DSM 5: aus gesund wird krank? -...

Prof. Keck, Max-Planck-Institut für Psychiatrie – Tel. 089 [email protected]

KLINIK FÜR PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE, PSYCHOSOMATIK UND NEUROLOGIEZENTRUM FÜR NERVENHEILKUNDE

MAX‐PLANCK‐INSTITUT FÜR PSYCHIATRIEDEUTSCHE FORSCHUNGSANSTALT FÜR PSYCHIATRIE

Martin E. KeckProf. Dr. med. Dr. rer. nat.

Max-Planck-Gesundheitsforum – 13. Oktober 2015

5. Münchner Woche für Seelische Gesundheit

Wenn Stress krank macht: Burnout vorbeugen, erkennen und behandeln

DSM 5: aus gesund wird krank?


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Gesamtzahl behandl.bed. Depressionen

ca. 4 Mio.

In hausärztl. Behandlung2,4 - 2,8 Mio.

als Depressiondiagnostiziert 1,2 - 1,4 Mio.

suffizient behandelt240-360Tausend

nach 3 Monaten

Behandlung compliant100-160Tausend

60-70 % 30-35 % 6-9 % 2,5-4 %

in realiter: diagnostisches und therapeutisches Defizit bei Depression

Kompetenznetz Depression

- nur 10% erhalten eine adäquate Behandlung

- nur 30% hilft die erste Behandlung

- Kosten 15-20 Milliarden € pro Jahr(Wirtschaftsforschungsinstitut RWI 2011)

- Depression ist der größte Kostentreiber

- Risiko: 10%

- Risikoerhöhung Alzheimer, Parkinson,

Diabetes, kardiovaskuläre Erkrankungen: 2-fach

• Krankentage wegen psychischer Belastung am Arbeitsplatz:

Steigerung um 80% in den letzten 15 Jahren (Dt. Ärzteblatt 2012)

WHO: Stress eine der grössten Gesundheitsgefahren

des 21. Jahrhunderts

4

*


© Prof. Keck, Max-Planck-Institut für Psychiatrie

Burnout: Vorstufe der Stressdepression

"The Global Burden of Disease“, WHO, 2010

Rangfolge der Ursachen für Tod und chronischeBehinderung ("disability-adjusted life years") weltweit

1 Depression,

Angsterkrankungen

2 Koronare Herzerkrankung

3 Verkehrsunfälle

4 Zerebrovaskuläre Erkrankungen

5 Chron.-obstr. Lungenerkrankung

6 Atemwegserkrankungen

7 Tuberkulose

8 Kriegsfolgen

9 Gastrointestinale Infektionen

10 HIV

11 Perinatale Komplikationen

12 Folgen von Gewalt

13 Angeborene Fehlbildungen

14 Selbstverstümmelungen

20301990Atemwegserkrankungen 1

Gastrointestinale Infektionen 2

Perinatale Komplikationen 3

Depression 4

Koronare Herzerkrankung 5

Zerebrovaskuläre Erkrankungen 6

Tuberkulose 7

Masern 8

Verkehrsunfälle 9

Angeborene Fehlbildungen 10

Malaria 11

Chron.-obstr. Lungenerkrankung 12

Epilepsie 13

Eisenmangelanämie 14

Proteinmangelerkrankungen 15

4

1


Umsatz von Antidepressiva in Mio. Packungen in der Schweiz

Quelle: IMS Health GmbH Hergiswil; Interpharma

0

0.5

1

1.5

2

2.5

3

1995 2000 2005 2008

Macht Stress krank?


Weshalb Stress heute krank machen kann

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Stress als Auslöser von Krankheitsepisoden

S T R E S S / Burnout

erschöpft/depressiv/ängstlich

KlinischesBild

GenetischeAnfälligkeit/Vulnerabilität

ÄussereFaktoren „Umwelt“

„Gen“


Stress und Leistung

Leistung

StressUntertraining – Übertraining

„Flow“

Stressbeflügelt

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● Stress tritt auf, wenn innere und/oder äussere Anforderungen die eigenen Reaktionsmöglichkeiten überfordern

Stress?

Stressor anhaltend, unkontrollierbar, intensiv....

Prozess der Stressreaktion,negative individuelle Bewertung

pathologischer Dauerstress/Disstress

nach Lazarus, Antonovsky


Person

Persönlichkeit, Perfektionismus Selbstwertprobleme mangelndes Selbstwirksamkeitsgefühl negative Bewertungen aufgrund

von Vorerfahrungen ….

Situation

Verlustereignisse

Zeitdruck

Unkontrollierbarkeit

überhöhte Erwartungen

soziale Probleme

Konkurrenzdruck

Leistungsdruck

Zusammenwirken von äusseren und inneren Faktoren bei der Entstehung von Stressfolgeerkrankungen

Wann macht Stress krank?

