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Die toten Augen von Balmoral

Date post: 04-Jan-2017
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Mac KinseyBand 2Carter FlynnDie toten Augen von Balmoral

Eine Gestalt krachte durch das Unterholz. Beim Anblick von Schlo Balmoral verharrte sie. Mondlicht lag auf den Dchern, Trmen und Zinnen. Wenige Fenster waren erhellt.Bald wrden es mehr sein. Sehr viel mehr. Die einsame Gestalt am Waldrand verzog die drren Lippen. Ein havolles Lachen drang aus ihrem Mund wie aus einem tiefen Brunnenschacht Sie hob die Spinnenfinger zum grausigen Schwur. Bald triffst du mit deiner Familie ein, dann mache ich auch dich zu meinem blinden Werkzeug, so wahr mir der Satan helfe.Nebel wallte pltzlich und begann die Gestalt einzuhllen.Drben auf Schlo Balmoral rstete man fr das Eintreffen der Knigin!

***

Ein Knacken auf der Haupttreppe lie Elspeth zusammenschrecken.Sie wirbelte herum.Wenn das wieder Jeremy war, der Lmmel, der ihr von morgens bis nachts nachstellte, konnte er diesmal was erleben! Er wute doch genau, wie sehr sie sich in diesen alten Mauern ngstigte.Es war nicht Jeremy. Es war berhaupt niemand. Die Haupttreppe lag verlassen und leer.Elspeth bekam feuchte Hnde. Sie versprte eine beklemmende Angst. Erzhlten nicht die Leute im Dorf, man htte wieder den Unheimlichen gesehen? Und waren nicht drei Menschen ber Nacht blind geworden? Es htte mit dem Schlo zu tun, wurde gemunkelt.Laut sagte es niemand. Alle hatten Angst.Angst vor dem Unheimlichen. Und da er ihnen ebenfalls tote Augen anhexte.Da!Wieder knackte es auf der Treppe. Elspeth wurde es unheimlich.Flackerte nicht das Licht? Hrte sie nicht einen schleichenden Schritt?Furchtsam zog sie sich in die Mitte des groen Vestibls von Schlo Balmoral zurck. Aus groen angstvollen Augen starrte sie zur Treppe hinber. Jetzt wnschte sie von ganzem Herzen, nie in die Dienste von Mister Meredith getreten zu sein, der das Schlo fr die knigliche Familie verwaltete.Auf der Treppe rhrte sich nichts. Auch die elektrischen Birnen auf dem mchtigen Leuchter im Vestibl flackerten nicht. Sie hatte es sich nur eingebildet.Es sind die Nerven, sagte sie sich. Der bevorstehende Besuch der Knigin und ihrer Familie macht das! Und Mister Meredith, der uns zwanzig Stunden am Tag herumjagt und der wegen jedem herumliegenden Stubchen gleich aus der Haut fhrt! Als htte die Knigin nichts anderes zu tun, als in den Keller hinabzusteigen oder auf dem Speicher herumzukrabbeln und nachzusehen, ob auch alle Spinnweben fortgewischt sind!Argwhnisch behielt Elspeth die Treppe im Auge. Die war aus Stein, und Stein konnte nicht knacken und knarren. Das war trstlich, beruhigte sie aber nicht.Sie versprte ein Drcken auf der Brust, die Atemluft kam ihr dick und zh und schwer vor.Ist da jemand? fragte sie mhsam. Ihre Stimme war dnn und klglich.Sie wnschte, da Jeremy sich meldete, dieser kleine, eitle, blde Kerl, und damit zugab, da er nur Schabernack trieb und ihr Angst einjagen wollte.Oder da einer der fremden Gentlemen ins Licht trat, die vor drei Tagen aus London eingetroffen waren. Die seien das Vorauskommando des Hofes, hatte Mister Meredith erklrt. Diese Mnner gingen mit wrdevollem Gesicht herum, waren zumeist schweigsam wie ein Grab und kehrten das Unterste zuoberst. berall stie man auf sie.Elspeths Stimme verlor sich in der erdrckenden Weite des Vestibls. Niemand antwortete.Aber das Knacken wiederholte sich. Ganz deutlich.Es kam von oben, wo sich die Treppe in der Dunkelheit verlor. Da brannte kein Licht.Nicht fr alle Schtze der Welt zusammen wre das Mdchen jetzt dort hinaufgestiegen. Sein Herz tat einen Sprung und klopfte dann wie rasend bis zum Hals hinauf.Auf Balmoral ging es nicht mit rechten Dingen zu!War nicht gestern ohne jede Ursache das Dach vom Gewchshaus eingestrzt und hatte den ltesten Gehilfen des Grtners begraben?Und wie war es mglich, da heute in der Frhe im Waffensaal eine Streitaxt von der Wand fiel und beinahe einem Londoner Gentleman den Kopf spaltete?Ein bedauerlicher Unfall, hatte Mister Meredith gesagt. Gottlob mit einem glcklichen Ausgang.Elspeth hatte ihn bei seiner Erklrung genau angesehen. Der verkniffene Zug um seinen Mund war ihr nicht entgangen.Da ihr Argwohn nun einmal geweckt war, hatte sie auch entdeckt, da sich Mister Meredith gleich nach dem Vorfall mit den kniglichen Beamten in eines der Zimmer zurckzog, die zum privaten Gebrauch durch die Knigin bestimmt waren.Durch die gepolsterte Tr war kein Laut herausgedrungen. Ein Beamter hatte aber vor der Tr Wache gestanden.Eine Stunde spter hatte sie gesehen, wie zwei Mnner die Streitaxt in eine Plastikfolie gewickelt zu einem der schwarzen Wagen trugen, mit denen die Gentlemen aus London gekommen waren. Einer war damit weggefahren. Der andere hatte eine Leiter neben der Tr aufgestellt und untersuchte mit grenzenloser Ausdauer die Stelle, wo sich das Mordinstrument aus den Haken gelst hatte.Etwas von Fingerabdrucken feststellen hatte sie gehrt. Der Mann auf der Leiter hatte den Kopf geschttelt und nach zwei Stunden resignierend seine Bemhungen aufgegeben.An zufllige Unglcksflle glaubte Elspeth nicht. Die Leute im Dorf redeten anders. Auch das Personal. Auf dem Schlo ging etwas vor, und es bedeutete nichts Gutes.Schritt fr Schritt zog sie sich zurck. Neben der Haupttr befand sich die Rufanlage. Mister Meredith mute informiert werden.Sie hoffte, da blo ein frecher Dieb eingedrungen war, der darauf spekulierte, unter den vielen fremden Gesichtern nicht aufzufallen, und der ein paar Kleinodien stehlen wollte.Seit in London ein junger Mann nachts in den Buckingham-Palast eingestiegen und unbehelligt bis ans Bett der Knigin vorgedrungen war, schienen auch andere zu glauben, es sei ein Kinderspiel, sich unerlaubt und nachts in kniglichen Besitztmern herumzutreiben.Ein Einbrecher war zwar auch nicht das, womit Elspeth zusammentreffen wollte. Die Vorstellung war schon unheimlich gruselig. Aber ein Einbrecher war immer noch besser als etwas, das sie nur hrte, aber nicht sah.Sie stie gegen eine der geschnitzten Holzsulen, die die Haupttr flankierten. Zitternd atmete sie aus. Geschafft!Langsam hob sie den linken Arm, streckte ihn aus und griff um die Sule, wo die Rufanlage installiert war. Ihr Kleid raschelte leise, aber ihr kam es bermchtig laut in der geisterhaften Stille vor.Das unheimliche Knacken lie sich nicht mehr vernehmen.Er hat mich entdeckt, dachte Elspeth, er hat etwas gehrt. Er wartet ab, was geschieht!ber hundert Menschen befanden sich im Schlo. Sie schienen sich in weit entfernten Gebudeteilen aufzuhalten. Ausgerechnet jetzt! Elspeth hrte weder Schritte noch Stimmen noch zuschlagende Tren. Sonst war immer etwas zu hren, irgendein Gerusch, das die beruhigende Nhe von Menschen verkndete.Ihre Finger erfaten die Taste und drckten sie ein. ngstlich schob sie sich an der Sule vorbei und sprte die Kanten des Schnitzwerks ber ihren Rcken streichen.Im Rahmen der holzvertfelten Rufanlage glimmte ein kleines grnes Licht auf. Elspeth konnte sprechen. Aber das Wort blieb ihr in der Kehle stecken. Die Angst schnrte ihr den Hals zu.Ein unheimlicher Nebel quoll langsam die Treppe herab. Wie ein lebender Teppich. Handhoch hchstens. Er hpfte von Stufe zu Stufe und drang unaufhaltsam weiter herab.Elspeth starrte aus weit aufgerissenen Augen auf das geisterhafte Schauspiel. Die Knie wurden ihr weich, die Beine drohten nachzugeben.Oben, wo sich die Treppe in der Dunkelheit verlor, tappten Schritte!Ganz laut, ganz deutlich.Dann flackerte fahle Helligkeit auf. Als wrde jemand ein Streichholz entznden.Die Helligkeit nahm zu. Es war ein unwirkliches Licht. Es kam nicht von einem Streichholz, nicht von einem Feuerzeug, nicht von einer Kerze oder von einem elektrischen Beleuchtungskrper. Es war unsagbar kalt.Elspeth konnte nicht einmal die Quelle ausmachen.Es war, als wrde die Luft leuchten. Einfach so. Aus dem Nichts.Auch der handhoch ber die Stufen herabquellende Nebel begann zu leuchten.Es war ein Anblick, bei dem man den Verstand verlieren konnte. Elspeth war nicht weit davon entfernt.Dieser grausige Nebel hatte es auf sie abgesehen! Das begriff sie.Seine Auslufer hatten schon den Steinboden des Vestibls erreicht und krochen wie schreckliche Geisterfinger auf sie zu. Hier unten leuchtete der Nebel nicht so stark wie oben.Mitten in der kalt leuchtenden Luft bewegte sich etwas. Eine Gestalt tauchte dort auf. Sie warf einen gnomenhaften Schatten auf die Wand und die Treppenstufen.Der Unheimliche!Die Leute im Dorf hatten doch recht. Es gab ihn.Elspeth schlug die Hnde vors Gesicht Sie wollte die grauenhafte Gestalt nicht sehen. Wer sie erblickte, wurde blind.Sie wollte nicht blind sein.Und sie stie einen gellenden Schrei aus.

