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Dschingis.Chan

Date post: 09-Jan-2017
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OTTO ZIERER

BILD DER JAHRHUNDERTEEINE WELTGESCHICHTE IN 19 EINZEL- UND 11 DOPPELBÄNDEN

GERMANISCHE TRAGÖDIEUnter diesem Tit2l ist so3ben der 13. Danl der neuartigen Weltgeschichteerschienen. Dic^r Band bshanielt das sechste nachchnstliche Jahrhundert

Noch aber lebt Ostrom1 Unter dem großen Kaiser Justinianmeldet dis alte Imperium von Byzanz-Konstantinopel seineHerrschaftsanspruche über den Westen an und kämpft diegermanischen Eroberer mit überlegener Strategie nieder.Vandalen und Ostgoten werden vernichtet. Auf dem Ruinen-feld dieser gewaltigen Auseinandersetzungen bauen diebeidon großen Machte die abendländische Zukunft: dis

Frankenreich und dis Kirche Westroms

Auch dieser Band ist in sich vollkommen abgeschlossen und enthält wiederausgezeichnete Kunstdrucktafeln und zuverlässige historische Karten. Erkostet in der herrlichen Ganzleinenausgabe mit Rot- und Goldprägung undfarbigem Schutzumschlag DM3.60. Mit dem Bezug des Gesamtwerkes kannin bequemen Monatslieferungen jederzeit begonnen werden. Auf Wunschwerden auch die bereits erschienenen Bücher geschlossen oder in einzelnenBänden nachgeliefert. Erschienen ist seit Dezember 1950 monatlich ein Band.

Prospekt kostenlos vom

VERLAG SEBASTIAN LUX • MURNAU/MÜNCHEN

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K L E I N E B I B L I O T H E K D E S W I S S E N S

LUX-LESEBOGENN A T U R - U N D K U L T U R K U N D L I C H E H E F T E

O T T O Z I E R E R

Dscningis

v>nan

Der Herrder Steppe

VERLAG SEBASTIAN LUX * MURNAU / MÜNCHEN

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Konigszug aus der Zeit Barbarossas

E'S ist im Jahre 1155 nach der Geburt des Erlösers.Seltsam ist das Walten der Geschichte. In der Kulturmitte der

Alten Welt und in den tiefinnersten Einöden Asiens, weit entferntvom Schauplatz der europäischen Menschheit, vollziehen sich zurgleichen Stunde Ereignisse, die beide für das Abendland zum be-stimmenden Schicksal werden. Aber die Menschen der Zeit sehennur das eine oder das andere. Erst die Nachgeborenen begreifen dasZueinander dessen, was räumlich so weit getrennt und zeitlich sonahe beisammen liegt.

Im Frühsommer des Jahres 1155 ist das glanzvolle Ritterheer desHohenstaufen Friedrich Barbarossa von den Apenninenpässen in dierömische Ebene niedergestiegen, um dem deutschen König die Kaiser-krone zu erstreiten. Stürmische Verhandlungen über die bevor-stehende Krönung sind dem Romzug vorausgegangen.

Zwei Mächte sind es, die das Recht für sich in Anspruch nehmen,den Herrn des christlichen Abendlandes mit dem Kaiserdiadem zukrönen: Volk und Senat Roms und der Statthalter Christi, der Papst.Friedrich von Hohenstaufen hat sich für die Krönung durch Papst

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Hadrian IV. entschieden. Die Römer begehren auf; waffenstarrendund trotzig erwarten sie in der Tiberstadt den königlichen Heerzug,um Friedrich Rotbart den Zugang in die Petersbasilika zu ver-wehren. Aber im Morgengrauen des 18. Juni haben zweitausendGewappnete des Reichsheeres die Papststadt und St. Peter heimlichbesetzt. Als die Sonne fern hinter dem Kapitolshügel hervorkommt,umlagern stahlblitzende Reichsritter die Wehrmauer, die zwischenEngelsburg und Monte Janicolo den Bereich des Petersdomes be-schirmt. Vor dem grauen Gemäuer, auf den Bastionen, vor denPortalen flattern die Banner der Ritterschaft; auf den seidenenTüchern erkennt man den Löwen der Weifen, den Bären derAskanier, die Adler von Schwaben, die Greifen der Lothringer undhundert Zeichen der stauferfreundlichen Reichsstädte, Reichsgrafen.Edelfreien und Vögte.

Wo aber ist Friedrich — wo ist der König? Noch fehlen diestaufischen Banner im Farbenbild drüben auf dem anderen Ufer desTiberflusses. Die Ankunft des Rotbarts ist nicht für heute erwartet;so wird er morgen der Vorhut seiner Schwertträger folgen! Unterihren Geschlechter- und Zunftfahnen sammeln sich Adel und Bürger-schaft Roms, für den folgenden Tag bereit zu sein. Die Glocken derTiberstadt läuten Sturm.

Aber Friedrich von Hohenstaufen weilt längst in der Leostadt.Fern allem Gelärm und Getümmel der aufrührerischen Römer be-ginnt in St. Peter, ohne daß die Bürger es ahnen, die altüber-kommene Zeremonie der Kaiserkrönung. Hinter den Mauern, hinterden bronzegetriebenen Toren, die in das säulenumstandene Atriumder ehrwürdigen Basilika führen, hebt in dieser Stunde PapstHadrian zur Begrüßung segnend die Hände über den jugendlichenKönig; der Herrscher beugt sich zur Erde und vollzieht die demütigeHuldigung des Fußkusses.

Friedrich Rotbart wendet sich zur seitlich gelegenen Kapelle SantaMaria in Turri, wo nach dem Herkommen der künftige Kaiser zumDomherrn von St. Peter ernannt wird. Dann geleiten den Papst dieGroßen der Kirche in das Innere des Petersdomes, der Hohenstaufeaber begibt sich durch den Vorhof zum Portal der Basilika, damitder Bischof von Albano das Gebet über ihn spreche.

Dem Herrscher öffnet sich die Silberne Pforte. Bläulicher Hauchsteigt aus golddunklen Hallen, rot und violett dämmern die Robender Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte, golden funkeln die Mitren undKrummstäbe. Unter erhabenem Traghimmel verharrt auf hohemThron am Altar des hl. Mauritius die schneeweiße Gestalt des Papstes.

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Die beiden Gewalthaber der Christenheit sitzen einander gegen-über, der greise Papst beginnt zu sprechen.

„Friedrich von Schwaben! Du bist bestellt, das Schwert dieserWelt zu tragen. Führe es im Namen Jesu Christi!"

Blaue Blitze brechen aus Friedrich Rotbarts Augen. Der Glanzdieser einmaligen Stunde hat ihn überwältigt. In die marmorneStille dringt laut seine Stimme.

„Alles ist vorausbedacht, Heiliger Vater, und es wird sich er-füllen. Ich sehe glückliche und große Tage. Das Reich Christi wirdvollendet werden, und ich werde es vollenden."

Da wogt in die Stunde feierliches Geläut. Vom Turm der Peters-basilika dröhnen die Glocken, aus der Nähe antworten Santa Mariain Turri, Santa Anna, San Stephane Hallend bricht der eherne Rufvom blauen Sommerhimmel.

Der deutsche König schreitet durch das Mittelschiff des Domes,die Krone der Cäsaren zu empfangen.

*Zur selben Stunde, in der sich die Krönung des Hohenstaufen

Friedrich Barbarossa in der Peterskirche zu Rom vollzieht und daschristliche Abendland von der Hoffnung auf kraftvolle und fried-liche Zeiten erfüllt ist, kommt fern im Osten ein winziges Steinchenins Rollen, aus dem eine Lawine erwachsen wird, die Kaisertum,Kirche, Christenheit und Menschheit dereinst an die Abgründeführen soll.

Es ist zehntausend Meilen ostwärts im Herzen der Dsungarei,einem Gebirgs- und Steppenland, das weit nördlich von Tibet demSandmeer der Wüste Gobi benachbart liegt. Von riesenhaften Ge-birgen umschart sind Wüste und Steppe. Kriegerische Mongolen-stämme hausen in dem unwirtlichen Land.

Hier, nahe dem sagenhaften Ende der Welt, schiebt sich ständigschwarzes Gewölk unter fauchenden Sturmstößen von der Him-melsmauer des Tienschan-Gebirges über die Steppenwüste undjagt dem eisigen Altai-Gebirge entgegen. Manchmal reißt dieWetterwand zu riesigen Toren glasklarer, toter Bläue auseinander,dann hebt der sechstausend Meter hohe Berg Bogdoola sein schnee-gepanzertes Hörn in das Blickfeld.

Aus den Klüften rasen mit flatternden Mähnen die Dämonen desSturmes hervor, die Geister der Erde fliegen in jagenden Staub-fahnen über die Steppe, und wie der Schrei riesenhafter Gespensterheulen Stimmen aus Lüften und Abgründen. Die Götzenpriesterder mongolischen Wanderstämme haben schreckliches Geschehen

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Karte des von Dschingis-Chan gegründeten Mongolenreidies in der Zeit seiner größten Ausde nung

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prophezeit: in sternklaren Nächten ist ferner Donner vernommenworden, wie von hunderttausend eilenden Rossehufen; die Sonnehängt seit Wochen als böses, gelb-grünes Teufelsauge über blut-rotem Land; durch die Nächte ziehen dammende Meteore Spurengleich blutigen Wolfsfährten und stürzen in die Nacht verkrüppelterWälder.

