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Die Tochter des Pharao

Date post: 03-Jan-2017
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Page 1: Die Tochter des Pharao
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DIE TOCHTER DES PHARAO

1. KAPITEL

Sie rang verzweifelt nach Luft, aber v e r g e b e n s . Die Hand auf ihrem Mund d roh te sie zu e r s t i cken . Eine S t i m m e aus dem tiefen Dunkel f lüs ter te ihr zu: „Der J u n g e ! Hüte dich vor dem Jungen ! " Wild schlug sie mit den Armen um sich und schrie voller E n t s e t z e n : „Nein, ich will nicht s t e rben!"

Plötzlich fuhr sie im Bet t hoch, die Augen wei t aufgeris­sen . Kalter Schweiß s t a n d ihr auf der Stirn. Sie holte tief Luft. Sie lebte noch . . . sie w a r in ihrem Zimmer . . . zu Hause .

Es w a r also wieder g e s c h e h e n . Nur w a r d iesmal die War¬ nung, an die sie sich s t e t s e r inner te , w e n n der übrige Traum längs t verblaßt war, noch eindringlicher, noch leb­hafter. Der Tod, unvors te l lbar und gräßlich, w ü r d e bald k o m m e n , w ä h r e n d hinter ihr S t i m m e n „Happy Birthday" s ingen w ü r d e n .

Noch drei Tage bis dahin! Sie s c h a u d e r t e . Die Schnur der Ja lous ie schlug rhy thmisch g e g e n das

Fenster , und sie m a c h t e sich klar, daß ein Morgen ohne Bedrohung und ohne schreckl iche T räume vor ihr lag. Also los! Je schnel ler sie den Tag b e g a n n , d e s t o besse r . Sie wollte au f s t ehen , m e r k t e aber bald, daß sie noch zu zittrig in den Knien war. Ihre Arme und Beine fühlten sich hohl an, als ob ihnen das Mark e n t z o g e n w o r d e n w ä r e .

Sie ließ sich auf das Kissen zu rücks inken und d a c h t e da rübe r nach, w a s ihre Eltern wohl s a g e n w ü r d e n , w e n n sie sie j e t z t riefe und b ä t e , ihr beim Auf s t ehen zu helfen, w e n n sie ihnen s a g e n m ü ß t e , daß nach so vielen J a h r e n

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ihre lähmenden A l p t r ä u m e zurückgekehr t w a r e n , und zwar heft iger und bek lemmender als je zuvor. Zurückge­kehrt , um ihr mi tzute i len, daß die Zeit f a s t g e k o m m e n war, daß genau an ihrem siebzehnten Gebur ts tag . . .

„Das Kind hat aber auch eine Fantasie!" w ü r d e ihre Mut­ter sagen . Wie of t hat te Dana das schon gehört ! Na j a , vielleicht hat te ihre Mut ter ja recht. Viel leicht s te iger te Dana sich ja w i rk l ich völlig unbegründe t in diese entsetzl i¬ che A n g s t hinein.

Sie schüt te l te den Kopf und lachte. Mit dieser f a s t t r o t z i ­gen Heiterkeit löste sich auch die Starre ihres Körpers . Dana sprang auf, ihre A n g s t w a r v e r s c h w u n d e n . Sie zog die Jalousien hoch und ließ die w a r m e Frühl ingssonne auf ihr Gesicht scheinen.

I rgendwie k a m es ihr komisch vor, daß es draußen schon so hell war. Sie schaute auf die Uhr. Um Himmelswi l len , der Wecker hat te nicht funk t ion ie r t ! Sie w a r eine Stunde zu spät d ran ! Dabei w o l l t e n sie doch heut v o n der Schule aus zur Auss te l lung „Die Geheimnisse der Pharaonen" f a h r e n . In Windeseile zog sie sich an, s tü rz te aus ihrem Z i m m e r und rief: , ,Mom! Ich bin zu spät. Wir müssen s o f o r t los!"

A b e r keine Spur v o n ihrer M u t t e r — nur eine Zehndollar¬ note und ein Zet te l auf d e m Küchent isch , auf d e m s t a n d :

Liebes, ich kann dich heute nicht zur Schule fahren. Tut mir leid, du mußt dir ein Taxi nehmen. Dads Auto ist nicht angesprungen, und deshalb mußte ich ihn zum Zug bringen. Ich soll dir von ihm einen schönen Tag im A l t e n Ägypten wünschen. Die zehn Dollar kannst du auf den Kopf hauen. Grüß die Mumien von mir

M o m

Dana rannte z u m Telefon und w ä h l t e die N u m m e r des Tax iunternehmens. Besetzt! Jetz t konnte ihr nur noch ihr Fahrrad hel fen. Sie s türz te aus d e m Haus, sprang mit e i -

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nem Satz über das B l u m e n b e e t und riß die G a r a g e n t ü r auf. Unter zwei alten Autoreifen zog sie das Rad hervor, s c h o b es h inaus und fuhr los. Es w a r e n m i n d e s t e n s zwei Meilen bis zur High School.

Dana legte die S t r ecke von ihrer ruhigen, von B ä u m e n g e s ä u m t e n Voro r t s t r aße bis zur H a u p t s t r a ß e in Rekordzei t zurück. Sie bog nach links ein und fuhr ein paar Meter, bis ihr klar w u r d e , daß es a u s s i c h t s l o s war. Zwei g e c h a r t e r t e Busse , auf denen als Zielort NEW YORK a n g e g e b e n war, kamen ihr auf der a n d e r e n S t r a ß e n s e i t e e n t g e g e n und s a u s t e n an ihr vorbei — und alle ihre Mitschüler saßen drin.

Sie fuhren also t a t säch l i ch ohne sie! Und dabei w a r es ge r ade Dana g e w e s e n , die als J a h r g a n g s s p r e c h e r i n d iese Fahrt angele ier t h a t t e . Alle Welt sp rach von dieser Aus¬ stel lung, die Leute k a m e n von wei ther , um sie zu s e h e n . Und Dana w a r die einzige, die die Auss te l lung v e r p a s s e n w ü r d e . So ein Mist! Sie ließ ihr Rad a u s r o l l e n , m a c h t e ent¬ mut ig t kehr t und fuhr fast apa th i sch die H a u p t s t r a ß e her¬ unter. Sie spiel te mit dem Gedanken , nach Hause zu fah¬ ren, en t sch loß sich dann aber doch, in der S t a d t zu früh¬ s t ü c k e n .

Plötzlich sah sie ganz in der Ferne, daß einer der B u s s e vor e inem Schne l l r e s t au ran t anhielt . War sie doch noch rechtzei t ig zur Stelle? Mit ä u ß e r s t e r Kraft t r a t sie in die Pedale .

Zwei Minuten s p ä t e r hielt sie an der geöffneten Bustür . Der Fahrer wa r nicht da. Als sie sich u m d r e h t e , sah sie ihn mit dem Lehrer an e inem Münztelefon s t e h e n . Sie schie¬ nen eine A u s e i n a n d e r s e t z u n g zu h a b e n . Rasch s icher te Dana ihr Fahrrad an e inem Pfahl und s t ieg, sichtlich erleich¬ ter t , in den Bus .

Dana w u r d e von ihren Mitschülern mit „Hey, Dana!" be¬ grüßt, aber auch mit „Pech! Du bist im falschen Bus . Kein Platz mehr frei."

„Und der h ier?" fragte sie und d e u t e t e auf den einzigen

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freien Platz in der e r s t e n Reihe. „Da sitzt das Krüme lmons te r " , rief einer der J u n g s . Er

mein te Herrn Crumb, den Lehrer, der d raußen mit dem Busfahrer s t r i t t .

„Auf me inem Schoß ist immer Platz für dich, Schätz­chen", rief ihr eine Humphrey Bogar t -Diskovers ion zu. Da­na biß sich auf die Lippen und ließ ihren Blick durch den Bus w a n d e r n . Die Fahrt w ü r d e a n d e r t h a l b S t u n d e n daue rn . So lange s t e h e n . . .

„Du k a n n s t nicht s t e h e n " , s a g t e ein Mitschüler. „Der Busfahrer ist b e s c h e u e r t . Guck dir das an, wie er mit Krü¬ m e l m o n s t e r da rum kämpft, ob wir eine halbe S t u n d e frü¬ her oder s p ä t e r z u r ü c k k o m m e n . "

„Na u n d ? " griff ein ande re r ein. „Wo ist da s P rob lem? Die Leute s t e h e n doch auch s o n s t , w e n n der Bus überfüllt ist."

„Aber nicht bei S c h ü l e r t r a n s p o r t e n , das ha t i r g e n d w a s mit der Vers icherung zu tun . Glaub mir, der s e t z t sie w iede r vor die Tür.

„Dana", rief ein Mädchen , „setz dich doch aufs Klo und sperr die Tür ab . " Der Gedanke , die Fahrt über auf einer Toilette e ingespe r r t zu sein, v e r u r s a c h t e Dana Übelkeit. A b g e s e h e n davon h a t t e sie s chon immer eine Abne igung d a g e g e n gehab t , e i n g e s c h l o s s e n sein. J e m a n d b e r ü h r t e sie am r e c h t e n Arm, und sie d r e h t e sich um. Es war ein sehr großer, sch lanker J u n g e mit s c h w a r z e m welligen Haar und b raunen Augen . Er e rhob sich von s e inem Platz am Gang. Dana k a n n t e ihn nur vom Sehen , er w a r noch nicht lange an der Schule.

„Nein, bi t te . . .!" w e h r t e sie ab, als sie m e r k t e , daß er ihr seinen Platz ü b e r l a s s e n wol l te . „Du k a n n s t doch n i ch t . . ."

„Das ist s chon in Ordnung" , s a g t e er und b e u g t e sich zu se inem Si tznachbarn am F e n s t e r hinunter, um ihm e t w a s zuzuflüstern. E t w a s v e r ä r g e r t r u t s c h t e der a n d e r J u n g e auf den Platz am Gang und d e u t e t e auf den Fens te rp la t z .

Dana w a r so ü b e r r a s c h t über das Angebot , daß sie sich nicht einmal mehr h a t t e b e d a n k e n können , denn der groß-

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gewachsene Junge w a r schon auf d e m Weg zur Toi lette im hinteren Teil des Busses.

„ O h , S tephan" , zog ein Mädchen ihn auf, „ d u bist so romant isch!"

„Vielleicht hat er es aber auch nur mit d e m Magen" , k a m es v o n der letzten Reihe.

„Hal t 's Maul", b r u m m t e der Junge und w u r d e rot. Er zog die Toi le t tentür auf ung ging hinein.

Dana setz te sich gerade rechtzei t ig , bevor der Fahrer und Mr. Crumb w i e d e r e inst iegen. Beide schienen nicht gerade bester Laune zu se in .

„So, hört zu , Leute", begann der Fahrer in sehr u n f r e u n d ­lichem Ton , „ d a m i t ihr klar seht — im Bus w i r d nicht r u m ­geturn t . Ihr bleibt auf euren Plätzen. Es w i r d nicht her­umgebrül l t . Und Rauchen g ib t 's sowieso nicht."

„Und w a s ist mit 'nem Flachmann?" rief einer. „Klugscheißer", b r u m m t e der Fahrer. „Wie w ä r ' s , w e n n w i r los führen?" rief ein Junge v o n

hinten. „ E h , hört mal" , brüllte einer v o n den Footbal l -Typen, „ h a ­

ben Sie w a s gegen Bodychecks w ä h r e n d der Fahrt?" Der Fahrer preßte die Lippen z u s a m m e n und murme l te

e t w a s vor sich hin. Dann ließ er sich in den Fahrersitz fal len und t r a t auf das Gas. Der Bus machte einen Satz nach v o r n , und alle w u r d e n durchgeschüt te l t .

Dana hielt sich am Vorders i t z f e s t und mußte an den J u n ­gen d e n k e n , der sich in der kleinen Kabine e ingeschlossen hat te . Es mußte schreckl ich se in , die ganze Fahrt dor t e ingepfercht zu s e i n ! Und w a r u m hat te er das fü r sie ge¬ t a n ? Sie drehte sich zu d e m J u n g e n , der ihr den Platz g e r ä u m t ha t te .