*

Minuten spter waren sie bei ihr Mister Meredith, etliche der Mnner aus London, Kollegen und Kolleginnen vom Personal und Jeremy, der Nichtsnutz, der jedem Unterrock im Schlo nachstellte.Die Ohnmacht, die Elspeth umfangen hielt, war nicht sehr bestndig. Dafr sorgten schon die Beamten und Mister Meredith. Einer versetzte ihr unablssig leichte Schlge auf die Wangen, ein anderer hielt ihr immer wieder ein Riechflschchen unter die Nase, und Mister Meredith ttschelte ihre Hnde und fhlte ab und zu den Puls.Kein Grund zur Aufregung, besnftigte er das unruhige Personal, es geht ihr schon viel besser.Sie ist berarbeitet, zwanzig Stunden am Tag auf den Fen sein ist kein Pappenstil, sagte Mistress Drawden, eine waschechte Hochlnderin mit dem Knochenbau eines Pferdes, was die Strke anging.Das beifllige Murren von der Partei des Personals klang unangenehm in Mister Merediths Ohren. Das hrte sich ja fast nach Aufstand an. Das schien der Beginn einer Verschwrung zu sein!Er musterte seine Leute. Jeden fr sich.Unter seinem Blick verstummten sie. Es bedurfte keiner Worte.Ich denke, wir haben sie soweit, sagte einer der Hofbeamten. Er schraubte das Riechflschchen zu und steckte es ein. Sie spricht, aber es ist verworrenes Zeug. Es ergibt keinen Sinn. Ich verstehe sie nicht. Lloyd Emerson Meredith beugte sich wrdevoll und gemessen zu dem Mdchen nieder, dem man eine zusammengerollte Decke unter den Nacken geschoben hatte. Er war darauf bedacht, immer gute Figur zu machen. Er blieb sich in jeder Lebenslage seines Amtes als Statthalter der Knigin bewut. Haltung war alles.Nicht einmal gestern, als sie den Gehilfen des Grtners unter dem Glasdach herauszogen, hatte er sie verloren. Und heute frh, als die Streitaxt nur knapp den Kopf des Hofbeamten verfehlte, nur ganz wenig. Die Stirn hatte, er gerunzelt ja. Mehr nicht.Das Mdchen starrte ihn aus schreckgeweiteten Augen an. Es erkannte ihn, das nackte Entsetzen wich aus den Augen.Ist er fort? Die Stimme war wie ein Hauch.Wer denn, mein Kind? Meredith verstrmte Freundlichkeit, denn sein Personal spitzte lstern die Ohren.Der Unheimliche! brach es aus Elspeth heraus. Dort auf der Treppe! Und der Nebel! Er kroch die Stufen herab. Auf mich zu. Alles war von einem grauenhaften Licht erfllt.Meredith wre es lieber gewesen, wenn sie leiser gesprochen htte.Der Unheimliche! Er wute, was im Dorf und unter dem Personal geredet wurde. Einfach lachhaft! Es gab keinen Unheimlichen.Eine Art Hysterie war es, die wie eine harmlose, aber hartnckige Seuche grassierte. Wie das Geschwtz vom Ungeheuer im Loch Ness, das alle paar Jahre auflebte.Jetzt beruhigen Sie sich nur erstmal, liebes Kind! Er rang sich ein Lcheln ab. Das ist doch Aberglaube. Blanker Unsinn. Es gibt keinen Unheimlichen. Ein Schatten hat Sie genarrt. Ein Lichtreflex vielleicht, und Sie sind darber zu Tode erschrocken.Nein, nein! Ihre Augen drckten aus, da sie wahrhaftig etwas Grauenhaftes gesehen hatte. Ihre Hand griff nach Mister Merediths Arm und packte ihn schmerzhaft. Sie mssen mir glauben, bitte, bitte ich habe ihn ganz deutlich gesehen!Mit nachsichtiger Milde schttelte Meredith den Kopf. Dieses dumme Ding schien felsenfest davon berzeugt zu sein, da es etwas erblickt hatte. Das war gefhrlich. Wenn die Kleine es erst glaubte, glaubte es auch das Personal. Und in einer Woche traf die Knigin mit der gesamten Familie ein! Die Folgen malte sich Meredith lieber nicht aus. Schon der Gedanke daran brachte ihn in Schwei.Ein Personal, das Botengnge und den Dienst im Schlo verweigerte, blo weil es Angst vor einem Phantom hatte!Diesen dummen Gerchten mute er den Boden entziehen. Der lppische Aberglaube mute mit der Wurzel ausgerissen werden. Jetzt. Auf der Stelle!Lieber Himmel, wie dieses dumme Ding die Finger in seinen Arm krallte!Mit einem Ruck entzog er sich dem schmerzhaften Griff. Die Blicke seines Personals waren noch lauernder geworden.Es ist natrlich nichts, sagte er nicht ohne Schrfe, und das werde ich Ihnen beweisen. Aber erst wollen wir uns um dieses Mdchen kmmern. Mistress Drawden, verstndigen Sie Doktor Vilion.Die knochige Frau holte schnappend Atem. Der grliche alte Kerl wollte gestern schon nicht fr den Grtnergehilfen kommen. Sonst wrde man auf dem Schlo ja auch nicht seine Dienste in Anspruch nehmenIch wei, was er gesagt hat, meinte Mr. Meredith suerlich. Rufen Sie ihn dennoch her.Der kommt nicht, prophezeite Mrs. Drawden. Nicht heute. Es ist Donnerstag.Ja, und? Wir haben einen Notfall.Donnerstag spielt er mit dem Pfarrer. Seit dreiig Jahren wrfeln sie donnerstags und trinken dabei. Die Patienten vom Doktor wissen es und richten sich sogar mit ihren Krankheiten danach. Und soviel ich wei, ist dem Pfarrer donnerstags auch noch nie jemand gestorben.Die Leute wissen, was sich gehrt, dachte Meredith, und laut sagte er: Bitten Sie ihn, aufs Schlo zu kommen. Schaffen Sie ihn her wie, ist Ihre Sache. An die Leute vom Personal gewandt fuhr er fort: Und ich werde Ihnen beweisen, da dort oben auf der Treppe nichts ist und nichts war und sich Mi Elspeth ganz einfach geirrt hat. Er verzog etwas den Mund. Sehen Sie etwas von einem Nebel, der die Treppe herunterkroch?Mutig schritt er auf die Treppe zu. Zwei Hofbeamte schlossen sich ihm an. Schweigend, wie es ihre Art war.Jeremy Bentham fand die Gelegenheit gnstig, sich bei Elspeth ins rechte Licht zu setzen und ihr vorzufhren, was fr ein toller Hecht er doch war. Er folgte den Hofbeamten.Ein Mann aus der Dienerschaft und ein Elektriker gingen auch noch mit.Ich wei nicht, ich wei nicht, murmelte Mrs. Drawden. Kopfschttelnd schaute sie der kleinen Gruppe nach, die die Treppe zum ersten Stockwerk hinaufstieg. Sie war berzeugt, da es den Unheimlichen gab. Auch wenn Elspeth den Kerl als gnomenhaften Burschen beschrieben hatte. Oder jedenfalls seinen Schatten. Um nichts in der Welt wre sie jetzt mit den Mnnern dort hinaufgegangen.Sie eilte viel lieber zum Telefon.Der Doktor war jetzt bestimmt noch nicht zu Hause. Es war erst zehn Uhr. Der alte Trunkenbold hockte sicher beim Pfarrer. Aber sie rief dennoch an.Es blieb beim nutzlosen Versuch. Doktor Vilion war nicht daheim. Und Pater Ryan hatte kein Telefon.Aber her mute Vilion. Mister Meredith hatte ihr die Verantwortung aufgebrdet. Er wurde sehr ungemtlich, wenn seine Anordnungen nicht befolgt wurden.Sie nahm den Weg zurck zum groen Vestibl. Ihre Schritte hallten hohl und dunkel durch die Gnge von Balmoral.Ein Wispern drang an ihre Ohren. Die Rstungen in den Nischen und die alten Banner an den Wnden schienen zu geisterhaftem Leben zu erwachen.Sie streifte das Unbehagen ab. Jedermanns Nerven waren durch die Vorkommnisse berreizt. Da spielten einem die Sinne gern einen Streich.Sie atmete auf, als sie an der Dienstbotentreppe vorbeikam und dort Binnie Barnes mit einem Chauffeur der Londoner Gentlemen stehen sah. Die beiden waren so dicht beisammen wie die Seiten eines Buches.Binnie wohnte im Ort bei ihren Leuten. Wenn die Arbeit getan war, verlie sie das Schlo. So wie jetzt. Sie arbeitete in der Wscherei und im Bgelzimmer.Das rotblonde Mdchen war eine Augenweide und machte jedem richtigen Mann den Mund wrig. Verstndlich, da der Chauffeur Appetit auf den niedlichen Happen bekommen hatte.Mrs. Drawden ging's eigentlich nichts an, Binnie war schlielich alt genug, um fr sich selber verantwortlich zu sein. Aber die knigliche Haushlterin wute, wie solche Liebschaften zu enden pflegten. Der Liebhaber verduftete nach London, und zurck blieb ein heulendes Mdchen mit fast gebrochenem Herzen.Darum blieb sie stehen, statt an dem Paar vorbeizueilen und so zu tun, als htte sie nichts gesehen.Binnie hatte sich schon fr den Heimweg gerstet. Sie trug feste Schuhe, eine Strickjacke um die Schultern, eine Riementasche und daran festgebunden das unerlliche Kopftuch. Nachts pflegte es drauen feucht und ungemtlich zu sein, selbst im Sommer. Blitzartige Regengsse waren ebenfalls keine Seltenheit.Machen Sie sich gleich auf den Weg, sagte Mrs. Drawden und behandelte den Chauffeur wie Luft. Der Doktor soll sofort kommen. Bestimmt sitzt er noch beim Pfarrer. Elspeth Karnavon ist zusammengebrochen. Sagen Sie ihm das ruhig, vielleicht beeilt er sich dann.Ich werde es ausrichten, Madam. Gehorsam machte Binnie einen Knicks. Ist es schlimm?Das hoffe ich nicht, die Entscheidung hat aber allein Doktor Vilion. Also gehen Sie. Mrs. Drawden schickte ein stilles Dankgebet zum Himmel, da noch nicht bis zur Wscherei vorgedrungen war, da Elspeth den Unheimlichen gesehen haben wollte. Hier im Schlo!Binnie baute darauf, da die knigliche Haushlterin weiterging. Doch Mrs. Drawden rhrte sich nicht vom Fleck. Ihr Ausharren erreichte schon fast das Ausma einer Ntigung.Ja, dann halt bis morgen, machte Binnie seufzend und schob mit der Hand den Chauffeur auf Distanz.Mrs. Drawden sah sich in ihrer Vermutung besttigt, da der Kerl nur auf ein schnelles und mheloses Abenteuer aus war. Er machte keine Anstalten, Binnie ins Dorf zu begleiten. Er dachte nicht mal im Traum daran, sie wenigstens zum Seitenausgang zu bringen.Mit einem hochmtigen Blick musterte er die Haushlterin und verschwand von der Bildflche.Binnies Schritte hallten noch eine Weile unter den Rundbogen her. Sie wurden leiser. Ganz am Ende des Querganges leuchtete noch einmal das hellblaue Kleid des Mdchens auf, bevor die Tr am Seiteneingang dumpf ins Schlo fiel.Mrs. Drawden setzte ihren Weg zum Vestibl fort.Sie war noch keine fnfzig Schritte weit, als in einer dunklen Nische gegenber der Dienstbotentreppe eine Bewegung entstand. Eine Gestalt stand dort pltzlich. Sie war aus dem Nichts gekommen.Sie neigte den Kopf zur Seite, als lauschte sie den energischen Schritten der kniglichen Haushlterin nach. Schlielich nickte sie zufrieden und trat aus der Nische heraus.Ein dunkelbrauner Umhang hllte sie ein. Genau die richtige Bekleidung fr das alte Schlogemuer. Eine Kapuze bedeckte den Kopf. Die Gestalt orientierte sich und schaute der entschwindenden Haushlterin nach.Nach der war ihr nicht der Sinn. Mit Mrs. Drawden hatte sie nichts vor. Sie verzog nur den Mund zu einem lautlosen schauderhaften Lachen.Die Flurbeleuchtung schien dabei auf das Gesicht der dunklen Gestalt.Es war kein Gesicht.Es war ein Totenschdel!

*

Bedchtig schob die Gestalt die knchernen Hnde in die weiten rmel des Umhanges und ging gebeugt in jene Richtung, die Binnie Barnes genommen hatte.Sie sprte die Nhe von Menschen. Dieses ganze Schlo steckte voller Menschen. Es war eine beruhigende Nhe.Die Leute wrden ihr nicht davonlaufen. Sie wrde sie sich einzeln holen spter, und jeden fr sich. Und dann wrde sie groe Abrechnung halten.Vorlufig jedoch war es nicht gut, wenn im Schlo zu viel passierte. Am Ende kam sie nicht!Sie! Der Ha schttelte die dstere Gestalt. Unter der Kutte drang das Klappern der Knochen hervor.Die alte Rechnung mute endlich beglichen werden. Lange hatte es gedauert, aber jetzt war die Zeit reif. Wo stand geschrieben, da nicht auch Kniginnen ihre Schuld bezahlen muten?Die Gestalt schien ber den Boden zu gleiten. Die Kutte schwang und beulte sich rhythmisch, doch waren keine Schritte zu hren.Im Vorbergehen strich die Gestalt mit den knchernen Hnden ber eine Turnierrstung, die auf einem Sockel ihren Platz gefunden hatte. Der Rstung war ein Banner mit drei Lilien in den eisernen Handschuh gedrckt.Augenblicklich begann es in den Gelenken und Scharnieren der prchtigen Rstung zu knacken, als sei geisterhaftes Leben in sie gefahren. Hinter dem geschlossenen Helmvisier drang sogar ein abgrundtiefer Atemzug hervor.Die Gestalt schttelte sich in lautlosem Lachen. Die Macht war ihr jetzt gegeben, sie hatte das Ziel ihrer Wnsche erreicht. Sie war sogar imstande, unbelebter Materie Leben zu verleihen. Wie dieser Rstung.Sie machte eine knappe befehlende Handbewegung. Augenblicklich verstummte das Knacken und Knirschen, die Rstung stand wieder still.Unbelebte Materie gehorchte den Befehlen. Mit den Menschen war es nicht so einfach. Sie wehrten sich, wenn sie merkten, da der Zauber ber sie geworfen wurde.Wie diese dumme Gans Elspeth, die geschrien hatte, da das halbe Schlo zusammengelaufen war.Diesmal hatte es mit dem Mdchen nicht geklappt. Der Zauber hatte nicht schnell genug gewirkt. Um ein Haar htte das Mdchen sogar die richtige Gestalt droben auf der Treppe erkannt.Das Knochengerst in der Kutte schttelte den Kopf. Den Schatten an der Wand hatte das Mdchen gesehen. Aber der bewirkte den Zauber nicht. Elspeth war nicht blind geworden, ihre Augen waren nicht tot.Das lie sich ndern. Spter.Jetzt war ein anderes Opfer an der Reihe.Es wrde ein gutes und sehr ntzliches Werkzeug sein. Alles Teil eines raffinierten Racheplanes.Unhrbar glitt die grausige Gestalt in der Kutte weiter durch das Schlo. Sie verschwand im Zwielicht, das am Ende des Seitenganges herrschte.Dann fiel eine Tr zu.Es war dieselbe, durch die Binnie Barnes kurz zuvor Balmoral verlassen hatte.

