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Editorial - christliche-liberale.de · Jörg Diehl Pascal Kober Helga Bender Dr. Matthias Spanier...

Date post: 14-Aug-2019
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Christliche Liberale - Christen bei den Freien Demokraten Baden-Württemberg e.V. Geschäftsführer: Dr. Matthias Spanier, Lempenseite 16, 69168 Wiesloch E-Mail: info@christliche-liberale.de • Homepage: www.christliche-liberale.de Christliche Liberale EKK eG - Konto: 3693244 - BLZ: 520 604 10, IBAN: DE02520604100003693244 - BIC: GENODEF1EK1 INFORMATIONSBRIEF 2/2017 DER CHRISTLICHEN LIBERALEN CHRISTEN BEI DEN FREIEN DEMOKRATEN BADEN-WÜRTTEMBERG e.V. 22.3.2017 - SEITE 1 / 9 Jörg Diehl Pascal Kober Helga Bender Dr. Matthias Spanier Editorial Liebe Mitglieder der Christlichen Liberalen, sehr geehrte Damen und Herren! Welcher politischen Partei stehen das Christentum bzw. die Kirchen nahe? Mit dieser Frage beschäftigten sich immer wieder Christinnen und Christen in den verschiedenen Parteien. In der Regel sucht man die Beantwortung dieser Frage darin, dass die relative Nähe oder Distanz des Christentums zur jeweiligen Partei aus der Übereinstimmung einzelner kirchlicher Positionen mit einzelnen politischen Forderungen der jeweiligen Parteien abgeleitet werden. Ließe sich tatsächlich der politische Standpunkt des Christentums von dorther bestimmen, könnten wir mit einigem Recht eine große Nähe der Kirchen und des Christentums zum Liberalismus der FDP behaupten. Selbstverständlich gibt es auch in einigen Fragen und Politikfeldern große Differenzen mit einer nicht unbedeutenden Zahl an Christinnen und Christen. Das sei an dieser Stelle nicht verschwiegen. Ich nenne da als Beispiele Fragen der Gentechnik, der Sterbehilfe, des Sonntagsschutzes oder etwa der Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Aber diese Fragen wurden zumindest im Protestantismus innerkirchlich nicht weniger kontrovers diskutiert als in der Politik. Und nicht zuletzt ist noch immer bei vielen Christinnen und Christen das Bild der FDP geprägt von dem zur damaligen Zeit auch wiederum innerhalb der FDP heftig umstrittenen “Kirchenpapiers”: „Freie Kirche im freien Staat” 1 (1974), das im Wesentlichen dem Status der Kirchen als Anstalten des öffentlichen Rechts ein Ende setzen wollte. Aber das ist nur die eine Seite, diejenige Seite freilich, die von interessierten Akteuren immer wieder gern ins Licht gerückt wird. Aber es gibt eben auch die andere Seite, eine enge Übereinstimmung der Kirchen mit zentralen Positionen der FDP. Zum Beispiel in der durch die FDP in den letzten Jahrzehnten stark geprägten Außenpolitik der Bundesrepublik bestand immer wieder große Übereinstimmung zwischen beiden Kirchen und der FDP. 1 http://gbs-hh.de/pdf/Thesen-FDP-Kirchenpapier.pdf
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Page 1: Editorial - christliche-liberale.de · Jörg Diehl Pascal Kober Helga Bender Dr. Matthias Spanier Editorial Liebe Mitglieder der Christlichen Liberalen, sehr geehrte Damen und Herren!

Christliche Liberale - Christen bei den Freien Demokraten Baden-Württemberg e.V. Geschäftsführer: Dr. Matthias Spanier, Lempenseite 16, 69168 Wiesloch

E-Mail: [email protected] • Homepage: www.christliche-liberale.de

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CHRISTEN BEI DEN FREIEN DEMOKRATEN BADEN-WÜRTTEMBERG e.V.

