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Dirk Kropp / Christina Barandun Aikido Die friedfertige...

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Dirk Kropp / Christina Barandun Aikido Die friedfertige Kampfkunst zur Persönlichkeitsentfaltung
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Dirk Kropp / Christina BarandunAikido

Die friedfertige Kampfkunst zur Persönlichkeitsentfaltung

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Dirk Kropp / Christina Barandun

A I K I D O

Die friedfertige Kampfkunst zur Persönlichkeitsentfaltung

Kösel

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Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100Das für dieses Buch verwendete FSC-zertifi zierte Papier

Munken White liefert Arctic Paper Munkedals AB, Schweden.

Copyright © 2009 Kösel-Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Umschlag: Kaselow Design, MünchenUmschlagmotiv und Fotos im Innenteil: Wolfgang Winter-Peter, Köln /

© Dirk Kropp – Schule für Aikido, KölnKalligraphie auf Umschlag und S. 3: Shuya Yamamoto, Tokio

Druck und Bindung: GGP Media GmbH, PößneckPrinted in Germany

ISBN: 978-3-466-34524-3

www.koesel.de

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Den Übenden meines Dojos gewidmet

und

In herzlicher Verbundenheit und stillem Gedenken anPfarrer Edmund Lindelauf und Meister Kokichi Hatakeyama

Dirk Kropp

Meinen Eltern in tiefer Dankbarkeit gewidmet, die mir die Liebe zu Japan und Zeit zum Schreiben schenkten

Christina Barandun

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I N H A LT

Kampfkunst als Friedensweg .............................. 13

Bushido – Ritterethik für Friedenszeiten 14 • Morihei Ueshiba und die beiden Bedeutungen des Budo 15 • Aikido – die waffenlose Kunst 16 • Kisshomaru Ueshiba und die Morgen-klasse 17 • Moderner Weg für Erwachsene 18

Herzliche Einladung ............................................. 20

Teil 1 DIE INHALTE 23

Bewegungsmeditation .......................................... 26

Gespür für sich selbst ........................................................... 28

Der Körper – zum Bewegen geschaffen 28 • Gesunde Gymnastik 29 • Tiefensensibilität 30 • Faszinierende Feinmotorik 31 • Heilkraft des Atmens 33 • Bewusstes Bewegen in jedem Alter 35

Gute Körperhaltung .............................................................. 36

Schlicht und einfach 37 • Ideale Achse 37 • Aufrichten und entspannen 38 • Von den Füßen bis zum Kopf 39 • Sich ins Lot bringen 41

Konzentration ....................................................................... 42

Sich gegenseitig unterstützen 43 • Aufgaben für den Geist 44 • Gefühle und Befi ndlichkeiten wahrnehmen 46 • Launen überwinden 47 • Innere Ruhe 48

Bewegungsmeditation – D I E K E R N G E D A N K E N .................... 49

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Modelltechniken .................................................... 51

Technische Grundlagen ......................................................... 53

Tiefensensibilität: Schlüssel zur Technik 53 • Stabil und fl exibel 54 • Standsicher vor anderen Menschen 55 • Prinzipien am Modell studieren 56 • Kraftwandeln, dosieren, kombinieren 57 • Technisches Feingefühl 59 • Präzision und Sorgfalt 61

Ökonomische Bewegungen ................................................... 62

Natürliche Bewegungspersönlichkeit 62 • Schneller sein, ohne schneller zu werden 64 • Ausdauer steigern 65 • Von ungüns-tigen Handlungsmustern befreien 66 • Geheimnis der alten Meister 67

Selbstsicherheit ................................................................... 68

Einfl uss der Psyche 68 • Eigenständigkeit 70 • Wertfreie Wahrnehmung 72 • Erkennende Einfühlung 75 • Das rechte Maß 77 • Verstand und Klugheit 79 • Kunst der Begegnung 81

Modelltechniken – D I E K E R N G E D A N K E N .............................. 82

Partnerin und Partner sein ................................ 84

Die andere Seite der Technik ................................................. 86

Eröffnungsphase 86 • Widerstand und Körperspannung 88 • Technik am eigenen Leib erfahren 89 • Angreifen: Mit Rücksicht und Maß 90 • Fundgrube an Erfahrungen 92

Gekonnt fallen ..................................................................... 93