In den Bergen und Steppen der Mongolei herrscht der Krieg allergegen alle. Die Nujakin-, Taidschut- und Sugatnomaden wütengegeneinander. Dörfer flammen auf, und Menschen ohne Gesetz undErbarmen vernichten jedwedes Leben. Der Kampfschrei geht mitdem Sturmwind von den Himmelsmauern des Himalaya bis zurEbene der wehenden Gräser, von den donnernden Schluchten derWildwasser bis zur goldenen Wüste Gobi.

Im Verlauf der mörderischen Kämpfe erliegt der mächtigeChan Jesugai, Herr des Nujakinstammes, einem meuchlerischenPfeil. Das ist das Zeichen für die übrigen Stämme, sich zusammen-zutun und die Lagerplätze der führerlosen Nujakin zu überfallen.Knochenpfeile schwirren am Flusse Onon wie Heuschreckenschwärmevom Himmel, Lanzen, Dolche und Wurfbeile toben. Trunken,lärmend, beutebeladen jagen die Räuber in die schützenden Tälerzurück, während die zersprengten Nujakin die Reste ihrer Herdenin der endlosen Steppe zu sammeln suchen.

*Das Zeltdorf der Nujakin steht in Flammen. Schon nahen in-

mitten von Sandwolken die Dämonen der Wüste; wie Fahnenkommen die Wirbelwinde vom nördlichen Horizont und treiben dieFunkengarben des brennenden Dorfes in das tiefer ziehende Gewölk.

Verzweifelt sucht Ulun, die Witwe Jesugais, ihr verlorenes Kind.Im Gewühl von Kampf und Flucht ist Temutlschin, der einzige

Sohn des toten Chans, verlorengegangen — ein Kind von zwölfMonaten, ein winziger Hauch Leben inmitten dieser grausamen,unendlichen Weite, verloren wie eines dieser wirbelnden, ver-wehenden und erlöschenden Feuerfünkchen.

Als der Überfall begann, hatte Ulun den Knaben in einem Leder-sack auf den Rücken des Pferdes geschnallt; doch ehe sie sich selbstin den Sattel schwingen konnte, war das Roß — erchreckt durcheinen heranschwirrenden Pfeil —- ausgebrochen und davongestoben.

Alles Suchen nach dem Knaben ist vergeblich. Der todbringendeSandsturm zwingt die Nujakin und ihre Fürstin Zuflucht unter deneng hingelagerten Pferden zu suchen. Die Welt versinkt in dasGrauen des Untergangs. *

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In dieser Stunde erhebt sich in den goldfunkelnden Hallen derrömischen Peterskirche der Jubelruf der Ritterschaft: „Lang lebeKaiser Friedrich Barbarossa." Verhalten dringt der Ruf in diePaläste der römischen Senatoren, in die Häuser der widersetzlichenBürger der Ewigen Stadt, aber bald schon erfüllt er die Ländervom Tiber bis zum Nordmeer mit seinem Hall. Der Westen hatseinen Herrscher, große Zeiten steigen herauf.

Aber das Schicksal der Welt hängt weniger an dem, was in Romgeschieht, als am Wohl und Wehe jenes Nomadenknaben, der imbastbestickten Ledersack am Sattel eines Mongolenpferdchens sichin das Toben des Unwetters verlor.

Das Schicksal scheint dem Knaben gewogen zu sein. Das kleine,struppige Pferdchen hat sich weitab vom Zeltlager der Nujakinschutzsuchend in eine Senke gelagert, es läßt sich zuwehen, hältnur die Nüstern in die staubgesättigte Luft empor, um Atem zuschöpfen.

Und es geschieht, daß Samsai, ein wandernder Mönch Buddhas,den der Sturm überrascht hat, wie ein Gespenst aus den gelbenSchleiern hervorkommt. Keuchend sucht er Schutz vor dem Unheilund fällt erschöpft in die Mulde, in der auch das Tier sich ge-borgen hat. Der Mönch findet Roß und Bündel, löst die Riemen,befreit den Knaben und schiebt die schützende Hülle von seinemAntlitz, zu sehen, ob noch Leben in Temudschin glüht.

Samsai ist von dem Anblick betroffen. Die schmalen, schiefge-stellten Augenschlitze des Knaben sprühen gelbes, verzehrendesFeuer, es ist wie der Blick eines Wolfes. Samsai birgt das Kindunter dem Mantel und beugt sich unter dem Wüten der Elemente.Als das Unwetter vorübergezogen ist, bringt Samsai den Knaben inseine Höhle im nahen Gebirge.

*Jahre gehen dahin.Temudschin wächst fern der Steppe in der Einsamkeit einer

Einsiedlerklause heran; alle Versuche des Mönchs, den Knabenzu erziehen, sind umsonst. In seiner Seele klingt keine Saite, wenndas Wort des Erhabenen Buddha ihn berührt. Das flammendeSchwert, das auf seine Brust eintätowiert ist, scheint TemudschinsLeben zu beherrschen. Seinem seltsam zwingenden Blick unter-werfen sich alle Geschöpfe. Als der Mongolenknabe sieben Jahrezählt, bringt er ein Wolfsjunges in die Höhle des Mönchs, zähmtes und macht es zu seinem ständigen Begleiter. Eines anderen Tagessieht Samsai, wie Temudschin einem Bären der Berge mit flach

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ausgestreckten Händen entgegengeht; das Untier richtet sich drohendauf, aber vom Blick des Knaben gebannt, fällt es wieder auf seineTatzen. Erst als Temudschins Auge es freigibt, trollt es davon.

Manchmal sucht der fromme Lama den Zugang in die ver-schlossene Seele Temudschins. Sie kauern vor der Felsenhöhle. Zuihren Füßen breitet sich das Tal im ersten Frühlingsgrün, dunkleWälder stehen an schroffen Wänden, Gebirgsketten ziehen inblaue Fernen.

Der Mönch spricht zu dem Knaben die Worte des Erhabenen, wiesie im Pali-Kanon überliefert sind: „Nur wenn du dein Herz vonallen eitlen, hinfälligen Dingen gesäubert hast, wird dir die innereMeeresstille zuteil. Das ist die Ruhe, das ist das Ziel, das dirgesetzt ist." Temudschins Antlitz bleibt unbewegt. Endlich gibt derHeranwachsende Antwort. Er hebt die schweren, hängenden Lider.

„Was sprichst du von Stille, o Samsai? Du selber hast mir vonder Unrast der Menschen berichtet. Sagtest du nicht, daß dieBerge des Tienschan nicht das Ende der Welt seien, daß es vieleStämme, viele Völker und Länder gebe, und daß sie alle unter-einander im Streite lägen: die Taidschut kämpfen mit den Nujakin,die Kerait mit den Sujat, die Tataren mit den Kirgisen. Warumspricht du angesichts der großen Welt von innerer Stille, warumsprichst du angesichts dieser Wirrnis von Ruhe?

„Es gibt nur einen sicheren Weg", erwidert der Mönch, „dasÜbel dieser Wirrsal zu überwinden: es ist der Pfad, den Upali, derHausvater, seinen" Mönchen gewiesen hat:

,Den Weisen betört kein Wahn,Kein Unmut und kein Sieg versucht ihn,Kein Übel peinigt ihn und keine Regung,Gereift ist seine Tugend und sein Geist,Erhaben über alle Welt berührt ihn nichts'".

Aus Temudschins Augenspalt schießt grünes Feuer.„Es verlangt mich nicht danach, weise zu sein, wenn sich die

Menschen wie Tiere anfallen. Ich will das feurige Schwert sein,das über den Häuptern der Mörderischen, Gewalttätigen und Fried-losen geschwungen wird. Ich liebe die Menschen nicht."

*Die Einsiedelei Samsais liegt im Weidegebiet des mächtigen

Fürsten Dscharnukah vom Stamme der Taidschut. Seltsame Gerüchtegehen in den Jurten der Zeltdörfer um.

In mondlosen Nächten, wenn die Sternengeister über die Grate

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des Tienschan-Gebirges jagen, taucht in den Tälern wie eine Visionein Reiter auf. Ein riesiger Wolf trabt neben dem fahlen Roß.So sieht man den Reitenden im Schein der Pechfackeln, wenn ereinmal in der Nähe eines der Zelte vorüberreitet. Schweigendducken sich die Weiber auf den Wolfsfellen ihrer Lagerstatt, dieMänner vergessen den tastenden Griff nach den Waffen, die anden Zeltpfosten baumeln. Der Mann aus der Nacht, der Herr desSturmes — so erzählt man sich — trage um das Haupt einen Kranzaus kaltem Feuer, dem Lichte gleich, das verfaulende Holzstümpfeaussenden. Manchmal lohe es um seine spitze Mongolenmütze wieBrand. Die Leute nennen ihn „Dämon der Berge" oder den „fahlenWolf". Niemand schreitet ein, wenn er in die Hürden einbrichtund einen fetten Hammel, ein Yak, eine Kuh oder ein junges Pferdoder was ihm eben gefällt davonführt.

Von dem Unheimlichen raunt man weithin in der Steppenwildnis.Niemand zweifelt an seiner dämonischen Herkunft und seinergroßen Berufung, denn auf der Brust trägt er deutlich das ein-gebrannte Zeichen eines feurigen Götterschwertes. Die Gerüchte,die von dem Fremden umgehen, erreichen auch den Stamm derNujakin; denn die Einsamkeit der Gebirge und Steppen hat ihreflüsternde Stimme, Worte, Legenden wandern von Lager zu Lager.

So erfährt auch die altgewordene Fürstin der Nujakin. Ulun, dieWitwe des ermordeten Chans Jesugai, von dem Jüngling, der dasflammende Schwert auf der Brust trägt. Sie ruft den Rat derStammesältesten zu sich und teilt ihnen mit, daß der Sohn Jesugais,der Herr der Nujakin, lebe.

