Eidesstattliche Erklärung Ich, Uwe Warm geboren am 27.03.1969, in Weißenburg/Bayern (D),
erkläre,
1. dass ich meine Master Thesis selbständig verfasst, andere als die
angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner
unerlaubten Hilfen bedient habe,
2. dass ich meine Master Thesis bisher weder im In- noch im Ausland in
irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe,
3. dass ich, falls die Arbeit mein Unternehmen betrifft, meine/n ArbeitgeberIn
über Titel, Form und Inhalt der Master Thesis unterrichtet und sein
Einverständnis eingeholt habe.
Hamburg/Wien, den 12.05.2011 Ort, Datum Unterschrift
Strategische Erfolgsfaktoren -
Finanzanalyse zur Positionsoptimierung von Unternehmen
am Beispiel der Photovoltaik-Industrie
Master Thesis zur Erlangung des akademischen Grades
Master of Business Administration (MBA)
der Donau-Universität Krems
Department für Wirtschafts- und Managementwissenschaften
Danube Business School
eingereicht von
Uwe Warm
1. Begutachter(in): Dr.rer.nat. Hartwig Rüll
2. Begutachter(in): Helga Wannerer, MA
Hamburg/Wien, 12.05.2011
3
Abstract (Deutsch) Angeregt durch die globalen Krisen der Jahre 2008-20111
Welche Optimierungs-Maßnahmen innerhalb seiner Unternehmensprozesse sollte
ein Unternehmen ergreifen, um im Vergleich zu seinen globalen Wettbewerbern
besser positioniert und auf zyklisch wiederkehrende Krisen besser vorbereitet zu
sein? Die vorliegenden Arbeit stellt dazu eine Branchenanalyse vor, die aufbauend
auf die Wettbewerbsstrategie von Michael E. Porter
und ihre negativen
Auswirkungen auf viele Unternehmen, stellt die vorliegende Arbeit ein Modell zur
Positionsoptimierung von Unternehmen ausgehend von folgender Fragestellung dar:
2 ein Finanz-Analysemodell
beschreibt, dass unter dem englischen Namen „Winning Business Model-
Analyse“(kurz WBM-Analyse)3 von dem deutschen Physiker und langjährigen Leiter
des Bereichs „Strategy and M&A“ bei Siemens Communications Dr. rer. nat. Hartwig
Rüll entwickelt wurde. Exemplarisch wird in dieser Arbeit die globale Photovoltaik
Branche4
Die vorliegende Arbeit stellt einen Nutzen für Unternehmensberater, Finanzanalysten
und Führungskräfte im Rahmen des strategischen Managements (besonders CFO)
dar, die sich mit strategischer Unternehmenspositionierung beschäftigen.
auf erfolgreiche und weniger erfolgreiche Unternehmen hin untersucht.
Unter Fokussierung auf die Auswirkungen für den deutschen PV-Markt wird versucht,
die strategischen Erfolgsfaktoren zu ergründen, die für eine überdurchschnittlich
hohe Profitabilität, Liquidität, Wachstum und Schock Resistenz verantwortlich sind.
1 US Immobilienkrise 2008; globale Finanzkrise 2008/09; europ. Wirtschaftskrise 2009/10; Eurokrise ab 2010 2 Michael E. Porter,* 1947, amerik. Universitätsprofessor für Wirtschaftswissenschaft an der Harvard Business School. Er gilt als einer der Begründer des strategischen Managements. 3 Analysemodell zur Erzielung eines dem Wettbewerb überlegenen Geschäftsmodells 4 Im folgenden Text wird für Photovoltaik die Abkürzung PV verwendet
4
Abstract (English) This work was written in 2010 when under the influence of several financial crises
and uncertainties global economy suffered causing economic downturns for a lot of
companies worldwide. Therefore the following question occurs and will be answered:
Which measures could be taken to optimize important internal processes and thus a
company`s position in regard to its global competitors in order to achieve advanced
protection against future financial downturns?
This work will take a deeper look at the factors that can lead photovoltaic-companies
into the superiority zone5
In this work the WBM-model is used to analyze global photovoltaic companies
evaluating if knowing a company`s weaknesses against its competitors will improve
the chance to tune a company towards above average profitability, liquidity, growth
and shock resistance. Within my work global PV-players from several markets will be
analysed focusing on results for the German solar market.
generating above average revenues, profits and operating
cash flows. Based on Michael E. Porter`s Competitive Strategy in my thesis I am
explaining the “Winning Business Model” (WBM) by the German physicist and former
Siemens Communications head strategist Dr. Hartwig Rüll.
The WBM-model can be of good use for financial analysts, consultants as well as the
strategic management of a company especially the CFO.
5 Comfort zone in which a company`s overall performance is above benchmark.
5
Danksagung Zuerst möchte ich meinem inhaltlichen Betreuer Herrn Dr. Hartwig Rüll danken, der
es mir durch seine Ruhe, Geduld, Zuversicht und Unterstützung ermöglicht hat, mich
in das Thema der Unternehmensanalysen einzuarbeiten und mit seinem Instrument
der „Winning Business Models“ den Faktor Zeit als werttreibenden Erfolgsfaktor in
unternehmensinternen Prozessabläufen zu analysieren. Die Anwendung seines
Modells ermöglichte mir in der Analyse erfolgreiche Unternehmen von weniger
erfolgreichen Mitbewerbern zu differenzieren und zeigt auf, wie entscheidende
Wettbewerbsvorteile generierbar sind. Die vorliegenden Arbeit analysiert dazu
erstmals die Global Player der Photovoltaik-Industrie nach dem „Winning Business
Models“-Prinzip.
Außerdem möchte ich mich bei meinen Betreuern an der Danube Business School
allen voran Hr. Mag. Willibald. Gföhler, MBA, Frau Wannerer, MA sowie Frau
Michaela Kastner für Ihre stets rasche unkomplizierte Hilfe und Unterstützung
bedanken.
Mein abschließender Dank gehört meiner Familie ohne deren Ermutigung,
Unterstützung und Entlastung die Ausarbeitung der vorliegenden Master Thesis nicht
möglich gewesen wäre.
6
Inhaltsverzeichnis: Abbildungsverzeichnis 08 Tabellenverzeichnis 08 Abkürzungsverzeichnis 09 Firmenverzeichnis 10 1. Executive Summary 11
1.1. Problemstellung 11 1.2. Branchenwahl 12 1.3. Strukturierung des Problems 13 1.4. Zielformulierung 13 1.5. Verwendete Methoden 13
2. Definitionen 15
2.1. Strategie 15 2.2. Erfolgsfaktoren 16 2.3. Finanzanalyse 17 2.4. Positionsoptimierung 18 2.5. Photovoltaik-Industrie 20
3. Struktur- und Konkurrentenanalyse 22
3.1. Branchenvergleich 23 3.2. Wettbewerb 23
3.2.1. Wann Wettbewerb auftritt 24 3.2.2. Auswirkungen und Kennzeichen von Wettbewerb 25 3.2.3. Wettbewerbsstabilität 26 3.2.4. Wettbewerbsstrategie 26
3.3. Das 5 Kräfte Modell nach Porter 28 3.4. Branchenanalyse nach Porter 35 3.5. Porter Resümee 36
4. PV Industrie 38
4.1. Umwelt- und Rahmenbedingungen f.d.Einsatz von erneuerbarer Energie38 4.2. PV-Definition 40 4.3. Geschichte der PV 41 4.4. Kurzeinführung in die PV-Technik 43 4.5. PV-Verwendung/Einsatzbereich 46 4.6. PV-Ertragsdimensionen und Amortisation 48 4.7. PV und Netzbetreiber (Netzintegration) 49 4.8. Netzparität 51
7
5. Bedeutung des 5-Kräfte Modells für die PV Industrie 53
5.1. Neue Wettbewerber 55 5.2. Kunden 58 5.3. Zulieferer 59 5.4. Ersatzprodukte 62 5.5. Rivalität unter bestehenden Wettbewerbern 63 5.6. Staat als Regulator 64 5.7. PV-Industrie im Umbruch: Krise 2009 70 5.8. PV-Branchen Resümee 71
6. Datenvorbereitung zur Analyse der PV-Branche anhand von WBM-
Analyseverfahren 74 6.1. Datenerhebung 75 6.2. SPSS 78 6.3. Regressionsanalyse 79 6.4. Datenaufbereitung 81 6.5. Datenanpassung und Validierung 83
7. Winning Business Models-Analyseverfahren (WBM) 85
7.1. Methodik 88 7.2. Werttreibende Erfolgsfaktoren 88
7.2.1. CV 89 7.2.2. VCV 90
7.3. Werttreibende Erfolgsfaktoren als Steuerinstrument 91 7.3.1. Profitabilität 93 7.3.2. Liquidität 94 7.3.3. Wachstum 94 7.3.4. Schock Resistenz 94 7.3.5. Auswertung der analysierten PV-Branche 94
7.4. Das überlegene Geschäftsmodell 97 7.5. Implementierung 100 7.6. Grenzen der WBM-Analyse 102
8. Zusammenfassung und Ausblick 103 Anhang 110 Literaturverzeichnis 110
8
Abbildungsverzeichnis: Abb.01: Average Annual Growth Rates of Renewable Energy Capacity S.12 Abb.02: PV-Wertschöpfungskette S.21 Abb.03: Konkurrenten Analyse (Porter) S.23 Abb.04: Karte strategischer Gruppen und ihrer Rivalität untereinander S.24 Abb.05: Fünf-Kräfte Modell inkl. Staat als Faktor im Branchenwettbewerb S.29 Abb.06: Strategische Wendezone S.37 Abb.07: Rohölpreisentwicklung 1960-2010 (in U$) S.39 Abb.08: Globaler Energieverbrauch nach Art des Energieträgers S.40 Abb.09: PV-Anfänge in Deutschland. S.42 Abb.10: Bestandteile einer netzgekoppelten PV-Anlage S.44 Abb.11: Ermittlung der optimalen Aufstellposition einer PV-Anlage S.45 Abb.12: R&D Fortschritte im Bereich des PV-Wirkungsgrads S.46 Abb.13: Aufteilung Grid / Off-Grid Anlagen S.47 Abb.14 PV-Anwendungsbeispiel für autarke Stromversorgung S.48 Abb.15: Amortisation einer PV-Anlage im Ländervergleich S.49 Abb.16: Stromverbrauch vs. Stromerzeugung aus Wind und PV in D. S.50 Abb.17: Erreichen der Netzparität im internationalen Vergleich S.52 Abb.18: Sarasin –Langfristprognose für den weltweiten PV-Markt S.55 Abb.19: globale PV-Modulpreisentwicklung 2007-2010. S.56 Abb.20: Entwicklung der PV-Produktion in China S.57 Abb.21: Grüne Stimuluspakete – Ausgaben 2010 S.66 Abb.22: Solarzellenproduktion in Deutschland 2000-2008 S.67 Abb.23: Deutschlands PV-Exporte 2004-2013 S.68 Abb.24a,b Energiemix in Deutschland, Stand 2005+ 2009 S.69 Abb.25: Förderung Erneuerbarer Energien in Deutschland S.70 Abb.26: Solarstromanlagen seit 2006 rund 50% billiger S.71 Abb.27: Entwicklung des europ. PV-Markts (nach inst. MW-Leistung) S.73 Abb.28: Analysierte PV-Unternehmen S.75 Abb.29: Ablaufdiagramm SPSS Regressions-Analyse S.80 Abb.30: Beispiel der SPSS Ausgabedatei „EBITM 2009“. S.84, 85 Abb.31: schematische Ablaufdarstellung einer WBM-Analyse S.87 Abb.32: High VCV vs. Low VCV Unternehmen S.89 Abb.33a,b,c Dreieck der werttreibenden Erfolgsfaktoren S.90,91,92 Abb.34: PV Unternehmen Gesamt nach Herkunftsländern S.95 Abb.35: High VCV PV Unternehmen nach Herkunftsländern S.95 Abb.36: Erzielte Wertschöpfung der analysierten PV-Branche S.99 Abb.37: Sarasin Nachhaltigkeitsbericht 2009 S.109 Tabellenverzeichnis: Tabelle 01: PV-Zellproduktion – Silizium vs. Non-Silizium S.45 Tabelle 02: weltweit führende Polysilizium Hersteller 2010 S.60 Tabelle 03: EEG Vergütungssätze 2004-2013 S.70 Tabelle 04: Auszug aus Analyse-Datenbank/Rohdatensammlung S.78
9
Abkürzungsverzeichnis:
Abb. = Abbildung bzw. = beziehungsweise Capex = Capital Expenditure = Investitionsaufwand COGS = Cost of Goods Sold = Aufwände für Material und Personal Ct = Cent CV = Cash Velocity
Indikator für Schnelligkeit der Umwandlung der aggregierten Kosten aus den Verkaufs-,Zahlungs- und Lagerhaltungsprozessen in Umsatz.
DIO = Days Inventory Outstanding DPO = Days Payable Outstanding DSO = Days Sales Outstanding DoCOGS = Days of Cost of Goods Sold DoR&D = Days of Research & Development DoSG&A = Days of Selling, General and Administrative Expenses DoCapex = Days of Capital Expenditure EBIT = Earnings before Interest and Tax =
Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern et al. = und weitere EVU = Energieversorgungsunternehmen F&E = Forschung & Entwicklung ggfs. = gegebenenfalls GuV = Gewinn- und Verlustrechnung
(income statement, profit & loss account) i.d.R. = in der Regel i.S. = im Sinne von Kap. = Kapitel KFR = Kapitalflussrechnung (cash flow statement) OCF = Operating Cash Flow p.a. = (per Anno) im Jahr PV = Photovoltaik R&D = Research & Development SG&A = Selling, General and Administrative Expenses VCV = Value Chain Velocity
Indikator für Zeitspanne die vergeht, bis Wertschöpfung generiert wird WBM = Winning Business Models YoY: = Year on Year (Im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres)
10
Firmenverzeichnis:
BP S. 54,55,58,77 Centrotherm Photovoltaics AG S. 46, 61 Cisco Systems S. 33 First Solar S. 57, 82 GCL-Poly S. 60, 61, 76 General Electric (GE) S. 53, 77 Gintech S. 56, 82 GT Solar International S. 61 Hemlock S. 76 IBM S. 78 Ja Solar S. 56 Kyocera, S. 77 LDK Solar S. 56 MEMC Electronic Materials, Inc. S. 61 Meyer Burger S. 61 Mitsubishi S. 54, 55, 77 Motech S. 46, 56, 82 REC S. 77 Sanyo S. 77 Sharp S. 77 Shell S. 54, 55, 77 Siemens S. 3, 77 SMA Solar S. 42, 61 Solar World AG S. 60 Suntech S. 56 Tata S. 58 Toshiba S. 55 Trina Solar S. 56 Wacker Chemie S. 60, 61, 76 Yingli Green S. 56
11
1. Executive Summary
1.1. Problemstellung Zur strategischen Positionsbestimmung eines Unternehmens ist es
entscheidend, die Leistungen eines Unternehmens, gemessen in
wirtschaftlichen Kennzahlen6
Aus den Erkenntnissen der Positionsbestimmung heraus können
erforderliche Kurskorrekturen hervorgehen die, wenn erfolgreich
implementiert und umgesetzt, langfristige Wettbewerbsvorteile generieren
helfen können. Die erfolgreiche Anwendung ermöglicht Unternehmen
weitestgehend Schock resistent zu werden, also auch in Krisenzeiten ein
besseres Betriebsergebnis (EBIT) als der vergleichbare Wettbewerb zu
erzielen.
, mit denen von anderen Unternehmen innerhalb
einer Branche zu vergleichen.
Die Nichtkenntnis der eigenen Wettbewerbs-Position sowie der eigenen
Stärken und Schwächen (und die der Wettbewerber) beraubt Unternehmen
der Möglichkeit selbstbestimmt und im Voraus zu handeln. Wie der
Steuermann eines Schiffes ohne GPS- und traditionelle Navigationsgeräte
fahren diese Unternehmen „auf Sicht“, können also erst im Anlassfall
reagieren und Gegenmaßnahmen setzen. Dies kann im worst case zu spät
sein und die Firma zum potentiellen M&A7
Was also tun, um diese vorausschauenden Informationen zu erlangen und
mit ihrer Hilfe das (eigene) Unternehmen im Vergleich zum globalen
Branchenwettbewerb noch besser zu positionieren?
Übernahmekandidaten machen.
Zumindest jedoch führt es zu unnötig häufig und kurzfristigen
Kurskorrekturen, typisch für Unternehmen, die langfristige
Kostenoptimierungs-Strategien vermissen lassen und von zyklische Krisen
voll getroffen werden.
6 Hier im Sinne von Inputparametern für die WBM-Analyse (z.B. DIO, DPO, DSO) siehe auch Kapitel 6 und 7 7 Merger & Akquisition
12
1.2. Branchenwahl In der vorliegenden Arbeit erfolgt eine Schwerpunktbetrachtung der
Photovoltaik (PV) Industrie. PV steht für Stromgewinnung aus
Sonneneinstrahlung.
Rund 25 % (1230 GW8) der globalen Stromerzeugungskapazitäten von 4.800
GW entfielen 2009 bereits auf erneuerbare Energie9
Von den erneuerbaren Energien hatte die PV im Zeitraum 2004-2009 die
stärksten Wachstumsraten siehe Abb. 01 Average Annual Growth Rates of
Renewable Energy Capacity.
.
Abb. 01: Average Annual Growth Rates of Renewable Energy Capacity, end-2004 to 2009, (Quelle: REN21 Renewable Energy Policy Network for the 21st Century, www.ren21.net, Nov. 2010)
Die PV hat von allen erneuerbaren Energien die steilste
Kostensenkungsrate10
Darüber hinaus befindet sich die PV-Industrie derzeit im Umbruch von der
jungen Pionier-Branche zur reifen Branche (siehe Kap. 5 Bedeutung des 5
Kräfte Modells für die PV Industrie) und damit in einer Umstrukturierung der
(siehe Kap. 4.8 Netzparität).Damit hat Solarstrom das
Potential rasch zu einer konkurrenzfähigen erneuerbaren Energiequelle zu
werden.
8 Gigawatt. Einheit der elektrischen Leistung. 1 Gigawatt = 1.000 Megawatt = 100.000 Kilowatt. 9 Bankhaus Sarasin (2010/08): Erneuerbare Energien: vom Nischen- zum Massenmarkt, S.4 10 Bankhaus Sarasin (2010/11): Solarwirtschaft – unterwegs in neue Dimensionen. Technologien, Märkte und Industrien im Vergleich., S.6
13
inneren Wettbewerbsverhältnisse, was eine Branchenanalyse zur
Positionsbestimmung der involvierten Unternehmen zusätzlich spannend
macht.
1.3. Strukturierung des Problems
Die einleitende Forschungsfrage soll mit Hilfe der WBM-Analyse beantwortet
werden. Eine Detaillierung der Forschungsfrage erfolgt durch zusätzliche acht
Einzelfragen, die die WBM-Analyse spezifiziert (siehe Kap. 7. Winning
Business Models-Analyseverfahren).
1.4. Zielformulierung Mit meiner Master Thesis soll der Nachweis erbracht werden, dass
Unternehmen, die ihre werttreibenden Erfolgsfaktoren (siehe 2.2
Erfolgsfaktoren) kennen, monitoren und optimierend steuern können,
entscheidende Wettbewerbsvorteile in Form von überdurchschnittlich hohen
Gewinnspannen, Cashflowspannen (aus lfd. Geschäftstätigkeit) und
Umsatzerlösen generieren können und krisenresistenter sind. Diese
Unternehmen liegen, gemessen an Profitabilität, Liquidität und Schock
Resistenz dauerhaft über der ihrer Konkurrenten -auch in Krisenzeiten und
haben ein hohes Wachstumspotential.
Nicht-Ziel ist eine oberflächliche Betrachtung und subjektive, nicht messbar
nachvollziehbare Beurteilung einer Vielzahl von Firmen, eine
Standardfinanzanalyse oder eine Wiederholung der Porter`schen
Beweisführung. Ebenfalls Nicht-Ziel ist die exemplarische Einzelauswertung
eines der analysierten Unternehmen (obwohl diese Daten vorliegen), da die
analysierten Unternehmen als PV-Industrie gesamthaft betrachtet werden.
1.5. Verwendete Methoden
Im ersten Schritt erfolgt die Auswahl der zu analysierenden Unternehmen der
Branche. Grundlage hierfür ist öffentlich zugängliches Datenmaterial aus dem
Internet in Form von veröffentlichten Geschäftsberichten
(Konzernabschluss).Es gilt herauszufinden, welche Faktoren (z.B. schlanke
14
Prozesse, schnelle Zahlungsströme, hohe Wertschöpfungsketten) von ihrem
Einfluss her kennzeichnend für die Branche sein könnten. Anschließend wird
eine repräsentative Anzahl (Anzahl, Art, Größe, Auswahlkriterien siehe
Kapitel 6. Datenvorbereitung zur Analyse der PV Branche) vergleichbarer
Unternehmen der Branche betrachtet und miteinander verglichen.
Als verwendete Analyse-Methodik zur Daten-Aufbereitung und Auswertung
wurde ein quantitatives Nachweisverfahren gewählt, basierend auf einer
computergestützten Datenanalyse. Dafür wurde eine eigene Datenbank
aufgebaut und per Regressionsanalyse ausgewertet. Die Regressionsanalyse
hat den Vorteil, aus dem vorhandenen Datenbestand funktionale
Zusammenhänge zu ermitteln und auf dieser Basis zukünftige
Veränderungen prognostizierbar zu machen.
Die hier verwendete Software ist Excel und SPSS Statistics (Version 18)11
.
11 Statistiksoftware-Produkt der früheren amerik. Firma SPSS Inc. heute IBM, auch vermarktet als PASW (Predictive Analysis SoftWare)
15
2. Definitionen 2.1. Strategie
"Eine Strategie ist ein Weg, kein fester Punkt."
Michael E. Porter, Professor Harvard Business School, Boston, USA12
„Der Begriff "Strategie" leitet sich vom griechischen strategós (stratos und
agein)13
Von berühmten Militärstrategen wie Sun Tzu oder Carl P.G. von Clausewitz
ab, was so viel bedeutet wie "Feldherrenkunst" oder
„Feldherrentum“. Hierin lag auch die ursprüngliche Anwendung von Strategie.
Auch das erste überlieferte Buch dazu (Die Kunst des Krieges) stammt vom
General und Militärstrategen Sun Tzu (auch Sunzi, Sun Tsu) aus China um
500 v. Chr. 14
Allerdings gibt es in der wissenschaftlichen Literatur keine einheitliche
Auffassung von Strategie.
beeinflusst kommt es ab ca. Mitte des 20 Jhd. zur Weiterentwicklung
strategischer Modelle im Hinblick auf ihren wirtschaftlichen Einsatz.
Klassisch versteht man unter Strategie im wirtschaftlichen Sinne die
geplanten Verhaltensweisen von Unternehmen zur Erreichung ihrer Ziele.
Sie lassen sich in langfristige (strategische Planung), mittelfristige und
kurzfristige (operative) Ziele unterteilen. Die langfristige Planung stellt den
Rahmen dar, in dem sich ein Unternehmen bewegen möchte (Markt-,Produkt-
,Wettbewerbsausrichtung). Bekannte Beispiele für langfristige
Unternehmensziele sind die sogenannten Unternehmens-Leitbilder oder –
Visionen (Missionstatements).
Strittig ist, inwieweit Strategien ausschließlich planbar sind (Strategie als
vorgesehener Plan bzw. als bereits realisiertes Muster) und nicht auch von
12 Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie. Methoden zur Analyse von Branchen und Konkurrenten,10.Auflage, Frankfurt-New York, Campus, S.15. 13 My Etymology (2011): Strategia, http://www.myetymology.com/greek/strategia.html, Abfragedatum 12.05.2011. 14 preußischer General und Militärtheoretiker, 1780-1831, Hauptwerk (unvollendet) „vom Kriege“
16
sich selbst aus Unternehmen heraus entstehen können (emergente
Strategien)15
In der vorliegenden Arbeit wird Strategie ausschließlich unter dem Aspekt von
Unternehmensstrategien betrachtet, besonders der strategischen Planung zur
bestmöglichen Positionierung des eigenen Unternehmens in Bezug auf
dessen Wettbewerber zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen (siehe auch
Kap. 3.2.4 Wettbewerbsstrategie).Die strategische Planung ist, auch aufgrund
der sich ständig ändernden Wettbewerbskräfte, kein Einmal-Prozess sondern
erfordert Kontinuität und fortlaufende Anpassungen der festgelegten
Unternehmensausrichtung.
.
Häufige Merkmale von langfristigen Unternehmensstrategien:
• Sie sind das Resultat von Analyse- und Planungsprozessen.
• Sie sind zukunftsorientiert.
• Sie definieren den Tätigkeitsbereich/Schwerpunkt/Ausrichtung eines
Unternehmens.
• Sie beziehen sich auf die Ausrichtung des Gesamtunternehmens.
• Sie stehen in Abhängigkeit zu den Möglichkeiten des Unternehmens
(Stärken, Schwächen, Chancen, Risiken).
• Sie sind wettbewerbsbezogen (Einbeziehung der relevanten Umwelten).
• Sie sind Gradmesser für Erfolg oder Nichterfolg eines Unternehmens und
erfordern daher eine Festlegung, Kommunikation, Umsetzung und
laufende Kontrolle.
2.2. Erfolgsfaktoren
Erfolgsfaktoren allgemein stehen für Variablen, die eine direkte Auswirkung
auf den Erfolg eines Unternehmens haben.
Als strategische Erfolgsfaktoren verstehen sich in der vorliegenden Arbeit die
werttreibenden Faktoren (siehe auch Kap. 7.1 Methodik +7.2. Werttreibende
Erfolgsfaktoren). Dies sind Parameter abgeleitet aus den Kennzahlen der
Jahresabschlussberichte der analysierten Unternehmen, die eine Aussage in
Bezug auf die Schnelligkeit von Kapitalbindenden Prozessen und interner
15 Mintzberg, H. (1999,2007): Strategy Safari, München, Redline Wirtschaft-Finanz Buch Verlag vgl. Positionierungsschule (S.99-145) vs. Lernschule (S. 203 ff)
17
Wertschöpfung erlauben, daher die Bezeichnung Werttreiber. Für die
Schnelligkeit der Kapitalbindenden Debitoren-, Kreditoren- und
Lagerhaltungs-Prozesse stehen die Faktoren DSO, DPO, DIO. Für die
Schnelligkeit der wertschöpfenden Prozesse stehen die Faktoren DoCOGS,
DoCapex, DoF&E, DoSG&A.
Zusammen dienen die sieben werttreibenden Erfolgsfaktoren als
Inputparameter für die statistische Auswertung per Regressionsanalyse.