Geschmeidigkeit, Koordination, Muskelaufbau 94 • Schutz für den Alltag 95 • Eine Lebensversicherung im Alter 96 • Aufstehen lernen 97 • Natürliches Fitnesstraining 98

Bescheidenheit .................................................................... 98

Respekt, Offenheit, Lernfreude 99 • Hinderlicher Hochmut 100 • Wohltuende Bescheidenheit 101 • Wertschätzung 102 • Zurück-haltung üben – Respekt leben 103 • Von anderen Menschen lernen 105 • Demut 107 • Mitmenschlichkeit 108

Partnerin und Partner sein – D I E K E R N G E D A N K E N ................ 108

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Freies Üben .............................................................. 111

Schritte zur Handlungsfreiheit................................................ 112

1. Schritt: Angriffe frühzeitig erkennen 113 • 2. Schritt: Aufneh-men und umlenken 115 • 3. Schritt: Einen guten Abschluss fi nden 116 • Sprache der Hände 117 • Konzentration auf das Wesentliche 118 • Verantwortung 119 • Nicht gegeneinander kämpfen – miteinander auskommen 120

Willensstärke ........................................................................ 121

Wenn Stimmungen regieren 122 • Gesinnungsübung 122 • Sich in schwierigen Zeiten erproben 123 • Den Willen trainieren 124 • Zuverlässig sein 125 • Souveräne Stärke ohne Ellbogen 126

Gelassenheit ........................................................................ 126

Durch Stress den Kopf verlieren 127 • Stressschwelle verschie-ben 128 • Vertraute Hilfsmittel 129 • Sich von äußeren Einfl üssen lösen 131 • Beruhigend wirken 132 • Intuitive Wegweiser 133 • Freiheit und Unabhängigkeit 134

Freies Üben – D I E K E R N G E D A N K E N ...................................... 135

Teil 2 DIE METHODE 137

Ganzheitlich üben .................................................. 140

Der persönlichkeitsbildende Weg .......................................... 141

Zen und die Samurai 142 • Vom Wesen der Wege 143 • Kampf-kunst als Weg 143 • Keiko – Nachsinnen über sich selbst 144 • Kleine Klausurzeit 145

Japanische Lehrmethode ....................................................... 146

Ohne Wettkampf 147 • Sensei – den Weg vorleben 147 • Unge-störtes Üben 149 • Schützende Stimmung 150 • Alte Lehr-methode für modernes Leben 150

Individueller Übungsweg ....................................................... 151

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Persönlicher Lernrhythmus 152 • Mit Erfahrenen und weniger Erfahrenen üben 153 • Eigene Themen wählen 154 • Schwierige Phasen überwinden 155 • Wesentliche Entscheidungen treffen 156

Ganzheitlich üben – D I E K E R N G E D A N K E N .......................... 157

Gemeinsam üben ..................................................... 159

Ritualisierte Übungsform ...................................................... 160

Sammlung im hektischen Alltag 161 • Geschützter Weg nach innen 162 • Gehaltvoll verdichtet 163 • Zeitlich fl exibel 166 • Vielfalt der Gruppe 167 • Ungleichheit als Chance 168 • Ver-körperte Vision 169

Höfl ichkeit ............................................................................ 170

Traditionelles Anliegen in den Kampfkünsten 171 • Kraft der Höfl ichkeit 172 • Ehrende Verbeugung 172 • Angemessene Distanz wahren 174 • Gemeinschaft pfl egen 175 • Fremdem gelassen begegnen 176 • Mit Freude üben 176 • Entwaffnende Höfl ichkeit 177

Meditation in der Begegnung ................................................. 178

Meditative Stimmung schaffen 178 • Aufmerksamkeit neu ausrichten 180 • Vertrauen in eine alte Übungsform 180 • Einfach und natürlich 181 • Feine Unterschiede im scheinbar Gleichen 182 • Ganzheit erkennen 183 • Stabilität im Wandel der Zeit 184 • Meditation als Weg zu sich selbst 185

Gemeinsam üben – D I E K E R N G E D A N K E N ............................ 186

Langsamkeit ............................................................ 188

Einfacher Einstieg ................................................................. 189

Breiter Raum für Inhalte 190 • Von Grund auf sorgfältig lernen 190 • Gemeinsamer Takt 192 • Entschleunigen üben, Ruhe erfahren 192 • Ein beruhigender Selbstschutz 193

