzei-

tigen Aufgabe, die wir machen zu irgendeiner anderen Tätigkeit und wahrscheinlich zu

höherwertigen Tätigkeiten.“ (J3, Abs. 49)

Von den Expertinnen und Experten aus den Unternehmen wird jedoch auch ganz

klar in Zukunft eine flachere Unternehmensstruktur erwartet, bei der das mittlere Ma-

nagement zum Großteil abgebaut wird. Vermutet wird, dass hier in Zukunft kaum

noch Bedarf vorhanden sein wird, da durch direkte Datenströme und eine effiziente

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Vernetzung die Informationen direkt von der obersten Ebene bis zur Arbeitskraft

übermittelt werden.

„Sicher nicht überall vorhanden, aber es gibt eine Tendenz dazu, ich glaube dass sich

Unternehmen sowieso anders organisieren müssen, um einfach den modernen Abläu-

fen einfach entsprechen zu können. Deswegen glaube ich auch, dass es weg von dem

Zentralistischen geht und weg von der klassischen Führungskonzentration.“ (I2, Abs.

74)

Zudem sehen die Expertinnen und Experten der Unternehmen einen neuen Schwer-

punkt in der Teamarbeit. Dabei sollen selbstorganisierte Arbeitsgruppen entstehen,

die sich entsprechend ihrer Fachkenntnisse ergänzen. Diese Arbeitsgruppen bilden

sich jedoch nicht nur vor Ort, sondern können auch über ein globales Netzwerk hin-

weg entstehen. Diese besondere Form der Teamarbeit beinhalte wiederrum ihrer

eigenen Besonderheiten in der Arbeitsorganisation, bei der vor allem die Arbeitszeit

vermutlich neu definiert werden müsse.

„Eben das Managen, der Zusammenschaltung dieser virtuellen Teams. Das wiederum

bedingt neuer Spielregeln, d. h. klare Spielregeln, wie kann so ein virtuelles Team funk-

tionieren, weil man muss ja immer also wenn man eine profitorientierte Organisation ist

so wie wir, d. h. man muss wirtschaftlich bleiben, um das zu gewährleisten braucht´s

für virtuelle Teams auch effiziente Methoden und Techniken der Zusammenarbeit.

(…).“ (F1, Abs. 46)

Ein weiterer wesentlicher Aspekt bildet der Standpunkt, dass es für Industrie 4.0 je-

doch kein allgemeines Modell, für die Entwicklung einer optimalen Arbeitsorganisati-

on geben kann. Vielmehr, so die Befragten, müsse jedes Unternehmen die Umset-

zung an die eigenen individuellen Bedürfnisse anpassen, um auch in Zukunft erfolg-

reich wirtschaftlich tätig sein zu können.

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„(...). Effektivität ist von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Beim Einen geht´s darum,

natürlich geht´s um die Zielerreichung, aber nachdem die Betriebe natürlich alle unter-

schiedliche Ziele haben, natürlich geht´s darum was zu produzieren aber, also wenn

man von Produktionsarbeit redet. Ganz unterschiedlich und je nach Aufgabe und das

ist das Zauberwort bei Industrie 4.0 total individuell. Das ist auch das was wir immer

wieder sagen, das Konzept wie es ist, ist schön, es ist eine Vision, es ist was, was ei-

nem vielleicht irgendwie Leitplanken geben kann, Denkrichtung aber in Wahrheit muss

ein jeder für sich selbst rausfinden was dann optimal ist. (…).“ (D1, Abs. 53)

Diese Ansicht ist auch in der gängigen Literatur zum Thema Industrie 4.0 zu finden.

Demnach werden, aufgrund der unterschiedlichsten Möglichkeiten zur Aufgabenge-

staltung sowie zur Organisationsgestaltung die verschiedensten Wege zur Umset-

zung der Industrie 4.0 Systeme entwickelt werden. Zukünftige Arbeitsorganisationen

werden dabei an die jeweiligen konkreten Anwendungsgebiete mit ihren spezifischen

Systemfunktionen sowie betrieblichen Strukturbedingungen angepasst und so eine

Vielzahl unterschiedlicher Formen wie auch Muster von Arbeitsorganisation geschaf-

fen. Ein optimales Verfahren für die Umsetzung von Industrie 4.0 kann es dem zufol-

ge nicht geben. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass die Umsetzung in

sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit stattfinden wird. So kann es dann dazu

kommen, dass sehr weit fortgeschrittene Produktionsbetriebe neben nach wie vor

traditionell und manuell funktionierenden Betrieben existieren. (vgl. Hirsch-Kreinsen

2014b, S. 26 f.) Die benötigten Fähigkeiten und Qualifikationen der Arbeitskräfte

durch Industrie 4.0 werden im nächsten Unterkapitel beleuchtet.

3.5.4.4. Benötigte Fähigkeiten und Qualifikationen

Entsprechend der neuen Arbeitsorganisationen werden von den Mitarbeiterinnen und

Mitarbeitern auch neue Fähigkeiten und Qualifikationen gefordert. Dabei besteht un-

ter den Expertinnen und Experten, wie auch bereits zuvor erwähnt eine grundsätzli-

che Einigkeit darin, dass die Arbeitskräfte zukünftig in der Lage sein müssen mit den

neuen Technologien umzugehen und sich entsprechende Kenntnisse anzueignen.

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„Von den Fähigkeiten, Fokus auf flexibel, kreativ, dieses Netzwerken und wenn man

die ganze Veränderung betrachtet, auch dieser Veränderungsprozess und vor allem

auch dieser IT oder digitale Zugang, wie immer man das auch nennen will, ich hab jetzt

kein passendes Wort dafür aber diese Offenheit.“ (H3, Abs. 46)

Auch wenn von manchen der Befragten kaum eine Veränderung in der Aufteilung

zwischen Fachkräften und Hilfspersonal erwartet wird, so ist dennoch innerhalb der

Befragung klar ersichtlich, dass in Zukunft der Fokus auf den Fachkräften liegen

wird.

„(…). Prinzipiell finde ich die Arbeit wird immer spezialisierter und man braucht eine

immer bessere Ausbildung dazu. Wir haben kaum irgendwelche Jobs, die man ohne

Ausbildung machen kann. Wir haben auch ganz wenig Anlernkräfte. (…).“ (I1, Abs. 47)

Dabei unterscheiden sich die Standpunkte der Expertinnen und Experten lediglich

darin, ob eine gute Basisausbildung bereits vorhanden sein sollte oder ob es ver-

mehrt zu Weiterbildungen kommen wird. Zudem sehen die Befragten auch unter-

schiedliche Arten der Ausbildung als wichtig an. Während auf der einen Seite eine

breite Ausbildung mit möglichst vielen Fähigkeiten und einer späteren Spezialisie-

rung im konkreten Unternehmen bevorzugt wird, betrachtet die andere Seite eine

mehrfach Spezialisierung bereits in der Ausbildung als vorteilhaft.

„(…). Sonst noch, was man schon sagen kann ist, aber das werdet ihr überall hören,

eine gute Basisbildung, breite Basisbildung, nicht zu frühe Spezialisierungen, sondern

auch, dass man das Wissen, das vorhanden ist in einem möglichst umfassenden Aus-

maß sich aneignet und erst dann zum … Zeitpunkt so wies halt im Bereich … ist, dass

du durch Fortbildung im Stande bist mit den Fähigkeiten, die du dir angeeignet hast,

diesen Bedürfnissen zu entsprechen und du dir fortlaufend die notwendigen Fähigkei-

ten aneignen kannst.“ (A1, Abs. 73)

Auch in der Literatur lässt sich hier der Ansatz finden, dass durch die Einführung au-

tomatisierter und flexibler Arbeitssysteme die Qualifikationsanforderungen an die Ar-

beitskräfte steigen werden. Dabei sollte allerdings nicht einfach nur von einem gene-

rellen Anstieg ausgegangen werden, sondern die unterschiedlichen Dimensionen

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eine Berücksichtigung finden. Zudem wird das bereits hohe Niveau der spezifischen

beruflichen Fachkompetenz durch erforderliche Kenntnisse im Bereich der Pro-

grammierung weiter ausgebaut werden. (vgl. Eichener 1993, S. 92)

Nachdem die benötigten Fähigkeiten und Qualifikationen der Arbeitskräfte durch In-

dustrie 4.0 erläutert wurden, werden im nächsten Unterkapitel die Auswirkungen auf

die Beschäftigten näher betrachtet.

3.5.4.5. Auswirkungen auf die Beschäftigten

Die Einschätzungen über die möglichen Auswirkungen auf die Beschäftigten wurden

bei dieser Befragung nur von den Expertinnen und Experten aus den Unternehmen

erhoben. Dabei zeigten sich sehr unterschiedliche Vermutungen.

Von einigen der Befragten wurde die stark diskutierte Frage der Beschäftigung auf-

gegriffen und mit einer vermuteten Personalreduzierung beantwortet. Zudem wurde

hier auch die zukünftige Notwendigkeit an Weiterbildungen sowie der vermutlich er-

höhte Bedarf an EDV-Fachkräften und eine stärker erwartete Spezialisierung er-

wähnt.

„(…). Ich glaube einfach, dass sich alle Beschäftigten ständig weiterbilden müssen.

Ganz einfach deswegen, weil die Zeit schon so schnelllebig ist, dass man sonst auf der

Strecke bleibt. (…).“ (I1, Abs. Abs. 62)

Innerhalb der unterschiedlichen Standpunkte wurde allerdings auch darauf verwie-

sen, dass die Auswirkungen für die Beschäftigten sowohl positiv als auch negativ

sein können. Während auf der einen Seite eine Arbeitserleichterung sowie ein besse-

rer Informationsfluss die Arbeitssituation verbessern können, kann auf der anderen

Seite das neu gewonnene Datenmaterial, über die Art und Effizienz der Arbeit der

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Druckmittel eingesetzt werden.

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„Die Beschäftigten, das ist schwierig. Wie ich zuerst schon gesagt habe, ist Information

auch ein Mittel wo Leute … stehen, dass sie Dinge transparent machen können. Das

ist die positive Auswirkung. Die negative Auswirkung ist, wenn der Arbeitgeber das

einseitig einsetzt, dann ist es natürlich auch ein Druckmittel. Es ist ein Werkzeug, das

kann man für sowas und für was Anderes auch nehmen.“ (K1, Abs. 49)

Hier wird es dann die, besonders von den Sozialpartnerschaften, erwähnten Regeln

und Rahmenbedingungen benötigen um die Auswirkungen auf die Arbeitskräfte mög-

lichst im positiven Bereich zu halten.

Ein weiterer Teil der Expertinnen und Experten bezog sich in diesem Punkt eher auf

die möglichen Veränderungen in den Arbeitsbedingungen und den Arbeitsstrukturen.

Dabei wird von den Befragten ein stärker vernetztes Arbeiten vermutet, welches zu-

dem einen globalen Rahmen bekommen könnte.

„Also ich wiederhol´s noch einmal, es wird Veränderungen in der Arbeitszeitgestaltung

geben, es wird eine Veränderung der Führung geben, es werden sich die Qualifikati-

onslevels ändern, in dem Sinn.“ (I2, Abs. 79)

Im nächsten Kapitel werden schließlich die Zukunftsperspektiven und weitere Ent-

wicklungen durch das Konzept von Industrie 4.0 aus Sicht der befragten Expertinnen

und Experten betrachtet.

3.5.5. Zukunftsperspektiven und weitere Entwicklungen

Verschiedene Zukunftsmodelle wurden in dieser vorliegenden Arbeit bereits ausführ-

lich im Kapitel 2.6 Modelle der Zukunft betrachtet und werden daher in diesem Un-

terkapitel nur noch kurz dargestellt. Solche Transformationsprozesse der Technik,

welche Industrie 4.0 hervorbringt, können zu einem Verlust der manuellen Fähigkei-

ten und Kenntnissen in der Arbeitswelt durch die technologisierten Systeme beitra-

gen. Zudem nimmt die benötigte Flexibilität der Arbeitskräfte in dieser Phase der

Veränderungen durch das Konzept stetig zu. Es wird für Beschäftigte immer schwie-

riger Familie und Arbeit miteinander zu vereinbaren, wodurch alternative Formen der

Lebensgestaltung von den Betroffenen konstruiert werden. Ein Beispiel für diese

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neue Lebensplanung wäre der sogenannte „Bildungsurlaub“. (vgl. Fürstenberg 2010,

S. 7 f.) Außerdem könnte es durch die neue Technik zu einem vermehrten Ausbau

von Kontrollmechanismen im Betrieb kommen, um die Mitarbeiterinnen und Mitarbei-

ter bei jeder noch so kleinen Tätigkeit zu überwachen. Des Weiteren resultiert aus

der vernetzten Produktion auch eine höhere Störanfälligkeit der Produktionssysteme.