Wie seit Jahren wütet immer noch der Kampf unter den Stämmender Mongolei. Immer von neuem erwacht die Blutsfeindschaft,dröhnen die Yaktrommeln, zirpen die Knochenflöten der Zauber-priester und rufen zu neuer Gewalttat. Viehdiebe dringen in dieWeidegründe der Nachbarn. Die ihrer Herden Beraubten vergiftenihre Pfeile und überschütten die Zelte der Räuber mit einem Hagelvon Geschossen. Beute witternd kommt aus den Hinterhalten derBerge wildes Volk und wirft sich in den Streit; das Land ist rot vomBlute Erschlagener. Niemand ist da, dem Morden Einhalt zu bieten.

Temudschin, der fahle Wolf der Einsiedelei, fühlt, daß seineStunde nahe ist. Die Welt schreit nach der Peitsche, die Erde ruftdas feurige Schwert; Luft und Wolken, Gebirge und Sandwüsteleben nach göttlichen Gesetzen, nur die Menschen scheinen ohneGesetz zu sein. *

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Eipe wilde SturOnpadit des scheidenden Winters zieht herauf.Am flackernden Feaei* dh* Hohle lauscht Temudschin dem Heulender Gelter, er hört das Getrappel zahlloser galoppierender Rosse-hafer das Her anwalzen •• wimmelnder Heere, den Aufschrei desErdkreises.

Langsam erhebt sich Temudschin; VOM seinem knurrenden Wolfgefolgt, tritt er unter die Öffnung der Höhle und starrt hinaus indie Nacht. Wirbelnd jagt der Schnee aus dem bodenlosen Abgrundder Finsternis.

Temudschin sattelt das zitternde Pferd, zwingt es in denSchneesturm, führt es an verschneiten Abstürzen vorbei, mittendurch gespenstisch-ächzende Fichtenwälder um! nimmt den Wegzum Olo-See. Während der Himmel aufreißt und der Mondunter lichtumrandetem Gewölk durch sternglitzernde Einsamkeitschwimmt, erreicht Temudschin das Ufer. Gischt schlägt weitdraußen an den Rand der aufgebrochenen Eisschollen, Felsen ragenschwarz hervor, eisiges Gestöber stürzt in das Wasser. Hier ist derTanzplatz der Dämonen, die Luft ist erfüllt von Geheul und Getöse.

Laut schreit Temudschin seinen Kampfruf in die Nacht. Mitbrennenden Augen reitet er zwischen Schollen und Klippen demSturm entgegen. Unsichtbar umgeben ihn ringende Geister, Sturm-wölfe, Gespensterrosse, Erdriesen, Wesen einer anderen, nächtlichenWelt, Schemen der Tiefe, aus Eis, Stein und Wind geboren.

In dieser Nacht am Olo-See kämpft Temudschin mit den Dämonen,die ihn gerufen haben. Er fürchtet sich nicht, er sieht die Aufgabevor sich: er wird die Geister Asiens, die Elemente der WüsteGobi in seine Spur zwingen, wie er den Wolf in seine Fährte ge-zwungen hat.

Als er auf erschöpftem Pferde zur Höhle reitet, graut imOsten der Morgen. Die Natur hat sich beruhigt, verebbend rauschtder Wind in fernen Tälern, der Mond hängt bleich am Rande derweichenden Nacht.

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Über den Bergpfad, der zur Mönchshöhle hinaufführt, kriechtder Zug der Nujakin; sie reiten auf zottigen Yaks und struppigenRossen, Schafpel/mäntel und dicke Bärenkappen hüllen die Mannerein. An der Spitze der Karawane reitet Ulun, die Fürstin; ge-brochen vor Müdigkeit hangt sie im hohen Holzsattel. Und dochtreibt sie die Ihren unermüdlich voran.

Lange schon beobachtet Temudschin von einem Felsen das Reiter-volk. Sprungbereit laßt er die Gruppe herankommen. Als er an der

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Spitze die Greisin sieht, weiß er, daß sie in friedlicher Absichtnahen. Temudschin trägt ein langes Kleid von gelber Seide und einenMantel mit aufgestickten grünen Drachen.

„Was sucht ihr?" fragt er die Ankömmlinge.Vor seinen herrischen Augen senken die Männer den Blick.

Aber sie verlassen die Sättel nicht. Aus dickem Bärenpelz tönt dieStimme des Weibes.

„Bist du es, der das feurige Schwert auf der Brust trägt?"„Ich trage ein feuriges Schwert."„So bist du Temudschin, der Herr der Nujakin! Komm und führe

deinen Stamm, Herr. Nimm den Tuck, das Zeichen deines VatersJesugai, den sie erschlagen haben."

Ein Mann hält dem Jüngling den goldverzierten Stab mit demwallenden Roßschweif entgegen.

Doch da tritt, grau und gebeugt, der Mönch Samsai zu Temudschinund spricht zu ihm:

„Sohn, geht nicht diesen Weg! Willst du die Welt überwinden,so fliehe die Welt. Der Vergänglichkeit Untertan sind alle Ge-walten! Gedenke des Erhabenen, der ruhig wandelte wie der Mond.''

„Leb wohl, Samsai!" ruft Temudschin. „Was verstehst du von derWelt. Mich rufen die Götter."

Tsu, der Wolf, heult wild und schaurig. Ist es Klage — ist esTriumph? Temudschin springt in den Sattel.

*Die Nujakin sind nur einer der kleineren Mongolenstämme in

der westlichen Dsungarei, aus der einst die Hunnen nach Westenaufgebrochen sind. Seit Temudschin Chan der Nujakin ist, ist beiden Männern des Stammes die alte Sehnsucht nach Wanderzügen indie Grenzenlosigkeit der Steppe neu erwacht. Die ewige Unruhenach fernen Weidegründen, der Drang nach den Ländern hinterden Gebirgsketten des Tienschan und Altai ergreift sie mit Macht.

Temudschin aber hält die Zügel mit eiserner Faust, beendet inden Weidegründen der Nujakin die Gesetzlosigkeit und bricht dieGewalt. Gehorsam unterwerfen sich die Chane der kleinen Hordenin den verstreuten Dörfern. Temudschin reitet durch die Lager,prüft die Männer und blickt ihnen in die Augen, sein Forschen dringtbis auf den Grund ihrer Seelen. So zwingt er da einen, dort einenanderen in sein Gefolge: Jünglinge, Knaben, erwachsene Männer.Sie müssen alles hinter sich lassen: Weiber und Familien, Hordeund Herde; sie gehören fürderhin dem Chan, dessen Leibwachesie werden.

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Von Temudscbin beginnt man an allen Lagerfeuern der Steppe zusprechen, die Scharen, die er anführt, sind wohlgeordnet, verzettelnsich aicht in kleinen Raubzügen und Scharmützeln. Diese Mongolen-horde ist maßlos in ihren Ansprüchen und unwiderstehlich in allem,was sie unternimmt. Dem Chan der Najukin, dem „fahlen Wolf",stehen die Götter sichtlich zur Seite. Man fürchtet ihn, man fürchtetdie Dämonen, die um ihn sind.

Künftig steht Temudschins Jurte mit den flatternden Roßschweif eninmitten eines freien, von vielen Wachtzelten umschirmten Raumesdes Lagers. Wandern die Nujakin, so reitet Temudschin, der Chan,auf schwarzem Roß, entfernt von allen Männern, ganz einsam ineinem weiten Ring seiner Leibwächter. Außerhalb dieses wandern-den Ringes trabt das Volk, schieben sich langsam die Herden dahin,wölkt der Staub der Steppe unter den Hufen.

Manchmal sieht man Oktai und Tschagatai, Temudschins ältesteKnaben, Söhne einer Nomadin, die eine Zeitlang seine Einsamkeitgeteilt hat; klein und doch selbstbewußt reiten sie neben dem Vater,bis ein Blick oder Wink sie wieder verscheucht.

Temudschin, der Herr der Nujakin, schickt Boten an die Nach-barn. Es soll Friede sein zwischen den Stämmen der Mongolen.Die Erdscheibe unter dem Firmament sei groß und voller Weide-land, hinter den Gebirgen lägen reiche Länder, genug um dieHerden aller Stämme zu ernähren, und dort gäbe es Beute, alleZelte zu füllen.

Viele Stämme senden Geschenke und Geiseln, zum Zeichen, daßsie sich dem Chan für einen großen Kriegszug zur Verfügungstellen wollen. Es kommen Knaben und Mädchen der Hordenführer,die Töchter der Chane, Jünglinge aus den vornehmen Familien.Der Taidschutstamm schickt Schafe, Schafpelze und milchgebendeStuten, Schläuche mit vergorener Milch, gegerbte Lederrollen,weich wie Samt und bunt wie die Steppe im Frühling. Die Stämme,die südlicher hausen, senden Kamele mit silbernen Glöckchen,kunstvolles Sattelzeug, geschnitzte Knochen, Ohrringe und blaueTopase; die Horden am Kuen-lun-Gebirge, schon näher den ge-heimnisvollen Reichen Tibet und China wohnend, lassen seideneMäntel, silberne Armbänder mit schönen Achatsteinen und Amethy-sten überbringen. Aus den nördlichen Steppen, nahe dem Irtysch-fluß, zu Füßen des Ektag-Gebirges, kommen kostbare Felle vonBären, Wölfen, Zobeln, Tigern und Füchsen, auch Buckelochsen undviele Bündel von Pfeilen mit Knochenspitzen.