Achtsamkeit ......................................................................... 194

Sich meditierend einstimmen 194 • Kurze Momente des Innehaltens 195 • Zeit dehnen, Blick schärfen 196 • Geistes-gegenwart 197

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Nachhaltige Entwicklung ........................................................ 198

Unter der Lupe der Langsamkeit 199 • Persönlichkeitsbildende Werkstatt 199 • Die knappe Zeit intensiv nutzen 201 • Rhythmus für eine persönliche Entwicklung 201

Langsamkeit – D I E K E R N G E D A N K E N .................................. 202

Stille ......................................................................... 204

Dojo – Ort des Weges ............................................................ 205

Luxus der Leere 206 • Freude an einfachen Dingen 208 • Zeitlos 210 • Bewusste Pfl ege 210 • Persönlicher Kraftort 211

Einheitliche Kleidung ............................................................ 212

Der Gründer und das Hakama 212 • Prüfung und Statussymbol 213 • Weiße Anzüge, weiße Gürtel 215 • Ein Auge für das Wesentliche entwickeln 216 • Gemeinsamen Raum schaffen 217

Verbindendes Schweigen ...................................................... 218

Ungewöhnlich still, wohltuend ruhig 218 • Sich Gehör schenken 220 • Sprache der Ausstrahlung 221 • Schweigend die Sinne öffnen 222

Stille – D I E K E R N G E D A N K E N ............................................... 223

SCHLUSSGEDANKEN 225

Persönliche Stärke für den Alltag ................... 226

Körperliche Gesundheit, seelisches Wohlgefühl 227 • Die harmonisierende Kraft des rechten Maßes 228 • Nach dem eigenen Herzen leben 230

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ANHANG 231

Dank .......................................................................... 232

Verwendete Literatur ............................................ 234

Über die Autoren ................................................... 236

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Kampfkunst als Friedensweg

Aikido ist eine gewaltlose Kampfkunst und zählt in Japan zu den persönlichkeitsbildenden Wegen. Dieses Buch möchte zeigen, wa-rum eine Kampfkunst gewaltlos sein kann, wie sie zu einem persön-lichkeitsbildenden Weg wird und wie sie auch für uns im Westen einen praktischen, täglichen Nutzen bekommen kann. Im Westen werden die asiatischen Kampfkünste meist durchweg als mehr oder weniger schlagkräftige Sportarten verstanden und entsprechend dem westlichen Ringen, Fechten und Boxen sportlich und betont körperlich trainiert mit dem Ziel, wirkungsvoll gegen andere Men-schen kämpfen zu lernen, Wettkämpfe zu gewinnen oder sich we-nigstens in der eigenen körperlichen Leistung zu steigern.

Als Kampfkunst fördert Aikido durchaus sportliche Aspekte wie die körperliche Kondition, Beweglichkeit und eine gesunde Fitness. Doch ebenso sollen Handlungsfähigkeit, Geisteskraft und Gerad-linigkeit gestärkt werden, um sich auch in denjenigen Fällen klar

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14 Kampfkunst als Friedensweg

und deutlich schützen zu können, in denen man angegriffen wird oder sich angegriffen fühlt. Auffallend unter den Kampfkünsten ist jedoch, dass sich Aikido bei aller Stärke vollkommen der Gewalt-losigkeit verschreibt. Durch Aikido soll eine Schutzfähigkeit geschaf-fen werden, die ohne Gegenangriffe auskommt. Es ist eine reine Selbstverteidigung, bei der selbst die Verteidigung gewaltlos bleibt. Im Idealfall möchte Aikido die harmonisierende Fähigkeit ausbilden, derart gesund, selbstsicher und einfühlsam mit sich und mit anderen umgehen zu können, dass Angriffe von vornherein ausbleiben und eine Verteidigung überfl üssig wird. Dank der visionären Leistung des Aikido-Gründers Morihei Ueshiba und der pädagogischen Arbeit sei-nes Sohnes Kisshomaru Ueshiba haben wir heute mit Aikido eine Kampfkunst, die nicht das Kämpfen lehrt, sondern eine kluge, weit-blickende und verantwortungsbewusste Friedensfähigkeit.

