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Eckige Bälle selbst gemacht - mathematik.uni-dortmund.deprediger/veroeff/06-PM-H10-Prediger... ·...

Date post: 01-Sep-2019
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Wie ist so ein Fußball aufgebaut? An den Fußball als geometrisches Objekt lassen sich zahlreiche typisch mathemati- sche Fragen stellen (vgl. Beutelspacher 1996). Wir beginnen in der 6. Klasse die Untersuchung des Fußballs mit der Cha- rakterisierung des Fußballs in seiner geo- metrischen Struktur: Wie ist so ein Fuß- ball eigentlich aufgebaut? Diese Frage können einige Kinder direkt durch Betrachtung eines Fußballs (oder dessen Foto) beantworten: Aus Sechs- ecken und Fünfecken, wobei an einer Ecke jeweils zwei Sechsecke ein Fünfeck tref- fen. Mathematikerinnen und Mathemati- ker sehen darin ein abgestumpftes Ikosa- eder, was Lernende aber nicht kennen. Die meisten Kinder können sich dieser Charakterisierungsfrage aber besser nä- hern, wenn sie zunächst den Auftrag er- halten, einen Fußball nachzubauen. Wir haben dazu Klickies und Polydrons be- nutzt, mit denen man aus Kunststoff- Flächen einfach durch Zusammenklicken Körper bauen kann (vgl. Abb. 1). Kinder gehen an die Aufgabe sehr unterschiedlich heran: – Claudia und Selim analysieren das Original genau und stellen fest: „Wir brauchen die ganz großen [die Sechs- ecke] und die etwas kleineren [die Fün- fecke]. Um jedes Fünfeck müssen nur Sechsecke herum. Die Fünfecke müs- sen aber trotzdem möglichst nah zu- sammenliegen.“ Tom und Jürgen probieren einmal aus, ein Sechseck zwischen die Fünfecke zu bauen und entscheiden sich, „weil das nicht passt, irgendwie“, zunächst dafür, nur die Fünfecke zu benutzen. Erst als der Ball (der so ein Dodekaeder ge- worden ist, vgl. Abb. 2) am Ende viel weniger Teile hat als das Original, schauen Sie nochmal genauer hin: „Nee, das muss irgendwie auch anders gehen.“ Auch Nadja und Tina halten sich nicht lange mit Analysen des Originals auf und beginnen nur mit Sechsecken, „weil das schöner aufgeht“. Erst nach einer Weile wundern sie sich, „dass al- les so platt ist“. Dieser Umweg bringt sie zu einer zentralen Einsicht über die Relevanz der Innenwinkelsummen: „Nur Sechsecke sind doof, da wird es ein Teppich. Wir müssen Fünfecke da- zwischen tun, damit das eine richtige Biegung kriegt.“ Doch erst nach weite- rem Scheitern (nun werden Sechsecke und Fünfecke zunächst beliebig kom- PM Heft 9 | Juni 2006 | 48. Jg. 7 Thema Eckige Bälle selbst gemacht – Untersuchungen zum Fußball als Anlass für handlungsorientiertes und differenzierendes Mathematiktreiben Susanne Prediger und Albrecht Beutelspacher Wie ist eigentlich ein Fußball aufgebaut, und welche Strukturen lassen sich durch Nachbauen erkennen? Der Fußball ist als geometrisches Objekt immer eine Unter- suchung wert, weil viele spannende und typische mathematische Fragen daran ge- stellt werden können. Der Artikel zeigt an einer vierstündigen Sequenz aus einer sechsten Klasse einer integrierten Gesamtschule, dass sich viele dieser Fragen schon für junge Schülerinnen und Schüler hervorragend fruchtbar machen lassen, um eigentätig Mathematik zu treiben, wenn handlungsorientiert und differenzierend vorgegangen wird.
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Wie ist so ein Fußball aufgebaut?An den Fußball als geometrisches Objektlassen sich zahlreiche typisch mathemati-sche Fragen stellen (vgl. Beutelspacher1996). Wir beginnen in der 6. Klasse dieUntersuchung des Fußballs mit der Cha-rakterisierung des Fußballs in seiner geo-metrischen Struktur: Wie ist so ein Fuß-ball eigentlich aufgebaut? Diese Frage können einige Kinder direktdurch Betrachtung eines Fußballs (oderdessen Foto) beantworten: Aus Sechs-ecken und Fünfecken, wobei an einer Eckejeweils zwei Sechsecke ein Fünfeck tref-

