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Die Zukunft im SPNV bleibt rot - bahn-report.de BAHN-REPORT 5/10 Seite 7 BAHN Markt Auch in Zukunft...

Date post: 15-Sep-2019
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BAHN-REPORT 5/10 Seite 6 BAHN Markt 1. Konzernverbund und schwacher Eigentümer Bund – und noch schwäche- re SPNV-Aufgabenträger Die Aufgabenträger haben bundesweit faktisch keinen Einfluss auf die Konzeption und den Aus- bau der bundeseigenen Schienen- und Stations- infrastruktur. Sie verteilen zwar die Regionalisierungsmittel des Bundes, geben aber mit der dynamisierten Erstat- tung der Trassen- und Stationsgebühren, ferner auch den Energiedurchleitungskosten für die EVU über die „Hintertür“ mehr als 50 % davon an die zuständigen Infrastrukturgesellschaften des DB- Konzerns zurück. Die DB AG kann also nach Belieben diese Mittel auch als interne Subvention an die DB Regio oder DB Schenker geben. Das Fehlen rechtlicher und finanzieller Durchgriffe der Aufgabenträger auf die DB Netz AG, DB Station und Service AG oder auch DB Energie GmbH zeigt sich dann, wenn in Ausschreibungsunter- lagen sehr vage und unverbindliche Zustands- beschreibungen der Strecken und Bahnhöfe dar- gelegt werden, auf deren wackeliger Basis seriös planende private EVU dann einklagbare Verpflich- tungen für die nächsten 10 bis 15 Jahre eingehen sollen. Formal hat der Mitbewerber DB Regio na- türlich auch damit zu kämpfen, wohlgemerkt for- mal. Es ist schon sehr vermessen, den EVU bis auf die Minute und den Sitzplatz genaue Vorgaben zu Zü- gen zu machen, auf die wahrscheinlich die DB- Infrastrukturtöchter mehr oder weniger Einfluss genommen haben (so sorgt ja bekanntermaßen das Thema Bahnsteiglänge und damit nutzbare Fahrzeuge immer für viel „Abstimmungsfreude“ im Vorfeld), und dann fast kleinlaut in laufenden Verfahren zugeben zu müssen, dass es keine gesicherte Trassenzuweisung geben wird. So wäre es z. B. im Wettbewerbsverfahren „Werdenfels- netz“ oder beim Stadtbahnnetz Berlin ganz legal gewesen, wenn z. B. die DB Fernverkehr mit ICE- Trassen das komplette Takt- und Trassengefüge und damit auch Umläufe auf den durchaus stark belasteten Strecken zerstört hätte. Natürlich gibt es immer wolkige Zusagen des Bestellers, hier im Fall des Falles zu helfen, aber jeder Marktbeteiligte weiß, was es heißt, wenn „Die Bahn“ mit den wei- ßen Zügen winkt. Solche Risiken kann DB Regio „im Konzernverbund“ besser kalkulieren. Ein Aufgabenträger macht in den Ausschreibun- gen auch keine verbindlichen Zusagen zum Zu- stand der Signaltechnik, ob und wo z. B. ein Zug- deckungssignal zum Stärken/Schwächen vorhan- den ist. Die DB AG-Tochter DB Netz muss in die- sen Fällen einzeln um Stellungnahme angefragt werden und gibt letztlich auch keine verbindliche Aussage. Für die bisher nie genutzten Zugde- ckungssignale im Berliner Hauptbahnhof (tief) gab es wohl einen Bedarf der DB (Fernverkehr) AG, also wurden sie gebaut. Für durchaus der Wirt- schaftlichkeit und Betriebsabwicklung förderliche Zugdeckungssignale in Oldenburg (Oldb) hinge- gen gibt es schon seit zehn Jahren kein Geld. Privatbahnen wissen also, auf was sie sich einzu- lassen haben. Quasi als „Kür“ sind in noch laufenden Ausschrei- bungen in Bayern Forderungen zur Ausrüstung der Fahrzeuge mit ETCS einzuhalten, die so unkonkret hinsichtlich des technischen Standards und Einführungszeitpunktes sind, dass es selbst der Fahrzeugindustrie