Aggregiert ergeben die sieben werttreibenden Erfolgsfaktoren den CV und
VCV Wert. CV und VCV stellen die Spitze der werttreibenden Erfolgsfaktoren
also die Schlüsselparameter dar. Das Herauskristallisieren von CV und VCV
stellt bei der mathematischen Herleitung das Ziel der WBM-Berechnung dar.
2.3. Finanzanalyse Die Finanzanalyse, hier verwendetet im Sinne der Fundamentalanalyse, dient
zur Ermittlung der wirtschaftlichen Performance eines Unternehmens. Sie ist
eine Auswertung basierend auf den betriebswirtschaftlichen Daten aus dem
Unternehmensabschluss (Quartal oder Jahresabschluss) bestehend aus
Bilanz, Gewinn-und Verlustrechnung (GuV) und Kapitalflussrechnung (KFR).
Es gibt unterschiedliche Auswertungsarten, die meisten Finanzanalysen
ermitteln Kennzahlen wie Eigenkapitalquote, Gesamtkapitalrentabilität,
Cashflow und Schuldentilgungsdauer. Darüber hinaus sind diverse
Auswertungen zur Zahlungskraft, Vermögensstruktur, Rentabilität,
Produktivität und Erfolg möglich.
Die so gewonnenen Werte können zum Performance-Vergleich z.B. mit
anderen Geschäftsjahren desselben Unternehmens oder mit anderen
Unternehmen der Branche (Wettbewerber) verwendet werden.
Als Ergebnis von Finanzanalysen steht häufig die Nennung eines Kursziels
und die Abgabe einer Kauf- oder Verkaufsempfehlung für das analysierte
Wertpapier.
In Erweiterung der oben beschriebenen Finanzanalyse berücksichtigt die
WBM-Analyse zusätzlich den Faktor Zeit und analysiert diesen für
ausgewählte Prozesse (siehe Kap. 7 Winning Business Models-
Analyseverfahren).
18
2.4. Positionsoptimierung
"Zwischen den Stühlen zu sitzen, ist eine Garantie für den Misserfolg"16
Michael E. Porter
Positionierung ist die grundsätzliche Festlegung auf einen der folgenden drei
Strategietypen und dessen Ausgestaltung:
• Kostenführerschaft
• Differenzierung
• Konzentration auf Schwerpunkte
Ein gleichzeitiges kontinuierliches Verfolgen von mehr als einem der drei
Ansätze ist in der Praxis laut Porter17
Kostenführerschaft basiert auf niedrigeren Kosten im Verhältnis zu den
Wettbewerbern. Sie kann erreicht werden durch entsprechend hohe Einkaufs-,
Produktions- und oder Absatzkapazitäten unter Ausnutzung aller möglichen
Kosteneinsparungen, Kostenminimierung in allen organisatorischen
Abteilungen, Vermeidung von marginalen Kunden und laufender Kontrolle
von variablen und Fixkosten. Kostenführerschaft ermöglicht einem
Unternehmen selbst in Branchen mit starkem Wettbewerb noch
überdurchschnittliche Erträge. Kostenführer sind stärker gegenüber ihren
Wettbewerbern (niedrigere Kostenstruktur), Abnehmern (geringe Anfälligkeit
für Auftragsverluste aufgrund von Preiswettkämpfen), Lieferanten (höhere
Flexibilität bei Kostensteigerungen) und Bedrohung durch Ersatzprodukte.
Allerdings erfordert die Realisierbarkeit von Kostenführerschaft oft hohe
Marktanteile und hohen Kapitaleinsatz. Diese Faktoren, die zu einem
Kostenvorsprung führen, schaffen gleichfalls Eintrittsbarrieren gegenüber
neuen Wettbewerbern durch Skaleneffekte und Kostenvorteile.
Zusammengefasst ermöglicht Kostenführerschaft einen umfassenden Schutz
gegenüber allen 5 Wettbewerbskräften (siehe Kap.3.3 Das 5-Kräfte-Modell
nach Porter.)
fast nicht möglich, erfordert doch jeder
einzelne Punkt eine kompromisslose organisatorische Unterstützung und
Zielbündelung aller Maßnahmen.
16 Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie. S.14-15
17 Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie. S.71
19
Differenzierung ist das Schaffen von Einzigartigkeit in der Branche auf
einer oder mehreren Ebenen. Erfolgreiche Differenzierung garantiert
Markenbindung und überdurchschnittliche Erträge selbst in gesättigten
Märkten. Ein erfolgreiches Beispiel hierfür aus dem Mittelstand ist das
österreichische Familienunternehmen Zotter18
Konzentration auf Schwerpunkte bedeutet Konzentration auf
Marktnischen. Marktnischen können spezielle Kundengruppen, Produkt-
Segmente oder geographische Regionen eines Marktes sein, die
ertragsversprechend erscheinen. Die Fokussierung führt zu einer
Effizienzsteigerung (z.B. besserer Kundenfokus, raschere Reaktionsfähigkeit,
niedrigere Kosten) im Vergleich zu einem breit aufgestellten Mitbewerber aber
auch zu einer höheren Risikoanfälligkeit (Nischen-Abhängigkeiten), da die
Möglichkeit der Risikostreuung über mehrere Marktsegmente entfällt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Konzentrationsstrategie einer
Kombination aus Differenzierung und Kostenführerschaft für eine bestimmte
Zielausrichtung darstellt.
, ein Nahrungsmittelhersteller
spezialisiert auf Schokoladenprodukte. Zotter erzielt dank eigenwilliger
Kreationen und origineller Vermarktung seit Jahren höhere Renditen und
wachsende Marktanteile in dem gesättigten von Großkonzernen dominierten
Süßwarenmarkt.
Positionsoptimierung
Am Markt bestehende Unternehmen sollten laut Porter19
eine verteidigungsfähige Position aufzubauen oder/und durch entsprechende
Positionierung zu bewahren, das heißt von sich aus auf die Ausrichtung der
fünf Wettbewerbskräfte dahingehend einzuwirken, dass die eigene
Wettbewerbsposition gestärkt wird. Durch Analyse der Wettbewerbskräfte
können sich Rückschlüsse auf mögliche Veränderungen von
Wettbewerbsgrundlagen ergeben, die es erlauben, durch frühzeitige Reaktion
den Wandel durch Strategieanpassung noch vor der Konkurrenz auszunutzen.
darauf abzielen,
18 Siehe www.zotter.at 19 Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie. S.64-65
20
Die Analyse nach Porter und dem darauf aufbauenden WBM-Verfahren
unterstützt den Wissensgewinn um die eigene Position eines Unternehmens
im Branchenvergleich und kann bei Ausnutzung und Implementierung dem
anwendenden Unternehmen eine Beschleunigung von
Unternehmensprozessen und Wertschöpfung erlauben und dadurch im
Branchenvergleich zu überdurchschnittlicher Profitabilität und Liquidität führen.
Daraus ergibt sich eine Art „Krisenimmunisierung“ des Unternehmens (siehe
auch Kap.7.3.4 Schock Resistenz).
2.5. Photovoltaik-Industrie
Als Photovoltaik-Industrie (PV-Industrie) wird in der vorliegenden Arbeit die
Gesamtheit der Unternehmen bezeichnet, die industriemässige Hersteller von
Siliziumhalbfertigprodukten, Solarzellen/Modulen oder Zulieferer von
Produkten zur Herstellung und Betrieb von PV-Modulen (z. B.
Produktionsanlagen oder Wechselrichter) sind und/oder in weiterer Folge
deren Installation und/oder Betrieb als schlüsselfertige Dienstleistung
anbieten, sogenannte PV-Systemintegratoren. Bei den PV-
Systemintegratoren handelt es sich um international tätige
Kapitalgesellschaften (nicht um lokal agierende Vorort Installateure), die eine
schlüsselfertige PV-Lösung bestehend aus PV-Modul, Rack, Befestigung,
Wechselrichter liefern können. Manche Unternehmen vereinen mehrere
Funktionen entlang der PV-Wertschöpfungskette20
(siehe Abb. 02 PV-
Wertschöpfungskette), sie sind vertikal integriert.
20 Gesamtspektrum reichend von Erzeugung von Siliziumblöcken, Ingots und Wafern über die Fertigung der Zellen , Module, Wechselrichter bis hin zum Anbieten von Gesamtlösungen, die Einbau, Installation und Betrieb fertiger PV-Anlagen beinhalten.
21
Abb. 02: PV-Wertschöpfungskette (Quelle: U.Warm / Fotos: Motech, Akeena Solar)
Der Fokus der vorliegenden Arbeit liegt auf global tätigen, börsennotierten
Unternehmen mit einem Jahresumsatz > 50 Mio. €uro.
Nichtbestandteil der Branchenanalyse sind ausschließliche Erzeuger von
Roh-Silizium und Hersteller von Polysilizium (Reinstsilizium). Aufgrund
wechselseitiger Abhängigkeiten finden diese dennoch Erwähnung (siehe Kap.
5.3 Zulieferer). Ebenfalls ausgenommen von der Analyse sind Unternehmen,
die sich ausschließlich mit Solarthermie21
beschäftigen
Die Analyse erstreckt sich auf weltweite Anbieter mit einem
Auswertungsfokus für den deutschen Markt.
Zu weiteren Selektionskriterien der für die WBM-Analyse herangezogenen
Unternehmen siehe Kap. 6.1 Datenerhebung
21 Wärmegewinnung aus Sonneneinstrahlung (im Unterschied zu Stromgewinnung bei Photovoltaik)
22
3. Struktur - und Konkurrentenanalyse „Die Strukturanalyse ist das Grundgerüst für die Formulierung der
Wettbewerbsstrategie.“22
Michael E. Porter
Die Struktur-Analyse, oder auch Branchenstrukturanalyse, beruht auf der
Identifizierung von Ursachen und Stärken der fünf Wettbewerbskräfte zuzüglich
des Staats als Regulator, die den Wettbewerbscharakter der Branche und das ihr
zugrundeliegende Gewinnpotential bestimmen. Porter unterteilt diese Analyse in
zwei Schritte:
Die Strukturanalyse einer Branche als Ganzes23
und die darauffolgende noch detailreichere brancheninterne Strukturanalyse
24
Bei der Analyse der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens muss das Einzel-
Unternehmen in Relation zur Branche gesetzt werden, da die fünf Kräfte nach
Porter immer auf die gesamte Branche bezogen sind.
.
Das Porter`sche Modell ist zweckmäßig zum Verständnis einer Branche vor allem
in der Anfangsphase einer strategischen Analyse, hilft auch komplexe
Interaktionen von Wettbewerbern innerhalb einer Branche strukturiert zu
untersuchen und zu bewerten und ermöglicht somit Chancen und Risiken der
eigenen Unternehmens-Position besser einzuschätzen.
Eine detaillierte Konkurrentenanalyse25
(siehe Abb. 03 Konkurrenten Analyse) dient in Ergänzung der Strukturanalyse zur Planung der eigenen
Positionierbarkeit zukünftiger Maßnahmen wie z.B. dem Setzen offensiver
Schritte gegenüber dem Wettbewerb und der Abschätzung möglicher
Wettbewerbsreaktionen. Aus der Analyse aller wichtigen aktuellen und
potentiellen Wettbewerber lassen sich zukünftige Branchenbedingungen
prognostizieren.
22 Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie., S. 34 23 vgl. Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie., S. 33 ff 24 vgl. Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie., S. 180 ff 25 vgl. Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie., S. 86 ff
23
Abb.03: Konkurrenten Analyse (nach Porter). (Quelle: M.E.Porter)
3.1. Branchenvergleich
Branchenvergleich bedeutet in meiner Arbeit die Analyse einzelner PV-
Firmen nach dem WBM-Verfahren zu deren Positionsbestimmung innerhalb
ihrer Branche. Darüber hinaus lassen sich anschließend verschiedenste so
analysierte Branchen miteinander vergleichen, um zu erkennen, welche
Werttreiber für welche Branchen charakteristisch sind, was allerdings nicht
Bestandteil dieser Arbeit ist.
Somit steht der Branchenvergleich hier für eine brancheninterne
Wettbewerbsanalyse, weswegen die Definition von Wettbewerb im Anschluss
näher erläutert wird.
3.2. Wettbewerb
Wettbewerb bedeutet mit gleichen oder ähnlichen Produkten oder Services in
der gleichen Branche, auf gleichen Märkten um die gleichen Kunden zu
rivalisieren.
Wettbewerb lässt sich unterscheiden in inländischen, ausländischen und
weltweiten Wettbewerb; in aktuellen und potentiellen sowie homogenen und
heterogenen Wettbewerb.
24
Kennzeichnend für die heutige, vernetzte und schnelllebige Zeit ist der
globale Wettbewerb von Philip Kotler auch als Hyperwettbewerb
bezeichnet.26
Laut Kotler und Caslione befinden wir uns in einer neuen Phase der
Weltwirtschaft, in der Marktturbulenzen regelmäßiger als die Normalität sind.
Daher liegt die neue Stärke des Managements vor allem in der Schnelligkeit
des Umgangs mit diesen Turbulenzen, um Unternehmen beweglich und
leistungsfähig zu halten.
3.2.1. Wann Wettbewerb auftritt
Rein das Vorhandensein mehrerer Unternehmen in einer Branche bedeutet
noch keinen Wettbewerb. Es kommt vielmehr auf den Fokus der einzelnen
Firmen an (z.B. Kunden-, Markt-, Qualität-, Preis-, Produkt/Service-
Orientierung).Unternehmen, die mit gleichen oder ähnlichen Produkten oder
Services innerhalb eines Marktes dasselbe Kundenpotential bedienen wollen,
stehen im Wettbewerb zueinander. Porter spricht hier von strategischen
Gruppen in einer Branche27
siehe Abb. 04 Karte strategischer Gruppen und
ihrer Rivalität untereinander.
Abb.04: Karte strategischer Gruppen und ihrer Rivalität untereinander (nach Porter). 26 Kotler, P., Caslione J. A. (2009): Chaotics-Management in turbulenten Zeiten., München, mi-Wirtschaftsbuch , S.42/43 27 vgl. Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie., S.183 ff
25
(Quelle: M.E.Porter) Existieren mehrere Unternehmen innerhalb einer strategischen Gruppe bzw.
mehrere strategische Gruppen in einer Branche so entsteht aufgrund der
Rivalität Wettbewerb bei Preisen, Werbung, Service und sonstigen Variablen.
3.2.2. Auswirkungen und Kennzeichen von Wettbewerb Je mehr Unternehmen die strategische Gruppe umfasst (Oligopol bis
vollkommener Wettbewerb)28
Der Wettbewerb innerhalb einer Branche kann die Ertragsrate des
eingesetzten Kapitals tendenziell auf die Mindestertragsrate heruntersetzen
also die Ertragsrate, die bei vollkommener Konkurrenz noch erzielt werden
kann.
, umso wahrscheinlicher ist es, dass die
Unternehmen ihre potentiellen Gewinne untereinander weg konkurrieren.
Die Mindestertragsrate entspricht in etwa dem Ertrag aus langfristigen
Staatsanleihen zuzüglich eines Risikozuschlags für die Gefahr des
Kapitalverlusts. Unternehmen, die kontinuierlich weniger als die
Mindestertragsrate erwirtschaften, werden auf Dauer aus der Branche
ausscheiden. Umgekehrt ist die Kapitalbeschaffung für diejenigen Firmen
leichter, die im Ergebnis deutlich über der Mindestertragsrate liegen.
Gegenseitige Abhängigkeit kennzeichnet die Unternehmen, die im
gegenseitigen Wettbewerb stehen. Diese Abhängigkeit ist nicht allein auf die
direkten Wettbewerber reduzierbar, sondern erstreckt sich auf alle Faktoren
des Porter`schen 5-Kräfte Modells (siehe Kap. 3.3 5-Kräfte Modell nach
Porter), also auch auf Kunden, Lieferanten usw. Jedes Unternehmen spürt die
Auswirkungen der Maßnahmen seiner Wettbewerber und ist gedrängt, darauf
zu reagieren. Der Ausgang von Wettbewerbsmaßnahmen eines
Unternehmens ist somit auch abhängig von den Reaktionen der anderen
Branchenteilnehmern (Strategie und Gegenmaßnahmen).
28 Auf Unternehmen, die im vollkommenen Wettbewerb stehen, also in Branchen tätig sind, in denen keine Eintrittsbarrieren herrschen und folglich so viele Unternehmen existieren, dass kaum gegenseitige Beeinflussung möglich ist, sondern nur Reaktion auf allgemeine Marktbedingungen, wird in der vorliegenden Arbeit nicht näher eingegangen. Der Schwerpunkt hier liegt auf Unternehmens-Wettbewerb im Oligopol.
26
Die Situation erinnert an das klassische Gefangenendilemma aus der
Spieltheorie nach Neumann und Morgenstern.29
3.2.3. Wettbewerbsstabilität Zu Wettbewerbs-Instabilität kommt es durch Positionskämpfe zwischen den
Wettbewerbern einer Branche (bis hin zum regelrechten Wettbewerbskrieg),
die in Summe die Rentabilität für alle Teilnehmer reduzieren. Es gilt: je höher
die Zahl der Wettbewerber, je gleichmäßiger ihre relative Stärke, je
standardisierter ihre Produkte, je höher ihre Fixkosten und je langsamer das
Branchenwachstum, desto höher die Wettbewerbs-Instabilität.30
Wettbewerbsstabilität hingegen ist gekennzeichnet durch das Vorhandensein
von Orientierungspunkten (z.B. branchenüblicher Rabattrahmen), die der
Branche eine gewisse Stabilität verleihen. Mögliche Konflikte werden nur
innerhalb von allen Teilnehmern anerkannten Grenzen ausgetragen und
garantieren somit eine höhere Rentabilität für alle.
Sollten solche Orientierungspunkte innerhalb einer Branche fehlen, so ist es
für die Marktteilnehmer nützlich, sich auf allgemein akzeptierbare Regeln -im
legalen Rahmen, nicht i.S. von Preisabsprachen oder Kunden-Aufteilungen-
zu einigen.
3.2.4. Wettbewerbsstrategie “Jedes im Wettbewerb stehende Unternehmen hat eine Wettbewerbs-
Strategie, bewusst oder unbewusst. Diese Strategie kann ausdrücklich durch
Planung entwickelt worden oder aus den Aktivitäten der verschiedenen
Unternehmensbereichen hervorgegangen sein.“31
29 2 Personen sind schuldhaft aber ohne Kontakt zueinander inhaftiert und werden einzeln vernommen. Fall A:Bei Nichtgeständniss beider drohen jedem 3 Jahre Haft, Fall B:bei Aussageverweigerung des Einen aber Aussage des Anderen, 10 Jahre für den der schweigt und Straffreiheit für den der aussagt. Fall C:Sagen beide aus erhält jeder 7 Jahre. Der Wahrscheinlichkeit nach werden beide Inhaftierte Möglichkeit C wählen, da eine bindende Einigung auf A ungewiss und um das Risiko von B (10 Jahre Haft) auszuschließen.
30 vgl. Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie., S.135 31 Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie., S. 21
27
„Die Wettbewerbsstrategie verlangt, ein Unternehmen so zu platzieren, dass
es den Wert der Fähigkeiten maximiert, die es den Konkurrenten voraus
hat.“32
Michael E. Porter
Für ein Unternehmen innerhalb einer konkurrierenden Branche liegt der
Zweck der Wettbewerbsstrategie darin, eine Position zu finden, in der es sich
am besten gegen die Wettbewerbskräfte schützen kann oder sie zu seinen
Gunsten, zum Beispiel durch den Aufbau von Barrieren, beeinflussen kann.
Eintrittsbarrieren begrenzen die Anzahl möglicher neuer Mitbewerber,
Mobilitätsbarrieren schützen vor den bestehenden Mitbewerbern (siehe auch
Kap. 3.3 5-Kräfte Modell nach Porter)
Zur Veranschaulichung der vielfältigen Optionen, die Unternehmen zur
strategischen Differenzierung verfolgen, seien hier Einige aufgeführt:
-Herstellungsspezialisierung (make or buy)
-Technologiespezialisierung (z.B. Technologieführerschaft dank starker F&E)
-Produktspezialisierung
-Kundenspezialisierung (z.B. nach Segment B2B33, B2C34
-Qualitäts bzw. Outputmengen-fokussierung
oder nach Gebiet)
-Imagefokussierung (Markenidentifikation)
-Absatzspezialisierung (z.B. Push oder Pull-Strategie)
-Serviceorientierung
-Preispolitik
-Kostenpolitik
-Marketingorientierung und
-Differenzierung durch Implementierung des Winning Business Models
Auch gilt es zu entscheiden, bis zu welchem Ausmaß sich ein Unternehmen
(nehmen wir an ein Hersteller) vorwärts oder rückwärts integrieren möchte,
sprich welche Produktvorstufen es noch selber herstellen möchte bzw.
32 Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie., S. 86 33 Business-to-Business= Handelsbeziehungen zwischen zwei oder mehr Unternehmen 34 Business-to-Consumers= Handelsbeziehungen zwischen Unternehmen und Privatpersonen (Konsumenten)
28
welche Vermarktungswege und Services es nach Herstellung selbst
übernehmen möchte. Manche Unternehmen konzentrieren sich auf ihre
Kernkompetenz und neigen zur Fremdvergabe (Outsourcing) anderer
Tätigkeiten, die damit nicht direkt im Einklang stehen. Andere Unternehmen
bevorzugen die interne Durchführung dieser Funktionen, da sie es für
kostengünstiger, sicherer oder einfacher zu koordinieren halten.
3.3. Das 5-Kräfte Modell nach Porter
„Wer vieles berechnet, kann siegen, wer wenig berechnet, wird verlieren. Um
wie viel geringer sind die Chancen dessen, der überhaupt keine
Berechnungen anstellt!“
Sun Tzu, chinesischer General und Militärstratege um 500 v. Chr.
Basis der Strukturanalyse ist das 5-Kräfte Modell (siehe Abb. 05 Fünf-Kräfte
Modell incl. Staat als Faktor im Branchenwettbewerb).
Das Modell beschreibt die Kräfte, die von außen (externe Umwelt) auf ein
Profit-Unternehmen wirken (Non-Profit Unternehmen werden von dem Modell
nicht abgebildet). Es dient in der unternehmerischen Planung dem
strategischen Management als Hilfsmittel zur Strategieanalyse, meist in
Kombination mit Umwelt-35 und SWOT- bzw. TOWS- Analyse36
Es basiert auf dem Ansatz, dass die Attraktivität einer Branche (für in der
Branche tätige Unternehmen) durch die Marktstruktur bestimmt wird, die
wiederum das strategische Verhalten der Unternehmen in Form ihrer
Wettbewerbsstrategie und damit ihren Markterfolg beeinflusst. So lässt sich
zusammenfassen, dass der Erfolg eines Unternehmens zumindest indirekt
von der Marktstruktur abhängt.
.
Fünf wesentliche Wettbewerbskräfte (5 Forces) kennzeichnen dabei jeden
Markt und bestimmen je nach Ausprägung über seine Attraktivität bzw. Nicht-
Attraktivität. Es kommt zur Bedrohung durch:
35 Analysiert das externe Umfeld eines Unternehmens (Kunden, Lieferanten, Gesetzgebung) 36 interne Analyse der Stärken(S),Schwächen(W),Chancen(O) und Bedrohungen (T) eines Unternehmens
29
• neue Potentielle Wettbewerber (New Entrants),
• Verhandlungsstärke der Kunden (Customers),
• Verhandlungsstärke der Zulieferer (Vendors/Suppliers),
• Ersatzprodukte (Substitution)
• Rivalität unter den bereits am Markt bestehenden Wettbewerbern der
Branche (Incumbents).
Hinzu kommt der Staat als Faktor im Branchenwettbewerb37
(siehe auch
Kap.5. Bedeutung des 5-Kräfte Modells für die PV Industrie). Laut Porter kann
man bei der Strukturanalyse die Einwirkung des Staats aber auch rein durch
die fünf Wettbewerbsfaktoren untersuchen, da ein staatlicher
Regulierungseingriff (z.B. in Form von Subventionen) Einfluss auf jeden der 5
Faktoren ausübt.
Abb.05: Fünf-Kräfte Modell incl. Staat als Faktor im Branchenwettbewerb (nach Porter). (Quelle: M.E.Porter, H.Rüll, U.Warm)
Erklärung der jeweiligen Faktoren:
Bedrohung durch …neue Potentielle Wettbewerber (New Entrants)
37 Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie., S. 16,45,63-64,243-244
30
Der Markteintritt neuer Wettbewerber mit gleichen oder ähnlichen Produkten
oder Services erhöht die Konkurrenz in einer Branche durch Schaffung von
zusätzlichen Kapazitäten, die abgesetzt werden wollen. Neue Wettbewerber
führen zu einer erhöhten Konkurrenz um Marktanteile, potentiell ertragreiche
Kunden, gute Lieferantenkonditionen und Rohstoffe. Die Rivalität, meist
ausgetragen über die Variable Preis, führt zu niedrigeren Gewinnspannen für
alle Wettbewerber mit gleicher Ausrichtung (strategische Gruppe).Der
Markteintritt neuer Wettbewerber wird begünstigt durch das Vorhandensein
fehlender oder niedriger Eintrittsbarrieren; bei Vorhandensein hoher
Eintrittsbarrieren erschwert.
Als Eintrittsbarrieren fungieren
• Skaleneffekte (Economies of Scale),
• Produktdifferenzierung,
• hohe Kapitalerfordernisse,
• hohe Umstellungskosten (switching costs),
• Zugang zu Vertriebskanälen,
• allgemeine Kostennachteile neuer Wettbewerber gegenüber bereits am
Markt etablierter Unternehmen
• sowie staatliche Politik als Regulator.
Der Markteintritt neuer potentieller Wettbewerber erfolgt, wenn er für diese
günstig erscheint, das heißt die Aussicht auf zeitlich nahen wirtschaftlichen
Erfolg verspricht oder aus strategischen Gründen (z.B. Gegenangriff auf einen
Wettbewerber) sinnvoll erscheint. Eine hohe Aussicht auf wirtschaftlichen
Erfolg gibt es meist in jungen Branchen, in denen noch Marktwachstum
möglich ist, vorhandenes Kundenpotential noch nicht (zur Gänze) aufgeteilt
ist, marktbeherrschende Großunternehmen sich noch nicht herausgebildet
haben und die Eintrittsbarrieren, die die bisher am Markt vorhandenen
Unternehmen errichten konnten noch niedrig sind.