All diese Gaben der Unterwerfung sind nicht ganz freiwillig ge-

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geben. Aber es empfiehlt sich. Temudschins Freundschaft zu suchen.Den kleinen Stamm der Gutschen, der Einwände gegen TemudschinsTributforderungen erhob, überfiel er und ließ ihn bis auf dasletzte Kind niedermetzeln. Seither wissen die Völker, wessen ChanTemudschin fähig ist.

Trotz dieser sichtbaren Erfolge im Becken der Dsungarei istTemudschins Macht immer noch gering im Vergleich zu den ge-waltigen Völkerbünden der Kerait im Nordosten oder der Naiman,die zu Füßen des Altai-Gebirges im Nordwesten wohnen.

Unendlich weit sind diese Länder. Man müßte wochenlang unter-wegs sein, um nur einen Teil der grasreichen Steppen, der vonBergen umblauten Täler zu durchreiten, die sich rings um dasSandmeer der Wüste Gobi reihen. Temudschin ist bisher nur Herrüber eines der Seitenbecken; der Kern der mongolischen Welt liegtim Nordosten beim Hauptlager Karakorum, in den östlichen Egtag-Bergen.

Jahre gehen dahin und Temudschin schlägt um sich wie einböser Tiger des Tienschan. Immer wieder fallen kleine Stämmeab, entfernte Horden brechen Fehden vom Zaun, stören das eiserneGesetz, Verrat spinnt sich zwischen den alten Chanen. AberTemudschin hält durch Feldzüge, durch schnelle Ritte und grausameStrafgerichte seinen Völkerbund zusammen; manchmal reitet erganz allein ins Lager eines wankelmütigen Chans, eines heimlichenGegners, ja sogar eines Feindes: wenn die zum Abfall Ent-schlossenen, die Neidischen und Unruhigen dann jählings in denBereich seiner Blicke geraten, weichen sie kuschend wie gebändigteRaubtiere, besiegt wie Bestien, die den Herrn erkennen, zurück,fügen sich, wagen nicht mehr aufzubegehren.

Auf solche Weise gewinnt sich Temudschin auch den getreuestenFührer für seine Leibwache: Wasjatai. Dieser noch sehr junge, aberwilde Unterhäuptling in Temudschins Gefolge, ist bisher einer derentschlossensten Hetzer gegen den neuen Herrn gewesen.

Auf einem gemeinsamen Feldzug gelingt es Wasjatai, ein Dritteildes ziehenden Heeres zur Meuterei zu überreden.

Da geht Temudschin mitten ins Feldlager Wasjatais. Plötzlich —als sei er aus dem Nichts gestiegen — steht er im Zelte des Tod-feindes. Es ist Nacht — Wasjatai ist ihm in die Hand gegeben.

Niemand kann später sagen, was sich in dem nachtschwarzen Zeltabgespielt hat. Es muß mehr als bedrohlich für Wasjatai gewesensein, als er, wehrlos ausgestreckt unter der Decke aus Wolfsfellliegend, das Antlitz des Chans über sich erkannte.

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Tatsache ist, daß Wasjatai am andern Morgen die Meuterer mitStrenge zur Pflicht gegen Temudschin ruft, daß er bald darauf derAnführer der dreihundert Leibwächter wird und seither dertreueste Parteigänger Temudschins ist.

Doch die große Prüfung soll erst beginnen.Eines Sommers, als die Stämme wegen der zunehmenden Wasser-

not weitverstreut mit den Herden von Tränke zu Tränke wandern,gelangt die Botschaft zu Temudschin, daß sich mächtige Häuptlingedes Tatarenvolkes, die am Buisee lagern, unter seinem alten Tod-feind Dschamukan verbündet haben und daß der Chan der Sujatzu ihnen übergegangen sei —• kurz, daß alles Erreichte einzu-stürzen drohe.

Es gibt nur einen Weg, aus allem Verrat herauszukommen undunangefochten Herr der Gobi zu werden: man muß die Kraft ver-vielfachen, denn Menschen beugen sich immer nur der Macht.Macht aber hat zwischen dem Altai- und Kuen-lun-Gebirge ammeisten Baybuka, der Rote Chan von Karakorum, der den Stammder Kerait anführt.

Wasjatai und Temudschins- Söhne Oktai und Tschagatai habenden Auftrag, die Heere zu rüsten, die Herden in Sicherheit zubringen und dem Troß der Weiber und Kinder Verstecke in denBergen anzuweisen. Temudschin selber verläßt mit geringem Ge-folge das Lager der Nujakin; von einem Dutzend seiner Leib-wächter umringt, sprengt er in flatterndem, gelbem Mantel, diespitze Mütze auf dem kahlgeschorenen Haupt ostwärts dahin. DieSteppe verliert sich in die Wüste, der Sand wölkt unter den Hufender unablässig trabenden Pferdchen. Glühend lasten die Tage, eisigist die Kälte der Nacht. Nach einer Woche erreicht der Trupp dieVorberge des Altai. Emsig klimmen die Pferde die Saumpfadehinan, blau dunkeln Abgründe, schwindelnd ziehen Wege an grauenFelsen dahin, kühn schwingen Seilbrücken über Schluchten, die sotief sind, daß das Rauschen der Wasser nur wie fernes Gemurrempordringt. Nach einer weiteren Woche senken sich die Kettendes Altai zum Strombett des Orchon. Grüne Matten dehnen sichweit in die Seitentäler, fette Yakherden grasen, Karawanen mitKamelen schwanken wie hochbeladene Schiffe die ausgetretene Ufer-pfade stromauf.

Endlich weitet sich das Tal: das große Mongolenlager Karakorumwird sichtbar.

Temudschin zügelt sein Roß, die Hand beschattet die Augen, alser das Wunder schaut. Himmelhoch fallen die Bergwände von

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Norden, Osten und Westen in den großräumigen Talkessel. VonSüden her wälzt sich der Strom hinein, drüben zwischen dendunklen Granitwänden windet er sich brausend in eine Seiten-schlucht.

Das breite, weidenreiche Becken ist wie mit Blumen bedeckt: essind die farbigen Lederhütten und Seidenzelte von Karakorum. Inden Lagerstraßen sprengen Trupps Bewaffneter, Kamelkarawanenziehen zum Hauptplatz, auf dem an langer Stange der dreifacheRoßschweif des „Roten Chans" des Keraitstammes weht.

Temudschin und sein Gefolge reiten schweigend den Hang hin-ab, sie beachten nicht die jungen Männer, die auf den Planen Pfeil-schießen, Lanzenfechten, Messerwerfen und Schwertkampf üben.Alle sind wie mit ihren Pferden verwachsen, sie essen, schlafen undverhandeln im Sattel.

Das Lager Karakorum ist für Temudschin und seine Leute einMärchen. Auf geschnitztem, elfenbein- und goldeingelegtem Ge-stänge schweben bestickte Seidenbaldachine, die Vorplätze mancherZelte sind mit persischen Teppichen belegt, durch die zurückge-schlagenen Vorhänge aus schweren Chinageweben sieht man imInnern seltsame Vasen, Raubtierfelle, Waffen, schwelende Räucher-gefäße. Frauen mit goldklingelndem Schmuck huschen auf perlen-bestickten Opanken durch die wehenden Schleier, die Zelt vonZelt trennen.

Aus den Lagergassen brechen Reiter in wattierten, abgestepptenLederpanzern hervor; sie tragen spitze Eisenhelme und richtenihre geschweiften Hornbogen auf die Ankömmlinge.

„Zurück! Hier ist der Platz Baybukas, des ,Roten Chans'!"„Wir bringen Geschenke, wir sind Gesandte . . ."Temudschin darf sich als einziger dem Zelt aus Purpurtuch nahen.

Ein Offizier der Lagerwache übernimmt die Geschenkbeutel mitUralsmaragden, Altaitürkisen, Amethysten und Topasen, die fürden Chan von Karakorum bestimmt sind. Seidene Vorhänge schwin-gen glitzernd auseinander, im Halblicht des „Roten Zeltes" siehtTemudschin zuerst nur Farben, Teppiche, schwellende Kissen —dann hinter dem Bündel der Zeltstäbe, auf erhöhtem Lager vonTigerfellen den Chan im roten Seidenmantel, einen alternden, fettenMann, der ihn mißtrauisch betrachtet.

Unter dem Vorhang stehen starr wie Götzen ein halbes Dutzendgelbgesichtige Wächter mit hängenden Schnauzbärten.

Temudschin blickt Baybuka an, sein zwingendes Auge bohrt sichin die Seele des „Roten Chans".

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„Ich muß den großen Chan allein sprechen", sagt er ruhig. „Ermöge seine Wachen entlassen."

Und das Unwahrscheinliche geschieht, Baybuka winkt seinen Ge-treuen zu gehen. Temudschin läßt sich auf den Kissen nieder, erschweigt.

Gegen Abend dieses Tages geschieht es, daß die Wachen am Zeltdes „Roten Chans" die erzenen Gongs anschlagen. Tausend Feuerglühen unter den Felswänden des Tales, das große Lager horcht auf,die Männer strömen zum „Großen Platz".

Als sich "die Massen versammelt haben, dröhnt abermals der Gong,die Vorhänge des „Roten Zeltes" öffnen sich, das scharlachseideneGewand des Chans wird sichtbar — aber es ist nicht Baybuka, deres trägt. Ein anderer, hochgewachsener Mann steht auf dem Fels,der neben dem dreifachen Tuck aufragt:

Wer ist der Fremde? Welch ein Dämon ist ins geheiligte Kleid des„Roten Chans" geschlüpft? Raunen, Furcht, Mißtrauen gehen durchdie Versammlung der Krieger.