Kennen Sie Ihr individuelles Burnout-Risiko?

Mind Body Balance CheckMPI- P & Swiss Institute for the Prevention and Treatment of Stress-Related Disorders

(SIPS)


Was ist Stress?

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Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden(HPA)-System

Oxytocin!

Antidepressiva und Psychotherapie normalisieren das überaktiveStresshormonsystem!



FreudlosigkeitGereiztheit

SchuldgefühleHoffnungslosigkeit

Suizidalität

VerlangsamungUnruhe

EnergieAntrieb AppetitSchlaf Libido Puls

Aufmerksamkeit Kurzzeitgedächtnis

DenkhemmungExekutivfunktionen

(Handlungen planen und durchführen)

Stimmungs-veränderungen

VegetativeStörungen

MotorischeStörungen

KognitiveStörungen

Störungen des Denkensund der

Informations-verarbeitung

Depression: Klinische Symptome


Burnout und Depression: vielfältige körperliche Symptome



no

30

25

20

15

10

5

01 2 3 4 5 6

Depression(n = 35)

keine Depression(n = 187)

Die Depression ist eine systemische Erkrankung!


Burnout: Therapie oder philosophische Debatten?



Burnout-Syndrom

• Ausgebranntsein oder englisch Burnout-Syndrom

bezeichnet den Fall berufsbezogener chronischer Erschöpfung


....von der Neurasthenie zu Burnout....

Häufung von Erschöpfungssyndromen in Umbruchzeiten (z.B. Industrialisierung, Globalisierung...), die mit Unsicherheit, Perspektiv- und erlebter Hilflosigkeit einhergehen



....von der Neurasthenie zu Burnout....

Anforderungen an Mitarbeiter und Unternehmer:

● Downsizing: weniger Mitarbeiter bei gleichen/steigenden Anforderungen

● Unsicherheit bzgl. beruflicher Perspektiven

● Lebenslanges Lernen – sinkende Halbwertszeit des Wissens

● ständige Verfügbarkeit – neue Technologien

● Key skills: Teamfähigkeit und Kommunikationsfähigkeit

● Individualisierung, mehr Konkurrenz unter Mitarbeitern


Erwartungen der Arbeitnehmer:

= bestausgebildete Arbeitskräfte der Geschichte

● persönliche Bedeutsamkeit der Arbeit

● Beteiligung an Entscheidungen – Eigenverantwortung

● Sorge um Auswirkungen der Arbeitsanforderungen undArbeitszeiten auf Familie und Privatleben

...."es sind Menschen, nicht Arbeitnehmer"

....von der Neurasthenie zu Burn out....


© Prof. Keck, Clienia Privatklinik Schlössli

Burnout: Symptome


Burnout: Früherkennungszeichen


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Neurowissenschaftlich fundierte Therapie

und Vorbeugung:

Medikamente?

Kognition?

Stressverarbeitung?


Diagnostik !



Risikofaktoren für Stressdepression und Burnout

Arbeitsplatzbedingte Risiken:

● Arbeitsüberlastung, unerreichbare Ziele● Kontrollverlust: Mangel an Autonomie/Einfluss

auf die Arbeitsgestaltung ● Mangel an Belohnung: Anerkennung, Weiterbildung oder Lohn● Mangel an Gemeinschaft/Zusammenhalt● Mangel an Fairness● Wertekonflikt

Maslach und Leiter 2001

Ungleichgewicht Leistung – Belohnung"Job-Person Mismatch"


Risikofaktoren für Stressdepression und Burnout

Persönlichkeitsbedingte Risiken:

● Perfektionsstreben

● Verausgabungsbereitschaft

● Fehlende Anpassung an sich ändernde Lebensumstände


Burnout: Stress vs. Leistung?

Leistung

Stress

Resilienz = Widerstandsfähigkeit = Stressresistenz

..........Fähigkeit sich ungeachtet der äusseren Bedingungen (z.B. Wettkampf) gesund an der oberen Leistungsgrenze zu bewegen

● genetische Veranlagung● interne Kontrollüberzeugungen

● realistische Selbsteinschätzung

● Hilfe annehmen können

● Impulskontrolle (Disziplin)

● Belohnungsaufschub

„Flow“

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Psychotherapeutische Behandlung – Burnout, Stress-Depression

• Stressquellen identifizieren

• Anwendung Entspannungs- und Aktivierungsverfahren

• Grenzen setzen und Nein-sagen-können

• realistische Ziele setzen

• soziale Unterstützung

• integrative störungsspezifische Psychotherapie, z.B. Schematherapie, Achtsamkeit etc.