*

Mister Meredith lie sich eine Handlampe reichen.Gewissenhaft leuchtete er jeden Winkel droben im Bereich der Treppenmndung aus. Obendrein war noch die Hauptbeleuchtung eingeschaltet.Wenn sich hier oben jemand verbarg, konnte er nicht bersehen werden. Das war ganz ausgeschlossen.Natrlich hatte sich niemand versteckt. Wo und wie denn auch? Das hatte er von Anfang an gewut. Weil es den Unheimlichen nicht gab. Weil der ein Hirngespinst war.Mochte der liebe Himmel wissen, was Elspeth Karnavon gesehen hatte.Mister Meredith war heilfroh, da er nicht allein losgezogen war, um ein Phantom aufzuspren. Die Gentlemen aus London, die ihn begleiteten, zhlten nicht. Um so schwerer wog das Dabeisein einiger Leute vom Personal.Die muten sich mit eigenen Augen berzeugen, da es hier keinen Geist und keinen Unheimlichen, keinen Schatten und keinen Eindringling gab.Meredith lie die umliegenden Rume untersuchen. Sogar Abstellkammern und eine Teekche, die nur in Betrieb war, wenn die knigliche Leibwache auf Balmoral weilte.Der Erfolg war absolut Null.Siegessicher schaute Meredith das Personal an. Das war es dann wohl, denke ich. Hier war nichts, hier war nie etwas.Die Mienen drckten aus, da die Leute so halb bereit waren, ihm zu glauben. Aber eben noch nicht ganz.Und dieser Jeremy zeigte nach wie vor ein aufsssiges Gesicht. Aber der zhlte nicht. Der war der jngste mnnliche Bedienstete, und aufgefallen war er Meredith nur durch ein vorlautes Mundwerk und die stndige Bereitschaft, mit den Mdchen anzubndeln.Darum klang die Stimme des kniglichen Statthalters und Schloverwalters ungewhnlich scharf, als er sich an den jungen Mann wandte: Sind Sie anderer Ansicht, Jeremy?Der Junge wute zwar, da es besser war, den Mund zu halten. Aber wie Mister Meredith zu ihm sprach, war das schon ein persnlicher Angriff.Der Kerl ist doch lngst abgehauen, erwiderte er darum. Es wurde viel zu lang rumgetrdelt. Bei dem Krach hat der Bursche es leicht gehabt, unbemerkt zu verschwinden. Vielleicht gibt es hier sogar Geheimtren.Davon ist mir nichts bekannt!Sie wrden es auch nicht zugeben, wenn es anders wre weil Sie es gar nicht drfen, hhnte Jeremy Bentham. Ich wte schon, wo ich drauen zu fragen htte und wem ich mal auf die Zehen treten wrde. Elspeth hat von einer gnomenhaften Gestalt gesprochen. Im Umkreis von zwanzig Meilen kenne ich nur einen, der wie ein Gnom aussieht. Und wei der Teufel, der Kerl knnte durch jedes Kellerloch kriechen und sich auch durch eine noch so kleine Geheimtr quetschenHalten Sie den Mund! verlangte Meredith aufgebracht. Wie knnen Sie es wagen, derart unerhrte Verdchtigungen gegen den Mller auszustoen? Auf den zielen Ihre bsartigen Worte. Er ist ein Krppel. Niemand mag ihn. Ich wei Bescheid, Jeremy. Sie plappern auch das hirnlose Geschwtz nach, das man ber diesen Mann dauernd hrt. Ich wnsche aus Ihrem Mund nie wieder etwas Derartiges zu hren.Aber er ist der einzige begehrte Jeremy auf. Er war von jeder Einsicht weit entfernt.Schweigen Sie auf der Stelle! verlangte Meredith.Jeremy prete die Lippen zusammen, bis sie nur noch einen schmalen Strich bildeten. Mochte Meredith glauben, was er wollte, aber dem Mller mute jetzt mal auf die Zehen getreten werden. Der war's. Mit ziemlicher Sicherheit jedenfalls.Die Leute aus dem Dorf sagten ja auch, da mit dem etwas nicht stimmte.Nicht nur Jeremy traf seine Entscheidung in Bezug auf den Mller. Auch die Gentlemen aus London hielten es fr dringend geraten, diesen ominsen Mller unter die Lupe zu nehmen. Das gab es ja, da ein migestalteter Mensch vom Ha auf seine Umgebung zerfressen wurde.Und vielleicht hatte es mal einen Zwist zwischen dem Mller und dem Schlo gegeben, der nie beigelegt wurde.Das lie sich bestimmt alles feststellen.Meredith gab die Handlampe zurck und betrachtete verstohlen und sorgenvoll die Gesichter seiner Begleiter. Er glaubte die Gedanken von jeder Stirn lesen zu knnen.Dieser Jeremy war nichts weiter als ein dummer eitler Schwtzer, der nachplapperte, was die Leute im Dorf sich erzhlten! Mit seiner dummen Anschuldigung hatte der Lmmel den Mller in Verdacht gebracht!Meredith und seine Begleiter hatten schon fast die Treppe erreicht, als ein dezentes Knacken und Prasseln sie innehalten lie.Die Gerusche drangen aus einem Raum, den sie gleich zu Beginn ihrer Suche grndlich durchforscht hatten.In Jeremys Augen blitzte es triumphierend auf, als wollte er sagen: Na, bitte, ich hab's doch gewut, der Unheimliche ist immer noch da. Er hlt uns blo zum Narren! Aber keiner soll mir mehr erzhlen, es wrde ihn nicht geben!Die Herren aus London schauten auch ziemlich skeptisch und wuten nicht so recht, was sie aus der Situation machen sollten.Lloyd Emerson Meredith machte erzrnt auf dem Absatz kehrt und stie die Tr auf, hinter der die Gerusche erklangen.Seine Hand, die zum Lichtschalter griff, erstarrte in der Luft.Im Raum war es, obschon das Licht nicht eingeschaltet war, recht hell.Die Helligkeit und das Knacken und Prasseln stammten von dem lustig flackernden Kaminfeuer.Meredith richtete es langsam die Nackenhaare auf. Und nicht nur ihm.Es war Sommer, da zndete kein vernnftiger Mensch ein Kaminfeuer an.Auerdem konnte seit der Durchsuchung gar niemand heraufgekommen sein und ein Feuer gerichtet haben.Und drittens war vorhin die Feuerstelle leer und blank gewesen. Ohne Asche. Ohne aufgeschichtetes Holz.Meredith beugte den Kopf vor. Eine seltsame Farbe hatten die Flammen! So sah er noch nie ein Kaminfeuer brennen!Das nackte Entsetzen packte ihn und seine Begleiter, als er inmitten der tanzenden Flammen ein Menschengesicht erblickte, das zu ihnen herschaute und ihnen hhnische Grimassen schnitt.Die zuckenden Flammen schufen das Gesicht. Einem richtigen Menschenantlitz zum Verwechseln hnlich, nur da es aus purem Feuer bestand.Ein Brausen und Fauchen erfllte mit einem Schlag den groen Raum.Den beiden Londoner Hofbeamten verschlug es die Sprache. Sie sprten jetzt, was die Leute meinten, wenn sie vom Grauen sprachen.Jetzt war ihnen nicht mehr zum Grinsen zumute wie an dem Tag, als sie nach Balmoral kamen und hrten, die Leute wrden sich schrecklich vor dem Unheimlichen frchten.Sie hatten das Gerede fr aberglubisches Geschwtz gehalten und den Unheimlichen bestenfalls fr einen besonderen Witzbold aus dem Dorf oder aus der Umgebung, der sich einen deftigen Spa daraus machte, in einen dunklen Umhang gewickelt den Menschen zu erscheinen oder sie durch Fensterscheiben zu erschrecken.Dieses Feuergesicht im Kamin war der reinste Hllenspuk!Das war kein Menschenstreich und auch kein derber Spa.Gott steh uns bei, der Feuerteufel! stie der Diener hinter Meredith gurgelnd hervor.Der Unheimliche! fgte der Elektriker chzend hinzu.Mit Verdchtigungen gegen den migestalteten Mller war Jeremy fix bei der Hand gewesen. Jetzt fiel ihm berhaupt nichts ein. Er hatte nur Angst. Und wie erst!Die Flammen wurden fahl und silbern, das Gesicht zog sich in die Lnge. Es hatte mit niemand, den Mister Meredith und die Bediensteten kannten, auch nur eine entfernte hnlichkeit.Flammenbndel schossen aus dem feurigen Mund, Rauch stob aus den glhenden Nasenlchern. Es war ein unertrgliches Bild.Der flammende Mund bewegte sich. Er formte Worte. Sie blieben unverstndlich.Heimlich kniff sich Meredith in den Arm, weil er fr einen schlechten Traum hielt, was er sah. Er erwartete, im Bett aufzuwachen.Der Schmerz gab ihm zu verstehen, da er nicht trumte. Und ein gellender Schrei neben seinem rechten Ohr machte ihm klar, da er auch keine Halluzination erlebte. Auch seine Begleiter nahmen dieses grauenhafte Feuergesicht wahr und frchteten sich nicht weniger als er.Der Diener hatte geschrien.Er prete sich jetzt die bebenden Hnde vor die Augen. Dann krmmte er sich und taumelte. Er streifte einen der Hofbeamten und brachte den Mann zu Fall.Meredith entsann sich mit siedendheiem Schrecken des Gemunkels ber den Unheimlichen. Der sollte den Menschen das Augenlicht weghexen knnen!Ein frchterliches Ahnen berkam ihn. Er fing den taumelnden Diener auf, drckte ihn gegen den Trstock und bog ihm mit Gewalt die Arme vom Gesicht weg.Wo der Diener eben noch Augen gehabt hatte, bewegten sich weie Kugeln. Es gab keine Pupillen mehr.Tote Augen drehten sich rollend in den Hhlen.

*

Mister Merediths Schrecksekunde schien eine kleine Ewigkeit zu whren. Der Anblick, das Begreifen des Entsetzlichen lhmte seine Entschlukraft.Der Unheimliche steckte dort im Feuer. Aus den Flammen hatte er seinen vernichtenden Zauber ber den Diener geworfen und ihm das Augenlicht gestohlen.Und wenn der Unheimliche sich nicht damit zufrieden gab? Wenn er sich noch ein Opfer auswhlte?Raus! schrie Mister Meredith in einer Lautstrke, die man nie zuvor auf Balmoral vernommen hatte. Raus hier! Niemand schaut ins Feuer!Er stie den erblindeten Diener vor sich her.Der Elektriker und Jeremy schalteten schnell. Sie drckten die Hnde vor die Augen und hasteten hinaus. Jeremy rammte den festgestellten linken Trflgel. Er geriet aus dem Gleichgewicht, strzte um ein Haar und warf sich instinktiv in die richtige Richtung, nmlich auf den Flur hinaus. Nicht eine Sekunde lang nahm er die Hnde von den Augen weg.Meredith hob den gestrzten Hofbeamten vom Boden auf und schob ihn unsanft vor sich her.Der Feuerschein auf den Wnden wurde heller und greller. Pltzlich klang ein Brausen auf. Mit einem Schlag war es stockfinster im Raum.Mister Meredith wagte es, einen Blick ber die Schulter zu werfen.Wo eben noch das Feuergesicht aus dem Kamin gegrinst hatte, von einer Flammenlohe eingerahmt, zeigte sich ghnende Schwrze. Im Kamin brannte kein Feuer, es war nicht einmal ein Funken Glut vorhanden.Als seien Hllenfurien hinter ihm her, rettete sich Meredith hinaus und schlug erst einmal die Tr zu. Dann merkte er, da er schlechte Figur machte. Er berwand seine Angst und sagte so khl, wie ihm eben mglich war: Wir werden auf alles eine vernnftige Antwort finden. Ich bin sicher, es gibt eine ganz einfache Erklrung.Mit einem Sprung stand Jeremy vor ihm und ging mit den Fusten auf ihn los. Erklrung? Einfach? Richard ist blind, sehen Sie denn das nicht? Was wollen Sie da noch erklren? Der Unheimliche hat ihm tote Augen angehext! Er wird uns alleEiner der Hofbeamten packte den jungen Mann von hinten, drckte ihm den Unterarm gegen den Hals und erstickte sein Geschrei abrupt.Jetzt drfen wir nicht die Nerven verlieren, sagte der Mann mit einer Stimme, in der im Gegensatz zu seinen Worten noch das Entsetzen mitschwang. Was hier geschieht, mu ich nach London melden, das ist Ihnen doch klar, Meredith.Man wird mich davonjagen. Der Verwalter nickte ergeben.Unsinn. Man wird die besten Kriminalbeamten heraufschicken. Oder die Knigin mu ihre Urlaubsplne ndern. Solange wir nicht wissen, was hier geschieht, darf sie unter keinen Umstnden nach Balmoral kommen.Jeremy lief schon leicht blau an.Bringen Sie den Jungen nicht um! bat Meredith.Der Hofbeamte lockerte den Griff. Ganz friedlich, junger Mann. Was wir jetzt am wenigsten gebrauchen knnen, ist eine Panik unter dem Personal. Helfen Sie mit, da es nicht dazu kommt. Falls Sie den Mund nicht halten, feuere ich Sie eigenhndig, und ich werde dafr sorgen, da Sie im ganzen Knigreich keinen Job mehr bekommen.Jeremy verstand nur die Hlfte. Aber immerhin soviel, da er das Maul halten sollte und da sie hier etwas vertuschen wollen. Er nickte. Hauptsache, er kam erst einmal hier weg!Der wrgende Druck verschwand von seinem Hals. Er schluckte und schaute Meredith mit einem mrderischen Blick an. Dann machte er einen Schritt zur Seite, um aus der Reichweite des Hofbeamten zu kommen, den er hinter sich wute.Das knnen Sie niemals totschweigen! zischte Jeremy. Oder wollen Sie Richard ins Verlie sperren lassen? Dann mssen Sie uns schon dazusperren.Das ist nicht meine Absicht. Meredith hatte seine Stimme wieder unter Kontrolle. Ich erwarte lediglich, da Sie schweigen, bis die Kriminalpolizei da ist. Er wandte, sich an den Hofbeamten. Wie lange wird das dauern, Finchley?Hchstens bis morgen nachmittag.Meredith fate Jeremy ins Auge. Sie haben es gehrt. Ich denke, wir verstehen uns, nicht wahr?Jeremys Rebellion brach zusammen. Er nickte. Er gab klein bei.Meredith sttzte den blinden Diener Richard, der versuchte, die Finger in die toten Augen zu bohren. Das Wimmern des Mannes konnte sogar einen Stein rhren.Finchley fate sich ein Herz und ging noch einmal in den Raum, in dem der Feuerteufel im Kamin getanzt hatte. Er war nach zwei Minuten schon wieder zurck.Unfabar, murmelte er, es ist kein Holz auf dem Rost und keine Asche darunter. Das Eisen und die Ofensteine sind eiskalt. Meredith, was haben wir denn gesehen? War das kein Feuer?Ein anderes Feuer, als wir es kennen, frchte ich, sagte der knigliche Verwalter mit gedmpfter Stimme. Es war etwas aus einer anderen Welt. Ich frchte, es wird wiederkommen. Immer wieder.Also glauben Sie auch an den Unheimlichen, fate Finchley khl zusammen. Ich habe seine Existenz angezweifelt, als ich herkam. Jetzt bin ich davon berzeugt, da es ihn gibt. Meredith, ich mu sofort London verstndigen. Es duldet keinen Aufschub!