Eine Formel, die die Bedingungen für einen Brancheneintritt formuliert, ist „der
für den Eintritt kritische Preis“38
38 Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie., S. 46
. Liegen demnach die zu erwartenden
Ertragschancen des potentiellen Neueinsteigers gleichauf mit den zu
erwartenden Kosten für den Markteintritt (Überwindung der Eintrittsbarrieren
und Vergeltungsmaßnahmen der Mitbewerber), so erhält man den kritischen
31
Preis. Unterhalb dieser Schwelle erfolgt in der Regel kein Markteintritt neuer
Wettbewerber (da Aussicht auf länger anhaltenden Verlust), oberhalb des
kritischen Preises sind die Erfolgsaussichten für potentielle Wettbewerber
vielversprechend und führen in der Regel zum Eintritt vieler neuer
Unternehmen.
Bedrohung durch …Verhandlungsstärke der Kunden (Customers)
Die Bedrohung der am Markt bestehenden Wettbewerber durch die
Verhandlungsstärke der Kunden ist gleichbedeutend mit der Bedrohung der
Rentabilität einer Branche. Es gilt, je größer die zusammengefasste
Verhandlungsstärke einer Abnehmergruppe, desto geringer die potentielle
Rentabilität. Gelingt es den bestehenden Wettbewerbern (hier i.S.v.
Lieferanten) nicht, sich durch entsprechende Kundenbindungsprogramme
„loyale Kunden“ aufzubauen, so werden Kunden zur Vermeidung von
Lieferantenabhängigkeit und zur Erzielung von Kostenreduktion in ihrem
Einkaufsbereich bestrebt sein, eine Dual- oder Multiple-Vendor Strategie zu
fahren. Diese Methode funktioniert, solange die Produkte oder Services der
Branche standardisiert und daher leichter austauschbar sind.
Desweiteren kritisch für die am Markt bestehenden Wettbewerber sind
vollständig informierte Käufer, also Kunden, die die Preise der gesamten
Wertschöpfungskette kennen und dieses Wissen zur Erhöhung ihrer
Verhandlungsstärke ausnutzen.
Die Verhandlungsstärke der Kunden ist desto höher, je weniger Abnehmer es
für ein Produkt oder Service am Markt in der Branche gibt.
Umgekehrt kann, sofern möglich, die Auswahl der geeigneten Kunden die
Wachstumsrate eines Unternehmens signifikant beeinflussen, wenn es
gelingt, das Stärkepotential der Kunden gering zu halten.
Das Wachstumspotential des Kunden wiederum wird bedingt durch:
• die Wachstumsrate seiner Branche,
• die Wachstumsrate des Marktsegments, in dem der Kunde tätig ist,
• das Ausmaß, in dem sich der Marktanteil des Kunden bezogen auf
seine Branche ändert.
32
Bedrohung durch …Verhandlungsstärke der Zulieferer (Vendors/Suppliers)
Zulieferer (Lieferanten), die aufgrund verschiedener Faktoren (siehe unten)
eine Machtposition am Markt erlangt haben, stellen eine Bedrohung (z.B.
durch mögliche Preis-, Lieferzeit- oder Schaffung von Technologie-
Abhängigkeiten) für die am Markt bestehenden Wettbewerber dar. Sie können
die Rentabilität von Branchen senken, wenn die Branche nicht in der Lage ist,
die Preiserhöhungen an die Endkunden weiterzugeben. Faktoren, die eine
Machtposition von Lieferanten begründen sind z.B.
• die Konzentration der miteinander im Wettbewerb stehenden
Unternehmen auf einen (Monopol) oder auf einige wenige (Oligopol)
Zulieferer.
• Keiner, der miteinander im Wettbewerb stehenden Abnehmer hat eine
marktwirtschaftliche Größe erreicht, die ihm ein „Verhandeln auf
Augenhöhe“ mit dem Lieferanten erlaubt.
• Die Branche hat sich nicht zu großen Einkaufsgemeinschaften
zusammengeschlossen, um beim Zulieferer bessere Konditionen
erzielen zu können.
• Die miteinander im Wettbewerb stehenden Abnehmer-Unternehmen
sind auf das Produkt des Zuliefers angewiesen, da es einen wichtigen
Input für die weitere Wertschöpfungskette der Abnehmer darstellt.
• Dem Zulieferer ist es gelungen, Austrittsbarrieren durch
Umstellungskosten beim Wechsel zu Produkten (Technologien) von
alternativen Lieferanten aufzubauen.
• Die miteinander im Wettbewerb stehenden Abnehmer-Unternehmen
können das Produkt des Lieferanten nicht selber herstellen oder ihre
Kunden verlangen (z.B. in der IT-Branche aufgrund von
technologischen Standards) speziell das Produkt des Zulieferers.
• Die miteinander im Wettbewerb stehenden Abnehmer-Unternehmen
sind von der technischen Unterstützung des Lieferanten abhängig.
• Dem Lieferanten ist es gelungen, dass seine von den miteinander im
Wettbewerb stehenden Abnehmer-Unternehmen nachgefragten
Produkten spezialisierte Schulungsmaßnahmen bei den Mitarbeitern
des Abnehmers erfordern, für die die Abnehmer-Unternehmen selbst
aufzukommen haben.
33
• Dem Zulieferer ist es aufgrund seiner Vormachtstellung gelungen,
weitere Abhängigkeiten bei seinen Abnehmerfirmen in Form von
Kundenbindungsprogrammen zu erzeugen (z.B. Partnerschaften-
Modelle, Spezialisierungsverpflichtungen, Zertifizierungsverpflicht-
ungen, Auditierungen)
Vereinzelt gelingt es starken Lieferanten regelrecht einen Teil ihrer eigenen
administrativ aufwändigen und daher kostspieligen Arbeiten auf abhängige
Abnehmer-Firmen abzuwälzen.
Das US-amerikanische Unternehmen Cisco Systems ist ein Beispiel für solch
einen starken, global sehr erfolgreich agierenden Lieferanten.
Bedrohung durch …Ersatzprodukte (Substitution)
Ersatzprodukte begrenzen das mögliche Gewinnpotential eines
Unternehmens bzw. einer Branche. Je attraktiver das Preis-
/Leistungsverhältnis, Image, etc. des Ersatzprodukts, desto höher das
Bedrohungspotential für die Produkte der am Markt bestehenden
Unternehmen. Je höher die Gewinne der Hersteller von Ersatzprodukten,
desto grösser ist das Bedrohungspotential (aufgrund möglicher Skaleneffekte,
höherer Werbeetats, wachsender Vertriebsstärke, etc.) durch die
Substitutionsprodukte.
Bedrohung durch …Rivalität unter den bereits am Markt bestehenden Wettbewerbern (Incumbents).
Unternehmen, die im gleichen Marktsegment mit gleichen oder ähnlichen
Produkten um dieselben Kunden konkurrieren, stehen im Wettbewerb
zueinander (siehe Kap. 3.2.1 Wann Wettbewerb auftritt und Kap. 3.2.2
Auswirkungen und Kennzeichen von Wettbewerb).
Die Rivalität in einer Branche wird erhöht durch
• Das Vorhandensein vieler gleich fokussierter Wettbewerber (vgl.
strategische Gruppen siehe Abb. 04 Karte strategischer Gruppen und
ihrer Rivalität untereinander) bzw. gleichstark ausgestatteter
Wettbewerber.
34
• Langsames, stagnierendes oder rückläufiges Branchenwachstum, das
die Konkurrenz um Marktanteile innerhalb des vorhandenen
Marktpotentials erhöht.
• Fehlende oder mangelhafte Differenzierung der Produkte bzw. der am
Markt bestehenden Wettbewerber selbst (in den Augen der Kunden)
• Fehlende oder niedrige Mobilitätsbarrieren, die das Wechseln von
anderen am Markt bestehenden Wettbewerbern innerhalb des
Marktsegments bzw. zwischen den strategischen Gruppen der Branche
erleichtern. Die Errichtung von Mobilitätsbarrieren soll den Wechsel
eines Unternehmens von einer strategischen Position zu einer anderen
innerhalb der Branche einschränken bzw. verhindern. Unternehmen,
die erfolgreiche Eintritts- und Mobilitätsbarrieren errichtet haben,
können sich besser vor Nachahmern schützen und meist auch höhere
Gewinne erzielen.
• Hohe Marktaustrittsbarrieren, die das Ausscheiden weniger
erfolgreicher Wettbewerber aus der Branche verhindern (oft aufgrund
von hohen Marktaustrittskosten z.B. in Form von
Stilllegungsaufwendungen). Somit verbleiben auch unrentabel
wirtschaftende Wettbewerber noch im Marktumfeld und können zur
Senkung des Gewinnpotentials aller beitragen.
Die einzelnen Faktoren der Mobilitäts- bzw. Austritts-Barrieren sind gleich den
Faktoren der Eintrittsbarrieren (siehe Kap. 3.3 Das 5-Kräfte Modell nach Porter
/ Bedrohung durch …neue Potentielle Wettbewerber).
Bedrohung durch …Regierungseingriff (Regulation)
Keine Strukturanalyse ist vollständig, wenn nicht gegenwärtige oder zukünftige
staatliche Maßnahmen mit berücksichtigt werden. Der staatliche Einfluss
erstreckt sich auf jeden Faktor direkt oder indirekt.
Der Staat kann selbst als Kunde/Abnehmer auftreten, kann durch
Subventionen das Aufkommen von Ersatzprodukten und Nachfrageverhalten
der Kunden steuern, kann durch Regulierung zu mehr Wettbewerb in einer
Branche anregen (z.B. Telekommunikation) oder durch Lizenzvergabe,
Einfuhrzölle oder Limitierung von Vorprodukt- oder Rohstoffexporten das
Aufkommen neuer Wettbewerber erschweren. Staatliche Eingriffe sind an
35
erster Stelle in Schlüsselbranchen (wie z.B. Energiegewinnung) zu
verzeichnen, wo wichtige staatliche Ziele (Versorgungssicherheit) eine
strategische Rolle spielen.
Laut Porter bestimmt die zusammengefasste Stärke dieser Kräfte das
Gewinnpotential in der Branche, ausgedrückt im langfristigen Ertrag des
eingesetzten Kapitals. Umgekehrt gilt: je stärker die kumulierte Bedrohung
durch die fünf Wettbewerbskräfte in ihr ist, desto unattraktiver ist sie für
Mitbewerber, da es schwieriger ist, einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu
generieren.
Die maximal möglichen Gewinnpotentiale sind von Branche zu Branche
unterschiedlich.
3.4. Branchenanalyse nach Porter
Wie oben bereits erwähnt (siehe Kap. 3 Struktur- und Konkurrentenanalyse),
baut Porter seine Branchenanalyse schrittweise auf. Auf die Strukturanalyse
der Branche als Ganzes folgt bei ihm eine genaue Konkurrentenanalyse. Im
Anschluss widmet er sich der brancheninternen Analyse. Die brancheninterne
Strukturanalyse wiederum lässt sich nach Porter in fünf Schritte unterteilen39
Beschreibung der Strategie aller wichtigen Wettbewerber und Einteilung der
Branche in strategische Gruppen. Als strategische Gruppen werden
Unternehmen mit der gleichen oder ähnlichen Strategie zusammengefasst.
Die strategischen Gruppen einer Branche können mittels einer Karte
visualisiert werden. (siehe Abb. 04 Karte strategischer Gruppen und ihrer
Rivalität untereinander)
:
1) Feststellung der Stärke und Zusammensetzung der Mobilitätsbarrieren, die
jede einzelne Gruppe schützen.
2) Bestimmung der relativen Verhandlungsstärke jeder einzelnen
strategischen Gruppe gegenüber ihrer jeweiligen Lieferanten und
Abnehmern.
39 vgl. Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie., S. 183-198
36
3) Positionsbestimmung jeder einzelnen strategischen Gruppe gegenüber
Ersatzprodukten.
4) Bestimmung der Stärke der Marktinterdependenz unter den strategischen
Gruppen (Anfälligkeit für Wettbewerbskriege).
Es gibt Unternehmen, deren Kapitalertragsrate dauerhaft über der ihrer
Wettbewerber liegt. Die fünf allgemeinen Wettbewerbskräfte plus der Staat
als Regulator stecken den Rahmen ab, in dem alle Unternehmen einer
Branche konkurrieren. Die darauf aufbauende Branchenanalyse hilft
herauszufinden, warum manche Unternehmen ständig rentabler sind als
andere und wie dies mit ihrer strategischen Position zusammenhängt. Es
drängt sich der Verdacht auf, dass im Ranking Vergleich zusätzliche
Einflüsse basierend auf den organisatorischen Fähigkeiten dieser
Unternehmen (wie Kostensenkung, Management, Organisation, Marketing-
um nur einige zu nennen) eine wichtige Rolle spielen, um diese
Leistungsdifferenzen zu erklären. Ebenfalls von Bedeutung ist die Fähigkeit
von Top-Unternehmen, sich vor neuen Wettbewerbern und Imitatoren zu
schützen durch Eintrittsbarrieren gegenüber neuen Wettbewerbern von
außen und Mobilitätsbarrieren gegenüber den Wettbewerbern der eigenen
strategischen Gruppe.
3.5. Porter Resümee
Der Wissensgewinn resultierend aus den oben beschriebenen und
durchgeführten Analysen nach Porter kann von Unternehmen verwendet
werden, sich strukturell oder organisatorisch strategisch vorteilhafter
aufzustellen. Beispiele für eine strukturelle Änderung wären eine
Repositionierung innerhalb der strategischen Gruppe, in der das
Unternehmen konkurriert oder konkurrieren möchte (z.B. Eintritt in die
Gruppe, in der das Verhältnis zwischen möglichem Gewinnpotential und
Eintrittskosten am günstigsten ist oder Schaffung einer neuen strategischen
Gruppe). Beispiele für organisatorische Änderungen innerhalb eines
Unternehmens seien zur Vollständigkeit ebenfalls angeführt wie Änderungen
in Prozessabläufen, Vertriebsstruktur, Service, Lieferantenauswahl,
37
Produktausprägung oder Kundenorientierung um nur einige zu nennen.
Desweiteren kann als Analyse-Resultat auch ein Verbleiben in der bereits
bestehenden strategischen Gruppe sein aber mit dem Versuch, die
Zugangsbarrieren (Eintritts- und Mobilitätsbarrieren) zu verstärken, die eigene
Position gegenüber der Bedrohung durch Ersatzprodukte zu verbessern und
eine günstigere Position gegenüber Kunden und Lieferanten aufzubauen, um
so die eigene Positionierung innerhalb der Gruppe zu verbessern.
Die Porter Analyse zeigt damit auf, wie sich die bestehende strategische
Position eines Unternehmens, zusammen mit der bestehenden
Branchenstruktur auf die Marktergebnisse und letztendlich auf die
Unternehmensrentabilität niederschlägt.
Als Indikator ob und wann eine strukturelle oder organisatorische strategische
Neuausrichtung in einem Unternehmen erforderlich ist kann die strategische
Wendezone (strategic inflection point) nach Andrew S. Grove angesehen
werden40
(siehe Abb. 06 Strategische Wendezone).
Abb.06: Strategische Wendezone (Quelle: Andrew S. Grove) Die strategische Wendezone beschreibt Veränderungsprozesse innerhalb
einer Branche die, da meist langsam stattfindend, oft erst retrospektiv
wahrnehmbar sind. Beispiele sind oft im Rahmen von Technologiewandel
40 Grove, A. S., (1996): Only the Paranoid survive. How to exploit the crisis points that challenge every company,2.Auflage,New York, Random House, S. 32 ff
38
auszumachen wie die Einführung des Containers (hier i.S.v. Bedrohung durch
Ersatzprodukt), der den Güterfrachtverkehr revolutionierte41. Umso wichtiger
ist es daher für Unternehmen rechtzeitig den Indikator ausfindig zu machen,
der vermuten lässt, dass sich ihre Branche abseits gewohnter Veränderungen
in einem regelrechten Strukturwandel befindet. Dafür verantwortliche
Indikatoren befinden sich innerhalb des Porter`schen 5 Kräfte Modells und
können einen oder mehrere Vektoren betreffen. Im Falle der analysierten
globalen PV-Industrie (siehe Kap.5 Bedeutung des 5-Kräfte Modells für die
PV-Industrie) sind gleich 3 Vektoren (Staat, Neue Wettbewerber, Zulieferer)
betroffen, die einem „Faktor- 10-Change“ also bahnbrechenden
Veränderungen wie es Andrew S. Grove42
4. PV Industrie
beschreibt unterliegen. Darüber
hinaus sind derzeit Veränderungen im Vektor Ersatzprodukte ausmachbar
(Stichwort siliziumfreie Dünnschichtzellen), die bei Zunahme eine ernst zu
nehmende Bedrohung für die klassischen siliziumbasierenden PV-Hersteller
darstellen evtl. gar einen Technologiewechsel einleiten.
Die Nutzung der Sonnenenergie wird nicht weiterentwickelt, weil die Ölkonzerne
nicht im Besitz der Sonne sind.“
Ralph Nader (*1934), amerik. Rechtsanwalt, genannt "Anwalt der Verbraucher"
4.1. Umwelt- und Rahmenbedingungen für den Einsatz von erneuerbarer Energie.
Deutschland hat aufgrund seiner hohen Bevölkerungsdichte43
Dieser Energiebedarf kann erzeugerseitig mittelfristig nicht mehr
ausschließlich aus fossil nuklearen Energieträgern
und seines
hohen Industrialisierungsgrads einen hohen Energiebedarf.
44
41 Der Fracht- oder Schiffscontainer wurde im Jahr 1956 von dem Reeder Malcolm McLean an der US-Ostküste für den Güterverkehr eingeführt (Wikipedia (2011):
gewonnen werden, ohne
hohe Umwelt- und wirtschaftliche Risiken (Umweltkatastrophen ausgelöst
http://de.wikipedia.org/wiki/Container , Abfragedatum 12.05.2011) 42 vgl. Grove, A. S., (1996): Only the Paranoid survive, S. 25 ff. 43 Deutschland 231 Einwohner/km², Österreich 99,5 Einwohner/km² (Wikipedia (2011): http://de.wikipedia.org/wiki/Bev%C3%B6lkerungsdichte#Deutschland , Abfragedatum 28.03.2011) 44 Öl, Erdgas, Kohle, Uran
39
durch Erderwärmung oder Unfälle wie im Golf von Mexico45 und Japan46
,Abhängigkeit von endender Rohstoffversorgung, politisch instabilen
Lieferanten-Ländern, volatilen steigenden Energiepreisen-siehe Abb.07
Rohölpreisentwicklung) in Kauf zu nehmen und ohne bereits getroffene
Kyoto47
und EU Klimabeschlüsse gefährden zu wollen (EU-Klimapaket vom
Dez. 2008 zur Reduktion von CO2 Emissionen; auch bekannt als 20-20-20
Strategie).
Abb.07: Rohölpreisentwicklung 1960-2010 (in U$) (Quelle: http://www.tecson.de/poelhist.htm) Die ausreichende Sicherung der Energieversorgung auch unter sich zukünftig
ändernder Voraussetzungen (z.B. durch eine massive Nachfrageerhöhung
durch aufkommende Elektromobilität oder einen vorzeitigen Ausstieg aus der
Atomkraft) stellt daher wirtschafts- und gesellschaftspolitisch eine
entscheidende Herausforderung dar.
Erneuerbare Energien in Form von Sonne, Wind, Wasserkraft, Biomasse
oder Geothermie bieten hier einen Ausweg an. Das natürliche Vorkommen ist
unerschöpflich, die Primärenergie48
45 BP Bohrinsel Katastrophe „Deep Water Horizon“ im Golf von Mexico April 2010
ist CO2 neutral und ihre strategisch
beschleunigte Markteinführung senkt die volkswirtschaftliche
46 Atomreaktorunfall in Fukushima/Japan März 2011 47 Basierend auf dem Weltklimagipfel 1997 in Kyoto einigten sich die versammelten industrialisierten Vertragsstaaten im sogenannten Kyoto-Protokoll auf die Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen um durchschnittlich 5,2 Prozent im Zeitraum von 2008 bis 2012. (Basis Niveau von 1990). 48 Energie als Rohstoff in ursprünglicher, noch nicht aufbereiteter Form
40
Energierechnung, verbessert die Wettbewerbsfähigkeit, fördert bei steigender
Nachfrage Exportmöglichkeiten und schafft im Inland neue Arbeitsplätze.
Dennoch gibt es Restriktionen die einerseits in der Technologie und ihrer
regional unterschiedlichen Anwendbarkeit und anderseits in den derzeit noch
höheren Stromgestehungskosten liegen. Produktionstechnisch gibt es
mengenmäßige Limitationen basierend auf dem jeweiligen Status der
Ausbaustufe.
Daher empfiehlt sich derzeit ein Energiemix (siehe Abb.08 Globaler
Energieverbrauch nach Art des Energieträgers) bestehend aus einem
schonenden Umgang der fossil nuklearen Brennstoffen, dem ausbaufähigen
Einsatz von erneuerbarer Energie sowie gleichzeitigen Maßnahmen zur
Steigerung der Energieeffizienz (z.B. Reduktion von Transportverlusten bei
Strom) und Nutzung von Energieeinsparpotentialen (z.B.
Wohngebäudedämmung).
Abb.08: Globaler Energieverbrauch nach Art des Energieträgers49
(Quelle: US Energy Information Administration, International Energy Outlook 2010 – Highlights),
http://www.eia.doe.gov (November 2010)
4.2. PV-Definition Photovoltaik (PV) ist die direkte Umwandlung von Sonnenenergie mittels
Solarzellen in elektrische Energie.
49 Anmerkung: Liquids: hier i.S.v. Öl
41
Der Name setzt sich zusammen aus dem griechischen Wort für Licht
(Photo50) und Volta nach Alessandro Volta51
Die PV ist ein Teilbereich der Solartechnik, die auch die Nutzung von
Solarthermie einschließt. Im Unterschied zur PV wird bei der Solarthermie
einfallendes Sonnenlicht statt zur Stromerzeugung zur Wärmegewinnung
genutzt. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich ausschließlich mit
Unternehmen aus der PV-Industrie näher spezifiziert in Kap 2.5. PV-Industrie.
dem Pionier der Elektrizität.
4.3. Geschichte der PV52
1839 wurde der zugrundeliegende photoelektrische Effekt von A.E.Becquerel
entdeckt.1873 entdeckte der britische Ingenieur W. Smith bei Arbeiten mit
Selen die Veränderung des elektrischen Widerstands durch Lichteinfall.1876
wurde daraufhin von W.G. Adams anhand von Selen erstmals bewiesen,
dass ein Feststoff einfallendes Licht direkt in elektrische Energie (ohne den
Umweg über Wärme) wandeln kann. Albert Einstein stellte 1905 seine
Lichtquantenhypothese auf und schrieb 1907 seine theoretische Erklärung
zum lichtelektrischen Effekt. 1916 schuf J.Czochralski die Grundlagen der
heutigen Halbleitertechnik und PV in dem er das Kristallziehverfahren
entdeckte. 1940 ergaben Versuche von R.S.Ohl mit Silizium die Bestätigung,
dass durch Beleuchtung dieses Stoffes Strom erzeugt werden kann. Die erste
Produktion von kristallinen Silizium Solarzellen erfolgte 1953 in den Bell
Laboratories in den USA. Der Wirkungsgrad53
50 Basis ist das altgriechischen Substantiv φῶς phos
lag zwischen 4-6%.1958
erfolgte der erstmalige Einsatz von PV-Zellen im Weltall zur Strom-
Versorgung eines Satelliten Senders. Erste terrestrische Anwendungen
erfolgten zur netzunabhängigen Stromerzeugung, sogenannte Inselanlagen
in den 1970er Jahren nach der Ölkrise von 1973. Mit ihrer Hilfe wurden z.B.
im amerikanischen Küstenbereich Signalanlagen und Navigationslichter, die
über wiederaufladbare Batterien verfügten, autark mit Energie versorgt.
Dadurch entfiel der Kosten- und Personalintensive vor Ort Batteriewechsel
und es kam zur raschen Amortisation der damals teuren PV-Anlagen. In den
51 Italienischer Physiker und Erfinder der Batterie (1745–1827) 52 Dieser Kurzabriss erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 53 Indikator für das Verhältnis von nutzbar abgegebener zu aufgewandter Energie.
42
1980er Jahren lag die kommerzielle PV-Produktion überwiegend in US-
amerikanischer Hand.
In Deutschland lag die installierte PV-Leistung 1990 bei unter 2 MWp54 siehe
Abb. 09 PV-Anfänge in Deutschland. . 30 Jahre später, 2010, lag die in
Deutschland installierte kumulierte Gesamt PV-Leistung bei 17.300 MWp55
.
Abb. 09: PV-Anfänge in Deutschland. (Quelle:http://www.dgs.de/fileadmin/sonnenenergie/SE-2008-06/SE-2008-06-s38-Damals_wars.pdf, ,Autor: Volker Uwe Hoffmann) Dann kam 1990 mit dem 1000-Dächer Programm ein erster staatlicher Impuls
zur Verbreitung von kleinen dezentralen netzgekoppelten PV-Anlagen in
privater Hand. Aus den ersten Handwerksbetrieben gingen PV-
Industriebetriebe hervor. An staatlichen Förderprogrammen folgten das
100.000-Dächer Programm (1999) sowie Gesetze zur vorrangigen
Einspeisung von regenerativ erzeugtem Strom in Form des
Stromeinspeisungsgesetzes (1991) und seinem Nachfolger dem
Erneuerbare-Energien-Gesetz, kurz EEG (2000).
54 Abkürzung für Megawatt Peak, Maßeinheit für die genormte Leistung einer Solarzelle bzw. Moduls 55 SMA (2011): Photovoltaik-Kalkulator. Tagesaktuell erzeugte PV-Leistung in Deutschland., http://www.sma.de/de/news-infos/pv-leistung-in-deutschland.html, Abfragedatum: 31.01.2011
43
4.4. Kurzeinführung in die PV-Technik56
Zusätzliches Hintergrundwissen zur Photovoltaik als Technik floss im
Rahmen des EAC-Lehrgangs57
der Donau Universität Krems und der
Wirtschaftskammer Steiermark in diese Arbeit ein.
Die direkte Umwandlung von Sonnenlicht in Strom beruht auf dem
photovoltaischen Effekt. Verschiedene Arten von Halbleitermaterialien,
derzeit vor allem Silizium basierend (siehe Tabelle 01 PV-Zellproduktion)
dienen in Form einer Solarzelle als Stromgenerator. Das einfallende
Sonnenlicht erzeugt pro Solarzelle eine niedrige Spannung (0,5 V für
Silizium), die dadurch erhöht wird, dass mehrere Zellen in Reihe geschaltet in
einem Solarmodul zusammengefasst werden58
PV-Anlagen können mittels spezieller Befestigung auf Dächer oder in Dächer
eingebaut werden, in Fassaden
. Eine PV-Anlage wiederum
besteht aus mehreren in Reihen geschalteten Modulen, die zu sogenannten
PV-Strängen zusammengefasst werden. Die Dimensionierung richtet sich
nach Platzangebot (z.B. Dachfläche), Strombedarf bzw. gewünschtem
Ertragsergebnis. Man unterscheidet in fix montierte und dem Sonnenstand
nachgeführte Module, sogenannte Tracker, deren Energieausbeute höher ist.
