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Einführung in die Politikwissenschaft: Begriffe, Theorien ... · Mediensystem und Medienkultur. 2....

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Anne Faber Einführung in die Politikwissenschaft: Begriffe, Theorien, Methoden Typen demokratischer Regierungssysteme 16.05.2011
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Anne Faber

Einführung in die Politikwissenschaft: Begriffe, Theorien, Methoden

Typen demokratischer Regierungssysteme16.05.2011

VeranstaltungsplanTermine Themen

11.04.-02.05.11

1. Grundbegriffe: Politik, Wissenschaft, Politikwissenschaft

09.05.-30.05.11

2. Gegenstände der Politikwissenschaft: Politische Systeme

06.06.-27.06.11

3. Theorien: Vergleichende Regierungslehre, Theorien der IB, Theorien der europäischen Integration

04.07.-

11.07.11

4.Techniken und Methoden undKLAUSUR

Aufbau der Sitzung

Typen demokratischer Regierungssysteme

1. Einstieg: Definition und Sinn und Zweck2. Typen von Demokratie (Beteiligung und

Modi der Integration)3. Typen demokratischer Regierungssysteme

(institutionelle Arrangements zur Organisation von Demokratie)

4. Zusammenfassung

NachtragNachtrag 09.05.20111. Wie viele Staaten gibt es auf der Welt?

• 192 Mitgliedsstaaten der VN + Vatikanstadt = 193

2. Änderungen des deutschen Grundgesetzes seit 1949

• insgesamt rund 60 Mal; z.B. • „Europaartikel“ (Art. 23; 1992):

„(1) Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität verpflichtet ist und einen diesem Grundgesetz im wesentlichen vergleichbaren Grundrechtsschutz gewährleistet. Der Bund kann hierzu durch Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates Hoheitsrechte übertragen.“

• Einschränkung der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13; 1998)

NachtragNachtrag 09.05.20113. Deutschland/totalitär ab 1938?

• ab 1933 (30.01. Machtergreifung) klare Tendenzen zum Totalitarismus (Ermächtigungsgesetz 1933, Gleichschaltung 31.03.1933, Konzentration der Herrschaftsbefugnisse in einer Hand, Judenverfolgung, Verfolgung politischer Gegner)

1. Einstieg: DefinitionDemokratie:• ursprünglich: direkte Volksherrschaft• Herrschaft des Volkes, manifest in

– Zustimmung der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger zur Regierungsform

– Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger an der Politikgestaltung

• „government of the people, by the people, forthe people” (A. Lincoln, 1863)

• Definition Freedom House: politische Rechte + bürgerliche Freiheiten (seit 1972 surveys)

1. Einstieg: Definitionautoritäre Regime:− China− Iran− Pakistan− Russland− Venezuela

Demokratien lt. Freedom House :80-90 von 193 anerkannten souveränen Staaten

1. Einstieg: Definition

1. Einstieg: Definition

Vorschlag Croissant:

„Dabei sind institutionell geregelte Machtverteilung, Machtkontrolle und Machbegrenzung die Schlüsselbegriffe zur Analyse demokratischer Regierungsformen […].“ (Croissant 2002: 133)

1. Einstieg: DefinitionEine Demokratie ist dann gegeben, wenn (Prüfkriterien): − das Volk politische Entscheidungen in

Wahlen und Abstimmungen trifft− der Austausch der Regierung ohne

politischen Umsturz (Revolution) möglich bzw. vorgesehen ist

− die Grundrechte gewährleistet werden− es eine Gewaltenteilung gibt− Meinungs- und Pressefreiheit herrschen− auch Demokratie ist ein evolutionäres

Konzept!

1. Einstieg: DefinitionFragen, denen sich Demokratie aktuell (wieder) stellen muss:− Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern aus

nationalstaatlichen Demokratien an transnationalen und globalen Fragen und Entscheidungen! – z.B.?

− Entwicklung von Demokratieformen jenseits des Staates

− Regelungsreichweite und Aufgabenbereiche des demokratischen Staates (libertäre oder soziale Demokratie)

1. Einstieg: Sinn und ZweckWozu ist eine Definition und genauere Betrachtung demokratischer Regierungssysteme sinnvoll? • erfolgreiche Prinzipien und Formen der

Institutionalisierung von Demokratie herausfiltern

• Lernen von erfolgreichen Vorbildern• „junge“ Demokratien: Kopie erfolgreicher

Prinzipien und Institutionen – Stabilisierung!