„ M i l t o n , hör mal" , sagte sie, „we iß t d u , w e r dieser Junge ist?"

„S tephan Kennedy." „Was is t?" f r a g t e Dana. „B is t du sauer auf mich?"

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„Was soll wohl se in? Das w a r mein Fens te rp la tz , ich r ä u m e ihn nicht gem."

„Und w a r u m bist du dann r ü b e r g e r ü c k t ? " „Weil S t e p h a n g e s a g t hat , daß dir übel wird, w e n n du

nicht r a u s g u c k e n k a n n s t . Du w ü r d e s t dir s o n s t wie in einer Art Kiste v o r k o m m e n . "

„Ja, das s t immt . " Dana w a r verblüfft. Der Gedanke , daß j e m a n d , mit dem sie noch nicht einmal

g e s p r o c h e n h a t t e , i rgendwie ihre G e d a n k e n h a t t e lesen können, w a r ihr unheimlich. Und als sie sich zu rück lehn te , kam die Warnung aus dem Traum wiede r in ihr hoch.

Aber der Traum d r ä n g t e sich ihr auf . . . Sie e r k a n n t e die s iebzehn Kerzen auf ihrem G e b u r t s t a g s k u c h e n . Ihr Vater und ihre Mut te r s c h w e b t e n damit aus der Küche und lä­chelten, so. merkwürdig. Und hinter ihr, im Wohnzimmer, hör te sie „Happy Bir thday to you . . . "

„Puste die Kerzen a u s " , s a g t e ein f remder J u n g e , des¬ sen Gesicht sie nicht s e h e n k o n n t e .

Dana b e u g t e sich von Sie wollte p u s t e n , abe r aus ihren Lungen kam keine Luft. Sie h a t t e keine Luft. Eine riesige Hand lag fest vor ihrem Mund, ihrer Nase , ihren Augen . Und e t w a s Scharfes , B ö s e s , Z i s chendes schni t t ihr ins Fleisch. Es war das Wesen , das sie schon in ihrer f rühes ten Kind¬ heit in en t se tz l i chen Alp t r äumen verfolgte .

Sie h a t t e der Krea tur einen Namen g e g e b e n . ES, n a n n t e sie das Geschöpf, ES, da s S c h a t t e n w e s e n . Seit J a h r e n h a t t e es von ihr a b g e l a s s e n , aber j e t z t w a r es zurückge¬ kehrt . Es w a r wieder da, um ihr e t w a s zuzuf lüs tern .

Dana kämpfte verzweifelt , um sich zu befreien. Und ur¬ plötzlich war sie w iede r in der normalen Welt. Wieso? Viel¬ leicht weil der Bus a n g e h a l t e n h a t t e ? Sie s c h a u t e aus dem Fenster . Ein Stau . Der Verkehr auf allen Spuren w a r zum Stillstand g e k o m m e n . Eine Ket te von A u t o s mit auf ge¬ b lende ten Scheinwerfern rollte l angsam aus der w e i t e n Zufahrt des Westfr iedhofs h e r a u s .

Warum sah sie sich von allen Sei ten vom Tod u m g e b e n ?

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2. KAPITEL

E t w a s w e n i g e r als zwei S t u n d e n später , b o g e n sie in die Fifth Avenue in New York ein. Dana war fasziniert von der Stadt . Sie klebte förmlich an der F e n s t e r s c h e i b e , damit ihr nichts en tg ing . Plötzlich h a t t e sie das Gefühl, daß j e m a n d sie von hinten a n s t a r r t e . Sie d reh t e sich um. Ja, da s t and er. S t e p h a n Kennedy war aus der Toilette g e k o m m e n und reck te sich. Es war h ö c h s t e Zeit, beschloß Dana, zu ihm zu gehen und sich zu b e d a n k e n .

„Dana", rief der Lehrer von vorn, „setz dich wieder hin. Was ist mit dir, K e n n e d y ? Wo ist dein P la tz?"

„Den hat er g e r a d e ruhtergespült!" rief i rgendwer, und die Klasse brüllte vor Lachen.

„Ruhe!" s a g t e der Lehrer mit e inem w a r n e n d e n Blick, der n iemanden b e e i n d r u c k t e . „Also, w e n n wir a u s s t e i g e n , m ö c h t e ich, daß alle z u s a m m e n b l e i b e n , weil wir als Gruppe re ingehen m ü s s e n — und man kann sich in der Menge vor dem M u s e u m sehr schnell aus den Augen verl ieren. Und Dana", s a g t e er weiter , „ich weiß wirklich nicht, w a s du in d iesem Bus willst. Du g e h ö r s t in den a n d e r e n . Wenn wir a n k o m m e n , g e h s t du zu deiner Gruppe rüber."

Der Bus fuhr an eine Schlange von Fah rzeugen heran, die alle zum Museum woll ten. Endlich, direkt vor dem Eingang, öffnete der Fahrer die Türen, und die Schüler s t i egen a u s . Dana sah, daß die Gruppe , zu der sie eigentlich gehö r t e , sich ein Stück we i t e r g e s a m m e l t h a t t e . Aber sie d reh te sich um und w a r t e t e auf S t e p h a n . Er war bei den letzten, die a u s s t i e g e n . E n t s c h l o s s e n ging Dana auf ihn zu. „Alle

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scheinen i rgendwie zu e r w a r t e n , daß w i r uns s türmisch in die A r m e fa l len" , sagte sie und gr inste dabei . „Ob's ein einfaches Dankeschön w o h l auch t u t ? "

„ Klar", meinte er, sah sie aber ganz gebannt und f ragend an, als sie ihm die Hand en tgegens t reck te .

„Du gucks t mich an, als ob w i r uns v o n i rgendwoher kennen" , bemerk te Dana. „Haben w i r uns außer in der Schule schon mal i rgendwo gesehen?"

„Das f rage ich mich schon seit Wochen." Sie s tu t z te . „Seit Wochen? Wirkl ich?" Stephan sah zu Boden. „Warst du schon mal in Los Ange¬

les?" f rag te er. „Nee. Und du schon mal in Aust ra l ien?" „Austra l ien?" „Ich bin da geboren . Meine Eltern sind hergezogen, als

ich drei Wochen alt war, also w e n n in Aust ra l ien , dann können w i r uns nur kurz begegnet se in ."

„Nicht in d iesem Leben", sagte Stephan und lächelte zögernd.

„T ro tzdem" , meinte Dana e t w a s a b w e s e n d , als ob eine vage Erinnerung in ihr hochst ieg , „ ich hab das Gefühl , als hätte ich deine St imme schon mal i rgendwo gehört ."

„Deine hab ich jedenfal ls schon gehört — im Schülerrat. Reden kannst du ja gut ."

„Oh j a " , Dana lachte, „viel leicht zu gut!" „Heh , seht mal!" rief einer der Jungen und zeigte auf die

hohe Treppe, die z u m Museum hinauf führ te . „ M e n s c h , das ist Paul N e w m a n n ! "

„Bis t du bl ind?" spot te te ein Mädchen, „Der Typ hat doch kein Haar auf dem Kopf."

„Na und?" k a m es wie aus der Pistole geschossen zu¬ rück. „Vielleicht t r ä g t Paul N e w m a n n ein Toupee!"

Ein Dutzend Hände wol l ten den Jungen zurückha l ten , aber er riß sich los,rannte auf die Treppe zu und rief: „Hey, Paul, bleib doch mal s tehen!"

Andere fo lg ten ihm.

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„Kommt zurück!" rief Mr. Crumb . „Nicht da oben hinein! Hier un t en ! Der Se i tene ingang!" Es w a r a u s s i c h t s l o s . Sei¬ ne Klasse v e r s c h w a n d einer nach dem ande ren , und er schien ein Chaos zu befürch ten . „Kennedy!" rief er fast mi t le ider regend. „Bitte geh ihnen nach und hol sie zurück!"

S t e p h a n m u r m e l t e ein f lüchtiges „Wir r eden s p ä t e r wei¬ ter" und s t ü r m t e auf die Treppe zu. Dana fiel auf, wie geschmeid ig er sich b e w e g t e .

J e m a n d rief ihren Namen, und sie d r eh t e sich um. Es w a r ihre Freundin Lisa. Und hinter Lisa s t a n d Mr. Dinsworthy, Danas Lehrer, der ihr über die Köpfe der a n d e r e n h inweg zuwink te .

Dana warf noch einen flüchtigen Blick auf S t e p h a n , be¬ vor sie sich ihrer e igenen Gruppe ansch loß .

Die Gruppe t r a t durch die w e i t e n E i n g a n g s t ü r e n ins Mu¬ seum und befand sich plötzlich in einer a n d e r e n Welt. Diese Welt wa r in einer einzigen z w e i g e s c h o s s i g e n Halle unterge¬ bracht . Am a n d e r e n Ende der Halle re ich ten zehn riesige Fens t e r bis hoch un te r die Decke . Die a n d e r e Gruppe h a t t e das M u s e u m über die Treppe vom obe ren Eingang aus b e t r e t e n , wo sie z u n ä c h s t auf die Galerie g e l a n g t e n . Vor ihnen lagen die Schä t ze e ines ant iken Grabs . Überall blie¬ ben die Schüler s t a u n e n d s t e h e n und b e t r a c h t e t e n die w u n d e r b a r e n A u s s t e l l u n g s s t ü c k e in den Vitrinen. Hinter einer g l ä se rnen Scheibe b e g r ü ß t e sie die Büs t e e ines man-deläugigen M ä d c h e n s mit go ldenem Kopfschmuck . Dana blieb wie g e b a n n t davor s t e h e n . Es w a r ein Gesicht , das sie i rgendwie k a n n t e . . .

Die Inschrift d a r u n t e r l au t e t e :

Prinzessin Hatbaton, um 1343 vor Christus. Diese Ala­basterstatue ist mit großer Wahrscheinlichheit eine

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ge t reue Nachbildung ihrer wahren Gestalt, die kurz vor ihrem m y s t e r i ö s e n Tod angefertigt wurde. Doch

ohne die Entdeckung ihres Grabs im Jahre 1980 hätte

man keinen sicheren Nachweis ihrer Existenz. Man

nimmt heu te an, daß mächtige Feinde ihres Vaters,

des Pharaos A h k n a t o n , nach dessen Tod jede Erinne­

rung an sie erbarmungslos ausgelöscht haben.

„Dana ! " r ief Lisa und nahm sie be im A r m . „Sieh dir d ieses unglaubl iche D ingsda an, das sie über den Schu l te rn t r ä g t . "

„Das ist ein Ha l sschmuck in Form eines Fa lken" , e rk lä r te ihnen eine f reund l i che Dame. „Er ist ein Symbo l fü r die Sonne. Es ist aus B la t t go ld , mit Lapis lazul i , Tü rk i sen , Jas­pis, g e f ä r b t e m Glas und Obsid ian bese tz t . Und der Ge¬ g e n s t a n d , der vo r der Sku lp tu r l iegt, ist ihr kön ig l iches Zepter, g e f o r m t w i e die Blüte e ines Papyrus und mit Juwe¬ len besetz t . Das ist auch eines der Gehe imn isse der Prin¬ zess in , da ein so lches Zep te r n o r m a l e r w e i s e nur d e m Pha¬ rao se lbs t oder d e m Hohepr ies te r z u s t a n d . "

Die Dame w a n d t e sich den ande ren Schülern z u . „Hal lo. Mein N a m e ist Lynn McNal ly, und ich w e r d e euch durch die Auss te l l ung f ü h r e n . Wir haben sie »Geheimnisse der Pha­raonen ' genann t , aber e igent l ich hande l t es sich nur um ein Gehe imnis . A l les, w a s ihr hier auf d ieser Ebene in den V i t r i ­nen seh t — die J u w e l e n k e t t e n , Ringe in der Form von Geiern, die we ißen A l a b a s t e r s t a t u e n , Ebenho lzs tüh le , Fä¬ cher aus S t r a u ß e n f e d e r n , die Spiele aus E l fenbein — all das w u r d e im Grab einer j u n g e n Frau g e f u n d e n , von der w i r über zwe ie inha lb J a h r t a u s e n d e abso lu t n ichts g e w u ß t ha¬ ben. Abe r auch die E n t d e c k u n g ihres Grabs in e i nem ver¬ lassenen S te inb ruch d re i hunde r t Mei len nörd l ich v o m Tal der Kön ige , wo üb l i cherwe ise Mi tg l ieder des Kön igshau¬ ses b e s t a t t e t w u r d e n , ist in gehe imn isvo l les Dunkel ge¬ hül l t ."