fen. Mathematikerinnen und Mathemati-ker sehen darin ein abgestumpftes Ikosa-eder, was Lernende aber nicht kennen. Die meisten Kinder können sich dieserCharakterisierungsfrage aber besser nä-hern, wenn sie zunächst den Auftrag er-halten, einen Fußball nachzubauen. Wirhaben dazu Klickies und Polydrons be-nutzt, mit denen man aus Kunststoff-Flächen einfach durch ZusammenklickenKörper bauen kann (vgl. Abb. 1). Kindergehen an die Aufgabe sehr unterschiedlichheran: – Claudia und Selim analysieren das

Original genau und stellen fest: „Wirbrauchen die ganz großen [die Sechs-ecke] und die etwas kleineren [die Fün-fecke]. Um jedes Fünfeck müssen nurSechsecke herum. Die Fünfecke müs-sen aber trotzdem möglichst nah zu-sammenliegen.“

– Tom und Jürgen probieren einmal aus,ein Sechseck zwischen die Fünfecke zubauen und entscheiden sich, „weil dasnicht passt, irgendwie“, zunächst dafür,nur die Fünfecke zu benutzen. Erst alsder Ball (der so ein Dodekaeder ge-worden ist, vgl. Abb. 2) am Ende vielweniger Teile hat als das Original,schauen Sie nochmal genauer hin:„Nee, das muss irgendwie auch andersgehen.“

– Auch Nadja und Tina halten sich nichtlange mit Analysen des Originals aufund beginnen nur mit Sechsecken,„weil das schöner aufgeht“. Erst nacheiner Weile wundern sie sich, „dass al-les so platt ist“. Dieser Umweg bringtsie zu einer zentralen Einsicht über dieRelevanz der Innenwinkelsummen:„Nur Sechsecke sind doof, da wird esein Teppich. Wir müssen Fünfecke da-zwischen tun, damit das eine richtigeBiegung kriegt.“ Doch erst nach weite-rem Scheitern (nun werden Sechseckeund Fünfecke zunächst beliebig kom-

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Thema

Eckige Bälle selbst gemacht – Untersuchungen zum Fußball als Anlass für handlungsorientiertes unddifferenzierendes Mathematiktreiben

Susanne Prediger und Albrecht Beutelspacher

Wie ist eigentlich ein Fußball aufgebaut, und welche Strukturen lassen sich durchNachbauen erkennen? Der Fußball ist als geometrisches Objekt immer eine Unter-suchung wert, weil viele spannende und typische mathematische Fragen daran ge-stellt werden können. Der Artikel zeigt an einer vierstündigen Sequenz aus einersechsten Klasse einer integrierten Gesamtschule, dass sich viele dieser Fragenschon für junge Schülerinnen und Schüler hervorragend fruchtbar machen lassen,um eigentätig Mathematik zu treiben, wenn handlungsorientiert und differenzierendvorgegangen wird.

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biniert), entschließen sie sich zur ge-naueren Analyse: „Vielleicht solltenwir da doch nochmal genau gucken:Wie geht denn das wirklich? – Ach soja, immer zwei Sechsecke und ein Fünf-eck.“

Je größer die anfänglichen Schwierigkei-ten sind, desto größer ist auch der Stolz, esam Ende geschafft zu haben. Mathematische Reflexionen kommen inder Bau-Phase nebenbei. Damit sie nichthinter den praktischen Problemen ver-schwinden, ist es oft ratsam, sie durchLehrerimpulse zu verstärken. In dem hierbeschriebenen Unterricht wurden die Re-flexionen durch individuelle Nachfragenangestoßen, aber vor allem auch systema-tisch durch zwei Arbeitsblätter mit weite-ren Forschungsaufträgen angeregt (vgl.Kopiervorlage 1 und 3).Die Blätter dienten der inneren Differen-zierung in einer sehr heterogenen Klasse 6;die Schilderungen der ersten Zugänge mö-gen von der Unterschiedlichkeit der Kin-der einen Eindruck liefern. Kopiervorlage1 ist aufgrund der Abzähl-Thematik undder fehlenden Vorstrukturiertheit der Ba-stelaufforderung deutlich schwieriger alsKopiervorlage 3. Gleichzeitig bietet Ko-

piervorlage 3 aber auch eine Rampe fürganz starke Schülerinnen und Schüler,denn die Frage, welche anderen Körpersich als Fußball eigenen würden, bietet ei-nen selbstdifferenzierenden, weil offenenForschungsauftrag (s. u.).