unmöglich erscheint, seriö- se Angebote zu erstellen. Mit welchen Spezifikatio- nen und zu welchem Zeitpunkt die Umsetzung der ETCS-Einführung auf bestimmten Strecken erfolgt, weiß die DB AG am besten, die hierfür vom Bund Finanzmittel erhält. Und selbst wenn DB Regio es nicht weiß, kann der Marktführer im Zweifel eher darauf bauen, dass die Infrastruktursparte bei der Einführung versuchen wird, übermäßige Lasten von der Konzernschwester fernzuhalten. Die Wettbewerbsbahnen können nur mutmaßen und müssen in Ihren Kalkulationen Risikopositionen einpreisen. 2. DB AG sichert sich langfristig wichtige Teile der Netze Die DB AG hat die Aufgabenträger über Jahre pro- fessionellen Lobbyings erfolgreich „erzogen“ und so erreicht, dass die wichtigsten Teile oder „system- relevante“ Netze wie die S-Bahnen oder lukrative RE-Linien in den meisten Regionen langfristig vom Wettbewerb ausgenommen werden. Der VRR-Ver- trag gibt hierfür ein beredtes Beispiel. Es verwun- dert nicht, wenn sich auf eine Anfrage im EU-Amts- blatt nach Netzen mit über „sofort“ 1.300 Fahrzeu- gen keine Interessenten melden – solche Verträge kann eben nur der Altbetreiber erfüllen. Und ohne Wettbewerbsdruck kann er dies zu recht aus- kömmlichen Renditen, die ihm den Spielraum ge- ben, in Wettbewerbsverfahren quasi nach Belie- ben billig zu sein. 3. Nettovertrag versus Bruttovertrag in einem Vetriebsmonopol der DB AG Mit einer Charmeoffensive will die DB Regio AG den Nettovertrag wieder zum Standardvertrag machen. Getreu dem Motto, „Du (Land) hast Dei- nen festen haushaltsmäßigen Zuschuss, den Rest machen wir.“ Positiv gedacht besteht damit ein großer Anreiz für das EVU, möglichst viele Erlöse und damit Fahr- gäste zu generieren. Sozusagen die heilenden Kräfte des Marktes – der Staat zahlt nur für die zur Wirt- schaftlichkeit fehlende Teilmenge Fahrgäste. Aber der Teufel steckt wie immer im Detail. In den Ausschreibungsunterlagen werden die EVU ge- zwungen, faktisch alle Tickets der DB AG (DB Fernverkehr-Billigtickets, Internetsparpreise, Ak- tionstickets mit Vertriebspartnern der DB AG) an- zuerkennen und zusätzlich sogar noch weitere Billigtickets aufzulegen, deren Erlöse noch weiter unter denen z. B. des extrem Yield-schwachen Ländertickets liegen. Die Gestaltungsmacht dieser Tarife hat das EVU nicht in seinen Händen, das wirtschaftliche Risiko soll es aber tragen. Damit wird auch das Vertriebsmonopol der DB Ver- trieb GmbH gestützt, die für unzureichende Leis- tung durch einen hohen Fixbetrag in den Verträgen mit den ausführenden EVU auf jeden Fall Gewinn macht. Natürlich haben inzwischen findige Juristen herausgefunden, dass die direkte Vorgabe des DB- Tarifs ein unzulässiges Wagnis ist. Daher schreibt man diesen auch nicht mehr direkt vor, sondern über Preishöhen und die Anforderungen an durch- gehende Tarife. Vergaberechtlich vielleicht nun sau- ber, im Ergebnis aber genauso unfair. Kombiniert wird dieses Risiko zusätzlich mit jenen, die neue EVUs in den Verkehrsverbünden haben. Selbst wenn diese formal als Aufgabenträger ei- gentlich für Neutralität bürgen (wie z. B. VRR, MVV oder HVV), regiert dort regelmäßig das Kartell der Kommunalunternehmen und – welch Wunder – der DB AG. Eine Hand wäscht die andere. Da hilft es auch wenig, wenn im Falle der BEG oder LVS Erlösgarantien für die Verbünde gegeben werden, die garantierten Sätze aber so offensichtlich nied- rig und falsch sind, dass sie