Die Führer in mach te eine d r a m a t i s c h e Pause. „E ines Ta-

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ges, vor drei Jahren, lag plötzlich auf d e m Schreibt isch des Direktors des Museums in Kairo eine Kar te , beschr i f te t mit alten ägypt ischen Hieroglyphen, aber auf m o d e r n e m Pa­pier geschr ieben. Niemand weiß, w i e sie dor th in g e k o m ­men ist oder w e r die Kar te dor th in gelegt hat — oder w a r u m diese Person nicht selbst durch die E n t d e c k u n g des Grabs zu Ruhm und A n e r k e n n u n g gelangen wo l l t e . Wie d e m auch sei, die Kar te f ü h r t e d i rekt zu der Fe lswand, wo man nach Grabungen v o n drei Tagen auf einen Schacht stieß, der durch 30 Fuß har ten Fels unmi t te lbar in das Grab h inabführ te ."

Die Führerin fuhr f o r t : „Offensicht l ich w a r das Grab an d iesem got tver lassenen Ort angelegt w o r d e n , um es vor Grabräubern zu schü tzen . Vielleicht aber auch vor den Feinden des Pharaos, die auf der Inschri f t e r w ä h n t s ind . — „ W a r u m seht ihr euch nicht ein w e n i g u m ? " sagte sie wei¬ ter. „ Und w e n n ihr all diese w u n d e r s c h ö n e n Dinge gesehen habt auch die oben auf der Galerie — und sie sind wi rk l ich von unschätzbarem Wer t — dann gehen w i r geme insam nach u n t e n , und ihr k ö n n t Prinzessin Ha tba ton selbst se­hen."

Ein t ie fes Gefühl der V e r w i r r u n g , das sie sich nicht er¬ klären konnte , hielt Dana davon ab, sich ihren Mi tschülern anzuschließen.

„Was ist los?" f r a g t e Stephan, der plötzlich neben ihr s tand .

Dana sah ihn f lücht ig an . „ W a r u m f r a g s t du?" Er zuckte mit den A c h s e l n . „ Ich weiß nicht. Ich hat te so

das Gefühl , als hä t tes t du Mitleid mit dieser ägypt ischen Prinzessin."

„Ich kenn sieja nicht mal" , sagte Dana und scherzte: „Wir sind nicht auf denselben Feten g e w e s e n . "

„Ja. Klar." Er gr inste . „Kennedy!" e r tön te Mr. Crumbs S t imme. „Schließ dich

w ieder deiner Gruppe an!"

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„Die S t imme me ines Herrn und Geb ie te r s . " Er zuck te mit den Schul tern und ging zurück.

Dana blieb noch einen Augenblick vor der S t a t u e s t e h e n , dann riß sie sich los und holte ihre Freundin Lisa ein.

„Oh Gott", s a g t e Lisa, „wenn ich mir d iese Ohrringe, A r m b ä n d e r und die a n d e r e n Sachen so a n s e h e und beden¬ ke, w a s ich zu Hause an Mist im Schrank liegen habe . . . Mensch, w e n n wir beide im al ten Ägyp ten ge lebt h ä t t e n , h ä t t e n wir auch so tolles Zeug g e t r a g e n . "

Aber Dana h a t t e ihr gar nicht zugehör t . Sie w u r d e von einer Vitrine a n g e z o g e n , die nur Spielzeug enthielt , das me i s t e davon ze rb rochen . Ein paar Perlen e ines zerris¬ s e n e n A r m b a n d s lagen in e inem kleinen Körbchen. Da¬ neben s t and ein winz iges Hündchen aus Elfenbein. Aus se inem Körper r ag t e ein kleiner Hebel h e r a u s . Dana b r a u c h t e die Inschrift an der Vitrine nicht e r s t zu lesen. Sie w u ß t e , daß man nur mit dem Finger d e n Hebel b e t ä t i g e n mußte , damit das Hündchen das Maul öffnete, als woll te es bellen. Für sie völlig unerklärlich k a m e n ihr die Tränen, und sie mußte ein Schluchzen u n t e r d r ü c k e n .

Was ist bloß los mit mir? fragte sie sich und riß sich von der Vitrine los. Ihre Mitschüler gingen schon über die Trep¬ pe nach un t en . Sie schloß sich rasch an.

„Und hier", s a g t e die Führerin, wobei sie auf einen gro¬ ßen s t e ine rnen S a r k o p h a g ze ig te , „der Sarg in dem man Prinzessin Ha tba ton fand. Wie ihr s ehen könnt , ist er sehr groß. Das liegt daran, daß sich in ihm noch drei w e i t e r e Särge befanden , die ine inander v e r s c h a c h t e l t w a r e n . Nun, im G e g e n s a t z zum äußeren Sarg, der, wie man sieht, aus Stein ist und rech teck ig geformt ist, sind die kleineren alle aus Holz und sollten in Form und Farbe das Ebenbild der Prinzessin dars te l len . Und w e n n ihr hier he rübe r k o m m t , zeige ich sie euch."

„Heh, Dana, h a s t du Arthrit is oder w a s ? " fragte ein Jun¬ ge neben ihr.

„Nein, w i e s o ? "

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Er sah v e r w u n d e r t auf ihre Hände . Ihre Finger zuck ten . „Ach, da s . " Dana lachte gequäl t . „Das sind nur Locke¬

r u n g s ü b u n g e n . Alle Klavierspieler m a c h e n d a s . Ich mach das manchma l , ohne da rübe r n a c h z u d e n k e n . " Rasch s t e c k t e sie die Hände in die Taschen ihrer J e a n s .

Die Gruppe s t and j e t z t vor dem e r s t en der drei Holzsär¬ ge, d e s s e n lebhafte Farben und kunstvol le Mus te r alle be¬ w u n d e r t e n . Während Mrs. McNally die B e d e u t u n g der Mu¬ s ter erklär te , b e u g t e sich Dana wie die übrigen Schüler ein wenig über den Holzsarg. Die g e m a l t e n mandel förmigen Augen der Prinzessin sch ienen sie direkt zu fixieren. Schnell s c h a u t e Dana w e g .

Dann schob sich die Gruppe we i t e r zum n ä c h s t e n , e t w a s kleineren Sarg. Dana folgte l angsam und s c h a u t e nur aus einigem A b s t a n d darauf. Als sie beim le tz ten a n g e k o m m e n waren , sah sie ihn nicht einmal mehr an.

„Von d ie sem Sarg" , fuhr Mrs. McNally fort, „hat man den Deckel entfernt , und wie ihr seht , befindet sich darin die Mumie se lbs t — Prinzessin Ha tba ton . "

„Wie sieht sie eigentlich un te r all den Tüchern und Binden a u s ? " fragte j e m a n d . „So wie auf all d iesen S ä r g e n ? "

„Das w i s s e n wir nicht genau" , kam die Antwor t , „aber wir n e h m e n aufgrund von R ö n t g e n a u f n a h m e n und ande¬ ren Hinweisen an, daß der Körper in S tücke ge r i s sen war und dann vom Pharao se lbs t gefunden und z u s a m m e n g e ¬ näht w o r d e n ist."

Allen in der Gruppe schien es kalt den Rücken herunterzu¬ laufen. Danas Körper fühlte sich i rgendwie t a u b an. Ihre Hände und Füße w a r e n e iskal t ,und das E n t s e t z e n schien ihr die Kehle z u z u s c h n ü r e n . Die Worte der Führerin erreich¬ ten sie nur noch durch ein immer s t ä r k e r w e r d e n d e s Dröh¬ nen in ihrem Kopf. Was s a g t e Mrs. McNally da g e r a d e ?

„Der Legende nach soll die Prinzessin durch die Hand eines bru ta len Mörders beim s i e b z e h n t e n Umlauf der Son¬ ne u m g e k o m m e n sein."

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„Was soll das he ißen?" fragte Dana fast apa th i sch mit z i t t e rnden Lippen. „Siebzehnter Umlauf der S o n n e ? "

Die Führerin lächel te . „Ich n e h m e an, es handel t sich um eine blumige Formulierung für ihren s i e b z e h n t e n Geburts¬ t a g .

Dana schien es , als bliebe ihr Herz s t e h e n . „Seht ihr das mumifizierte Krokodiljunge am Fuß des

S a r g s ? " fuhr Mrs. McNally fort. „Manchmal b e n u t z t e man solche Mumien, um wicht ige schriftliche D o k u m e n t e zu ve rbe rgen . Und in d ieser Krokodilmumie fanden wir e ines der b e d e u t e n d s t e n von allen. Wir v e r m u t e n , daß es der t r a u e r n d e Pharao se lbs t mit e igener Hand abgefaßt hat . Das Papyrus befindet sich im M u s e u m in Kairo, aber ich habe eine Kopie der Ü b e r s e t z u n g . Ich lese euch ein S tück vor."

Das Dröhnen in Danas Kopf w u r d e noch lauter, und sie h a t t e die E in le i tungswor te nicht gehör t .

„O Aton, höre das Klagen eines Vaters! O Aton, maje­stätische Sonne, Gott über Alles — sieh die Verzweif­lung Deines Dieners, des Königs. Dies warmem Kind, o Aton. Sieh, wie sie die reine Lo tusb lü te aus dem Wasserstrom des Lebens gerissen haben! Den süßen

Arm haben sie vom anmutigen Körper gerissen, das Haupt vom zarten Hals. Und sich das noch pochende Herz, aus der Brust meiner Tochter gerissen. Sie war der Herzschlag Ägyptens. Oh, widernatürlicher Tod! Welches Verbrechen tat dieses TäubchenP Welche üble Tat beging dieser liebende Geist, daß ihre Seele nun ruhelos — welch ein Verhängnis — von Körper zu sterblichem Körper wandern muß, ja, in alle Ewigheit, zermalmt von den bösen Mächten von Karnah?"

„Entschuldigen Sie, Mrs. McNally", u n t e r b r a c h Mr. Dins-w o r t h y höflich, „aber vielleicht sollten wir an dieser Stelle erklären, daß die Seele nach ä g y p t i s c h e r Vorstel lung den

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Körper nach dem Tod b r a u c h t e , und daß sie nur ins Jen¬ se i t s ge langen konn t e , w e n n der Körper in vo l l s t änd igem Z u s t a n d erha l ten war . Deshalb w u r d e n die Toten ja ein¬ ba lsamier t . Wenn man h ingegen nicht ins J e n s e i t s gelan¬ gen konn te , so die Vorstel lung der Ägypter , w u r d e man w i e d e r g e b o r e n . "

„Was mein te der P h a r a o mit den ,bösen M ä c h t e n ' ? " fragte ein Schüler.

„Vermutlich die Pr ies te r des Tempels von Karnak, vor allem ihren Anführer, einen Mann n a m e n s Morod", gab die Führerin zur An twor t . „Viele g laubten , daß Morod und die a n d e r e n genug m a g i s c h e Kräfte b e s a ß e n , um D ä m o n e n und ande re Wesen der Unte rwel t zu b e s c h w ö r e n — soga r Ammut , den Totenverschl inger . J e d e r fürch te te die Hohe¬ priester, deren Macht über das Volk unvors te l lbar war, bis der Pha rao eine n e u e Religion ins Leben rief. Diese n e u e Religion b e r u h t e auf a l l umfas sendem Frieden und Liebe. Der Pha rao ließ den Tempel von Karnak schließen und be¬ fahl den A n h ä n g e r n Morods , ihre Gemeinschaf t aufzulö¬ sen . Letztendlich v e r n i c h t e t e n sie j e d o c h den Pha rao und se ine Religion. Soll ich w e i t e r l e s e n ? "

„Ja!" riefen die Schüler. „Ist das nicht wahns inn ig au f r egend?" fragte Lisa und

stieß Dana an. Doch es kam keine Reakt ion . Dana s t a r r t e vor sich hin, ihr Blick war starr, fast wie in Trance . Lisa v e r s u c h t e , Danas Blick zu folgen, aber es w a r ihr unmög¬ lich zu e rkennen , w a s ihre Freundin a n s t a r r t e . Sie sah nur eine Wand.

