Einführung in das Arbeitsrecht an Hand praktischer Beispiele
Modul 3
Rechtsanwälte Schupp & Partner, Rechtsanwalt Björn-M. Folgmann, An der Windmühle 80, 52399 Merzenich
Stand: 19. Oktober 2010
Übersicht des Themenplanes
- Einleitung- Geschichte der Mitbestimmung (kurzer Abriß)- die Betriebsparteien- Grundsätze Zusammenarbeit der Betriebsparteien- Rechte der Betriebsparteien- Streitigkeiten der Betriebsparteien
Geschichte des Betriebsverfassungsrechts
● Betriebsratsgesetz vom 4. Februar 1920;● Abschaffung durch § 65 Nr. 1 des Gesetzes zur
Ordnung der nationalen Arbeit (AOG) während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft;
● Kontrollratsgesetz Nr. 22 (Betriebsrätegesetz);● Betriebsverfassungsgesetz 72 (BetrVG);● Anzugrenzen ist die betriebliche Mitbestimmung nach
dem BetrVG von der unternehmerischen Mitbestimmung;
● Hiervon zu unterscheiden ist das Personalvertretungsrecht.
Die unternehmerische Mitbestimmung
● Die unternehmerische Mitbestimmung wird vor allem durch drei Gesetzeswerke in der bundesdeutschen Wirtschaftsordnung verankert:– §§ 76 ff. BetrVG 1952;– Montanmitbestimmungsgesetz;– Gesetz über die Mitbestimmung der
Arbeitnehmer vom 4. Mai 1976 (MitbestG).
Betrieb und Unternehmen
● Es ist zwischen dem Betrieb als organisatorische Einheit und dem Unternehmen als Rechtsträger zu unterscheiden;
● Mehrere Unternehmen können auch einen Betrieb bilden;
● Ein Unternehmen kann auch mehrere Betriebe unter-halten. Dann sind neben den Betriebsräten Gesamtbetriebsräte zu bilden;
● Der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff unterscheidet sich vom Betriebsbegriff des Kündigungs-schutzgesetzes.
Betriebsbegriff
Ein Betrieb liegt vor, wenn die in einer Arbeitsstätte vorhandenen Betriebsmittel für den oder die verfolgten arbeitstechnischen
Zwecke zusammengefaßt, geordnet und gezielt eingesetzt werden, und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem
einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird (vgl. insbes. BAG 24. 1. 96 AP Nr. 8 zu § 1 BetrVG 1972)
Rurtalwerkstätten als Betrieb?
● Arbeitsstätte● Arbeitstechnische Zusammenfassung der
Betriebsmittel● Steuerung der menschlichen Arbeitskraft
durch einen einheitlichen Leitungsapparat
Wie vermeidet ein Unternehmen die Mitbestimmung in den Betriebsstätten?
● In Betrieben mit der Regel mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, werden Betriebsräte gewählt (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG);
● Errichtung von Arbeitsstätten mit maximal 4 ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern bei eigener einheitlicher Führung des Personals.
Begriff des Arbeitgebers
Das Betriebsverfassungsgesetz kennt den Begriff des Arbeitgebers an vielen Stellen als Normadressat. Er ist
eine der Betriebsparteien.Eine Begriffsbestimmung erfolgt nicht. Der Begriff wird
vorausgesetzt.Es ist bisweilen zu unterscheiden zwischen:
- Vertragsarbeitgeber;- Betriebsarbeitgeber.
Der Betriebsarbeitgeber ist der „richtige“ Arbeitgeber, wenn er die maßgeblichen Entscheidungen trifft. Im Falle
der Insolvenz tritt z. B. Der Insolvenzverwalter in die Stellung des Arbeitgebers ein.
Zusammenarbeit der Betriebsparteien● Arbeitgeber und Betriebsrat arbeiten unter Beachtung der
geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretungsberechtigten Gewerkschaften und Arbeit-gebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer des Betriebs zusammen (§ 2 Abs. 1 BetrVG);
● Zur Wahrnehmung der in diesem Gesetz genannten Aufgaben und Befugnisse der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften ist deren Beauftragten nach Unterrichtung des Arbeitgebers oder seines Vertreters Zugang zum Betrieb zu gewähren, soweit dem nicht unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegensteht (§ 2 Abs. 2 BetrVG);
● Es gilt das Friedenspflicht (vgl. § 74 Abs. 2 BetrVG).
Ziel des Betriebsverfassungsgesetzes
Ziel des Betriebsverfassungsgesetzes ist das
Wohl
der Arbeitnehmer!
Der Arbeitnehmer
Arbeitnehmer i. S. d. Gesetzes sind Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, unabhängig davon, ob sie im Betrieb, im Außendienst oder mit Telearbeit beschäftigt sind (§ 5 Abs 1 BetrVG);
Ausgenommen werden einzelne Beschäftigte aufgrund Anordnung des § 5 Abs. 2-3 BetrVG. Hierzu zählen insbesondere die Organe der Gesellschaft und die Leitenden Angestellten.