„Ich bin Temudschin, der ,Rote Chan'", sagt eine harte, herrischeStimme. „Ich werde die Völker der Mongolen in die Länder derErde führen, ich werde ihnen Herden, Schwerter und Reichtümerschenken".

Lautlose Stille fällt ins Tal — nur fern hört man die Herdenblöken, die Rosse wiehern.

Und Temudschin fährt fort: „Ich bin euer Herr. Nach dem BefehleBaybukas werde ich euch in die Welt führen. Sijurktani-Bigi, dieTochter des Erlauchten, wird eure Herrin sein. Ich bin Temudschin,der fahle Wolf."

Es tritt Baybuka hervor, er ist sehr alt und sehr gebrochen. Vorallem Volke legt er den Herrscherstab in die Hände des Fremdenund wirft sich vor ihm nieder.

Da geht ein einziger Aufschrei durch die Massen, Raserei ergreiftdie Männer. Das Tal erzittert von Heilrufen auf Temudschin, es istals sei in ihnen ein Damm gebrochen. Zehntausend Raubtiere sinderwacht.

Prunkvoll ist die Hochzeit mit Sijurktani-Bigi. Zahllos sind dieUnterhäuptlinge und Chane, die sich in die veränderten Verhältnissefügen. Mit vervielfachter Macht holt Temudschin nun zum Schlaggegen die aufrührerischen Tataren aus. Der Führer der Leibwache,Wasjatai, leitet den Feldzug. Nach langen Märschen durch Wüsten

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Mongolen beim Aufbau eines Lagers

und Gebirge — die nährenden Herden treiben neben den Heeres-säulen einher —, zieht sich die Entscheidung endlich auf einer Hoch-ebene am Olo-See zusammen.

Die aufständischen Tatarenhorden halten die Pässe und Schluchtenbesetzt und erwarten den Angriff. Wasjatais Scharen rücken vor,die Schlacht der wilden Reiter hebt an. Lanzen stoßen splitterndaufeinander, Rosse bäumen sich und kämpfen mit schmetterndenHufen, kleine, gelbe Gestalten stürzen tödlich getroffen aus denFellsätteln, Dolche und Schwerter klirren.

Aus uneinnehmbaren Felsennestern schicken die tatarischenBogenschützen Wolken von zischenden Pfeilen. Es ist unmöglich, diePässe zu nehmen. Entmutigt wogen Wasjatais Reiter zurück, vergeblichfeuern die jungen Söhne Temudschins — Oktai und Tschagatai —die Reiter zu neuem Angriff an.

Als nach einem Tag wütender Angriffe die Schlacht verlorenscheint und die Tataren zu Gegenangriffen übergehen, steigt eineMenschenwoge über dem westlichen Rand der Hochebene herauf,eine Flut von Reitern. Die Erde beginnt zu beben unter trommelndenHufen.

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Temudschin ist in Eilmärschen herangerückt und führt die Keraitin den Rücken des Feindes. Der ganze Westen ist von den anbrausen-den Horden überdeckt.

Als sich die Tataren umblicken, erkennen sie inmitten des heran-rückenden Feindes die Gestalt eines riesigen Reiters im wallendenPurpurkleid, der furchtbar, als käme er aus geöffnetem Höllentor,aus der blutrot sinkenden Sonne auf sie zureitet.

*Die Nacht fällt über das grausige Feld am Olo-See. Schauerlich

tönt in das Jaulen der Wölfe, der Sterbeschrei von Pferden undMenschen über die Hochebene. Tausende von Mongolen eilen überdie Matten, um Beute zu machen, irgendwo in den Bergen wiehernversprengte, herrenlose Rosse, die von den Wölfen gejagt werden.

Am Ufer des Sees, dort, wo Temudschin einst mit den Dämonengekämpft hat, lodern die Lagerfeuer der Sieger, aber schon rufendie Trommeln zu neuem Aufbruch.

Vom Felde am Olo-See führt Temudschin seine vereinigten Völkerins Lager Karakorum. Hier schenkt ihm Sijurktani-Bigi einen Sohn,den er Batu nennt. Nun kommen Botschaften und Huldigungen ausallen Teilen des Landes zwischen Altai und Kuen-lun. ChinesischeSeide, Gold, Edelsteine, Vasen, Waffen und kostbare Gewänderhäufen sich in den Zelten des Chans.

Nun, da es keine Feinde mehr gibt, sitzt Temudschin auf einemThron aus schwarzem Sardonyx, der mit Silberornamenten aus-gelegt ist, ein Baldachin aus gelber Seide spendet ihm Schatten.

Vor ihm tanzen Jünglinge in roten Mänteln den Reigen derblanken Dolche. Die dem Sitz des Großen Chans nahen, nennen ihnnicht mehr Temudschin, sondern .,Dschingis-Chan" —• den Herrnder Herren. Der Groß-Chan zählt 42 Jahre.

*Das Abendland, dort drüben, weit hinter den Horizonten, ist von

der ungeheuren Umwälzung in der fernöstlichen Steppe unberührtgeblieben. Barbarossa hat sein großes Heldenleben zu Ende gebracht,vor sechseinhalb Jahren ertrank er als Kreuzfahrer im klein-asiatischen Flusse Saleph. Heinrich VI., des Rotbarts Sohn, regiertdas Heilige Römische Reich Deutscher Nation.

Niemals ist das Reich größer gewesen, nie zuvor schienen dieHoffnungen der Christenheit auf Einheit und Ordnung näher derErfüllung als jetzt. Man zählt das Jahr 1197 nach der Mensch-werdung des Herrn.

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Von der Nord- und Ostsee bis zur Adria und zum Mittelmeernisten die Adler des Reiches auf den Türmen der Städte; durchHeinrichs Heirat mit Konstanze von Sizilien hat der junge Kaiserauch Süditalien, Sizilien und Teile Nordafrikas und Griechenlandsdem abendländischen Imperium gewonnen; günstig entwickeln sichdie Pläne des Kaisers hinsichtlich der spanischen Königreiche.Cypern, Rhodos, die Kreuzfahrerstaaten um Antiochien und inSyrien stehen unter kaiserlicher Hoheit; die Fürsten von Tripolis,Marokko und Armenien erkennen die deutsche Schutzherrschaft an.Seit Richard Löwenherz von England der Gefangene des Kaisersgewesen ist, fügen auch er und sein Inselreich sich der Lehenshoheitdes Reiches.

Der Kaiser ist gewiß, daß auch König Philipp August von Frank-reich über ein Kurzes von selber um die Schutzherrschaft bittenwird. Das neue, christlich-deutsche Abendland steht vor der Voll-endung — nur ein Schritt noch, und das antike Imperium Romsrings um das Mittelmeer ist wiederhergestellt.

Der sechsunddreißigjährige Kaiser, hochfliegend und kühn, aufder Höhe seiner Kraft und Macht, sammelt in Unteritalien undMessina Heer und Flotte zur größten aller Kreuzfahrten: auch derverlorengegangene Orient soll ins Abendland heimgeholt werden —-Schlußstein im Bau des Deutschen Imperiums.

Im August des Jahres 1197 jagt Kaiser Heinrich VI. im sumpfigenTal des Nisi am Ätnaberg; im September kehrt er nach Messinazurück und geht von da mitsamt dem Hofstaat nach Palermo.

Im Park des Märchenschlosses La Favara überdenkt er den nahenAufbruch von Heer und Flotte, das schmale, leidenschaftlich blasseGesicht rötet sich im Feuer der kühnen Pläne.

Während der Kaiser im sarazenischen Scherenstuhl träumt, habenMarkward von Annweiler und der grimmige Marschall Heinrichvon Kalden auf dem Rand der marmorgefaßten Quelle Platz genom-men; der arabische Gelehrte Edrisi lehnt in byzantinischer Kleidungan einer Doppelsäule.

„Es gibt keine Möglichkeit des Mißlingens", sagt der Kaiser un-vermittelt. „Engländer, Genuesen und Normannen stellen dieKriegsflotte; in Rcggio und Messina sammelt sich die Blüte derchristlichen Ritterschaft, der Osten ist uneins und schwach. Es wirdein kurzer Feldzug sein."

Die Herren von Annweiler und Kalden nicken zustimmend. Es

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gibt keine Macht, die jener des Kaisers gleich wäre. Nur Edrisilächelt ungläubig, und er spricht wie zu sich selber die Verse Omari Knajjams:

„Der Du so tief gegrübelt Tag und Nachtund über Welt und Leben nachgedacht,bedenke wohl, was dieses Schicksalsradbisher mit allen andern hat gemacht!"

Ärgerlich spielt der Kaiser mit dem Rubin an seinem Ringfinger;der Stein blitzt wie ein böses Auge.

„Was sollen diese dunklen Unkenrufe, Edrisi? Gibt es denn eineMöglichkeit, nicht zu gewinnen, nicht zu vollenden?"

Der Sarazene zuckt die Schultern.„Sind wir es denn, Herr, die das Schicksal bestimmen? Der weise

Ibn Ruschd sagt:,Da sitzest du am Rechenbrette deines Schicksals und glaubstdu spielst —• doch aus dem Ungeseh'nen greifen Hände —und spielen mi t . . . '

Es gibt keine Pläne, kaiserlicher Herr, die nicht nach ewigemKonzept gemacht werden."