(vgl. Kurz 2014, S. 74)

Es wird davon ausgegangen, dass Arbeitskräfte mit geringeren fachlichen Qualifika-

tionen in Zukunft nicht mehr benötigt werden. (vgl. Kurz 2014, S. 74) Zudem wird da-

von ausgegangen, dass durch die digitalisierte Produktion, Arbeitsplätze verloren

gehen werden und dass Arbeitsplatzverluste kurzfristig nur durch neue Arten der Be-

schäftigung, wie Teilzeit oder Werkverträge gesichert werden können. Vom Wegfall

sind vorwiegend routinehafte Tätigkeiten betroffen, die leicht durch die neuen Tech-

niken automatisiert werden können. Komplexere Arbeitstätigkeiten sind davon nur in

geringem Ausmaß betroffen. Jedoch gehen andere Meinungen davon aus, dass Ar-

beitsplatzverlustängste nur an die Automatisierung geknüpft sind und nicht in vollem

Umfang zutreffen würden, das heißt, dass die neuen Technologien die Arbeitsplätze

lediglich verändern werden, aber nicht auf Dauer ersetzen werden können. Jedoch

könnten die neuen Technologien neue Effizienzvorteile für Unternehmen, neue Pro-

dukte oder Märkte generieren, wodurch Arbeitsplatzverluste aufgehalten werden

könnten. Ebenso neue, bisweilen unbekannte Berufe könnten sich durch Industrie

4.0 ergeben. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2015, S. 6 ff.)

Nachfolgend werden schließlich die Ansichten der befragten Expertinnen und Exper-

ten zu den möglichen Zukunftsentwicklungen diskutiert.

3.5.5.1. Die Umsetzung von Industrie 4.0

Bei der Frage an die Interviewpartnerinnen und Interviewpartner wie man Industrie

4.0 praktisch umsetzen könnte äußerte sich der Human-Ressource-Manager der

Firma F und der Betriebsratsvorsitzende der Firma J, dass sie bewusst keine Umset-

zungsarbeiten für die Verwirklichung von Industrie 4.0 durchführen. Ebenso kom-

mentierte der Geschäftsführer der Firma G, dass seine Firma keinerlei Handlungen

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für die Umsetzung von Industrie 4.0 fördern, sondern gewisse neue Entwicklungen in

sogenannten Pilotprojekten zuvor erproben.

„Wir treiben gar nichts voran, sondern versuchen in Pilotprojekten diverse Sachen,

dass wir beispielsweise in einer Produktion „dumme“ Bereiche einer Maschine, wie ei-

nen Hydraulikzylinder oder eine Luftklappe oder auch normal elektrisch angesteuerte

Ventile, dass wir die smart machen, das heißt sie anhängen an ein Netz und in einem

ersten Schritte einfach mal schauen, was passiert denn da und da Erfahrung sammeln,

Daten sammeln und Erfahrung sammeln was spielt sich denn da eigentlich ab. Diese

Pilotgeschichten gibt´s nahezu in jedem Bereich, also auch in der Verwaltung, wie wird

zukünftig eine Arbeitsumgebung ausschauen, wie gehen wir damit um, dass sich Mit-

arbeiter andere Umgebungen, andere Arbeitsbedingungen, vielleicht andere Ver-

dienstmöglichkeiten wünschen als heute. (…). Was heißt das, wir probieren einfach

viel aus und versuchen das neutral zu reflektieren. Was gut ist übernehmen wir, was

uns nicht gefällt tun wir nicht. (…).“ (G2, Abs. 55)

Die Arbeiterkammer Oberösterreich bekundete, dass diese mit Vorschlägen bzw.

Handlungsmöglichkeiten den Unternehmen weiterhelfen, jedoch ganz im Sinne der

Arbeitskräfte. Die Beschäftigten sollten sich außerdem mit dem Netzwerk des Betrie-

bes identifizieren können und die Arbeiterinnen sowie Arbeiter sollten sich durch

neue Systeme nicht überfordert fühlen, so der Betriebsrat der Firma H. Dieser erläu-

terte Weiters, dass es auch wichtig sei, dass Dienstnehmerinnen bzw. Dienstnehmer

kommen und sich ehrlich eingestehen, wenn sie mit einem System nicht zurecht-

kommen oder es nicht mehr warten können. Der Geschäftsbereichsleiter der Firma K

erklärte ebenso, dass Unternehmen, wie auch deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

technologisch betrachtet immer auf dem neuesten Stand sein müssen. Beachtlich für

eine verbreitete Umsetzung von Industrie 4.0 sei, so die Human-Ressource-

Managerin der Firma I, dass die Firmen in der Produktion einen hohen Individualisie-

rungs- und Flexibilisierungsgrad aufweisen können. Die Arbeitskräfte sollen zudem in

der Lage sein selbstständig in Teams zu arbeiten. Das sich jede und jeder von uns

bereits mitten drin in dieser Entwicklung von Industrie 4.0 befindet, aber sich darüber

noch nicht konkret im Klaren ist, was die Details dieser Entwicklung sind, sprach der

Betriebsratsvorsitzende der Firma G an.

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„Wir leben jetzt einmal im Bewusstsein Unternehmen mit Betriebsrat, dass wir da „mit-

ten drin sind“, ich glaube dass wir noch eher am Anfang als am Ende stehen aber mit-

ten drinnen sind. Man muss sich auch Gedanken machen wie geht´s weiter. (…) ich

gehe davon aus, dass wir in 5 Jahren die produzierenden Betriebe Durchfahrbetrieb

haben werden durch produzieren, weil der Maschine das egal ist, ob sie am Wochen-

ende da ist, ist ja sowieso (…) ich glaube schon, dass in vielen Köpfen dieses Industrie

4.0 noch nicht ganz so präsent ist wie es eigentlich gehört, muss ich auch sagen. Aber

ich glaube einfach, dass das Themen sind die wir momentan besprechen, aber uns ist

noch nicht ganz bewusst … dass das Industrie 4.0 ist in Wahrheit, sonst nichts.“ (G1,

Abs. 53)

Technische Maßnahmen bzw. technische Mittel zur Umsetzung von Industrie 4.0

setzt die Firma I ein. So berichtete der Betriebsratsvorsitzender der Firma I, dass das

Projekt der „New Generation Workplace“ entwickelt wurde, um Entwicklungen in der

Arbeitswelt für die künftigen fünf Jahre zu prognostizieren.

„(…). Woran wir konkret arbeiten, ich glaub, ich hab´s eh schon erwähnt New Genera-

tion Workplace, zu schauen, wie werden wir in 5 Jahren arbeiten, mit welchen techni-

schen Mitteln, was muss an Technik zur Verfügung stehen und welche Arbeitszeitmo-

delle werden wir brauchen, um alles abzudecken was einerseits der Markt erfordert

damit wir den Markt noch weiterhin bedienen können (…) d. h. da verändert sich was

am Markt und in allen Firmen. Ich denke es gibt einen gewissen … markt, den musst

du dann erfüllen. (…).“ (I1, Abs. 64)

Die Kommunikation als Weg zur Umsetzung von Industrie 4.0 stellt ebenfalls einen

zentralen Faktor dar. Es sei wichtig Informationen an die Mitarbeiterinnen und Mitar-

beiter weiterzugeben, so der Geschäftsführer der Firma H. Außerdem sei es essenti-

ell, dass die Kommunikation stimmt, selbst wenn via Internet über Bildschirme mitei-

nander gesprochen wird, denn nach dem Betriebsratsvorsitzenden der Firma I ist

ebenso wichtig die Gestik meines Gegenübers in der Kommunikation zu sehen. Das

Institut Zukunftsakademie versucht mittels Kommunikation bei den Personen ein po-

sitives Bild von Industrie 4.0 zu vermitteln, denn die Managerin ist der Ansicht, dass

Menschen negativ gegenüber technologischen Veränderungen eingestellt wären und

noch dazu, wenn es um den eigenen Arbeitsplatz und die Bildungsqualifikation gehe.

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Individuen sind geprägt durch ihre Gewohnheiten, doch die Managerin ist der Mei-

nung, dass die erfolgreiche Verwirklichung von Industrie 4.0 trotz aller Skepsis funk-

tionieren wird.

„Wir schauen, dass wir ein positives Bild gegenüber der Industrie 4.0, eine positive

Einstellung der Menschen über Veränderungen, die oft technologisch geprägt sind

kriegen. Der Mensch ist per se nicht so, dass er sagt, technologische Veränderungen

oh Gott ich fürchte mich, weil sonst gäbe es das nicht. Es ist halt oft, gerade in Berei-

chen, wo es um Arbeitsplätze und Bildungsqualifikationen geht, dass wir eher das

Problem haben, dass wir uns mit Gewohnheiten schwer tun und diese zu verändern.

Aber es wird funktionieren. Ich bin überzeugt davon, dass das jetzt nicht so kommt,

dass man sagt wir haben jetzt Millionen Arbeitsplätze weniger und die Leute wissen

nicht mehr was sie machen sollen, weil sie einfach durch die Maschinen. Also ich glau-

be nicht dran, dass es so kommen wird.“ (E1, Abs. 49)

Einige der interviewten Expertinnen und Experten, wie die Arbeiterkammer Oberös-

terreich oder der Human-Ressource-Manager der Firma J erläuterten, dass für eine

erfolgreiche Umsetzung von Industrie 4.0 Veranstaltungen, Kurse, Ausschreibungen

oder auch der Kontakt zu Universitäten bzw. Fachhochschulen wichtig seien, um die

Arbeitskräfte einerseits zu sensibilisieren und um andererseits die Beschäftigten

auch über Industrie 4.0 aufzuklären. Die Wirtschaftskammer Oberösterreich merkte

zudem an, dass ihre gegründete Strategiegruppe Technologie und die Sparte Indust-

rie ebenfalls einen zentralen Pfeiler für die Verwirklichung von Industrie 4.0 darstel-

len.

„(…). Wir sensibilisieren natürlich, machen Veranstaltungen, treten in Kontakt mit Be-

trieben und Betriebsräten, mit Sicherheitsvertrauenspersonen, horchen uns an, was ist

mit Betrieben, was geht dort ab, welche Entwicklungen sind im Gange. Wir machen

dann auch Haus intern für unsere Zielgruppen eben … Vertrauenspersonen eben Ver-

anstaltungen wie man es bestmöglich gestalten kann, um unsere Ziele Arbeitnehmer-

schutz, Finanzierung Wohlfahrtsstaatsysteme sicherzustellen. (…).“ (A1, Abs. 83)

Doch auch Weiterbildungsmaßnahmen, Forschungsprojekte und –konzepte stellen

Indikatoren für eine Verwirklichung von Industrie 4.0 dar.

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„Wir haben ein Konzept, Projekte laufen am Standort, die zum Teil mit internationalen

Projekten abgestimmt sind, die eigentlich auf einzelne Mosaikteile oder Puzzleteile

(…). Das Bild ist noch sehr unvollständig. Wir haben einige Puzzleteile, mit denen wir

bereits begonnen haben und mit denen arbeiten wir weiter mit dem Ziel natürlich, dass

dieses Bild irgendwann einmal ein vollständiges Industrie 4.0 Bild wird. Wann das sein

wird oder ob das jemals fertig sein wird, weiß ich nicht. Vielleicht wird das dann von In-

dustrie 5.0 bereits abgelöst bevor wir fertig sind. (…).“ (J3, Abs. 51)

Nachdem die Umsetzung für das Konzept von Industrie 4.0 aus Sicht der Befragten

erläutert wurde, wird im nächsten Unterkapitel auf die benötigten Anreize für eine

verbreitete Umsetzung des Konzeptes eingegangen.

3.5.5.2. Anreize für eine verbreitete Umsetzung

Bis auf den Betriebsratsvorsitzenden der Firma I sprachen sich alle Expertinnen und

Experten für Anreize zur Umsetzung von Industrie 4.0 aus. Das Institut Zukunftsaka-

demie und der Geschäftsbereichsleiter der Firma K sind der Ansicht, dass die Um-

setzung von Industrie 4.0 ganz von selbst sich verwirklichen wird, ohne spezielle An-

reize. Als Anreize für eine Umsetzung allerdings wurden von den Interviewpartnerin-

nen und Interviewpartnern preisliche Konkurrenzfähigkeit, jedoch mit gleichzeitig ho-

her Qualität der Produkte, die umweltfreundliche Produktion und gute Arbeitsplätze

genannt. Die Human-Ressource-Managerin der Firma I äußerte zudem, dass es

wichtig sei, dass es Anreize für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenso geben

muss in Bezug auf die Vereinbarkeit von privaten Bedürfnissen und jenen Bedürfnis-

sen des Unternehmens beispielsweise. Weiters wurde vom Vorstand der Firma J

geäußert, dass auch eine entsprechende Gesetzgebung für eine verbreitete Umset-

zung von Industrie 4.0 entscheidend sei.

Die Wirtschaftskammer Oberösterreich erläuterte, dass ihre gegründete Strategie-

gruppe mit zwanzig Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern einen Anreiz dar-

stellen würde, denn in dieser Gruppe würden die Mitglieder sich zusammensitzen

und zukünftige Entwicklungen diskutieren. Das Institut für Arbeitsforschung und Ar-

beitspolitik erwähnte hierbei auch noch die sogenannte oberösterreichische Plattform

Industrie 4.0, wo ein Modell für Industrie 4.0 in technischer Hinsicht konstruiert wur-

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de, wodurch Betriebe sich selbst definieren können. Weiters wäre eine stärkere Aus-

einandersetzung der breiten Öffentlichkeit mit Industrie 4.0 sinnvoll, meinte der Hu-

man-Ressource-Manager der Firma F. Dieser Ansicht schließt sich die Human-

Ressource-Managerin der Firma H mit ihrer Aussage an, dass die Thematik Industrie

4.0 transparenter kommuniziert werden sollte, denn Privatpersonen können mit dem

Begriff von Industrie 4.0 nichts anfangen, da sie nicht verstehen, was darunter ge-

meint ist.