Instrumente der Mitbestimmung (Betriebsrat)
● Betriebsratssitzung (§ 30 BetrVG);● Beschlüsse des Betriebsrates (§ 33 BetrVG);● Einrichtung von Sprechstunden (§ 39 BetrVG);● Betriebsversammlung (§ 42 f. BetrVG);● Fragebogenaktion, sofern sich die Fragen im Rahmen der
gesetzlichen Aufgaben des Betriebsrates halten;● Sog. Monatsgespräch mit dem Arbeitgeber (§ 74 Abs. 1
BetrVG;● Anrufung/Einrichtung einer Einigungsstelle (§ 76 BetrVG);● Betriebsvereinbarung (§ 77 BetrVG) und Regelungsabrede.
Rechte des Betriebsrates● Überwachungsrecht (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG);● Antragsrechte (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG);● Recht Sachverständige beizuziehen (§ 80 Abs. 3 BetrVG);
● Einsichtsrecht in Unterlagen des Arbeitgebers (§ 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG);● Eingeschränktes Recht auf Einsicht in Personalakten (§ 83 BetrVG);● Behandlung der Beschwerden von Arbeitnehmern (§ 81, 82 BetrVG);
● Mitbestimmungsrechte (§ 87 BetrVG);● Unterrichtungs- und Beratungsrechte (§ 90 BetrVG);● Unterrichtungsanspruch über Personalplanung (§ 92 BetrVG);
● Mitbestimmung bei personellen Einzelmaßnahmen (§ 99 BetrVG);● Mitbestimmung bei Kündigungen (§ 102 BetrVG).
Personalfragebogen und Beurteilungsgrundsätze
● Personalfragebögen bedürfen der Zustimmung des Betriebsrates. Kommt eine Einigung über den Inhalt nicht zustande, so entscheidet die Einigungsstelle. Der Spruch der Einigungsstelle ersetzt die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat (§ 94 Abs. 1 BetrVG);
● Absatz 1 gilt entsprechend für persönliche Angaben in schriftlichen Arbeitsverträgen, die allgemein für den Betrieb verwendet werden sollen, sowie die Aufstellung allgemeiner Beurteilungsgrundsätze.
Personalmaßnahmen (§§ 99 und 102 BetrVG)
● Unterrichtungspflicht i. S. d. § 99 Abs. 1 BetrVG;
● Zustimmungsverweigerung i. S. d. § 99 Abs. 2 BetrVG;
● Zustimmungsfiktion (§ 99 Abs. 3 BetrVG);
● Antragsersetzungsrecht des Arbeitgebers (§ 99 Abs. 4 BetrVG).
● Anhörungspflicht des Arbeitgebers (§ 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG);
● Anordnung der Unwirksam-keit (§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG);
● Widerspruchsrecht des Betriebsrates (§ 102 Abs. 3 BetrVG);
● Kündigungsrecht des Arbeitgebers (§ 102 Abs. 4 BetrVG)
Annexkompetenzund
Kopplungsgeschäft
● Unter Annexkompetenz versteht man das Recht aus bestehenden Rechten neue Rechte abzuleiten (Recht zur Erfindung von Kompetenzen);
● Unter Kopplungsgeschäft versteht man die Vereinbarung, welche sich der Betriebsrat versprechen lässt, damit er einer zustimmungspflichtigen Maßnahme zustimmt, ohne das diese selbst von der Mitbestimmung erfasst ist.
Verbotene Tätigkeiten des Betriebsparteien
● Verbot der parteipolitischen Werbung;● Verbot das Amt entgegen der allgemeinen
Friedenspflicht gegen die andere Betriebspartei einzusetzen (z. B. durch Aufruf zu einem wilden Streik etc.);
● Drohungen gegenüber der anderen Betriebspartei;● Werbung für den jeweiligen Verband, unter
Ausnutzung der Stellung als Betriebspartei; die einfache Werbung für z. B. eine Gewerkschaft ist dem Betriebsratsmitglied jedoch nicht untersagt!
Kosten der Betriebsratstätigkeit
● Kosten und Sachaufwand der Tätigkeit des Betriebsrates trägt der Arbeitgeber (§ 40 BetrVG); dies gilt jedoch nur für solche Kosten, die der Betriebsrat für notwendig erachten durfte;
● Ist es dringend notwendig, dass der Betriebsrat externe Sachverständige beizieht, so trägt diese Kosten auch der Arbeitgeber (§ 80 Abs. 3 BetrVG); vorliegend ist jedoch zwingend eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber notwendig;
● Bei Anwälten, die Verfahrensbevollmächtigte in Beschlussverfahren sind, richtet sich die Kostentragungspflicht ausschließlich nach § 40 BetrVG.
Streitigkeiten werden beigelegt durch:
● Verhandlungen der Betriebsparteien;● die Einigungsstelle;● das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren.
Zusammenfassung
● Fassen Sie das Gelernte zusammen.● Stellen Sie nochmals den Praxisbezug her.● Klären Sie offene Fragen Ihrer Zuhörer.● Erfragen Sie die Meinung Ihrer Zuhörer zu
dieser Sitzung.