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Jörg Diehl Pascal Kober Helga Bender Dr. Matthias Spanier

Editorial

Liebe Mitglieder der Christlichen Liberalen, sehr geehrte Damen und Herren! Welcher politischen Partei stehen das Christentum bzw. die Kirchen nahe? Mit dieser Frage beschäftigten sich immer wieder Christinnen und Christen in den verschiedenen Parteien. In der Regel sucht man die Beantwortung dieser Frage darin, dass die relative Nähe oder Distanz des Christentums zur jeweiligen Partei aus der Übereinstimmung einzelner kirchlicher Positionen mit einzelnen politischen Forderungen der jeweiligen Parteien abgeleitet werden. Ließe sich tatsächlich der politische Standpunkt des Christentums von dorther bestimmen, könnten wir mit einigem Recht eine große Nähe der Kirchen und des Christentums zum Liberalismus der FDP behaupten. Selbstverständlich gibt es auch in einigen Fragen und Politikfeldern große Differenzen mit einer nicht unbedeutenden Zahl an Christinnen und Christen. Das sei an dieser Stelle nicht verschwiegen. Ich nenne da als Beispiele Fragen der Gentechnik, der Sterbehilfe, des Sonntagsschutzes oder etwa der

Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Aber diese Fragen wurden zumindest im Protestantismus innerkirchlich nicht weniger kontrovers diskutiert als in der Politik. Und nicht zuletzt ist noch immer bei vielen Christinnen und Christen das Bild der FDP geprägt von dem zur damaligen Zeit auch wiederum innerhalb der FDP heftig umstrittenen “Kirchenpapiers”: „Freie Kirche im freien Staat”1 (1974), das im Wesentlichen dem Status der Kirchen als Anstalten des öffentlichen Rechts ein Ende setzen wollte. Aber das ist nur die eine Seite, diejenige Seite freilich, die von interessierten Akteuren immer wieder gern ins Licht gerückt wird. Aber es gibt eben auch die andere Seite, eine enge Übereinstimmung der Kirchen mit zentralen Positionen der FDP. Zum Beispiel in der durch die FDP in den letzten Jahrzehnten stark geprägten Außenpolitik der Bundesrepublik bestand immer wieder große Übereinstimmung zwischen beiden Kirchen und der FDP.

1 http://gbs-hh.de/pdf/Thesen-FDP-Kirchenpapier.pdf

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Sowohl in der unvermindert wichtigen Aufgabe der Einigung und Versöhnung mit den Menschen im Osten Europas als auch in vielen Fragen der Entwicklungs- und Friedenspolitik, des Einsatzes für Demokratie und Menschenrechte auf der Welt konnten sich die liberalen Außenminister Scheel2, Genscher3, Kinkel4 auf die Unterstützung durch beide Kirchen und eine große Zahl an Christinnen und Christen verlassen. Das änderte sich im Grunde erst in der Legislaturperiode 2009-2013, allerdings weniger, weil die FDP ihren jahrzehntelang gepflegten außenpolitischen Kompass verloren hätte. Vielmehr lag die Ursache darin, dass in den Reihen der evangelischen Kirche in Deutschland eine Generation an Pfarrerinnen und Pfarrern und Laien in leitende Positionen vorgerückt war, die unverhohlen eigene parteipolitische Präferenzen in den Mittelpunkt ihrer kirchlichen Arbeit rückten. Auch das heftig und kontrovers diskutierte Feld der Sozialpolitik war nie ohne Übereinstimmungen. Ganz im Sinne des gemeinsamen „Sozialwortes”5 beider großen Kirchen von 1997 war es schon immer Auffassung und Motivationsgrund der FDP-Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik gewesen, dass der eigene Arbeitsplatz nicht nur Mittel zur materiellen Lebensvorsorge bedeutet,