„Anreize dahingehend ein Stück weit transparenter zu kommunizieren in diese Rich-

tung, weil ich glaube, dass da einfach auch oder ich weiß es auch aus meinem privaten

Umfeld, da weiß keiner was ist denn da gemeint und dass gewisse ja in Bereichen

schon drinnen sind, das ist zu wenig bewusst irgendwie oder einfach auch immer wie-

der, es ist egal welches Thema ich habe, ob es jetzt Industrie 4.0 oder irgendwas Neu-

es im Unternehmen ist alle mit ins Boot holen und informieren, informieren, informie-

ren. Also das bestmöglich zu kommunizieren, vielleicht immer wieder einmal drauf hin-

zuweisen, nicht einmal und da haben wir jetzt das Neue und dann wird das nie wieder

in den Mund genommen und nie wieder aufgegriffen, sondern das Ganze muss leben.“

(H3, Abs. 60)

Die Technik stellt außerdem einen entscheidenden Anreizfaktor für eine verbreitete

Umsetzung von Industrie 4.0 dar, denn es benötigt auch eine gewisse Infrastruktur

mit Datenleitungen, für eine flächendeckende schnelle Verbindung, sozusagen als

technische Voraussetzung, für die Betriebe, damit sie Industrie 4.0 wirklich aktiv be-

treiben können.

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„(…). Was es braucht sind glaube ich noch mehr solcher Piloten, wo man das sieht, wo

man auch Leute. die etwas älter sind oder sich bei dem Thema nichts vorstellen kön-

nen, dass sie einfach sehen welche Möglichkeiten es hier gibt. (…). Sozusagen das

sichtbar zu machen, was steckt denn eigentlich dahinter, welche Vorteile bietet denn

das, dann sind wir als Unternehmen gefordert, dass wir unseren Mitarbeitern, aber

auch unseren Eigentümern oder unseren Kunden erzählen, dass wir glauben, dass das

einen Sinn macht, weil das Ganze geht natürlich schon mit einem ziemlichen Argwohn,

weil Daten zu sammeln ist zumindest in manchen Teilen der Gesellschaft jetzt nicht

unbedingt opportun, ist nicht unbedingt klasse. (…). Da haben wir zum Beispiel noch

viel zu tun.“ (G2, Abs. 57)

Die hohe Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ist zum Einen ein Anreiz für eine

verbreitete Umsetzung von Industrie 4.0 und zum Anderen diene, nach den Aussa-

gen des Human-Ressource-Managers der Firma J, die freie und hohe Wettbewerbs-

fähigkeit der freien Markwirtschaft, welche Arbeitsplätze schaffen würde und somit

die Arbeitsplatzsicherheit gewähren könne.

„(…). Man muss ganz klar sagen, Freunde, wenn wir da ordentlich mittun, mit vorne

dabei sind, dann ist es eigentlich was das unsere Wettbewerbsfähigkeit steigert und

(…) ich sage, Arbeitsplätze sind die Folge von Arbeit und Arbeit ist die Folge von Wett-

bewerbsfähigkeit. Ich kenne nichts Anderes. (…) in der freien Marktwirtschaft gibt´s

nichts Anderes wie die freie Wettbewerbsfähigkeit und die bringt Arbeit, sonst nichts.

Kein Politiker, kein einziger, und das sag ich einem jeden ins Gesicht, ihr könnt über-

haupt keinen Arbeitsplatz sichern (…) außer ihr stellt uns ordentliche Bedingungen be-

reit, dann trägt´s mit bei aber kein Politiker kann mir da herinnen einen Arbeitsplatz ga-

rantieren, nicht einer.“ (J2, Abs. 58)

Förderungen Seitens des Staates können zwar auch einen Anreiz für eine verbreitete

Umsetzung von Industrie 4.0 darstellen, doch die Managerin des Institutes Zu-

kunftsakademie ist der Ansicht, dass es auch der Bewusstseinsbildung bei den Men-

schen bedarf. Der Betriebsratsvorsitzende der Firma G schließt sich dieser Aussage

an, indem er der Meinung ist, dass die Politik eine Umsetzung des Konzeptes Indust-

rie 4.0 fördern sollte und gegebenenfalls eine Maschinensteuer für Unternehmen ein-

führen solle. Doch einen zentralen Anreiz für die Verwirklichung stellen auch Weiter-

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bildungsmaßnahmen dar. So spricht sich der Betriebsrat der Firma H für Schulungen

in den Firmen und dafür aus, dass die Führungsebene sich bereit erklärt ihren Mitar-

beiterinnen und Mitarbeitern einen umfassenden Datenzugang zu ermöglichen. Au-

ßerdem wäre es nach dem Geschäftsführer der Firma H bereits sinnvoll, wenn man

in den unteren Schulstufen mit der Diskussion über das Thema Industrie 4.0 begin-

nen würde, denn teilweise wissen nicht einmal die Lehrerinnen und Lehrer selbst,

was man unter der vierten Phase der industriellen Revolution versteht.

„(…), Ich glaube, wenn man in Schulen fragen würde, wer weiß was über Industrie 4.0,

weiß keiner was, auch die Lehrkräfte nicht. Es geht darum das Thema Industrie 4.0 mit

den ganzen Begrifflichkeiten was dahinter steckt irgendwie in die Grundschulen zu

bringen damit einmal ein Know-how entsteht, ein Wissen entsteht, um was es da geht

damit sich jeder ein besseres Bild machen kann. Das ist das Hauptthema.“ (H2, Abs.

55)

Nachdem die Anreize für eine verbreitete Umsetzung von Industrie 4.0 diskutiert

wurden, wird im nächsten Unterkapitel auf die Ziele, Chancen und Herausforderun-

gen des Konzeptes Industrie 4.0 näher eingegangen.

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3.5.5.3. Ziele, Chancen und Herausforderungen von Industrie 4.0

Die Interviewpartnerinnen und Interviewpartner wurden nach ihrer Meinung zu den

potentiellen Zielen, Chancen und auch Herausforderungen des Konzeptes befragt.

Abbildung 10: Ziele und Chancen von Industrie 4.0

Hinsichtlich der potentiellen Ziele und Chancen von Industrie 4.0 (vgl. Abbildung 10)

äußerten die befragten Expertinnen und Experten, dass durch das Konzept alle profi-

tieren könnten und es könnten dadurch die Umweltbelastungen reduziert werden.

Ebenfalls könnten sich durch Industrie 4.0 neue Geschäftsmodelle entwickeln. Wei-

ters könnten sich durch Industrie 4.0 mehr Arbeitsplätze ergeben und es werden

Ziele und Chancen

• Reduzierung der Umweltbelastungen

• neue Geschäftsmodelle

• mehr Arbeitsplätze

• mehr qualifizierte Arbeitskräfte

• flexible Arbeitszeiten

• bessere Arbeitsbe-dingungen

• Re-Industrialisierung Europas

• neue innovative Produkte

• Betriebswachstum

• höhere Konkurrenz- und Wettbewerbs-fähigkeit

• neue Kommunikations-möglichkeiten

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vermutlich mehr qualifizierte Arbeitskräfte benötigt werden, was wiederum höhere

Bildungsstandards voraussetzen würde.

„(…). Auch eine Chance für die ganzen Entwicklungs- und Ausbildungsinstitute, die na-

türlich auch diesem Trend folgen müssen und sich so aufstellen müssen, dass diese …

liefern und leisten können, d. h. vielleicht jetzt auch auf die gesamte Bildungspolitik ei-

nen Effekt oder Einfluss haben, wenn es so sein soll, dass Industrie 4.0 so einen Hype

an Arbeitskräften fordert wird das …“ (F1, Abs. 55)

Außerdem beinhalte das Konzept von Industrie 4.0 die Möglichkeit, dass Arbeit in

einer lernfördernden Umgebung Spaß machen kann, einer flexibleren Arbeitszeitge-

staltung, besseren Arbeitsbedingungen und einer Steigerung der Lebensqualität.

„(…) Arbeitsumgebung zu ermöglichen, was lernförderlich ist, wo man sich weiter ent-

wickeln kann, wo Arbeit Spaß macht, Sinn macht, also genau das Gegenteil von klas-

sischer Industriearbeit, … etc. (…).“ (A1, Abs. 87) „Die Chance ist, dass wenn man es

richtig gestaltet ein Stück mehr vielleicht an Lebensqualität schaffen kann, dass man

sagt ok es fallen vielleicht eintönige Tätigkeiten weg, es sind Prozessabläufe schneller,

kann für uns ein Stück weit Lebensqualität sein. (…).“ (B1, Abs. 71)

Das Konzept biete ebenso die Chance, dass sich Unternehmen noch besser ver-

markten und dass Europa als Industriestandort wieder mehr an Bedeutung gewinnt.

Hierzu zählt auch die Entwicklung neuer innovativer Produkte. Dadurch steige auch

die Konkurrenz- und Wettbewerbsfähigkeit, aber auch das Wachstum der Betriebe

und es würde für Europa eine Möglichkeit der Re-Industrialisierung bieten.

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„(…). Im Gegensatz zu Billigpreisländern, auch von den Lohnkosten her, dass man da

auch in dem Sinn gut konkurrenzfähig bleibt und einfach wettbewerbsfähig, um einen

netteren Ausdruck zu finden, da sind die Chancen drinnen, dass man mit den Strö-

mungen mitgeht, dass man den hohen Individualisierungsgrad der da ist, dass man die

Digitalisierung nutzt. Es sind die Chancen drinnen, dass ich nicht nur als, dass ich ein

produzierendes Europa bleibe, sagen wir einmal so, nicht nur ein Know-How produzie-

rendes und Dienstleistungseuropa bleibe, sondern dass ich einfach wirklich auch Pro-

duktionsstandorte da hab, dass sie vielleicht auch zurückgeholt werden. (…).“ (I2, Abs.

89)

Weiters biete das Konzept von Industrie 4.0 die Chance auf technologische und or-

ganisatorische Veränderungen sowie auf neue Kommunikationsmöglichkeiten. Die

Kommunikation werde zukünftig einen hohen Stellenwert in der Gesellschaft ein-

nehmen. Außerdem sei es wichtig, sich nicht vor den Veränderungen durch Industrie

4.0 zu verschließen und so zu arbeiten wie beispielsweise vor zwanzig Jahren, son-

dern man sollte die neuen Entwicklungen annehmen, um auch erfolgreich zu sein.

„(…). Nur wenn ich sage Industrie 4.0 ist für mich gar kein Thema, egal in welcher Hin-

sicht, ich halte das für eine Hype und ich halte das alles für übertrieben und ich will so

weiter arbeiten wie vor 20 Jahren, weil bis vor ein paar Jahren war es eh noch erfolg-

reich und ich werde auch wieder erfolgreich sein, das wird nicht funktionieren.“ (C1,

Abs. 68)

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Abbildung 11: Herausforderungen von Industrie 4.0

Bei der Frage an die Expertinnen und Experten, welche Herausforderungen das

Konzept von Industrie 4.0 beinhalte (vgl. Abbildung 11), wurde unter anderem die

Frage nach dem Sinn hinter dem Konzept gestellt, was nach Industrie 4.0 komme

und welche Aspekte die Unternehmen weiterbringen würden. Hierbei wäre die globa-

le Konkurrenzfähigkeit und dass sich das klassische Führungssystem ändern werde

zu nennen. Zudem wird es eine Herausforderung sein, sich immer anzupassen, fle-

xibel und immer up-to-date zu sein. Das Institut für Arbeitsforschung und Arbeitspoli-

tik verglich die Beschäftigungsstruktur von China und Amerika mit jener in Europa.

Heraus-forderungen

• globale Konkurrenzfähigkeit

• Veränderung der Führungssysteme

• Anpassungsfähigkeit

• up-to-date

• Veränderung der Beschäftigungsstruktur

• Einkommensverteilung

• Veränderung der Arbeitsmodelle

• Anpassung des Bildungssystems

• permanente Weiterbildung

• Datenschutz

• Verfügbarkeit der Technik

• Medienumgang

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„(…). Wenn ich mit denen ein Arbeitssystem bilden will in einem Unternehmen, dann

habe ich echt ein Problem. Die können nämlich nicht miteinander reden. Das Thema

haben wir nicht in Europa, wir haben nämlich diese Mittelschicht, wir haben die mittlere

Qualifizierungsebene mit der dualen Lehrausbildung, mit den Meistern etc., (…) Die

können das übersetzen. (…). Die [qualifizierten Arbeitskräfte] können das alles super

theoretisch, die verstehen das, die wissen wie´s geht, was kann ich mit dem aber das

Ding bedienen, das ist wieder ein ganz anderes Thema. (…). Die Betriebe sehen die

duale Ausbildung, die Lehre, die mittlere Qualifikationsebene als Wettbewerbsvorteil

(…).“ (D1, Abs. 65)

Die Arbeitsbedingungen und die Arbeitslosigkeit werden nach den Interviewpartne-

rinnen und Interviewpartnern eine Herausforderung darstellen. Es werden zukünftig

Fragen der Verteilung von Einkommen auftauchen und wie der Sozialstaat auch

dann finanzierbar sein wird, wenn es zu einer Steigerung der Arbeitslosenzahlen

kommen könnte, so die Arbeiterkammer Oberösterreich. Weiters wurde von der Ar-

beiterkammer Oberösterreich erläutert, wenn der Sozialstaat weniger Einnahmen

generieren könne, dass man dann auch wieder versuchen muss Arbeitslose in Be-

schäftigung zu bringen, um die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Ebenso findet der Be-

triebsratsvorsitzende der Firma J, dass sich in Zukunft traditionelle Arbeitsmodelle

verändern werden, was ebenfalls eine Herausforderung darstellen kann.