1. Einstieg: Sinn und Zweck• Feststellung von Trends und Veränderungen• Vergleich und Verständnis politischer

Prozesse

2. Typen von Demokratie

Beteiligung und Modi der Integration

1. Direkte Demokratie 2. Repräsentative Demokratie 3. (Republikanische Demokratie)4. Liberale Demokratie5. Deliberative Demokratie6. Libertäre Demokratie7. Soziale Demokratie

2. Typen von Demokratie

Beteiligung und Modi der Integration

1. Direkte Demokratie− unmittelbare Beteiligung eines jeden Staatsbürgers an

politischen Entscheidungsprozessen− Rousseau: einzig „echte“ Demokratie− Grenzen: Problem der Entwicklung großer Flächenstaaten;

Organisation von direkten gemeinsamen Entscheidungen aller BürgerInnen schwierig

− Bsp.: Athen (Antike); Schweiz: „halbdirekte Demokratie“

2. Typen von Demokratie

Beteiligung und Modi der Integration

2. Repräsentative Demokratie− regelmäßige Wahl von Repräsentanten (Abgeordneten) für

das (Parteien-)Parlament; freies Mandat− „Professionalisierung“ und Etablierung einer politischen

Klasse− bestmögliche Annäherung an das demokratische Ideal (?)− oder: Quelle für „Politikverdrossenheit“?− Ergänzung um direktdemokratische Instrumente und

Verfahren; z.B. Referendum; Initiativverfahren/Bürgerbegehren; Volksabstimmungen

− Bsp: BRD; USA; VK

2. Typen von Demokratie

Beteiligung und Modi der Integration

3. Republikanische Demokratie (Staatsform)− „Sache des Volkes“; Gegenentwurf zur Monarchie (Nicht-

Monarchie und Nicht-Despotie)− d.h.: Staat mit gewähltem Staatsoberhaupt− Basis: politische Tugenden der BürgerInnen; Herausbildung

eines einheitlichen politischen Willens im öffentlichen Raum− Gemeinwohlorientierung des politischen Handelns des

Einzelnen (Rousseau)

2. Typen von Demokratie

Beteiligung und Modi der Integration

3. Republikanische Demokratie (Staatsform): Beispiel e:− Demokratie und Republik : USA, Deutschland, Türkei,

Frankreich, Italien, Schweiz, Österreich− Demokratie, aber keine Republik : Japan, Vereinigtes

Königreich, Dänemark, Schweden, Norwegen (parlamentarische Monarchien)

− keine Demokratie, aber Republik im Namen : Volksrepublik China, Syrien, Vietnam, Kuba (Parteidiktaturen)

− keine Demokratie und keine Republik : Saudi-Arabien, Brunei (Quelle: Wikipedia; 07.05.2011)

2. Typen von Demokratie

Beteiligung und Modi der Integration

4. Liberale Demokratie− zentrale Idee: Demokratie = Vermittlung von partikularen

Interessen, die sich in der ökonomischen und in der gesellschaftlichen Sphäre gebildet haben

− werden als Forderungen an den Staat/politisches Handeln formuliert: politischer Pluralismus

− Anspruch der liberalen Demokratie: Raum für die Entfaltung und Artikulation von Interessen zu bieten und Institutionen zu ihrer Aushandlung bereit zu stellen

2. Typen von Demokratie

Beteiligung und Modi der Integration

5. Deliberative Demokratie− Basis: individuelle, partikulare Interessen +− Bereitschaft, sich in öffentlichen Diskussionen von anderen

Lösungen/Vorstellungen überzeugen zu lassen− hohe Voraussetzungen und Anforderungen an die Qualität

und das Funktionieren des öffentlichen Raumes und der Kommunikationswege (Kommunikationskultur); Mediensystem und Medienkultur

2. Typen von Demokratie

Beteiligung und Modi der Integration

6. Libertäre Demokratie− Entscheidungskompetenzen des politischen Systems (der

Legislative/Parlamente) auf Setzung eines Rahmens für das wirtschaftliche und soziale Leben

− ansonsten: möglichst freies Spiel der Kräfte, freier Wettbewerb im Markt, Freiheit des Einzelnen