Wie kann man gut zählen?In einer Gruppe entstand die Frage von al-lein: Reichen unsere Sechsecke über-haupt? Die anderen erhalten den Zählauf-trag über das Arbeitsblatt oder per Lehrer-impuls.Auch beim Zählen gehen die Kinder sehrunterschiedlich vor: Einige fangen ir-gendwo an zu zählen und hören irgendwoauf. Bei Anne, Mathias und Sara herrschtam Ende Unsicherheit: „Ich hab 21 Sechs-ecke gezählt, und du 19, was stimmt dennnun? Wir müssen irgendwie systemati-scher vorgehen!“Einige Kinder, die ihre gebastelten Papp-Fußbälle (vgl. Abb. 5) als Anschauungs-objekt nehmen, greifen kurzerhand zumBleistift und markieren die bereits ge-zählten Seiten. Aber wie geht es für dasKunststoffmodell?Pia stellt den Fußball vor sich hin, gibtdem Fußball so eine klare Struktur undzählt systematisch: „Oben ein Fünfeckund darunter in der zweiten Reihe sindfünf Fünfecke. Dann sieht man, der Fuß-ball sieht ja unten genauso aus, also zu-sammen 12 Fünfecke. Unter dem Deckelsind drei Reihen mit immer fünf Platten,macht insgesamt 15 plus den Deckel, also16 Platten für die obere Hälfte und 16 un-ten. Der Fußball besteht aus 32 Platten,und davon 12 Fünfecken. Dann sind esdoch 20 Sechsecke!“Angeregt durch die Frage c) auf Kopier-vorlage 1 fällt Ralf noch ein weiterer Wegein, die Seiten zu zählen; er ist in Abb. 4

abgedruckt. Damit hat er (und auch ande-re) in der Auseinandersetzung mit Bensfalscher Lösung auf dem Arbeitsblatt dasfür die Kombinatorik wichtige Prinzipentdeckt, zunächst mutig zu viel abzu-zählen und hinterher Dopplungen heraus-zurechnen (vgl. Danckwerts/Vogel 1985).

Wie können wir einen Fußball ausPappe bauen?Auf Kopiervorlage 4 findet sich ein Bas-telbogen, mit dem ein Fußball erstaunlicheinfach aus Pappe hergestellt werdenkann (vgl. Abb. 5). Auch Kinder mit zweilinken Händen erstellen damit problemlosein ansehnliches Produkt. Im Unterricht erfüllte der Bastelbogenaußerdem die ganz praktische Funktion,der herrschenden Knappheit an Klickiesund Polydrons zu entgehen, indem zeit-versetzt entweder erst mit den Polydronsund dann mit Bastelbogen oder umge-kehrt gearbeitet werden konnte. Der Bastelbogen basiert auf der genialenGrundidee, die so schwer konstruierbarenFünfecke durch Löcher im Sechseck-Ra-ster zu erzeugen. Für die Leistungsstärke-ren wurde ein Weg gesucht, wie sie dieGrundidee des Bogens selbst nacherfin-den konnten. Dazu bekamen sie einSechseck-Rosetten-Papier (auf Kopier-vorlage 2) und den Auftrag zu überlegen,was damit vielleicht anzufangen ist. Maxüberlegte: „Nee, Fußball aus Pappe bau-en, das geht mit dem Sechseck-Papiernicht, ich brauche doch auch Fünfecke!Außerdem ist es so platt, das muss ich ir-gendwie einschneiden zum Hochklap-pen.“ Der Lehrerinnenimpuls, „WennDich eine Ecke stört, dann mach sie dochweg! Fünfecke dürfen auch aus Luft sein,Hauptsache, die Luft hat fünf Ecken undKanten.“, brachte ihn auf die richtige

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Thema

Abb. 1 a und b: Schülerinnen und Schüler beim Bau eines Fußballs aus Polydrons

Abb. 2: Ist das ein guter Fußball?