Bushido – Ritterethik für FriedenszeitenUm die Entstehung einer Friedenskunst leichter zu begreifen und das große Potenzial des Aikido für uns heute abschätzen zu können, lohnt sich ein Blick in die japanische Geschichte und in die Ent-wicklung des Aikido. Dass Friedfertigkeit als Gedanke überhaupt mit dem Kriegerwesen und den Kampfkünsten verbunden wurde, war in Japan nicht ungewöhnlich, sondern ist in der japanischen Kriegertradition und ihren besonderen gesellschaftlichen Entwick-lungen begründet. Vor der Öffnung hin zur Moderne im 19. Jahr-hundert befand sich Japan in einer nach außen hin abgeschotteten, 250 Jahre währenden Friedensepoche. In dieser Zeit hatten die Sa-murai die paradoxe Aufgabe, sich als herrschende Kriegerklasse um die Verwaltung und Wahrung des Friedens zu kümmern. Um dieser Aufgabe gewachsen zu sein, mussten die vormals rauen Krieger zu zivilen Rittern gebildet werden.

Unter dem Einfl uss der konfuzianischen Sozialethik verfassten führende Köpfe philosophische Kampfkunstschriften, um den Sa-murai einen Ehrenkodex zu vermitteln, den sogenannten Bushido. Dieser »Weg des Kriegers« sollte neben der kämpferischen Stärke, dem Todesmut und dem kriegerischen Stolz auch die ritterlichen Tugenden der Mitmenschlichkeit und Loyalität, Verantwortung und Sorge für andere fördern. Bushido forderte von den Kriegern, sich

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sowohl vorbildlich in den Kampfestugenden für den Fall eines Krieges zu üben als auch die sozialen Fähigkeiten für die herr-schende Friedenszeit auszubilden. Unabhängig von den Kampfküns-ten, die reine Techniken für die Kriegerpraxis waren, war Bushido eine Geisteshaltung, eine Verhaltensethik und eine Lebensphiloso-phie der Samurai, durch die sie sich besonders in der Friedenszeit edel und gerecht verhalten sollten. Die hehre Ethik des Bushido wollte ein Weg sein, die Krieger mit dem Friedensdasein zu versöh-nen und ethisches Verhalten zu einer Stärke aufzuwerten.

Morihei Ueshiba und die beiden Bedeutungen des BudoDie Entstehung des Aikido als friedfertige Kampfkunst ist der Wil-lensstärke, der hohen Spiritualität und dem tiefen Friedenswunsch eines erfahrenen Kampfkunstmeisters zu verdanken, Morihei Ueshi-ba (1883–1969). Ueshiba wurde in eine Zeit hineingeboren, in der Bushido zu nationalistischen Zwecken wieder belebt und betont mi-litärisch ausgelegt wurde. Zwanzig Jahre zuvor hatte sich Japan dem Westen geöffnet und geriet in eine turbulente Umbruchszeit. Mitt-lerweile war Japan dabei, sich vom überwältigenden Einfl uss des Westens zu lösen, ein eigenes Nationalbewusstsein zu entwickeln, die neu gewonnene militärische Stärke nach außen hin zu beweisen und sich als asiatische Großmacht zu etablieren.

Um das eigene Nationalgefühl für diese kriegsorientierte Zeit zu stärken, lag es nahe, die alten japanischen Kriegerwerte wieder auf-leben zu lassen. Der frühere Kampfgeist der Samurai wurde herauf-beschworen und verherrlicht. Die fast vergessenen, traditionellen Kampfkünste wurden wieder entdeckt, aufgewertet, modernisiert und nun – in Anlehnung an Bushido – unter dem neuen offi ziellen Oberbegriff »Budo« zusammengefasst, der auch heute noch gerne als Sammelbegriff für die japanischen Kampfkünste verwendet wird. Bis zum Zweiten Weltkrieg dienten die militärisch ideologisierten Budo-Künste der körperlichen und moralischen Aufrüstung des Volkes. Auch Ueshiba war zunächst von der kriegerischen Seite der Kampfkünste fasziniert. Er galt als ausgezeichneter Kämpfer, be-herrschte neben verschiedenen Schwert- und Lanzentechniken auch diverse waffenlose Jujutsu-Stile und übte sich eine Zeit lang in dem damals neu entstandenen Judo. Er diente mehrere Jahre als Soldat,

Kampfkunst als Friedensweg 15

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16 Kampfkunst als Friedensweg

war an der Front im russisch-japanischen Krieg und wurde später besonders in Militärkreisen ein zunehmend berühmter und begehr-ter Kampfkunstlehrer.