59 integriert werden oder auf Freiflächen
aufgestellt werden. Auch gibt es Lösungen für einen mobilen Einsatz z.B.
durch Integration in PKW-Dächer60
.
Bei dem durch eine PV-Anlage erzeugten Strom handelt es sich um
Gleichstrom, der bei einer netzgekoppelten Anlage mittels eines sogenannten
Wechselrichters in Wechselstrom gewandelt werden muss, um ins öffentliche
Stromnetz eingespeist werden zu können. Ein oder mehrere Stromzähler
informieren den Erzeuger über die erzeugte Strommenge, den
56 Dieser Kurzabriss erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. 57 Donau Universität Krems (2010): Pressemeldung EAC, http://www.donau-uni.ac.at/de/department/wirtschaft/news/id/15272/index.php ,Abfragedatum: 15.11.2010 IG Energieautarkie (2010): Homepage, http://www.energieautarkiecoaching.at/energie-autarkie-coaching/ , Abfragedatum: 15.11.2010 58 vgl. Hennicke P., Fischedick M.(2010):Erneuerbare Energien,2.Auflage, München, C.H.Beck Verlag, S. 32/33 59 Prominentes Beispiel in Deutschland ist das Bremer Weserstadion 60 z.B. optional erhältlich für Toyota Prius III oder Audi A8
44
Eigenverbrauch, die ins Netz eingespeiste bzw. vom Netz bezogene
Strommenge.
Die Haupt-Komponenten einer netzgebundenen PV-Anlage verdeutlicht
Abb. 10 Bestandteile einer netzgekoppelten PV-Anlage.
Abb.10: Bestandteile einer netzgekoppelten PV-Anlage (Fotos: Uwe Warm)
Außer netzgekoppelten PV-Anlagen gibt es sogenannte Insellösungen, die
ohne die Einspeisung in ein Stromnetz Sonnenstrom erzeugen. Ihr Einsatz
macht in Gegenden Sinn, die über kein flächendeckendes öffentliches
Stromnetz verfügen. Technisch gesehen erfordern Insellösungen zusätzlich
einen Laderegler und Stromspeicher wie z.B. Akkubatterien.
Die PV-Industrie offeriert mittlerweile Herstellerseitig ein breites Spektrum an
PV-Produkten von ausgewählten Einzelprodukten über Komplett-
Systemlösungen bis hin zum Projektgeschäft bestehend aus Errichtung,
Wartung und Betrieb von PV-Anlagen (Siehe Abb. 11 Ermittlung der
optimalen Aufstellposition einer PV-Anlage (hier private Dachanlage)
45
Abb. 11: Ermittlung der optimale Aufstellposition einer PV-Anlage (Quelle: EAC Lehrgang Donau Universität Krems WS 2010/11, G.Rampitsch)
Grundsätzliche Unterschiede zwischen den unterschiedlichen Herstellern
finden sich auf Basis der PV-Zellproduktion, ihrer erzielbaren
Wirkungsgrade61
und Produktionskosten. Tabelle 01 PV-Zellproduktion gibt
einen Überblick über die derzeit gängigsten Typen.
Tabelle 01: PV-Zellproduktion – Silizium vs. Non-Silizium (Quellen: Bank Sarasin, Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH, Uwe Warm)
Technologisch ist ein unaufhaltsamer Fortschritt beim Wirkungsgrad der PV-
Zellen und Module bemerkbar. Hier kommen Berichte von jährlichen
Effizienssteigerungen in 0,5 - 1 % Schritten aus den R&D Abteilungen, die
dann zeitversetzt ihren Weg in die Massenproduktion und Umsetzung finden,
siehe Abb.12: R&D Fortschritte im Bereich des PV-Wirkungsgrads.
61 Nutzeffekt des energieumwandelnden Prozesses in Verhältnis von nutzbar abgegebener zu aufgewandter Energie. Je höher der Wirkungsgrad eines installierten PV-Moduls, desto höher der gewonnene Energieertrag, desto rascher die Amortisation.
46
Abb.12: R&D Fortschritte im Bereich des PV-Wirkungsgrads. (Quelle Motech 2010_Q1 OTC Investor Conference)
1% mehr Wirkungsgrad spart Herstellerseitig rund 6% der
Produktionskosten62
4.5. PV-Verwendung/Einsatzbereich Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG)63 in Deutschland unterscheidet PV-
Anlagen nach ihrer Größe in 4 Kategorien (Anlagen bis 30,100,1000 KW und
> 1 MW64). Typische Kleinanlagen z.B. auf Dächern von privaten
Eigenheimen liegen je nach Größe, Wirkungsgrad und Standort ca. zwischen
3-6 KWp65, Großanlagen haben Nennleistungen66
Man unterscheidet je nach Aufstellungsort zwischen Dachanlagen und
Freiflächenanlagen. Typisch für das Vorkommen und die Verwendung von
PV-Anlagen ist eine Vielzahl von kleinen dezentralen Anlagen. Zentrale PV-
Großanlagen (meist auf riesigen Freiflächen installiert) gibt es, sind derzeit
aber in Nordeuropa noch eher selten.
von mehr als 100 KWp.
Desweiteren lassen sich PV-Anlagen je nach regionalem Einsatzgebiet und
vorhandener Stromnetzinfrastruktur in zwei grundlegend verschiedene Typen
62 Centrotherm Photovoltaics (2011) GB 2009, http://www.centrotherm.de/fileadmin/ct_group/Downloads/Download_Center_DE/10_Unternehmen/Geschaeftsberichte/CT_GB2009_DE.pdf ,S.1, Abfragedatum: 20.01.2011 63 Seit 2000 in Kraft, regelt die vorrangige Einspeisung von erneuerbarer Energie in das öffentliche Netz. 64 Kilowatt und Megawatt. Einheit der elektrischen Leistung. 1 Megawatt = 1.000 Kilowatt = 100.000 Watt. 65 Abkürzung für Kilowatt Peak, Maßeinheit für die genormte Leistung einer Solarzelle bzw. Moduls 66 die genormte Leistung (Leistung unter vergleichbaren Testbedingungen) einer Solarzelle bzw. Moduls
47
unterscheiden: der netzgekoppelten Anlage (Grid) und der Insellösung (off-
Grid).
Netzgekoppelten Anlagen wie sie typischerweise in Industrieländern
verwendet werden, sind an ein öffentliches Energieversorgungsnetz eines
Netzbetreibers67
angebunden. Die dezentralen Erzeuger speisen gegen
Vergütung entweder direkt allen Strom oder den nach Abzug des
Eigenverbrauchs überschüssigen Strom in das Stromnetz ihres
Energieversorgers ein. Der Anteil an netzgekoppelten Anlagen beträgt in
Deutschland Ende 2004 rund 98% (siehe Abb. 13 Aufteilung Grid / Off-Grid
Anlagen).
Abb.13: Aufteilung Grid / Off-Grid Anlagen (Quelle: Vorlesung Solarenergie SS2007 Universität Heidelberg, Michael Doran, Volker Quaschning)
Insellösungen sind autarke PV-Anlagen, die der lokalen Stromversorgung vor
Ort dienen. Erzeugte Energie wird hierbei nicht in ein Stromnetz eingespeist.
Off-Grid Anlagen finden sich viel in Schwellenländern oder Ländern, die über
kein flächendeckendes Stromnetz verfügen.
Darüber hinaus finden sich PV-Zellen zum Betrieb autarker elektrischer
Geräte wie z.B. Taschenrechner, Parkscheinautomaten oder
Schifffahrtstonnen (siehe Abb. 14 PV-Anwendungsbeispiel für autarke
Stromversorgung)
67 Unternehmen, meist EVU, das ein Netz für die allgemeine Versorgung mit elektr. Energie betreibt
48
Abb.14: PV-Anwendungsbeispiel für autarke Stromversorgung: Steuerbordtonne in Warnemünde, Ostsee (Foto: Uwe Warm)
4.6. PV-Ertragsdimensionen und Amortisation
Der maximal erzielbare Ertrag aus der Sonnenscheineinstrahlung hängt von
verschiedenen Faktoren ab wie Standort, Verschattung, Aufstellwinkel,
Hinterlüftung, Himmelsrichtung und Jahreszeit. Das solare Strahlungsangebot
ist darüber hinaus regional unterschiedlich, in Deutschland zwischen ca. 900
kWh/m2/Jahr (Norddeutschland) und 1100 kWh/m2/Jahr (Süddeutschland)68.
Als Faustformel zur Berechnung einer privaten netzgekoppelten PV-
Dachanalage gilt: 1 KWp installierte Leistung benötigt ca. 8 m2 Fläche und
erzeugt ca. 1.000 KWh p.a.69. Der Durchschnittsstromverbrauch eines
privaten 3-4 Personen Haushalts liegt bei ca. 3.500-4.500 KWh p.a.70 Je nach
Anzahl der installierten Module, deren Wirkungsgrad und Beeinflussung
durch oben genannte Faktoren sollten damit mindestens 2/3 des privaten
Jahres-Strombedarfs gedeckt werden können. Durch den privaten Betrieb
einer PV-Anlage wird aus der/dem ehemaligen abhängigen Stromkunden/in
(Consumer)71
68 Hennicke P., Fischedick M.(2010):Erneuerbare Energien, S.36
ein/e dezentral ansässige/r autonome/r Stromproduzent/in,
69 Donau Universität Krems, EAC Lehrgang WS 2010/11, Rampitsch_Photovoltaik.pdf, S. 20, Autor Günther Rampitsch, Abfragedatum 16.11.2010 70 stromspartipps.net (2008): Stromverbrauch, http://www.stromspartipps.net/stromverbrauch/stromsparpotentiale , Abfragedatum: 15.02.2011 71 In der Arbeit wird der Einfachheit halber nur die männliche Form verwendet, gemeint sind damit sowohl weibliche als auch männliche Nutzer.
49
die/der je nach Vereinbarung mit ihrem/seinem EVU72 ihren/seinen
regenerativ erzeugten Strom ins öffentliche Netz einspeisen oder privat
verbrauchen kann (Volleinspeisung / Überschusseinspeisung). Darüber
hinaus zusätzlich benötigte Energie wird weiterhin vom EVU geliefert. Ein
Consumer wird somit zum Prosumer73
Das EEG (siehe Kap. 5.6.Staat als Regulator) unterstützt dabei den privaten
Stromerzeuger indem es ihm zum einen eine Abnahmegarantie gibt und zum
anderen durch die Förderung bei der Amortisation der PV-Anlage hilft.
.
Die durchschnittliche Amortisationszeit einer 10 KWp PV-Anlage beträgt in
Deutschland 11,7 Jahre siehe Abb.15 Amortisation einer PV-Anlage im
Ländervergleich.
Die Herstellergarantie74
auf PV-Module beträgt i.d.R. 20 bzw. 25 Jahre je
nach Hersteller.
Abb.15: Amortisation einer PV-Anlage im Ländervergleich (Quelle: EAC Lehrgang Donau Universität Krems, WKO Steiermark WS 2010/11, G. Rampitsch)
4.7. PV und Netzbetreiber (Netzintegration) Der Wechsel von einem nicht nachhaltigen fossil-nuklear geprägten
Energiesystem (20. Jhd.) zu einem ansatzweise nachhaltigen Energiesystem
(mit Beginn des 21. Jhd.) stellt vor allem die EVU`s und Netzbetreiber vor
72 Unternehmen, die elektrische Energie erzeugen und über das öffentliche Stromnetz verteilen. 73 Produzent & Consumer 74 Garantie auf Erzielung von zumindest 80% der Ausgangs-Leistung nach 20 bzw. 25 Jahren.
50
große Herausforderungen. Experten sprechen von einem
Paradigmenwechsel von „Generation follows Load“ hin zu „Load follows
Generation“75. Dies steht für den Wechsel von Last stochastisch
vorhersehbarer76 zentraler Energieerzeugung mit unidirektionaler Verteilung77
hin zu zentral-dezentraler Erzeugung78
Ziel ist immer die Deckungsgleichheit von Erzeugung und Nachfrage.
unter Einbindung von fluktuierenden
erneuerbaren Energiequellen mit bidirektionalem Energiefluss.
In wie weit ist aus PV gewonnener Strom darin involviert?
Der Ertrag der mittels PV-Anlagen gewonnenen Elektrizität unterliegt (wie
auch bei anderen Formen der regenerativen Energie z.B. Windkraft) starken
Schwankungen79
(Fluktuationen) siehe Abb.16 Stromverbrauch vs.
Stromerzeugung aus Wind und PV in Deutschland.
Abb.16: Stromverbrauch vs. Stromerzeugung aus Wind und PV in Deutschland (Quelle: Thomas Große Böckmann, Lee Ruhr-Universität Bochum, München, Juni 2008) Periodisch unregelmäßig stark auftretende Energieeinspeisungen wie die aus
Windkraft- und Solaranlagen gewonnene Energie können bei ungemanagtem
Zufluss in Stromnetzen zu Überlastungen bis hin zum Ausfall führen. Ein
einfaches Abschalten (z.B. von Windparks in Spitzenzeiten) oder der Stand-
75 Energie AG Oberösterreich, Workshop Zukunftsstrategien bei erneuerbaren Energien und Energieeffizienz., Präsentation AMIS, S.2, Ing. Mag. J. Kaltenleithner, 09.Sept. 2010 76 Last i.S. v. Strombedarf, vorhersehbar durch Kenntnis von Erzeugerangebot und Verbrauchernachfrage 77 Von zentralem Kraftwerk als Strom-Erzeuger zu dezentral gelegenen Strom-Verbrauchern 78 Stromerzeugung mittels zentraler Kraftwerke und dezentraler Erzeuger wie Privathaushalte mit PV-Anlage 79 Bei der PV spricht man von Ganglinien i.S. v. Tag/Nacht, sonnig/bewölkt, Sommer/Winter
51
By Betrieb von fossil-nuklearen Kraftwerken zur Ausgleichsregelung erscheint
allerdings aus ökonomischer Sicht nur bedingt sinnvoll. Daher sind neue
Lösungen gefragt einerseits im Hinblick auf Energiespeichersysteme zum
(Zwischen-) Speichern von temporär gewonnener erneuerbarer Energie80
anderseits in Bezug auf intelligente Netzmanagementsysteme Stichwort
Smart Grids81
.
War die Energieversorgung bisher gekennzeichnet durch zentrale
Großkraftwerke als alleinige Energieeinspeiser so stellen private PV-Anlagen
Betreiber dezentral ansässige Energieerzeuger dar, die ihre autonom
gewonnene, (überschüssige) Energie (Strom) einspeisen können wollen.
Dies verursacht Änderungsbedarf beim flächendeckenden
Versorgungskonzept der Energieerzeuger.
Die in Deutschland installierten PV-Anlagen sind ca. 40% kleine dezentrale
Hausanlagen (< 10 KW), etwa 50% mittelgroße Anlagen (> 100 aber < 1000
KW) und 10% Großanlagen über 1 MW82
.
4.8. Netzparität Als Netzparität wird die Kostengleichheit zu Endverbraucherstrompreisen
zwischen fossil-nuklear erzeugtem Strom und Strom aus erneuerbaren
Energien bezeichnet. Ein PV-Anlagen Besitzer, der seinen eigenen Strom
günstiger erzeugen kann als der ihm offerierte Endverbraucherstrompreis
wird, sofern er die vertragliche Möglichkeit mit seinem EVU hat, seinen Strom
selbst konsumieren, und nur evtl. Überschüsse ins öffentliche Netz
einspeisen.
In der Herstellung lagen 2007 die Stromgestehungskosten83 bei 4-5 ct/kWh
für konventionell erzeugten Strom und 25-50 ct/kWh für Strom aus PV84
80 z.B. in Form von Pumpwasserspeicherwerken
.
81 Engl. f intelligentes Stromnetz i.S.v. Netz-Optimierung und Überwachung zur Steuerung der Energielast 82 Hennicke P., Fischedick M.(2010):Erneuerbare Energien, S. 36 83 Kosten, für die Energieumwandlung von einer Energieform, z.B. Strahlungsenergie, in elektrischen Strom. 84 Hennicke P., Fischedick M.(2010):Erneuerbare Energien, S. 85
52
Steigende fossile Rohstoffpreise sowie die Einrechnung von zusätzlichen
Umweltschutzkosten wie z.B. in Form von CO2-Entsorgungskosten85
Je nach Entwicklung des Strompreises scheint die Schwelle zur
Wirtschaftlichkeit bei der PV in greifbarer Nähe. Das Bankhaus Sarasin
rechnet in seinem 2010 Report
werden
mittelfristig zu einem Anstieg der konventionellen Stromgestehungskosten
führen. Strom aus PV hingegen wird durch Kostenreduktion bei der
Herstellung, Preisverfall durch Massen-Produktion und Nachfrage sowie
kontinuierlich steigender Wirkungsgrade und weiterer Innovationen laufend
günstiger.
86
mit einer Netzparität für Deutschland bereits
ab 2013. Sonnenreichere Länder wie Italien, Portugal und Spanien könnten je
nach Höhe des nationalen Strompreis bereits früher diese Schwelle erreichen
siehe Abb. 17 Erreichen der Netzparität im internationalen Vergleich.
Abb.17: Erreichen der Netzparität im internationalen Vergleich (Quelle: Bank Sarasin, Solarwirtschaft-unterwegs in neue Dimensionen, Nov. 2010)
Andere Quellen rechnen für deutsche PV-Großanlagen aufgrund proportional
geringerer Investitionskosten bereits mit einer Netzparität ab 2012.
Kleinere dachmontierte PV-Anlagen werden demnach Netzparität zwischen
2013 und 2014 erreichen87
85 Durch CO2-Abscheidung (CCS) oder CO2-Emissionshandel
.
86 Bank Sarasin (2010/11): Solarwirtschaft – unterwegs in neue Dimensionen. Technologien, Märkte und Industrien im Vergleich., S.30 87Solar Server (2009): Solarstrom auf der Schwelle zur Wettbewerbsfähigkeit: Aktuelle Trends und Technologien der Photovoltaikindustrie auf dem 5. PV Industry Forum, http://www.solarserver.de/solar-magazin/nachrichten/archiv-2009/solarstrom-auf-der-schwelle-zur-wettbewerbsfaehigkeit-aktuelle-trends-und-technologien-der-photovoltaikindustrie-auf-dem-5-pv-industry-forum.html , Abfragedatum: 16.02.2011
53
Ab Erreichen der Netzparität erwartet sich die PV-Branche zwar langsameres
Wachstum aber einen langanhaltenden Nachfragetreiber. PV wird sich dann
aus eigener Kraft in den jeweiligen Landes-Märkten entwickeln und
etablieren.
5. Bedeutung des 5-Kräfte Modells für die PV Industrie "When the change on the outside exceeds the change on the inside, the end is in
sight."
Jack Welch, amerikanischer Manager, 1981-2001 CEO von General Electric.
Die Kräfte, die von außen auf die Unternehmen der PV-Industrie als Branche
wirken sind wie von Michael E. Porter definiert (siehe Abb.05 Fünf Kräfte Modell):
• Neue Wettbewerber
• Kunden
• Zulieferer
• Ersatzprodukte
• Rivalität der bestehenden Wettbewerber
• und vor allem der Staat als Regulator.
Als Porter sein Buch Wettbewerbsstrategie verfasste88, war die PV-Branche noch
eine junge Branche89. Die Branche war klein, innovativ, hochtechnologisch,
riskant und ohne Massennachfrage (siehe Abb. 09: PV-Anfänge in Deutschland).
Zahlreiche Kleinstunternehmen agierten als Manufakturen für den jeweiligen
Inlandsmarkt ohne größere Marktbeherrschung. Eintrittsbarrieren waren niedrig
(siehe Kap 3.3 Das 5 Kräfte Modell nach Porter). Die Herstellung von PV-
Modulen erfolgte in Kleinst-Serien ohne hohe Kapitalbindung. Es war der Beginn
des Aufbaus von Erfahrungskurven90
und ersten Marken.
88 Erscheinungsjahr der Originalausgabe “Competitive Strategy” war 1980 89 vgl. Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie, S.66/67,245 und 279-284 90 i.S.v. Rückgang der Stückkosten in Produktion, Vertrieb und Marketing durch spezifische Branchenerfahrung.
54
Die PV-Industrie heute stellt eine wachsende Branche am Übergang zur Reife
dar. Die Branche ist nachwievor hochtechnologisch und innovativ aber
mittlerweile gekennzeichnet von globaler PV-Massenproduktion in Großserien mit
Produktionsanlagen mit hohen Investitions- und Fixkosten. Dadurch sind die
Eintrittsbarrieren für Neueinsteiger gestiegen und Mobilitätsbarrieren entstanden.
Branchenneueinsteiger sind kapitalkräftige Großunternehmen meist aus dem
Bereich internationaler Mischkonzerne (z.B. Mitsubishi) oder global tätige
Energieunternehmen wie z.B. BP oder Shell. Für diese Unternehmen hat der PV-
Markt ca. ab dem Jahr 2000 die lohnende Mindestgröße für den Aufbau einer
eigenen PV-Produktion oder Beteiligung an einer PV-Massenfertigung erreicht
und durch das Ausnutzen von Betriebsgrößenersparnissen kann zusätzliche
Kostendegression erreicht werden. Kleinere Unternehmen aus der „Pionierzeit“
der PV werden ohne entsprechende Nischenpositionierung aus dem Markt
gedrängt und geben aufgrund mangelnder Skalen-Effekte und Kapitalgröße auf.
Ihr Aufgeben ermöglicht Großunternehmen die Chance zum Erwerb günstiger
Aktiva. Der Wettbewerb um PV-Marktanteile ist global geworden. Führende PV-
Wettbewerber erweitern ihre absolute Größe um zusätzliche Kostendegression
bemüht. Ein Trend zur vertikalen Integration entlang der PV-Wertschöpfungskette
zeichnet sich ab. Die Verhandlungsstärke von Abnehmern steigt. Der PV-Markt
hat sich mit 2009 von einem Verkäufer hin zu einem Käufermarkt gewandelt
gekennzeichnet durch Überangebot und Preisverfall91. Das 2009 erzeugte PV
Angebot (production) lag weltweit bei 9,86 Gigawatt (GW) bei einer PV-Nachfrage
(installations) von 7,5 GW. 2010 betrug das Angebot 20,5 GW bei einer
Nachfrage von 18,2 GW92
91 Bank Sarasin (2009/11): Solarwirtschaft – grüne Erholung in Sicht. Technologien, Märkte und Unternehmen im Vergleich., S.7
. Analysten wie vom Schweizer Bankhaus Sarasin
rechnen für den globalen PV-Markt dennoch mit langfristigen und dauerhaften
hohen Zuwachsraten siehe Abb. 18: Sarasin –Langfristprognose für den
weltweiten PV-Markt.
92 Solarbuzz (2011): Solarbuzz Reports World Solar Photovoltaic Market Grew to 18.2 Gigawatts in 2010, Up 139% Y/Y, http://www.solarbuzz.com/our-research/recent-findings/solarbuzz-reports-world-solar-photovoltaic-market-grew-182-gigawatts-20 , Abfragedatum: 31.03.2011
55
Abb.18 : Sarasin –Langfristprognose für den weltweiten PV-Markt. (Quelle: Bank Sarasin, Solarwirtschaft-unterwegs in neue Dimensionen, Nov. 2010)
Als grundsätzliche Prognose lässt sich die Richtung, in der sich die PV-Industrie
entwickelt und wo in welchen Bereichen künftig noch Wertsteigerungen zu
erwarten sind, klar erkennen (siehe Kapitel 5.8 PV-Branchen Resümee).
Im Folgenden werden die Auswirkungen, Abhängigkeiten und Kräftefaktoren für
die PV-Branche im Detail analysiert.
5.1. Neue Wettbewerber Mit der Entwicklung des PV-Markts vom Nischengeschäft zum Massenmarkt
traten neue Wettbewerber ein. Die Wettbewerber sind große Unternehmen,
finanzkräftig, global aktiv und zumeist nicht aus der PV-Industrie stammend.
Der Markteintritt von globalen Mischkonzernen stellt eine gewichtige
Bedrohung für die vorhandenen Wettbewerber dar. Unternehmen wie,
Mitsubishi oder Toshiba aber auch Energiekonzerne, die bisher
ausschließlich auf fossile Primärenergie gesetzt haben wie BP93 oder Shell94
93 BP Solar entstand 1999 durch die Übernahme des PV-Unternehmens Solarex.
steigen sowohl in die PV-Herstellung als auch in den Bau von eigenen PV-
Großanlagen ein.
94 Shell will über die Beteiligung an Solar Frontier bis 2014 10% des globalen Dünnschicht-Markts erobern vgl. Japan Markt online (2010): Solarindustrie bläst zum Angriff http://www.japanmarkt.de/index.php/unternehmen/elektronik/solarindustrie-blast-zum-gegenangriff/#more-3766 , Abfragedatum: 03.02.2011
56
Auf asiatischer Seite sind ca. seit 2005 gewaltige chinesische und
taiwanesische Konzerne95
in die PV-Branche eingetreten, die um
Kostenführerschaft unter Einsetzung aller Skaleneffekte kämpfen. Diese
Konzerne sind groß, agil und schnell und fokussieren auf die Produktion von
Solarwafern, Zellen und Modulen. Mehrheitlich sind diese Konzerne
finanztechnisch auf den Cayman Islands angesiedelt, decken über dieses
Konstrukt ihren Kapitalbedarf und minimieren ihr Haftungsrisiko. Sie verfügen
über ein gewaltiges Binnenmarktnachfragepotential und extrem günstige
Arbeitskräfte im eigenen Land. Zusätzlich unterstützt die chinesische
Regierung durch das derzeit global betrachtet höchste Förderprogramm den
Ausbau von erneuerbarer Energie siehe Abb.21: Grüne Stimuluspakete –
Ausgaben 2010. Der Wettbewerb um den Kunden wird zunehmend über den
Modulpreis ausgetragen, daher sind degressive Produktionskosten wichtig,
um konkurrenzfähig zu bleiben. Chinesische Module werden im Vergleich zu
europäischen und amerikanischen Herstellern immer günstiger siehe Abb.19:
globale PV-Modulpreisentwicklung 2007-2010.