ein Risiko minimieren, aber den Wissens- und Machtvorsprung von DB Regio nicht egalisieren. Der Nettovertrag wäre daher zwar grundsätzlich eine gute Sache. Das ausführende EVU hat aber auf das Ticketing und Pricing nur unwesentlichen Einfluss und muss sich zusätzlich noch dem direk- ten Einfluss der DB AG ausliefern lassen. Damit liegen zentrale Elemente des kaufmännischen Handelns per „Dekret“ des Aufgabenträgers in der Hand des übermächtigen Wettbewerbers DB AG. Das häufig gegen echte Freigabe von Tarifen und Vertriebsvorgaben seitens der Aufgabenträger ge- nannte Argument, dass ansonsten die Durchgän- gigkeit von Tickets über Netzgrenzen hinaus nicht gewährleistet sei, führt sich selbst ad absurdum. Gerade in einem wirklichen Nettovertrag hätte ein Unternehmen ein elementares Interesse, ein „Best- value-Product“ anzubieten. Es fehlt hier einmal mehr am kaufmännischen Grundverständnis, wie ein Nichtstaatsunternehmen denken muss. Für die behördenähnlichen Strukturen der Aufgabenträger natürlich ein schwieriges Unterfangen. Ganz zu schweigen von einem Wettbewerb um kreative Fahrplangestaltung in den Ausschreibun- gen jenseits des vorherigen Abgleichs der DB (Fern- verkehr) AG-Interessen mit den Vorlieben der Auf- gabenträger und ihrer einzelnen Mitarbeiter, die manchmal den Eindruck erwecken, dass nun end- lich das Fahrplanreferat der Bundesbahndirektion nur durch ein solches des Aufgabenträgers er- setzt wurde. 4. DB-Gewerkschaften als Stütze des Systems DB AG Die DB-Gewerkschaften Transnet und GdBA ver- breiten die Mär von „mitarbeiteraussaugenden Vam- piren“ in Gestalt von Privatbahnen und verkennen damit die Potenziale für weit mehr Arbeitsplätze im prosperierenden System Schiene außerhalb der DB AG. Denn der eindimensionalen DB-Sparwut, die zu Irrwegen wie TAV (= zugbegleiterloses Fah- ren) selbst bei Zehnwagen-Dostozügen führt, set- zen NE-Bahnen durchaus z. B. mit Kreativität für Kundendienstleistungen Vorschläge zur Personal- mehrung entgegen. So agierende Gewerkschaften vernebeln ganz be- wusst das Empfinden des gewöhnliche Mitgliedes, wenn es z. B. um unangenehme Wahrheiten wie die außerkonzerntariflichen Arbeitskonditionen der Die Zukunft im SPNV bleibt rot Warum am Ende von SPNV-Ausschreibungen immer häufiger DB Regio als Sieger steht Für die DB Regio läuft es derzeit gut. Die SPNV-Sparte des DB-Kon- zerns hat in den vergangenen Monaten eine bemerkenswerte Gewinnquote bei Ausschreibungsverfahren vorgelegt. Mit dem „Netz Nord“ in SH, der S-Bahn Dresden, dem Westmünsterlandnetz, dem Werdenfelsnetz, dem Warnownetz und der S-Bahn Hannover hat DB Regio oder eine ihrer zahlreichen Tochtergesellschaften fast alle großen Vergabeverfahren für sich entschieden. Statistische „Messfehler“ wie das Dieselnetz des VVO, das der Newcomer EGP gewann, oder das Hansenetz, das beim Altbetreiber metronom ver- blieb, sind durch Desinteresse bzw. formale Fehler im Angebot er- klärbar und widerlegen keineswegs die These: Wenn Regio will und sich richtig anstrengt, gewinnt sie jedes Verfahren. Dafür gibt es aus Sicht der mit zunehmender Regelmäßigkeit unterliegenden Wettbe- werber Gründe, die im Folgenden von S. Quandt analysiert werden.
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Page 1: Die Zukunft im SPNV bleibt rot - bahn-report.de BAHN-REPORT 5/10 Seite 7 BAHN Markt Auch in Zukunft wird verkehrsrot auf der bayerischen Mittenwaldbahn zugegen sein, nachdem DB Regio