*

Die Bume warfen drohende Schatten. berall auf dem Weg zum Dorf schien Gefahr zu lauern.Harvey htte mich heimbringen knnen, dachte Binnie Barnes. Ein Fumarsch zurck zum Schlo htte Harvey nichts ausgemacht! Mnner sind mutiger! Mein Gott, habe ich eine Angst pltzlich! Oder er htte mich mit dem Auto fahren knnen. Es steht jetzt ja doch nur herum. Ich bin noch nie in einer so vornehmen Limousine gefahren!Binnie schwankte zwischen Stolz auf ihre Eroberung, rger ber die Unaufmerksamkeit von Harvey und Furcht vor der Nacht, durch die sie heimwrts schritt.Zu bld auch, da ihr die Drawden, dieses Pferd, in die Schmuserei mit Harvey hineingeplatzt war. O ja, er war verrgert und sauer, und deshalb war er nicht mit ihr zum Dorf gegangen! Jetzt verstand Binnie.ber ihre Angst kam sie dennoch nicht hinweg.Sie hrte Gerusche, die sie nie zuvor vernommen hatte. Grausig hrte es sich an.Da ! Ein Eulenruf, der in ein Froschquaken berging und abri.Eine Katze miaute ganz klglich, und im nchsten Moment fauchte es, als wre ein Lwe los.Wie Lwen fauchen, wute Binnie. Sie war mal in Edinburgh gewesen und hatte einen Bummel durch den Zoo gemacht.Waren da nicht auch Schritte hinter ihr? Noch weit zurck in der Nacht, aber deutlich zu hren?Sie blieb stehen und lauschte. Sollte Harvey es sich berlegt haben?Da kamen Schritte. Aber anders, als Harvey ging. Harvey hinkte nicht.Wer immer ihr durch die Nacht folgte, hinkte jedoch.Das Gefhl einer Gefahr wurde eindringlicher, drohender.Glhten da nicht zwei Augen in der Nacht?Binnie begann zu laufen.Das Kleid wickelte sich um ihre Beine und behinderte sie. Die Strickjacke rutschte ihr von der Schulter. Sie bekam sie gerade noch zu fassen, bevor sie in der Finsternis zu Boden fiel und zurck blieb.Die verfolgenden Schritte klangen schon sehr viel nher. Das galt ihr Binnie sprte es mit erschreckender Deutlichkeit.Sie schrie gellend und rannte um ihr Leben.Ungehrt verhallte ihr Schrei in der mondlosen Nacht.Das Dorf war zu weit entfernt. Binnie sah nur ein paar Lichter in weiter Ferne. Aber sie hoffte, sie zu erreichen. Dort im Dorf war sie geborgen. Dort waren Menschen. Ihre Leute. Dort war sie in Sicherheit.Sie nherte sich dem Flu. Feuchter Nebel kroch aus dem Wasser des Dee und legte sich um Bsche und Bume und auf den Weg.Angstvoll lauschte Binnie hinter sich. Ihre Lungen arbeiteten so laut und ihr Herz schlug so heftig, da sie die verfolgenden Schritte nicht hrte.Schon hoffte sie, da niemand mehr hinter ihr war, da sie den Verfolger abgeschttelt hatte, wer immer es war.Aber dann hrte sie ihn. Er rannte ebenfalls. Nur keuchte er nicht Es schien ihm berhaupt nichts auszumachen, so schnell laufen zu mssen.Von Angst getrieben warf sich Binnie herum und hetzte weiter.Ihre Lungen schmerzten, glhende Stiche fuhren ihr durch die Brust, als sie endlich die schmale Brcke aus dem Nebel auftauchen sah. Auf dem anderen Ufer lag das Dorf. Die Lichter waren zum Greifen nah.Binnie hrte den Verfolger schon ganz dicht hinter sich rennen. Das war ein Mann. Sie zweifelte nicht lnger. Nur ein Mann hielt das durch. Und er hinkte.Sie kannte niemand, der hinkte.Ihre Schritte hmmerten ber den Bohlenbelag der Brcke. Aus der Nacht schlte sich der mchtig in den Himmel ragende Schatten des Kirchturmes. Ein paar Sterne funkelten hinter dem Turmkreuz.Die Kirche Pater Ryan der Doktor!ber ihrer Angst hatte Binnie fast den Auftrag von Mrs. Drawden vergessen. Jetzt erinnerte sie sich.Sie schrie wieder. Warum hrte denn niemand im Dorf, da sie in Not war?Vielleicht hrten der Pater und der Doktor sie.Sie ging nur selten zur Kirche. Aber Pater Ryan wrde ihr Schutz gewhren. Ganz sicher. Und schlielich war da auch noch Doktor Vilion, der alte grobe Kerl, der vor niemand Respekt hatte.Hinter Binnie stampften Schritte ber die Brckenbohlen. Sie kamen immer nher. Nichts hielt sie auf.Angesichts der rettenden Kirche noch von dem unbekannten hinkenden Verfolger eingeholt zu werden, brachte Binnie fast um den Verstand. Sie wollte noch einmal einen Schrei ausstoen.Nur ein Rcheln kam aus ihrem Mund. Sie hatte sich vllig verausgabt, die Krfte verlieen sie.Sie taumelte vollends ber die Brcke und sprte pltzlich einen harten Griff an ihrem Arm.Entsetzt fuhr sie herum.Der Verfolger hatte sie eingeholt. Er trug eine Kutte, und unter seiner Kapuze lugte ein Totenschdel heraus.Binnies Herz setzte kurz aus. Dann sank sie in Ohnmacht.Der Unheimliche fing sie auf und warf sich die schlaffe Mdchengestalt mhelos ber die Achsel.Er blieb eine Weile lauschend stehen, das kncherne Antlitz dem Dorf zugekehrt. Das Mdchen hatte mehrmals laut gerufen. Es war schon mglich, da es jemand gehrt hatte und nachsehen kam, was die Schreie zu bedeuten hatten.Andererseits waren die Leute vom Dorf Balmoral nicht besonders neugierig. Schon gar nicht in einer Nacht wie dieser.Ein Hund schlug an. Ein anderes Tier antwortete vom Ende des Dorfes. In der Nhe klappte eine Tr.Der Unheimliche streckte eine Knochenhand aus. Sofort wallte und brodelte der Nebel viel strker aus dem Dee, wogte unter der Brcke her und kroch das Ufer herauf.Er verdichtete sich zu einem Wall und entzog den Unheimlichen allen zuflligen Blicken aus dem Dorf.Ein zufriedenes Kichern drang aus dem Totenschdel. Eine Knochenhand ttschelte das ohnmchtige Mdchen. Mit dir habe ich besondere Plne, mein Tubchen. Du wirst keine toten Augen haben, wenn ich dich zu ihnen zurckschicke, aber du wirst mir ebenfalls willenlos gehorchen.Er machte eine Handbewegung. Der Nebelwall zog sich um ihn und Binnie Barnes zusammen und hllte sie ganz fest ein.Hinkend tappte der Unheimliche mit seiner Last davon.Er kehrte nicht ber die Brcke zurck nach Schlo Balmoral, er hielt sich auch nicht an den Flu. Er schritt auf das Dorf zu.Niemand sah ihn mit seiner Last.Er versumte, einen Blick zurck zu werfen.So entging ihm, da am Ende der schmalen Brcke Binnies Strickjacke auf den Bohlen lag.