2 https://de.wikipedia.org/wiki/Walter_Scheel

3 https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Dietrich_Genscher

4 https://de.wikipedia.org/wiki/Klaus_Kinkel 5 http://www.ekd.de/EKD-Texte/44676.html

sondern auch Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht und erhält, und dass damit der eigene Arbeitsplatz unmittelbarer Ausdruck der Menschenwürde ist und nicht durch eine auch noch so umfangreiche staatliche Alimentierung ersetzt werden kann. Der Titel “Gerechte Teilhabe. Befähigung zu Eigenverantwortung und Solidarität” ist auch nicht etwa das Motto eines sozialpolitischen Thesenpapieres der FDP, sondern der Titel der sogenannten “Armutsdenkschrift”6 der EKD aus dem Jahr 2006. Auch die auf den unternehmerischen Mittelstand hin ausgerichtete Wirtschaftspolitik der FDP kann für sich in Anspruch nehmen, ganz im Geiste der EKD-Denkschrift “Handwerk als Chance” zu stehen. Oder liest man die EKD-Denkschrift: “Solidarität und Wettbewerb. Für mehr Verantwortung, Selbstbestimmung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen”7, so stößt man auf folgende für liberale Ohren interessante Feststellungen: Die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte zeigen, dass die Steuerungsprobleme des Gesundheitswesens auf eine im Kern planwirtschaftliche Art nicht in den Griff zu bekommen sind. […] Mit Budgetierungen

6 http://www.ekd.de/EKD-

Texte/denkschrift_gerechte_teilhabe.html 7 http://www.ekd.de/download/ekd_texte_74.pdf

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wurde versucht, das Produkt aus Mengen und Preisen zu begrenzen. Sind aber die Preise festgelegt, läuft dies auf eine Begrenzung der Mengen hinaus, die in einem Sozialstaat mit guten Gründen in der Regel rechtlich nicht zulässig ist. Rationierung im Sinne der Bewirtschaftung von Leistungen, auf die Patienten eigentlich angewiesen sind, darf es in einem sozialen Rechtsstaat nicht geben. […] Wie weiter oben ausgeführt, hat die Studie der Sozialkammer [der EKD] in Bezug auf die Steuerung des Gesundheitswesens auf mehr Wahlmöglichkeiten und Wettbewerb, auf eine Stärkung der Entscheidungsfähigkeit der Patienten und auf mehr Prävention gesetzt. So weit die Denkschrift der EKD “Solidarität und Wettbewerb. Für mehr Verantwortung, Selbstbestimmung und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.” In der Schulpolitik ist es die gemeinsame Überzeugung von FDP und Kirchen, dass Schulen in freier Trägerschaft ein unverzichtbares Element in der Bildungslandschaft darstellen. Und das für die katholische Soziallehre und evangelische Sozialethik so zentrale „Subsidiaritätsprinzip”, wonach kleinere soziale Einheiten vor den größeren wo immer möglich Vorrang erhalten sollten, der Einzelne und freie Träger vor dem Staat kommen sollten, wird von keiner Partei so konsequent vertreten wie von der FDP.

Freilich: Es ist an dieser Stelle zu fragen, ob man den Kirchen und den zahlreichen Christinnen und Christen in den verschiedenen Parteien wirklich gerecht wird, wenn man ihren politischen Standpunkt kalkulatorisch durch die Aufreihung von Übereinstimmungen parteipolitischer Entscheidungen mit kirchlichen öffentlichen Verlautbarungen zu bestimmen sucht. Nein, das Christentum, die Kirchen wie die Parteien sollten sich nicht verleiten lassen, sich gegenseitig für ihre Zwecke zu vereinnahmen. Weder ist es Aufgabe der Politik, christliche Imperative eins zu eins umzusetzen, noch ist es Aufgabe der Kirche, sich mit einer politischen Partei oder der Regierung zu sehr zu identifizieren. Darauf aus christlicher Sicht hingewiesen zu haben und es für die Theologie systematisch entfaltet zu haben ist das bleibende Verdienst Martin Luthers, der über das recht verstandene Verhältnis von staatlicher Gewalt einerseits und Religion und Kirche andererseits die sogenannte „Zwei-Reiche-Lehre”8 formulierte. Darin trat er sowohl der Verweltlichung der Kirche und der Religion als auch der Verkirchlichung der Welt entgegen. Zum Grundbestand des christlichen Glaubens hat schon immer die Erkenntnis gehört, dass der Glaube dem Menschen