BAHN-REPORT 5/10Seite 6

BAHN Markt

1. Konzernverbund und schwacherEigentümer Bund – und noch schwäche-re SPNV-AufgabenträgerDie Aufgabenträger haben bundesweit faktischkeinen Einfluss auf die Konzeption und den Aus-bau der bundeseigenen Schienen- und Stations-infrastruktur.Sie verteilen zwar die Regionalisierungsmittel desBundes, geben aber mit der dynamisierten Erstat-tung der Trassen- und Stationsgebühren, fernerauch den Energiedurchleitungskosten für die EVUüber die „Hintertür“ mehr als 50 % davon an diezuständigen Infrastrukturgesellschaften des DB-Konzerns zurück. Die DB AG kann also nachBelieben diese Mittel auch als interne Subventionan die DB Regio oder DB Schenker geben. DasFehlen rechtlicher und finanzieller Durchgriffe derAufgabenträger auf die DB Netz AG, DB Stationund Service AG oder auch DB Energie GmbHzeigt sich dann, wenn in Ausschreibungsunter-lagen sehr vage und unverbindliche Zustands-beschreibungen der Strecken und Bahnhöfe dar-gelegt werden, auf deren wackeliger Basis seriösplanende private EVU dann einklagbare Verpflich-tungen für die nächsten 10 bis 15 Jahre eingehensollen. Formal hat der Mitbewerber DB Regio na-türlich auch damit zu kämpfen, wohlgemerkt for-mal.

Es ist schon sehr vermessen, den EVU bis auf dieMinute und den Sitzplatz genaue Vorgaben zu Zü-gen zu machen, auf die wahrscheinlich die DB-Infrastrukturtöchter mehr oder weniger Einflussgenommen haben (so sorgt ja bekanntermaßendas Thema Bahnsteiglänge und damit nutzbareFahrzeuge immer für viel „Abstimmungsfreude“im Vorfeld), und dann fast kleinlaut in laufendenVerfahren zugeben zu müssen, dass es keinegesicherte Trassenzuweisung geben wird. So wärees z. B. im Wettbewerbsverfahren „Werdenfels-netz“ oder beim Stadtbahnnetz Berlin ganz legalgewesen, wenn z. B. die DB Fernverkehr mit ICE-Trassen das komplette Takt- und Trassengefügeund damit auch Umläufe auf den durchaus starkbelasteten Strecken zerstört hätte. Natürlich gibtes immer wolkige Zusagen des Bestellers, hier imFall des Falles zu helfen, aber jeder Marktbeteiligteweiß, was es heißt, wenn „Die Bahn“ mit den wei-ßen Zügen winkt. Solche Risiken kann DB Regio„im Konzernverbund“ besser kalkulieren.Ein Aufgabenträger macht in den Ausschreibun-gen auch keine verbindlichen Zusagen zum Zu-stand der Signaltechnik, ob und wo z. B. ein Zug-deckungssignal zum Stärken/Schwächen vorhan-den ist. Die DB AG-Tochter DB Netz muss in die-sen Fällen einzeln um Stellungnahme angefragtwerden und gibt letztlich auch keine verbindlicheAussage. Für die bisher nie genutzten Zugde-ckungssignale im Berliner Hauptbahnhof (tief) gabes wohl einen Bedarf der DB (Fernverkehr) AG,also wurden sie gebaut. Für durchaus der Wirt-schaftlichkeit und Betriebsabwicklung förderlicheZugdeckungssignale in Oldenburg (Oldb) hinge-gen gibt es schon seit zehn Jahren kein Geld.Privatbahnen wissen also, auf was sie sich einzu-lassen haben.

Quasi als „Kür“ sind in noch laufenden Ausschrei-bungen in Bayern Forderungen zur Ausrüstungder Fahrzeuge mit ETCS einzuhalten, die sounkonkret hinsichtlich des technischen Standardsund Einführungszeitpunktes sind, dass es selbstder Fahrzeugindustrie unmöglich erscheint, seriö-se Angebote zu erstellen. Mit welchen Spezifikatio-nen und zu welchem Zeitpunkt die Umsetzung derETCS-Einführung auf bestimmten Strecken erfolgt,weiß die DB AG am besten, die hierfür vom BundFinanzmittel erhält. Und selbst wenn DB Regio esnicht weiß, kann der Marktführer im Zweifel eherdarauf bauen, dass die Infrastruktursparte bei derEinführung versuchen wird, übermäßige Lastenvon der Konzernschwester fernzuhalten.Die Wettbewerbsbahnen können nur mutmaßenund müssen in Ihren Kalkulationen Risikopositioneneinpreisen.

