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Dynamik und Weiterentwicklung Johannes Hellinger · Dynamik und "Weiterentwicklung -Johannes...

Date post: 21-Oct-2019
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Dynamik und "Weiterentwicklung - Johannes Hellinger Prof. Dr. med. johannes Hellinger (geb. 1935) leitete die Klinik als OrdinariHs für Or- thopädie von 1974 bis 1983 (Abb. 11). Er hatte zunächst seine Facharztausbildung zum Chirurgen an der Medizinischen Akademie Erfurt absolviert, bevor er 1969 zusätzlich die Facharztanerkennung für Ortho- pädie erwarb. Sein sehr breites Tätigkeitsspekrrum sowie seine große operative Erfahrung unterstützten die Einführung so- wie den Ausbau vieler neuartiger von denen in der damaligen Zeit auch international die Ent\vick- lung der Orthopädie geprägt war. Dazu gehörten beispielsweise moderne Operationsver- fahren in der Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen. 1975 erfolgten die Einführung der vorderen Wirbelsäulenbe- gradigung in der Zielke-Technik sowie die knöcherne Verblo- ckungsoperation der Halswirbelsäule nach Cloward. Im jahr Abb. 11: Johannes Hellin ge r
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Page 1: Dynamik und Weiterentwicklung Johannes Hellinger · Dynamik und "Weiterentwicklung -Johannes Hellinger . Prof. Dr. med. johannes Hellinger (geb. 1935) leitete die Klinik als OrdinariHs

Kapitel 8 IGeschichte der Orthopädischen Klinik 127

ihm auch in die Einführung Bächendeckender Aufklärungen über das Erkrankungsbild in

staatlich organisierten Beratungsstellen für Körperbehinderte eingebunden wurden. Wei­

tere Schwerpunkte der Klinikentwicklung waren die Behandlung von Wirbelsäulenerkran­

kLIngen. So erfolgten bereits 1965 die erste Skolioseoperation nach Risser-Hibbs, 1970 der

erste Korrektureingriff in der damals aufkommenden Harrington-Technik sowie rheuma­

orthopädische Eingriffe. Aufbauend auf den guten Erfahrungen internationaler Ko'llegen

konnte der erste Oberarzt Carl Crasselt die Synovialektomie (operative Entfernung der Ge­

lenkinnenhaut) und rekonstruktive Operations techniken bei rheumatischen Erkrankun­

gen etablieren. Ende der 60er jahre führte Büschelberger dann die Endoprothetik an der

orthopädischen Klinik ein. Um den besonderen hygienischen Anforderungen Rechnung

zu tragen, wurden damals noch UV-Bestrahlungen der Operationssäle am Vorabena eines

Eingriffes durchgeführt und die Türen mit Pflastern abgeklebt. Während anfangs teilweise

Patienten noch ihre eigenen Implantate aus dem Ausland mitbrachten und damit ein be­

sonderes Können der Operateure gefragt war, erfolgte ab 1970 eine vorübergehend bessere

Versorgung mit Implantaten . Dies betraf Prothesen für Hüft- und Kniegelenk, später auch

für Schulter-, Ellbogen- , Hand-, Finger und Sprunggelenke. 1973 konnte erstmals eine von

Siwash in Russland entwickelte und zementfrei einzubringende Hüftendoprothese implan­

tiert werden. Später wurde die Versorgung mit modernen Implantaten, wie sie Kliniken im

Westen zunehmend zur Verfügung standen, jedoch problematisch.

Insgesamt bereitete die charismatische Persönlichkeit Büschelbergers sehr früh den

Weg für viele spätere Erfolge der Orthopädischen Klinik. Er gilt vielen Mitarbeitern bis

heute als Vorbild. Mit Erreichen des Rentenalters erfolgte 1974 seine Emeritierung.