Doch es w a r keine Wand, die Dana a n s t a r r t e , s o n d e r n ein Mann. Er war alt, und seine Haut w a r dunkel . Er h a t t e s c h w a r z e s Haar, das in Zöpfen auf se ine Schul tern fiel. Sein Bart w a r auch geflochten, und d e s s e n Ende kringelte sich wie der S c h w a n z einer E idechse nach außen . Der Mann w a r nur mit e inem H a l s s c h m u c k und e inem leinenen L e n d e n s c h u r z bekleidet , der mit einer go ldenen Schnalle

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befest igt war. Der Ha l s schmuck w a r Dana zue r s t aufgefallen. Er h a t t e

die Form der S o n n e n s c h e i b e , deren go ldene Strahlen nach allen Sei ten liefen. Am Ende j e d e s Strahls w a r eine goldene Hand zu sehen , die die Kraft der St rahlen aufzufangen schien. Die Ket te an sich b l ende t e schon das Auge, aber die in die Halle einfallenden S o n n e n s t r a h l e n w u r d e n darauf reflektiert und v e r s t ä r k t e n diese Wirkung noch. Dieses Z u s a m m e n s p i e l der e c h t e n Sonne mit den me ta l l enen Strahlen der Ket te traf Dana mit b e t ä u b e n d e r Wucht .

Instinktiv v e r s u c h t e sie, sich gegen die s e n g e n d e Hellig¬ keit mit den Armen zu schü tzen , aber irgend e t w a s — irgendeine Macht — z w a n g sie, die Arme fal lenzulassen. Als sie wieder h in schau t e , kam das s t r a h l e n d e Licht nicht mehr von dem Halsschmuck , s o n d e r n von den Augen des alten M a n n e s . Wie M a g n e t e hielten se ine g lühenden Au¬ gen Dana in ihrem Bann. Dabei sch ienen sie größer zu werden , und immer weiter , bis Dana zuletzt nur noch diese Augen sah —- sie u m s c h l o s s e n alles. Und in ihrem Mittel¬ punkt , wo sich die Iris befand, n a h m e n plötzlich Bilder Ge¬ stalt an, Bilder, die sich v e r ä n d e r t e n . Dana erblickte einen dunklen, v e r b o t e n e n Ort. Es war ein r ies iges , von Mauern u m g e b e n e s Gebäude , das ein en t se t z l i ches Geheimnis zu be rgen schien. Dann folgte eine a n g e n e h m e r e Vision.

Ein Mädchen saß im Sonnenl icht an e inem w u n d e r s c h ö ¬ nen, sanft p l ä t s c h e r n d e n Brunnen . Es h a t t e die Füße ins Wasse r g e t a u c h t . Kleine Wellen ließen die Blumen auf dem Wasse r hin- und her tänze ln . Eine z a h m e Gazelle mit e inem bun ten Band um den Hals s c h m i e g t e sich in den Schoß des Mädchens , das das zierliche Tier zärtlich s t re iche l t e .

Eine barfüßige alte Frau t r a t in den Hof, s c h a u t e sich mißtrauisch um und eilte auf das Mädchen zu. Sie f lüs ter te ihm e t w a s zu. Das Mädchen s p r a n g sofort auf und umarm¬ te die Frau. Diese kniete sich vor das Mädchen und half ihr in die Sanda len . Erneu t s c h a u t e sich die alte Dienerin vor¬ sichtig um. Dann ge le i te te sie da s Mädchen durch ein gol-

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d e n e s Tor. Das Mädchen folgte der Alten zum Fluß, wo ein Boot lag, halb v e r b o r g e n im Schilf.' Zwei Männer s aßen darin.

Lisa s t ieß Dana leicht an. „Heh, D a n a ? " Dana k o n n t e sie zwar hören, w a r aber nicht i m s t a n d e zu

a n t w o r t e n . Eine tiefe Furcht h a t t e sie ergriffen. Das Mädchen in der Vision h a t t e nun mit dem Boot die

S c h u t z m a u e r des großen g rauen G e b ä u d e s erreicht . Die Männer warfen eine Strickleiter über die scha r t ige Mauer¬ krone und halfen ihr, bis sie Halt auf der Leiter h a t t e . Dann liefen sie, so schnell sie k o n n t e n , zu ihrem Boot zurück. Das v e r l a s s e n e Mädchen k l e t t e r t e hoch, und als es endlich mit den Händen den Rand der Mauer erreicht h a t t e , glitt irgend e t w a s über sie h inweg .

Sie war wie versteinert.. Eine Kobra, die ihr Haupt hoch aufger ichte t h a t t e , h a t t e sie mit ihren hypno t i s i e r enden Augen e r s p ä h t . Das Mädchen v e r h a r r t e still und w a g t e nicht zu atmen. Dana atmete auch nicht. Es erschien ihr wie eine Ewigkeit . Dann en t fe rn te sich die Sch lange .

„Dana? Bist du o k a y ? Was ist los?" Diesmal hör te Dana sie nicht mehr; Alles in ihr konzen¬

t r ier te sich auf das Mädchen , das j e t z t einen Zugang zu dem G e b ä u d e gefunden h a t t e und die end losen sich win¬ d e n d e n Gänge en t lang s t ü r z t e . Über ihr funkelten Lichter.

„He, ich red mit dir, Dana!" Unvermit te l t blieb das Mädchen s t e h e n , als ob sie der

Gedanke , einen schreckl ichen Fehler b e g a n g e n zu haben , bis ins Mark e r s c h ü t t e r t e .

Und plötzlich w u ß t e Dana, irgend e t w a s in ihr w u ß t e es mit abso lu t e r Gewißheit , daß das Mädchen — Prinzessin H a t b a t o n — in ihr e i g e n e s Verde rben r a n n t e .

Nein! Nein! schrie es in Danas Kopf. Geh zurück! Zurück! Aber die Prinzessin s c h ü t t e l t e ihre Vorahnung ab und

eilte, r a n n t e wei ter . Die Gänge flogen an ihr vorbei, bis sie plötzlich in e inem riesigen Raum s t a n d — w a s sie dort sah, wa r normalen Sterbl ichen v e r b o t e n zu s e h e n .

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Der große S te ine rne Gott t h r o n t e vor ihr auf s e inem ho¬ hen Podes t , und sein bes t i a l i sches Gesicht verr iet u n a u s -lo tbares B ö s e s . Ein Auge , das linke, w a r s c h w a r z wie die Nacht. Das a n d e r e s c h a u t e die Prinzessin s ta r r an, als wolle es s a g e n : Du has t das Allerheiligste des Tempels von Karnak b e t r e t e n !

„Dana?" Lisa zupfte an ihrem Ärmel . „Was s t a r r s t du so? Hör auf damit, da kriegt man je 'ne Gänsehau t ! "

„Geliebter!" rief Ha tba ton und s c h a u t e sich verzweifelt um. „Oh, Teye, wo finde ich dich?"

Die F lammen des Feue r s neben dem blu t ro ten Altar s c h ö s s e n z ischend empor .

Die Prinzessin lief ziellos umher . „Oh, Teye! Ließest du nicht nach mir rufen? Ich bin da. Ich habe m e i n e n Vater ve r l a s sen . Habe alles v e r l a s s e n . Wo finde ich dich, mein Gel iebter?"

Das dunkle Feuer vor dem Altar z i schte wieder, und Rauch st ieg in s c h w a r z e n Fäden zum Haupt des s te iner­nen Go t t e s empor. Der Rauch w a n d sich wie eine Sch lange aus einer f l ammenden Höhle.

Und dann w u r d e er zu einer Sch lange . „Dein Geliebter hat dich ve r r a t en" , z i schte die sich win¬

dende Schlange aus Rauch und Feuer. „Er ist geflohen. Geflohen. Erfahre nun den Fluch m e i n e s Herrn, des Hohe-p r i e s t e r s von Karnak. Du sollst die Rache Morods , des Wäch te r s des Allerheiligsten, k e n n e n l e r n e n . Du k a m s t um se ines S o h n e s willen, doch f andes t s t a t t se iner — A m m u t , den Verschlinger der Toten!"

Das Mons t rum bleckte se ine scheußl ichen Zähne . Hat-ba ton v e r s u c h t e sich zu b e w e g e n , zu schre ien . Doch das rech te Auge des s t e i ne rnen G o t t e s , das sie durch die Rauchsch lange hindurch a n s t a r r t e , hielt sie in s e inem Bann. Immer näher kam ihr A m m u t , der sich zue r s t in den Kopf e ines Krokodils, dann in den e ines schreckl ichen Tier¬ w e s e n s v e r w a n d e l t e , und schließlich eine Gesta l t a n n a h m , die w e d e r Mensch noch Tier ähne l t e . Es w a r eine Fra tze ,

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die Dana sehr gut b e k a n n t war. Die Fra tze , die sie so lange h e i m g e s u c h t h a t t e . Die Fra tze der Kreatur, die sie ihn ihrer Kindheit s chon mit e inem Namen belegt h a t t e : Es — das S c h a t t e n w e s e n .

Und Dana s p ü r t e , daß sie se lbs t das m a c h t l o s e , ver¬ zweifelte Mädchen war. Sie, Dana, w a r H a tba ton . Und der Rauch d roh te sie zu e rs t i cken . Ihre Augen ver loren ihre Kraft. Ein fauliger G e s t a n k s t ieg aus der g lühenden Höhle empor und r a u b t e ihr die S t i m m e . Und dann s p ü r t e sie, wie sich die Zähne in ihr Fleisch g ruben . . .

Dana Nicholsen w a n k t e schre iend ins Leere . Sie fühlte an ihrer Hand e t w a s H a r t e s . Licht über f lu te te sie. Sie w a r in der Auss te l lungsha l le , sie s t a n d da, t a u m e l t e . . .Sie blickte hinab, um zu sehen , w a s ihre Hand b e r ü h r t e . Es war die Mumie der t o t e n Prinzessin H a t b a t o n . Sie h a t t e das Empfinden, als ob Eis durch ihre Adern schoß . Ihr Blut fror, und sie fiel wie ein s t a r r e r Leichnam zu Boden.

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3. KAPITEL

Das erste , w a s Dana spür te , war, daß sie auf e t w a s Har­t e m , Ka l tem lag. Über ihr und um sie herum w a r e n S t i m ­men zu hören, ein Gewirr v o n S t i m m e n . Sie hörte z w a r die Worte , konnte aber ihre Bedeutung nicht v e r s t e h e n .

„Geht 's ihr besser?" „Was ist passier t?" „Laß mal sehen!" „Ein Arz t muß her" Lisas aufgeregte S t imme drang durch das St immenge¬

wirr. „Ich hat te versucht , mit ihr zu reden, sie s tand aber nur da und s tar r te ins Leere. Ich f r a g t e sie immer wieder, w a s los sei , aber sie reagierte e infach nicht. Dann ver¬ drehte sie plötzlich die A u g e n und fiel u m . "

„Sieht ganz nach e inem Nervenkrampf aus", sagte ein Mann.

W a r u m reden sie über mich? dachte Dana v e r w u n d e r t . Warum liege ich auf der Erde?

„Seid ihr sicher, daß sie noch a t m e t ? " rief ein Mädchen. Dana w u r d e plötzlich von der A n g s t ergr i f fen , daß sie

vielleicht dor t lag we i l sie t o t war . Mit einer großen Willens¬ anst rengung riß sie die A u g e n auf. Zunächst schien alles um sie herum zu v e r s c h w i m m e n und zu s c h w e b e n . Sie konnte nichts klar e rkennen . Dann sah sie Gesichter. Sor¬ genvolle Mienen schauten sie an: Lisa, Mr. D insworthy, Mr. Crumb und ganz nah bei ihr — Stephan.

„Darf ich mal?" drängte j e m a n d , und wo eben noch Ste¬ phans Gesicht gewesen war, sah Dana das einer Frau.

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„Oh, sie k o m m t zu sich!" Mrs, Mc Nally a t m e t e er le ichter t auf.

„Dana", s a g t e Mr. Dinsworthy, „bleib ruhig liegen. Wir holen einen K r a n k e n w a g e n . "

Dana v e r s u c h t e , e t w a s zu s a g e n . Sie n a h m ihre ganze Kraft z u s a m m e n , um sich ve rs tänd l ich zu m a c h e n .