2. DB AG sichert sichlangfristig wichtige Teile der NetzeDie DB AG hat die Aufgabenträger über Jahre pro-fessionellen Lobbyings erfolgreich „erzogen“ undso erreicht, dass die wichtigsten Teile oder „system-relevante“ Netze wie die S-Bahnen oder lukrativeRE-Linien in den meisten Regionen langfristig vomWettbewerb ausgenommen werden. Der VRR-Ver-trag gibt hierfür ein beredtes Beispiel. Es verwun-dert nicht, wenn sich auf eine Anfrage im EU-Amts-blatt nach Netzen mit über „sofort“ 1.300 Fahrzeu-gen keine Interessenten melden – solche Verträgekann eben nur der Altbetreiber erfüllen. Und ohneWettbewerbsdruck kann er dies zu recht aus-kömmlichen Renditen, die ihm den Spielraum ge-ben, in Wettbewerbsverfahren quasi nach Belie-ben billig zu sein.

3. Nettovertrag versus Bruttovertragin einem Vetriebsmonopol der DB AGMit einer Charmeoffensive will die DB Regio AGden Nettovertrag wieder zum Standardvertragmachen. Getreu dem Motto, „Du (Land) hast Dei-nen festen haushaltsmäßigen Zuschuss, den Restmachen wir.“Positiv gedacht besteht damit ein großer Anreiz fürdas EVU, möglichst viele Erlöse und damit Fahr-gäste zu generieren. Sozusagen die heilenden Kräftedes Marktes – der Staat zahlt nur für die zur Wirt-schaftlichkeit fehlende Teilmenge Fahrgäste.Aber der Teufel steckt wie immer im Detail. In denAusschreibungsunterlagen werden die EVU ge-zwungen, faktisch alle Tickets der DB AG (DBFernverkehr-Billigtickets, Internetsparpreise, Ak-tionstickets mit Vertriebspartnern der DB AG) an-zuerkennen und zusätzlich sogar noch weitereBilligtickets aufzulegen, deren Erlöse noch weiterunter denen z. B. des extrem Yield-schwachenLändertickets liegen. Die Gestaltungsmacht dieserTarife hat das EVU nicht in seinen Händen, daswirtschaftliche Risiko soll es aber tragen.Damit wird auch das Vertriebsmonopol der DB Ver-trieb GmbH gestützt, die für unzureichende Leis-tung durch einen hohen Fixbetrag in den Verträgenmit den ausführenden EVU auf jeden Fall Gewinnmacht. Natürlich haben inzwischen findige Juristenherausgefunden, dass die direkte Vorgabe des DB-

Tarifs ein unzulässiges Wagnis ist. Daher schreibtman diesen auch nicht mehr direkt vor, sondernüber Preishöhen und die Anforderungen an durch-gehende Tarife. Vergaberechtlich vielleicht nun sau-ber, im Ergebnis aber genauso unfair.Kombiniert wird dieses Risiko zusätzlich mit jenen,die neue EVUs in den Verkehrsverbünden haben.Selbst wenn diese formal als Aufgabenträger ei-gentlich für Neutralität bürgen (wie z. B. VRR, MVVoder HVV), regiert dort regelmäßig das Kartell derKommunalunternehmen und – welch Wunder –der DB AG. Eine Hand wäscht die andere. Da hilftes auch wenig, wenn im Falle der BEG oder LVSErlösgarantien für die Verbünde gegeben werden,die garantierten Sätze aber so offensichtlich nied-rig und falsch sind, dass sie ein Risiko minimieren,aber den Wissens- und Machtvorsprung von DBRegio nicht egalisieren.

Der Nettovertrag wäre daher zwar grundsätzlicheine gute Sache. Das ausführende EVU hat aberauf das Ticketing und Pricing nur unwesentlichenEinfluss und muss sich zusätzlich noch dem direk-ten Einfluss der DB AG ausliefern lassen. Damitliegen zentrale Elemente des kaufmännischenHandelns per „Dekret“ des Aufgabenträgers in derHand des übermächtigen Wettbewerbers DB AG.Das häufig gegen echte Freigabe von Tarifen undVertriebsvorgaben seitens der Aufgabenträger ge-nannte Argument, dass ansonsten die Durchgän-gigkeit von Tickets über Netzgrenzen hinaus nichtgewährleistet sei, führt sich selbst ad absurdum.Gerade in einem wirklichen Nettovertrag hätte einUnternehmen ein elementares Interesse, ein „Best-value-Product“ anzubieten. Es fehlt hier einmal mehram kaufmännischen Grundverständnis, wie einNichtstaatsunternehmen denken muss. Für diebehördenähnlichen Strukturen der Aufgabenträgernatürlich ein schwieriges Unterfangen.Ganz zu schweigen von einem Wettbewerb umkreative Fahrplangestaltung in den Ausschreibun-gen jenseits des vorherigen Abgleichs der DB (Fern-verkehr) AG-Interessen mit den Vorlieben der Auf-gabenträger und ihrer einzelnen Mitarbeiter, diemanchmal den Eindruck erwecken, dass nun end-lich das Fahrplanreferat der Bundesbahndirektionnur durch ein solches des Aufgabenträgers er-setzt wurde.