Abb.19: globale PV-Modulpreisentwicklung 2007-2010. (Quelle: Bank Sarasin, Solarwirtschaft-unterwegs in neue Dimensionen, Nov. 2010)
Kostenseitig sind westliche PV-Produzenten bei der Herstellung von
kristallinen Zellen und Modulen derzeit nur geringfügig teurer. Anders
95 Z.B. Suntech, Ja Solar,Trina Solar,Yingli Green,LDK Solar,Gintech Energy, Motech Industries
57
dagegen die Dünnschichttechnologie, wo außer dem amerikanischen
Branchenprimus First Solar chinesische Unternehmen teilweise bis zu 40%
günstiger produzieren können, als ihre europäischen Wettbewerber96
Wenn sich die Situation in China nicht z.B. durch steigende Löhne ändern
sollte, wofür es erste Anzeichen gibt
.
97
Im Jahr 2009 wurden bereits ca. 65% der weltweit hergestellten PV-Wafer
und 49% der PV-Zellen von China erzeugt
, werden Unternehmen aus Europa
oder den USA mit diesem Wachstum schwer mithalten können und sind
daher, sollten sie ausschließlich im Segment kristalliner Solarwafer, Zellen
und Module tätig sein, bedroht.
98
, Tendenz steigend siehe Abb.20
Entwicklung der PV-Produktion in China. China hat damit Japan und
Deutschland in ihrer ursprünglichen Vormachtstellung bei der PV-Produktion
bereits abgelöst.
Abb.20: Entwicklung der PV-Produktion in China (Quelle Bank Sarasin, Solarwirtschaft-unterwegs in neue Dimensionen, Nov. 2010)
96 Bank Sarasin (2010/11): Solarwirtschaft – unterwegs in neue Dimensionen, S.12-14 97german.china.org.cn (2010): China-Anhebung lokaler Mindestlöhne http://german.china.org.cn/fokus/2010-11/02/content_21256497.htm , Abfragedatum: 05.02.2011 98 Solarbuzz (2011): Solarbuzz Reports World Solar Photovoltaic Market Grew to 18.2 Gigawatts in 2010, Up 139% Y/Y http://www.solarbuzz.com/our-research/recent-findings/solarbuzz-reports-world-solar-photovoltaic-market-grew-182-gigawatts-20 , Abfragedatum: 31.03.2011
58
Ein weiteres aufstrebendes Schwellenland ist Indien, mit seinen 1,2 Mrd.
Einwohnern99 hat es einen gewaltigen Energiebedarf, der mit der Zunahme
der Industrialisierung exponentiell steigen dürfte. Darüber hinaus verfügt
Indien über kein flächendeckendes Stromnetz. 300 Millionen Menschen
besitzen keinen Zugang zu Elektrizität. Indien eignet sich besonders für den
Einsatz von PV, hat es doch ähnlich wie Australien oder Kalifornien
naturbedingt eine hohe solare Einstrahlungsdichte, was im Vergleich zu
Deutschland ca. doppelt so hohe Energieertragswerte von 2200
KWh/KWp/Jahr bedeutet. Das zusammen ergibt ein großes
Wachstumspotential für PV, speziell Off-Grid PV-Lösungen, sogenannte
Solar Home Systems100
.Z.B. ist BP Solar mit einem Joint Venture mit dem
indischen Mischkonzern Tata schon in Indien engagiert.
5.2. Kunden Stark wachsende Produktionskapazitäten im Bereich von Solarwafern, Zellen
und Modulen bewirken ca. seit 2009 ein Überangebot am globalen Markt. Der
PV-Markt hat sich mit 2009 von einem Verkäufer hin zu einem Käufermarkt
gewandelt gekennzeichnet durch Überangebot und Preisverfall.
Die PV-Endkunden setzen sich zusammen aus PV-Großanlagen von
Projektträgern (Investoren Gruppen oder Bürgersolaranlagen101) und EVU`s,
Landwirtschaft, Gewerbe-und Industriebetrieben und Privathaushalten102
Privathaushalte stellen Kleinstkunden dar, die selbst eher selten ihre PV-
Module kaufen. Hier kommt die Branche der Installateure als
Zwischenhändler zum Zuge, die für den privaten Endkunden die Beratung
und Bestellung der PV-Module übernimmt und meist in Form von
Komplettsystemen verkauft und installiert. Sie haben einen erheblichen
.
99 Wikipedia (2011): Indien - Einwohnerzahl, http://de.wikipedia.org/wiki/Indien , Abfragedatum 28.03.2011 100 Bank Sarasin (2010): Nachhaltigkeitsresearch der Bank Sarasin: Indien – boomender Markt für Solar- und Windenergie , http://www.sarasin.ch/internet/iech/index_iech/about_us_iech/media_iech/news_iech.htm?reference=110941&checkSum=6711EAC9E360BBA5597C5C377DE4E9AD , Abfragedatum: 25.03.2011 101 Z.B. Solarkraftwerk Wien (2011): http://www.solarkraftwerk-wien.at/solar/Home.html , Abfragedatum: 26.03.2011 102 vgl. Solarbuzz (2011): German PV market reaches 3.87 GW in 2009, up 109% from 2008 http://www.solarbuzz.com/facts-and-figures/market-facts/regional-pv-markets-europe ,Abfragedatum: 31.03.2011
59
Einfluss auf die Produktwahl des Kunden. Dennoch ist die potentielle
Verhandlungsstärke der Installateurbetriebe meist lokal auf den jeweiligen
PV-Großhändler begrenzt.
Anders dagegen die Verhandlungsstärke von Kunden bei der Anschaffung
von PV-Großanlagen. Hier gibt es entweder fachkundige Einkäufer oder
Consulter auf Seiten des Kunden. Die Aufträge werden je nach
Projektvolumen ausgeschrieben oder über Verhandlungen vergeben.
Globale PV-Hersteller, die auch als Projektintegratoren tätig sind können hier
auch länderübergreifend schlüsselfertige Projektlösungen von der Herstellung
über die Installation aus einer Hand anbieten.
Generell wichtig für die PV-Kunden ist Investitionssicherheit in Form von
geregelten Einspeisetarifen und langfristigen Abnahmegarantien für den
erzeugten Strom wie in Deutschland durchs EEG geregelt. Je höher die
Einspeisetarife, der konventionelle Strompreis und je niedriger die PV-
Anschaffungskosten desto schneller die Amortisation beim Kunden und desto
höher die Kundennachfrage nach PV (siehe auch Abb.15 Amortisation einer
PV-Anlage im Ländervergleich).
5.3. Zulieferer Die Gewinnung von Strom aus Solarenergie ist abhängig von mehreren
Komponenten siehe Abb. 10: Bestandteile einer netzgekoppelten PV-Anlage.
Als Basis zur PV-Zellen Herstellung sind Rohstoffe wie Silizium für kristalline
PV-Zellen oder Indium, Gallium, Selenid und Tellurid für sogenannte
Dünnschicht-Zellen erforderlich. Reinst-Silizium wird u.a. in der
Elektronikindustrie für die Produktion von Halbleitern und in der PV-Industrie
für die Herstellung der PV-Vorprodukte (Blocks, Ingots und Wafer) benötigt.
Auch wenn Silizium nicht zur Gruppe der seltenen Erden gehört103, kam es in
den Jahren 2004-2008 immer wieder zu einem Mangel104
103 Silizium gilt als das zweithäufigste chemische Element (nach Sauerstoff), da die Erdkruste aus ca. 25 % Silizium besteht.
,der bei den
siliziumbasierenden PV-Herstellern zu erhöhten Produktionskosten geführt
104 heise online (2006): Solarbranche sorgt für Siliziumknappheit http://www.heise.de/ct/artikel/Solarbranche-sorgt-fuer-Siliziumknappheit-302490.html ,Abfragedatum: 31.03.2011
60
hat.. Der Grund dafür lag einerseits im PV-Nachfrageboom andererseits
ursächlich bedingt durch die wenigen vorhanden Zulieferer, die aus
Rohsilizium Reinstsilizium herstellen können. Polysilizium Produzenten wie
das deutsche Unternehmen Wacker-Chemie sind derzeit aufgrund langer
Vorlaufzeiten beim Bau der Produktionsanlagen (Öfen) und hoher
Anfangsinvestitionen noch weltweit selten siehe Tabelle 02 weltweit führende
Polysilizium Hersteller 2010.
85 % des Welt-Markts dominieren 10 Unternehmen105
Tabelle 02: weltweit führende Polysilizium Hersteller 2010 (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Polysilizium ,Abfragedatum 07.01.2011) Zulieferer konnten sich aussuchen, welche PV-Hersteller sie bevorzugt
beliefern wollten und erhöhten laufend ihre Produktionsmenge um den
Nachfrageüberhang abzubauen. Neueinsteiger wie GCL-Poly aus China
sorgten für zusätzliche Versorgung auch und vor allem des aufstrebenden
chinesischen Heimmarktes.
Die PV-Hersteller ihrerseits versuchten sich durch langfristige Verträge meist
mit mehreren Zulieferern das für ihre Produktion notwendige Rohmaterial zu
sichern und sich von den tagesaktuellen Spotmarktpreisen unabhängig zu
machen. Darüber hinaus intensivierten PV-Hersteller ihre Forschung &
Entwicklung, um durch immer dünnere Zellen, Recycling von Alt PV-Zellen
oder durch die PV-Produktion von nicht siliziumbasierenden Ersatzprodukten
den teuren Rohstoff einsparen bzw. ersetzen zu können. Zusätzlich kam es
bei einigen Unternehmen wie der deutschen SolarWorld AG zur
105 Bank Sarasin (2010/11): Solarwirtschaft – unterwegs in neue Dimensionen., S.10
61
Rückwärtsintegration in der PV-Wertschöpfungskette. Durch eine
Firmenübernahme produziert SolarWorld seit 2000 auch Reinstsilizium106
.
Umgekehrt kommt es seitens einiger Silizium-Produzenten, z.B. Wacker
Chemie, GCL-Poly, MEMC, durch die Herstellung von PV-Ingots und Wavern
auch zur Vorwärtsintegration. Dieses Vorgehen sichert diese Unternehmen
auch für eine Zukunft mit sinkender Nachfrage und Silizium Preisen ab.
Wichtige Zulieferer der PV-Industrie sind PV-Produktionsequipment und
Anlagenbauer wie z.B. die deutsche Centrotherm Photovoltaics AG, das
Schweizer Unternehmen Meyer Burger oder GT Solar International aus den
USA. Obwohl ohne diese sehr erfolgreichen Unternehmen keine industrielle
Großserien-PV Produktion möglich wäre, gibt es dennoch weltweit nur
wenige Unternehmen, die sich auf diese Nische spezialisiert haben.
Am deutschen Markt kam es 2010 zu einem Mangel an PV-Wechselrichtern
wie sie z.B. von SMA Solar erzeugt werden. Aufgrund der Finanz- und
nachfolgenden Wirtschaftskrise und dem dadurch mit verursachten abrupten
Nachfragerückgang drosselten viele Zulieferer 2009 ihre Produktion, siehe
5.7. PV-Industrie im Umbruch: Krise 2009. Dies betraf auch die Zulieferer der
Zulieferer. Durch Lieferschwierigkeiten der Hersteller von elektronischen
Bauteilen kam es in Folge bei den Herstellern von Wechselrichtern zu
Produktionsengpässen, die noch verstärkt wurden, als sich der PV-Markt
Ende 2009 wieder erholte. Bedingt durch eine weitere Absenkung der EEG-
Einspeisetarife zur Jahresmitte 2010 kam es zu einem regelrechten
Ausverkauf107 der Produkte und Rekordergebnissen bei den auf diese Nische
spezialisierten Herstellern108
.
106 heise online (2006): Solarbranche sorgt für Siliziumknappheit http://www.heise.de/ct/artikel/Solarbranche-sorgt-fuer-Siliziumknappheit-302490.html ,Abfragedatum: 31.03.2011 107 NaturEnergie-Magazin (2010): Solar-Wechselrichter sind Mangelware. http://www.naturenergie-magazin.de/index.php?/archives/1480-Solar-Wechselrichter-sind-Mangelware.html , Abfragedatum 31.03.2011 108 SMA (2010): Der Konzern in Zahlen. Halbjahresfinanzbericht 2010 http://www.sma.de/de/no_cache/investor-relations/publikationen/finanzberichte.html , 2010-08-13_SMA_H1_2010_DE_HA_01.pdf, S. 2+11, Abfragedatum 13.12.2010
62
Geld als knappen Rohstoff betrachtet sind auch die Banken wichtige
Zulieferer der PV-Industrie. Durch die Finanzkrise sind die Anforderungen der
Banken bei der Kreditvergabe gestiegen. Um weiterhin Expansionschancen
zu haben und global agieren zu können, ist für erfolgreiche Unternehmen der
kapitalintensiven PV-Industrie neben hoher Produktqualität und
Kostenführerschaft ein überlegenes Geschäftsmodell (siehe 7.4 Das
überlegene Geschäftsmodell) wichtig. Es ist gekennzeichnet durch
überdurchschnittlich hohe Profitabilität und Liquidität unterstützt durch
schnelle Prozesse und Wertschöpfung. Unternehmen, die über derart starke
Bilanzen verfügen, sollten bei notwendigen Fremdfinanzierungen keine
Schwierigkeiten haben und gute Konditionen erzielen können.
5.4. Ersatzprodukte
Bei der möglichen Gefahr durch Substitution lassen sich für die PV-Industrie
verschiedene Szenarien berücksichtigen.
Externe Bedrohung und Chance für die Verbreitung von erneuerbaren
Energien gleichermaßen ist die Höhe des Rohölpreises siehe Abb.07:
Rohölpreisentwicklung 1960-2010 (in U$). Ein langfristiges Absinken könnte
den Ausbau auch von PV bremsen ist aufgrund endlicher Ressourcen aber
unwahrscheinlich. Auch würden darüber hinaus festgelegte Klimaziele
Stichwort CO2-Reduktion, 2 Grad Ziel (siehe Kap. 4.1 Umwelt- und
Rahmenbedingungen) weiterhin als Ausbau-Treiber fungieren.
Auf Erneuerbare Energien bezogen stellt die Solarindustrie selbst für sich
eine Bedrohung dar siehe Kap. 4.2 PV-Definition.
Im Kampf um die Ausnutzung der solaren Einstrahlung kommt es zu einer
Flächenkonkurrenz zwischen PV und Solarthermie. Da z.B. auch die
Solarthermie in Deutschland gefördert wird109
109 in Deutschland geregelt im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG)
, kann es zur Technologie-
Konkurrenz um die Ausnutzung der Dachfläche kommen. Bisher mussten
sich daher die Kunden für Solarstrom oder Solarwärme entscheiden.
63
Inzwischen sind erste Hybridprodukte auf dem Markt, die das Beste von
beiden Welten in sich vereinen110
.
Innerhalb der PV ist eine fortschreitende Technologie-Substitution erkennbar.
Waren 2005 noch ca. 91% aller PV-Zellen Silizium basierend111 so geht
derzeit der Trend getrieben durch die hohen Polysilizium-Preise der letzten
Jahre zu Silizium freien Dünnschicht-Zellen112
Darüber hinaus substituieren neue PV-Zellen mit höheren Wirkungsgraden
fortlaufend ihre Vorgänger in den Produktionsstraßen.
, künftig evtl. sogar zu
organischen oder Farbstoffzellen. Andere Vorzeichen wie ein drastischer
Einbruch bei den Silizium-Rohstoffpreisen durch einen Nachfragerückgang
für die kostenintensive kristalline Produktion könnten diesen Trend
verlangsamen.
5.5. Rivalität unter bestehenden Wettbewerbern
Allgemein ist ein Trend zu vertikaler Integration entlang der PV-
Wertschöpfungskette zu verzeichnen. Auch die Rückwärtsintegration ist eine
logische Schlussfolgerung in der PV-Branche, um die Rohstoffengpässe der
letzten Jahre zu überwinden. Das Überwinden des Silizium-Rohstoffmangels
durch vertikale Integration, Eingehen langfristiger Lieferverträge und Aufbau
von Ersatzprodukten wie der Dünnschichttechnologie (siehe Kap. 5.4.
Ersatzprodukte) hat in der Folge zu einem Rohstoff-Preisverfall und damit zu
niedrigeren Herstellungskosten geführt. Diese Vorteile wurden aber zu
gleichen Teilen durch die Zunahme des globalen Wettbewerbs, der erzeugten
PV-Angebotsmenge und dem rückläufigen Nachfrageverhalten der Käufer
aus etablierten Märkten (z.B. Spanien) egalisiert, so dass sinkende PV-Preise
den Markt beherrschen. Dadurch bleibt der Druck zur fortlaufenden
Kostendegression bei den Herstellern aufrecht um eine ausreichende
Gewinnmarge lukrieren zu können.
110 solarhybrid (2011): Photothermie http://www.solarhybrid.ag/Hybrid-Kollektor.52.0.html , Abfragedatum: 02.04.2011 111 vgl. Hennicke P., Fischedick M.(2010):Erneuerbare Energien, S.33 112 Marktanteil 2009 ca. 18%, Prognose bis 2012 auf ca. 30% vgl. Bank Sarasin (2010/11): Solarwirtschaft – unterwegs in neue Dimensionen., S.6
64
Das Ausnutzen von Erfahrungskurven beschert den schon längerfristig am
PV-Markt agierenden Unternehmen einen Rückgang der Stückkosten in F&E,
Produktion, Vertrieb, Installation und damit zumindest (theoretisch) einen
Wettbewerbsvorteil gegenüber den neu eintretenden Unternehmen.
Da die meisten der neu eintretenden Unternehmen aus China oder Taiwan
sind, können sie im globalen Wettbewerb aufgrund anderer
Ausgangsbedingungen (z.B. niedrigere Material, Energie, Lohnkosten) meist
dennoch günstiger produzieren siehe Kap. 5.1 Neue Wettbewerber.
Gleichzeitig sorgen sinkende Modulkosten und fortlaufende bzw. neue
staatliche Fördermaßnahmen für ein Anhalten der globalen Nachfrage,
lediglich die Absatzmärkte verschieben sich. Daher gilt es auch für
bestehende Wettbewerber auf allen drei wichtigen Märkten (Europa, Asien
und USA) präsent zu sein.
Solarbuzz prognostiziert bis zum Jahr 2015 einen weiteren Preisverfall bei
Solarmodulen von 37-50% auf Basis der 2010er Preise113
.
5.6. Staat als Regulator
„Ich warne davor, zu glauben, dass der Markt die Umwelt alleine in den Griff
bekommt - dies ist geradezu ein Paradebeispiel für öffentliche
Verantwortung.“
Willy Brandt (1913-92), dt. Politiker (SPD), 1969-74 Bundeskanzler,
Friedensnobelpreisträger.
Eine wesentliche Rolle bei der Strukturanalyse der Solarenergie spielt der
Staat. Er kann hier z.B. durch direkte Subventionen, indirekte Subventionen
wie z.B. Steueranreize oder Forschungszuschüsse mehrere Aspekte der
Branchenstruktur beeinflussen und wird daher auch in Abb. 05 Fünf-Kräfte
Modell als Faktor visualisiert. Porter warnt allerdings auch vor den Gefahren 113 Solarbuzz (2011): Solarbuzz Reports World Solar Photovoltaic Market Grew to 18.2 Gigawatts in 2010, Up 139% Y/Y http://www.solarbuzz.com/our-research/recent-findings/solarbuzz-reports-world-solar-photovoltaic-market-grew-182-gigawatts-20 , Abfragedatum: 31.03.2011
65
von zu viel staatlichem Einfluss, der auf längere Sicht
wettbewerbsverzerrend, eigeninitiativhemmend sein und abhängig machen
kann.114
Auch tragen Subventionen zur Instabilität einer Branche bei, weil die Branche
in Abhängigkeit von nationalen politischen Entscheidungen gerät, die in
kürzester Zeit (z.B. aufgrund wechselnder politischer Mehrheitsverhältnisse)
abgeändert oder gar zurückgenommen werden können.
115
Aktuelle Beispiele der jüngsten Zeit aus Europa sind Spanien
116 und
Tschechien117
.
Andererseits kann der Staat gerade auch im Bereich der kostenintensiven
Energie, die im Falle von fossil-nuklearen Energieträgern hohe
Importabhängigkeiten verursacht, dank Förderung heimischer regenerativer
Energien höhere Energieautonomie erreichen, zur Einhaltung von geplanten
Klimaschutzzielen und zur direkten Wertschöpfung im Inland beitragen.
Darüber hinaus kann der Staat die EVU`s bei Ihrer Aufgabe der
Energieversorgung und Verteilung unterstützen je nach dem zu welchen
Anteilen Netzeinspeisung oder Eigenverbrauch von dezentral gewonnenem
Solarstrom gefördert wird (siehe auch Kap. 4.7. PV und Netzbetreiber)118
.
Unter all diesen Aspekten werden derzeit global in vielen Ländern
Photovoltaik-Anlagen gefördert, wovon die PV-Industrie aufgrund steigender
Nachfrage profitiert siehe Abb.21: Grüne Stimuluspakete – Ausgaben 2010.
114 vgl. Porter, M., E. (1990): The Competitive Advantage of Nations, London-Basingstoke, MacMillan Press, S. 680-682 115 Porter, M., E. (1999): Wettbewerbsstrategie., S. 284 116 Mit dem Royal Decree 1578 vom Sept 2008 beschloss Spanien eine Senkung der Einspeisetarife um 28% und eine Deckelung jährlicher Neuinstallationen. Der spanische Markt brach daraufhin von 2.700 MW Neuinstallation 2008 auf 60 MW Neuinstallation in 2009 zusammen.vgl. Bank Sarasin (2010/11): Solarwirtschaft – unterwegs in neue Dimensionen., S.26 117 Im Okt/Nov 2010 per Gesetz beschlossene Einführung einer 26% Steuer auf Einnahmen aus PV-Anlagen beendet den PV-Boom in Tschechien. vgl. Thanei, C. (2010): Tschechien zieht die Solarnotbremse, Die Presse,18.11.2010, S. 20 118 Z.B. die in Deutschland ab dem Jahr 2009 im EEG geregelte Selbstverbrauchsvergütung.
66
Abb.21: Grüne Stimuluspakete – Ausgaben 2010. (Quelle: Bank Sarasin Nachhaltigkeitsresearch. Indien – boomender Markt für Solar- und Windenergie, März 2010)
China hat im Herbst 2010 mit angekündigten Umweltschutzausgaben in Höhe
von 218 Mrd. US$ die globale Vorreiterrolle bei „grünen Investitionen“
übernommen. Im 10-Jahres „Clean Energy Plan“ hat China festgelegt, bis
2020 zumindest 15% des Energieverbrauchs aus CO2 neutralen Ressourcen
zu decken119. Im Rahmen des „Golden-Sun-Programms“ werden
Investitionen in PV-Anlagen mit 50% Steuererleichterung unterstützt120
.
Die USA verfügen derzeit noch über keinen eigenen bundesweiten
Einspeisetarif. Dennoch gibt es schon in 29 Bundesstaaten eigene
Renewable Portfolio Standards (RPS) und diverse Solar Incentive
Programme auf Bundesländerebene. Im Herbst 2010 hat die USA ein „grünes
Konjunkturpaket“ in Höhe von 118 Mrd. US$ angekündigt. Die USA unter
Barack Obama streben danach, Ihre Abhängigkeit von ausländischen
Ölimporten bis 2025 um 1/3 zu reduzieren121. Mit einem Wachstum von rund
40% im Jahre 2009 hat sich der US-Markt als sehr dynamisch erwiesen.
Noch höhere Wachstumsraten werden in Zukunft erwartet122
.
119 Bank Sarasin (2010): Nachhaltigkeitsresearch der Bank Sarasin: Indien – boomender Markt für Solar- und Windenergie , http://www.sarasin.ch/internet/iech/index_iech/about_us_iech/media_iech/news_iech.htm?reference=110941&checkSum=6711EAC9E360BBA5597C5C377DE4E9AD , Abfragedatum: 25.03.2011 120 Bank Sarasin (2009): 2010-Das Jahr der grünen Erholung?, http://www.sarasin.ch/internet/iech/index_iech/about_us_iech/media_iech/news_iech.htm?reference=94821&checkSum=F61F8040B3E98FB5FD96F662165667B6 , Abfragedatum: 24.03.2011 121 Vieregge, T. (2011): Obama will USA aus der Ölfalle führen, Die Presse, 01. 04 2011, S. 8 122 Bank Sarasin (2010/11): Solarwirtschaft – unterwegs in neue Dimensionen., S.27-29
67
Indien eignet sich aufgrund hoher solarer Einstrahlungsdichte besonders für
den Einsatz von PV. Die indische Regierung möchte bis 2020 ca. 20% ihres
Energiebedarfs aus erneuerbarer Energie gewinnen. Das Staatsbudget
2010/11 sieht 1 Mrd. US$ an Förderungen für erneuerbare Energie vor123
.
Deutschland fördert den Ausbau von erneuerbarer Energie im Erneuerbare-
Energien-Gesetz (EEG). Das EEG hat die Rolle eines
Markteinführungsinstruments und wurde aufgrund seines Erfolgs von
mehreren europäischen Ländern übernommen. Die dynamische Entwicklung
der PV in Deutschland ist dem EEG zu verdanken und hat in Deutschland
einen technologisch führenden Industriezweig mit hohem Exportanteil
geschaffen siehe Abb.22 Solarzellenproduktion in Deutschland 2000-2008
und Abb.23 Deutschlands PV-Exporte 2004-2013.
Abb. 22: Solarzellenproduktion in Deutschland 2000-2008 (Quelle: Quelle Bundesverband der deutschen Solarwirtschaft (BSW): http://www.solarwirtschaft.de/medienvertreter/infografiken/solarstrom.html)
123 Bank Sarasin (2010): Indien – boomender Markt für Solar- und Windenergie , http://www.sarasin.ch/internet/iech/index_iech/about_us_iech/media_iech/news_iech.htm?reference=110941&checkSum=6711EAC9E360BBA5597C5C377DE4E9AD , Abfragedatum: 25.03.2011
68
Abb.23: Deutschlands PV-Exporte 2004-2013 (Quelle Bundesverband der deutschen Solarwirtschaft (BSW): http://www.solarwirtschaft.de/medienvertreter/infografiken/solarstrom.html)
Für Solarstrom regelt das EEG die Höhe der individuellen Vergütung
abhängig von verschiedenen Parametern wie Anlagengröße, Anlagentyp und
Jahr des Betriebsbeginns. Das EEG garantiert dem privaten
Stromproduzenten je nach Inbetriebnahmedatum seiner PV-Anlage eine
festgelegte (aber degressive) Vergütung für den Zeitraum von 20 Jahren.