Umso bemerkenswerter ist es, dass sich in der Mitte seines Le-bens ein Wandel vollzog und Budo für ihn eine friedliche Bedeutung bekam. Eine Phase innerer Einkehr, ausgiebige Meditationen, die er sein gesamtes weiteres Leben lang pfl egen sollte, ein intensives Stu-dium religiöser Schriften und die fruchtbare Auseinandersetzung mit dem Führer einer spirituellen Bewegung ließen ihn nach und nach zu der Überzeugung gelangen, dass er sein Leben nicht mehr dem Kampf, sondern aktiv dem Frieden und der Harmonie unter den Menschen widmen wollte. Dabei wandte er sich nicht von den Kampfkünsten ab, sondern suchte einen Weg, die körperliche Ge-wandtheit, die Geisteskraft und Charakterstärke, die man in den Kampfkünsten erlernen kann, durch und durch friedlich einzuset-zen. Als Leitfaden für diese Suche diente »Budo«, das er nun sozu-sagen wörtlich nahm und entsprechend friedfertig interpretierte.

Budo besteht aus zwei japanischen Schriftzeichen: »Do« als Zei-chen für den Weg und »Bu« als Zeichen für die Militärkünste. Ge-nauer betrachtet setzt sich jedoch das Zeichen »Bu« aus zwei Teil-zeichen zusammen, die für »Waffen« und »anhalten« stehen. Meint man mit Waffen nicht nur die Waffen der anderen, sondern auch die eigenen, wird Budo zu einem Weg, den Waffen der anderen Einhalt zu gebieten, ohne die eigenen einzusetzen – eine praktische Anlei-tung zu einem friedlichen Handeln. In dieser ethischen Vision war Budo für den Gründer des Aikido auch die treibende Kraft auf sei-ner lebenslangen Suche nach einer friedfertigen Kampfkunst.

Aikido – die waffenlose KunstDer besondere Ansatz Ueshibas lag in der Suche nach einer Form, die nicht nur philosophisch friedfertig war, sondern auch in der technischen Ausführung gewaltlos sein konnte. Er war nicht der einzige Kampfkunstmeister, der in den Kampfkünsten Wege zu ei-ner friedlichen, spirituellen Charakterbildung sah. In der Kampf-kunstpraxis zeigte sich jedoch häufi g der kaum zu überwindende Widerspruch zwischen den harten Kampftechniken und dem philo-sophischen Anspruch, das Wohl anderer Menschen zu achten und

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zu schützen. Daher suchte Ueshiba nach einer praktischen Übungs-form, die nicht das Kämpfen und Töten trainiert, sondern die in ihrer Form bereits gewaltlos ist und in der man sich auch technisch in Friedfertigkeit üben kann. Bei dieser Suche lag es nahe, auf Tech-niken mit Waffen zu verzichten und sich ausschließlich auf Hand-techniken zu konzentrieren.

Der Einsatz von Waffen – auch wenn es die Beine und Füße sind – kann nur schwer friedfertig wirken. Auch Hände können natür-lich zu Waffen werden, doch bei ihnen hat man es regelrecht in der Hand, sie auch gewaltlos einzusetzen. Entsprechende Griff-, Hebel- und Haltetechniken lassen sich derart fl exibel und feindosiert an-wenden, dass man sie mit ein wenig Geschick ohne Verletzungen bei sich oder anderen ausführen kann. Mit einer solch technisch friedfertigen Form vor Augen fi lterte Ueshiba aus den vielen waffen-losen Techniken, die er kannte, die defensivsten heraus. Er ent-schärfte sie und zeigte in zahllosen Variationen immer wieder neue, brillante Lösungen, wie man ohne Schläge und Würgegriffe mit An-griffen umgehen und sie derart klug umlenken kann, dass die Hand-habung nicht unangenehm wirkt. Durch diesen eleganten Kunstgriff gelang es Ueshiba, die friedfertige Vision in die Techniken hineinzu-tragen und es in der Tat zu ermöglichen, die stärkenden Qualitäten einer Kampfkunst mit Gewaltlosigkeit zu verbinden.