4. DB-Gewerkschaftenals Stütze des Systems DB AGDie DB-Gewerkschaften Transnet und GdBA ver-breiten die Mär von „mitarbeiteraussaugenden Vam-piren“ in Gestalt von Privatbahnen und verkennendamit die Potenziale für weit mehr Arbeitsplätze improsperierenden System Schiene außerhalb derDB AG. Denn der eindimensionalen DB-Sparwut,die zu Irrwegen wie TAV (= zugbegleiterloses Fah-ren) selbst bei Zehnwagen-Dostozügen führt, set-zen NE-Bahnen durchaus z. B. mit Kreativität fürKundendienstleistungen Vorschläge zur Personal-mehrung entgegen.So agierende Gewerkschaften vernebeln ganz be-wusst das Empfinden des gewöhnliche Mitgliedes,wenn es z. B. um unangenehme Wahrheiten wiedie außerkonzerntariflichen Arbeitskonditionen der

Die Zukunft im SPNV bleibt rotWarum am Ende von SPNV-Ausschreibungen immer häufiger DB Regio als Sieger steht

Für die DB Regio läuft es derzeit gut. Die SPNV-Sparte des DB-Kon-zerns hat in den vergangenen Monaten eine bemerkenswerteGewinnquote bei Ausschreibungsverfahren vorgelegt. Mit dem„Netz Nord“ in SH, der S-Bahn Dresden, dem Westmünsterlandnetz,dem Werdenfelsnetz, dem Warnownetz und der S-Bahn Hannoverhat DB Regio oder eine ihrer zahlreichen Tochtergesellschaften fastalle großen Vergabeverfahren für sich entschieden. Statistische

„Messfehler“ wie das Dieselnetz des VVO, das der Newcomer EGPgewann, oder das Hansenetz, das beim Altbetreiber metronom ver-blieb, sind durch Desinteresse bzw. formale Fehler im Angebot er-klärbar und widerlegen keineswegs die These: Wenn Regio will undsich richtig anstrengt, gewinnt sie jedes Verfahren. Dafür gibt es ausSicht der mit zunehmender Regelmäßigkeit unterliegenden Wettbe-werber Gründe, die im Folgenden von S. Quandt analysiert werden.

Page 2: Die Zukunft im SPNV bleibt rot - bahn-report.de BAHN-REPORT 5/10 Seite 7 BAHN Markt Auch in Zukunft wird verkehrsrot auf der bayerischen Mittenwaldbahn zugegen sein, nachdem DB Regio

BAHN-REPORT 5/10 Seite 7

BAHN Markt

Auch in Zukunft wird verkehrsrot auf der bayerischen Mittenwaldbahn zugegen sein, nachdemDB Regio das Wettbewerbsverfahren um das „Werdenfelsnetz“ für sich entscheiden konnte.

Foto (RB 30373 an der Schmalenseehöhe, 16.01.10): P. Bull

Kollegen bei den „Briefkastenfirmen“ der DB Regiobeispielsweise aktuell in Rheinland, Mittelfrankenoder Sachsen geht. Wohl dem, der so gefügigeMitglieder hat. Diese werden dann mit dem „Bran-chentarifvertrag“ vertröstet, während die DB Regioderzeit alle laufenden Ausschreibungen legal mitlustig benannten Tochterfirmen wie „DB Regio Nah-verkehr Eins GmbH“ (Sieger bei der S-Bahn Han-nover) gewinnen wird, die nicht tarifgebunden sind.Dem gewerkschaftsinternen „Intimfeind“ – der Spar-tengewerkschaft GDL – hat die DB AG mit Wissenvon Transnet und GdBA einen potenten wirkungs-vollen Mitstreiter entgegenzusetzen: das Bundes-eisenbahnvermögen. Während die DB-Töchter fürBruchteile der wirklichen Kosten verbeamtete ehe-malige Bundesbahnlokführer als Streikbrecher (einBeamter darf nun mal nicht streiken) einsetzenkönnen, wird dieses durchaus sinnvolle Instrumentder „Zuweisung von Bundesbahnbeamten“ denPrivatbahnen verweigert, und das bei immerhin nunbald 20 % Marktanteil der Privaten und 16 Jahrenach der Bahnreform.