Netzbetreiber sind laut EEG zur vorrangigen Abnahme des regenerativ
erzeugten Stroms verpflichtet. Das EEG garantiert damit dem privaten
Investor Investitionssicherheit, fördert die Amortisierung seiner Anlage, fördert
die Verbreitung von Strom aus erneuerbarer Energie und trägt dank
Nachfrageerhöhung zu sinkenden Modulpreisen und damit zu einer
rascheren Netzparität (siehe Kap. 4.8 Netzparität) bei. Ab diesem Zeitpunkt
entspricht die Höhe der EEG-Vergütung den Kosten für den Haushaltsstrom.
Ziel des EEG ist den Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromversorgung
auf mindestens 30 % bis 2020 zu erhöhen124
.
Dies stellt eine bedeutende Umstellung zum traditionellen deutschen
Energiemix dar, siehe Abb. 24a Energiemix, Stand 2005 und 24b Energiemix,
Stand 2009.
124 EEG §1 Abs.2
69
Abb. 24a Energiemix in Deutschland, Stand 2005 (Quelle: Vorlesung Solarenergie SS2007 Universität Heidelberg, Michael Doran, Volker Quaschning)
Abb.24b Energiemix in Deutschland, Stand 2009. (Quelle: Deutsches Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWI), http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/E/energiestatistiken-grafiken,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf )
Die PV-Förderung nimmt im EEG eine Vorrangstellung ein und hatte Anfang
2010 pro Kilowattstunde die höchsten Vergütungssätze innerhalb der
erneuerbaren Energien siehe Abb. 25 Förderung Erneuerbarer Energien in
70
Deutschland und Tabelle 03 EEG Vergütungssätze 2004-2013 bei
Netzeinspeisung.
Abb. 25: Förderung Erneuerbarer Energien in Deutschland, Stand 2009 (Quelle:http://www.iea-shc.org/countries/reports/report.aspx?Country=Germany)
Tabelle 03: EEG Vergütungssätze 2004-2013 bei Netzeinspeisung, Rückgang der Einspeisevergütung (Feed-In Tarif) je Leistungsstufe + nach Inbetriebnahmedatum, Segment Gebäude Dachanlagen. (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Erneuerbare-Energien-Gesetz#Photovoltaik , Stand 25.03.2011), Uwe Warm
5.7. PV-Industrie im Umbruch: Krise 2009 Durch die Rezession und Kreditkrise wurde auch die aufstrebende PV-
Industrie getroffen. Die Nachfrage brach unerwartet stark ein, alle Ebenen
entlang der PV-Wertschöpfungskette waren betroffen. Das zusätzliche
Zusammenbrechen des großen spanischen PV-Markts bedingt durch einen
drastischen Regierungseingriff Ende 2008125
125 Spain Royal Decree 1578/2008
ergab für 2009 (mit Ausnahme
von Deutschland) defakto ein Nullwachstum für die globale PV-Industrie,
siehe Abb. 27 Entwicklung des europäischen. PV-Markts. Der
absatzverwöhnte PV-Markt, bis 2008 ein Verkäufermarkt, litt 2009 unter
71
Überkapazitäten einhergehend mit hohem Preisverfall126.Die Preise für
Solarmodule fielen vor 2009 jährlich um ca.5-10%, im Jahr 2009 um ca. 40%,
und 2010 fast wie vor der Krise um 14% 127
siehe Abb.26: Solarstromanlagen
seit 2006 rund 50% billiger.
Abb.26: Solarstromanlagen seit 2006 rund 50% billiger (Quelle Bundesverband der deutschen Solarwirtschaft (BSW): http://www.solarwirtschaft.de/medienvertreter/infografiken/solarstrom.html) Unter der darauf folgenden Drosselung der Kapazitäten litt der sich
wiedererholende PV-Markt teilweise auch noch 2010 siehe Kap. 5.3.
Zulieferer.
5.8. PV-Branchen Resümee 128
Zusammenfassend lässt sich bei den großen Herstellern der PV-Industrie der
Trend zur vertikalen Integration (integrated manufacturer) in der
Wertschöpfungskette, rückläufigen Produktionskosten durch Fokussieren auf
Kostenführerschaft und anhaltend steigenden Effizienzgraden bei den
126 vgl. Bank Sarasin (2009/11): Solarwirtschaft – grüne Erholung in Sicht., S.7 127 Solarbuzz (2011): Solarbuzz Reports World Solar Photovoltaic Market Grew to 18.2 Gigawatts in 2010, Up 139% Y/Y http://www.solarbuzz.com/our-research/recent-findings/solarbuzz-reports-world-solar-photovoltaic-market-grew-182-gigawatts-20 , Abfragedatum: 31.03.2011 128 Stand 11/2010
72
produzierten Solarzellen und Modulen beobachten (siehe Kap.5 Bedeutung
des 5 Kräfte Modells für die PV-Industrie). Die vertikale Integration trägt zum
Abbau von Nischen der auf PV-Zellen oder Module spezialisierten Hersteller
bei und verschärft den Wettbewerb. Ein Wettbewerb, der in der erzeugenden
PV-Industrie hoch kapitalintensiv ist und nur von den Unternehmen
gewonnen werden kann, die einerseits über gute Finanzierungsmöglichkeiten
und anderseits über niedrigste Produktionskosten verfügen.
Im globalen Ländervergleich ist absehbar, dass Schwellenländer wie China
mit seinen großen PV-Unternehmen, die zum Teil ihren Finanzsitz auf den
Cayman Islands haben, über niedrige Personalkosten, hohe Skaleneffekte
und hohe Binnenmarktnachfrage verfügen diesen Kampf mittelfristig
gewinnen wird (siehe Kap. 5.1 Neue Wettbewerber). Wenn die
Massenproduktion von PV-Wafern, -Zellen und -Modulen für andere
(kleinere) Wettbewerber (ohne Subventionen) wirtschaftlich unrentabler wird,
stellt sich die Frage nach neuen Nischen. Hier verspricht eine Spezialisierung
auf das PV-Installationsgeschäft Zukunftsaussichten für die europäischen und
amerikanischen Hersteller. Auch wird die aufkommende PV-Industrie in
Schwellenländern wie Indien129 eine Nische bieten für Hersteller, die auf den
Bereich von autarken PV-Insellösungen (off-Grid) spezialisiert sind, z.B. auf
die dafür benötigten Strom-Speicher deren Einsatz auch im
stromnetzgebundenen Europa zum Lastmanagement130
der fluktuierenden
PV- und Windenergie Einspeisung hohes Zukunftspotential hat.
Deutschland als führender PV-Markt nach installierter Leistung wird sich nach
dem Wachstums-Hype bis 2010 langsamer entwickeln siehe Abb. 27
Entwicklung des europäischen. PV-Markts.
129 Bank Sarasin (2010): Indien – boomender Markt für Solar- und Windenergie , http://www.sarasin.ch/internet/iech/index_iech/about_us_iech/media_iech/news_iech.htm?reference=110941&checkSum=6711EAC9E360BBA5597C5C377DE4E9AD , Abfragedatum: 25.03.2011 130 hier i.S. des Erzeugungsmanagements =zielgerichtete Anpassung des Stromangebots an die tatsächliche Stromnachfrage zur Vermeidung von Überangebot oder Unterversorgung
73
Abb.27: Entwicklung des europäischen. PV-Markts (nach installierter MW-Leistung) (Quelle:Solarbuzz:http://www.solarbuzz.com/facts-and-figures/market-facts/regional-pv-markets-europe)
Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate des PV-Markts wird für die
Jahre 2009-2015 für Deutschland mit +3%, die USA mit +70%, China mit +
77% und Indien mit +76% angenommen131
Damit das Wachstum der PV-Industrie auf hohem Niveau fortgesetzt werden
kann, sind künftig zusätzliche Märkte neben den etablierten wie Deutschland
erforderlich.
.
Darüber hinaus wird es laut Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und
Energie132
für High-Tech-Länder wie Deutschland darauf ankommen, über
einen stetigen Technologievorsprung einen signifikanten PV-Marktanteil
weiterhin für sich beanspruchen zu können.
Außer Größe werden hohes technologisches Knowhow, eine breite
Vertriebsbasis und eine gesunde Finanzstruktur (siehe Kap. 7.4. Das
überlegene Geschäftsmodell) auch künftig erfolgreiche Unternehmen der PV-
Industrie kennzeichnen133
.
131 Bank Sarasin (2010/11): Solarwirtschaft – unterwegs in neue Dimensionen., S.29 132 vgl. Hennicke P., Fischedick M.(2010):Erneuerbare Energien.,S.77 133 vgl. Bank Sarasin (2009/11): Solarwirtschaft – grüne Erholung in Sicht., S.8
74
6. Datenvorbereitung zur Analyse der PV-Branche anhand von WBM-
Analyseverfahren Kennzahlen bestimmen die Wirtschaft. Finanzkennzahlen geben Auskunft über
Erfolg- bzw. Nichterfolgreiche Unternehmen. Zu ihrem Erhalt und ihrer
Auswertung wurde eine computergestützte Analyse quantitativer Daten als
Methodik gewählt. Ein qualitatives Interview z.B. in Form von
Unternehmensbefragungen schied aufgrund der Firmenauswahl in Form von
Kapitalgesellschaften (siehe auch Kap. 6.1 Datenerhebung) als Methodik aus.
Beim Umfang des gewählten Themas war die Eingrenzung der Recherche
essentiell. So wurde trotz globaler PV-Marktbetrachtung der Fokus auf die
Performance deutscher PV-Anbieter gelegt. Das Ziel der Datensammlung war,
eine Vergleichsdatenbank zu erstellen auf deren Grundlage die spätere
Auswertung und Beweisführung nach der WBM-Analyse Methode beruht.
Wie ein Elektroauto nicht ohne Batterie funktioniert, so kann kein Solarstrom
erzeugt werden ohne ein PV-Modul, kein Modul ohne die notwendigen
Einzelzellen bestehen. Als PV-Industrie werden daher in der Analyse PV-
Hersteller und PV-Systemintegratoren zusammengefasst134
.Bei den PV-
Systemintegratoren handelt es sich im Bereich der Analyse ebenfalls um
international tätige Kapitalgesellschaften (nicht um lokal agierende Vorort
Installateure), die eine schlüsselfertige PV-Lösung bestehend aus PV-Modul,
Rack, Befestigung, Wechselrichter liefern können. Manche Unternehmen
vereinen auch beide Funktionen. Abb. 28 zeigt die analysierten Unternehmen der
PV-Industrie inklusiv ihrer Logos.
134 siehe auch Kapitel 2.5 PV-Industrie
75
Abb.28: Analysierte PV-Unternehmen (Quelle: U.Warm)
6.1. Datenerhebung
Kennzahlen bestimmen die Wirtschaft. Unternehmen werden aufgrund von
Finanzkennzahlen beurteilt, gemessen und gesteuert. Über Erfolg- bzw.
Nichterfolg auskunftgebende Finanzkennzahlen lassen sich den
Geschäftsberichten135
Im Falle von Kapitalgesellschaften
von Unternehmen entnehmen. 136
135 Der Geschäftsbericht ist eine der wichtigsten Informationsquellen für den
herrscht laut deutschem
Handelsgesetzbuch (HGB) Veröffentlichungspflicht. Der Geschäftsbericht
wird jährlich nach Ablauf des Geschäftsjahres publiziert und umfasst bei den
analysierten Unternehmen den Jahresabschluss bestehend aus Bilanz,
Gewinn-und Verlustrechnung (GuV) und Kapitalfluss-Rechnung. Als Basis
der Datensammlung dienten jeweils mindestens drei aufeinanderfolgende
Jahresabschlüsse der analysierten Unternehmen.
Eigentümer (z.B. bei einer Aktiengesellschaft die Aktionäre). Er gibt Auskunft über Strategie, Tätigkeit und Erfolg des Unternehmens. 136 Rechtsformen in Deutschland z.B. AG, SE, GmbH
76
Die Daten der Kapitalgesellschaften sind mittels Internet für alle abrufbar. Im Falle von Personenhandelsgesellschaften137
(ohne Veröffentlichungspflicht)
erhält man diese Daten meist direkt durch persönliche Befragungen. Da diese
Arbeit sich auf Kapitalgesellschaften beschränkt, wurde der größte Teil der
Rohdaten mittels Internet-Recherche zusammengetragen und in Excel-Form
festgehalten siehe Tabelle 04 Auszug aus Analyse-
Datenbank/Rohdatensammlung.
Als Orientierungspunkt für die Selektion der Firmen aus der zu
analysierenden Branche dienten Branchenindizies wie PV Global 30 Index138,
PVVX-Index139 ,Ökodax140 und im weiteren TecDax141 und RENIXX142
Als Kontrolle für die Richtigkeit der Auswahl dienten Jahresabschlüsse erstellt
nach US-Vorschriften (10-K Form, 20-F Form), die im Bereich Risk Factors
u.a. mehr oder weniger detailliert die entsprechenden Hauptmitbewerber
aufzählen.
, deren
Auswahl meist auf Marktkapitalisierung beruht.
Zur Auswahl gelangten dann diejenigen PV-Unternehmen, die ihren Umsatz
(Jahresumsatz > 50 Mio. €uro) mehrheitlich entlang der PV-
Wertschöpfungskette generieren.
Ausgeschlossen von der WBM-Analyse wurden Unternehmen, die sich mit
der Erzeugung und Gewinnung von Rohsilizium (z.B. Hemlock, Wacker,
GCL-Poly) beschäftigen, der Vorstufe der in Kap. 1.2 Branchenwahl
definierten Wertschöpfungskette. Allerdings ist bei einem Teil dieser
Unternehmen derzeit eine Vorwärtsintegration wie z.B. durch die Erzeugung
137 Rechtsformen in Deutschland z.B. KG, OHG, GbR 138 Deutsche Börse AG (2009): Leitfaden Photovoltaik Global 30 Index, http://www.dax-indices.com/DE/MediaLibrary/Document/Photovoltaik_Global_30_1_0_d.pdf , Abfragedatum 01.12.2010 139 Photon (2011): PPV-Index, http://www.photon.de/ppvx/ppvx.htm , Abfragedatum 08.01.2011 140 Deutsche Börse AG (2007): Leitfaden Ökodax, http://www.dax-indices.com/DE/MediaLibrary/Document/%C3%96ko_DAX_L_1_0_d.pdf , Abfragedatum 02.12.2010 141 Deutsche Börse AG (2010): TecDax-Index, http://deutsche-boerse.com/dbag/dispatch/de/kir/gdb_navigation/listing/10_Market_Structure/31_auswahlindizes/30_TecDAX , Abfragedatum 19.11.2010 142 IWR (2010): Renixx-Index, http://www.iwr.de/renixx/, Abfragedatum 25.07.2010
77
von Ingots und Wafern zu erkennen143
. Je nach Intensität dieser vertikalen
Integration gemessen am Gesamtumsatz ist wahrscheinlich, dass künftige
Auswertungen diese aufgrund der Gewinne aus dem Silizium-Geschäft EBIT
starken Firmen berücksichtigen werden.
Aufgrund der obigen Definition sind globale Mischkonzerne wie Sharp,
Sanyo, Kyocera, Mitsubishi, Siemens oder GE nicht Bestandteil der
Auswertung, obwohl auch sie einen Teil ihres Umsatzes im PV-Bereich
erzielen144. Dessen ungeachtet besitzen sie gewaltiges Bedrohungspotential
für die vorhanden Marktbestreiter allein schon aufgrund ihrer Kapitalstärke
und vorhandener Skaleneffekte (siehe auch Kap. 5 Bedeutung des 5-Kräfte
Modells für die PV-Industrie). In die gleiche Kategorie und ebenfalls nicht
Bestandteil der Auswertung fallen globalen Ölkonzerne, wie BP oder Shell,
die sich erst zögerlich aber dann mit gewaltigen Investitionen in den Bereich
der Erneuerbaren Energien bewegten145
. Hier bleibt abzuwarten, inwiefern
das Engagement nachhaltig ist oder zu Imagezwecken dient.
Großes Augenmerk lag auf der Aktualität der Daten, weswegen zusätzlich
noch aktuelle Beiträge aus Medien, Internet und Branchenreports146
, wie sie
von Bankhäusern zur Marktbeurteilung herausgegeben werden genutzt
wurden.
Datenbanken oder im englischen Information-Retrieval System (IRS), sind
Dateien mit strukturierten Daten. Es gibt verschiedene Arten von
Datenbanken wie z.B. Referenz-, Fakten- oder Volltext-Datenbanken.
In der vorliegenden Arbeit wurde weitestgehend mit einer Fakten-Datenbank
(basierend auf Geschäftsberichten) gearbeitet, die eine benutzerpezifische 143 z.B. REC Group (2010): Segment Information - Third Quarter REC Group, Total Revenues from Silicon, Wafer + Solar, http://www.recgroup.com/en/ir/Reports/2010/Third-quarter-2010/; S. 27, Abfragedatum 13.12.2010 (Umsatz im Segment Wafer +Solar > 70 % vs. Umsatz im Segment Silicon < 30%; daher aufgrund der Umsatzgewichtung in Auswertung mit eingeschlossen). 144 z.B. Sharp (2010): Annual Report, http://sharp-world.com/corporate/ir/library/annual/pdf/annual_2010.pdf Abfragedatum 02.08.2010 (Sharp Umsatz Segment Solar Cells FY 2010 = 208.732 Mill. Yen -ca. 1.844 Mill. Euro- entspricht 6,4% v. Gesamtumsatz) S.19,23,37,58 145 Bloomberg (2011): BP investment in alternative energy in 2011, http://www.bloomberg.com/news/2011-04-05/bp-boosts-to-2-billion-its-2011-investment-plan-for-renewable-energy.html, Abfragedatum 10.04.2011 146 wie z.B. von Bank Sarasin
78
Aufbereitung der erhobenen Zahlen und Statistiken ermöglichte (siehe
Tabelle 04 Auszug aus Analyse-Datenbank/Rohdatensammlung).
Tabelle 04: Auszug aus Analyse-Datenbank/Rohdatensammlung (Quelle: U. Warm)
Die Recherche-Arbeit verlief mehrstufig von der Auswahl der geeigneten
Datenquellen, die Abbildung der Suchstrategie als Suchformulierung sowie
die Ausgabe und Speicherung der Ergebnisse.
6.2. SPSS
SPSS steht für SPSS Statistics, die Statistiksoftware der gleichnamigen
amerikanischen Firma SPSS, die 1968 gegründet und 2009 von IBM
übernommen wurde.
Die Abkürzung stand ursprünglich für Statistical Package for the Social
Sciences, später dann auch für Superior Performing Software System.
SPSS Statistics wurde 2009-2010 auch unter dem Namen PASW (Predictive
Analysis SoftWare) vermarktet. Die Software ist ein modular aufgebautes
Programmpaket zur statistischen Analyse von Daten. Die für die
79
Auswertungen in der vorliegenden Masterthesis verwendete Software-
Version ist SPSS Statistics (V.18).
In SPSS muss das Analyse-Modell so beschrieben sein, dass klar ist, welche
Variable als Abhängige gesucht wird und welche als Erklärende fungiert, also
auf bekannte Werte aufbauen kann. Mit Hilfe dieser Angaben kann SPSS die
unbekannten Koeffizienten der Regressionsgleichung berechnen. In SPSS
wird das Ergebnis einer Regressionsanalyse stets in mehreren Ausgabe-
Tabellen dargestellt. Die erste Tabelle zeigt die in der Analyse verwendeten
Variablen auf. Die weiteren Tabellen enthalten die eigentlichen Ergebnisse
der Analyse. Als Einstiegsliteratur für SPSS wurde das Buch SPSS für
Dummies verwendet147
.
6.3. Regressionsanalyse Die Regressionsanalyse gilt als eine der am häufigsten verwendeten
statistischen Analyseverfahren. Es gibt verschiedene Regressionsverfahren
wie z.B. die logistische, die robuste oder die lineare Regressionsanalyse. Die
in dieser Arbeit zur Anwendung gelangte Analyseform basiert auf der linearen
Regressionsanalyse. Mit ihrer Hilfe kann eine Variable (einfache lineare
Regression) oder mehrere Variablen gleichzeitig (multiple lineare Regression)
untersucht werden.
Für die Durchführung der linearen Regressionsanalyse bedarf es zuerst eines
Modells. In dem Modell wird eine abhängige Variable (z.B. EBIT-Marge)
gesucht, die durch eine oder mehrere erklärende Variable/n (z.B. DIO,
DSO,…DoCOGS) definiert wird148
.
Die für die Regressionsanalyse entscheidenden Input-Parameter werden aus
DIO (Days Inventory Outstanding)149, , DSO (Days Sales Outstanding)150,
DPO (Days Payable Outstanding)151,DoCOGS (Days of Cost of Goods
Sold)152, DoSG&A (Days of Selling, General and Administrative Expenses)153
147 Brosius, F.(2010):SPSS 18 für Dummies,1.Auflage, Weinheim, Wiley-VCH Verlag
,
148 Siehe Abb.30 Ablaufdiagramm SPSS Regressions-Analyse 149 Dauer für Lagerumschlag bis Zahlungseingang (in Tagen) 150 Parameter für die Schnelligkeit der Umwandlung (in Tagen): Verkaufskosten in Umsatz 151 Parameter für die Schnelligkeit des Zahlungseingangs (in Tagen) 152 Parameter für die Schnelligkeit der Umwandlung (in Tagen): Wareneinsatz in Umsatz 153 Parameter für die Schnelligkeit der Umwandlung (in Tagen): allgemeine Kosten in Umsatz
80
DoR&D (Days of Research & Development)154 und DoCapex (Days of Capital
Expenditure)155 ermittelt. Diese Faktoren lassen sich aufgrund der Angaben
aus den Geschäftsberichten, ablesen bzw. errechnen und sind alle
gekennzeichnet durch den Parameter Zeit156
.
Abb.29: Ablaufdiagramm SPSS Regressions-Analyse (Quelle: H.Rüll, U.Warm)
Bei der hier verwendeten Form der multiplen linearen Regression werden die
Zusammenhänge zwischen mehreren erklärenden oder unabhängigen
Variablen auf der Input-Seite und einer abhängigen Variablen auf der Output-
Seite aufgezeigt, siehe Abb.29 Ablaufdiagramm SPSS Regressions-Analyse.
Dieser Vorgang wird dann pro gesuchter abhängiger Variable wiederholt (z.B.
OCF-Marge, etc.).
Anhand der (vorhandenen) Werte der erklärenden Variablen und der
ermittelten unbekannten Koeffizienten wird versucht, auf den Schätzwert der
abhängigen Variablen zu schließen. Als Ergebnis werden die zugehörigen
Regressions- und Beta-Koeffizienten, die Signifikanz und eine Gleichung zur
Berechnung des bestmöglichen Schätzwertes für die abhängige Variable
ausgewiesen.
Aus dem Abfrageergebnis werden diejenigen Parameter ausgewählt, die die
höchsten B-Werte und die niedrigste Signifikanz (< 5%) haben.
154 Parameter für die Schnelligkeit der Umwandlung (in Tagen): Entwicklungs-Kosten in Umsatz 155 Parameter für die Schnelligkeit der Umwandlung (in Tagen): Investitions-Kosten in Umsatz 156 Der Faktor Zeit spielt eine, wenn nicht die alles entscheidende Rolle= vgl. dazu: Stalk, G. (1988): Time-the next source of competitive advantage, Harvard Business Review, 66, July-August, S.42-52
81
Dies ist für die darauffolgende Berechnung der Geschwindigkeit der
Wertschöpfungskette (Value Chain Velocity) siehe Kap. 7.2.2 VCV relevant.
Anhand der erhaltenen Gleichung und ihrer Parameter lassen sich
Zusammenhänge zwischen erklärenden und abhängigen Variablen ablesen.
Diese können aber durch die Tatsache, dass SPSS mit mehreren
erklärenden Variablen arbeitet, die untereinander korrelieren, zu
Aussageverzerrungen führen. Daher empfiehlt sich eine zusätzliche
inhaltliche Plausibilitätsprüfung der Ergebnisse, siehe auch Kap.6.5
Datenanpassung + Validierung.
6.4. Datenaufbereitung
Um Signifikanz beim Datenmaterial bemüht, wurden keine Zeitpunktdaten
(z.B. Einzelbilanz) sondern Zeitperiodendaten in Form von
Geschäftsberichten der jeweils mindestens letzten 3 Jahre (2007 – 2009
sowie 2010 Q1-2) verwendet. Da eine Vollerhebung der Daten aller global
tätigen PV-Kapitalgesellschaften (absolute Grundgesamtheit) schlichtweg den
Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, erfolgte eine zielorientierte Auswahl.
Die bewusste Auswahl basiert auf den in Kap. 1.2 Branchenwahl und 6.1
Datenerhebung definierten Kriterien sowie nach Umsatzgröße im PV-
Segment.
(Fokus auf international agierende deutsche PV-Unternehmen im
Benchmark-Vergleich zu globalen PV-Marktführern).
Die Stichprobengröße ergab 28 Unternehmen aus einer
Erhebungsgrundgesamtheit (Auswahlgesamtheit) von 40157
Die Stichprobe wurde mit 28 (70 % der Auswahlgesamtheit) bewusst groß
gewählt, da je größer die Stichprobe, desto stärker die Annäherung an die
wahren Werte der Grundgesamtheit. Ziel war jederzeit, ohne große
Abweichungen, von der Stichprobe auf die Grundgesamtheit schließen zu
können, um dem Anspruch gerecht zu werden allgemein gültige Aussagen
über strategische Erfolgsfaktoren in der PV-Industrie als Branche treffen zu
können. Desweiteren wurde die Stichprobe so gewählt, dass sich der
Unternehmen.
157 Summe aller Unternehmen gelistet in PV-Global 30, PVVX-Index, ÖkoDax und TecDax abzüglich Überschneidungen und Nichtzugehörigkeiten (Stand 2010)
82
Mittelwert der Variablen in der Stichprobe möglichst geringst von der
Grundgesamtheit unterscheidet158
Davon ausgehend, dass Stichproben normalverteilt sind, kann eine
Visualisierung anhand einer Normverteilungskurve (Gaußsche
Glockenkurve)
. Die gewählte Wahrscheinlichkeit beträgt
95%; das heißt mögliche Stichprobenfehler bewegen sich im Bereich von 5%.
159 erfolgen. Die Standardabweichung (σ) oder auch
Standardfehler genannt, ist die Abweichung um den Mittelwert. Die
theoretische Statistik besagt160
• 68,7 % aller Messwerte haben eine Abweichung von höchstens σ vom
Mittelwert,
:
• 95,73 % aller Messwerte haben eine Abweichung von höchstens 2σ vom Mittelwert,
• 99,73 % aller Messwerte haben eine Abweichung von höchstens 3σ vom Mittelwert.
Die Streubreite (R) einer Normalverteilung ist jenes Intervall, in dem sich 99% aller Fälle befinden.