„Nein", s a g t e sie ganz l angsam. „Es . . . es . . ." Sie rich¬ t e t e sich auf. „Es geh t schon wieder ." Mehrere Hände s t r e c k t e n sich ihr e n t g e g e n . Sie kam zwar auf die Beine, wa r aber sichtlich s c h w a c h in den Knien.

„Bist du s icher?" fragte ihr Lehrer. Hinter den d i c h t g e d r ä n g t e n Köpfen k o n n t e sie ganz kurz

die Mumie s e h e n . „Ja", s a g t e sie sehr leise und w a n d t e ihre Augen ab . Sie b e m ü h t e sich, nicht zu z i t tern .

„Wo können wir sie h inbr ingen?" fragte Mr. Dinsworthy. „Kommen Sie mit", s a g t e Mrs. McNally. Mehrere Schüler, un te r ihnen Lisa und S t e p h a n , woll ten

sie beglei ten, aber der Lehrer hielt sie zurück. Er s t ü t z t e Dana und führte sie l a n g s a m aus der Auss te l lungsha l le zu einem Anfang, der sie nach un t en b r a c h t e .

Im Aufzug fragte Mrs. McNally Dana, ob sie w i s s e , war¬ um sie das Bewuß t se in ver lören h a b e . Dana s c h ü t t e l t e nur den Kopf. Was h ä t t e sie auch s a g e n sol len? Hät te sie ihnen s a g e n sollen, w a s sie g e s e h e n h a t t e ? Der bloße G e d a n k e daran, w a s g e s c h e h e n war, k ö n n t e sie w iede r o h n m ä c h t i g w e r d e n lassen .

„Hier ist unse r Erste-Hilfe-Raum", e rk lär te Mrs. McNaily, als sie die Tür zu e inem kleinen Zimmer öffnete.

In der Ecke s t and eine Liege, auf die sie Dana legten. Ihr Lehrer b re i t e te sein J a c k e t t über sie und bat sie, ganz ruhig zu bleiben. Dann b e d e u t e t e er Mrs. McNaily, ihm in den N e b e n r a u m zu folgen, und schloß die Tür.

„Sie sind ja se lbs t ganz durch den Wind", hör te Dana Mr. Dinswor thy mit leiser S t imme s a g e n .

„Naja, es k ö n n t e immerhin sein", e rw ide r t e die Führerin,

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„daß es i rgendwie meine Schuld war. Ich weiß, ich h a b e so einen Hang zum Dramat i s ie ren , und ich glaube, ich h a b ' s ein bißchen übe r t r i eben . Ich muß sie fast zu Tode er­sch reck t haben . Haben sie g e s e h e n , wie sie j e t z t eben die Mumie a n g e s c h a u t h a t ? E n t s e t z e n s t a n d ihr im Gesicht ."

„Ich w ü r d e mir an Ihrer Stelle keine Vorwürfe m a c h e n " , be ruh ig te Mr. Dinswor thy sie. „Junge Leute lassen sich leicht aus der F a s s u n g bringen."

„Trotzdem, mir w ä r e es lieber, w e n n man sie ins n ä c h s t e K r a n k e n h a u s bringt, damit sie u n t e r s u c h t wird."

Bevor Mrs. McNally anrufen konn t e , w a r Dana aufge­s p r u n g e n und zur Tür des N e b e n r a u m s g e g a n g e n . „Nein, bi t te b e m ü h e n Sie sich nicht", s a g t e sie. „Mir geh t es gut, g lauben Sie mir." Sie rang sich soga r ein Lächeln ab . „Es . . . es k o m m t nur von d ieser A b m a g e r u n g s k u r , die ich g e r a d e m a c h e . Meine Mut te r liegt mir s chon seit Wochen in den Ohren, ich solle damit aufhören. Ich habe h e u t e m o r g e n nichts g e g e s s e n , und mir ist einfach flau g e w o r d e n , das ist alles. Es . . . es ist mir so peinlich."

Die Führerin schien er leichter t . „Also, ich bin wirklich froh, daß es dir b e s s e r geh t . Ich bring dir sofort w a s zu e s s e n . "

„Nein, bloß nicht!" s a g t e Dana r a sch . „Ich meine , bloß keine U m s t ä n d e — das ist nicht nöt ig. Bitte gehen sie wieder zurück zu den a n d e r e n . Alle sind b e g e i s t e r t davon. Ich ruhe mich nur noch ein paar Minuten aus , dann gehe ich se lbs t ins R e s t a u r a n t . Es ist doch noch geöffnet?"

„Ja, aber — bist du ganz s i cher?" Mrs. McNally s c h a u t e Mr. Dinswor thy fragend an. Er n ickte .

Als Mrs. McNally in den Flur t ra t , rief sie einen Aufseher, der zufällig vorbeiging. „Ach, Leo, das trifft sich gut. Könn¬ ten Sie wohl ein paar Minuten bei d ieser Besucher in hier ble iben? Sehen Sie nur zu, daß es ihr gut geh t . Ihr w a r ein wenig schwindlig g e w o r d e n . Danach können Sie sie zum R e s t a u r a n t beglei ten."

„Klar. Kein Problem." Der Aufseher s e t z t e sich auf den

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einzigen Stuhl im Zimmer. „Ich hole dich dann am In fo rma t ions scha l t e r im Haupt¬

g e b ä u d e ab, w e n n wir w iede r abfahren, Dana", s a g t e Mr. Dinsworthy. „Das dürfte so in a n d e r t h a l b S t u n d e n sein." Er lächelte und ging mit Mrs. McNaliy w i e d e r zu den a n d e r e n .

Der Aufseher war, wie sich h e r a u s s t e l l t e ein sehr ruhiger Mann, und das war Dana nur rech t . Nach allem, w a s vorge¬ fallen war, gab ihr se ine bloße A n w e s e n h e i t das gleiche Gefühl von Sicherheit wie ihr Vater, w e n n er S o n n t a g nach¬ mi t tag Basebal l im F e r n s e h e n sah . So w u r d e sie w iede r in eine Welt z u r ü c k g e b r a c h t , in der n ichts Unheimliches , Ab¬ s u r d e s oder V e r r ü c k t e s Platz h a t t e .

„Stört es Sie, w e n n ich Pfeife r a u c h e ? " fragte der Auf¬ s ehe r und h a t t e die Hand schon in der Tasche se iner grau¬ en Uniformjacke. Er w a r t e t e eigentlich gar nicht auf eine Antwor t , s o n d e r n z ü n d e t e sich die Pfeife einfach an.

Während sie so dalag, s c h a u t e Dana den sich kräuseln¬ den Rauchwölkchen nach und verfolgte ihre Spur durch die Luft. Auch die Pfeife e r inner te sie an ihren Vater und gab ihr ein Gefühl der Geborgenhe i t . Sie ließ ihren G e d a n k e n freien Lauf. Das w a r ein Fehler, denn schon nach kurzer Zeit fing sie an sich vorzus te l len , daß der Rauch, den sie sah, von einer Art Altar aufs t ieg . J e t z t schien er den gan¬ zen Raum zu erfüllen und sich g e r a d e z u bedrohlich vor ihren Augen zu d rehen . Er w u r d e zu dicken S c h w a d e n und drang ihr in die Nase und Hals. Sie b e k a m keine Luft. Sie b e g a n n fürchterlich zu h u s t e n .

„Alles in O r d n u n g ? " fragte der Aufseher und s t e c k t e se ine Pfeife sofort w e g . „Ach, d a s t u t mir leid. Ich hab 'ne Tan te mit A s t h m a , ich weiß, wie da s ist."

Dana r ichtete sich auf und rieb sich die Augen . Dann s t a n d sie auf, öffnete die Tür und a t m e t e tief durch. „Ist nicht Ihre Schuld", s a g t e sie mit r auhe r S t i m m e . „Rauch m a c h t mir n o r m a l e r w e i s e n ichts a u s . "

Sie s c h a u t e sich noch einmal in dem winzigen, fensterlo¬ sen Raum um, der ihr j e t z t wie ein Grab vo rkam. „Können

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Sie mir s agen , wo das R e s t a u r a n t i s t ?" Es w a r schon J a h r e her, sei t Dana mit ihren Eltern dort

g e w e s e n war. Sie h a t t e zwar v e r g e s s e n , wo es war, aber nicht, wie schön es dort war, mit all den Tischen rund um einen Brunnen und mit Delphinen aus Stein, die aus dem flachen W a s s e r zu spr ingen sch ienen .

Der Hauch e ines Lächelns lag auf ihrem Gesicht . Sie w a r damals noch ganz klein g e w e s e n und h a t t e es für ein P l anschbecken geha l t en . Schnell ha t t e sie die Schuhe aus ­gezogen, um ins Wasse r zu g e h e n . Aber ihr Vater h a t t e sie noch g e r a d e zurückha l ten können ,

„Ich bring Sie hin", bot der Aufseher an. „Nein, nicht nötig." „Doch, das muß ich sogar . Man hat mir g e s a g t , ich muß

bei Ihnen bleiben." „Na gut, aber nur bis zum R e s t a u r a n t . Ich eß dort e t w a s ,

und dann fahren wir ja s chon bald wieder."

Der Aufseher beg le i t e te Dana zum Erdgeschoß hinauf und v e r a b s c h i e d e t e sich am Eingang zur Cafeteria von ihr. Ob¬ gleich sie nicht den g e r i n g s t e n Appet i t h a t t e , ging sie bis ans ande re Ende des R e s t a u r a n t s und reihte sich in die Schlange der W a r t e n d e n an der E s s e n s a u s g a b e ein.

Es ging nur l angsam wei ter . Als Dana sich einen Salattel¬ ler n e h m e n woll te , s p ü r t e sie ein Kribbeln im Nacken . Wur¬ de sie b e o b a c h t e t ? Und w e n n , von w e m ? Es d r ö h n t e in ihren Ohren. Ihr Herz r a s t e . Der Teller z i t t e r te in ihren Hän­den. Sie w a r willenlos und v e r s p ü r t e einen Zwang , sich u m z u d r e h e n . L a n g s a m d r e h t e sie den Kopf und s c h a u t e sich voller A n g s t um. Sie seufz te er le ichter t auf. Da s t a n d nur eine lange Reihe ganz normale r Leute j e d e n Al ters . Ein Mann mit einer freundlichen Miene schien ihr zuzulächeln. Und das w a r alles. Die Reihe vor ihr s c h o b sich weiter , und Dana ging zur K a s s e .

Sie h a t t e auf einen Platz in der Nähe des B r u n n e n s ge¬ hofft. Alle Tische dort w a r e n b e s e t z t , doch dann sah sie,

Page 26: Die Tochter des Pharao

wie ein Kellner g e r a d e einen f re i räumte . Sie eilte an e inem äl teren Ehepaa r vorbei an d iesen Tisch, ließ sich in den Stuhl fallen und s c h a u t e die Delphine an.

Sie a t m e t e tief. Dabei ließ, sie die 'heitere A t m o s p h ä r e d ieses Orts auf sich e inwirken. Sie ging soga r sowei t an¬ z u n e h m e n , daß sie d a m a l s mit ihren Eltern genau an die¬ sem Tisch g e s e s s e n h a t t e . Zum e r s t e n Mal seit Langer, langer Zeit v e r s p ü r t e Dana Nicholsen Ruhe und Geborgen¬ heit.

Während sie l angsam ihren Salat aß, m u ß t e sie an Ste¬ phan denken — wie er ihr se inen Platz im Bus ü b e r l a s s e n h a t t e und die ganze Fahrt in der Toilette a u s g e h a r r t h a t t e . Irgend e t w a s an ihr m u ß t e ihn doch a n g e s p r o c h e n h a b e n . Was nur? Fand er sie h ü b s c h ? Sie hob den Kopf und b e u g t e sich ein wen ig vor, um ihr Spiegelbild im W a s s e r des Brun¬ nens s e h e n zu können .