5. Wettbewerber im SPNVals böse Vorboten fremder Mächte?Landauf und landab werden die Wettbewerber alsböse und undeutsche Vorboten anderer Staats-bahnen diffamiert. Ja, es wird sogar ein rein priva-tes Unternehmen wie Veolia Verkehr kurzerhandzu einer weiteren „französischen Staatsbahn“ ge-macht, um sie in Misskredit zu bringen und unter-schwellig Ängste zu schüren. Als Mitarbeiter vonArriva sollte man sich deshalb schon Sorgen ma-chen, was die „deutsche Eisenbahn“ mit quasi bri-tischen Staatsbahnern anstellen wird.Es ist insgesamt eine erstklassige PR der DB AG,weil sich das gemeine Volk und seine Fürsten inden Landesregierungen wenig mit dem Schienen-nahverkehr befassen wollen. Da sind einfache undsubtile Parolen eine wirkungsvolle Waffe. Es sei andieser Stelle nur darauf hingewiesen, dass der sogenannte „Wettbewerbsbericht der DB AG“ als„Vernebelungsmaschinerie für Mandatsträger“schon hinlänglich diskutiert wurde.Hier kann man die Bestellerorganisationen sicherlichin Schutz nehmen, dass diese die Dinge richtigeinzuordnen wissen. Allerdings kommt es dochimmer noch zu Einflussnahmen „von Oben“, wosich die Meinung mit weniger fachlichem Hinter-grund gebildet wird.Wenn man nicht willkommen ist, kann es nicht aus-bleiben, dass nachhaltig denkende Investoren sys-tematisch vom Markteintritt in den deutschen Schie-nenverkehr abgehalten werden und alternative In-vestments bevorzugen – zum Schaden für Kapi-tal, Innovation und Arbeitsplätze in der Schienen-branche in Deutschland und als Garant für ein wie-derkehrendes Monopol der deutschen Staatsbahn.

6. Fehlende Wiedereinsatzgarantieder Aufgabenträger für FahrzeugeDer DB AG ist es bei vielen SPNV-Aufgabenträgernvorzüglich gelungen, Zweifel und Bedenken gegenAbsicherungen der Fahrzeuginvestitionsrisiken zusäen – und diesen so letztlich beizubringen, dassWettbewerb nur dann gut ist, wenn er nach denRegeln der DB AG funktioniert. So konnte sie z. B.in Sachsen-Anhalt oder Bayern als quasi Volks-vertretermeinung durchsetzen, dass eine Wieder-einsatzgarantie der Fahrzeuge ganz beträchtlicheSchäden im Haushalt hinterlässt und z. B. den Auf-bau eines Gebrauchtfahrzeugemarktes verhindert.Im politischen Lobbying verfängt dabei immer wiedergut der Hinweis, dass es nicht Aufgabe des Staa-tes sei, hier in den Markt und Gestaltungsspielraumder Unternehmen einzugreifen. So einleuchtenddies zunächst ordnungspolitisch klingen mag – es

verkennt den Umstand, dass es ja gerade dasAgieren des Staates an anderer Stelle ist, nämlichin seiner Eigentümerrolle der marktbeherrschendenUnternehmen, das zu Wettbewerbsverzerrungen(hier bei Finanzierung und Fahrzeugbeschaffung)führt, die dringend eines flankierenden Korrektivsbedürften.In Bayern und nicht nur dort hat die DB-Sicht den-noch überzeugt. Der zugegebenermaßen höhere,aber einmalige Verwaltungsaufwand, um eine ech-te Wiedereinsatzgarantie der Fahrzeuge nach demLaufzeitende der ersten Vertragsperiode sicherzu-stellen, wird nicht mehr verfolgt.In Rheinland-Pfalz bei dem beginnenden Ausschrei-bungsverfahren des „Dieselnetzes Südwest“ hatsie immerhin genug Sand ins Getriebe gestreut,dass sich die Aufgabenträger auf kein Modell imVorfeld einigen konnten. Die DB AG kann sich zu-frieden die Hände reiben.Seriös rechnende Privatbahnen oder die Leasing-unternehmen, die die Fahrzeuge erwerben und die-sen zur Verfügung stellen, müssen schlicht einkal-kulieren, dass Eisenbahnfahrzeuge kaufmännisch25 Jahre in den Büchern zu führen sind.Damit bleibt für die Privaten bei einem zwölfjährigenVertrag ein 13-jähriges Risiko, dass natürlich denAngebotspreis belastet. Bei der DB AG ist diesesRisiko weit weniger relevant, da bereits die Finan-zierungslast durch Kreditvorteile des Staatsunter-nehmens geringer ist, das Wiedereinsatzrisiko beieinem EVU mit bundesweiter Präsenz in der Grö-ßenordnung der DB Regio AG faktisch viel be-grenzter ist und letztlich – kurzgefasst – beim Staats-unternehmen der Steuerzahler das Restrisiko trägt.