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Idee: „Okay! Dann mach ich ein Loch undklebe das zusammen!“. So entwickelte eraus einer Sechseck-Rosette durch Aus-schneiden des mittleren Sechsecks undVerkleben eine passende Konstellationaus fünf Sechsecken, die ein „Luft-Fün-feck“ einschließen. Doch wie nun sollen mehrere solche Kon-stellationen zu einem Fußball zusammen-gebaut werden? Hier fehlte Max die rich-tige Idee, bis die Lehrerin (die Autorindieses Artikels) den Rat gab, Ralf nachseiner Art zu fragen, wie er die Seiten ge-zählt hatte. Beide gemeinsam entwickel-ten dann den tragenden Gedanken: „Ralfhat drei mal dasselbe Sechseck gezählt.Jetzt kleben wir drei Sechsecke überein-ander!“ In der Tat erwies sich diese Konstruktionauch deswegen als sehr geeignet, weil siedurch das Dreifach-Kleben auch bei sehrdünner Pappe eine gute Stabilität brachte.

Hinterher machte die Konstruktion den an-deren Kindern am Tisch Ralfs Zählweisesehr anschaulich: „Um jedes Fünfeck fünfSechsecke herum, dann habe ich 60. Aberdann muss ich jeweils drei übereinanderkleben, also sind es eigentlich nur 20.“Über den fertigen Bastelbogen, mit deman einem anderen Tisch drei Kinder sehrgerne arbeiteten, die die Grundidee nichtselbst hätten finden können, rümpften diebeiden Entdecker Robert und Max die Na-se: „Das ist ja langweilig, da ist ja allesschon fertig gedacht! Wir haben das selbsterfunden!“

Welche anderen Fußbälle gäbees noch?Als die weitreichendste Frage hat sich dienach möglichen Alternativen zum Fußballherausgestellt. Wieso nicht einen Fußballnur aus Sechsecken? Das können nach derhandlungsorientierten Erfahrung auch dieganz Schwachen klar sagen: „Das wirddoch nur völlig platt und kein Ball!“Eine genauere Begründung formuliert dieKlasse später im abschließenden reflektie-renden Stuhlkreis: „Die Sechsecke passengerade gut zusammen, wie auch vier Vier-ecke. Es muss aber immer noch Platz übrigbleiben. Und wenn man mehr hat als einen

ganzen Kreis, dann kriegt der Ball eineDelle, das ist auch doof.“ In der Tat, beimehr als dem ganzen Kreis (also einerWinkelsumme über 360°), z. B. bei vierFünfecken an einer Ecke, erhält man nicht-konvexe Körper, auch diese lassen sich mitKlickies oder Polydrons leicht herstellen.Interessante Diskussionen ergeben sich ander Frage, ob der Dodekaeder nicht aucheinen guten Fußball abgeben würde. Hierkommen auch die Grenzen der Modellie-rung eines Fußballs durch den archimedi-schen Körper zur Sprache: „Der Ball mitden zwölf Fünfecken ist ja gar kein Ball,der ist viel zu eckig.“ – „Aber wenn deraus Leder wäre und nicht aus Plastik, dannwär’ es doch auch okay, dann wären dieEcken runder!“Eine Zuspitzung erhält das Argument derEckigkeit bei Betrachtung von Tetra-edern, Würfeln und anderen Körpern ausDrei- und Vierecken.Der leistungsstarke Max geht derweil nocheiner weiterführenden Frage nach: WelcheKörper lassen sich aus jeweils nur einerPlattenart bauen? Er findet einige, unteranderem die Doppelpyramide mit drei-eckiger Grundfläche, die die Lehrerin zurweiteren Präzisierung der Fragestellungveranlasst: Welche Körper lassen sich ausjeweils nur einer Plattenart bauen, wennsie an jeder Ecke gleich aussehen sollen?Nach ca. 15 min hat Max alle platonischenKörper auf dem Papier stehen und kanndurch die Handlungserfahrung auch eineklare Begründung liefern. Der altersge-rechte Impuls zur Begründung der Voll-ständigkeit war die Frage: „Wie kannst Dusicher sein, dass Du alle regelmäßigenKörper gefunden hast?“ Eine Begründungaufzuschreiben, fällt ihm schwerer. DasResultat ist in Abb. 6 abgebildet und nurdurch mündliche Erläuterungen gut ver-ständlich: Zunächst hat Max die Dreieckeals Baumaterial genommen: er findet ei-nen regelmäßigen Körper mit insgesamtvier Dreiecken (da stoßen jeweils dreiDreiecke aneinander), einen mit 8 (vier

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Thema

Abb. 3: Geschafft! Ein Polydron-Fußball?