Im Falle von fehlenden Daten (i.S. von einem Nichtvorhandensein der
auszuwertenden Geschäftsberichte von 3,5 aufeinanderfolgenden Jahren)
wurde in einem Fall (First Solar, USA) mit den Geschäftsberichten von nur 3
Jahren gearbeitet. Der Fall, dass von einem für die Analyse vorgesehenen
Unternehmen kein, ein oder nur zwei veröffentlichte/r Geschäftsbericht/e
online vorlag/en, trat nicht ein.
Schwierigkeiten gab es bei den Auswertungen der taiwanesischen
Unternehmen (Motech und Gintech). Hier sind zum Zeitpunkt der Analyse die
vollständigen Jahresabschlüsse teilweise nur auf Chinesisch vorhanden. Die
englischen Übersetzungen sind stark kumuliert und enthalten nicht alle
Einzel-Daten. Als Workaround empfiehlt sich ein online-Besuch bei der
taiwanesischen Börse (TWSE)161
Fehlende Einzeldaten im Bereich Forschung & Entwicklung gab es bei den
Auswertungen von Q1-Q2 2010 bei fast allen Firmen, da diese Zahl meist
. Hier lassen sich alle fehlenden Daten auch
auf Englisch abrufen.
158 Flaker, V. und Schmid, T.(2006): Von der Idee zur Forschungsarbeit, Wien, Köln, Weimar, Böhlau Verlag, S.334 159 nach dem deutschen Mathematiker Carl Friedrich Gauß 1777-1855 160 Flaker, V. und Schmid, T.(2006): Von der Idee zur Forschungsarbeit, S.386 161 http://emops.tse.com.tw/
83
erst mit Jahresabschluss für das abgelaufene Gesamtjahr bekannt gegeben
werden. Hier wurden daher die F&E Angaben von 3 Jahren genutzt.
Generell machten 25% aller analysierten Konzerne keine Angaben zu ihren
F&E Ausgaben. Anhand der berichteten F&E-Werte ergibt sich im gemittelten
3 Jahres-Durchschnitt ein Wert von 4,7% vom Umsatz für F&E Ausgaben in
der PV-Branche.
Was bedeutet das für die Ermittlung der Value Chain Velocity (VCV)?
Im SPSS Vergleich zur Branchen-Relevanz der Parameter (DIO, DSO, DPO,
DoCAPEX, DoCOGS, DoSG&A und DoR&D) ergibt sich aufgrund der
Auswahlkriterien der Regressionsanalyse [entscheidende Input-Parameter
werden durch höchsten B- bei gleichzeitig niedrigstem Signifikanz-Wert
ermittelt], dass DoF&E nur eine untergeordnete Rolle im Modell einnimmt.
Fehlende F&E Werte sind daher vernachlässigbar und beeinträchtigen nicht
die Qualität der Untersuchung bzw. deren Gesamtaussage.
Dasselbe gilt für fehlende Einzeldaten im Bereich der Liquidität. Hierzu
machten speziell die chinesischen Unternehmen im Jahr 2010 keine Angaben
in ihren Quartalsergebnissen. Die Veröffentlichung erfolgt erst mit
Jahresabschluss im Cash Flow-Statement. Die Anzahl der chinesischen
Unternehmen beträgt 25% der Stichprobe. Allerdings liegen die Operating
Cash Flow-Werte für die Jahre 2007-2009 vor.
6.5. Datenanpassung und Validierung Um zu gewährleisten, dass die ausgewählten Stichproben repräsentativ für
die PV-Branche sind, wurden sie auf ihre Wahrscheinlichkeit in Bezug auf die
Gesamtheit per Signifikanztest 162
und Bestimmtheitsmaß R2 geprüft.
Die Signifikanz gibt Ausdruck darüber, ob sich die Aussagen der
Regressionsanalyse verallgemeinern lassen, oder nur für die eine
vorliegende Datenanalyse Gültigkeit haben. Es wird sowohl eine Signifikanz
für das Gesamtmodell als auch die jeweiligen Signifikanzwerte für die
einzelnen erklärenden Variablen ausgewiesen. Die statistische Signifikanz
162 Bei einer Signifikanz > 0,05 (Irrtumswahrscheinlichkeit > 5 %) wird die Nullhypothese (H0) verworfen und die Alternativhypothese (H1) < 0,05 angenommen.
84
beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass ein Zusammenhang zufällig zustande
kommt. Sie ist gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit dafür nur gering ist.
Auch wenn das Gesamtmodell signifikant ist, muss nicht jede einzelne
erklärende Variable auch tatsächlich einen Einfluss auf die abhängige
Variable haben.
Als einer der Indikatoren für die Güte des Regressionsmodells dient das
Bestimmtheitsmaß R2.
Eine zu 100% korrekte Berechnung der abhängigen Variable (aus den
erklärenden Variablen) läge bei dem Wert R2=1 vor. Bei R2=0 bestünde kein
Zusammenhang zwischen den erklärenden und der abhängigen Variable.
R2 liegt bei den für die WBM-Analyse verwendeten Auswertungen im Bereich
von 0,66 bis 0,86; das korregierte R2 im Bereich von 0,58-0,81.
Ein weiterer wichtiger Indikator für die Genauigkeit einer Regressionsanalyse
ist der Standardfehler. Er gibt an, wie stark der mithilfe der
Regressionsgleichung ermittelte Schätzwert der abhängigen Variablen von
dem tatsächlichen Wert abweicht. Je kleiner der Standardfehler, desto näher
liegen die geschätzten Werte an den Tatsächlichen.
Abb.30 zeigt einen Screenshot einer SPSS-Ausgabedatei.
85
Abb.30: Beispiel der SPSS Ausgabedatei „EBITM 2009“. (Quelle: U.Warm)
SPSS bietet zahlreiche Möglichkeiten zur Visualisierung der bei der
Regressionsanalyse erhaltenen Schätzwerte z.B. mithilfe eines
Streudiagramms.
7. Winning Business Models-Analyseverfahren (WBM-Analyse)
Was ist eine WBM-Analyse?
Das Winning Business Models-Analyseverfahren, kurz WBM-Analyse ist eine
Finanzanalyse zur Unternehmensbewertung auf Basis der
betriebswirtschaftlichen Kennzahlen aus dem Konzernabschluss erweitert um den
Faktor Zeit in ausgewählten Prozessen.
Warum ist der Faktor Zeit wichtig, reicht für eine Bewertung nicht auch eine
Unternehmens-Analyse nach den wichtigsten Kennzahlen wie Eigenkapitalquote,
Schuldentilgungsdauer, Gesamtkapitalrentabilität und Cashflow? Der Unterschied
liegt in der Zielsetzung. Es geht bei der WBM-Analyse nicht um die Betrachtung
von Börsenkursen zur Errechnung eines Kursziels oder um eine Firmen-
Wertermittlung zur Abgabe einer Kauf- oder Verkaufsempfehlung für das
86
analysierte Wertpapier. Ähnlich einer detaillierten Bilanzanalyse lassen sich mit
der WBM-Analyse Unternehmen auf ihre derzeitige und zukünftige wirtschaftliche
Lage anhand des Jahresabschlusses untersuchen mit dem Ziel aufgrund des
Ergebnisses, die Wettbewerbsposition des Unternehmens durch Beschleunigung
der Unternehmensprozesse und der Wertschöpfung zu optimieren.
In der jüngsten Zeit wurde die Weltwirtschaft immer häufiger von Krisen
geschüttelt (US Immobilienkrise 2008; globale Finanzkrise 2008/09; europäische
Wirtschaftskrise 2009/10; Eurokrise 2010/11), die es vielen Unternehmen
zusätzlich zu ihrem Branchenwettbewerb erschwerten, einen langfristig
erfolgreichen Kurs zu fahren.
Es zeigt sich, dass Unternehmen heute, unabhängig von ihrer Größe,
agil und schnell sein müssen, um trotz Krisen und globalem Wettbewerb ihre
zeitlich begrenzten Wettbewerbsvorteile ausnutzen und längerfristig erfolgreich
sein zu können163. Andernfalls droht eine wiederkehrende Abfolge von Berg-und
Talfahrten entlang der Konjunkturentwicklung164
Die WBM-Analyse ist daher mit einer Bilanzanalyse vergleichbar, die um den
Faktor Zeit erweitert wurde, um Unternehmen auch auf die Schnelligkeit ihrer
Prozesse hin untersuchen zu können.
.
Da Einmal-Jahreskennzahlen aus dem Jahresabschluss allerdings nur eine sehr
geringe Aussagekraft haben untersucht die WBM-Analyse methodisch
mindestens 3 aufeinanderfolgende Jahre. Darüber hinaus analysiert sie das
Unternehmen im Benchmark Vergleich zu anderen Branchen-Mitbewerbern.
Über den Wettbewerbsvergleich, den Faktor Zeit und den Faktor Wertschöpfung
kann eine Positionsbestimmung vorgenommen und qualifizierte Aussagen
bezüglich der Ergebnisse getroffen werden.
Was ist das Ergebnis einer WBM-Analyse?
Als Ergebnis zeigt das Analysemodell Effizienssteigerungspotential entlang der
Wertschöpfungskette (Value Chain) eines Unternehmens auf. Die so ermittelte
Leistungslücke kann durch Prozessbeschleunigung je nach Schwerpunkt durch
Ausgabenoptimierung (COGS), Working-Capital-Optimierung im Bereich der
163 Pümpin C., Amann W.(2005):SEP - Strategische Erfolgspositionen. Kernkompetenzen aufbauen und umsetzen, Bern, Stuttgart, Wien, Haupt Verlag, S.51-54 164 Grove, A. S.,(1996): Only the Paranoid survive.,S.131-135
87
Cash Velocity (DSO, DIO, DPO) oder Prozess- und Organisationsoptimierung
(z.B. SG&A) nachhaltig geschlossen werden.
Die Analysemethode ist objektiv, weil sie sich an den Jahresabschlüssen
orientiert und der systematischen Aufbereitung von Informationen dient (siehe
auch Kap. 7.6. Grenzen der WBM-Analyse). Zu Dokumentationszwecken können
umfangreiche Unternehmensstudien erstellt werden, entweder vom Unternehmen
selbst oder von externen Beratern (siehe Abb.31 schematische Ablaufdarstellung
einer WBM-Analyse + anschl. Umsetzung).
Die geschilderte Methodik gilt nicht nur für die hier erstmals danach analysierte
PV-Branche, sondern wurde von Dr. Rüll und seinen Mitarbeitern in den
vergangenen Jahren zur Analyse und Beratung von ca. 400 Firmen aus ca. 20
verschiedenen Branchen eingesetzt.
Abb.31: schematische Ablaufdarstellung einer WBM-Analyse + anschl. Umsetzung (Quelle: U.Warm)
88
7.1. Methodik Welche werttreibenden Erfolgsfaktoren werden für die Analyse verwendet
und wie lassen sie sich herleiten?
Aus den Jahresabschlüssen wurden im Fall der PV-Analyse 10 verschiedene
Parameter extrahiert. Es sind dies im Einzelnen: Umsatz, COGS, SG&A,
EBIT, F&E sowie Vorräte, Forderungen, Verbindlichkeiten und OCF und
Capex. Daraus lassen sich die folgenden 10 Parameter berechnen: Ebit-
Marge, OCF-Marge, Gross-Marge, DIO, DSO, DPO, DoCOGS, DoSG&A,
DoF&E und DoCapex. Mit Ausnahme der Marge-Parameter (Ebit, OCF,
Gross) erfolgt die Angabe der berechneten Parameter in Zeit (Tagen).
Als Werttreibende (strategische) Erfolgsfaktoren (siehe Definition Kap. 2.2
Erfolgsfaktoren) fungieren die aus den Finanzkennzahlen abgeleiteten 7
Parameter (DIO, DSO, DPO, DoCOGS, DoSG&A, DoF&E und DoCapex), mit
deren Hilfe sich eine WBM-Analyse durchführen lässt.
7.2. Werttreibende Erfolgsfaktoren
Welcher Zusammenhang besteht zwischen werttreibenden Erfolgsfaktoren
und zeitkritischen Prozessen?
Die SPSS Auswertung der werttreibenden Erfolgsfaktoren zeigt, in welchen
Parametern die größte Kapitalbindung bzw. das größte
Wertschöpfungspotential vorhanden ist, diese Parameter sind die
sogenannten Kerntreiber. Die Kerntreiber können von Branche zu Branche
variieren.
Für die PV-Branche, hier betrachtet als produzierende Industrie, liegt die
Haupt-Kapitalbindung im Bereich Material und Personal, Lagerhaltung,
Sachinvestitionen und Verbindlichkeiten. Daraus abgeleitet und per
Datenbankauswertung und Regressionsanalyse bestätigt165
165 Siehe auch Kapitel 6.3 Regressionsanalyse
ergeben sich die
Parameter DoCOGS, DIO, DoCapex und DPO, die als Hauptkostenblöcke
fungieren. Diese gelten aufgrund ihrer hohen Kapitalbindung als zeitkritisch.
Je kürzer die Kapitalbindung, desto mehr freie Liquidität steht dem
89
Unternehmen für andere Aktivitäten zur Verfügung. Folglich kann
angenommen werden, dass diejenigen PV-Unternehmen, die die geringsten
Durchlaufzeiten in diesen Bereichen aufweisen (High VCV), liquider sind und
profitabler wirtschaften, als ihr „langsamerer“ Mitbewerb (Low VCV). Die
Umsatz- und EBIT-Kennzahlen sowie die Parameter Ebit-Marge, OCF-Marge,
Gross-Marge werden für die Erfolgsmessung bei der Auswertung
herangezogen (siehe Abb.32 High VCV vs. Low VCV PV-Unternehmen).
Abb. 32: High VCV vs. Low VCV PV-Unternehmen. YoY Performancevergleich 2007-2010 in %. (Quelle: U.Warm)
Die wertreibenden 7 Erfolgsfaktoren aggregiert ergeben die werttreibenden
Schlüsselparameter CV und VCV, die den Kern der WBM-Analyse darstellen.
7.2.1. Cash Velocity (CV)
In einem nächsten Arbeitsschritt lassen sich die ermittelten zeitrelevanten
Inputparameter aggregieren. Die Faktoren DSO, DPO und DIO stehen für die
Schnelligkeit der Kapitalbindenden Debitoren-, Kreditoren- und Lagerhaltungs-
Prozesse. Mit ihrer Hilfe lässt sich das Working Capital eines Unternehmens
90
optimieren. Das Working Capital ist der Indikator für operative Effektivität und
Effizienz eines Unternehmens166
Aus DSO, DPO und DIO wird per einfachem arithmetischem Mittel der
aggregierte Wert für die Cash Velocity (CV) gemessen in Tagen gebildet.
(siehe Abb. 33a Dreieck der werttreibenden Erfolgsfaktoren). Je niedriger der
CV Wert in Tagen, desto schneller sind die Prozesse.
.
Die Cash Velocity beschreibt die Schnelligkeit der Umwandlung der
aggregierten Kosten aus den Debitoren-, Kreditoren- und Lagerhaltungs-
Prozessen in Profit (EBIT).
Abb. 33a: Dreieck der werttreibenden Erfolgsfaktoren (Quelle: H.Rüll, U.Warm)
7.2.2. Value Chain Velocity (VCV) Aus den Einzelwerten für DoCOGS, DoSG&A, DoF&E und DoCapex wird per
Regressionsanalyse (siehe Kap. 6.3 Regressionsanalyse) und Berechnung
die übergeordnete Metrik der Value Chain Velocity (VCV) gemessen in Tagen
ermittelt (siehe Abb. 33b Dreieck der werttreibenden Erfolgsfaktoren).
Die Value Chain Velocity beschreibt die Schnelligkeit der Umwandlung der
Hauptkostenblöcke in Umsatz. VCV gibt also also den Zeitraum in Tagen an
der vergeht, bis Wertschöpfung generiert wird. Je kürzer ein Unternehmen
arbeiten muss bis Wertschöpfung generiert wird, desto mehr Ressourcen hat
es zur Verfügung. Das entscheidende Maß für unternehmerischen Erfolg ist
Wertschöpfung. 166 vgl. Weber, J, et al. (2011):TURNAROUND: Rüll, H und Jauck, G „Kostenoptimierung über die Implementierung überlegener Geschäftsmodelle als Maßnahme zur Krisenbewältigung“, S. 256-259
91
Value Chain Velocity steht für Ausgabenoptimierung (COGS- und Capex-
Aufwand) und/oder Prozess- und Organisationsoptimierung (SG&A- und R&D-
Aufwand).
Abb. 33b: Dreieck der werttreibenden Erfolgsfaktoren (Quelle: H.Rüll, U.Warm)
Ergo ergibt sich bei der Analyse ein Gewinnerbereich bestehend aus
Unternehmen mit hoher (schneller) Cash und Value Chain Velocity, ein
Verliererbereich bestehend aus Unternehmen mit niedriger (langsamer) Cash
und Value Chain Velocity sowie ein Mittelfeld bestehend aus
Mischausprägungen167
.
7.3. Werttreibende Erfolgsfaktoren als Steuerinstrument Wie und in welchen Geschäftsprozessen lassen sich Kosteneinsparungen
mithilfe der WBM-Analyse gezielt steuern?
Mit Hilfe der werttreibenden Schlüsselparameter CV und VCV lassen sich
im Anschluss an die Benchmarking Auswertung der WBM-Analyse Kosten-
und Leistungsoptimierungs-Ansätze prozessfokussiert steuern (siehe Abb.
33c Dreieck der werttreibenden Erfolgsfaktoren).
167 Weber, J, et al. (2011):TURNAROUND., S.249
92
Abb. 33c: Dreieck der werttreibenden Erfolgsfaktoren (Quelle: H.Rüll, U.Warm)
Ein überlegenes Geschäftsmodell basiert auf vielen Faktoren.
Aber unabhängig von Kostenführerschaft, Differenzierung oder Konzentration
auf Nischen ist es auch wichtig die finanztechnischen Stellschrauben des
Erfolgs zu kennen, um wirtschaftliche Stabilität und Überlegenheit zu erhalten.
Grundsätzlich kann festgestellt werden: Je niedriger der CV Wert in Tagen,
desto schneller sind die Prozesse. Je schneller die Prozesse, desto niedriger
die Kosten. Je geringer die Kostenstruktur, desto höher die mögliche
Gewinnspanne.
Je niedriger der VCV Wert in Tagen, desto schneller werden
Hauptkostenblöcke in Umsatz gewandelt. Je schneller die Hauptkostenblöcke
in Umsatz gewandelt werden, desto höher die mögliche Profitabilität.
Um auch in Krisenzeiten resistent gegenüber Branchenabschwüngen zu sein,
sind hohe Gewinn- und hohe Cashflow-Margen vorteilhaft.
Überdurchschnittlich hohe Gewinnmargen sind Indikator für Profitabilität i.S.
des WBM-Modells. Überdurchschnittlich hohe Cashflow-Margen sind Indikator
für WBM-Liquidität.
93
Profitabilität und Liquidität kann gesteuert werden durch Ausgaben- und
Prozess-bzw. Organisationsoptimierung in folgenden Bereichen168
• Verwaltungsaufwand (SG&A)
:
• Vertriebsaufwand (SG&A)
• Materialeinkauf (COGS)
• Personalaufwand (COGS)
• Forschungsaufwand (F&E)
Hohe Umsatz- und EBIT-Erlöse auch in Krisenzeiten sind ein weiterer
Indikator für Überlegenheit. Überdurchschnittlich hohe EBIT-Erlöse erzielen
Unternehmen, die ihre Hauptkostenblöcke schneller in EBIT wandeln können
als ihr Mitbewerb.
Zeitkritische Prozesse befinden sich im Bereich des Working Capital und
sollten je nach Analyseergebnis optimiert werden. Darunter fallen:
• Lageraufwand (DIO)
• Zahlungseingang offener Forderungen (DSO)
• Zahlungsausgang f. Verbindlichkeiten (DPO)
7.3.1. Profitabilität
Profitabilität lässt sich aus den Kennzahlen EBIT und Umsatz wie folgt
berechnen: EBIT-Marge (in %) = EBIT*100/Umsatz
Anhand des EBIT kann der betriebliche Gewinn verschiedener Geschäftsjahre
direkt verglichen werden, ohne dass die Resultate durch schwankende
Steuer- bzw. Zinssätze oder sonstige außerordentliche Faktoren verzerrt
werden.
Je schneller die Hauptkostenblöcke in Umsatz gewandelt werden, desto höher
die mögliche Profitabilität eines Unternehmens.
Im WBM-Modell gelten überdurchschnittlich hohe Gewinnmargen als Indikator
für Profitabilität.
168 Die Darstellung aller erforderlichen Einzelschritte zur Optimierung der einzelnen Aufwandssegmente ist nicht Sinn und Zweck und übersteigt den Rahmen der vorliegenden Arbeit.
94
7.3.2. Liquidität
Liquidität wird aus dem Operating Cashflow (OCF) abgeleitet.
OCF-Marge (in %) = OCF*100/Umsatz
Mit der Liquidität wird die Fähigkeit eines Unternehmens beurteilt seinen
Zahlungsverpflichtungen fristgerecht nachzukommen.
Je niedriger die Kapitalbindung im Working Capital, desto höher die Liquidität.
Die im Vergleich zum Wettbewerb überdurchschnittlich hohe Cash Flow Marge
eines Unternehmens ist in der WBM-Analyse der Indikator für Liquidität.
7.3.3. Wachstum
Wachstum lässt sich im Perioden-Vergleich anhand der Umsatzerlöse aus der
GuV ablesen.
Im WBM-Modell kennzeichnen überdurchschnittlich hohe Umsatzerlöse im
Benchmark Vergleich mit dem Wettbewerb das Wachstum eines
Unternehmens.
7.3.4. Schock Resistenz
Schock Resistenz. Als Basis hierfür dient im Perioden-Vergleich das
Betriebsergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) aus der GuV.
Überdurchschnittlich hohe EBIT-Erlöse erzielen Unternehmen, die ihre
Hauptkostenblöcke schneller in EBIT wandeln können als ihr Mitbewerb.
Die Gesamt Schock Resistenz eines Unternehmens ergibt sich aus dem
Zusammenspiel von überlegener Liquidität und Profitabilität, die
überdurchschnittlich hohes Wachstum in wirtschaftlich „guten Zeiten“ und
keine bis nur geringe EBIT-Einbrüche in Krisenzeiten ermöglicht.
7.3.5. Auswertung der analysierten PV-Branche
Mit Hilfe der werttreibenden Erfolgsfaktoren werden die 4 zentralen Parameter
der Unternehmens-Wertschöpfung verstärkt. Die 4 Parameter sind
Profitabilität, Liquidität, Wachstum und Schock Resistenz. Was das für die
analysierte PV-Industrie bedeutet zeigt Abbildung 34 PV Unternehmen
95
Gesamt nach Herkunftsländern und Abbildung 35 High VCV PV Unternehmen
nach Herkunftsländern.
Abb.34: PV Unternehmen Gesamt nach Herkunftsländern (Quelle: U.Warm)
Abb.35: High VCV PV Unternehmen nach Herkunftsländern (Quelle: U.Warm)
Profitabilität
Bei der Betrachtung fällt eine Korrelation von Profitabilität mit VCV auf.
Bei denjenigen Unternehmen mit überlegenen VCV-Ergebnissen (High VCV),
(siehe Kap. 7.4 Das überlegene Geschäftsmodell) liegt die EBIT-Marge im
Betrachtungszeitraum 2007-2010 im Durchschnitt über dem vierfachen der
vergleichbaren Low-VCV Wettbewerber.
96
Liquidität
In der PV-Branche ist kein krisenbedingter spürbarer Einbruch in der Liquidität
zu verzeichnen. Die Durchschnitts-Liquidität aller analysierten Firmen,
gemessen an der OCF-Marge, verdoppelt sich sogar von 2008 auf 2009. Laut
Annahme wäre einhergehend mit der Krise ein Liquiditätsengpass aufgrund
von Umsatz- und Gewinneinbrüchen zu erwarten gewesen. Was sind die
Ursachen für dieses unerwartete Phänomen, basiert doch der OCF auf dem
Betriebsergebnis, das im Branchenschnitt in der Krise 2009 mit über 90%
rückläufig war?
Bei der Betrachtung fällt eine Korrelation von Liquidität mit COGS und DIO
auf. Je höher die Einsparungen in diesem Bereich, desto besser die Liquidität.
Speziell Ausgaben für Material und Vorräte sind in der erzeugenden PV-
Industrie für eine hohe Kapitalbindung verantwortlich.
Im Branchendurchschnitt wurden 2009 Einsparungen im COGS-Bereich
(Material- und Personalaufwand) von 6% sowie bei DIO (Lagerhaltung) von
10% vorgenommen. Zusätzliche Einsparungen gab es beim Capex
(Sachinvestitionen) von 12%. F&E-Ausgaben wurden dagegen antizyklisch um
64 % kräftig erhöht169
Speziell die Reduktion bei den für diese Branche so wichtigen Vorräten zeigt
die Bedrohung durch die Krise. War bisher kostspielige hohe Vorratshaltung
zur Vermeidung von Produktionsengpässen aufgrund von Lieferengpässen im
Bereich Rohsilizium bzw. Halbfertigprodukte ein Muss in der Branche, so
kommt es 2009 im Schnitt um eine knapp 10% Reduktion der Inventories, die
ab 2010 wieder aufgehoben wird.
.
Heißt das, dass alle PV-Unternehmen aus der Analyse schon das WBM-
Verfahren berücksichtigt und implementiert haben? Nein. Von den
analysierten Firmen arbeiten 35,7 % i.S. der WBM-Positionsoptimierung.
Wenn aber die Nicht-WBM Unternehmen auch so erfolgreich sind, wo liegt
dann der Unterschied? Bei denjenigen Unternehmen, die bereits ein
überlegenes Geschäftsmodell einsetzen (siehe Kap. 7.4 Das überlegene
169 Im Vorjahresvergleich (YoY)
97
Geschäftsmodell) liegt die OCF-Marge 2007-2010 im Durchschnitt fast viermal
höher als bei vergleichbaren Wettbewerbern (Low VCV).
Wachstum
Bei denjenigen Unternehmen, die bereits ein überlegenes Geschäftsmodell
einsetzen (siehe Kap. 7.4 Das überlegene Geschäftsmodell) liegen die
durchschnittlichen Umsatzerlöse 2007-2010 60% höher als bei vergleichbaren
Wettbewerbern mit langsamer Wertschöpfungskette (Low VCV).