7. Ausblick – Die Zukunft im deutschenSPNV bleibt rot und die Aussichten für dieSPNV-Kunden schwarzDie DB pflegt Ihren Markt mit viel Geschick unddas kommt sicher nicht von Ungefähr. Als langjäh-rige leitende Mitarbeiter einer Privatbahn hat dasFührungsduo der DB Regio AG Homburg/Senn-henn aus eigener Erfahrung genaueste Kenntnis-se der Probleme, die ihre heutigen Wettbewerbermit bestimmten Rahmenbedingungen haben. Alsoweiß man bestens, was sich besser nicht ändernsollte.Der Bund als Eigentümer der DB AG und Vertreterder deutschen Steuerzahler zeigt weiter kein Inter-esse an Wettbewerb und Effizienz, sondern schützt

die Marktdominanz der DB AG bereitwillig.Hier soll nicht in Abrede gestellt werden, dasstausende Mitarbeiter der DB Regio engagiert daranmitwirken, guten SPNV zu erbringen. Aber gleich-wohl wäre ein lebhafter Markt mit ausgewogenerAnbieterlandschaft wichtig und letztlich auchoftmals im Interesse der Mitarbeiter: Denn eineDB Regio AG darf z. B. niemals aktiv im Interesseder Kunden gegen die Konzernmutter DB AG oderKonzernschwestern vorgehen, um etwa Missstän-den hinsichtlich des unzureichenden Ausbaus vonStrecken und Stationen abzuhelfen. Die Konzern-räson und letztlich die aktienrechtliche Pflicht derKonzernmutter, den Gesamtertrag zu optimieren(und hier bringt Sparen bei DB StuS ggf. mehr alsInvestieren bei DB Regio) setzen einem gutenSPNV auch Grenzen.Es ist zu befürchten, dass auch in Zukunft dieAufgabenträger mehr Zuschauer als aktive Ge-stalter sein werden. Während die Besteller in denersten Jahren hohe Kreativität und Offenheit fürneue Lösungen zeigten, bleibt es nicht aus, dass14 Jahre nach der Regionalisierung immer mehrdas „Haben-wir-schon-immer-so-gemacht“ unddas „Das-wäre-zu-viel-Arbeit“ die Oberhand ge-winnen: Da fallen einfache und politisch leicht ver-ständliche Parolen des DB-Konzerns auf frucht-baren Boden – und ein „der Herr Minister wünscht…“bewirkt mehr als 20 Fachveranstaltungen der BAGSPNV, bei denen man sich oberflächlich gerneselbstkritisch gibt, um dann am anderen Tage dasmeiste wieder schnell vergessen zu haben.

Für die Aufgabenträger und die Fahrgäste hat die„Siegesserie“ der DB Regio noch einen weiterensehr unangenehmen Effekt: Je kleiner die Wett-bewerbsbahnen nach den Erfahrungen der letz-ten Zeit die Aussicht auf Erfolg bei einem Vergabe-verfahren beurteilen, desto geringer wird mangelsBietern die Wettbewerbsintensität. Bei der Vielzahlanstehender Vergaben im Zuge der auf den Marktheranrollenden „Vergabewelle“ wird die Zahl derVerfahren steigen, in denen die DB ohne Konkur-renten da steht. Und je sicherer sich die DB Regiofühlen kann, keine Wettbewerber im Verfahren zuhaben, desto höher wird ihr Preis. Angesichts ab-sehbarer Einschnitte bei den Regionalisierungs-mitteln ab 2014 kann sich jeder ausrechnen, wasdas in Zukunft für die Menge des finanzierbarenAngebots bedeutet...


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