„(…) traditionelle Arbeitsmodelle das wird sich ein bisschen aufweichen, denke ich und

wir versuchen dass wir´s eben trennen aber bei allen ist es so, dass sie Information

überall erreicht, durch das …“ (K1, Abs. 57)

Andere Herausforderungen von Industrie 4.0 können die Anpassung des Bildungs-

systems und Weiterbildung darstellen, denn permanente Fortbildung wird in Zeiten

ständig laufender technischer Veränderungen essentiell werden. Hierzu müsse die

Ausbildungsstrategie in Österreich hinsichtlich der IT-Kenntnisse und Fähigkeiten

reformiert werden, denn das Bildungssystem ist nicht mehr auf dem neuesten Stand,

so der Human-Ressource-Manager der Firma J und die Gewerkschaft.

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„(…). Man schaut, was ist denn im Bildungssystem schon wirklich sehr, sehr veraltet

und was braucht man denn für die zukünftige Technologien, was braucht man für Qua-

lifikationen in Richtung Forschung, Entwicklung usw. Ich denke, die große Herausfor-

derung wird sein, dass man mit dem Bildungssystem dem auch nachkommt. (…).“ (B1,

Abs. 73)

Der Geschäftsführer der Firma H und der Betriebsratsvorsitzende der Firma G erklär-

ten zudem, dass der Datenschutz ebenso eine Herausforderung darstellen werde

und es sei auch noch wichtig, dass die Vernetzung bzw. die technischen Möglichkei-

ten der Datenübertragungen zur Verfügung stehen müssen, denn sonst erscheinen

die modernsten Anlagen sinnlos, so das Institut Zukunftsakademie und der Betriebs-

rat der Firma H. Des Weiteren werde der Umgang mit den Medien bedeutender, wie

der Geschäftsbereichsleiter der Firma K äußerte, denn heute werden eher mobile

Medien verwendet, um jederzeit an Informationen zu kommen und nicht nur bei-

spielsweise abends bei den Nachrichten im Fernsehen.

„Es ist irgendwie der andere Umgang mit den Medien zum Thema, dass wenn ich frü-

her fern geschaut habe, dass ich mir Information hole, hat sich das Thema über eine

ganze Kultur aufgebaut, auch die Tagesgestaltung und alles hat sich um das dann auf-

gebaut. Jetzt werden eher mobile Medien verwendet, jetzt ist Information immer und

überall. (…).“ (K1, Abs. 57)

Nachdem die Ziele, Chancen und Herausforderungen des Konzeptes von Industrie

4.0 aufgezeigt wurden, werden im nächsten Unterkapitel die Wünsche der Expertin-

nen und Experten von Industrie 4.0 erläutert.

3.5.5.4. Wünsche hinsichtlich des Konzepts Industrie 4.0

Bezüglich Wünsche hinsichtlich des Konzeptes Industrie 4.0 äußerten viele Befragte

auch rein allgemeine Wünsche. So wünschten sich beispielsweise die Arbeiterkam-

mer und auch der Gewerkschaftsbund eine faire Verteilung bezüglich der Erträge

von Industrie 4.0. Außerdem sollen Arbeiterinnen und Arbeiter besser in den Ent-

wicklungsprozess der Technologisierung mit einbezogen werden. Weiter Wünsche

waren die Einführung einer Maschinensteuer, eine passende Gesetzgebung für die

vierte Phase der industriellen Revolution, einen besseren Begriff für Industrie 4.0 und

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dass sich dieses Konzept auch durchsetzt in der Gesellschaft. Außerdem wünschen

sich die Expertinnen und Experten, dass die sozialen Sicherungssysteme erhalten

bleiben und dass die Attraktivität des Unternehmens für die eigenen Arbeitskräfte

gesteigert wird. Zudem war ein Wunsch, dass das Konzept von Industrie 4.0 auch

Erfolg bringt, so der Betriebsratsvorsitzende der Firma I. Jedoch wünschte sich der

Geschäftsbereichsleiter der Firma K, dass die „Wunderhaltung“ gegenüber Industrie

4.0 verschwinden sollte. Der Betriebsratsvorsitzende der Firma J wünschte sich

noch, dass das Unternehmen auf gleicher Höhe mit den Mitbewerbern sein sollte und

der Human-Ressource-Manager der Firma F wünschte sich zu wissen, wohin sozu-

sagen die Reise von der Entwicklung von Industrie 4.0 gehen wird.

Viele der befragten Expertinnen und Experten wünschten sich eine humane Arbeits-

welt bzw. die Erhaltung der Menschenwürde in der vierten Phase der industriellen

Revolution. Ebenso sollen die Auswirkungen auf die Umwelt, die Volkswirtschaft und

die Gesellschaft durch Industrie 4.0 nicht unterschätzt werden. Kurzum: Industrie 4.0

solle am Besten zum Wohle und nicht zum Nachteil der Menschen bzw. der Gesell-

schaft eingesetzt werden seitens der Konzerne oder der Politik.

„Das eine wäre ich würde mir wünschen, dass man ein humane Arbeitswelt für alle in

Zukunft weiterhin haben, also gute Arbeit für guten Lohn. (…). Es soll sich so entwi-

ckeln, dass es zum Wohle der Gesellschaft ist und nicht nur zum Wohle einzelner Ge-

sellschaftsgruppen, das wäre nicht gut, nämlich in letzter Konsequenz dann auch für

die Gesellschaftsgruppe nicht, weil dann hilft´s ihnen auch nichts mehr wenn sie dann

irgendwann mal sagen Gesellschaftsgruppe.“ (D1, Abs. 68)

Weiters wurde die Offenheit der Menschen gegenüber Veränderung als Wunsch von

den Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern geäußert. Man solle mehr inhaltlich

über Industrie 4.0 reden und nicht nur schlechte Nachrichten publizieren. Außerdem

soll das Konzept als Chance begriffen werden und es sollen sich nicht nur die Unter-

nehmen damit beschäftigen, sondern auch Privatpersonen. Hierzu wünschte sich

beispielsweise der Betriebsrat der Firma H, dass es durch die Datenvernetzung zu

keinem Missbrauch von Daten kommt und die Privatsphäre eines jeden Einzelnen

bewahrt bleibt. Ebenfalls wünscht sich die Managerin des Institutes Zukunftsakade-

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mie, dass jeder Mensch offen bezüglich Veränderungen ist und an die positiven statt

negativen Wandlungen denkt.

„Ich würde mir wünschen, dass die Betriebe, die Menschen offener sind gegenüber

Veränderungen die kommen. Dass man das Positive herauskehrt und nicht diese

schrecklichen Sachen irgendwie, die irgendwie auf uns zukommen und so geht die

Welt unter und wir müssen wieder zurück zum traditionellen Handwerk. Ich glaube

nicht, dass das der richtige Weg ist. (…).“ (E1, Abs. 57)

Die Thematik einer guten Bezahlung für die Arbeitskräfte bei gleichzeitig geringeren

Arbeitszeiten und hohen Flexibilisierungsgrad, damit man davon ein gutes Leben

führen kann bzw. mit dem Lohn die eigenen Familie ernähren kann, so die Arbeiter-

kammer Oberösterreich, das Institut für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik und der

Betriebsratsvorsitzende der Firma I. Der Geschäftsführer der Firma G wünsche sich

zudem das es in der Arbeitswelt keine Zweiklassengesellschaft in Zukunft mehr ge-

ben sollte.

„Dass Industrie 4.0 auch alle Arbeiten und Leben können auch wenn sie nicht so einen

hohen schulischen Ausbildungsgrad haben. Das ist glaube ich auch nicht ganz unwich-

tig. (…). Aber wie ich zuerst gesagt habe, der eine weiß halt dann wo man den Ham-

mer auf der richtigen Seite angreift, dass der Nagel auch in der Wand drinnen ist.“ (J1,

Abs. 62)

Ein weiterer Wunsch der Interviewpartnerinnen und Interviewpartner war eine gute

Ausbildung und dass man die Jugend für das Thema bereits in der Ausbildungszeit

von Industrie 4.0 begeistern kann.

„(…) vielleicht auch, dass man in der Ausbildung unserer jungen Mitarbeiter, zukünftige

Mitarbeiter unserer jungen Menschen mehr auf genau diesen Thematiken eingeht in

der Ausbildung (…).“ (J3, Abs. 59)

Durch die neuen technischen Möglichkeiten wäre es der Arbeiterkammer Oberöster-

reich ein Anliegen, dass man die notwendigen Güter für die Gesellschaft ressourcen-

schonend und umweltfreundlich produziert.

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„(…) auch die technischen Möglichkeiten dafür verwendet, dass ressourcenschonend

und umweltfreundlicher die notwendigen Güter hergestellt werden können.“ (A1, Abs.

95)

Die Arbeiterkammer Oberösterreich, der Betriebsratsvorsitzende der Firma I und der

Betriebsratsvorsitzende der Firma J stimmten hinsichtlich des Wunsches nach einem

hohen Beschäftigungsgrad durch Industrie 4.0 miteinander überein, das heißt die

Beschäftigten sollen ihren Arbeitsplatz auf Dauer behalten, dieser soll gute Arbeits-

bedingungen aufweisen und sie sollen eine möglichst gute Bezahlung für ihre Tätig-

keiten erhalten.

„(…) es kostet keine Arbeitsplätze, es bringt keine neuen Arbeitsplätze, weil das wis-

sen wir nicht, das werden wir alles erst sehen. (…).“ (C1, Abs. 74)

Im nächsten Kapitel werden die sonstigen Anmerkungen der Interviewpartnerinnen

und Interviewpartner betrachtet, welche diese abschließend beim Interview geäußert

haben.

3.5.6. sonstige Anmerkungen

Am Ende des Interviews wurden die Expertinnen und Experten gefragt, ob sie ab-

schließend noch Anmerkungen machen wollen. Einige Interviewpartnerinnen und

Interviewpartner wollten keine sonstigen Anmerkungen mehr machen. Die übrigen

Anmerkungen umfassten teilweise detaillierte Aussagen zu Aus- und Weiterbildung,

Angst des Arbeitsplatzverlustes, zur Technisierung oder einfach nur allgemeine An-

merkungen.

Der Geschäftsführer der Firma G sagte, dass seiner Meinung nach das Thema von

Industrie 4.0 noch sehr komplex ist und es würde jeden Lebensbereich der Individu-

en umfassen sowie dass man die Verwirklichung dieser Thematik von Industrie 4.0

Schritt für Schritt angehen müsse. Ebenso werde Industrie 4.0 das Leben der Men-

schen von Grund auf verändern.

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„(…). Ich möchte das sozusagen etwas bestärken. Ich glaube das Thema ist in Wahr-

heit viel zu komplex und geht in jeden Lebensbereich auf als dass man es recht ein-

fach abhandeln kann. Es wird aus meiner Sicht keine einfache Lösung zu einem kom-

plexen Thema geben. Es geht immer nur indem man Schritt für Schritt geht und bei je-

dem Schritt man sich im Grunde nur fragt, ist es der richtige oder mache ich´s anders.

Sozusagen auf den großen Peng zu warten und dass es da draußen irgendwen gibt,

der uns erklärt was Industrie 4.0 ist und sagt schau her, da ist die Handlungsanleitung

und mach´s und dann bist du glücklich, das wird es nicht sein. Es wird sich unser Le-

ben wie anfänglich eh gesagt völlig ändern und ändern müssen, weil sich die Zeit ein-

fach immer schneller dreht. (…).“ (G2, Abs. 66)

Ebenso erwähnte der Geschäftsführer der Firma G, dass man sich die Frage der Mo-

ral hinter Industrie 4.0 stellen und man seine eigenen Handlungen hinterfragen sollte.

Er erklärt auch, dass der Unterschied zu den Personen der heutigen Generation zu

früheren Generationen ist, dass die Leute damals davon ausgegangen sind, dass

alles was sie sich nicht vorstellen können, es auch nicht geben kann. Die heutige

Generation sieht das genau umgekehrt, denn es gäbe viel mehr als man sich vorstel-

len könne.