*

Mit gebter Bewegung schttelte Doktor Vilion die beinernen Wrfel und lie sie aus der Hand ber den Tisch rollen.Sieben! zhlte er die Augen und schaute grimmig. Sie mssen mehr bringen, oder der Abend geht endlich mal an mich.Er spielte mit Pater Ryan das alte schottische Brettspiel Nairack.Jeden Donnerstag setzten sie sich im Pfarrhaus zusammen und lieen die Wrfel klappern. Die Haushlterin des Geistlichen suchte das Weite, sobald der Doktor kam. Sie besuchte dann im Dorf ihre Leute. Seit zwanzig Jahren wetterte sie gegen das Teufelsspiel.Pater Ryan focht das nicht an, solange sie ihn nicht beim Bischof verpetzte, und Doktor Vilion stellte sich schwerhrig. Auerdem glaubte der sowieso an nichts. Er kam nicht mal an Weihnachten in die Kirche.Aber seit zwanzig Jahren verlor er jeden Donnerstag bescheidene Betrge an Pater Ryan und nannte das seinen Beitrag zur Erhaltung der Christenheit.Und Pater Ryan strich ohne Skrupel die Gewinne ein und fllte damit die Kollekte auf, mit der ihn seine geizigen schottischen Schflein nicht gerade verwhnten.Anfangs hatten sich die beiden hufig gestritten. Nairack wurde mit Wrfeln aus richtigem Menschengebein gespielt, und Doktor Vilion hatte sich erboten, fr das rechte Material zu sorgen. Pater Ryan hatte das als gottlos und lsterlich bezeichnet und die Wrfel aus Stierknochen schnitzen lassen.Darum knnte er nie gewinnen, behauptete der Doktor. Sie wrden Nairack nicht richtig spielen.Aber in diesem Punkt hatte der Geistliche nicht mit sich reden lassen.Inzwischen waren sie zwei grimmige alte Herren geworden und fast so verwittert und abweisend wie das Land.Da bewegten sich die Freuden des Lebens in recht bescheidenen Grenzen. Ein Bauer lieferte von seinem Whisky, den er heimlich in einem versteckten Hochtal brannte, ins Pfarrhaus. Donnerstags labten sich die beiden alten Mnner daran. Und sie fanden bescheidenes Vergngen beim Spiel.In manchem Jahr brachte der knigliche Hof aus London Leben ins Dorf. Wenn die knigliche Familie Ferien auf Schlo Balmoral machte statt auf Schlo Windsor.Pater Ryan und der Doktor wurden davon aber eigentlich wenig berhrt Sie registrierten die fremden Gesichter und sahen manchmal die knigliche Familie aus der Ferne. Damit hatte es sich.Der Hof brachte eigene rzte mit. Fr einen alten krummknorrigen Kerl wie Vilion war da kein Bedarf.Erst recht nicht fr Pater Ryan. Der Hof war anglikanisch, und er war mit Haut und Haaren katholischer Geistlicher. berhaupt steckte in ihm wie in jedem rechten Schotten die Erinnerung an das traurige Schicksal von Maria Stuart Was ja wirklich kein Grund war, um die Englnder zu mgen. Darum war es Pater Ryan ganz lieb, da die Anglikaner fr sich blieben.In den zurckliegenden Jahren war ein Besuch der kniglichen Familie auf Schlo Balmoral nie ein Gesprchsthema fr die beiden Mnner gewesen. In diesem Jahr wurde diese Tradition beendet.Der Doktor hatte den Bruch herbeigefhrt. Und schon den ganzen Abend befand er sich in einer Stimmung, als htte er Pater Ryan noch eine hchst unangenehme Erffnung zu machen und wollte diesen Augenblick nur mglichst lange hinausschieben.Pater Ryan griff nach den beinernen Wrfeln und schttelte sie in den hohlgehaltenen Hnden klappernd durcheinander.Sie mssen sie auch aufs Brett werfen, Vilion, nicht auf den Tisch. Das macht den Unterschied. Er lie die Wrfel in den flachen Holzkasten rollen.Sie kollerten dort herum und blieben endlich liegen.Elf! vermerkte Pater Ryan zufrieden. Der Abend gehrt mir. Die schottische Kirche dankt Ihnen von Herzen, lieber Vilion. Er zog den bescheidenen Gewinn zu sich heran.Grimmig sah Vilion sein Geld verschwinden. Reden Sie mir nicht ein, es lge an diesem alten Kasten. Ich vermute eher, Sie hauen mich mit himmlischen Beistand bers Ohr. Zwanzig Jahre Glck in Folge, das erzhlen Sie mal Ihrer Gemeinde, aber nicht mir.Gott ist mit den Tchtigen, meinte Pater Ryan zufrieden. Er go fr jeden noch einen Schluck Whisky in die Glser.Mit seinen Priestern, wenn sie einen armen Landarzt ausplndern, knurrte Vilion. Das glaube ich eher. Sonst aber lt er seine Gefolgsleute im Stich.Lstern Sie nicht! mahnte der Geistliche. Gott lt niemand im Stich. Allenfalls erlegt er harte Prfungen auf.Dann hat er sich fr Mindy aber einen besonderen Hrtegrad einfallen lassen. Gestern ist ihm drben im Schlo das Dach vom Blumenhaus auf die Birne gefallen. Sie haben mich erst gerufen, als sie ihn schon ausgegraben hatten. Sah ganz lieblich zerschnitten aus, kann ich Ihnen sagen. Ich habe mehr Nhgut verbraucht, als man zum Stopfen einer alten Pferdedecke ntig hat. Dabei fiel mir auf, da was mit seinen Augen ist. Heute morgen wute ich dann Bescheid. Es hat ihn auch erwischt. Seine Augen sind tot. Wenn das eine gttliche Prfung ist, Pater, dann ist Ihr himmlischer Brtchengeber ein Sadist. Es tut mir leid, aber anders vermag ich das nicht zu sehen.Pater Ryan erschrak sichtlich. Mindy auch? Lieber Himmel. Vilion, was kann das nur sein?Nehmen Sie den Leuten nicht die Beichte ab? Sie mten sonst schon vom Unheimlichen gehrt haben.Verschonen Sie mich mit diesem Aberglauben. Und versndigen Sie sich nicht!Was ist an einem alten Kerl wie mir, der schon soviel auf dem Kerbholz hat, noch zu verderben? Fragen Sie Ihre Haushlterin. Die schlgt dreimal das Kreuz, wenn sie mich sieht. Tja, und was mit unseren Blinden ist, das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Es gibt keine medizinische Erklrung dafr. Heute gucken die Leute noch munter und vergngt aus ihren Augen, und morgen sind diese Augen tot. Ohne Anzeichen einer Erkrankung.Eine Seuche vielleicht, deutete Pater Ryan schchtern eine Mglichkeit an.Seit hundert Jahren hatten wir hier keine Seuche weder eine andere noch eine, bei der die Leute innerhalb von wenigen Stunden restlos erblinden. Es ist ja gar nichts mehr da keine Iris, keine Pupille, keine Krause. Nur noch ein weier rollender Augapfel.Ich wei, es ist ein schreckliches Los. Der Geistliche rumte das Nairack-Spiel beiseite und schlo es in eine Truhe ein.Das ist Satanswerk, aber kein Los! wetterte der Doktor. Man hat mich zu den armen Teufeln gerufen. Wenn alles nichts mehr hilft, dann schreit man nach Vilion. Dann soll ich ein Wunder vollbringen. Die Leute htten besser Sie gerufen, fr Wunder bin ich nicht zustndig.Man hat mich gerufen, bekannte Pater Ryan kleinlaut.Aha, und die Wunder haben nicht stattgefunden, versetzte Vilion ketzerisch. Ich habe mit den Leuten geredet. Es ist schwierig, sie knnen ihr Schicksal noch nicht fassen. Sie sind verzweifelt. Aber ich habe aus ihnen herausgebracht, da sie zuvor dem Unheimlichen begegnet sind. Die alte Chadwick war im Wald und hat ihre Kruter gesammelt, und da ist ihr ein Kerl in einer Kutte aufgefallen, der am Rand der Lichtung stand und ihr zugesehen hat. Sie kann sich nur noch daran erinnern, da pltzlich Nebel ber den Boden herangekrochen ist. Der Kerl am Waldrand war fort.Pater Ryan machte energische Handbewegungen. Ihr Geist ist verwirrt, das wissen Sie. Wer wei, was sie gesehen hat.Na, dann warten Sie nur mal ab. Nach Hause gefunden hat sie jedenfalls noch, aber mit ihren Augen war schon etwas. Sie hat alles verschwommen gesehen. Morgens waren dann ihre Augen tot. Zwei Tage spter hat's den jungen Burgess erwischt. Der war auf der Kirchweih in Ballater und schlief seinen Rausch im Straengraben aus. Die Klte hat ihn in aller Herrgottsfrhe auf die Beine gebracht und heimgetrieben. Nach einem Stck Weges hat ein Kerl in einer Kutte vor ihm gestanden. Dicker Nebel ist kniehoch ber die Strae gequollen. Ian Burgess war die Sache unheimlich, er wollte davonlaufen. Aber der Nebel war berall und hat ihn eingehllt. Sein Gesicht soll wie Feuer gebrannt haben, als es mit dem Teufelsnebel in Berhrung kam. Heimgefunden hat er jedenfalls nicht mehr aus eigener Kraft. Seine Augen mssen innerhalb von einer Stunde tot gewesen sein. Sie wissen ja, da man ihn drauen vor dem Dorf gefunden hat, wo er auf einem Kartoffelfeld herumgeirrt ist.Sie brauchen es mir nicht in aller Ausfhrlichkeit aufzutischen, versetzte Pater Ryan gereizt. Ich wohne immerhin hier und wei Bescheid. Burgess ist etwas Schreckliches zugestoen, das will ich nicht in Abrede stellen. Aber das mit der unheimlichen Gestalt in der Kutte braucht nicht die Wahrheit zu sein. Bedenken Sie, Vilion, er hat doch sicher gehrt, was die Witwe Chadwick erzhlt hat. Und sicher war er noch nicht nchtern. Da hat er sich eingebildet, eine Gestalt in einer Kutte erblickt zu haben.Wenn ich es mir mit meinen Diagnosen auch nur so einfach machen knnte wie Sie! Fllt Ihnen dann zu McKnee auch so eine lockere Erklrung ein? Sein Geist ist nicht verwirrt, auf der Kirchweih war er auch nicht jetzt wird's schwierig fr Sie! Die Bosheit leuchtete Vilion aus den Augen.Pater Ryan legte die Hnde zusammen. Dazu vermag ich wahrhaftig nichts zu sagen. McKnee hat einen guten Leumund, ist fleiig und arbeitsam und hat noch keinen Sonntag in der Kirche gefehlt, seit er mit seiner Familie hergezogen ist. Vilion, vielleicht handelt es sich um ein Gas.Chemiedreck und so, was? Daran hatte ich auch schon gedacht, aber solches Sauzeug wrde den Leuten die Augen zerfressen und die Haut dazu. Und man htte das auch gerochen. Dreimal knnte eine tzende Gaswolke nicht unbemerkt vorbeistreichen. Aber abgesehen davon woher sollte das Gas kommen? Wir haben hier weit und breit keine Industrie, keine Firmenlager, keine Depots. Mittlerweile habe ich diese Vermutung auch beiseite geschoben. Heute frh hat man mich zu Mindy gerufen. Seine Augen sind tot, das sagte ich ja. Ich habe ihn ein wenig ausgefragt. Bevor das Glasdach auf ihn herabgekommen ist, hat er unseren Unheimlichen im Blumenhaus stehen sehen. Es war der Kerl in der Kutte. Der Bursche hat schaurig gelacht und zu Mindy gesagt, er werde ihn zu seinem Werkzeug machen. Dann ist mit einem Schlag alles voller Nebel gewesen. Mindy konnte nicht sehen, in welche Richtung der Unheimliche verschwunden ist. Jedenfalls war der weg, bevor das Dach einbrach. Mindy hatte nicht so viel Glck. Pater, vier Blinde in etwas mehr als einer Woche, viermal sieht man den Kuttenmann, viermal quillt unheilbringender Nebel umher dafr gibt es keine natrliche Erklrung.Sie denken an einen Spuk? Pater Ryan rang sich diese Worte mhsam ab.Spuk Geistertreiben Teufelsspiel das ist doch nur Haarspalterei! Ich lebe ein Menschenalter hier, ich kenne das Land und die Leute, ich kann Ihnen die Huser zeigen, in denen ich selber schon Geister habe rumoren hren. Was wir gegenwrtig erleben, hat es in ganz Schottland noch nicht gegeben, darauf mein Wort als Arzt. Da sind bersinnliche Krfte im Spiel.Instinktiv griff Pater Ryan an sein Brustkreuz, das er an einer Kette um den Hals trug.Nicht, da ich Ihnen nicht glauben wrde, Vilion, aber sind Sie ganz sicher? Meinen Sie, wir htten es hier mit dunklen Mchten zu schaffen?Dunkle Mchte sind gar kein Ausdruck. Wtend kippte sich der Doktor den Inhalt des Glases hinunter und reckte auffordernd dem Geistlichen das leere Gef hin. Geben Sie mir noch was, ich denke, ich habe so eine lung ntig.Sachte, sachte! mahnte Pater Ryan. Er hatte es nicht gern, wenn der Doktor den gottlosen Menschen so deutlich herauskehrte. Zgernd go er ihm noch daumenbreit Whisky ein, verkorkte die Flasche und stellte sie demonstrativ unter den Tisch, damit deutlich machend, da es jetzt nichts mehr gab. Den Fall gesetzt, die armen Menschen htten sich nicht getuscht und Mindy htte sich nicht verhrt was knnte dieser dieser Unheimliche damit gemeint haben, da er ihn zu seinem Werkzeug machen will?Darber habe ich mir den halben Vormittag den Kopf zerbrochen. Ich habe keine Antwort gefunden. Etwas anderes gefllt mir nicht. Warum geschehen diese grauenhaften Dinge gerade jetzt? Und bei uns? Man knnte fast auf den Gedanken kommen, es htte mit dem baldigen Eintreffen der kniglichen Familie zu tun.Pater Ryan schaute ihn entsetzt an. Wenn das wahr wre! Nicht auszudenken! Vilion, selbst auf die Gefahr hin, da wir uns blamieren, mssen wir etwas unternehmen. Wir wenden uns an Mister Meredith. Als kniglicher Verwalter ist er verpflichtetDer wirft uns raus, unterbrach der Doktor. Wenn er uns Gehr schenkt, gibt er zu, da er an die Existenz des Unheimlichen glaubt. Und wenn sich dann noch abzeichnet, da sich das bse Treiben mglicherweise gegen das Schlo richtet, luft ihm das Personal davon. Ich habe gestern mitbekommen, da die Stimmung nicht gut ist. Die Leute haben Angst. Wenn erst bekannt ist, da auch Mindy tote Augen hat, steigert sich die Angst zur Panik. Ein Schloverwalter, dem die Knigin ins Haus steht und der sie ohne Personal empfangen mu, macht eine verdammt schlechte Figur. Aus diesem Grunde wird er uns gar nicht empfangen. Ich traue ihm zu, da er die Hunde auf uns hetzt.Das nehme ich auf mich hren Sie nicht? Pater Ryan legte den Kopf schief und lauschte.Dnn und hoch gellte ein verzweifelter Schrei in der Ferne.Doktor Vilion stemmte die knotigen Hnde auf den Tisch und stand auf. Mit wuchtigen Schritten strebte er der Tr zu. Dabei sagte er mit einem Beiklang von boshafter Hoffnung: Ihre Haushlterin wird doch nicht in den Flu gefallen sein?Was sollte sie drben auf der anderen Seite suchen?Schade, knurrte Vilion.Bitte? Ich verstehe heute abend immer so seltsame Dinge. Pater Ryan schraubte sich hinter dem Tisch hoch.Der Doktor blieb die Antwort schuldig. Er ffnete die Tr. Und gerade war wieder eine Hilfeschrei in hchster Not zu hren. Er kam unverkennbar aus weiblicher Kehle. Und vom Flu her.Ein Hund schlug im Dorf an.Doktor Vilion strmte aus dem Pfarrhaus. Er war zwar alt und grau und krumm, aber er war nicht lahm. Und er kannte keine Furcht.Scheulicher Nebel wallte vom Flu gegen das Dorf her. Die schmale Brcke war nicht mal zu ahnen. Stockfinster war es obendrein.Vilion meinte, Bohlengeklapper zu hren. Das Gerusch wiederholte sich jedoch nicht. Dafr tappten Schritte heran, und schnaufend sagte Pater Ryan: Ich htte Sie fast nicht gefunden, Vilion. Seltsam, um diese Jahreszeit gab's noch nie solchen Nebel.Kommen Sie, ich meine, auf der Brcke etwas gehrt zu haben. Der Doktor schritt schon weiter.Eigenartig fanden sie es ja schn, da sich der Nebel lichtete, je nher sie zum Flu und zur Brcke kamen. Mitrauisch blieb Vilion stehen und sog schnuppernd die Luft ein.Der Nebel roch nach nichts. Nur feucht war er.Endlich tauchte voraus das Balkengerst der Brcke auf.Wie an unsichtbaren Fden gezogen segelten die letzten Nebelfetzen ber das Wasser davon. Es sah aus, als wrden sie sich irgendwo drben unter den Bumen sammeln und dann auflsen.Pater Ryan sprte, wie es ihm die Nackenhaare aufrichtete.Das ist Hexenwerk! murmelte er und schlug drei Kreuze.Oder der Unheimliche hat seine Visitenkarte hinterlassen. Vilion spuckte im hohen Bogen ins Wasser hinunter. Was ist denn das?Auf den Bohlen sah er etwas Helles liegen. Nur ein paar Schritte entfernt.Er hob es auf und befhlte es. Es war aus Wolle. Eine Jacke mit langen Armen und gestrickt, wenn ihn nicht alles tuschte.He, ist hier jemand? rief er mit knarrender Stimme.Der Pater zuckte zusammen. Vom anderen Ufer schimpfte ein Kuzchen ber die Strung. Der Dee-Flu gluckste leise und drckte sein dunkles Wasser unter der Brcke her. Im Dorf bellte wieder ein Hund.Antwort von einer menschlichen Stimme bekam der Doktor nicht.Sie warteten bald zehn Minuten und kehrten schlielich zum Pfarrhaus zurck. Die Ungewiheit, wer da so gellend geschrien hatte, und das Erlebnis mit dem geisterhaften Nebel bedrckte sie. Ein Gesprch kam nicht mehr auf.Die Haustr stand auf, aus dem Flur fiel Licht. Die Haushlterin war heimgekommen. Ich komme besser nicht mehr mit hinein, sagte Vilion ahnungsvoll und drehte und wendete die Strickjacke. Wem gehrt die? Kennen Sie sie?Einer Frau, konstatierte der Geistliche und schnupperte an der Jacke. Sie bentzt ein Parfm.Also ist sie was Besseres, meinte der alte Doktor grimmig. Die Frau vom Lehrer und Ihre streitbare Kchin bentzen aber kein Parfm. Jedenfalls ist mir das noch nie aufgefallen. Es knnte sich also um jemand handeln, der drben im Schlo angestellt ist und nachts zu seinen Leuten heimkommt. Ich nehme die Jacke an mich.Sobald ich etwas hre, schicke ich zu Ihnen, lieber Vilion, versprach der Geistliche und hrte drinnen seine Haushlterin wegen der zwei Glser wten, die sie jetzt noch splen mute.Der Doktor verabschiedete sich knapp und nahm den Heimweg am Fluufer entlang. Es konnte ja doch jemand ins Wasser gestrzt sein; das lie ihm keine Ruhe.Er rief immer wieder, schaute sogar an den seichten Stellen nach, fand aber niemand.Und wenn der Unheimliche wieder seine Hand im Spiel hatte? berlegte er.Vilion drckte die Strickjacke fester an sich.Sein Haus lag dem Pfarrhaus entgegengesetzt. Er hatte keine Haushlterin, und er pries sich deswegen glcklich. Er liebte nmlich seinen Frieden.Im Haus roch es zwar etwas muffig, weil er stndiges Lften fr wenig sinnvoll hielt, aber er hatte sich daran gewhnt, und seinen Patienten blieb gar nichts anderes brig, als sich ebenfalls daran zu gewhnen. Er war der einzige Arzt im Umkreis von fnfzig Meilen.Er lie die Haustr hinter sich zufallen und stand eine Weile in der Dunkelheit am Fenster. Sein Blick ging hinaus auf das Dorf, in dem nur noch die Straenlampen brannten.Irgendwo dort drauen war der Unheimliche.Wie im Krampf zog Vilion die krumme Schulter hoch. Dem Unheimlichen mute das Handwerk gelegt werden, gleichgltig, wer er war und was er beabsichtigte.Aus der Strickjacke stieg sanfter Parfmduft.Vilion wurde es etwas eigenartig ums Herz. Er war nie verheiratet. Vorgehabt hatte er es ja, aber dann hatte er keine Zeit dafr gehabt, und schlielich war ihm sein Mdchen davongelaufen und hatte seinen besten Freund genommen.Er ri sich von seinen Erinnerungen los und knipste das Licht an.Das Telefon stand im Flur auf einer handgeschnitzten Kommode. Der Platz hatte den Vorteil, da er berall im Haus das Luten des Apparates hrte. Selbst whrend der Sprechstunde.Doktor Vilion nahm den Hrer ab und tat das, was er als waschechter Schotte noch nie in seinem Leben gemacht hatte er rief die Polizei an. Nicht die schottische in Aberdeen.Sondern die englische in London.