Dynamik und "Weiterentwicklung - Johannes Hellinger

Prof. Dr. med. johannes Hellinger (geb. 1935) leitete die Klinik als OrdinariHs für Or­

thopädie von 1974 bis 1983 (Abb. 11). Er hatte zunächst seine Facharztausbildung zum

Chirurgen an der Medizinischen Akademie Erfurt absolviert,

bevor er 1969 zusätzlich die Facharztanerkennung für Ortho­

pädie erwarb. Sein sehr breites Tätigkeitsspekrrum sowie seine

große operative Erfahrung unterstützten die Einführung so­

wie den Ausbau vieler neuartiger ~ehandlungstechniken, von

denen in der damaligen Zeit auch international die Ent\vick­

lung der Orthopädie geprägt war.

Dazu gehörten beispielsweise moderne Operationsver­

fahren in der Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen.

1975 erfolgten die Einführung der vorderen Wirbelsäulenbe­

gradigung in der Zielke-Technik sowie die knöcherne Verblo­

ckungsoperation der Halswirbelsäule nach Cloward. Im jahr Abb. 11: Johannes Hellinger

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darauf konnten erstmals Versteifungsoperationen an der Lendenwirbelsäule über einen vor­

deren Zugang vorgenommen werden. Seinen Arntsantritt nutze HeHinger auch zum breiten

Ausbau der Ilisarow-Verfahren. Darunter versteht man eine Technik zur äußeren Fixation

von Skelettabschnitten, die u.a. zur Extremitätenverlängerung, Behandlung von Knochen­

brüchen und Ausheilung von Knochendefekten mit und ohne Infektion nutzbar ist. Nach

einer Hospitation bei I1isarow im sibirischen Kurgan, der weltweit mit diesem Verfahren

besondere Anerkennung gefunden hatte, und seinen ersten noch in Erfurt gesammelten

Erfahrungen, konnte Hellinger die Technologie in Dresden so weiterentwickeln, dass die

Klinik zu einem überregionalen Behandlungszentrum für entsprechende Erkrankungen

wurde. Auch ein starker Ausbau der Endoprothetik gelang unter seiner Führung und es

wurden beispielsweise im Jahr 1977 über 300 zementierte Hüftprothesen eingebaut. Als

besondere Innovation dieser Zeit kann die Einführung der Eigenblutspende sowie einer

klinikeigenen Knochenbank gelten, die mit entnommenen Resektaten bei verschiedenen

Operationen befüHt wurde. Wegen des deutlichen Anstiegs an operativen Eingriffen war

die Versorgung mit Anästhesisten nicht immer ausreichend und so nahmen orthopädische

Kollegen weiterhin wie bereits unter Büschelberger immer wieder die Narkose bei unkom­

plizierten Eingriffen vor. Trotz aller Schwerpunkte im operativen Bereich blieb die kon­

servative Therapie eine Domäne der Orthopädie. So wurde diese in den damaligen Jahren

auch Ausgangspunkt für die jahrzehntelang erfolgreiche Tätigkeit von Ulf-Ekkehard Ma­

nitz in der Manuellen Medizin.

Unter Hellinger nahm die bereits mit Büschelberger begonnene wissenschaftliche Tä­

tigkeit an der Orthopädischen Klinik weiter stark zu. So habilitierten zwischen 1979 und

1984 fünf Mitarbeiter der Klinik (R. Franz, V. Dürrschmidt, ]. Kleditzsch, K. ]. Schulze,

U. Manitz). Auch spätere wissenschaftliche Arbeiten sowohl von Dresdner Kollegen als

auch von externen Habilitanden wurden von Hellinger unterstützt (u. a. H. Fengler,

L. Beer, D. Miehle, T. Schubert). Insgesamt nahm damit die wissenschaftliche Repl,lta­

tion der Dresdner Orthopädie sehr stark zu. Mehrere Kollegen wurden mit renommierten

Preisen für ihre Arbeiten geehrt. Nachdem bereits Büschelberger zwei Jahrestagungen der

Gesellschaft für Orthopädie der DDR ausgerichtet hatte, fand eine Dritte unter Hellinger

1978 als 25. Jahrestagung mit vielen internationalen Gästen in Dresden statt.