„(…). Die Frage der Moral stellt sich damit. Und das tun aber gerne ältere Leute, die

sagen, früher war das alles und da war das sauber und da war das klasse. Heute gilt

das alles nicht. Die Wahrheit ist, dass die Frage nichts hilft. Und versuchen das ir-

gendwie über Gesetze zu lösen, die dürfen das nicht. Hilft uns eine gewisse Zeit, man

hat vielleicht ein paar Monate oder ein paar Jahre Zeit aber wenn man dann nicht

nachdenkt was man tut, wird man eh überbleiben. Ganz sicher. (…). Dieses nicht vor-

stellen können ist eine neue Erfahrung für meine Generation. Früher war das, was man

sich nicht vorstellen hat können, das hat es auch nicht gegeben. Jetzt ist das anders.

Das gibt es alles und es gibt wahrscheinlich noch viel, viel mehr. (…).“ (G2, Abs. 66)

Der Betriebsrat der Firma H erwähnte bei den sonstigen Anmerkungen zudem, dass

man mehr Vertrauen in die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Einführung von

Industrie 4.0 setzen sollte.

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Carina Kerbl, BSc & Martina Sturmair, BSc

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„Ich habe jetzt nichts, ich hab nur das, dass ich weiß, dass vielleicht mehr Firmen nut-

zen könnten, aber dazu gehört mehr als nur ein System einzuführen und da muss ich

auch wirklich mein Vertrauen in die Mitarbeiter höher setzen. (…).“ (H1, Abs. 57)

Eine interessante Anmerkung zum Thema Industrie 4.0 machte der Geschäftsbe-

reichsleiter der Firma K., denn er wies darauf hin, dass die Thematik von Industrie

4.0 in Österreich und Deutschland differenziert behandelt wird. Österreich würde sei-

nen Aussagen nach immer etwas hinter Deutschland in Zeitspanne von einem Jahr

nachhängen.

„Das einzige was vielleicht noch auffällt ist, dass in Österreich und Deutschland das

Thema etwas verschieden betrieben wird, dass Österreich immer etwas hinten nach

hinkt, dass der Hype dann erst einmal 1 Jahr später über die … Institutionen drüber

schwabbt wo auch die Themen aufgegriffen worden sind (…).“ (K1, Abs. 61)

Einige der Expertinnen und Experten äußerten am Ende des Interviews bei den An-

merkungen noch, dass Aufklärungsarbeit ganz wichtig sei.

„(…). Vorteile und Nachteile, das einfach offen kommunizieren, den Leuten eben bald

genug erklären und … Das ist glaube ich das Wesentliche, was da bei Industrie 4.0 ist.

Und wie´s bei uns ist, es gibt immer wieder so Seminare und solche Sachen obwohl

…. (…).“ (G1, Abs. 63)

Ein weiterer zentraler Punkt, welchen einige Expertinnen und Experten im Zuge der

sonstigen Anmerkungen ansprachen, war die Bedeutung einer guten Aus- und Wei-

terbildung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Wirtschaftskammer sprach

das Problem der Lehrlingsausbildung im Zusammenhang mit den Lehrplänen an,

denn diese würden nicht schnell genug an die rasante Entwicklung der Berufe durch

die Industrialisierung angepasst werden.

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Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0

Carina Kerbl, BSc & Martina Sturmair, BSc

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„Wir beschäftigen sich ganz stark mit der Aus- und Weiterbildung, also ich in dem Kon-

text. Da glaube ich auch, dass noch zu wenig darauf geschaut wird wie sich die Ausbil-

dung verändern wird, weil gerade bei uns die großen Industriebetrieben, da wird das

weniger gesehen, da gibt´s die Lehrwerkstätten und da wird gesagt naja, wir haben ei-

ne gute Lehrlingsausbildung, die haben wir seit 30 Jahren und die wird sich jetzt nicht

verändern, weil die rennt eh gut, stimmt, lauft gut. Aber ich muss selbst da bei der

Ausbildung bei den jungen Leuten darauf schauen wie bringe ich die dazu, dass sie in

10 Jahren die Arbeit machen die sie machen sollen. (…). Dass die Berufsschule mit

den Lehrplänen nachhinkt, weil man da oft nicht so schnell ist oder ich sage, einmal die

Ausbildungsart nachhinkt, die Berufsbilder nicht so schnell weiterentwickelt werden.

(…) ich muss meine Ausbildung alle 2-3 Jahre intensiv anschauen, ist das modern,

führt das zu einer modernen Ausbildung oder tun wir immer nur dasselbe, sagen das

ist gut, bisher war es auch sehr gut aber vielleicht bin ich irgendwann einmal zu spät

dran. (…).“ ( C1, Abs. 76)

Der Betriebsrat der Firma H äußerte ebenfalls in den sonstigen Anmerkungen, dass

er hoffe, dass es nicht zu viele unqualifizierte Arbeiterinnen und Arbeiter durch In-

dustrie 4.0 geben werde. Er merkte zudem an, dass die technische Entwicklung heu-

te rasant schnell von statten geht und dass die Technik an sich als eigenes Schul-

fach in den Schulen auf dem Unterrichtsplan stehen sollte.

„(…). Das ist das Ganze und ich hoffe, dass wir mit dem System nicht zu viele unquali-

fizierte Arbeitskräfte bekommen sag ich mal, dass wir das in den Griff bekommen, dass

sich die Leute heute mehr schulen lassen, dass in den Schulen dieses Thema vielleicht

schon etwas präsentiert wird, wenn es um die Berufsauswahl geht und wie es in Zu-

kunft von den Kindern sein kann, wenn sie nichts machen. (…) vor 25 Jahren haben

wir noch nicht geglaubt, dass jeder mit einem Handy umher rennt, heute sind wir dort,

die Zeit geht wesentlich schneller und in 10 Jahren schaut´s dort auch schon wieder

anders aus, dann … wie gesagt, das ist es, dass in den Schulen noch gelehrt werden

muss wie … Weiterbildung sei sollte, dass man auch sein Leben machen kann.“ (H1,

Abs. 57)

Die Ängste, um einen möglichen Arbeitsplatzverlust wurden von einigen Expertinnen

und Experten auch angesprochen. Der Gewerkschaftsbund äußerte die Angst, dass

jemand durch die schnelle technische Entwicklung auf der Strecke bleiben könnte

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und er hofft in diesem Sinne, dass die Arbeitsplätze durch Industrie 4.0 nicht verloren

gehen.

„(…). Ganz ehrlich wird es notwendig sein, und das ist die größte Befürchtung, dass da

die … hinten bleiben, dass man da nicht … die kann man nicht mehr brauchen in ei-

nem neuen Produktionssystem oder einem neuen Entwicklungsschritt. Ich denke das

ist das größte Problem, wenn man am Arbeitsmarkt ist und eine Arbeit und so das Ge-

fühl bekommt man wird nicht mehr gebraucht. Da würde ich mir wünschen, dass alles

in diese Richtung arbeitet, dass wir genau diese Leute nicht verlieren. Das ist ein mas-

sives Problem glaube ich mit dem wir noch umgehen lernen müssen. (…).“ (B1, Abs.

78)

Die Zukunftsakademie äußerte sich ebenfalls mit einer interessanten abschließenden

Anmerkung zu dem Thema des Arbeitsplatzverlustes. Die Managerin erinnerte sich

an ein Zitat des Zivilverbandes für Elektrotechnik in Deutschland, wonach diese Per-

sonen behaupteten, dass die Fabrik der Zukunft nicht menschleer sein wird, denn

das vor Jahren prophezeite papierlose Büro der Zukunft, welches man gegenwärtig

antrifft ist schließlich nicht vollkommen ohne Papier.

„Mir gefällt da recht gut ein Zitat vom Zivilverband für Elektrotechnik in Deutschland.

Die haben gesagt, dass es die Fabrik der Zukunft genauso menschenleer sein wird wie

das heutige Büro papierlos ist. Aber ich glaube so ist es auch. Es hat immer geheißen

das Büro der Zukunft ist papierlos, es wird alles per E-Mail verschickt … üben, es wird

alles einfach ausgedruckt aber trotzdem, genauso wird´s dann auch sein.“ (E1, Abs.

59)

Auch die Human-Ressource-Managerin der Firma I glaubt nicht daran, dass Industrie

4.0 Arbeitsplätze kosten wird. Sie ist der Ansicht, dass man sich dem Thema einfach

stellen muss und man es nicht wie ein Schreckgespenst behandeln sollte.

„(…). Ich denke mir wir haben intern auch die Diskussion gehabt nach dem Motto, ist

es ein Schreckgespenst. Man muss sich dem Ding einfach stellen, ich halte nichts da-

von, dass man plakativ irgendwelche Roboter … sagt die nehmen Arbeitsplätze weg,

dann verharrt man in einer Schockstarre (…).“ (I2, Abs. 99)

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Eine Anmerkung der Arbeiterkammer umfasste die Tatsache, dass zu Industrie 4.0

mehr gehöre als nur die Zukunft der Arbeit, denn auch die Digitalisierung der Arbeit,

die Ökonomie und Roboter wären ein Bestandteil. Weiters wurde in diesem Interview

mit der Arbeiterkammer erwähnt, dass das Thema Industrie 4.0 nur auf der techni-

schen Seite diskutiert wird und andere Faktoren, wie soziale Innovationen oder die

Verkürzung von Arbeitszeiten zu wenig Beachtung finden.

„B1: Ich glaube es ist rübergekommen, dass es die Frage ist wie man es gestaltet. Oft

in der Diskussion wird das alles technisch diskutiert. Wenn es technisch diskutiert wird,

dann gehen viele Aspekte dadurch verloren. Die Frage ist, wie man technische Mög-

lichkeiten im Sinne der großen Mehrheit umsetzen kann? So möchte man gerne In-

dustrie 4.0 diskutieren. B2: Genau, also Diskurs werden eben sehr technologiezentriert

geführt und aus unserer Sicht braucht es das eben andere Aspekte und eben das Ein-

bringen von sozialen Innovationen, Arbeitszeit z. B. zu verkürzen oder neu zu denken

wäre aus unserer Sicht zumindest sehe das ich so eine soziale Innovation oder eh Fi-

nanzierbarkeit, wie kann man das sichern. Nicht nur rein den technologischen Aspekt

sondern auch die anderen Aspekte mitbedenken, das ist ganz wichtig.“ (A1, Abs. 99 f.)

Dass es keine einzige Lösung gäbe, die für alle Menschen passen würde und dass

Industrie 4.0 keine Modellfabrik ist, die man nach individuellen Wünschen gestalten

könnte, merkte der Geschäftsführer der Firma H am Ende des Interviews an.

„Das Thema was immer wieder auftaucht in Zusammenhang mit Industrie 4.0 ist die

sogenannte Modellfabrik Industrie 4.0, wo ich sehr skeptisch bin, weil es gibt keine ein-

zige Lösung für Industrie 4.0, die für alle passt. Es gibt aber auch einige, die glauben

man kann eine Modellfabrik schaffen mit der Lösung für alle. (…).“ (H2, Abs. 63)

Passend zur vorigen Aussage des Geschäftsführers der Firma H äußerte der Vor-

stand der Firma J, dass man über Industrie 4.0 noch nicht alles wissen kann und

dass wir alle uns durch die Technik die Arbeit bzw. das Leben so organisieren sollen,

dass Tätigkeiten leichter werden. Ebenso ist noch erwähnenswert, dass die Arbeiter-

kammer erörterte, dass sie der Ansicht sind, dass das Thema von Industrie 4.0 der-

zeit sehr in Mode ist und jegliche Bereiche unter der Thematik 4.0 bezeichnet wer-

den.

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Die Auswirkungen von Industrie 4.0 auf die Gesellschaft bzw. die Gesellschaftsmit-

glieder brachte der Human-Ressource-Manager der Firma I zum Ausdruck und

ebenso wie wohl die Individuen mit dieser Entwicklung umgehen würden. Die ab-

schließende Frage, welche wohl noch unbeantwortet bleiben wird ist, ob die Entwick-

lungen von Industrie 4.0 in eine positive oder negative Richtung gehen werden. Dies

wird sich erst in Zukunft erweisen.

„(…) auf die Gesellschaft gibt´s natürlich noch weitere Auswirkungen, die die Firma I

berücksichtigen muss, die auch gefährlich sind, die Frage ist, ob der Mensch mit dieser

Entwicklung einher geht und mitkommt und ob eben sozusagen Bildung und sozusa-

gen andere gesellschaftliche Dimensionen mit dem einhergehen und ob das halt dann

alles zusammenpasst und wir sehen jetzt sozusagen was überhaupt die Digitalisierung,

die Vernetzung oder auch Internet mit der Gesellschaft, wie schnell sich die verändert

hat und ob das alles positiv ist wird die Frage und genauso kann es mit Industrie 4.0

sein aber.“ (I2, Abs. 98)

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4. Schlussbetrachtungen

Im Folgenden werden die gefundenen Ergebnisse nochmals zusammengefasst und

die Kernpunkte der Analyse aufgezeigt. Dies ermöglicht die anschließende Beant-

wortung der anfangs gestellten Forschungsfragen, um abschließend noch potentielle

Handlungsempfehlungen bereitzustellen.

4.1. Zusammenfassung der Ergebnisse

An dieser Stelle sollen die erhobenen Ergebnisse der Untersuchung erläutert wer-

den.