8 https://de.wikipedia.org/wiki/Zwei-Reiche-Lehre

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von Gott durch den Heiligen Geist gegeben wird. Und dass der Glaube damit menschlichem wie staatlichem Handeln unverfügbar ist. Diese Erkenntnis schließt aber zugleich auch mit ein, dass es neben Christen auch immer zugleich Nichtchristen gibt und dass die staatliche Ordnung für beide eine Friedens- und Wohlordnung sein soll. Deshalb darf die Kirche niemals in Versuchung kommen, mit den Mitteln der staatlichen Gewalt ihren eigenen Zweck, die Verkündigung des Evangeliums, zu verfolgen. Es kann also gar nicht im Interesse der Kirche sein, sich mit einer Partei politische Macht zu sichern, wenn sie nicht gegen diese grundlegende christliche Wahrheit verstoßen will. Ein Christ muss jeder staatlichen Bestrebung widerstehen, dass der Staat sich selbst zum Herren über die Gewissen und den Glauben, die Weltanschauung und die Werte, das heißt über die fundamentalen und letzten Lebensorientierungen der Menschen macht. Wo dies in der Geschichte geschehen ist, hat es immer zu Katastrophen geführt. Blickt man freilich in die Geschichte der jüdisch-christlichen Tradition, so wird man schwerlich leugnen können, dass das Christentum diesem eigenen Anspruch selbst allzu häufig nicht gerecht wurde. Wie oft sind die Kirchen der Versuchung erlegen, ihren Glauben mit Hilfe staatlicher Gewalt, mit Mitteln teils

archaischen Rechts, bei den Menschen durchzusetzen? Selten kamen politische Reformbemühungen aus dem Zentrum des kirchlich-christlichen Milieus. Andererseits kann man auch nicht behaupten, dass nichtchristliche, laizistische Gesellschaftssysteme und Gesellschaftstheorien in der Geschichte humaner gewesen wären. Nationalsozialismus und Kommunismus haben in ihrer realen Gestalt eindrücklich zu erkennen gegeben, dass eine Gesellschaft, die auf einer einheitlichen Weltanschauung gründen soll, der die Mittel staatlicher Gewalt, das Schwert, wie Luther sagen würde, zur Aufrechterhaltung und Durchsetzung ihres weltanschaulichen Fundaments gegeben sind, zwangsläufig zur Vergewaltigung des Menschen führt. Christinnen und Christen in ihrer großen Mehrheit, doch weniger die institutionellen Kirchen, waren in ihrer Geschichte die Vorkämpfer für einen liberalen, demokratischen Rechtsstaat. Noch bis ins 20. Jahrhundert hinein wurden die Hochschätzung des Individuums und die Formulierung der individuellen Menschenrechte von Seiten des konservativen Luthertums wie des Katholizismus als “sündhafter Autonomiewahn des modernen Menschen” abqualifiziert. Andererseits dürfte die den politischen Liberalismus begründende Aufklärung

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ohne die kirchlich -religiöse Reformationsgeschichte des 16. Jahrhunderts geistesgeschichtlich nicht möglich gewesen sein, wie schon der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel9, Zeitgenosse der Aufklärung, in seinen geschichtsphilosophischen Analysen herausarbeitete. Dabei hat Martin Luther10 nicht etwa etwas Neues erfunden. Nein, er legte nur die den christlichen Glauben begründende Freiheitsgewissheit wieder offen, die schon Paulus, 1500 Jahre zuvor unter anderem im Galaterbrief11 (Gal 5,13) formuliert hatte: Ihr aber, liebe Brüder, seid zur Freiheit berufen. Die Freiheit, von der Paulus hier spricht, ist dieselbe Freiheit, die im säkularen, politischen Raum als Gewissensfreiheit bezeichnet wird. Unmittelbar ist der Christ Gott verantwortlich, nicht einer menschlichen Religion und menschlichen Riten und Institutionen – das ist das Thema des Galaterbriefes. Selbstbewusst können wir Christinnen und Christen in der FDP – ganz im Sinne Hegels – eine geistesgeschichtliche Linie von den frühesten christlichen Schriften, von Paulus, bis zum säkularen Rechtsstaat liberaler Prägung ziehen.