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Therapeutische Stressbewältigungsverfahren: aktiv und passiv

• Aktives Stressbewältigungstraining• Autogenes Training• Progressive Muskelrelaxation• Bio-/Neurofeedback• Tai Chi• Qi Gong• Craniosacraltherapie• Neuraltherapie• Massage• Fussreflexzonenmassage • Hydrotherapie (Kneipp-, Balneo-)• Aromatherapie• Akupunktur• Hypnose• kreativtherapeutische Verfahren, z.B. Ergo- und Maltherapie• körperliche Aktivierung


Oxytocin, das Anti-Stress-Hormon

Blick in die Zukunft

Gibt es ein Glückshormon?


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KörperkontaktOxytocin-

Nasenspray

Stimulation des körpereigenen Oxytocin-Systems

Stillen

● Förderung positiver sozialer Kontakte (Kosfeld et al. 2005, Heinrichs et al. 2003)

● verbesserte Emotionserkennung (Domes et al. 2007)

● Dämpfung der Stresshormonaktivität (Landgraf und Neumann 2004)

Neurobiologie: Funktion des Oxytocin-Systems


Deutliche Stressdämpfung durch soziale Unterstützung und Oxytocin

Heinrichs, Baumgartner, Kirschbaum & Ehlert (2003) Biol Psychiatry

STRESS



Vorbeugung und Therapie:

Warum hilft Sport?


Entstehung neuer Nervenzellen im Gehirn (Hippocampus)

Keck et al.



Stress reduziert die Bildung neuer Nervenzellen!

Antidepressiva, Psychotherapie, geistige Betätigung, Ausdauersport normalisieren die Nervenzellneuproduktion!


1. Erkennen und Akzeptieren der körperlichen und seelischen Grenzenkein ständiges Überschreiten der eigenen Grenzen und Fähigkeiten, z.B. wegen des Verfolgens falscher Ziele.Grenzen setzen und Nein-sagen-können. Einstellungen: Anspruchsniveau/Verausgabungsbereitschaft.Keine ständige Erreichbarkeit. Stressquellen identifizieren

2. Zeit für Freizeit und MusseRechtfertigungsfreies „Nichtstun“ ohne Nützlichkeitserwägungen, Hobbys ohne Statuserwartungen, Möglichkeit des Rückzugs

3. Ausreichend Schlaf7-8 h, regelmässiger Schlafrhythmus. Kardiovaskuläre Erkrankung -22%, Tod durch Herzinfarkt oder Schlaganfall -43%(Hoevenaar-Bloom et al. 2013)

4. Ausreichend BewegungAusdaueraktivität, 10‘000 Schritte pro Tag, keine beruflichen/privaten Stressmuster

Was schützt?



5. Gesundes Nahrungsverhaltenmediterrane Kost, Omega-3-Fettsäuren, wenig hochkalorische Industrieprodukte, Müesli (Bircher-Benner)

6. Genussmittel als GenussAlkohol, Koffein (Entspannung vs. Aufputschen)

7. SozialkontakteAngenehme, zweckfreie Sozialkontakte sind stressreduzierend. Ehrenamt.

Facebook o.ä.

8. Vorbereitung auf neue LebensphasenHeirat, Kinder, neue/zusätzliche berufliche Tätigkeiten, Pensionierung etc. bedingen stetige Neukonzeptionierung der Lebensweise und der täglichen Routinen

Was schützt?


9. EntspannungstechnikenLernen, so lange man Zeit hat.Was nützt, ist individuell unterschiedlich: Progressive Muskelentspannung, Achtsamkeit, Autogenes Training, Biofeedback, Yoga, Qigong, Akupunktur, Massage, Pilates: ohne Leistungsdruck

10. Roborierende Massnahmen„Ordnungstherapie“ (= gesundheitsfördernder, salutogenetischer Lebensstil = Lifestyle-Management)

Regelmässigkeit des Tages- und Nachtrhythmus, Regelmässigkeit der Mahlzeiten, eine ausgewogene und massvolle Ernährung, morgendliche Wechselduschen, zügige Spaziergänge („Gesundmärsche“) bei Tageslicht, Verzicht auf Nikotin

Was schützt?


KLINIK FÜR PSYCHIATRIE UND PSYCHOTHERAPIE, PSYCHOSOMATIK UND NEUROLOGIEZENTRUM FÜR NERVENHEILKUNDE

MAX‐PLANCK‐INSTITUT FÜR PSYCHIATRIEDEUTSCHE FORSCHUNGSANSTALT FÜR PSYCHIATRIE

Herzlichen Dank für IhreAufmerksamkeit !

Nächster Vortrag, 10.11.15:

Wenn Heisshunger und Stress dasEssverhalten dirigieren

Date post:	18-Aug-2019
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DSM 5: aus gesund wird krank? -...

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