4.1.1. Bedeutung des Konzeptes „Industrie 4.0“

Das Konzept Industrie 4.0, welches zwar in der wissenschaftlichen Diskussion ver-

mehrt Anklang findet, scheint in der Produktionsindustrie nur teilweise Bekanntheit zu

erlangen. Während bei den Sozialpartnerschaften durchaus schon eine Auseinan-

dersetzung mit dieser Thematik ersichtlich ist, betrachten Unternehmen das Thema

bzw. die Bezeichnung „Industrie 4.0“ vielmehr als Modewort. Dennoch ist allen Betei-

ligten bewusst, dass ein Prozess im Gange ist, welcher zu erheblichen Veränderun-

gen führen könnte.

Bei der theoretischen Betrachtung des Konzeptes Industrie 4.0 zeigte sich, dass die-

ses Konzept ein völlig neues Niveau der Produktionsautomatisierung beschreibt. Da-

bei bezieht es sich zum Einen auf die Erweiterung bestehender Produktionskonzep-

te, wie die fortschreitende Vernetzung von Datenbeständen und zum Anderen auf die

Entwicklung neuer Stufen der Prozessautomatisierung, bei denen hoch flexible Ver-

knüpfungen der Datenebene mit realen Fabriksabläufen erschaffen werden. (vgl.

Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 5) Diese Reichweite erscheint jedoch den Befragten kaum

bewusst, für sie stellt das Konzept meist nur eine stärkere Vernetzung dar. Dabei

werden jedoch immer wieder Teile des Konzeptes aufgegriffen.

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Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass auch wenn das Konzept an sich kaum be-

kannt ist, so wird jedoch die Veränderung durch die neuen Technologien durchaus

erkannt und auch in der Produktionsindustrie als unausweichlicher Prozess be-

schrieben, von dem alle, unter den richtigen Bedingungen, profitieren können.

4.1.2. Subjektivierung und Entgrenzung in der Produktionsarbeit

Bei der Betrachtung des Themas Entgrenzung und Subjektivierung zeigte sich deut-

lich, dass diese Veränderungen in der Produktionsarbeit eine wichtige Rolle spielen.

Die Thematik der Subjektivierung wird in der Literatur vor allem unter dem Gesichts-

punkt der körperlich und geistigen Fähigkeiten sowie der individuellen Anlagen und

Bedürfnisse der Arbeitskräfte, unter dem Fokus wie diese eingebracht bzw. gefordert

werden, behandelt. (vgl. Langfeldt 2009, S. 25) Die durchgeführte Befragung bezog

sich in diesem Punkt auf die Flexibilität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, da

diese Eigenschaft einen zentralen Aspekt der Subjektivierung in der Produktionsar-

beit darstellt. Die Analyse zeigte dabei, dass zwar der Wunsch der Arbeitskräfte nach

einer flexibleren Arbeitszeit durchaus anerkannt wird und auch nach Möglichkeit ent-

sprechend unterschiedliche Arbeitszeitmodelle, wie Gleitzeit und dergleichen gebo-

ten werden, aber auch, dass die Unternehmensbedürfnisse klar Vorrang bei der Ge-

staltung der Arbeitszeit erlangen. Somit zeigt sich die Subjektivierung, zumindest im

Bereich der Flexibilität in der Produktionsarbeit noch stärker als Forderung der Ar-

beitgeber und Arbeitgeberinnen.

Die Entgrenzung in der Produktionsarbeit bezieht sich hingegen auf die Erosion der

bisher strukturbildenden Grenze zwischen dem Arbeits- und dem Privatleben. (vgl.

Langfeldt 2009, S. 274) Dabei bestätigt sich in der Untersuchung, was auch in der

Theorie vermutet wurde. Die neuen Technologien und deren verbreiteter Einsatz er-

schweren immer mehr eine Trennung zwischen dem Arbeitsleben und dem Privatle-

ben aufrecht zu erhalten. Auch wenn es nach wie vor berufliche Unterschiede gibt,

so sind zum Beispiel Arbeitskräfte, die in der Fertigungshalle mit bestimmten Ma-

schinen oder Werkzeugen tätig sind wesentlich besser in der Lage eine Trennung

aufrechtzuerhalten als jene Arbeitskräfte, die zum Beispiel in internationalen Teams

arbeiten und deswegen rund um die Uhr erreichbar sein sollten.

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4.1.3. Befürchtungen und Potentiale von Industrie 4.0

Als große Befürchtung wurde von vielen der befragten Expertinnen und Experten die

Angst vor Arbeitsplatzverlusten genannt. Bereits durch die erste Phase der industriel-

len Revolution verschwanden einige Berufe, allerdings entstanden im gleichen Zuge

neue Berufe. (vgl. Palla 2014, Abschnitt 1) Deshalb besteht eine hohe Wahrschein-

lichkeit, dass in der derzeitigen vierten Phase der industriellen Revolution zwar Ar-

beitsplätze durchaus verloren gehen werden bzw. manche Berufe verschwinden,

aber neue Arbeitsplätze und Berufe durch die Automatisierungstechnologien, Digita-

lisierung und dergleichen entstehen werden. Von diesem Wegfall werden überwie-

gend routinehafte Tätigkeiten betroffen sein, welche man leicht automatisieren kann.

Durch das Generieren neuer Märkte, durch neue Produkte und Effizienzvorteile für

Betriebe werden neue Arbeitsplätze geschaffen werden oder sogar neue Berufe kon-

struiert. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2015, S. 6 ff.)

Die Flexibilisierung wird durch Industrie 4.0 weiter in der Arbeitswelt zunehmen und

eine fachlich gute Weiterbildung bzw. Ausbildung der Arbeitskräfte wird auch zuneh-

mender notwendig werden. Im weiteren Verlauf kann es möglicherweise auch zu Bil-

dungsverschiebungen kommen. Bildungseinrichtungen stehen dabei in der Verant-

wortung, die Lehrpläne alle paar Jahre an die derzeitigen Entwicklungen anzupas-

sen. Durch Industrie 4.0 werde es in Zukunft auch möglich sein Einzelstücke kosten-

günstig zu produzieren und die Produktion individueller zu gestalten. Das Konzept

werde somit künftig Kosteneinsparungen in der Produktion ermöglichen und den

Umsatz der Betriebe erhöhen. Außerdem sollte bei der Herstellung der Produkte auf

die Umwelt geachtet und ebenso ressourcensparend produziert werden. Doch auch

die Gerechtigkeit, zum Beispiel in Form von fairen Löhnen bzw. Gehältern sollte nicht

vernachlässigt werden. Jedoch glaubten manche Interviewpartnerinnen und Inter-

viewpartner, dass der Kostenpunkt eine Herausforderung für kleinere oder mittlere

Betriebe darstellen werde, welche sich neue IT-Systeme noch nicht leisten können

und somit auch im internationalen Wettbewerb hinterher hinken werden.

Eine Befürchtung hinsichtlich der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen der Be-

schäftigten ist die Überforderung mit der neuen Technik. Eine Verbesserung der Ar-

beitsbedingungen stelle hingegen eindeutig der Wegfall von eintönigen Arbeitstätig-

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keiten dar. Weitere Vorteile durch Industrie 4.0 in Bezug auf die Bedingungen der

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Betrieb stellen Hebehilfen oder Roboterassisten-

ten dar, was zu einer Entlastung der Beschäftigten führen werde.

Bereits in der ersten Phase der industriellen Revolution waren Arbeiterinnen und Ar-

beiter miserablen Arbeitsbedingungen ausgesetzt, was zu einer Verelendung der

Arbeitskräfte führte, denn sie waren nicht vor Arbeitslosigkeit abgesichert, bei Krank-

heit vor einem Arbeitsplatzverlust geschützt und hatten lange Arbeitstage. (vgl. Zieg-

ler 2005, S. 119 f.)

Schon damals mussten bessere Arbeitsbedingungen erst durch den Einsatz von

Gewerkschaften, durch die Regierungen und durch Reformen am Anfang des 20.

Jahrhunderts beim Übergang zur zweiten Phase der industriellen Revolution er-

kämpft werden. (vgl. Henderson 1971, S. 203 f.) Dadurch zeigt sich, dass schlechte

Arbeitsbedingungen durch hohen Einsatz von Arbeitnehmervertreterinnen und Ar-

beitnehmervertreter, den Staat oder von Gewerkschaften unverzichtbar bleiben.

Führungskräfte werden noch viel Überzeugungsarbeit und eine intensive Prozess-

einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Umsetzung des Konzeptes

von Industrie 4.0 leisten müssen. Der Punkt der Aufklärung wird in diesem Zusam-

menhang auch einen zentralen Faktor darstellen. Weiters müssen die Führungskräf-

te ihren Beschäftigten auch mehr Vertrauen in ein selbstständiges Arbeiten entge-

genbringen und alle Personen im Betrieb sollten einen wertschätzenden Umgang

miteinander pflegen.

Die Systeme von Industrie 4.0 stellen bislang dennoch nur eine grobe technische

Version dar, welche noch viele Hindernisse und Befürchtungen zu überwinden hat.

Der Kostenfaktor sowie die Widerstände stellen beispielsweise noch größere

Schwierigkeiten für die Umsetzung des Konzeptes von Industrie 4.0 dar. Arbeitskräf-

te fürchten durch die Digitalisierung ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder vor mehr

Kontrolle durch ihre Vorgesetzten aufgrund der neuen Technik. Führungskräfte ha-

ben die Angst vor Kompetenzverlusten und Abgabe der Verantwortung an ihre Be-

schäftigten. (vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 33 f.)

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4.1.4. Erwartete Veränderungen in den Arbeitsbedingungen und Qualifika-

tionsanforderungen

Bei den erwarteten Veränderungen in den Arbeitsbedingungen und Qualifikationsan-

forderungen zeigte sich, dass hier aufgrund der prozessartigen Entwicklungen kaum

gravierende Veränderungen erwartet werden bzw. nur schrittweise Entwicklungen.

Bei der Betrachtung der Arbeitstätigkeiten kann zwar von einer allgemeinen Verän-

derung ausgegangen werden, jedoch scheint die Befürchtung, eines Wegfalls mehre-

rer Arbeitsplätze kaum vorhanden zu sein. In den Unternehmen geht man eher da-

von aus, dass sich die Tätigkeiten, wie in den Jahrzehnten zuvor auch schon, ändern

werden. Dabei können zwar Berufe und Arbeitsplätze wegfallen, aber es werden

auch Neue entstehen. Allerdings führen die neuen Technologien auch zu erhöhten

Qualifikationsanforderungen, die vermehrt den Einsatz von Fachkräften erfordern

würden.

Die Unternehmensgestaltung selbst wird jedoch auch einer Veränderung unterliegen.

Die in der Theorie diskutierte Entwicklung im Bereich der Planungs- und Manage-

mentebene, dass es zu einem teilweisen Hierarchieabbau, in den ohnehin schon fla-

chen Produktionsunternehmen kommt und zugleich durch die Systemkomplexität die

Aufgabe der Problemlösung vor allem für das Management an Bedeutung gewinnt

(vgl. Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 21), lässt sich auch in der durchgeführten Untersu-

chung bestätigen. Demnach werden Organisationsstrukturen in Zukunft flacher ge-

staltet werden, da aufgrund der erfolgten Vernetzung Daten fortan direkt übermittelt

werden können ohne die Erfordernis von Zwischenebenen. Dabei führt die verstärkte

Vernetzung jedoch auch zu erhöhten Anforderungen für die Führungskräfte im Be-

reich der Kommunikation sowie der Sensibilität für soziale Belange und Konfliktlö-

sungen. Für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wird hingegen das Thema der

Teamarbeit in Zukunft einen wichtigen Aspekt darstellen.

4.1.5. Zukunftsperspektiven und weitere Entwicklungen

Hier werden die Umsetzungsarbeiten, die Anreize, die Ziele, die Chancen und die

Herausforderungen aus Sicht der befragten Expertinnen und Experten zusammenge-

fasst. Als potentielle Zukunftsperspektiven wurden unter anderem die Wettbewerbs-

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fähigkeit der Unternehmen, die Technik und die Qualifikationen der Arbeitskräfte ge-

nannt. Weiters sei die Kommunikation zukünftig wichtig um zu sehen wie sich die

Arbeitsbedingungen verändern werden. Zudem ist die Weiterbildung der Beschäftig-

ten Förderungen durch den Staat, eine hohe Produktionsqualität, die Anpassungsfä-

higkeit der gesamten Gesellschaft an die technologischen Veränderungen sowie das

Durchführen von Forschungsprojekten zum Thema von Industrie 4.0 in Zukunft wich-

tig. Zudem wurde noch genannt, dass sich Lebensqualität durch Industrie 4.0 ver-

bessern sowie die Beschäftigungsraten trotz der Befürchtung der Arbeitsplatzverluste

steigen werden.

Als Wünsche an das Konzept von Industrie 4.0 äußerten die befragten Expertinnen

und Experten mehr Offenheit gegenüber dem Konzept, Erfolg, eine gute Bezahlung

für Arbeitskräfte und vor allem eine Arbeitsplatzsicherheit. Weitere Wünsche beinhal-

teten eine gute Weiterbildung sowie einen hohen Flexibilisierungsgrad. Eine umwelt-

freundliche und ressourcenschonende Produktion stellten ebenso Wünsche wie auch

eine gute Marktattraktivität und ein gesichertes Sozialsystem dar. Einen besseren

Begriff für Industrie 4.0 wünschte sich ebenso einer der Befragten.