− Staat: Sicherung der Grund- und Menschenrechte, Aufrechterhaltung der Ordnung, Sicherung der Währung und Schutz nach außen

2. Typen von Demokratie

Beteiligung und Modi der Integration

7. Soziale Demokratie− soziale Alternative zur libertären Demokratie− Argument: freies Spiel der Kräfte führt zu großen Ungleichgewichten und

Ungleichheiten, da Macht und Handlungsfähigkeit sehr unterschiedlich verteilt sind; Folge: neue Formen der Unfreiheit, Widerspruch zur Grundidee der Demokratie

− wirtschaftliche und soziale Grundrechte ebenso wichtig wie bürgerliche und politische Grundrechte; Sicherung der wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen

− Bsp.: BRD; Sozialstaatsprinzip zum Schutz der individuellen Würde und sozial gerechter Verhältnisse

− Fragen: Welches Ausmaß sollten sozialstaatliche Sicherungsmodelle erreichen? Welche Maßnahmen und Ziele werden als angemessen betrachtet?

FRAGEN?

3. Typen demokratischer Regierungssysteme

IDEALTYPEN!besondere Hervorhebung

charakteristischer Merkmale + Ergänzung− z.B. parlamentarisches System; präsidentielles

System, …− Verhältnis von

1. Exekutive und Legislative sowie 2. der Kompetenzverteilung von Organen innerhalb der

Exekutive

3. Regierungssysteme

parlamentarisches System

• Abberufbarkeit der Regierung durch das Parlament (Steffani 1979)

• zweiköpfige Exekutive (PräsidentIn/KönigIn und Premier)

• Parlamente: Wahl- und Gesetzgebungsfunktion

präsidentielles System• Regierung kann nicht aus

politischen Gründen vom Parlament abberufen werden

• „geschlossene Exekutive“ (PräsidentIn)

• Präsident ist die Regierung; Staatsoberhaupt und Regierungschef zugleich

• Parlament und Regierung stehen unverbunden nebeneinander

• Parlament: Legislative + Kontrolle

Zentrale Unterscheidung (klassisch/idealtypisch)

3. Regierungssysteme

Parlamentarisches System

• doppelköpfige Exekutive: Staatspräsident direkt gewählt, (geteilte) bedeutende exekutive und legislative Kompetenzen

• Parlamente: Wahl- und Gesetzgebungsfunktion

Präsidentielles System

• zwei eigenständige Zentren politischer Gestaltung: Parlament und Exekutive; aber:

• institutionelle Verbindung beider durch Premier und Regierung (können durch Parlament abberufen werden)

Erweiterung: Semi-präsidentielle Systeme

3. Typen demokratischer RegierungssystemeSemipräsidentielle Systeme (Duverger 1980):• Direktwahl des Staatspräsidenten• Ausstattung des Staatspräsidenten mit

bedeutenden exekutiven und legislativen Kompetenzen

• Staatspräsident gegenüber: Premierminister + Regierung (Cohabitation)

• Bsp.: V. Republik F

3. Typen demokratischer RegierungssystemeAlternativer Ansatz zur Dichotomie Präsidentialismus – Parlamentarismus (Shugart/Carey 1992):• Unterscheidung von Regierungssystemen nach

a. Autorität des Präsidenten über die parlamentarische Versammlung

b. Trennung von Regierung und Parlament

3. Typen demokratischer RegierungssystemeFünf Typen von Regierungssystemen (Shugart/Carey 1992):

1. Präsidentielles System2. Präsidentiell-parlamentarisches System3. Premier-präsidentielles System4. Parlamentarisches System5. versammlungsunabhängige Regierung

3. Regierungssysteme

Regierungsformen der Welt

Republikanische Staatsform██ Präsidentielles Regierungssystem██ An das Parlament gebundene Exekutivbefugnis██ Semipräsidentielles Regierungssystem██ Parlamentarisches Regierungssystem██ EinparteiensystemMonarchische Staatsform██ Parlamentarische Monarchie██ Konstitutionelle Monarchie██ Absolute MonarchieMilitärdiktatur██ Militärregierung