Abb. 4: Wie Ralf seine Abzählung erklärt

Abb. 5: Fußball aus Pappe bauen

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Kopiervorlage 1

Du brauchst: – einen Fußball– Klickies oder Polydrons– Schere und Kleber– Stift und Heft oder Forschungsheft

a) Schau Dir den Fußball genau an: Aus welchen Flächen ist er zusammengesetzt?Wie viele davon?Schreibe auf, wie du beim Zählen vorgegangen bist.

Wenn Du das Zählen nicht schaffst, ohne durcheinander zu kommen,mache zunächst weiter mit b)

b) Baue einen Fußball mit Klickies nach!Kannst Du nun die verschiedenen Flächen zählen?Fällt Dir ein zweiter Weg ein, die Flächen zu zählen? Schreibe ihn auf!

c) Lies nach, wie Ben gezählt hat. Erkläre, was er sich überlegt hat.Was sagst Du dazu?Fällt Dir nun noch eine Möglichkeit ein?

d) Zum Tüfteln: Überlege, wie Du aus Pappe möglichst einfach einen Fußball bauen kannst. Wie kannst Du dazu das Sechseck-Rosetten-Papier benutzen?

Der Ball ist gar nicht rund!!

Ich halte das schwarze Fünfeck nach oben, dannsehe ich zwei Gürtel von Fünfecken, und zwar je-weils fünf Stück. Ein Fünfeck ist unten, also ins-gesamt 12 Fünfecke. An jedes Fünfeck grenzen fünf Sechsecke. Somitsind es 60 Sechsecke.

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Kopiervorlage 2

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Kopiervorlage 3

Du brauchst: – einen Fußball– Klickies oder Polydrons– Schere und Kleber– Stift und Heft bzw. Forschungsheft

1. Schau Dir den Fußball genau an: Aus welchen Flächen ist er zusammengesetzt?Schreibe dies genau auf.

2. Baue einen Fußball mit Klickies nach!

3. Wieso wird der Fußball nicht nur aus Sechsecken gebaut? Schreibe die Begründung so auf, dass Deine Mitschüler sie verstehen können.

4. Könnte man auch nur aus Fünfecken so etwas wie einen Fußball bauen? Probier es aus! Was hältst Du von diesem „Fußball“?

5. Könnte man auch aus Dreiecken und Vierecken so etwas ähnliches wie einen Fußball bauen?Probier es aus! Baue dabei möglichst regelmäßig und beschreibe genau Dein Bauprinzip.

6. Was ist das Problem mit diesem „Fußball“?

7. Hole Dir einen Bastelbogen und baue daraus einen Fußball.

Der Ball ist gar nicht rund!!

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Kopiervorlage 4

Schneide die Figur entlang derdicken Linien aus und falte sieentlang der dünnen Linien.

Wieso ergibt sich so ein Fußball,wo kommen die Fünfecke her?

Quelle: A Beutelspacher (1996). „In Mathe warich immer schlecht …“, Vieweg, Braunschweig,S. 73

Am besten auf farbige Pappe kopieren!

Fußball-Bastelbogen

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Dreiecke an einer Ecke) und einen mit 20Dreiecken (je fünf). Mehr kann es nichtgeben, denn „es geht nur im Kreis, sonstnicht“. Ebenso überlegt er für Vier- undFünfecke: „Andere geben keine Figuren.“,denn sonst haben die Figuren Dellen (wieMax an einer nicht konvexen Figur mit jevier Fünfecken an jeder Ecke zeigt). Hierzeigt sich, dass dieses Thema Herausfor-derungen auf jeder Ebene bietet. Überlegungen zu den Eckenkonstellatio-nen dagegen können alle Kinder der Klas-se anstellen: Wieso spielen wir nicht miteinem Würfel Fußball? Was ist das Pro-blem, wenn die Körper „zu eckig“ sind? Und wieso wird ein Körper mit jeweilsfünf Dreiecken an jeder Ecke (also derIkosaeder) „weniger eckig“ als einer mitjeweils vier Dreiecken (der Oktaeder)oder der Tetraeder? Auch hier sind die Er-fahrungen mit konkretem Material einewichtige Basis, um Überlegungen zu denInnenwinkelsummen zu explizieren.