Zuletzt werden im nächsten Unterkapitel noch die sonstigen Anmerkungen der Inter-

viewpartnerinnen und Interviewpartner diskutiert.

4.1.6. sonstige Anmerkungen

Häufig genannte Schlagworte bei den sonstigen Anmerkungen der Interviewpartne-

rinnen und Interviewpartnern waren vorwiegend die Frage der Moral hinter dem Kon-

zept Industrie 4.0, doch auch, dass es wahrscheinlich nur ein momentaner Hype o-

der ein Schreckgespenst sei. Weiters wurde die hohe Komplexität und die Bedeu-

tung der Kommunikation hinter dem Konzept erwähnt und auch, dass es noch offen

bleibt, welche Auswirkungen Industrie 4.0 auf die Gesellschaft haben wird.

Nachdem die Ergebnisse der qualitativen Untersuchung zusammengefasst betrach-

tet wurden, werden im nächsten Kapitel die Forschungsfragen der vorliegenden Mas-

terarbeit beantwortet.

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4.2. Beantwortung der Forschungsfragen

Nach ausführlicher theoretischer Begutachtung sowie der Durchführung und Analyse

der Befragung sollen im Folgenden die Forschungsfragen mit den gefundenen Ar-

gumenten kurz und präzise beantwortet werden.

I. Welche Entwicklungen ergaben sich in der ersten bis zur vierten Phase

der industriellen Revolution?

Die erste Phase der industriellen Revolution (Mitte, Ende des 18. Jahrhunderts)

war gekennzeichnet durch die vier Faktoren der Arbeitskräfte und des Bevölke-

rungswachstums, der Maschinen und Erfindungen, des Imperialismus sowie der Un-

ternehmer und des Kapitals. Allerdings arbeiteten die Beschäftigten in der Industrie

noch unter katastrophalen Verhältnissen. Die Problematik der „sozialen Frage“

tauchte in Folge der Verelendung der Arbeiterinnen und Arbeitnehmer auf.

Die Elektrizität wurde in der zweiten Phase der industriellen Revolution (Ende des

19. Jahrhunderts, Anfang des 20. Jahrhunderts) schließlich auch in der Industrie

verwendet, wie beispielsweise bei der Fließbandfertigung von Automobilen durch

Henry Ford. Durch den Einsatz von Gewerkschaften und durch Reformen wurden die

Arbeitsbedingungen der Industriebeschäftigten zusehends verbessert. Nach dem

Zweiten Weltkrieg 1945 gewann die Massenproduktion und dadurch auch der Mas-

senkonsum in Europa an Bedeutung.

Elektronik und IT-Systeme stellen zentrale Bestandteile der dritten Phase der in-

dustriellen Revolution (Beginn der 1970er Jahre) dar. Durch den zunehmenden

Wohlstand der Nachkriegszeit und den gestiegenen Konsumniveau stieg der Roh-

stoffverbrauch rapide an.

In der vierten Phase der industrielle Revolution (21. Jahrhundert, heute) stellen

die Vernetzung und die Verknüpfung von Dienstleistungen, Elektronik, Produktion

und Umwelt wichtige Charakteristika dar.

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II. Welche fördernden und hemmenden Faktoren ergeben sich aus Industrie

4.0?

Als hemmende Faktoren gegenüber dem Konzept von Industrie 4.0 gelten Arbeits-

platzverlustängste, die Angst vor Überforderungen durch die neue Technik, Proble-

me des Datenschutzes, Bildungsverschiebungen und eine ungerechte Verteilung der

Gewinne, welche durch das Konzept entstehen. Des Weiteren können sich kleinere

bis mittlere Betriebe neue technologische Systeme meist nicht leisten. Die Arbeits-

kräfte fürchten sich vor dem Ausbau von Kontrollmechanismen durch die Führungs-

kräfte, während sich die Führungskräfte wiederrum vor einem möglichen Kontrollver-

lust durch das selbstständige Arbeiten der Beschäftigten in Teams fürchten.

Als fördernde Faktoren für Industrie 4.0 können die Möglichkeiten einer kosten-

günstigen Einzelstückfertigung von Produkten, die gestiegene Individualität in der

Produktion sowie die ressourcensparende und umweltschonende Fertigung erachtet

werden. Durch Industrie 4.0 kann es Weiters zu einer Erhöhung der Wettbewerbsfä-

higkeit der Firmen kommen und zu einer Re-Industrialisierung des Standortes Euro-

pa für die Produktion. Zudem stellen Hebehilfen oder Roboterassistenten eine Ar-

beitserleichterung für die Beschäftigten im Betrieb dar. Weiters kann es im Laufe der

Entwicklung von Industrie 4.0 zu Arbeitszeitverkürzungen bei gleichem Arbeitsentgelt

kommen, wodurch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr Freizeit gewinnen.

III. Welche Veränderungen der Arbeitsbedingungen und der Qualifikations-

anforderungen sind zu verzeichnen?

Bei den Arbeitsbedingungen kann teilweise in der Produktionsarbeit mit einer Ar-

beitserleichterung gerechnet werden. So können zum Beispiel durch Maschinen kör-

perlich anstrengende oder gesundheitsschädliche Tätigkeiten übernommen oder

zumindest erleichtert werden. Zudem wird sich die Organisationsstruktur zukünftig

flacher gestalten und einen höheren Bedarf an Fachkräften aufweisen. Diese Fach-

kräfte benötigen, neben ihrer eigentlichen Ausbildung, Qualifikationen im Bereich der

EDV, um einen adäquaten Umgang mit den neuen Technologien zu gewährleisten.

Des Weiteren wird die Fähigkeit zur Teamarbeit eine unausweichliche Komponente

darstellen.

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IV. Kann man bei Industrie 4.0 von einer Entgrenzung sowie Subjektivierung

von Arbeit sprechen?

Diese Frage kann eindeutig bestätigt werden, denn wie sich zeigte stellt die erhöhte

Vernetzung eine klare Entgrenzung dar, die je nach Arbeitsplatz stärker oder schwä-

cher auftritt. Dabei zeigt sich allerdings in den meisten Unternehmen, dass es sich

hierbei auch um eine Frage der Selbstbestimmung handelt, bei der jede Person das

Ausmaß für sich selbst bestimmen sollte. Zudem lässt sich unter Industrie 4.0 auch

eindeutig eine Subjektivierung, als Einsatz der persönlichen Flexibilität, feststellen.

V. Welche Schwierigkeiten im Bereich Technologie, Betrieb, Produktion

und Strukturen behindern die Verbreitung des Konzeptes von Industrie

4.0?

Neben den hemmenden Faktoren, die die Umsetzung von Industrie 4.0 erschweren

können, existieren weitere Elemente in verschiedenen Bereichen, die zu Schwierig-

keiten bei Industrie 4.0 führen können. Im Bereich Technologie kann es zu Proble-

men kommen, wenn sich Personen der neuen technischen Entwicklung entgegen-

stellen und diese Technologien ablehnen. Zudem zeigen sich Schwierigkeiten im

Betrieb und in der Produktion auch in einem möglichen Verlust des Verständnisses

für den gesamten Prozess. Die Probleme im Bereich der Strukturen stellen noch die

fehlenden rechtlichen Rahmenbedingungen dar und dass für eine Verwirklichung von

Industrie 4.0 die technologischen Systeme notwendig sind und zur Verfügung stehen

müssen, welche sich kleinere bis mittlere Betriebe nicht zwingend leisten können.

Unternehmensstandorte in ländlichen Gebieten, mit schlechten Internetverbindun-

gen, werden ebenso Schwierigkeiten haben weiterhin konkurrenz- und wettbewerbs-

fähig zu bleiben.

Abschließend werden nachfolgend noch potentielle Handlungsempfehlungen für eine

zukünftige Entwicklung der Arbeit durch Industrie 4.0 aufgestellt.

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Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0

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4.3. Potentielle Handlungsempfehlungen

Die Entwicklung des Konzeptes Industrie 4.0 erscheint als wichtig, um einen theore-

tischen Diskurs auf die aktuellen Entwicklungen in der Produktionsarbeit zu richten.

Denn auch wenn das Konzept selbst nur geringe Beachtung in der Gesellschaft fin-

det, so werden dennoch die beschriebenen Entwicklungen als unaufhaltsamer Pro-

zess wahrgenommen. Für die zukünftigen Entwicklungen wird es dabei grundlegen-

de Rahmenbedingungen benötigen, um auch für die Arbeitskräfte ein positives Er-

gebnis zu erzielen und diese Regelungen werden nur durch einen Diskurs des The-

mas entstehen. Somit soll diese Arbeit nicht nur einen Beitrag zur aktuellen Diskus-

sion liefern, sondern auch zukünftige Behandlungen dieser Thematik anregen.

Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang vor allem die Entwicklung der Bildungs-

struktur, denn in diesem Bereich sind sich selbst die Experten noch unsicher welcher

Weg für die Zukunft der Beste sein wird. Feststeht, dass es hier noch klarer Definiti-

onen bedarf welche Fähigkeiten und vor allem welche Kombinationen an Fähigkeiten

es zukünftig brauchen wird und in welchen Bildungsabschnitt diese erworben werden

sollten. Denn nur mit einer entsprechenden Ausbildung werden auch in zukünftigen

Produktionssystemen Arbeitsplätze gesichert sein.

Aber auch die bereits erwähnten Rahmenbedingungen werden viel Aufmerksamkeit

benötigen. Dabei werden Punkte im Bereich der Arbeitsbedingungen sicherlich eine

entscheidende Rolle einnehmen, zum Beispiel wie sich ein Rahmen für flexible Ar-

beitszeiten schaffen lässt der zum Einen die Arbeitskraft vor einer Überbeanspru-

chung schützt zum Anderen aber dennoch den neuen Anforderungen den nötigen

Freiraum lässt.

Grundsätzlich gilt für alle Bereiche, dass es einen breiten Diskurs benötigen wird um

auf zukünftige Entwicklungen entsprechend reagieren zu können. Dabei sollten aller-

dings unbedingt alle beteiligten Akteure zusammenarbeiten und ihre Ideen und Visi-

onen austauschen um einen gemeinsamen Weg zu definieren, denn nur so kann

auch in Zukunft eine Produktion gesichert werden von der alle profitieren werden.

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Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0

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5. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Tabelle 1: Charakterisierung der Expertinnen und Experten sowie der Betriebe ..... 96

Tabelle 2: Vorteile und Befürchtungen von Industrie 4.0 ....................................... 112

Abbildung 1: Die vierte industrielle Revolution aus Frauenhofer Gesellschaft

2011, o. S. ......................................................................................................... 51

Abbildung 2: Darstellung eines Mensch-Maschinen-Systems aus Konradt

1993, S. 115 ...................................................................................................... 66

Abbildung 3: Industrie 4.0 als sozio-technisches System aus Hirsch-Kreinsen

2014b, S. 12 ...................................................................................................... 70

Abbildung 4: Die polarisierte Organisation aus Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 24 ....... 80

Abbildung 5: Die Schwarm-Organisation aus Hirsch-Kreinsen 2014b, S. 25.......... 81

Abbildung 6: Phasen des Forschungsablaufes aus Atteslander 2010, S. 21 ......... 87

Abbildung 7: Schritte der Qualitativen Inhaltsanalyse aus Nawratil / Schönhagen

2008, S. 339 .................................................................................................... 100

Abbildung 8: Profiteure von Industrie 4.0 .............................................................. 109

Abbildung 9: Veränderungen bei den Arbeitsbedingungen................................... 131

Abbildung 10: Ziele und Chancen von Industrie 4.0 ............................................. 147

Abbildung 11: Herausforderungen von Industrie 4.0 ............................................ 150

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Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0

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6. Literaturverzeichnis

6.1. Bücher und Zeitschriftenaufsätze

Atteslander, Peter (2010): Methoden der empirischen Sozialforschung. Berlin: Erich

Schmidt Verlag.

Balkhausen, Dieter (1978): Die dritte industrielle Revolution. Wie die Mikroelektronik

unser Leben verändert. Düsseldorf / Wien: Econ Verlag.

Bauernhansl, Thomas / Hompel, Michael T. / Vogel-Heuser, Birgit (2014): Indust-

rie 4.0 in Produktion, Automatisierung und Logistik: Anwendung, Technologien, Mig-

ration. Wiesbaden: Springer Verlag.

Botthof, Alfons / Hartmann Ernst A. (2015): Zukunft der Arbeit in Industrie 4.0.

Berlin: Springer Verlag.

Buchheim, Christoph (1994): Industrielle Revolutionen. Langfristige Wirtschafts-

entwicklung in Großbritannien, Europa und in Übersee. München: Deutscher Ta-

schenbuch Verlag.

Buhr, Daniel (2015): Soziale Innovationspolitik für die Industrie 4.0. München: Fried-

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Dowe, Dieter / Haupt, Heinz-Gerhard / Langewiesche, Dieter (1998): Europa

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ven der Arbeitsforschung. Wien: Facultas Verlag. S. 19-45.