9

https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Wilhelm_Friedrich_Hegel 10

https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Luther 11

https://de.wikipedia.org/wiki/Brief_des_Paulus_an_die_Galater

Denn immer wieder begegnet uns der Freiheitsgedanke an zentraler Stelle innerhalb der jüdisch-christlichen Tradition: zum Beispiel im Schöpfungsbericht Genesis 112, wo es heißt: Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn, und schuf sie als Mann und Frau. Die ganze revolutionäre Kraft dieser Aussage, die Freiheitsdimension dieses Wortes, wird deutlich, wenn man sich den religiös-politischen Hintergrund, vor dem diese Aussage getroffen wurde, vor Augen hält: Diesen religiös-politischen Hintergrund bildet die Vorstellung, dass nur Könige Abbilder Gottes sein können. Demgegenüber formuliert die biblische Tradition den fundamentalliberalen Gedanken: Alle Menschen sind in gleicher Weise Ebenbild Gottes. Alle Menschen sind gleich. Und als Christinnen und Christen in der FDP dürfen wir auch diese Einsicht selbstbewusst vertreten: Ohne den Gedanken der Gottebenbildlichkeit des Menschen hätte sich die Vorstellung der unantastbaren Würde des Menschen nicht durchgesetzt. Denn diese erschließt sich nicht der bloßen Vernunft: Vielmehr liegt der profanen Vernunft gerade die Abstufung der Menschenwürde nahe, weil sie sich der empirischen Beobachtung bedient und gerade darin viele Belege für eine Abstufung der Menschenwürde

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https://de.wikipedia.org/wiki/1._Buch_Mose

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findet. Die Menschen in aller Unterschiedlichkeit der Lebensformen wie der Lebenschancen als gleich zu betrachten, ist nur möglich, wenn man sich an einem nichtempirischen Referenzpunkt orientiert, von dem her sich solche Unterschiede relativieren. Für die Christen ist dieser nichtempirische, transzendente Referenzpunkt Gott. Es ist meine tiefste Überzeugung, dass die Entwicklung der Gesellschaft und des Staates hin zur liberalen Demokratie ohne die geistesgeschichtlich prägende Kraft des im Christentum inhärenten Freiheitsgedankens nicht zu haben gewesen wäre. Und so bezweifle ich erstens, dass der Liberalismus überhaupt hätte entstehen können, und zweitens, dass seine Freiheitsvorstellungen, die unbedingte Achtung des Individuums unabhängig von irdischen Gegebenheiten wie Klasse, Rasse etc. hätten politisches Programm unserer Verfassungen werden können ohne die geistesgeschichtliche Tradition des Christentums. Ein gewisses Indiz für diese These, dass der politische Liberalismus sich nicht zu-letzt auch aus christlichen Traditionen speist, könnte sein, dass der sogenannte linke Flügel des politischen Liberalismus in der Weimarer Republik, die am 20.11.1918 gegründete DDP, nicht zuletzt von einer Handvoll evangelischer Theologen mitbegründet wurde. Unter diesen Mitbegründern findet sich etwa der spätere Kulturstaatssekretär Preußens,

Ernst Troeltsch13, der mit seinen „Soziallehren der christlichen Kirchen und Gruppen“ oder seiner programmatischen Untersuchung „Die Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der modernen Welt“ die religiös-geistesgeschichtlichen und soziokulturellen Wurzeln und Bedingtheiten der Neuzeit erörterte. Was mag gerade diesen expliziten Kenner der Geistesgeschichte der modernen, aufgeklärten Welt dazu bewogen haben, eine liberale Partei mitzubegründen? Zu den Begründern des politischen Liberalismus in Deutschland zählten ferner der Kieler Theologe Otto Baumgarten14 sowie der Herausgeber der liberalprotestantischen Zeitschrift „Die Christliche Welt“15 Martin Rade16 sowie der bekannte Soziologe Max Weber17, der diesem Kreise nahe stand. Auf Max Weber geht übrigens die These zurück, dass auch der Kapitalismus, also die Marktwirtschaft, seine Wurzeln in der protestantisch-reformierten Tradition habe. Nicht vergessen werden darf in diesem Kreise natürlich der evangelische Pfarrer und Publizist Friedrich Naumann18, der erste Vorsitzende der DDP, der noch heute als Namensgeber unserer parteinahen Stiftung19 fungiert und der maßgeblich zur