*

Frh um acht Uhr lutete verdchtig herb das Telefon.Verschlafen angelte ich mit beiden Armen in zwei verschiedene Richtungen zum Nachttisch und auf den Platz neben mir.Das Telefon auf dem Nachttisch erwischte ich. Kathleen nicht. Der Platz war schon leer.Ich hatte den Hrer schon am Ohr und rief schlaftrunken: Wo bist du? Dabei peilte ich in Richtung Bad. Die Tr stand auf. Durch den Spalt glaubte ich Kathleens Wuschelkopf zu erkennen.Und jetzt hrte ich auch, da Wasser aus der Dusche rauschte.Aus dem Hrer knarrte unangenehm die Stimme meines Chefs: Welche Spiele treiben Sie denn jetzt wieder, Mac? Er hstelte. Ich erwarte Sie in einer Stunde in Whitehall.Guten Morgen erst mal! erwiderte ich nicht weniger knurrig. Dann merkte ich, da ich keinen Gesprchspartner am Telefon hatte. Sir Horatio Merriman hatte bereits aufgelegt.Whitehall dort befindet sich unsere Zentrale. Jeder Geheimdienst mu schlielich seine Zentrale haben. Ich war beim britischen Geheimdienst. Und weil am Ende nur der Erfolg zhlt, war es Sir Horatio eigentlich herzlich gleichgltig, wann ich zum Dienst antrat. Er vertrat darin einen sehr grozgigen Standpunkt.Wenn er jedoch derart heftig und dringend auf einem ganz frhen Termin bestand, dann mute ihm irgendwo der Haferbrei angebrannt sein. Und dann meinte er neun Uhr und nicht ein Augenzucken spter.Im Bad hrte das Rauschen auf.Morgen, Siebenschlfer! wnschte Kathleen. Wer war dran?Mein Schneider. Ich habe die letzte Rechnung nicht bezahlt. Ich schwang die Beine aus dem Bett.Kathleen steckte den Kopf aus der Badezimmertr. Sie hatte sich noch nicht zurechtgemacht und sah dennoch schon hinreiend aus. Ein nachdenklicher Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht.Entweder war es eine andere Frau! Sie fixierte mich. Oder es war dein Chef. Nur in diesen beiden Fllen verfallen die Mnner auf die nicht sehr originelle Idee, ihren Schneider vorzuschieben. Sie seufzte, und ihr hbscher Busen hob sich unternehmungslustig. Reicht es noch zu einem kleinen Frhstck?Fr das einladende Bild, das sie bot, hatte ich leider keine Verwendung. Obschon ich ihr jederzeit den Vorzug vor Sir Horatio gegeben htte, was das betrifft.Aber ein Frhstck wollte ich ihr nicht abschlagen.Ich zauberte etwas aus Bchse und Khlschrank zusammen, und whrend der Tee zog, machte ich im Bad meinen Stoppelbart nieder und stellte mich unter die Brause.Kathleen hatte inzwischen den Tisch gedeckt. Sie entwickelte hausfrauliche Talente. Das mahnte mich zur Vorsicht. Denn von Hause aus war sie eine hartgesottene Geschftsfrau mit zwei Boutiquen, die ihr mehr einbrachten, als wir zu zweit verjubeln konnten.Jedenfalls rechnete sie mir das in regelmigen Abstnden vor.Aber ich wollte lieber von meinem Gehalt leben, selbst wenn es mir keine groen Sprnge erlaubte.Kathleen hatte sogar ein winziges Blumenstruchen organisiert.Hbsch, wie du das machst, lobte ich. Dann beguckte ich die Blumen genauer. Ich wollte schwren, da sie bis eben noch auf dem Nachbarbalkon geblht hatten.Nicht wahr? Kathleen strahlte mich an. Und frivol fgte sie hinzu: Das kann ich auch. Was hltst du vom Heiraten?Ich hatte so etwas geahnt. Ein Morgen, der mit einem dringenden Anruf von Sir Horatio begann, konnte kein gutes Ende nehmen.Viel, sagte ich und grinste dster. Aber wer nimmt uns zwei schon?Sie gab mir einen Tritt unter dem Tisch und sagte vernichtend: Du bist ein Schuft! Dann go sie Tee ein, und danach fragte sie besorgt: Tut's sehr weh?Ich bin unverwundbar, versicherte ich ihr.Wir erledigten das Frhstck in ungebhrlicher Hast. Ich verfrachtete Kathleen in meinen MG und setzte sie in Covent Garden vor ihrem Hauptgeschft ab. Ihre Top-Verkuferin kam heraus und blinzelte mir zu. Ich winkte hflich zurck, weil es zu nichts Gutem fhrt, wenn man das Spiel weiter treibt.Ich kannte mal einen Kerl aus Soho, schwerreich und wahrscheinlich ein Gangster, der dieses Geschft ganz konsequent betrieben hatte. Und weil er in kleinen Dingen ein gesetzestreuer Brger war und zweitens wute, was sich gehrt, heiratete er seine Mdchen. Drei. Der Reihe nach.Blo verga er dazwischen, sich scheiden zu lassen. Als er endlich auf den Trichter kam, war's natrlich zu spt. Da hatte er schon drei Schwiegermtter.Zuletzt hrte ich von ihm, da er nach Frankreich abgehauen sein sollte. Mit einer neuen Puppe. Der Kerl wurde nie schlau, scheint's.In Whitehall fand ich im ersten Anlauf keinen Parkplatz. Ein Wachsoldat, der mein verzweifeltes Rangieren sachkundig beobachtete, empfahl mir: Lassen Sie doch die Luft raus, klappen Sie den Kleinen zusammen und nehmen Sie ihn in der Hosentasche mit rauf.Ich versuchte, den Burschen mit Blicken zu erdolchen. Er zeigte sich leider wenig anfllig.Im zweiten Anlauf kriegte ich dann ein Pltzchen fr meinen Sportflitzer, und mit einem gewaltigen Spurt schaffte ich es, das Vorzimmer meines Chefs zu erreichen, bevor der kleine Uhrzeiger auf die Neun rckte.Barbara Hicks, die pferdegesichtige Sekretrin von Sir Horatio, hatte schon wieder den unvermeidlichen Tee vor sich stehen. Sie zog die Brauen hoch und schaute mich vernichtend an.Ich mute unbedingt im Terminkalender vormerken, da ich ihr zum Geburtstag einen Ballen Heu schenkte. Sie mochte mich nicht. Einmal hatte sie sogar gesagt, sie tte mich nicht mal mit der Feuerzange anfassen, wenn sie mte.Bei ihr kam ein Mann schon gar nicht auf seltsame Gedanken. Sie hatte auch keinen. Vielleicht war sie deshalb so giftig.Bei Sheila Green, der zweiten Sekretrin, stellte man schon eher gemtliche Betrachtungen an. Die schwarze Sheila hatte alles, was Barbara Hicks fehlte. Vor allem Figur.Hinter der Tr von Sir Horatio ging es laut her. Er hatte Besuch. Ich litt unter Ahnungen. Das roch nach einem heiklen Auftrag, bei dem sich niemand die Finger verbrennen wollte. Auer mir.Auf einem Tablett war Teegeschirr hergerichtet. Ich wies darauf.Zittern Sie mir auch einen Tee in die Tasse, sagte ich zu Barbara Hicks und rckte den Krawattenknoten gerade. Sitzt er? wandte ich mich an Sheila.Ihre schwarzen Augen brannten wie Hllenfeuer. Es geht Sie schaute amsiert an mir hinab. Wenn Sie morgen auch noch zwei gleiche Socken anziehen, ist der Gentleman perfekt.Ich zuckte leicht zusammen. Verflixt, in der Hast vorhin hatte ich nicht auf solche Kleinigkeiten geachtet. Oder Kathleen hatte mir ein gemischtes Sockenpaar untergeschoben.Ein Gentleman ist selbst im Nachthemd ein Gentleman, lie ich Sheila wissen und zeigte mit dem Daumen auf die Tr. Hoher Besuch, oder was bedeutet der Lrm sonst?Sie sind zehn Sekunden ber die Zeit! Barbara Hicks scho Blicke ab, als wollte sie mich durch die geschlossene Tr katapultieren.Seufzend sagte ich: Ich merke schon, die Damen sind wasserdicht wie ein gutes Alibi.Damit ffnete ich formlos die Tr. Als einziger Mann vom Geheimdienst hatte ich dieses Privileg. Ich war ja auch meine eigene Spezialabteilung.Wenn Sir Horatio seinen guten Tag hatte, sagte er ja auch, er sei froh, da es mich gbe. Leider hatte er nicht oft seinen guten Tag.Aber krzlich hatte ich seine verstorbene Lieblingstante davor bewahrt, von einem leichenfressenden Ghoul verspeist zu werden. Seitdem hatte ich alle erdenklichen Freiheiten.Drei Besucher waren beim Chef. Wie auf Kommando drehten sie den Kopf.Sie hatten alle den angestrengten Blick, wie es so schn heit, und einer war krebsrot. Sie waren streng und auffallend korrekt gekleidet gestreifte Hose, schwarze Jacke, schneeweies Hemd und dunkle Krawatte.Sie sagten mir nichts, ich hatte sie noch nie gesehen.Sir Horatio erhob sich. Ich hrte sein Aufatmen.Mister Mac Kinsey, stellte er mich vor. Das ist Ihr Mann! Er machte mich mit den strengen Gentlemen bekannt.Der mit dem krebsroten Gesicht hie Argill und war Kmmerer Ihrer Majestt der Knigin. Der lteste hatte einen gewichsten grauen Schnurrbart und hie Lestershire. Er war der Chef der kniglichen Leibwache.Der dritte im Bunde hrte auf den Namen Pennymaker. Wie ein Falschmnzer sah er nicht gerade aus. Ich wunderte mich auch nicht. Ich hatte schon Leute mit ganz anderen Namen getroffen, die klangen, als htten sie sich die selber gegeben und die dennoch echt waren. Von Beruf war Pennymaker Reisemarschall.Mir schwante etwas. Die Herren kamen aus dem Buckingham-Palast. Die Sommerferien standen vor der Tr. Offensichtlich hatten die Gentlemen in diesem Zusammenhang ein Problem.Ich versuchte, ein wenig in ihren Gedanken zu spionieren. Manchmal klappte das. In letzter Zeit hatte ich jedoch die Feststellung gemacht, da mich meine Gabe hufig im Stich lie. Eigentlich seit dem Zeitpunkt meiner Bekanntschaft mit Miriam, der tausend Jahre alten Hexe aus Soho.Ich mute sie mal fragen, ob sie mir einen Bann angehngt hatte.Sir Horatio wies auf einen freien Stuhl, rusperte sich und nahm Platz. Sie wissen, Mac, da die knigliche Familie in diesem Jahr die Ferien nicht auf Windsor Castle, sondern auf Schlo Balmoral im schottischen Hochland verbringt?Bisher nicht, aber jetzt bin ich im Bilde, sagte ich und setzte mich bequem.Von Windsor Castle wute ich nur, da es die grte bewohnte Burg der Welt ist und eine knappe Fahrstunde westlich von London liegt. Dort gewesen war ich weder dienstlich noch als sonntglicher Besucher.Nach Schlo Balmoral hatte ich auch noch nie meine Schritte gelenkt. Am schottischen Hochland schtzte ich nur den Whisky. Und ein paar Menschen, mit denen mich besondere Erlebnisse verbanden.Zum Beispiel ein Teufelsaustreiber, der mir eine Zauberwurzel gegen den leichenfressenden Ghoul gegeben hatte.Die Besucher schwiegen, und Sir Horatio half ihnen dabei. Sie berlieen mich ungestrt meinen mglichen berlegungen. Aber Hellseher war ich nicht, und das Spionieren in ihren Gedanken klappte mal wieder nicht.Dann wnsche ich der kniglichen Familie einen angenehmen Aufenthalt auf Balmoral, sagte ich. Oder soll ich mitkommen und auf die Kronjuwelen aufpassen?Argill, der Kmmerer, ging hoch wie ein Fa Pulver. Ich glaube nicht, da er der richtige Mann ist!Glauben heit nicht wissen, meinte Sir Horatio mit mildem Lcheln. Er wickelte einen Gegenstand aus einem braunen Packpapier. Eine respektable Streitaxt kam zum Vorschein.Dann bernehme ich wohl die Einweisung, sagte er und fhrte mit dem Kriegsinstrument aus verflossenen Tagen einen sausenden Hieb durch die