„Gott", zürnt der Kaiser, „schüttelt zwar die Würfel dieser Welt.Aber wir haben sie beschwert — mit dem Blei der Macht. Das großeReich ist so gut wie vollendet."

„Ja", sagt Edrisi, „so gut wie vollendet".•

Als die Abenddämmerung dieses Tages den Garten des Wunder-schlosses La Favara streift, setzt eine schwirrende kleine Mücke ihrenStachel in die Schläfe des Kaisers, sie überträgt die Malaria.

Acht Tage später ist der sechsunddreißigjährige Herr des Abend-landes tot, sein Erbe ist ein kaum vierjähriger Knabe: Friedrich II.von Hohenstaufen.

Die eben geschaffene Einheit der Christenheit zerfällt. Italien ver-sinkt in seine alten Kämpfe, die deutschen Fürsten ziehen sich inihre Stammländer zurück. England, Kastilien, die orientalischenKönigreiche, Sizilien trennen sich vom Reich. Das gesammelte Heerläuft auseinander, die Flotten kehren heim.

Um diese Zeit beginnt fern am anderen Ende der Welt Dschingis-Chan seinen Zug in die Welt.

*Boten fliegen wie Kraniche über die Steppen Asiens, sie tragen

die Befehle des Groß-Chans. Heere sammeln sich und bedecken

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ameisengleich die Hänge der Gebirge, sie strömen in Täler undBecken, durchqueren Wüsten und Tundren. Entfernte Tataren-stämme, abgelegene Kirgisen und Samojeden, die Bergvölker Tibetsund die Reiter Turkestans huldigen dem Herrn der Herren inKarakorum.

Die Ratsversammlung aller Mongolenfürsten hat Dschingis-Chanfeierlich den zwölffachen Tuck als Zeichen der Oberherrschaft ver-liehen. Nun läßt er durch den schriftbewanderten Minister Yelü-Ch'u-tsai die Gesetze des Aszan und den Götzenkult der Uigurenverkünden. Im Gesetzbuch Aszan wird die rücksichtslose Führungdes kommenden Eroberungskrieges zur obersten Pflicht der Stämmegemacht.

Da steht geschrieben:»Ich verbiete jemals ohne meinen ausdrücklichen Befehlgegen die Bewohner eines Landes milde zu verfahren. Nurschwächliche Gemüter kennen das Mitleid, nur die Strengebändigt die Menschen. Ein nur besiegter Feind ist nie ge-zähmt und haßt immer seinen neuen Herrn . . ."

Ein anderer Satz, den der Groß-Chan seinen Unterführern ein-hämmert, sagt:

„Wichtiger ist es, daß vor den Heeren der Mongolen derSchrecken lähmend herwandle, als daß uns die fremdenVölker freiwillig entgegenkommen. Schrecken und Furchtbereiten den Weg des Eroberers, darum verbreitet Grauen."

Jahre wehen dahin wie Staubfahnen, die der Sturmwind aus derWüste emporwirbelt. Dschingis-Chan ist der Herr des Sturmes.

Wie vom Rande des ziehenden Sandsturmes noch Hunderte vonMeilen weit der Wüstenstaub sich über die Länder senkt, so fälltdie Furcht vor den Mongolen in die Reiche rings um das HerzAsiens. Gesandtschaften kommen und bieten Unterwerfung an.

So geschieht es, daß eines Tages eine Karawane mit rotenKamelen, geleitet von gelben Männern, im Lager Karakorum ein-trifft. Die Männer tragen blaue, grüne, violette, lindenfarbeneSeidenmäntel mit aufgestickten Schmetterlingen, Blumen und Fabel-tieren. Die kahlen, glänzenden Köpfe sind von Lackhüten und hohenMandarinenmützen bedeckt, an denen, je nach dem Rang, Kristalle,Korallen, Türkisen, Rubine oder Amethyste funkeln. Es ist dieGesandtschaft des Kaisers der Chinesen, der sich Sohn des Himmelsnennt und in der großen Stadt Dschung-tu — Peking — residiert.

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Die Mandarine breiten zu Füßen des Mongolen-Chans köstlicheGewänder und Teppiche aus, zart wie Gewölk an einem Frühlings-morgen und bunt wie die Berghänge des Tienschan im Herbst; siereichen ihm Schalen und Vasen aus hauchdünnem, bemaltem Por-zellan, zerbrechlich und schön wie Traume; sie bringen Geschmeide,Geräte, eingelegte Schwerter, duftende Räuchergefäße, sie führenzierliche Sklavinnen mit sich, zarte, kirschäugige Geschöpfe, diemit leisen Stimmen singen und sprechen und auf winzigen Füßentanzen.

Dschingis-Chan entläßt die Gesandtschaft und versichert denKaiser seiner freundschaftlichen Gefühle.

Im nächsten Frühjahr beginnt er die Heere zu sammeln, dennnun weiß er, was in China jenseits der sagenhaften Großen Maueran Reichtümern aufgehäuft ist. Er wird seinen Horden das Reichder Chinesen schenken.

China ist ein großes und altes Reich, weit wie ein Kontinentbreitet es sich von der Großen Mauer im Norden bis an dentropischen Golf der weißen Elefanten.

Als das Eis im Kaiserkanal aufbricht und die warmen Südwindeaus dem Tal des Gelben Flusses herüberstreichen, feiert man in denzahlreichen Palästen das Fest des beginnenden Frühlings. Die Haus-bewohnerschaft hat dreiundfünfzig Tage nach der Wintersonnen-wende gefastet, nun wird die gesteppte Winterbekleidung abgelegt,Männer und Frauen hüllen sich in weite, blumige Mäntel, dieOrchideentür öffnet sich zum Hausgarten, die „Dame des höchstenAnsehens" — Ältermutter jeder Familie —• erscheint, durch ehr-fürchtige Verbeugungen der Sippe begrüßt.

Um den plattenbelegten Hof, in dessen Mitte ein Lotosteich mitgeschweifter Brücke liegt, ziehen lackierte Säulen, Fenster aus ölge-tränktem Papier, zarte, bastgeflochtene Balustraden vor denniederen Wohnungen unter vergoldeten Dächern. Das chinesischeJahr ist in einen lebendigen Rhythmus eingespannt, Natur, Mensch,Pflanze und Tier sind sich eins vor den Altären der Götter. Andiesem Tage und in dieser Stunde treten in vieltausend mauer-umschlossenen Häusern des Riesenreichs die Älterväter an denHimmelsaltar und entzünden mit kostbarem Hohlspiegel das trok-kene Maisstroh, damit das Sonnenfeuer des neuen Jahres brenne.Und die „Damen des höchsten Ansehens" heben die gelblichen Jade-flaschen, in denen man den Tau der letzten Nächte gesammelt hat,

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sie besprengen damit die Saatkörner, die auf vergoldeten Tellernausgelegt sind.

Die Mädchen in resedafarbenen oder zinnoberroten Pluderhosenbeginnen die Trommel aus Affenfell zu schlagen: ein Schlag ruft dieWassergeister, zwei Schläge beschwören die Waldgeisler, drei lauteWirbel rufen die Geister der Meeresküste aus dem Schlaf; die Feld-geister nahen, wenn vier Läufe getrommelt werden, fünfmal mußman die Erdgeister mahnen, die Geister der milden Lüfte erscheinenbei sechs Wirbeln. Dann legen die Trommlerinnen eine feierlichePause ein: locken mit sieben aufeinanderfolgenden, sanften Wirbelndie Geister der Berge, in deren Händen das Wohl und Wehe derBauern liegt.

Diener haben die Büffel aus Pappe aufgestellt, die als symbolischeOpfergaben verbrannt werden sollen. Aus den Nachbar-Häuserndröhnen bereits die erzenen Gongs, die zum Umzug rufen. DerFrühling zieht in China ein, ein neues Jahr hat begonnen.

Doch der geheiligte Rhythmus dieses Lebens im strengen Rahmender Regel ist tief innen gestört. Parteien bekämpfen sich im ge-heimnisumwitterten Himmelspalast, Generäle streben ehrgeizig nachder Macht, Provinzgouverneure beuten die Bürger und Bauern aus,der Kaiser aber schwebt ferne im Gewölk seines Hofstaates. Essind Geheimbünde entstanden, die von Umsturz, Mord und Neuord-nung der Besitzverhältnisse träumen. Es geschehen Anschläge aufhohe Beamte, man mißachtet die Gebote der Majestät.

Als im Laufe des März die Befehlshaber der Großen Mauer inden Westbergen, nahe der Heimat der gelben Drachen, melden, essei Unruhe in den Gebirgen, mongolische Horden streiften bis unterdie Türme der Himmelsmauer und man müsse mit einem Angriffder Wilden aus Innerasien rechnen, sagen viele Unzufriedene:„Mögen sie kommen, es kann uns nicht übler ergehen! Sollen sieeinfallen, um unsere ungerechten Herren zu züchtigen!"

Die große, schützende Mauer ist durch die Nachlässigkeit derverantwortlichen Befehlshaber verfallen, in den weiten Tälern sindLücken entstanden. Dort tauchen nun niegesehene Massen vonmongolischen Reitern auf. In Pelze gehüllt, Hunger und Eissturmertragend, sind die Heere Dschingis-Chans noch in den Winter-monaten durch die Ebenen und Gebirge geflogen. Jetzt aber greifensie an.

Die Bogenschützen auf der Mauer versagen bei dem Anblick desanbrandenden Gewühls, sie versenden ihre Pfeile und laufendavon —, hinter ihnen schäumt das Mongolenheer in tausend Rinn-

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salen über die Mauer. Die Nordprovinzen Chinas liegen offen vorden mongolischen Massen; die Verteidigungsheere, die der Chinesen-kaiser nach den gefährdeten Provinzen beordert hat, kehren umund geraten in die Zange der Mongolenheere, die aus den Yak-bergen kommen.