Kisshomaru Ueshiba und die MorgenklasseWährend Ueshiba als erfahrener technischer Virtuose Aikido in zahllosen freien Variationen ausführte und als friedfertiges Prinzip vorlebte, ist es seinem Sohn und Nachfolger Kisshomaru Ueshiba (1921–1999) zu verdanken, dass Aikido eine feste Form bekam und eine nachvollziehbare Übungsmethode wurde. Er war die struktu-rierende, pädagogische Kraft hinter seinem Vater. Als lebendiges Beispiel seiner Arbeit diente seine Morgenklasse: Jeden Morgen gab Kisshomaru Ueshiba im Honbu-Dojo in Tokio, im Hauptsitz-Dojo des größten japanischen Aikido-Verbandes, eine Übungsstunde, die er von den 1950er-Jahren an bis zu seinem Tod leitete. Ganz im wörtlichen Sinne des »Dojo« als »Ort des Weges« ließ er sich dabei von einer alten, meditativen Übungsweise aus den traditionellen Zen-Wegen inspirieren, die auf dem strengen Wiederholen rituali-

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sierter Formen beruhte und bereits in anderen spirituellen Kampf-kunstformen erfolgreich angewendet wurde. Dieser Schritt lag si-cherlich auch deswegen nahe, da er den Wert der Meditation, spiritueller Übungen und geistiger Reinigungsrituale für seinen Va-ter kannte.

Mit großem Bedacht legte er aus den vielen technischen Varia-tionen, die sein Vater hinterlassen hat, zwei Handvoll einfacher, ge-haltvoller Kerntechniken fest, die auf natürlichen Bewegungen be-ruhten. Diese Übungen konnten nicht nur von den unterschiedlichsten Menschen körperlich ausgeführt werden, mit ihnen konnte man auch gesund älter werden – wie viele der japanischen Übenden deutlich bewiesen, die über dreißig oder vierzig Jahre lang an der Morgenklasse teilnahmen. Der Reiz des Aikido sollte darin liegen, in einer vielfältigen Gruppe unterschiedlichster junger, älterer und sehr alter Frauen und Männer zu üben, voneinander zu lernen und menschlich aneinander zu wachsen. So unscheinbar und schlicht die Morgenklasse auch wirkte; sie war die stille, herzliche Einladung Kisshomaru Ueshibas, eine lange, fast lebenslange Zeit gemeinsam miteinander zu üben und Aikido – ganz im Sinne des Gründers – zu einer Übung der Harmonie unter den Menschen zu machen.

Moderner Weg für ErwachseneMit seiner Morgenklasse hat Kisshomaru Ueshiba einen sinnvollen Übungsweg für eine Kampfkunst in unserem modernen zivilen Le-ben vorgezeichnet. Einen Weg, den heute der Familientradition fol-gend sein Sohn und Nachfolger Moriteru Ueshiba weitergeht. Die Herausforderung an eine Kampfkunst heute liegt darin, dass die Übenden nicht mehr Krieger sind oder werden wollen und wir in einem dem Frieden verpfl ichteten Alltag leben. Es fehlt nicht nur die Zeit, sich wie der Gründer des Aikido täglich über Stunden dem Kampfkunsttraining und den meditativen Übungen zu widmen. Auch inhaltlich geht es den Übenden selten um eine professionelle Kampfausbildung. Das Interesse an einer Kampfkunst liegt darin, sich körperlich regelmäßig zu ertüchtigen, sich notfalls körperlich wehren zu können, Selbstsicherheit im Kontakt zu anderen Men-schen zu entwickeln, sich geistig und charakterlich zu stärken und der eigenen Spiritualität Raum zu geben. Mit der ritualisierten Form

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aus wenigen, einfachen und gewaltlos ausführbaren Techniken und der meditativen Methode gelang es Kisshomaru Ueshiba, einen übersichtlichen, für heutige Bedürfnisse ansprechenden Weg zu schaffen, den moderne Übende auch wenige Stunden in der Woche neben Familie und Beruf mit großem Gewinn ausüben können.

Dank seiner tiefen Bescheidenheit, seiner harten Arbeit, seinem Weitblick und seinem Traditionsbewusstsein konnte er das Werk seines Vaters in die Moderne führen und an einem anspruchsvollen, feinsinnigen Beispiel beweisen, wie eine friedfertige Kampfkunst aussehen und wie sie geübt werden kann. Die Morgenklasse ist sein gelebtes Vermächtnis, das Kisshomaru Ueshiba im wahrsten Sinne zu einem »Doshu« macht – zu einem Meister des Weges.