Fazit Insgesamt hat sich der Fußball wieder ein-mal als toller Anlass für handlungsorien-tiertes und gleichzeitig potentiell an-spruchsvolles Arbeiten herausgestellt(ähnlich für Klasse 8 bei Gerecke 1984).Die Vielzahl möglicher Untersuchungs-fragen und Herangehensweisen an ihreBeantwortung ermöglicht eine breite Dif-ferenzierung, die zumindest die hier be-schriebene Klasse in eindrucksvoller Wei-se ausgeschöpft hat. Mit zwei Doppelstunden inklusive ab-schließendem Stuhlkreis zur zusammen-fassenden Reflexion hat man so einen Ex-

kurs gemacht, der wunderbar zur Welt-meisterschaft passt und gleichzeitig vielezentrale mathematische Tätigkeiten an-regt: Modellieren, Konstruieren, Analysie-ren, Strukturieren, Systematisieren, Ver-mutungen aufstellen und Begründen, undvieles mehr.Wer die Ergebnisse noch konsequenter si-chern will, könnte z. B. eine Plakataus-stellung „Untersuchungen zum Fußball“anschließen, in der jede Zweiergruppe ih-re interessantesten Entdeckungen um denFußball darstellt.

Viele weitere FragenErschöpfend haben wir den Fußball natür-lich noch nicht untersucht. Viele weiterespannende Fragen können gestellt wer-den, insbesondere in älteren Klassen. Ei-nige Beispiele:– Wie sehen andere (archimedische) Kör-

per aus, die sich aus nur zwei regel-mäßigen Seitenflächen bauen lassen?Wie viele davon gibt es eigentlich?

– Welche der anderen archimedischenKörper könnte man auch mit Papp-Loch-Konstruktionen bauen?

– Gibt es Gesetzmäßigkeiten über dieAnzahl der Ecken, Flächen Kanten?(Böttinger 2004 zeigt schon für Grund-schulkinder einen Weg zum dahinter-liegenden Eulerschen Polyedersatz.)

– Wussten Sie dass man eine noch bes-sere Belegung der Kugeloberfläche mitFünf- und Sechsecken erhalten würdedurch 12 Fünfecke und 60 unregel-mäßige Sechsecke (Kämmerling/Jan-sen 1993)?

– Haben Sie von der Entdeckung desNobelpreisträgers der organischenChemie gehört, dass auch Kohlenstoffin Fußball-Struktur auftaucht, näm-lich bei den sogenannten C60-Fulle-ren? (s. u. den Internet-Link)

– Und haben Sie – zu guter Letzt – auchschon bemerkt, dass die FIFA für dieWM 2006 einen Ball mit ganz andererGeometrie entwickelt hat (vgl. Abb. 7),der sich der Modellierung durch archi-medische Körper entzieht? Für denMathematikunterricht ein echter Ver-lust ...

Hassan, ein Fußballliebhaber aus der be-schriebenen Klasse 6, der der Mathema-tik eher fern steht, sagte am Ende der Se-quenz über den klassischen Fußball je-denfalls fasziniert: „Wenn ich das ge-

wusst hätte, dass da so viel Mathematikim Fußball ist …“

Anmerkungen:Die Namen der Kinder sind selbstverständlich alleverändert. Für Klickies und Polydrons gibt es unterschiedlichekommerzielle Anbieter, u. a. den Online-Shop desMathematikums, Gießen.Alle Arbeitsblätter finden sich auch in den Online-Ergänzungen der Zeitschrift.

Literatur:Beutelspacher, Albrecht (1996): „In Mathema-

tik war ich immer schlecht …“, Vieweg,Braunschweig.

Böttinger, Claudia (2004): Fußball – ein The-ma mit Ecken und Kanten, in: Praxis Grund-schule 27(2), S. 28-30.

Danckwerts, Rainer / Vogel, Dankwart (1985):Abzählen rund um den Fußball, in: PM 27(3),S. 151-152.

Gerecke, W. (1984): Fußball-Geometrie. Un-terrichtsbeispiel aus dem 8. Schuljahr, in:Mathematik lehren 4, S. 58-61.

Kämmerling, H / Jansen, P. (1993): Fußball, Eu-roball und andere Polyeder, Bericht, Jülich.

Link zu Fulleren: http://www.uni-protokolle.de/nachrichten/id/41909/

Prof. Dr. Susanne Prediger, Universität Bremen /Gesamtschule Mitte Bremen, [email protected]

Prof. Dr. Albrecht Beutelspacher, Universität Gießen, [email protected]

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Thema

Abb. 6: Maxs Begründung, wieso es nurfünf platonische Körper gibt

Abb. 7: Der offizielle WM-Fußball istleider kein archimedischer Körper mehr!(Foto: Adidas)


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