Eine Woge des Schreckens läuft vor den Hufen der Mongolen her.Wo die Heere eines Wasjatai, Oktai oder Tschagatai vorübergezogensind, bleiben nur Totenfelder, verbrannte Dörfer und zertrampelteSaatfelder zurück.

Kein Damm hält die Flüchtenden, keine Macht rettet sie. Derferne Kaiser in seinem Himmelspalast ringt mit den Göttern;Priester verbrennen vergeblich ihre Räucherstäbe, umsonst glühendie Kohlenbecken in den Jadehallen vor goldenen Altären. Es bleibtnur noch ein letzter Ansturm aufs Herz der ewigen Mächte, nur eineinziges Opfer, das groß genug wäre, die beleidigten Götter zuversöhnen.

Angesichts des raschen Vordringens der Mongolen gegen Pekingentleibt sich Kaiser Tschong-hei und schickt seine kaiserliche Seelezum Bittgang ins Reich der grünen Drachen. Sein Bruder Utubuübernimmt die Regierung.

Nun brechen die Aufstände der Geheimbünde aus, die ehrgeizigenGenerale werfen sich zu Fürsten ihrer Provinzen auf. Kaiser Utubuflieht nach der südlichen Hauptstadt Nanking.

Vor Peking, der Stadt des Himmels, der mauerumgürteten, uner-stürmbaren Festung des Friedens, ballen sich die Erobererscharenaus der Gobi, Es heißt, daß Dschingis-Chan persönlich die Führungübernommen habe. Die Belagerung hebt an.

Schleudergeschütze werfen Steinlasten wider die wütenden An-greifer, von den hohen Tortürmen brodelt heißes Pech und sieden-des öl; wie Mückenschwärme ziehen Wolken von Pfeilen über denblaßgrünen Himmel, und ein einziger Schrei wälzt sich durch dieTage und Nächte.

Die Stadt liegt mit geschweiften Ziegeldächern und trotzig ge-lagerten Türmen im Strudel eines zahllosen Volkes, das sich selbst-mörderisch gegen die Bastionen wirft und die Gräben mit Leichenfüllt. Die Mongolen haben die Bauern und Bürger der halbenProvinz zusammengetrieben und jagen sie nun als Schild und Sturm-brücke zugleich in dichten Massen vor sich her gegen die MauernPekings.

Nach Monaten ist es so weit. Der Torbau im Süden birst donnerndauseinander, rotes Feuer loht auf, und über die fallende Bastion

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hinweg schwillt der unerhörte Schrei der Mongolen. Tubensignalelassen die Verteidiger aufhorchen, das Ende der Welt ist nahe.

Aus- Staub, Rauchschwaden und Feuer bricht plötzlich eine Reiter-schar in die innere Straße. Ein hoher Mann, flammenumzuckt,sprengt auf einem Rappen voraus. Hinter ihm — Reiter nebenReiter —• donnert spitzhelmig, gepanzert, lanzenstarrend die Leib-wache.

Dschingis-Chan reitet ohne Blick über flüchtende Kinder undWeiber, über Sterbende und Verwundete — es gibt keinen Wider-stand mehr, die Waffen sinken, der Kampf ist aus.

Die Mongolen sind die Herren von Peking.

Das Reich der Chinesen ergibt sich dem Unwiderstehlichen, derKaiser bezahlt Tribut, die reichen Städte sind der Willkür derSteppenleute preisgegeben. Dschingis-Chan ist nach Karakorumzurückgekehrt, den Rest der Eroberung läßt er seinen Feldherrn;er selber sammelt neue Heere und wendet sich nun dem Westen zu.

Dschingis-Chan unterwirft die tatarischen und türkischen Stämmebis zum Balchach-See in Sibirien, die unterworfenen Volker zwingter in seine Heere, um gemeinsam mit ihnen das mohammedanischeReich Turkestan anzufallen. Vergeblich bietet ihm Mohammed, derSultan von Turkestan, Tribut und Unterwerfung an, der Chan derWüste will keine Tribute, er will unter Brand und Zerstörung dievolle Gewalt. Während seine Unterfeldherren in Nord und OstStadt um Stadt überrennen, erscheint Dschingis-Chan vor demreichen und wunderbaren Karawanenplatz Buchara dicht vor derpersischen Grenze. Als die Bürger hören, der Groß-Chan persönlichstehe vor ihren Mauern, schicken sie eine Gesandtschaft und er-bitten gegen Hingabe aller Habe Leib und Leben. Er gewährt ihnenden Vertrag, und so öffnen sie die Tore.

Dschingis-Chan läßt die Stadt plündern, die Einwohner ermordenoder in die Sklaverei fortführen; dann bleibt die SchutthaldeBuchara hinter ihm. Der Groß-Chan befiehlt die Vereinigung allerHeere vor der turkestanischen Hauptstadt Samarkand, der goldenenStadt. Inmitten einer reichbewässerten, fruchtbaren Ebene, umgebenvon Grasflächen, liegt Samarkand auf einer beherrschenden Anhöhe.Über die schneeweißen Würfel der Häuser, die bunten Kuppeln derKirchen und die schlanken Blütenstengel der Minaretts geht derRuf des Muezzin, des Turmrufers:

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„Preis sei Gott, dem WeltenherrnDem Allerbarmer,Der da herrschet am Tage des Gerichts;Dir wollen wir dienen und dich wollen wir um Hilfe anflehen.Führe uns den geraden Weg,Den Weg derer, denen du gnädig bist,Und nicht den Pfad derer, denen du zürnst und nicht den Weg der

[Irrenden."Unter den Sonnensegeln, die sich über die Gassen spannen, lärmt

die Aufregung eines bedrohten Volkes. Die Goldschmiede, die kunst-reichen Lederarbeiter, die Tuchweber, Teppichhändler, Maultier-und Kameltreiber, die Kaufleute aus den Karawansereien drängensich unter den Torbögen, an den Brunnen, auf den Plätzen.

Man kennt das Schicksal aller Städte ringsum, als sich die Heereder Mongolen gegen Samarkand wälzen. Die Stadt zj|hlt mehr alsfünfhunderttausend Einwohner. Noch gibt es eine Hoffnung, SultanMohammed steht mit einem Heer in der Steppe hinter Buchara;wird er dem Zerstörer der Welt Einhalt gebieten können?

*Aber das Heer des Sultans wird vernichtend geschlagen, der Sultan

selbst entrinnt und flüchtet auf eine Insel im Kaspischen Meer, aufder er in Gram sein Leben endet. Nun sind die Massen des Dschingis-Chan frei, wie Wasserfluten die Stadt Samarkand zu umschließen.Ein Jahr lang leistet die verzweifelte Bevölkerung Widerstand,dann entschließt man sich zum Vertragsabschluß mit dem Eroberer.

Der rote Chan und seine Völker quellen unter dem Gequäk derFlöten und dem Gerassel der Schamanentrommeln in die leer-gefegten Straßen. Im Palast des Sultans nimmt Dschingis-ChanQuartier, die Mongolen schlagen ihre Lederzelte auf den Markt-plätzen und auf den offenen Straßen auf.

Ein paar Stunden ist es grabesstill, dann preschen Kuriere nachallen Seiten aus den Palasttoren. Der Groß-Chan hat die goldeneStadt und ihre Einwohner den Mongolen geschenkt, alles Leben istder Vernichtung anheimgegeben — einzig brauchbare Sklaven undkunstfertige Gaukler dürfen am Leben bleiben, um der Kurzweilder Soldaten zu dienen.

Für die gehetzten Einwohner der Stadt gibt es kein Versteck,wohin immer sie sich verkriechen. Wen die Mörder nicht finden, denerreichen die Flammen, die den Plünderern folgen. Samarkand wirdvom Erdboden vertilgt, die Steppe wächst über die Stelle, an deres gestanden hat. *

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Der Zug der Eroberer wendet sich weiter nach Westen. ImJahre 1224 erreichen die Horden des Dschingis-Chan Südrußlandund unterwerfen es bis zum Dnjepr. Persien fällt, Indiens Grenzensind erreicht.

Auf der Flucht vor den Mongolen wandern entwurzelte türkischeVölker, kriegerische Seldschuken, unter ihrem Sultan Soleiman insgebirgige Nordpersien aus und gründen den Kern des späterentürkischen Reiches, das dann viele Jahrhunderte lang den Westenerschüttern wird.

Der große Beweger der Welt, Dschingis-Chan, aber begibt sichzurück nach Karakorum. Er brütet in purpurner Jurte über neuenEroberungsplänen: nicht mehr viel Land ist auf der östlichen Erd-scheibe übrig, das ihm nicht Untertan wäre.

Seltsam: die Unrast des Herzens ist geblieben; seltsam, immernoch klingt die ferne Stimme in seinem Innern nach: „Der Vergäng-lichkeit Untertan sind alle Gewalten! . . ."

War es nicht Samsai, der Mönch in der Höhle am Tienschan, derdieses Wort in sein Herz gebrannt hat?

Dschingis-Chan wünscht den Mönch wiederzusehen. Mit geringemGefolge bricht er auf und findet den uralt gewordenen Samsai andem Ort, den der Jüngling Temudschin vor mehr als dreißig Jahrenverlassen hat.