Sie k o n n t e sich aber kaum sehen , denn das W a s s e r fun¬ kelte im Sonnenl icht . Wo kam es he r? fragte Dana sich v e r w u n d e r t , w ä h r e n d die Spiegelung immer gleißender w u r d e , um schließlich zu e inem einzigen Lichtpunkt fast wie die Sonne se lbs t z u s a m m e n z u s c h m e l z e n . Die Strahlen dieser l e u c h t e n d e n Sonne liefen in alle R ich tungen über das Wasser , und j e d e r d ieser St rahlen e n d e t e — j e t z t sah sie es genau -- wie j e n e Ha l ske t t e : Es w a r die Ha l ske t t e selbst , die Dana in ihren Bann schlug.

Und j e t z t zogen die Augen sie an — die Augen des alten, dunke lhäu t igen M a n n e s , der die Ha l ske t t e t rug . Sein Ant¬ litz sah ihr aus dem W a s s e r e n t g e g e n . Er s t a r r t e sie an.

Seine Augen w u r d e n immer größer. Sie n a h m e n die ge¬ s a m t e Wasser f läche ein. In ihnen sah Dana wieder die für¬ chter l ichen Mauern von Karnak. Sie schr ie auf, ihr Stuhl s t ü r z t e um. Dana r a n n t e aus der Cafeteria, s t ü r z t e durch die Hallen mit S t a t u e n , wo Krieger sie mit ihren Spee ren bed roh t en , vorbei an der Information und der Garde robe und durch die Eingangshal le auf die S t r aße .

Page 27: Die Tochter des Pharao

4. KAPITEL

Dana lief kopflos u m h e r und nahm nur ganz v a g e wahr, w a s um sie he rum g e s c h a h . Sie h a t t e nur ein Ziel: der Horrorvision zu en t r innen . Ein Hupkonzer t t r ieb sie auf den Gehweg zurück, n a c h d e m sie, ohne auf den Verkehr zu ach ten , blindlings auf die Fahrbahn g e r a n n t war. Sie lief gegen ein Fahrrad, das mit Ge töse u m s t ü r z t e . Sie stol¬ per te und fiel auf die Knie, s t a n d wiede r auf und r a n n t e zum g e g e n ü b e r l i e g e n d e n Bürge r s t e ig .

Planlos lief sie immer weiter , bis die Kraft sie verließ und sie einfach nicht mehr w e i t e r k o n n t e . Sie t a u m e l t e gegen dep Rahmen e ines S c h a u f e n s t e r s und s t ü t z t e sich dort ab , wobei sie, nach Luft r ingend, schließlich das Gleichgewicht w iede re r l ang t e .

In der s chmutz igen Glassche ibe sp iege l te sich ganz ver¬ s c h w o m m e n eine Ges ta l t — war es nicht wider d i e se s dämon i sche W e s e n ? Nähe r t e es sich ihr nicht mi t ten durch das V e r k e h r s g e w ü h l ? Danas N a c k e n h a a r e r i ch te ten sich vor E n t s e t z e n auf. Sie fuhr zurück, als h a b e sie sich an einem g lühenden Feuer ve rb rann t , und r a n n t e davon.

Die St raße k a n n t e sie doch? ! Sie lief noch schneller. Ja, da war es , in d iesem G e b ä u d e a rbe i t e t e ihr Vater. Sie st ieß die s c h w e r e Glastür auf und s t ü r z t e in die Eingangshal le . Dana w a g t e es nicht, sich u m z u d r e h e n . Über der Eingangshal le lag eine furchtbare , kal te Stille. Der Dämon kam ihr lang¬ sam näher. Ein bedrohlicher, r iesiger S c h a t t e n e rhob sich an der Wand vor ihr. Sein langer Arm schien nach ihr zu greifen. Dann b e r ü h r t e er s ie .

Page 28: Die Tochter des Pharao

„Dana!" Sie d reh t e sich e n t s e t z t um. Es w a r S t e p h a n ! „Ich habe ve r such t , dich einzuholen", k e u c h t e er a t e m ­

los, „aber ich hab noch nie j e m a n d e n so laufen s e h e n . Ich h a t t e Angs t , du w ü r d e s t über fahren w e r d e n . "

Wenn Dana auch noch vor w e n i g e n Augenbl icken fast wahns inn ig vor Angs t g e w e s e n war, wa r d i e se s Gefühl j e t z t einer Mischung aus Wut und A r g w o h n gewichen . „Warum verfolgst du mich?" woll te sie w i s s e n .

„Ich . . . ich hab dich im R e s t a u r a n t g e s e h e n , wie du ge¬ schrien ha s t und r a u s g e r a n n t bist."

„Spionierst du mir n a c h ? " „Wieso sp ion ie ren? Ich h a t t e n u r . . . na j a , das Ge¬

fühl. . ." Hüte dich vor dem Jungen! Dana h a t t e keine Ahnung , wo

dieser G e d a n k e plötzlich h e r k a m . „Du k e n n s t mich doch gar nicht!" schrie sie ihn an. „Was willst du von mir?"

„Ich wollte dir nur helfen. Ich me in te . . . " „Wieso? Was weißt du über mich? S a g ' s mir", schrie sie,

„los, s a g ' s mir!" „Ich kann es nicht leiden, w e n n du so mit mir spr ichs t" ,

fuhr er sie plötzlich an, „ich hab das noch nie leiden kön¬ nen."

„Was soll das he ißen?" Ein Ausd ruck von Verwirrung t r a t in sein Gesicht .

„Ich . . . weiß nicht. Es ist mir so r a u s g e r u t s c h t . " Dana sah ihn a r g w ö h n i s c h an. „Wer bist d u ? " „S tephan . S t e p h a n Kennedy." „Dann sag mir mal, w a s da in der Auss te l lung pas s i e r t

ist, S t e p h a n Kennedy. Was ist dir an mir aufgefallen?" „Nichts. Ich hab nur g e s e h e n , wie du umgefal len bist." „Warum?" wollte Dana w i s s e n . „Warum h a t t e s t du mich

in dem M o m e n t a n g e s e h e n ? Warum a u s g e r e c h n e t in dem Augenblick, bevor es p a s s i e r t e ? "

S t e p h a n w u r d e sichtlich b ö s e . „Das ist ja lächerlich. Willst du, daß ich g e h e ? " fragte er.

Page 29: Die Tochter des Pharao

„Wie k o m m t es , daß du zu w i s s e n sche ins t , w a s in mir v o r g e h t ? K a n n s t du mir da s s a g e n ? "

„Also, j e t z t hör mal. Ich spioniere dir nicht nach — und ich bin auch nicht so ein PSI-Typ, der a n d e r e r Leute Gedanken lesen kann. Ich hab nicht vor, in dein Pr ivat leben einzu¬ dringen, und w e n n dir das so v o r k o m m t , dann ist das nicht meine Absicht!"

Ungeduldig überg ing Dana se ine Wor te . „Das will ich gar nicht hören . Sag mir nur, ob dir e t w a s Merkwürd iges an mir aufgefallen ist, bevor ich . . . b e w u ß t l o s g e w o r d e n bin."

„Das einzig Merkwürd ige ist, daß ich mich s t a rk zu dir h ingezogen fühle. Aber das w e r d e ich schnell ändern , das v e r s p r e c h e ich dir." Er ging zur Tür.

„Nun reg dich nicht so auf", s a g t e Dana. „Tut mir ja leid." „Das m e r k e ich, wie leid dir das tut!" „Danke, daß du mir helfen woll test!" „Schon gut", m u r m e l t e er und blieb am Eingang s t e h e n . „Also, vielen Dank." Dana d rück te auf den Aufzugs¬

knopf. „Kommst du wiede r mit zum M u s e u m ? " fragte S t e p h a n

e t w a s mißmutig . „Oder soll ich dich nach Hause b r ingen?" Dana s c h ü t t e l t e den Kopf. „Mein Vater hat sein Anwalts¬

büro in d i e sem G e b ä u d e . " Und obwohl sie w u ß t e , daß es ein Fehler war, fügte sie noch hinzu. „Oder h a s t du das auch im ,Gefühl' g e h a b t ? "

„Nein, h a t t e ich nicht im Gefühl!" Wütend s t ieß er die Tür auf und ging.

Trotz der A n s p a n n u n g m e r k t e Dana, wie unfair sie gegen¬ über S t e p h a n g e w e s e n war. Sie folgte ihm nach d raußen , um einzulenken, aber er w a r schon fort. Als sie w iede r ins Gelände zurückging, w a r der Aufzug a n g e k o m m e n . Sie t r a t hinein und d rück t e auf einen Knopf. Bald w ü r d e sie sich sicher fühlen, sie w ü r d e nicht mehr grübeln oder da¬ vonlaufen m ü s s e n . In einer Minute w ü r d e sie bei Ihrem Vater sein . . .

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Doch die E m p f a n g s d a m e bei Nicholson, Loeb & McCart¬ ney rief ihr zu: „Oh, hallo Dana. E r w a r t e t dein Vater dich? Er ist g e r a d e in einer B e s p r e c h u n g . "

„Ach so ." Sie verlor sofort den Mut. „Und . . . und wie lange wi rd ' s noch d a u e r n ? "

„Oh, also m i n d e s t e n s noch eine S t u n d e . Soll ich ihm sa¬ gen, daß du hier b i s t ? " Sie sah Dana s e l t s a m an.

„Nein, nicht nötig." Dana m u ß t e sch lucken . „Es ist nicht so wicht ig . Ich w e r d e . . . "

Sie d r eh t e sich um und ging w iede r h inaus . N a c h d e m sie den Aufzugknopf ged rück t h a t t e , lehnte sie sich g e g e n die Wand. Krampfhaft u n t e r d r ü c k t e sie die Tränen . Sie m u ß t e

j e t z t s t a rk sein. Sie m u ß t e sich z u s a m m e n r e i ß e n . Plötzlich ging eine Tür am Ende des Flurs auf. „Dana!" rief ihr Vater und kam rasch auf sie zu. „Ich hab g e r a d e gehör t , daß du da w a r s t . Was ist los, meine Pr inzess in?"

Diese Anrede traf sie wie ein Blitz. „Warum n e n n s t du mich s o ? " fragte sie e rbos t .

„Wieso? Bist du denn nicht meine kleine Pr inzess in?" fragte er, ganz ü b e r r a s c h t von ihrer Reakt ion . „Ist w a s nicht in O r d n u n g ? Worüber ha s t du dich auf g e r e g t ? Sogar an der Rezept ion ist das aufgefallen."

Plötzlich sah sich Dana w iede r mit der Frage konfron-triert, die man ihr im M u s e u m gestel l t h a t t e . Aber wie könn te sie ihrem Vater die Wahrhei t s a g e n , e s ihm begreif¬ lich m a c h e n ? Es w ü r d e ihn doch nur w iede r w ü t e n d ma¬ chen, und er w ü r d e an ihr zweifeln - an ihrem Geistes¬ z u s t a n d .

„Ach, Dad, es ist alles Unsinn. Ich bin, g laube ich, ein bißchen ve r rück t . Ich will dich nicht aufhalten." Sie s e t z t e ein g e q u ä l t e s Lächeln auf. „Also, dann bis s p ä t e r . . ."

„Dana", s a g t e er ruhig, „sind es w iede r d iese T r ä u m e ? " Wieder traf es sie wie ein Blitzschlag. „Woher weißt du

d a s ? " „Wir h a b e n dich le tz te Nacht schre ien hören . Aber als wir

zu dir r e ingehen und dich w e c k e n woll ten, ha s t du ganz

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friedlich dage l egen — jedenfa l l s h a b e n wir dich d a n a c h nicht mehr gehör t . "

„Oh, Daddy!" rief s ie . „Irgend j e m a n d wird mich an mei­nem s i e b z e h n t e n G e b u r t s t a g u m b r i n g e n . Ich weiß es , Dad¬ dy, ich weiß es einfach!"

„Bleib mal einen M o m e n t hier." Ihr Va te r r a s t e durch den Flur zu se inem Büro. „Maggie", rief er, „ich muß dr ingend nach Hause . Ein Notfall. Sagen Sie alle Termine für h e u t e ab."

Ohne auf eine A n t w o r t zu w a r t e n , eilte er zu Dana zu¬ rück.

„Komm, wir n e h m e n ein Taxi zum Bahnhof." „Aber ich will dich nicht von der Arbeit abha l ten . " „Was r e d e s t du denn da? Du bist doch mein kleines

Mädchen , o d e r ? " Schü t zend legte er se inen Arm um ihre Schul tern .