Luft.Lestershire blickte pikiert. Pennymaker kriegte vor Staunen den Mund nicht mehr zu.Ich grinste mir eins. Die Herren muten Sir Horatio fr einen vllig eingerosteten Schreibtischmenschen gehalten haben. Aber ich wute, da er sich fit hielt. Manchmal sah ich ihn sogar im Trainingsanzug seine Runden durch den Hyde-Park drehen, und zwei Angehrige unseres Vereins brausten ihm schwitzend hinterdrein. Ohne Leibwache kam auch der Chef eines Geheimdienstes nicht aus.In der kommenden Woche wird die knigliche Familie nach Balmoral reisen, begann Sir Horatio. Der Hof hat die bliche Voraustruppe entsandt. Nun ereignen sich seit zehn Tagen eigenartige Dinge in der Umgebung des Schlosses. Im Dorf und unter dem Personal erzhlt man sich hinter vorgehaltener Hand, ein Wesen in Mnchskutte treibe sein Unwesen. Man spricht vom Unheimlichen. Er zeigt sich den Leuten, dann wallt Nebel ber den Boden, und danach erblinden die Betreffenden.Ein tzgas, sagte ich vorschnell; Sir Horatio dmpfte mit einer Handbewegung meinen Eifer.Das ist es nicht, fuhr er fort. Mit ziemlicher Sicherheit jedenfalls. Denn die Augen der Opfer sind tot. Sie bestehen nur noch aus rollenden weien Kugeln. Ohne Pupille, verstehen Sie. Der Unheimliche hext den Opfern die toten Augen an. Eine alte Frau namens Chadwick ist erblindet. Geistig soll sie nicht voll auf der Hhe sein, aber das steht in keinem Zusammenhang mit dem schrecklichen Geschehen. Das nchste Opfer wurde ein junger Tunichtgut namens Burgess, das dritte ein braver Familienvater namens McKnee. Bis dahin suchte sich der Unheimliche seine Opfer auerhalb des Schlosses.Er machte eine Pause.Und bei mir klingelten die Alarmglocken. Seine Worten deuteten an, da der Unheimliche seine Gewohnheiten gendert hatte.Vorgestern nun zeigte sich der Unheimliche dem Gehilfen des Grtners. Das Dach eines Gewchshauses brach ber dem Mann zusammen. Gestern frh stellte man bei ihm ebenfalls tote Augen fest. Wie bei den anderen. Ebenfalls gestern lste sich aus unerfindlichen Grnden im Schlo diese Streitaxt von der Wand und zertrmmerte um ein Haar einem Hofbeamten der Vorausabteilung den Kopf. Die Waffe wurde unverzglich nach London gebracht und auf Fingerabdrcke untersucht. Es sind nur die des Beamten gefunden worden, der sie angepackt hat. Die Wandhaken sind brigens unversehrt, und es ist ein Rtsel, wie sich die Streitaxt berhaupt lsen konnte.Der Chef legte das Mordinstrument in das Packpapier zurck. Er strich sich ber die Augen.Gestern am spten Abend beobachtete ein Dienstmdchen des Schlosses eine unheimliche Gestalt auf der Treppe im groen Vestibl merken Sie sich die rtlichkeiten, Mac! Zudem quoll Nebel die Treppe herab. Das Mdchen rief ber die Sprechanlage um Hilfe. Ich vermute, das hat ihr die Augen gerettet. Kurze Zeit spter waren der Verwalter Meredith, Hofbeamte und Leute der Dienerschaft bei ihr. Meredith mu wohl auf das Gerede vom Unheimlichen recht allergisch reagieren, er ordnete jedoch an, den betreffenden Abschnitt des Schlosses zu durchsuchen. Er bernahm sogar die Leitung. In einem Kamin, der zum Heizen gar nicht vorbereitet war, zeigte sich ein flammendes Antlitz, von Feuer eingerahmt und hhnisch grinsend. Ein Diener namens Richard verlor fast auf der Stelle das Augenlicht. Er ist das fnfte Opfer. Mglicherweise ist ein weiteres zu beklagen. Heute morgen ist eine Wscherin, die sonst bei ihren Leuten im Dorf wohnt, nicht auf dem Schlo erschienen. Eine Nachprfung hat ergeben, da sie gestern gar nicht bei ihren Leuten angekommen ist.Ich beobachtete die Gesichter der Besucher. Sie waren wie versteinert, aber voller Unglaube. Und damit reagierten sie ganz normal.Die Mnner hielten das Treiben finsterer Mchte fr ausgeschlossen und schlimmstenfalls fr Erfindungen von Schwatzbasen.An der rein sachlichen Darstellung von Sir Horatio hatten sie bisher allerdings nichts auszusetzen. Sie glaubten nur nicht, da ein bser Dmon den Opfern die toten Augen anhexte. Oder da er ihnen das Augenlicht stahl.Ich hielt's fr mglich. Denn ich wute, was die Mchte des Bsen zu bewirken vermochten.Ich wute auch, da es die Verschwrung der Finsternis gab. Sie zu bekmpfen war schlielich meine Aufgabe.Ich focht ja nicht gegen ein Hirngespinst.Sir Horatio wute, wie tdlich ernst und gefhrlich mein Job war. Er rusperte sich. Nachtragen will ich, da der Grtnergehilfe Mindy heit und die verschwundene Wscherin Binnie Barnes. In dieser Nacht ist brigens noch ein Anruf bei Scotland Yard eingegangen. Von einem gewissen Doktor Vilion. Der war mit dem Dorfgeistlichen zusammen. Gegen Mitternacht hrten sie Hilferufe und beobachteten einen eigenartigen Nebel ber dem Flu beim Dorf. Der Nebel verflchtigte sich binnen Sekunden. Merken Sie die Parallelitt, Mac?Ich nickte. Der Unheimliche schien eine Vorliebe fr Nebel zu haben.Auf der Brcke fand der Doktor eine Strickjacke, die unzweifelhaft von einer Frau getragen wurde. Es knnte sich um ein Kleidungsstck der verschwundenen Binnie Barnes handeln. Das wird zur Zeit berprft. Scotland Yard wandte sich an den Buckingham-Palast. Dort war man ber die seltsamen Vorgnge schon beunruhigt genug. Mac, wie ist Ihre Meinung dazu?Ich fahre hinauf, wie Sie das ja schon lngst bei sich beschlossen haben, sagte ich in der Art einer guten Vorwrtsverteidigung. Mir war lngst klar, da ich an die Front mute. Diesmal hinauf ins schottische Hochland.Die Namen und Fakten hatten sich schon in mein Gedchtnis gegraben. Wenn ich raufkam, wute ich schon, mit wem ich es zu tun hatte. Das ersparte umstndliche Recherchen.Aber zufrieden war ich nicht.Ich fate die Besucher des Chefs ins Auge. Sind im Schlo oder in seiner Umgebung schon mal hnliche Dinge vorgefallen? Ich meine frher. So was hlt sich doch im Volk.Der Kmmerer schaute mich verbittert an. Nein. Wir wten das.Sagen Sie das nicht. Vielleicht ist mal im Mittelalter was vorgekommen. Oder noch frher, als das Schlo noch gar nicht stand. Die Schotten neigten immer zu Geisterkult und finsteren Beschwrungen. Ich wei, da man heute noch Spuren ihrer mystischen Zentren findet. Da oben gibt es geheimnisvolle Steinringe und verfallene Tempel, deren Steinblcke man heute noch nicht bewegen kann. Vielleicht liegt ein Fluch auf der Gegend. Oder ein Dmon ist erwacht.Lestershire brauste auf: Wollen Sie uns zum besten halten?Keineswegs. Ich wei, wovon ich rede.Pennymaker schien am meisten besonnen zu sein. Er schttelte den Kopf. Man macht sich natrlich so seine Gedanken, sagte er mit einer blechern klingenden Stimme. Es ist aber nie etwas passiert. In der Richtung, die Sie andeuten. Gut, von Geistern und Gespenstern reden die Leute berall, auch in Balmoral. Etwas Konkretes ist mir nicht bekannt. Und ich war elf mal oben.Ich sah keine Ursache, ihm nicht zu glauben. Sind Drohungen im Buckingham-Palast eingegangen?Sie drucksten herum, und ich dachte schon, jetzt bekme ich den richtigen Faden in die Hand, an dem ich den mysterisen Fall der toten Augen aufspulen konnte.Gegen Prinz Andrew, bekannte dann der Kmmerer.Ein bergeschnapptes Fotomodell, fgte Lestershire hinzu. Er mute es als Chef der kniglichen Leibwache ja wissen. Die Sache ist bereinigt.Die Herren schauten genierlich. Ich vermutete mit einiger Berechtigung, da das Fotomodell den flotten Prinzen bedroht hatte, um ihn zu einem Abenteuer zu zwingen. In diesem Punkt ist er nmlich kein Kind von Traurigkeit. Aber whlerisch. Vor kurzem hatte er schon eine handfeste Affre mit einem Fotomodell gehabt, vom dem reichlich delikate Fotos in der Presse auftauchten.Ich schtzte, da es der Hof mit stillem Grollen zur Kenntnis genommen hatte.Sonst nichts?Sie schttelten den Kopf wie an der Schnur gezogen.Es mu ja nicht unbedingt gegen die knigliche Familie gehen, sagte Sir Horatio. Das wissen wir aber nicht, und das bleibt ein enormer Risiko- und Unischerheitsfaktor. Mac, Sie reisen sofort, es steht Ihnen alles zur Verfgung, was Sie fr ntig erachten.Damit war ich eigentlich entlassen.Sofort hie jetzt. Auf der Stelle.Aber mir ging ein Gedanke im Kopf herum. Ein sehr naheliegender. Vor lauter Bumen sahen Sir Horatios Besucher und auch der Chef den Wald nicht.Wei der Teufel, was ich dort oben vorfinde, sagte ich, und es war meine Absicht, da die Worte nicht allzu hflich klangen. Hat man sich am Hof auch schon mal Gedanken gemacht, da es vernnftiger wre, wenn die knigliche Familie in diesem Jahr eben nicht nach Schlo Balmoral fhre? Wre ich fr die Sicherheit verantwortlich, ich wte, was ich tte. Ist die Familie berhaupt darber informiert, was dort geschieht?Ich traf voll ins Ofenloch.Wie stellen Sie sich das vor? brauste Argill auf Man kann doch nicht zur Knigin gehen und sagen, sie soll umdisponieren, weil die fr ihre Sicherheit verantwortlichen Leute mit einem Problem nicht fertig werden.Na, die Koffer wird sie ja noch nicht gepackt haben. Ich wrde ihr schon nahelegen, auf Balmoral zu verzichten.Das das ist eine unerhrte Respektlosigkeit! zischte Lestershire. Sein gewichster Schnurrbart strubte sich bengstigend. Sie haben von nichts eine Ahnung, Mister Kinsey. Das HofzeremoniellLassen Sie sich mit Ihrem Hofzeremoniell begraben! riet ich ihm. Ich fahre hinauf, aber ich garantiere fr nichts, und ich behalte mir vor, notfalls eigenhndig die Knigin samt Familie auszuladen, wenn ich das fr angezeigt halte. Ich habe freie Hand, Sie haben gehrt, was Sir Horatio gesagt hat. Und bis nchste Woche das ist eine verzweifelt knappe Spanne.Argill verdrehte die Augen. Wir mssen uns in die Hnde eines Geisterjgers geben! Lieber Himmel, mit Britannien ist es weit gekommen! Ich schme mich vor der gesamten Nation.Nur Mut! munterte ich ihn auf. Es haben sich schon ganz andere Leute geschmt und haben es berstanden. Dabei fixierte ich Sir Horatio.Hatte er mich den Abgesandten des Buckingham-Palastes als Geisterjger empfohlen?Warum eigentlich nicht? Ich fhlte mich sogar ein ganz klein wenig geschmeichelt. Obwohl Geisterjger ja kein ordentlicher Beruf ist.Sir Horatio vermied es, mich anzusehen. Ich wute Bescheid. Er hatte den Besuchern gegenber dick aufgetragen. Und er baute auf mich.Ich stand auf.Bis dann! sagte ich mit einer ironischen Verbeugung gegen die Gentlemen. Sptestens beim Unheimlichen sehen wir uns wieder.Sie zuckten ganz erbrmlich zusammen. Es tat mir gut.