13

https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Troeltsch 14

https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Baumgarten 15

https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Christliche_Welt 16

https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Rade 17

https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Weber 18

https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Naumann 19

https://www.freiheit.org/

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Theoriebildung eines sozial und christlich verpflichteten Liberalismus beitrug. Es gab sie also, die christlichen Kreise, die als Demokraten weit davon entfernt waren, mit äußerlicher Autorität die staatlich organisierte Religion des Christentums für alle als verbindlich zu erklären. Eine Zwangsverbindlichkeit, wie sie konservative kirchliche Monarchisten vor allem der protestantischen Konfessionen gerne nach dem Zusammenbruch von 1918 weiter gesehen hätten. Nichtsdestoweniger wird aus dem Lebenswerk dieser politisch liberalen Protestanten deutlich, dass sie ihre Lebensüberzeugungen und auch die daraus resultierenden politischen Handlungsmaximen aus ihrer christlichen Gesinnung speisten, dass sie die Vorstellung von der individuellen Freiheit, die endlich eines politischen Programmes

in Deutschland bedurfte, aus ihrem christlichen Glauben speisten. Ihr Erbe fortzuführen und sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen ist sicherlich mit Aufgabe eines Kreises von Christinnen und Christen in der FDP. Die Politik der FDP und die Gesellschaft in der Bundesrepublik fortzuentwickeln in christlich verstandener Verantwortung vor Gott und den Menschen ist unsere Aufgabe, die Christinnen und Christen, insbesondere die kirchlichen Institutionen, immer wieder an die im Christentum steckenden Freiheitstraditionen und Freiheitsimpulse zu erinnern unsere Herausforderung. Ich verbleibe mit den besten Grüßen Ihr und Euer Pascal Kober Stellvertretender Vorsitzender

BITTE VORMERKEN: TERMINE, VERANSTALTUNGEN, ANKÜNDIGUNGEN

Liberale Runde der FDP Schriesheim20 mit dem Publizisten Günter Ederer zum Thema "Die Entwicklungen in der islamischen Welt in den letzten 40 Jahren" am Mittwoch, 29. März 2017, um 19 Uhr im Hotel „Neues Ludwigstal“, Strahlenberger Straße 2, 69198 Schriesheim.

20

http://www.fdp-schriesheim.de

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Pilgertag "Dem heiligen Martin auf der Spur“ von Großingersheim zum Michaelsberg am Samstag, 8. April 2017. Unser Mitglied Wolfgang Steng lädt herzlich dazu ein. Anmeldeschluss ist am 31. März 2017. Weitere Informationen zum Pilgertag und zur Anmeldung finden Sie im hier folgenden Bericht:

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Treffen im Naturfreundehaus Herrenberg am Samstag, 6. Mai 2017. Weitere Information wird folgen.

Veranstaltung der FDP Oftersheim21 mit Pascal Kober zum Thema "Liberalismus und Christentum" am Mittwoch, 17. Mai 2017, um 19 Uhr im Bürgersaal, Eichendorffstraße 2, 68723 Oftersheim. Unser stellvertretender Vorsitzender Pascal Kober lädt herzlich dazu ein.

Teilnahme der Christlichen Liberalen am Deutschen Evangelischen Kirchentag22 in Berlin und Wittenberg von Mittwoch, 24. Mai 2017, bis Sonntag, 28. Mai 2017. Weitere Information wird folgen.

21

http://fdp-oftersheim.de/ 22

https://www.kirchentag.de/


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