Lächelnd, verklärt sitzt der Greis vor dem Felsen in steinernerEinsamkeit; die Lehre des Erhabenen Buddha hat ihn ganz nahe andie Pforten des Nichtmehrwünschens, des Nichtmehrbegehrens, desNichtmehrseins geführt. Er ist fast nur mehr Geist. Der gebeugte,verfallende Körper ist nur noch eine schwache Fessel des Lebens.

„Ich habe den Erdkreis erobert", spricht Dschingis-Chan. Ich bindie Geißel über den Völkern, aber ich habe das Glück der Erfüllungnicht gefunden . . ."

„Ich besitze es längst", antwortet der Mönch. „Wunderbar ist es,den Tönen der inneren Stille zu lauschen."

Eine unwillige Handbewegung des Groß-Chans läßt ihn schweigen.„Ich bin nicht gekommen, deine fromme Predigt zu hören,

Samsai! Sage mir, wo sind die Götter, damit ich mit ihnen kämpfe,nenne mir den Ort der Himmlischen, daß ich meine Macht mitihnen messe!"

„Macht, mein Temudschin, ist nur ein vergänglicher Rausch, derkommt und geht wie der Wind in den Bergen. Macht suchst du?Lerne dir selber zu gebieten: nicht einsam zu sein, nichts mehr zu

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begehren, nicht mehr krank, alt, unglücklich zu sein! Lerne Machtüber dich selbst gewinnen!*4

„Ichiiabe alle Völker überwunden, Mönch!"„Warum hast du es getan, Temudschin? Was hast du geändert?

Besser wäre es gewesen, das verzehrende Ich in dir zu bezwingenund weise zu werden."

Brüsk erhebt sich der Herr der Welt, ohne Abschied läßt er denAlten. Dschingis-Chau reitet ohne Gefolge zurück nach Karakorum.

Dort teilt er sein Weltreich: Oktai, sein ältester Sohn, wirdzu seinem Nachfolger bestimmt; Tschagatai, der zweite Sohn, sollvon der Dsungarei bis Persien herrschen; Batu, sein Enkel, wirdHerr über alle mongolischen Länder im Westen, Tuli, der Nach-geborene, soll China, Indien und Tibet regieren. Dschingis-Chanbereitet den Feldzug gegen die Länder am Rande des Chinesischenund Malaischen Meeres vor. Doch mitten in allem Planen befälltden Groß-Chan ein heftiges Fieber, in wenigen Tagen ist er tot.

Fünfzehn Jahre später brechen die Mongolen abermals zurWelteroberung auf. Groß-Chan Oktai hat aus Karakorum Botenan seine Brüder gesandt. Nun soll endlich ein Ende sein mit jenerkleinen Halbinsel am Riesenleibe Asiens, jener Halbinsel, die"Europa genannt wird.

Hunderttausend Pferdehufe durchjagen die Steppen, wanderndeVölker setzen sich gleich Lawinen in Bewegung und ergießen sichdurch Südrußland westwärts. Dschingis-Chans Enkel Batu führt denmittleren Stoßkeil, der über die unterworfenen, russischen Fürsten-tümer gegen Polen und Schlesien führt; Tschagatais Armee wälztsich vom Balkan her donauaufwärts, vernichtet das Heer der Ungarnbei Mohi und stürmt Budapest, der Feldherr Mukuli ist mit seinerHorde nordwärts eingebogen und reitet der Ostseeküste entlanggegen das deutsche Ordensland Preußen.

Der kleine Erdteil Europa liegt offen vor den Welteroberern.Kaiser und Papst, die führenden Mächte der Christenheit, liegenin grimmiger Fehde. Friedrich II. — Barbarossas Enkel, der SohnHeinrichs VI. — und Papst Gregor IX. ringen um die Vormacht;die deutschen und italischen Fürsten, die lombardischen Städte,die kleinen Königreiche am Rande des Reichs, nützen die Un-einigkeit der Großen, weigern die Gefolgschaft, rauben, trotzen,führen Kriege, machen Eroberungen. Das Chaos scheint entfesselt,niemand hat Augen für das nahende Unheil, gebannt starren die

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abendländischen Mächte auf die kleinen Vorteile, die ihnen zu-nächst liegen.

Am Hofe zu Palermo erscheinen Gesandte Tschagatais vorFriedrich II.: „Unser Chan will Gnade walten lassen, wenn dudich freiwillig mit deinem Reiche unterwirfst; er hat gehört, daßdu etwas von der Falkenjagd verstündest und bietet dir eine Stelleals Leibjäger an."

Der Kaiser — ohnmächtig in hundert Fehden verstrickt — er-läßt einen beschwörenden Aufruf an die Christenheit:

„Wenn das in den Waffen geübte Germanien, das antüchtigen Soldaten reiche Frankreich, das kriegerische undkühne Spanien, das über viele Kriegsschiffe verfügende Eng-land, das mit ungestümen Kämpfern gesegnete Schwaben,das seebeherrschende Dänemark, das ungezähmte Italien, dasdes Friedens ungewohnte Burgund, das ruhelose Apulien, unddie Inseln des griechischen, adriatischen und tyrrhenischenMeeres, das kampffrohe Irland und das leicht beweglicheWalliserland, das sumpfige Schottland und das eisige Nor-

Die Mongolen vor den Mauern von Liegnitz mit dem Haupt Herzog Heinrichs

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wegen ihre auserlesenen Mannschaften schicken, so werdenvor unserer Kreuzfahne die Heere der Dämonen zurück-schrecken."

Der Erfolg dieses dringenden Aufrufs ist kläglich. Das auf-gebotene Reichsheer tritt gar nicht zusammen, die auswärtigen,nicht unmittelbar bedrohten Mächte — Frankreich, Spanien undEngland — schicken weder Unterstützung, noch beenden sie ihreFehden.

Nur einige Ordensritter, französische Templer und deutscheHerren reiten dem zunächst angegriffenen Herzog Heinrich vonLiegnitz zu Hilfe. Im letzten Augenblick treffen auch Polen- undJohanniterritter ein. Das weite, reiche Abendland aber schweigt.

*

Am Morgen des 9. April 1241 bedeckt sich der Horizont auf derEbene von Liegnitz mit wimmelnden Reitern, die sich zu dichterKette zusammenschließen. Drachenbanner knattern zu Häupten derMassen.

Wenige tausend eisengepanzerte Ritter erwarten —- eine um-stürmte Klippe in brausender Flut — den Angriff. Herzog Heinrichhebt die Kreuzfahne in den Wind, da und dort klingen dünn imGetose des nahenden Mongolenheeres Psalmen und Choräle auf.Lanzen werden eingelegt, bleiche Knappen entblößen die Schwerter,ziehen die Rundschilde näher an sich.

Dann schlägt die Woge über der Vorhut des Abendlandes zu-sammen. *

Am Abend dieses 9. April lebt keiner aus dem christlichen Heere.Batu-Chan läßt nach mongolischer Sitte den Gefallenen die rechtenOhren abschneiden und sechs Säcke voll davon als Zeichen deserfochtenen Sieges nach Karakorum senden.

Nichts mehr steht zwischen Asien und Europa, die Tore sindoffen.

Aber das Abendland hat noch eine Aufgabe zu erfüllen im Planejenes Weltenlenkcrs, der die Geschicke der Völker bestimmt. Nochsind die Dome der Gotik nicht gebaut, noch haben Dante, Petrarca,Shakespeare, Goethe nicht gelebt, noch sind Bach, Beethoven undMozart nicht geboren, noch ist Columbus nicht westwärts gesegelt,hat Gutenberg nicht gewirkt, noch haben Stephcnson und Marconider Welt ihre großen Erfindungen nicht geschenkt.

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Die Vorsehung gebietet Halt. Sie hat viele Mittel, die Welt zubewegen: ein im Sandsturm verlorenes Kind wurde gefunden, eineMücke veränderte den Lauf der Geschichte — was bedeutet da-gegen alles Planen der Menschen?

*In dem schönen Reiterland, das sich zu Füßen des Tienschan

breitet, wühlt ein Wildkaninchen seine Gänge. Ein Gefolge vonReitern jagt durch die Ebene, Roßschweife wehen, seidene Mäntelflattern und spitze, edelsteinverzierte Mützen sind tief über Pferde-hälse gebeugt.

Groß-Chan Oktai liebt diese Jagd mit Lanzen hinter flüchtendenSteppenrehen. Sein Auge ist auf das todesgeängstete Wild gerichtet.

Da tritt sein Pferd in den unterwühlten Boden, sackt mit denVorderfesseln in den einbrechenden Wildbau, überschlägt sich.

Groß-Chan Oktai liegt tot unter der Last des Tieres.Die Boten, die solch unerhörte Kunde in die Welt tragen, er-

reichen fast gleichzeitig die Hauptquartiere Mukulis, Batus undTschagatais.

In allen Gehirnen flammt dieselbe Frage auf: Wer wird den ver-waisten Thron von Karakorum erben? Der wird es sein, der zuerstBesitz davon ergreift. Gongs dröhnen im Donautal, Knochenflötenpfeifen am Memelfluß, Trommeln rasseln auf dem Schlachtfeld vonLiegnitz. Die Eroberer werfen ihre Rosse herum und verschwindendurch die ungarischen Ebenen. Mit einem Male ist diese HalbinselEuropa unwichtig geworden, der Thron der Welt ruft.

Batu kehrt um, Tschagatai kehrt um, Mukuli kehrt um.Die Mongolen rasen wie ein Spuk nach Asien zurück, um das

Erbe des Dschingis-Chan zu nehmen.Nein, der Weg des Abendlandes ist nicht zu Ende . . .

Umschlaggestaltung: Karlheinz Dobsky

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