Eichener, Volker (1993): Personaleinsatz- und -qualifizierungskonzepte:

Qualifikationsanforderungen und Qualifizierungsmaßnahmen für teilautonome

flexible Arbeitssysteme. In: IG Metall Deutschland und Ruhruniversität Bochum

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bek: Rowohlt-Taschenbuch-Verlag.

Flick, Uwe (2014): Sozialforschung: Methoden und Anwendungen. Ein Überblick für

die BA-Studiengänge. 2. Auflage. Reinbek: Rowohlt Taschenbuch Verlag.

Fürstenberg, Friedrich (2010): Arbeitswelten im Wandel. Vortrag im Rahmen einer

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Volkshaus Kleinmünchen, Oberösterreich.

Garz, Detlef / Kraimer, Klaus (1991): Qualitativ – empirische Sozialforschung. Kon-

zepte, Methoden, Analysen. Opladen: Westdeutscher Verlag.

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kur für das Unternehmen. Frankfurt am Main: Campus Verlag.

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1848. Reform der Herrschafts- und Gesellschaftsordnung – Nationalrevolution – Wir-

kungen. In: Dowe, Dieter / Haupt, Heinz-Gerhard / Langewiesche, Dieter (Hrsg.): Eu-

ropa 1848. Revolution und Reform. Bonn: J.H.W. Dietz Nachfolger Verlag.

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Henderson, William O. (1971): Die industrielle Revolution Europa 1780-1914. Wien

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Soziologisches Arbeitspapier 38/14.

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Zusammenarbeit. Ringvolesung 1992/93: Flexible Arbeitssysteme und neue

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Kannonier-Finster, Waltraud / Ziegler, Meinrad (1996): Methodische Überlegun-

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Böhlau Verlag.

Kaufmann, Timothy (2015): Geschäftsmodelle in Industrie 4.0 und dem Internet der

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1992/93: Flexible Arbeitssysteme und neue Informationssysteme: Veränderung der

Produktionsarbeit. Frankfurt am Main: Union Druckerei. S. 113-123.

Kořalka, Jiři (1998): Revolution in der Habsburgermonarchie. In: Dowe, Dieter /

Haupt, Heinz-Gerhard / Langewiesche, Dieter (Hrsg.): Europa 1848. Revolution und

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Kubicek, Bettina / Miglbauer Marlene / Muckenhuber, Johanna / Schwarz, Clau-

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dustriezeitalter. In: Wetzel, Detlef / Hofmann, Jörg / Urban, Hans-Jürgen (Hrsg.): In-

dustriearbeit und Arbeitspolitik. Kooperationsfelder von Wissenschaft und Gewerk-

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Maschinen die uns ersetzten. München: Riemann Verlag.

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Lüdtke, Andreas (2015): Wege aus der Ironie in Richtung ernsthafter Automatisie-

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Mayring, Philipp (2015): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 12.

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Müller, Hans-Peter (1992): Karl Marx. Über Maschinerie, Kapital und industrielle

Revolution. Exzerpte und Manuskriptentwürfe 1851-1861. Opladen: Westdeutscher

Verlag.

Nawratil, Ute / Schönhagen, Philomen (2008): Die qualitative Inhaltsanalyse: Re-

konstruktion der Kommunikationswirklichkeit. In: Wagner, Hans (Hrsg.): Qualitative

Methoden in der Kommunikationswissenschaft. Ein Lehr und Studienbuch. 4. Aufla-

ge. München: Reinhard Fischer Verlag. S. 333-346

Ohm, Christof / Bürger, Manfred (2015): Ausblicke auf Industrie 4.0. In: Das Argu-

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Paetau, Michael (1990): Mensch-Maschine-Kommunikation. Software, Gestaltungs-

potentiale, Sozialverträglichkeit. Frankfurt / New York: Campus Verlag.

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Palla, Rudi (2014): Verschwundene Arbeit. Das Buch der untergegangenen Berufe.

Wien: Brandstätter Verlag.

Paulinyi, Akos (1989): Industrielle Revolution. Vom Ursprung der modernen Tech-

nik. Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag.

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sprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystem. Berlin: Suhrkamp Verlag.

Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg (1982): Die dirtte industrielle Revolution.

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Sauer, Dieter / Menz, Wolfgang (2014): Renaissance des Industriekapitalismus?

Entwicklungslinien moderner Arbeit und Perspektiven demokratischer Beteiligung. In

Wetzel, Detlef / Hofmann, Jörg / Urban, Hans-Jürgen (Hrsg.): Industriearbeit und Ar-

beitspolitik. Kooperationsfelder von Wissenschaft und Gewerkschaften. Hamburg:

VSA Verlag. S. 47-60.

Schultz, Helga (1983): Landhandwerk im Übergang vom Feudalismus zum

Kapitalismus. Vergleichender Überblick und Fallstudie Mecklenburg – Schwerin.

Berlin: Akademie-Verlag.

Sendler, Ulrich (2013): Industrie 4.0. Beherrschung der industriellen Komplexität mit

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Smith, Adam (1978): Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur

und seiner Ursachen. Aus dem Englischen übertragen und mit einer umfassenden

Würdigung des Gesamtwerkes von Horst Claus Recktenwald. München: Deutscher

Taschenbuch Verlag.

Steinbuch, Karl (1982): Probleme der Informationsgesellschaft. In: Ruprecht-Karls-

Universität Heidelberg (Hrsg.): Die dirtte industrielle Revolution. Vorträge im

Sommersemester 1982. Heidelberg: Heidelberger Verlag.

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Voppel, Götz (1990): Die Industrialisierung der Erde. Stuttgart: Teubner Verlag.

Wagner, Hans (2008): Qualitative Methoden in der Kommunikationswissenschaft.

Ein Lehr und Studienbuch. 4. Auflage. München: Reinhard Fischer Verlag.

Wetzel, Detlef (2014): Die Arbeit der Zukunft gestalten. In Wetzel, Detlef / Hofmann,

Jörg / Urban, Hans-Jürgen (Hrsg.): Industriearbeit und Arbeitspolitik. Kooperations-

felder von Wissenschaft und Gewerkschaften. Hamburg: VSA Verlag. S. 15-19.

Wetzel, Detlef / Hofmann, Jörg / Urban, Hans-Jürgen (2014): Industriearbeit und

Arbeitspolitik. Kooperationsfelder von Wissenschaft und Gewerkschaften. Hamburg:

VSA Verlag.

Young, John E. / Sachs, Aaron (1994): Die nächste Industrielle Revolution. Effizi-

ente Rohstoffnutzung und längere Produktkreisläufe. In: Worldwatch Paper. Band 14.

Schwalbach/Ts.: Wochenschauverlag.

Ziegler, Dieter (2005): Die Industrielle Revolution. Darmstadt: Wissenschaftliche

Buchgesellschaft

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6.2. Internetquellen

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https://www.bitkom.org/Bitkom/Ueber-uns/ [Stand: 08.03.2015].

Duden Online (o. J.): Aktor. URL:

http://www.duden.de/rechtschreibung/Aktor [Stand: 04.03.2015].

Frauenhofer Gesellschaft (2011): Industrie 4.0. Intelligente Produktions- und Lo-

gistiksysteme. URL: http://www.fraunhofer.de/de/forschung/forschungsfelder/

produktion-dienstleistung/industrie-4-0.html [Stand: 26.11.2015].

VDMA (o. J.): URL:

http://www.vdma.org/ueber-uns [Stand: 08.03.2015].

ZVEI (o. J.): URL:

http://www.zvei.org/Verband/AufgabenZiele/Seiten/default.aspx

[Stand: 08.03.2015].

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Wandel der Arbeit im Zeichen von Industrie 4.0

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7. Anhang

Leitfaden

Mein Name ist Carina Kerbl und mein Name ist Martina Sturmair. Wir bedanken uns,

dass Sie sich Zeit für dieses Interview nehmen und sich dafür bereit erklärt haben.

Dieses Interview erfolgt im Rahmen der Masterarbeit zum Thema „Wandel der Arbeit

im Zeichen von Industrie 4.0“ im Masterstudium Soziologie an der Johannes Kepler

Universität. Ihre Daten sowie ihre Aussagen werden von uns vertraulich behandelt

und anonymisiert.

Sind Sie damit einverstanden, dass wir das Interview mit dem Handy aufzeichnen,

um für uns die Auswertung des Interviews zu vereinfachen?

>auf Zustimmung der interviewten Person warten und anschließend Aufnahmegerät

einschalten<

Datum:

Beginn: Ende:

Dauer:

Ort des Interviews:

Anwesende Personen:

Zur Person

Name:

Geschlecht:

Beruf bzw. Tätigkeitsbereich im Unter-

nehmen oder der Organisation:

nur bei Firmen: Zum Unternehmen

Betriebsart:

Betriebsgröße:

Dauer Unternehmenszugehörigkeit:

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1. Entgrenzung und Subjektivierung in der Produktionsarbeit

a. Wie denken Sie über die Trennung von Privat- und Arbeitsleben? (Beispiel:

Firmenmails aufs private Smartphone)

b. Wie beurteilen Sie die Forderung der Arbeitskräfte nach mehr Flexibilität in der

Ablauforganisation? (Arbeitsorganisation)

2. Das Konzept Industrie 4.0

a. Was verstehen Sie persönlich unter dem Konzept Industrie 4.0? (Beschreiben

Sie das Konzept, was steckt hinter der Bezeichnung)

b. Welchen Stellenwert hat Ihrer Meinung nach dieses Konzept für die Produkti-

onsindustrie?

c. Wer wird Ihrer Meinung nach von Industrie 4.0 profitieren und warum?

3. Befürchtungen und Potentiale von Industrie 4.0

a. Welche Vorteile bringt Ihrer Meinung nach das Konzept Industrie 4.0?

i. im Allgemeinen / für die Produktionsindustrie / für Ihr Unternehmen

b. Wie werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Ihrer Ansicht nach bei der Um-

setzung von Industrie 4.0 einbezogen?

c. Inwieweit können die Entwicklungen in Richtung Industrie 4.0 die Arbeitsbe-

dingungen verbessern bzw. verschlechtern? (für Mitarbeiterinnen und Mitar-

beiter / für Führungskräfte)

d. Welche Befürchtungen bzw. Hindernisse bringt Ihrer Meinung nach das Kon-

zept Industrie 4.0 mit sich?

i. Welche Möglichkeiten der Überwindung von diesen Hindernissen gibt

es Ihrer Meinung nach? (Beispiele zu Hindernissen: Verlust von manu-

ellen Fähigkeiten, Verlust für Verständnis für den Gesamtprozess, Ab-

lehnung der neuen Technologien)

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ii. Bei wem stößt das Konzept Industrie 4.0 Ihrer Meinung nach auf Be-

geisterung oder Ablehnung und warum?

e. Nur bei Firmen: Welche Bedeutung messen Sie dem Thema Industrie 4.0 in

Ihrem Unternehmen bei?

4. Arbeitsbedingungen und Qualifikationsanforderungen

a. Welche Arbeitsbereiche werden Ihrer Meinung nach durch Industrie 4.0 in Zu-

kunft besonders einer Veränderung unterliegen und warum?

b. Welche Fähigkeiten und Qualifikationen werden in Zukunft durch Industrie 4.0

von den Arbeitskräften benötigt werden? (Fachkräfte oder schnell angelernte

Belegschaft?)

c. Wie werden sich Ihrer Meinung nach die Arbeitsbedingungen verändern, wie

z. B.: die Arbeitszeit oder die Aufgabengestaltung?

d. Welche neuen Formen der Arbeitsorganisation müssen entwickelt werden, um

die Arbeitskräfte effektiv in den Produktionsprozess einzubinden?

e. Nur bei Firmen: Wie schätzen Sie die Auswirkungen auf die Beschäftigten

ein? (auf ihre Flexibilität, Anzahl)

5. Zukunftsperspektiven und weitere Entwicklungen

a. Welche Umsetzungsarbeiten treiben Sie persönlich bzw. Ihre Organisation für

die Verwirklichung von Industrie 4.0 voran?

b. Welche Anreize braucht es Ihrer Meinung nach für eine verbreitete Umset-

zung des Konzeptes Industrie 4.0 in der Produktionsindustrie?

c. Welche Ziele und Chancen beinhaltet Ihrer Meinung nach das Konzept Indust-

rie 4.0?

d. Welche Herausforderungen sehen Sie zukünftig in diesem Bereich? (In Berei-

chen wie: Technologie, Betrieb, Produktion und Strukturen)

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e. Stellen Sie sich vor: Ein Flaschengeist würde Ihnen drei Wünsche erfüllen.

Was würden Sie sich in Bezug auf Industrie 4.0 wünschen?

6. Sonstige Anmerkungen

a. Welche zusätzlichen Anmerkungen möchten Sie zu diesem Thema noch ma-

chen?

Wir werden dieses Interview folglich transkribieren und auswerten. Wie schon er-

wähnt, werden dabei Ihre Daten sowie Aussagen anonymisiert. Falls bei der Auswer-

tung noch Fragen auftauchen sollten, wären Sie bereit uns für diese etwaigen Nach-

fragen zur Verfügung zu stehen?

>Bereitschaft einholen<

Vielen Dank für das Interview!


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