Quelle: Wikipedia, 07.05.2011

Stand: Mai 2009

3. Typen demokratischer RegierungssystemeBedeutung und Konsequenzen der Betrach -tung der institutionellen Ausgestaltung von Demokratie:− wichtig für die Abschätzung der Stabilität junger Demokratien,

z.B.: MOEL− z.B.: nicht-konsolidierte Demokratien: präsidentielles System

wird eher dazu führen, Konflikte zwischen Parlament und Exekutive zu provozieren (Verordnungsrecht)

− Wirkbedingungen für effektive und stabile präsidentielle Systeme abhängig von Faktoren wie den legislativen Kompetenzen des Präsidenten oder dem Fragmentierungsgrad der Parteienlandschaft

3. Typen demokratischer Regierungssysteme

Mindestens ebenso wichtig wie konstitutionelle Merkmale:

− Wahlsystem− politische Traditionen− institutionelle Arrangements „zweiter Ordnung“

(Geschäftsordnungen etc.)− parlamentarische Mehrheitsverhältnisse− Fragmentierungsgrad der Parteienlandschaft− Grad der gesellschaftlichen Segmentierung− Stärke der Zivilgesellschaft

3. Regierungssysteme

Konsensdemokratie• Verhandlungsdemokratie• Dialog und Konsens zwischen

allen• Einbindung von

Minderheitspositionen• Bsp.: Schweiz; EU (?)

Konkurrenzdemokratie• Parteienwettbewerb• Voraussetzungen: Pluralismus und

Mehrheitsprinzip• Entscheidungsfindung durch den

Mehrheitsentscheid• Regierungsparteien vs.

Oppositionspartien• Vorteile: schnelle Entscheidungen,

hohe Effizienz• Nachteile: Ausgrenzung von

Minderheiten, niedrigere Akzeptanz (Legitimität)

• Bsp.: BRD (?), A

Mehrheits- und Konkordanzdemokratie (A. Lijphart, 1999 ):

3. Typen demokratischer Regierungssysteme

Indikatoren für die Bestimmung der Mehrheits- oder der Konkordanzdemokratie (A. Lijphart) z.B.:

− Konzentration der Exekutivmacht

− Pluralismusgrad des Verbändesystems

− Parlamentstyp (eine oder zwei Kammern)

− Zentralbankautonomie

3. Typen demokratischer Regierungssysteme

Vier Idealtypen:

Konsensdemokratien: „bessere“, leistungsfähigere Systeme

Unitarische Mehrheitsdemokratiez.B. Großbritannien

Föderale Mehrheitsdemokratiez.B. Australien

Unitarische Konsensdemokratiez.B. Schweden

Föderale Konsensdemokratiez.B. Schweiz; BRD (?)

3. Typen demokratischer Regierungssysteme

Bedeutung von „Vetospielern“ für einen Politikwechsel in einem demokratischen System:

− Vetospieler: alle Akteure, die einem Politikwechsel zustimmen müssen (institutionelle, parteipolitische, Verbände oder Zentralbanken)

− je größer ihre Zahl und je divergenter ihre Interessen bei gleichzeitiger interner Geschlossenheit (kollektive Akteure), desto schwieriger sind Politikwechsel

− Konsensdemokratien: höhere Zahl konstitutioneller und parteipolitischer Vetospieler

FRAGEN?

4. Zusammenfassung• Politikwissenschaftliche Klassifikationen und

Typologisierungsversuche: ständige Anpassungen und Neuentwicklungen, um mit den empirischen Entwicklungen Schritt zu halten

• zu starke Ausdifferenzierung von Typologien: Verlust von Orientierungsleistung

• Konzentration auf formale/institutionelle/primärrechtliche Merkmale: größere Verlässlichkeit, aber auch: Verengung; kann nur erster Schritt bei der Beschreibung und Analyse politischer Systeme sein

• ebenso wichtig: Erfassung der informellen politischen „Tiefenstruktur“ („politische Kultur“)

Fragen zur nächsten Woche

1. Was unterscheid aus Sicht der Vergleichenden Regierungslehre die EU vom Nationalstaat?

2. Weshalb ist es gerechtfertigt, von der EU als einem politischen System "sui generis" zu sprechen?

3. Welche Theorien bieten die Internationalen Beziehungen zur Erklärung der EU? Wie sind diese zu bewerten?

4. Was versteht man unter Europäisierung? Wie wirkt sich diese am Beispiel Deutschlands aus?


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