Im Taxi s a g t e Philip Nicholson dem Fahrer, wo es hin¬ gehen sollte. Dann s c h o b er die T rennsche ibe zu. Dana s c h m i e g t e sich ganz eng an ihren Vate r und ließ alles her¬ a u s : sie fing an zu we inen , und sch luchzend erzähl te sie ihrem Vater alles.

Das Taxi hielt vor dem B a h n h o f s g e b ä u d e . Ganze fünf Minuten saßen sie noch bei laufendem Zähler im Taxi. Mr. Nicholson sah das t r ä n e n ü b e r s t r ö m t e Gesicht se iner Tochter und öffnete schließlich w i e d e r die T rennsche ibe . „Entschuldigen Sie", s a g t e er zum Fahrer, „meiner Tochte r geht es nicht gut, und ich will mit ihr nicht lange am Bahn¬ hof w a r t e n . Meinen Sie, sie k ö n n t e n uns bis nach S t a n h o p e r aus fah ren? Das sind s iebzehn Meilen auf der R 17."

Dankbar gab Dana ihrem Vater einen Kuß und legte den Kopf an se ine Schulter.

Fast die ganze Fahrt verlief in friedlichem Schwe igen . Als sie an ihrem Haus a n g e k o m m e n w a r e n , bezah l te Mr. Ni¬ cholson das Taxi und legte se inen Arm um se ine Tochter, um sie ins Haus zu führen.

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„So, j e t z t hör mir mal zu", s a g t e er, als er s p ä t e r auf der Kante ihres B e t t s saß und ihre Hand fest in se ine n a h m . „Ich will mal v e r s u c h e n zu erklären, w a s ich von der ganzen Sache hal te . Als das mit d iesen T r ä u m e n anfing, h a t t e n wir dir g e r a d e g e s a g t , daß du ein Adoptivkind bist. Du w u r d e s t ganz unsicher, b e s o n d e r s als es so a u s s a h , als ob deine Mut ter und ich uns t r e n n e n w ü r d e n . "

„Aber, Daddy", w i m m e r t e sie fast . „Was mich j e t z t ver¬ folgt, ist doch w a s ganz a n d e r e s . "

„Dana", s a g t e er ganz zärtlich, „du wirs t bald mit der High School fertig sein. Dann g e h s t du aufs College. Du fängs t j e t z t auch an, dir über J u n g e n G e d a n k e n zu ma¬ chen. Das ist alles ziemlich aufregend. All d iese Verände¬ rungen können e inem sehr z u s e t z e n . Das Neue hat noch nicht richtig ange fangen , und das Alte — nun ja , das weißt du se lbs t . Und davon Abschied zu n e h m e n kann e inem v o r k o m m e n wie — s t e r b e n . "

„Aber die a n d e r e n Mädchen — meine Freundinnen — haben nicht d i e ses . . . "„Jeder er lebt die Dinge eben auf se ine Weise . Deine Freund innen a n d e r s als du." Er strich Dana über den Kopf. „Du bist ä u ß e r s t sens ibel und empfin¬ des t sehr intensiv." Er lächel te . „Und du has t eine sehr a u s g e p r ä g t e Vors te l lungskraf t . Deshalb b r a u c h s t du bloß zu hören, wie diese Prinzessin H a t b a t o n s t a rb , beim . . . — wie war da s n o c h ? "

„Beim s i e b z e h n t e n Durchlauf der Sonne . " „Und weil du in drei Tagen G e b u r t s t a g has t , das hat

schon ausgere ich t , um alles in Gang zu bringen." „Du meins t , es wa r nur eine Halluzination?" Er lächel te . „Nennen wir es lebhafte P h a n t a s i e . " „Oh, Daddy, ich weiß nicht." Dana sch luchz t e . Er gab ihr einen Kuß auf die Stirn. „Warum schläfst du

nicht mal drüber, Pr inzess . . . Dana? Und w e n n es irgend¬ wie Prob leme gibt oder du dich e in sam fühlst — ich bin ja un ten . "

„Kannst du bi t te das Licht a n m a c h e n ? " bat sie, als er an

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der Tür war. „Aber es ist noch nicht dunkel ." „Kannst du es t r o t z d e m a n m a c h e n ? " „Aber sicher, Liebes." Er kn ips te die Decken leuch te an.

„Ruf mich, w e n n du mich b r a u c h s t . Ich k o m m e sofort." „Daddy . . . " Er d reh t e sich um. „Ja?" „Glaubst du, ich sollte wieder zur Therap ie g e h e n wie

damal s , als das mit den T räumen anfing?" „Wenn du m ö c h t e s t " , me in te er im Gehen . „Daddy", rief sie ein z w e i t e s Mal. „Ich hab so ein Glück,

dich zum Vater zu haben . " „Danke, Scha tz . Und ich hab Glück, dich zu haben ." „Du b r a u c h s t das Licht nicht anzu l a s sen . " Er s c h a l t e t e es w iede r a u s . Nur einen Augenblick s p ä t e r w a r sie fest e ingeschlafen

und schlief s echzehn S t u n d e n h in tere inander , ohne von einem einzigen Traum gequä l t zu w e r d e n .

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5. KAPITEL

„Kein Wunder, daß du Halluzinationen has t " , s a g t e Danas Mut te r am n ä c h s t e n Morgen. „Du ißt kein Fleisch, ke inen Fisch — und j e t z t rüh r s t du nicht einmal die Eier an. Du b r a u c h s t t i e r i sches Eiweiß!"

Dana schob ihren Teller be i se i t e . „Mom, ich kann n ich ts e s sen , w a s g e t ö t e t w u r d e oder w a s noch h ä t t e g e b o r e n w e r d e n können . Und ich seh nicht ein, daß ich mich dafür en t schu ld ige . " . „Dann bist du abe r nicht auf dem n e u e s t e n Stand, mein Liebes." Mrs. Nicholson schob den Teiler w iede r zurück. „Es gibt Wissenschaft ler , die b e h a u p t e n , daß auch Pflan¬ zen Gefühls regungen h a b e n . Was willst du denn tun ; w e n n sie e ines Tages rausf inden, daß eine Se l le r ies tange einen Inte l l igenzquot ienten von 110 h a t ? Ißt du dann gar n ichts m e h r ? "

„Ach, hör doch auf, Mom, du übe r t r e ib s t wieder." „Du ißt ja nicht mal Nüsse" , fuhr ihre Mut te r fort. „Da ist

w e n i g s t e n s pflanzliches Eiweiß drin." „Nüsse" , b e g a n n Dana und zähl te In G e d a n k e n bis zehn,

„machen dick und s c h a d e n meiner Haut . Aber ich t r inke Milch, und das . . . "

„Milch! Von zuviel Milch b e k o m m t man Nierens te ine!" „Ist doch nicht wahr" , w i d e r s p r a c h Dana und zähl te

r ü c k w ä r t s von zehn bis null. „Mach dir doch nicht so viele Gedanken . "

. „Du bist vielleicht lustig", s a g t e ihre Mut te r mit sorgen¬ voller Miene. Dann s e t z t e sie sich einen Sesse l . „Dein Vater

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kann soviel Psych ia te r spielen, wie er will Nur desha lb weil du einfach nichts ißt, fällst du in O h n m a c h t und s iehs t d iese Sachen . Allein da ran liegt es."

„Okay, Mom, mach mir einen Haferbrei. Ich v e r s p r e c h e dir, ich krieg eine ganze Schüsse l voll run te r — mit Klumpen und allem."

„Weißt du was", sagte ihre Mutter, als hätte sie sie gar nicht gehör t , „ich g laube , du sol l tes t h e u t e mal nicht zur Schule gehen , bleib einfach zu Hause und ruh dich mal

aus." „Genau das h a t t e ich auch vor." Ein wenig perplex s c h a u t e Mrs. Nicholson ihre Tochter

an. „Und w a r u m bist du dann so früh a u f g e s t a n d e n ? " „Damit du s iehst , daß ich wiede r deine alte, v e r r ü c k t e

Dana bin." Dana s t r ah l t e und d rück te ihre Mut te r ganz fest.

„Ach, ich bin ja so froh", rief Mrs. Nicholson. „Das g e s t e r n w a r e n doch nur T räume und v e r r ü c k t e

Phan t a s i en . Das weißt du doch? Oder?" „Klar, Mom", log Dana, obgleich sie ande re r Meinung

war. Aber sie h a t t e sich e n t s c h l o s s e n , sich b e s s e r zu füh¬ len — und es ging ihr auch besse r . Sie woll te nichts über¬ s tü rzen , und nichts sollte ihr Leben, oder w a s noch davon übrig war, z e r s tö r en .

„Und — ich kann dir doch ein G e b u r t s t a g s g e s c h e n k kau­fen, nicht w a h r ? Auch w e n n du Dad g e s t e r n im Taxi g e s a g t has t , daß du keine Feier wil ls t?"

„ Klar. „Und einen Kuchen backen , so wie i m m e r ? " Darauf kam keine A n t w o r t mehr, und das Lächeln, das

Dana die ganze Zeit über au fgese t z t h a t t e , b e g a n n zu schwinden .

„Einen Möhrenkuchen , Dana!" rief Mrs. Nicholson eifrig. Sie b e m e r k t e die V e r ä n d e r u n g in Danas Miene, die sie

aber falsch d e u t e t e . „Ohne Zucker — ich v e r s p r e c h ' s ! So-

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gar ohne Honig! Okay?" Es e n t s t a n d eine P a u s e . Schließlich gab Dana nach . „In

Ordnung" . Sie h a t t e sich v o r g e n o m m e n , den ges t r igen Tag vollständig aus ihrem Gedäch tn i s zu s t r e ichen .

Ihre Mut te r sah sie er le ichter t ' an und s p r ü h t e vor Be­ge i s t e rung : „Ich hab eine tolle Idee! Ich ruf einfach an und melde mich krank! Wir m a c h e n z u s a m m e n blau. Wir s e t z e n uns z u s a m m e n und reden oder gehen b u m m e l n . Ein g e m e i n s a m e r Tag nur für uns beide!"

„Das ist wirklich eine tolle Idee. Aber wir sollten da s i rgendwann n ä c h s t e Woche m a c h e n . Ich glaube, ich möch¬ te einfach mal für mich s e in / 1

Dana s c h a u t e auf die Küchenuhr . „Oh Mom, sieh mal, wie spä t es schon ist."

Aber Mrs. Nicholson rühr te sich nicht. „Das k o m m t nur von me inem blöden Ernährungs t i ck , als du noch klein wa r s t " , p la tz te es aus ihr h e r a u s . „Ich weiß e s . Du m u ß t e s t dir immer mein Gerede über Fet t a n h ö r e n . "

Dana zog ihre Mut te r vom Stuhl hoch. „Wirst du wohl au f s t ehen und zur Arbeit g e h e n ? Du m a c h s t mich noch ver rückt" , s a g t e sie liebevoll. „Und ich bleib zu Haus und s p a n n e aus . " Sie s tel l te sich hinter Ihre Mut te r und s chob sie sanft auf die Tür zu.

„Hörst du wohl auf, mich wie ein Möbe l s tück zu behan¬ deln?" p r o t e s t i e r t e Mrs. Nicholson, als sie ging. „Hör auf, mich r u m z u k o m m a n d i e r e n . "

„Moment mal!" sagte 1 Dana, nahm das Portemonnaie ihrer Mut te r und den S o m m e r m a n t e l und re ichte ihr bei¬ d e s . „Ich muß doch k o m m a n d i e r e n . Ich bin doch eine Prin¬

zessin!" „Und w a s ist mit de inem F r ü h s t ü c k ? " „Das m a c h e ich mir schon se lbs t . " Mrs. Nicholson fand noch ein paa r Gründe , um noch eine

Weile zu bleiben. Dann s a g t e sie schließlich, daß sie ja nur so spä t dran sei, weil Dana sie aufgeha l ten habe , und r a n n t e mit k l appe rnden A b s ä t z e n die Auffahrt h inunter zum Wa-

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gen. Erst als Dana den pfeifenden al ten Toyota in einiger Ent fernung hör te , a t m e t e sie er le ichter t auf.