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Herzliche Einladung

Von der Morgenklasse inspiriert, möchte dieses Buch Lust auf eine friedfertige Kampfkunst machen, als einen bereichernden Weg fort-währender Persönlichkeitsentfaltung. In unserer kontaktreichen Gesellschaft wird es für ein gesundes, zufriedenes Leben immer wichtiger, sich nicht nur sachlich zu schulen, sondern sich auch menschlich zu stärken. Für die eigene körperliche und seelische Ge-sundheit, für die Zufriedenheit im Leben und letztlich auch für den berufl ichen Erfolg ist es entscheidend, nicht nur über fachliche Fer-tigkeiten, einen sachlichen Verstand oder einen wissenschaftlichen Geist zu verfügen. Ebenso sind die menschlichen Fähigkeiten nötig, gesund mit sich sowie offen und selbstsicher mit anderen Menschen umzugehen, bei den vielen kleineren und größeren Schwierigkeiten körperlich und innerlich entspannt und gelassen zu bleiben, eine Situation ruhig und souverän in die Hand zu nehmen und mit warmherzigem Mitgefühl handeln zu können. Unabhängig von Bil-dung, Schicht oder Geschlecht kann es eine große Bereicherung für den Alltag, für die eigene Lebensqualität und besonders für die eige-ne Seelenruhe sein, gezielt an einer Stärke und Mitmenschlichkeit zu arbeiten, die nicht den Kampf sucht, sondern auch in weniger harmonischen Begegnungen durch Klarheit beruhigend wirkt oder sogar gezielt wieder für Harmonie sorgen kann.

Dieses Buch ist aus dem Wunsch heraus entstanden, die Essenz aus über dreißig Jahren intensiver täglicher Erfahrung im Üben und Lehren des Aikido weiterzugeben. Es werden dabei nicht die Aiki-do-Techniken selbst vorgestellt. Wir möchten stattdessen ausführ-lich und in Ruhe die Inhalte und die Methode darstellen, wie sich diese alten Kampftechniken in eine moderne, persönlichkeitsbil-dende Friedensübung für Erwachsene verwandeln lassen – lebens-begleitend und lebensbereichernd bis ins hohe Alter. Da die einzel-nen Kapitel in sich geschlossen sind, ist man beim Lesen nicht auf die vorgegebene Reihenfolge angewiesen. Auf diese Weise möchten wir jede Leserin und jeden Leser dazu einladen, sich selbst einen Weg durch das Buch zu bahnen und im individuellen Rhythmus

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und in der eigenen Reihenfolge in die ganzheitlichen Zusammen-hänge des Aikido einzusteigen.

Wir hoffen, dass dieses Buch hilfreiche Schlüssel und nützliche Anregungen bietet, Altes und Bekanntes auffrischt und möglicher-weise in neue Zusammenhänge stellt, zu Entdeckungen ermuntert, neue Ideen und Gedanken für das eigene Üben und Leben aufzeigt, die Freude an der persönlichen Entwicklung fördert und insbeson-dere Lust auf ein ganzheitliches Friedenshandwerk macht.

Dirk Kropp, Christina BarandunKöln, im Frühjahr 2009

Herzliche Einladung 21

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»Im Seelengrund ruht aller Streit.«Franz von Sales, 1567–1622

Teil 1

D I E I N H A LT E

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UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Dirk Kropp, Christina Barandun

Aikido - Die friedfertige Kampfkunst zurPersönlichkeitsentfaltung

Gebundenes Buch, Broschur, 240 Seiten, 14,5 x 21,5 cm10 s/w AbbildungenISBN: 978-3-466-34524-3

Kösel

Erscheinungstermin: März 2009

Mit Aikido zu Gelassenheit, Stärke und Harmonie finden Dieses Buch lädt dazu ein, die gewaltlose japanische Kampfkunst Aikido als Weg zurPersönlichkeitsbildung kennenzulernen, und macht mit ihrer Philosophie vertraut. Es zeigt auch,wie sich die Prinzipien einer Kampfkunst in eine moderne, wertvolle Friedensübung verwandelnlassen, die jeder in seinem Alltag praktizieren kann, und gibt spirituelle Impulse.


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