Wegen der beeindruckenden Behandlungserfolge in allen Bereichen stieg die Nach­

frage enorm und es kam insbesondere ir: der Endoprothetik aufgrund begrenzter Ressour­

cen rasch zu langen Wartelisten für entsprechende Eingriffe. Obwohl die Anwendung all

der genannten modernen Technologien nicht unerheblich unter entsprechenden Beschrän­

kungen des damals herrschenden politischen und wirtschaftlichen Systems litt, gelang es

Hellinger aufgrund seiner dynamischen und äußerst engagierten Persönlichkeit, die Or­

thopädie in Dresden trotz aller Schwierigkeiten national und auch international erfolgreich

zu positionieren. Sichtbares Zeichen dafür mag sein, dass er 1979 einen Ruf an die Hum­

boldt-Universität Berlin bzw. an die Charite erhielt, den er aber aus verschiedenen Gründen

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ablehnte. Er war zudem ein Vordenker, der manche Initiativen einer etwa 30 Jahre später

realisierten Zusammenführung von Orthopädie und Unfallchirurgie bereits in seiner Kli­

nik vorwegnahm. Dennoch erhielt Hellinger 1983 Berufsverbot und wurde aus politischen

Gründen als Hochschullehrer entlassen.

Mentorenschaft und Neubeginn - Kurt-Joachim Schulze

Unmittelbar nach Entlassung Hellingers wurde Prof. Kurt-Jo­

achim Schulze (1936-2008) , der seit 1977 als erster Oberarzt

der Klinik tätig war, zum kommissarischen Leiter der Ortho­

pädischen Kl inik berufen (Abb. 12). Nachdem er 1982 m it

einer Wirbelsäulenthematik habilitiert hatte, konnte er sich

ein sehr brei tes klinisches und wissenschaftliches Spektrum

aneignen, das ihn für die Übernahme dieser Funktion präde­

stinierte. Mit Berufung zum Professor für Orthopädie 1984 wurde ihm auch das Direktorat der Orthopädischen Klinik

an der Medizinischen Akademie Dresden übertragen.

Seine Arbeitsschwerpunkte lagen nich t nur im Wirbel- Abb, 12: Kurt-Joachim Schulze

säulen bereich, sondern auch in der Endoprothetik und im

Themenbereich der Knochenersatzstoffe. Aufgrund seiner großen Erfahrung in der kon­

servativen Orthopädie wurde er 1993 zusätzlich als Dozent an der Europäischen Schule

für Physiotherapie in Kreischa ernannt. Schulze war für viele Mitarbeiter ein ausgespro­

chen stimulierender Mentor. Er unterstützte auf diesem Weg insbesondere nach der poli­

tischen Wende die erfolgreiche Einführung weiterentwickelter Behandlungstechniken, die

bis dahin aufgrund der schwierigen Rahmenbedingungen oft nicht verfügbar waren. Er

verstand es in sehr geschickter Weise, die gerade in der universitären OrthoJ?ädie zuneh­

mend notwendige Subspezialisierung zu nutzen, um sowohl die Behandlungskompetenz

einer großen Einrichtungen weiterzuentwickeln, als auch damit den Klinikmitarbeitern

motivierende Aufgaben zu überlassen, die zur Klinikprofilierung beitragen konnten. Ge­

paart mit der Offenheit für innovative Verfahren, ist ein gutes Beispiel dafür die Einführung

des zu seiner Zeit aufkommenden Oberfl.ächenersatzes als Alternative zur schaftbasierten

Endoprothetik, wo Schulze engagierten Mitarbeitern den Raum für klinisch wie auch wis­

senschaftlich bedeutsame AktiVItäten ließ. Auch unterstützte er frühzeitig die Anwendung

des Ultraschalls in der Diagnostik von frühkindlichen Hüftreifungsstörungen, weil er die

großartige Bedeutung dieses Verfahrens für die Vorsorge als auch für eine Reduktion des

Behandlungsaufwands erkannte.

Ihm gelang es zudem, in der gerade für die Kliniklandschaft schwierigen Umbruch­

zeit der politischen Wende eine stabile Arbeitsatmosphäre zu schaffen, die unvermeidli­

che Abgänge und Wechsel in Grenzen hielt. In diesem Zusammenhang ist vielleicht noch


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