Schock Resistenz
Der Parameter Schock Resistenz ist EBIT basierend und steht somit in
direkter Korrelation zu Profitabilität gemessen an der EBIT-Marge. Geringe
Schock Resistenz ist gekennzeichnet durch Einbrüche der Profitabilität in der
Krise. Dies zeigt sich auch bei der Auswertung der PV-Industrie. Die
überdurchschnittlich „langsameren Unternehmen“ hatten im Krisenjahr 2009
einen Einbruch ihrer Profitabilität mal Faktor 8, ihr vergleichbarer Wettbewerb
mit schnellen Prozessen und Wertschöpfungsketten dagegen eine positive
Zunahme von Faktor 17.
Bei denjenigen Unternehmen, die bereits ein überlegenes Geschäftsmodell
einsetzen (siehe Kap. 7.4 Das überlegene Geschäftsmodell) liegt das
durchschnittliche EBIT-Ergebnis der Jahre 2007-2010 knapp dreimal höher als
bei vergleichbaren Low-VCV Wettbewerbern.
7.4. Das überlegene Geschäftsmodell (WBM) Unternehmen mit schnellen Prozessen und hoher Value Chain Velocity sind
Unternehmen mit überlegenen Geschäftsmodellen.
Wer im Unternehmen profitiert von der Wertschöpfung, hervorgerufen durch
Optimierungen in den oben aufgeführten Prozessen?
98
Von Optimierung der oben genannten Bereiche profitieren Stakeholder170 und
Shareholder171
Dem Wettbewerb überlegene Prozesse sind schnelle Prozesse. Von der
Schnelligkeit profitieren die Stakeholder.
gleichermaßen.
Ein effizientes Lagermanagement erhöht den Lagerumschlag und reduziert
die Kapitalbindung. Ein auf Schnelligkeit fokussierter Debitoren-Bereich
fördert schnelle Zahlungseingänge für die erbrachten Leistungen. Ein auf
Schnelligkeit fokussierter Kreditoren-Bereich erhöht seinerseits die
Zufriedenheit und Bindung der Lieferanten durch rasche und zuverlässige
Begleichung offener Verbindlichkeiten.
Personell gesehen steht hohe Mitarbeiterkontinuität (anstatt krisenbedingtem
Personalabbau und Wiedereinstellung nach erfolgter Konjunkturerholung)
i.d.R. für eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit, ist Zeit- und Kostensparend
und garantiert Knowhow Stabilität.
Kunden bevorzugen kontinuierliche kompetente Ansprechpartner und rasche
Reaktionen auf ihre individuellen Bedürfnisse. Unternehmen, die dies
fortlaufend gewähren können, dürfen sich erhöhter Kundenzufriedenheit und
Kundenbindung erfreuen.
Unternehmen mit schnellen Prozessen und hoher Value Chain Velocity sind
Unternehmen mit überlegenen Geschäftsmodellen. Diese Unternehmen
verfügen im Vergleich zu ihrem „langsameren“ Mitbewerb über höheres
Umsatz-Wachstum, Profitabilität, Liquidität und eine höhere Resistenz
gegenüber krisenbedingten Abschwüngen.
Shareholder profitieren als Kapitalgeber durch eine höhere Rendite auf ihr
eingesetztes Kapital.
Welche Auswirkungen haben Kostenoptimierung und beschleunigte
Wertschöpfung auf die Wettbewerbsposition der untersuchten Unternehmen?
170 interne + externe Anspruchsgruppe eines Unternehmens mit teils unterschiedl. Interessen (z.B. Eigentümer,Mitarbeiter,Kunden,Lieferanten,Gläubiger,Gesellschaft,Staat) 171 interne + externe Anteilseigner eines Unternehmens mit Interesse an Gewinnmaximierung des eingesetzten Kapitals (z.B. Aktionäre)
99
Unternehmen mit schnellen Prozessen und hoher Value Chain Velocity sind
Unternehmen mit überlegenen Geschäftsmodellen.
In der untersuchten PV-Industrie extrahieren die Unternehmen mit
überlegenem Geschäftsmodell den Löwenanteil der Umsätze, der
Gewinnspanne, der Cashflow Spanne und erzielten im Krisenjahr 2009 das
17-fache bzw. im Durchschnitt des Betrachtungszeitraums 2007-2010 das 3-
fache Betriebsergebnis (EBIT basierend), siehe Abb. 36 Erzielte
Wertschöpfung der analysierten PV-Branche.
Abb.: 36: Erzielte Wertschöpfung der analysierten PV-Branche High VCV vs. Low VCV Unternehmen (YoY Performancevergleich 2007-2010 in %) (Quelle: U.Warm)
Unternehmen mit überlegenen Geschäftsmodellen sind weniger
Krisenanfällig (siehe Kap. 7.3.5 Auswertung der analysierten PV-Branche).
Diese Unternehmen können sich schon in Krisenzeiten auf die Zeit danach
konzentrieren und ihre zukünftigen Wettbewerbsvorteile gestalten.
Unternehmen mit unterduchschnittlichen Leistungen im Prozess- und
Wertschöpfungsbereich sind aufgrund des Kostendrucks in Krisenzeiten mit
Umstrukturierungsmaßnahmen und sich selbst beschäftigt.
Ob aufstrebender Branchen-Neueinsteiger, starker Mittelfeld-Wettbewerber
oder Marktführer: für alle Unternehmen, die heute im globalen Wettbewerb
100
stehen liegt die Herausforderung darin, ihre Hauptkostentreiber-Prozesse
gezielt auf Schnelligkeit hin zu analysieren. Dies sollte kontinuierlich nicht erst
in Krisenzeiten geschehen. Statt in Krisenzeiten zu ad hoc Einsparungen
gezwungen zu sein und evtl. Kostensenkungen nach dem
Rasenmäherprinzip vornehmen zu müssen, empfehlen sich frühzeitig gezielte
Maßnahmen zur Profitabilitäts- und Liquiditätssteigerung in den relevanten
Prozessen. Zur Ermittlung der ausschlaggebenden Prozesse sowie zur
Standpunktbestimmung des Unternehmens (Branchenbenchmark),
Unternehmensbewertung und / oder Positionsoptimierung auf Basis
zeitkritischer kapitalintensiver Prozesse empfiehlt sich der Einsatz der oben
beschriebenen WBM-Analyse.
Diejenigen Unternehmen, die es schaffen, ihre Hauptkostenblöcke am
schnellsten in Umsatz zu verwandeln, berücksichtigen das Prinzip der WBM-
Analyse und haben es bereits in ihr Geschäftsmodell übernommen, wodurch
es zum überlegenen Geschäftsmodell oder auf Englisch Winning Business
Model (WBM) wird. Diese Unternehmen sind gekennzeichnet durch
schnelleres Wachstum (gemessen am Umsatz), höhere Profitabilität
(gemessen an der EBIT-Marge), höhere Liquidität (gemessen an der OCF-
Marge). Diese Vorteile kombiniert ergeben eine höhere Krisenunanfälligkeit
oder Schock Resistenz der erfolgreichen Unternehmen (gemessen am
Betriebsergebnis EBIT) im Vergleich zum Branchendurchschnitt. Diese
Schock Resistenz sollte erfolgreiche Konzerne befähigen, leichter i.S. von
weniger oder gar keinen Einbußen durch Krisenzeiten zu steuern als ihr
vergleichbarer Mitbewerb (siehe Kap. 7.3.5 Auswertung der analysierten PV-
Branche).
7.5. Implementierung Was geschieht nach Abschluss der WBM-Analyse?172
Um aufgrund der gewonnen Erkenntnisse aus der WBM-Analyse die Position
eines Unternehmens zu optimieren (z.B. Reduktion einer Leistungslücke im
Bereich DSO) ist eine schrittweise Implementierung in den betroffenen
172 Die detaillierte Beschreibung der Implementierung in all ihren Phasen übersteigt den Rahmen dieser Arbeit.
101
Geschäftsprozessen notwendig173
(siehe Abb. 31 schematische
Ablaufdarstellung einer WBM-Analyse).
Die konzerninterne Umsetzung einer WBM-Analyse erfordert die
Abteilungsübergreifende Kommunikation der gewünschten Zielvorgabe und
Zusammenarbeit der als relevant ermittelten Schnittstellen (z.B. Einkauf,
Vertrieb, Logistik, etc.) auf Projektbasis.
Da der Output der WBM-Analyse die Beschleunigung zeitkritischer
Prozessabläufe verlangt, erfordert die Umsetzung ein Festschreiben der
adaptierten Zielwerte in einem einheitlichen Reporting-System.
Zur Sammlung, Anlage, Pflege und Auswertung eines umfangreichen
zeitnahen firmeninternen Datenbestandes, empfiehlt sich die
Zusammenführung in einer Datenbank und die Verwendung von IT-Systemen
zwecks Auswertung und Visualisierung (Stichwort Business Intelligence
Systeme174
Dies stellt hohe Anforderungen an einheitliche IT-Systeme und kann bei
Erstimplementierung zu Prozessänderungen und Hard- und Software
Umrüstung führen. Doch letztlich ist das Nutzen der richtigen Daten und
Informationen zum schnellstmöglichen Zeitpunkt ein entscheidender
Wettbewerbsvorteil.
).
Da zur erfolgreichen Umsetzung in die Wertschöpfungskette des
Unternehmens eingegriffen werden muss, kann der volle Umfang der
Optimierungsmaßnahmen erst nach Abschluss aller Prozessänderungen
erzielt werden.
Ein Abbruch bei der Implementierung oder eine nicht vollständige Umsetzung
der Optimierungsempfehlungen im jeweiligen Prozess (z.B. DSO-Optimierung
durch Maßnahmen zur Verkürzung der Zahlungseingänge aus offenen
Forderungen) kann das jeweilige Optimierungsziel gefährden.
173 Weber, J, et al. (2011):TURNAROUND., S.250 174 (engl. für Geschäftsanalytik-System) EDV gestütztes Sammeln, Aufbereiten, Auswerten und Darstellen von internen Unternehmensdaten zur Gewinnung neuer Erkenntnisse und zur Unterstützung der strategischen Steuerung eines Unternehmens.
102
Um Informationen über Erfolg oder Nichterfolg der durchgeführten
Maßnahmen zu erhalten bedarf es des Perioden- und Benchmarks-
Vergleichs. Hierzu dienen die Umsatz- und EBIT-Kennzahlen sowie die
Parameter Ebit-Marge, OCF-Marge, Gross-Marge der analysierten Jahre.
7.6. Grenzen der WBM-Analyse Die erstmalige Erstellung einer WBM-Analyse für eine (neue) Branche ist
aufwendig. Es erfordert die Sammlung, Anlage und Pflege eines
umfangreichen Datenbestandes, die Zusammenführung in einer Datenbank
und die Verwendung von spezieller Software (SPSS) zwecks Auswertung und
Visualisierung.
Die WBM-Analyse basiert auf den Kennzahlen von Jahresabschlussberichten
der jeweiligen Benchmark-Unternehmen einer Branche. Diese Zahlen sind
vergangenheitsorientierte Daten. Fehlerhafte Angaben oder Abweichungen
aufgrund international unterschiedlicher Bilanzierungsspielräume in
Jahresabschlussberichten können zu fehlerhaften Aussagen über die
Performance einzelner Firmen führen, das kumulierte Aussageergebnis der
Gesamtbranche allerdings nicht wesentlich verzerren.
Die WBM-Analyse aggregiert ähnlich der Datensammlung in Bilanz und GuV
Zahlen. Das Ziel ist aussagekräftige, allgemein anwendbare und
Werttreibende Erfolgsfaktoren zu bilden. Etwaige falsche Einzel-Jahreswerte
werden durch den mehrjährigen Beobachtungs-und Auswertungszeitraum
nivelliert und können allenfalls aggregierte Faktoren nur geringfügigst
beeinflussen.
Im Falle der analysierten PV-Branche ist eine stark branchenspezifische
Abhängigkeit von staatlichen Einflüssen erkennbar (z.B. Änderung von
Einspeisetarifen erhöhen oder senken die Nachfrage). Vom Status Quo der
Datenauswertung (Stand 11/2010) lassen sich daher zwar Trendanalysen für
den PV-Markt erstellen, deren Validität aufgrund diverser Parameter (z.B.
Rohstoffpreise, Änderungen bei staatlichen Förderungen oder
Besteuerungen) für eine anhaltende Gültigkeit laufend aktualisiert gehört.
103
Als grundsätzliche Prognose lässt sich die Richtung, in der sich die PV-
Industrie entwickelt und wo in welchen Bereichen künftig noch
Wertsteigerungen zu erwarten sind, klar erkennen (siehe Kap. 5.8 PV-
Branchen Resümee).
Es gibt viele Modelle zur Unternehmensanalyse und Beratung. Die WBM-
Analyse stellt davon nur eine Möglichkeit dar und erhebt nicht einen
Alleingültigkeitsanspruch. Die WBM-Analyse stellt Einnahmenseitig kein
firmenspezifisches eigenes Geschäftsmodell dar und ersetzt dieses auch
nicht.
Dennoch bietet sie speziell durch ihren Fokus auf auf Zeitreduktion zur
Kostenoptimierung und Erhöhung der Wertschöpfung in ausgewählt
kapitalbindenden Prozessen eine hervorragende Analyse-Unterstützung für
Unternehmen, die statt (oder zusätzlich zu) kurzfristigen Einsparungen
langfristige und grundsätzliche Effizienssteigerungen im Bereich ihrer
Liquidität und Profitabilität aber auch bei den Umsatzerlösen und beim
Betriebsergebnis suchen bzw. gezielt einzelne Prozesse optimieren wollen.
Um dies zu erreichen, muss im Unternehmen die Bereitschaft vorhanden
sein, nach Abschluss der WBM-Analyse und aufgrund ihrer Empfehlungen
interne Prozesse zu analysieren und ggfs. optimierend zu beschleunigen. Da
dazu in die interne Wertschöpfungskette eingegriffen werden muss, kann der
volle Umfang der Optimierungsmaßnahmen erst nach Abschluss aller
Prozessänderungen erzielt werden.
8. Zusammenfassung und Ausblick „Ob man schwierige Probleme bewältigt, hängt häufig davon ab, dass man
erkennt, wo die Hebelwirkung am größten ist.”
Peter M. Senge, amerik. Buchautor (The Fifth Discipline, The Necessary
Revolution) und Direktor des Center for Organizational Learning an der MIT Sloan
School of Management in Cambridge, Massachusetts, USA.
104
Die Forschungsfrage unter der diese Arbeit stand lautete:
Welche Optimierungs-Maßnahmen innerhalb seiner Unternehmensprozesse
sollte ein Unternehmen ergreifen, um im Vergleich zu seinen globalen
Wettbewerbern besser positioniert und auf zyklisch wiederkehrende Krisen
besser vorbereitet zu sein?
Die vorliegende Master Thesis erklärt exemplarisch anhand der PV-Industrie,
dass Unternehmen ihre werttreibenden Erfolgsfaktoren kennen, monitoren und
optimierend steuern müssen, um entscheidende Wettbewerbsvorteile in Form von
überdurchschnittlich hohen Gewinnspannen, Cashflowspannen (aus lfd.
Geschäftstätigkeit) und Umsatzerlösen generieren zu können und
krisenresistenter zu werden. Unternehmen, denen es gelingt ihre als relevant
eingestuften internen Unternehmensprozesse zu beschleunigen, liegen
gemessen an Profitabilität, Liquidität und Schock Resistenz dauerhaft über der
ihrer Konkurrenten und haben ein überdurchschnittlich hohes
Wachstumspotential.
Zur Positionsbestimmung der einzelnen Unternehmen und zum Herausdestillieren
der für die PV-Industrie relevanten kapitalbindenden und wertschöpfenden
Prozesse wurde in der vorliegenden Arbeit das WBM-Analyse Modell (siehe
Detail-Antworten 1-8, S. 106 ff.) nach Dr. H. Rüll verwendet.
Der Fokus des WBM-Verfahrens liegt auf Beschleunigung der
Unternehmensprozesse und der Value Chain Velocity.
Der Einsatz des WBM-Analyse Modells bietet eine hervorragende Analyse-
Unterstützung für Unternehmen, die statt (oder zusätzlich zu) kurzfristigen
Einsparungen langfristige und grundsätzliche Effizienssteigerungen im Bereich
ihrer Liquidität und Profitabilität aber auch bei den Umsatzerlösen und beim
Betriebsergebnis suchen bzw. gezielt einzelne Prozesse beschleunigen wollen.
Als Ergebnis zeigt das Analysemodell Effizienssteigerungs Potential entlang der
Wertschöpfungskette (Value Chain) eines Unternehmens auf. Die so ermittelte
Leistungslücke kann durch Prozessbeschleunigung je nach Schwerpunkt
105
optimiert werden, wodurch die Position des Unternehmens im Vergleich zu seinen
globalen Wettbewerbern optimiert wird.
Zur Umsetzung der Ergebnisse aus der WBM-Analyse ist eine Implementierung in
die jeweils zu optimierenden (beschleunigenden) Geschäftsprozesse notwendig.
Die wichtigsten Details zur WBM-Analyse und der analysierten PV-Industrie fassen nachstehende acht Punkte zusammen:
1.) Was ist eine WBM-Analyse?
Die WBM-Analyse ist eine Finanzanalyse zur Unternehmensbewertung auf
Basis der betriebswirtschaftlichen Kennzahlen aus dem Konzernabschluss
erweitert um den Faktor Zeit in ausgewählten Prozessen (siehe Kap. 7.0).
2.) Was ist das Ergebnis einer WBM-Analyse?
Als Ergebnis zeigt das Analysemodell Effizienssteigerungs Potential entlang
der Wertschöpfungskette (Value Chain) eines Unternehmens auf. Die so
ermittelte Leistungslücke kann durch Prozessbeschleunigung je nach
Schwerpunkt durch Ausgabenoptimierung (COGS), Working-Capital-
Optimierung im Bereich der Cash Velocity (DSO, DIO, DPO) oder Prozess-
und Organisationsoptimierung (z.B. SG&A) nachhaltig geschlossen werden
(siehe Kap. 7.0).
3.) Welche werttreibenden Erfolgsfaktoren werden für die Analyse verwendet und
wie lassen sie sich herleiten?
Aus ausgewählten betriebswirtschaftlichen Kennzahlen werden im WBM-
Verfahren durch mathematisch logische Zusammenhänge 7 aussagekräftige
Werttreibende Erfolgsfaktoren definiert, die ein Kennzahlensystem ergeben,
das miteinander in Beziehung steht (DIO, DSO, DPO, DoCOGS, DoCapex,
DoR&D, DoSG&A).Das System entspricht einem Kennzahlen-Rechensystem
in Form einer Pyramide, an dessen Spitze der VCV-Wert als Spitzenkennzahl
steht, (siehe Kap. 7.1).
4) Welcher Zusammenhang besteht zwischen werttreibenden Erfolgsfaktoren und
106
zeitkritischen Prozessen ?
Über die Regressionsanalysen-Auswertung der werttreibenden
Erfolgsfaktoren gelangt man zu den Parametern der zeitkritischen Prozesse
(Kerntreiber). Zeitkritisch sind all jene Prozesse, in denen die größte
Kapitalbindung bzw. das größte Wertschöpfungspotential vorhanden ist (siehe
Kap. 7.2).
Für die PV-Industrie, liegt die Haupt-Kapitalbindung im Bereich Material und
Personal, Lagerhaltung, Sachinvestitionen und Verbindlichkeiten. Daraus
abgeleitet und per Datenbankauswertung und Regressionsanalyse bestätigt
ergeben sich die Parameter DoCOGS, DIO, DoCapex und DPO, die als
Kerntreiber fungieren.
5) Wie und in welchen Geschäftsprozessen lassen sich Kosteneinsparungen
mithilfe der WBM-Analyse gezielt steuern?
Cash Velocity (CV) und Value Chain Velocity (VCV) stellen die strategischen
Schlüsselparameter dar, die sich aus der Aggregation der 7 Erfolgsfaktoren
ergeben und mit deren Hilfe ein Unternehmen seine Leitgrößen Profitabilität,
Wachstum, Liquidität und Schock Resistenz prozessfokussiert steuern kann.
Schnelligkeit bei den erfolgskritischen Prozessen ist entscheidend.
Die Cash Velocity beschreibt die Schnelligkeit der Umwandlung der
aggregierten Kosten aus den Debitoren-, Kreditoren- und Lagerhaltungs-
Prozessen in Profit (EBIT). Je niedriger der CV Wert in Tagen, desto schneller
sind die Prozesse.
Je schneller die Prozesse, desto niedriger die Kosten. Je geringer die
Kostenstruktur, desto höher die mögliche Gewinnspanne.
Die Value Chain Velocity beschreibt die Schnelligkeit der Umwandlung der
Hauptkostenblöcke in Umsatz. Je niedriger der VCV Wert in Tagen, desto
schneller werden Hauptkostenblöcke in Umsatz gewandelt. Je schneller die
Hauptkostenblöcke in Umsatz gewandelt werden, desto höher die mögliche
Profitabilität.
107
Im Einzelnen können Kosteneinsparungen in folgenden Geschäfts-Prozessen
gezielt gesteuert werden. (siehe Kap. 7.3) :
• Verwaltung: Reduktion des Verwaltungsaufwands (SG&A)
• Vertrieb: Optimierung des Vertriebsaufwands (SG&A)
• Beschaffung: Optimierung des Materialeinkaufs (COGS)
• HR: Optimierung des Personalaufwands (COGS)
• F&E: Optimierung des Forschungsaufwands (F&E)
• Logistik: Reduktion des Lageraufwands (DIO)
• Buchhaltung (Debitoren) Zahlungseingang offener Forderungen (DSO)
• Buchhaltung (Kreditoren) Zahlungsausgang f. Verbindlichkeiten (DPO)
6.)Wer im Unternehmen profitiert von der Wertschöpfung?
Von Optimierung der oben genannten Bereiche profitieren Stakeholder und
Shareholder gleichermaßen.
Unternehmen mit überlegenen Geschäftsmodellen verfügen i.d.R. über
schnelle und daher dem Mitbewerb überlegene Prozesse.
Schnelle Prozesse ermöglichen eine Vielzahl von Vorteilen wie hohe Kunden-
Mitarbeiter- und Lieferantenbindung sowie, eine erhöhte Reaktionsfähigkeit,
niedrige Kostenstrukturen und hohe Margen (siehe Kap. 7.4).
7) Welche Auswirkungen haben Kostenoptimierung und beschleunigte
Wertschöpfung auf die Wettbewerbsposition der untersuchten Unternehmen ?
Unternehmen mit schnellen Prozessen und hoher Value Chain Velocity sind
Unternehmen mit überlegenen Geschäftsmodellen. Diese Überlegenheit
können sie als Wettbewerbsvorteil nutzen, z.B. um in Krisenzeiten antizyklisch
agieren zu können.
Unternehmen mit überlegenen Geschäftsmodellen sind weniger krisenanfällig.
Diese Unternehmen können sich schon in Krisenzeiten auf die Zeit danach
konzentrieren und ihre zukünftigen Wettbewerbsvorteile gestalten.
Unternehmen mit unterdurchschnittlichen Leistungen im Prozess- und
Wertschöpfungsbereich sind aufgrund des Kostendrucks in Krisenzeiten mit
Umstrukturierungs-Maßnahmen und sich selbst beschäftigt.
108
In der untersuchten PV-Industrie extrahieren die Unternehmen mit
überlegenem Geschäftsmodell (schnellen Prozessen und schneller
Wertschöpfung) den Löwenanteil der Umsätze, der Gewinnspanne, der
Cashflow Spanne und erzielten im Krisenjahr 2009 das 17-fache bzw. im
Durchschnitt des Betrachtungszeitraums 2007-2010 das 3- fache
Betriebsergebnis (EBIT basierend) (siehe Kap. 7.4).
8) Was geschieht nach Abschluss der WBM-Analyse?
Um aufgrund der gewonnen Erkenntnisse aus der WBM-Analyse die Position
eines Unternehmens zu optimieren (Reduktion von erkannten Leistungslücken
durch Beschleunigung der als relevant eingestuften Unternehmensprozesse)
ist unternehmensintern die Kommunikation der neuen Zielvorgabe, ein
Festschreiben und überwachen der gewünschten Zielwerte per Reporting und
eine schrittweise Implementierung in den betroffenen Geschäftsprozessen
notwendig (siehe Kap. 7.5).
Um zeitkritische Prozesse „auf Knopfdruck“ auswerten zu können und damit
effizient kontrollieren und steuern zu können, ist der Einsatz von vernetzten IT-
Systemen und Datenbanken essentiell. IT als Provider von tagesaktuellen
Informationen wird somit zur strategischen Waffe im Kampf um
Wettbewerbsvorteile.
Die derzeitige Form der WBM-Analyse ist lediglich ein Status Quo. Es ist nicht
ausgeschlossen, dass zukünftige Veröffentlichungen das Modell um weitere
Inputparameter bereichern oder das Gesamtmodell weiter aggregieren zwecks
noch aussagekräftigerer Vergleichbarkeit.
Ebenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass durch weiter ansteigende Energiepreise
künftig Werttreibende Erfolgsfaktoren eine direkte Korrelation mit den Themen
Energieverbrauch und Umweltbeeinflussung beinhalten könnten. Das Schweizer
Bankhaus Sarasin175
175 Bank Sarasin (2009): Nachhaltigkeitsbericht_ 2009.pdf ,S.43,
führt dazu z.B. schon Angaben in seinen
Geschäftsberichten siehe Abb. 37 Sarasin Nachhaltigkeitsbericht 2009.
http://www.sarasin.ch/internet/iech/index_iech/sustainability_iech/sustainability_reports_iech.htm, Abfragedatum: 03.02.2011
109
Abb. 37: Sarasin Nachhaltigkeitsbericht 2009 (Quelle Bank Sarasin)
110
Anhang
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S.4
http://www.sarasin.ch/internet/iech/index_iech/sustainability_iech/sustainable_invest
ments_iech/sustainability_publications_iech.htm ,
Studien des Sustainability Research 2010:
renewable_energies__evolving_from_a_niche_to_a_mass_market.pdf,
Abfragedatum: 24.03.2011
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Dimensionen. Technologien, Märkte und Industrien im Vergleich., S.6,10,12-
14,26,27-29,30,
Studie ist erhältlich gegen eine Gebühr von CHF 150 (EUR 110) siehe
http://www.sarasin.ch/internet/iech/index_iech/about_us_iech/media_iech/news_iech.
htm?reference=114922&checkSum=2DFC62926C1A3A5D6946632693948C65 ,
http://www.sarasin.ch/internet/iech/index_iech/sustainability_iech/sustainable_invest
ments_iech/sustainability_publications_iech.htm ,
Studien des Sustainability Research 2010:
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Bank Sarasin (2009): Nachhaltigkeitsbericht_ 2009.pdf ,
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Energie AG Oberösterreich, Workshop Zukunftsstrategien bei erneuerbaren Energien
und Energieeffizienz., Präsentation AMIS, S.2, Ing. Mag. Kaltenleithner J.,
09.09.2010