*

Ich packte Wsche fr unbestimmte Zeit zusammen.Ansonsten mute ich mit leeren Hnden reisen. Von einer Pistole abgesehen, die nach Dienstvorschrift zur Ausstattung gehrt. Ich bezweifelte, da sie mir gegen den Unheimlichen von Nutzen war. Deshalb packte ich sie ganz unten in den Koffer.Gegen den Unheimlichen mute ich antreten wie der nackte David gegen Goliath. Aber ich hatte zwei wertvolle Helfer meinen scharfen Verstand und meine Erfahrung mit Kreaturen der Finsternis.Ich mute die Dinge an mich herankommen lassen, dann handeln und hoffen, da es das richtige war.Als ich dem ominsen Leichenfresser auf der Spur war, hatte ich Kontakt zu einem mystischen Zirkel und zu einer Vereinigung von Magiern aufgenommen. Zwar hatte ich eine Menge gute Ratschlge gehrt, aber ntzliche Waffen hatte man mir nicht gegeben. Die einzige Ausnahme war der Teufelsaustreiber in Schottland. Notfalls mute ich ihn noch einmal um Hilfe angehen.Oder wenn ich vielleicht Miriam, die Hexe aus Soho, um Untersttzung bat? Wenn sie konnte, wrde sie mir die nicht abschlagen.Die Frage war nur, ob ich sie antraf.Besucher schien sie nur zu empfangen, wenn sie wollte.Ich rief Kathleen an und versuchte ihr zu erklren, da ich fr unbestimmte Zeit nicht verfgbar war. Sie schmollte, und sie wre nicht Kathleen gewesen, wenn sie nicht gefragt htte, ob eine Frau mich begleitete.Ehrlichen Herzens beteuerte ich, ich sei der einsamste Junggeselle Enlands. Sie knpfte mir das Versprechen ab, mich zu melden. Die Ble, mich zu fragen, wohin mich mein Auftrag fhrte, gab sie sich nicht.Das schtzte ich an ihr. Sie hatte Stil. Und Rasse.Die Schlssel fr die Wohnung gab ich beim Nachbarn ab.Den Koffer und die brigen Habseligkeiten verstaute ich auf dem Beifahrersitz und brauste noch einmal nach London zurck. Nach Soho.Miriam war nicht da. Eine Nachbarin in dem alten schmutzigen Haus sagte mir, sie htte sie seit Tagen nicht gesehen.Das brauchte nichts zu bedeuten. Oder alles. Miriam war eine Hexe, aber auch Hexen konnte etwas zustoen.Ich stieg die ausgetretenen Treppen hinauf und pochte gegen die Tr.Dahinter blieb es still.Ich berlegte, ob ich einfach eindringen sollte. Ein Besteck, dem auf Dauer nicht einmal ein Panzerschrank widerstand, hatte ich bei mir. Es wiederstrebte mir aber, mir Zutritt zu verschaffen. Das erschien mir als Arglist. Und Freunde gingen so nicht miteinander um.Wenigstens einen Blick durch das altertmliche Schlsselloch gestattete ich mir.Ich zuckte zurck. Vor kurzem hatte mich Miriam zum Tee empfangen, da hatte die Wohnung reinlich ausgesehen, auch wenn sie nicht aufwendig mbliert war.Was ich jetzt erblickte, sah wie ein uraltes Schreckenskabinett aus.Der Staub lag fingerdick auf Mbeln und Boden. Spinnweben spannten sich in den Ecken und zwischen den Sthlen und dem Tisch und dem Sofa.Und drinnen turnte vor dem Schlsselloch eine dicke fette Spinne herum und schien mich schadenfroh zu beugen.So sah ein Zimmer aus, das jahrzehntelang nicht bewohnt war.Zum Henker, war ich vor der falschen Tr gelandet? Ich war doch erst krzlich hier gewesen!Es war die richtige Tr und auch die richtige Wohnung. Ich erkannte die Anrichte mit der magischen Figur. Auch sie war von Spinnweben umgeben.Ich begriff, da ein weiteres Geheimnis Miriam umgab.Und ich verstand, da sie keinen Besuch wnschte. Vielleicht war sie sogar da. Mich sehen wollte sie jedoch nicht.Ich fuhr unverrichteter Dinge aus London hinaus. Meine Gedanken kehrten immer wieder zu dem schrecklichen alten Haus in der Berwick Street in Soho zurck.Die Folge war, da ich sehr unaufmerksam fuhr. Ein Lmmel in einem zusammengehmmerten Wagen nahm mir auerdem noch die Vorfahrt. Um ein Haar rasierte er meinem MG die Schnauze.Wtend drckte ich auf die Hupe.Der Kerl am Steuer winkte mir grinsend zu und verschwand mit seinem Rosteimer im Verkehrsgewhl.Die Reise nach Schottland fing ja gut an!Ich gab was auf Vorzeichen.Ein gutes war der Beinahe-Zusammensto nicht.

*

Binnie Barnes tauchte aus dem groen Nichts, aus der Schwrze der Ohnmacht auf.Sie wute nicht, wo sie sich befand.Ihr war kalt, sie frstelte. Aber Furcht hatte sie nicht.Das wunderte sie sehr, denn sie war uerst schreckhaft. Sie ahnte, da etwas mit ihr vorgegangen war, da sie eine Verwandlung erlebt hatte. Anders konnte sie sich ihren Zustand nicht erklren.Es roch feucht und moderig.Zunchst glaubte sie, vielleicht in einen alten vergessenen Keller von Schlo Balmoral geraten zu sein. In ein Gewlbe. Oder gar in ein Verlies. Solche gruseligen Rume sollte es geben.Dann zuckte sie einmal zusammen. Das war ihre ganze Reaktion. Hinter ihr waren Schritte gewesen. Sie hatte sich auf dem Heimweg vom Schlo zum Dorf befunden. Jetzt erinnerte sie sich, was gewesen war.Um Hilfe hatte sie gerufen. Aber es war niemand gekommen. Nur die paar Lichter vom Dorf hatten geblinkt. Wie ein hhnisches Zwinkern war es ihr erschienen.Gespenstisch hatte der Kirchturm in den Nachthimmel geragt. Auch die Kirche hatte sie nicht beschtzt. Sie war dem Verfolger ausgeliefert gewesen. Und er hatte sie eingeholt.Der Unheimliche!Er hatte die Kutte getragen, wie die Leute sagten. Unter der Kapuze hatte sie ein Totenschdel angegrinst.Dann war sie in ein bodenloses schwarzes Loch gestrzt.Da war noch etwas gewesen. Sie grbelte, berlegte.Richtig, mit Elspeth Karnavon hatte es zu tun. Ein Schock oder so etwas. Mrs. Drawden hatte ihr aufgetragen, deswegen beim Doktor vorbeizusehen und ihn aufs Schlo zu schicken, diesen alten, grlichen Kerl, der immer nach Schnaps roch.Den Doktor hatte sie nicht getroffen, sie entsann sich nicht. Es war ihr auch gleichgltig. Ein Gefhl der Trgheit durchstrmte sie. Es war ihr egal, was mit ihr war und was mit ihr geschah.Sie versprte nur bse Laune, sobald sie an andere dachte. An die Kolleginnen vom Schlo. An Mrs. Drawden, den alten Drachen. An Mister Meredith, den Leuteschinder.Sogar gegen Harvey, den Chauffeur, hegte sie unfreundliche Gedanken.Wie konnte sie nur! So schn war der Kerl auch nicht! Und auer einem Schferstndchen hatte er doch nichts mit ihr im Sinn gehabt. Einmal durchs Bett und dann vergessen!Zum Schein htte sie vielleicht auf seine Wnsche eingehen sollen und ihn in einen abgelegenen Teil des Kellers locken. Dann ein Sto hinein mit dem Kerl in einen finsteren Raum und die Tre fest verriegelt. Dann konnte er zusehen, wie er herauskam. Vielleicht htte man in vielen Jahren sein Gerippe gefunden und sich gefragt, wer das wohl gewesen sein mochte.Die Chance war vorbei. Auch das focht sie nicht an.Sie schaute sich um.Es mute ein Gewlbe sein, in dem sie steckte. Ein endloses Gewlbe allerdings. ber sich sah sie behauene Steine. Da und dort tropfte Wasser herab. An der Gewlbedecke und am Boden hatten sich schimmelige Flchen entwickelt.Eine seitliche Begrenzung ihres Aufenthaltsortes sah Binnie nicht.Die Wnde muten in unendlicher Ferne liegen. Wenn es berhaupt welche gab.Das war eine Geisterwelt. Es war niemals Schlo Balmoral.Sie registrierte ein gewisses Ma Neugierde. Vor allem auf den Unheimlichen. Der hatte sie verschleppt, soviel war ihr klar. Er hatte sie in sein Reich gebracht.Binnie bemerkte zugehauene Steinblcke. Sie muten vom Bau des geheimnisvollen Gewlbes briggeblieben sein. Jetzt standen sie hochkant herum. Irgendwie lieen sie sie an Opfersteine denken.Opfersteine?Auch das war ihr gleichgltig. Sie versprte eine Klte, die von innen kam. Eine Klte des Gefhls. Auch sich selber gegenber.Interessiert betrachtete sie einen solchen Stein. Er war mit unbekannten Schriftzeichen und Symbolen bedeckt. Mglich, da dies einmal ein Hort heidnischer Priester gewesen war. Oder sonst was.Auf einem benachbarten Stein sah sie ihre Schultertasche liegen. Das Kopftuch war noch um den Tragriemen geschlungen.Binnie hielt nach ihrer Strickjacke Ausschau. Die war nicht da.Sie zuckte die Achseln. Auch gut, war sie eben weg!Das seltsame Geisterreich war von einem milden Licht erfllt, das von berall her drang. Es stammte nicht von Lampen oder Lichtern, es sickerte aus dem Gewlbe wie das tropfende Wasser.Ein Brausen, Knacken und Prasseln lie sich pltzlich vernehmen. Hinter Binnie. Sie erschrak kaum. Fast geruhsam drehte sie sich um.Auf einem Opferstein lohte eine gewaltige Flamme. Sie spaltete sich in viele Zungen. Langsam formte sich in der Gluthlle ein Gesicht. Feurige Haare wehten um die Zge. Die Augen glhten wie zehn Sonnen.Dann bildete sich das Gesicht besser aus. Von Flammen eingerahmt betrachtete es Binnie.Wer bist du? fragte Binnie und trat nher.Frher wre sie bei einem solchen Anblick gelaufen, so weit sie die Fe trugen.Zehn Schritte vor dem Stein hielt sie an. Es erschien ihr ratsam, denn das Feuergesicht und die Flammen verstrmten eine vernichtende Hitze. Ihr blaues Kleid geriet sogar an mehreren Stellen in Brand.Binnie erstickte die kleinen Flammen mit der flachen Hand.Wer bist du? fragte sie wieder. Ein Geist? Oder der Unheimliche?Das Knacken und Prasseln verstrkte sich. Der feurige Mund formte Worte.Pltzlich erschtterte ein krachender Donnerschlag das Geisterreich. Instinktiv zog Binnie den Kopf ein, weil sie frchtete, das Gewlbe wrde herunterbrechen.Aus dem feurigen Mund erscholl ein zorniges Brllen. Das Gesicht verzerrte sich im Zorn. Irgendwie hnelte es jetzt dem Antlitz einer bsen alten Frau.Dann begann in der Nhe die Luft zu leuchten. Sie glhte bald heller als das Flammengesicht.Eine dunkle Gestalt entstand dort aus dem Nichts. Das Glhen hllte sie ein, blieb aber seltsam transparent. Binnie sah eine schwarze Kutte und eine Kapuze, die den Kopf der Gestalt bedeckte.Der Unheimliche!Er teilte mit den Hnden die glhende Hlle. Er hatte Totenhnde.Mit hinkenden Schritten trat er auf das Feuergesicht zu, das sich zu einer abstoenden widerlichen Fratze verzerrte.Du bist ungehorsam, redete er zu dem Feuergesicht. Er sprach mit einer echten menschlichen Stimme. Du handelst auf eigene Faust und gefhrdest meinen Plan. Das kann ich nicht dulden. Entweder du gehorchst, oder ich verwandle dich in Staub und Moder zurck. Du bist mir Dankbarkeit schuldig, denn ich habe dich erweckt. Gelobe beim zweieinigen Satanas, da du knftig in allem meinen Befehlen gehorchst!Das Feuergesicht war widerborstig. Lange Flammenzungen schossen aus der Glut und griffen nach dem Unheimlichen.Der aber hob nur die Knochenhnde. Wirkungslos schossen die Flammen an ihm vorbei und erloschen.Du bemhst dich vergebens. Er lachte tief und grollend, als dringe seine Stimme aus einem tiefen Brunnenschacht. Ich bin mchtiger als du. Ich kann dich jederzeit vernichten. Du bist mein Geschpf. Zeige Demut, oder dein Ende ist da!Er schleuderte die knochigen Hnde nach vorn.Eine unsichtbare Faust schien die Flammenlohe zusammenzuschnren.Das widerliche Fratzengesicht wurde zusammengedrckt. Es wuchs in die Lnge. Aus dem Feuermaul drangen entsetzliche Schreie.Zeige Demut! verlangte der Unheimliche. Bereue! Wer ist dein Gebieter und Herr?Du! wimmerte der Feuergeist. Ich bereue. Ich will dir in allem gehorchen. Ich schwre es beim zweieinigen Satan!Ein wildes Grollen und Rumoren drang augenblicklich aus dem Boden.Er hat es gehrt, dachte Binnie, die aufmerksam und ohne Furcht den Vorfall beobachtete. Satan ist gegenwrtig!Der Unheimliche wandte sich langsam um und hob gegen einen unsichtbaren Zuschauer die Hnde. Die weiten rmel der Kutte rutschten zurck und legten seine Knochenarme blo.Er hat es in deine


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