Endlich k o n n t e Dana ganz sicher sein, daß der ganze Tag ihr g e h ö r t e . Sie konn te lesen, lange in der Wanne liegen, Gedichte schre iben oder einfach nichts tun . Das letzte ge¬ fiel ihr am b e s t e n , und sie räke l te sich auf dem Sofa.

Plötzlich klingelte es an der Tür. „Oh nein, muß das denn sein!" m u r m e l t e sie mißmutig . Es w a r kein Ver t re te r an der Tür, s o n d e r n S t e p h a n Ken¬

nedy. „Hallo", s a g t e er mit e inem n e r v ö s e n Lächeln. „Du wirs t

mich j e t z t fragen, w a s ich hier will, r icht ig?" „Ich weiß nicht", me in t e Dana, g e g e n den Tür rahmen

gelehnt . „Ich hab mir noch keine G e d a n k e n da rübe r ge¬ macht , w a s ich zu dir s a g e n w e r d e . "

„Wie w ä r ' s , w e n n du mich fragst, ob ich r e i n k o m m e n will?"

„Also schön . Willst du r e i n k o m m e n ? " Sie t r a t zur Sei te , uncl S t e p h a n t r a t ein.

Sie gingen ins Wohnzimmer. „Und wie w ä r ' s , w e n n du s ags t , daß es dir leid tu t , wie du

g e s t e r n mit mir g e s p r o c h e n h a s t ? " „Das h a b e ich g e s t e r n ve r such t , aber du bist ja wegge¬

rannt . Tro tzdem — es tu t mir leid — ehrlich." Es e n t s t a n d eine lange P a u s e . „Gut. Das h ä t t e n wir hinter uns geb rach t . J e t z t k ö n n t e s t .

du mir s agen , ob du dich freust, mich zu s ehen . " Sie sah ihm fest in die Augen . „Und du k ö n n t e s t mir mal

sagen , w o h e r du w u ß t e s t , daß ich h e u t e nicht zur Schule gehe . "

Er zuck te die Achseln und w a r ein wenig ve runs i che r t . „Ich hab es mir einfach so gedach t . "

„Und w o h e r w u ß t e s t du meine A d r e s s e ? " „Ich hab sie im Telefonbuch gefunden." „Wieso h a s t du n a c h g e s e h e n ? "

Page 38: Die Tochter des Pharao

„Ich wollte fragen, wie es dir geh t . Hör mal", s a g t e er irritiert, „was habe ich denn Schreckl iches g e t a n ? "

„Nichts. Aber du h ä t t e s t mich anrufen können . " „Ja, h ä t t e ich. Aber ich woll te dir e t w a s s a g e n , und dazu

muß ich dich einfach s e h e n . Also, ich w e r d e es dir s a g e n und dann sofort w iede r g e h e n . Okay?"

S t e p h a n holte tief Luft. „Als du mich in der Eingangshal le gefragt has t , ob mir e t w a s aufgefallen war, bevor du in O h n m a c h t fielst — und ich das ve rne in t e — hab ich dir nicht die Wahrhei t g e s a g t . Du ha s t mich nur so . . ."

Dana k l a m m e r t e sich an die Lehne der Couch, um das Gleichgewicht nicht zu verl ieren. Angs t kroch l angsam in ihr hoch.

„Du has t mich nur so g e d r ä n g t , und ich woll te dich nicht noch mehr beunruh igen . Deshalb . . . " Er brach hier ab und sah sie b e s o r g t an. „Bist du o k a y ? "

„Sprich wei ter" , s a g t e sie wie mit he i se re r S t i m m e . „Bit¬ te sprich weiter ."

„Also, es ist wahr, daß ich n ichts g e s e h e n h a b e . Aber kurz bevor du in O h n m a c h t fielst, w u r d e mir se lbs t schwin¬ delig. Ich w ä r e auch fast umgek ipp t . Da w a r dieser furcht¬ bare Ges tank , der mir aus dem Nichts e n t g e g e n s c h l u g . Ich kann ihn nicht genau besch re iben . Ein G e s t a n k wie . . . wie . . . "

„. . . der Tod?" s a g t e sie leise. „Ja. Nur noch schl immer! Und dann, n a c h d e m du wiede r

a u f g e s t a n d e n w a r s t und sie dich r a u s g e b r a c h t ha t t en , habe ich rumgefragt , abe r n i emand s o n s t h a t . . . "

„Dann bin ich gar nicht verrückt!" rief Dana dazwischen . „Nur verflucht!"

Als S t e p h a n sie e n t s e t z t a n s c h a u t e , wich alle Farbe aus Danas Gesicht , und sie w u r d e leichenblaß. Ihre Arme lagen auf ihrer M a g e n g e g e n d . Die Botschaf t des Todes durch¬ fuhr ihren ganzen Körper.

„Dana! Was ist los? Was ist mit dir?" „Wieso weißt du das n ich t?" b r a c h t e sie m ü h s a m hervor

Page 39: Die Tochter des Pharao

und sah ihn voller Argwohn an. „Wie . . . w a s ? " s t o t t e r t e S t e p h a n . „Was meins t du

d a m i t ? " „Warum bist du ü b e r h a u p t h ier?" wollte sie wis¬ sen, „es kann dir doch egal sein, w a s mit mir los ist."

„Weil . . . weil mir w a s an dir liegt!" „Ein bißchen plötzlich, f indest du nicht? Wo du doch bis

g e s t e r n noch nie mit mir g e s p r o c h e n has t . " „Sag mal, ha s t du noch nie das Gefühl gehab t , daß du

j e m a n d e n schon ewig kenns t , obwohl du ihn ers t g e r a d e g e s e h e n h a s t ? "

„Nein". Das konn te einfach nicht w a h r sein, und Dana k o n n t e

nicht begreifen, w a r u m sie so eklig zu S t e p h a n war. „Also gut . Ich k e n n e dich!" s a g t e S t e p h a n und sah ihr

fest in die Augen. „Ich weiß nicht, w a r u m , aber es ist so . Und ich weiß auch, daß dir e t w a s Schreckl iches bevor¬ s t eh t . Und ich will einfach bei dir sein, w e n n es so wei t ist. Du mußt mir das er lauben."

Dana s p ü r t e , daß sich ihre Gefühle für S t e p h a n veränder¬ ten . Ein ande re r Teil Ihres Selbst riet ihr j e d o c h , auf der Hut zu sein. Es w a r s e h r v e r w i r r e n d . S t e p h a n w a r vielleicht der einzige, der ihr helfen könn te , und sie s t ieß ihn einfach von sich!

„Wenn ich dir e t w a s erzähle" , s a g t e Dana, „wirst du dann nicht einfach glauben, daß ich ve r rück t bin? Und du wirs t es auch nicht bei meinen Freunden r u m e r z ä h l e n ? "

„Nein. Ich s c h w ö r ' s . " Sie m u s t e r t e ihn prüfend, S t e p h a n sah so ehrlich a u s .

Was hielt sie nur zu rück? Es h a t t e e t w a s mit dein Traum zu tun, den sie am Tag zuvor g e h a b t h a t t e . Dann s c h o b sie alle Zweifel be ise i te und fing an. Dennoch erzähl te sie ihm nicht sofort die ganze Gesch ich te , s o n d e r n nur S tück für Stück, um zu sehen , wie er r eag i e r t e . Aber w e n n S t e p h a n Kenne¬ dy wirklich Zweifel an ihrer Gesch ich te k a m e n oder er dach te , daß mit Dana e t w a s nicht s t i m m t e , ließ er es sich

jedenfal ls nicht a n m e r k e n . Seine Miene ze ig te nur, daß er

Page 40: Die Tochter des Pharao

ihr g laub te und sich um sie s o r g t e . Nach und nach wich Danas Skeps i s , und sie e rzähl te ihm alles, w a s g e s c h e h e n war.

Als Dana g e e n d e t h a t t e , b e m e r k t e sie, daß S t e p h a n nicht mehr n e b e n ihr saß . Er s t a n d in G e d a n k e n v e r s u n k e n am Fenster .

„Nun", fragte Dana ruhig, „was d e n k s t d u ? " „Es ist irgend e t w a s zwischen u n s " , s a g t e er l angsam.

„Ich weiß nicht, ob du es b e m e r k t ha s t oder nicht. Es gibt einen Grund dafür, daß wir z u s a m m e n sind. Daß ich hier bin, um dir zu helfen."

Ein s c h w a c h e s Echo in ihrem Kopf h inde r t e Dana plötz¬ lich daran, zu hören, w a s er s a g t e . Ein v a g e s Gefühl — eine Warnung .

Hüte dich v o r . . . Sie s c h ü t t e l t e d iesen G e d a n k e n ab und v e r s u c h t e , Ste¬

p h a n s Worte zu hören . „Wir können nicht einfach w a r t e n , bis es pass ie r t " , s a g t e

S t e p h a n mit fes ter S t i m m e . „Wir m ü s s e n alles heraus¬ finden, w a s wir können . Vielleicht können wir es i rgendwie aufhalten, w e n n wir mehr da rübe r w i s s e n . "

„Was zum Beispiel?" „Zum Beispiel . '. ." Er brach ab . „Hör zu", s a g t e er plötz¬

lich, „kannst du z e i c h n e n ? " „Warum?" fragte sie sichtlich v e r w u n d e r t . „Mal sehen , w a s wir über den Mann mit der Ha l ske t t e

h e r a u s b e k o m m e n können . Ein Bild von ihm w ü r d e schon wei terhel fen."

„Wie d a s ? " Er zuck te mit den Schul tern . „Ich weiß nicht, aber es ist

immerhin ein Anfang." „Meine Mut te r kann zeichnen, ich kann nicht mal einen

g e r a d e n Strich mit dem Lineal ziehen." „Wenn sie einen Zeichenblock hat, holst du ihn mir? Und

einen Kohlestift."

Page 41: Die Tochter des Pharao

Dana ging aus dem Zimmer und kam kurz darauf mit den Zeichenutensi l ien zurück. „Kannst du denn z e i c h n e n ? "

„Ich w e r d e es jedenfa l l s v e r s u c h e n . Aber ich weiß nicht, wie gut ich das hinkriege — so nach einer Besch re ibung zu arbei ten ." Er schlug den Block auf und n a h m die Kohle. „Okay, fang an. Welche Kopfform h a t t e e r ?"

„Ich kann mich nur an die Augen er innern." Sie s chaude r ­te .

„Aber ich muß zue r s t die Propor t ionen haben . " „Seine Augen w u r d e n größer." S t e p h a n seufz te . „Sag mir einfach . . . " „Irgendwie lang und schmal ." Er ze i chne te ein Oval. „Länglicher", me in t e Dana. Er korr igierte es. „Jetzt ist es zu lang! Und du has t keinen Platz mehr für

den Bart." „Von einem Bart h a s t du aber n ichts gesag t ! " „Dann sag ich es eben j e t z t . " Er ließ den Stift s inken. „Hey, Dana. Ich bin nur Angestell¬

ter. Und bei me inem Gehalt mußt du schon Geduld auf¬ bringen."

„Tut mir leid. Ich bin einfach n e r v ö s . Der Gedanke , ihn auf dem Blatt zu sehen , ist mir nicht g e r a d e a n g e n e h m . Wenn wir ihn ü b e r h a u p t s ehen . "

„Warte ab."

Nach drei f rus t r ie renden S tunden hob Dana die Hände und s a g t e : „Komm, gib 's auf! Du wirs t ihn nicht treffen kön¬ nen."

„Du willst wohl s agen , wir w e r d e n ihn nicht treffen kön¬ nen", p r o t e s t i e r t e S t e p h a n . „Aber immerhin ha s t du zuge¬ geben , daß er ihm schon ähnlich s ieht ."

Ahnlich ist aber noch nicht getroffen. Ach, w a r u m zeich¬ nes t du nicht nur die H a l s k e t t e ? "

„ K o m m . Machen w i r weiter ."

Page 42: Die Tochter des Pharao

„Ich bin schon zehn J a h r e eine Leiche, bis du damit fertig bist."

„Weißt du, du bist s chon eine schwier ige Person ." „Vergiß meine schwier ige Pe r son und ze ichne die Hals¬

ke t t e " , s a g t e Dana im Befehls ton. „Sofort, Königliche Hoheit ." In gesp ie l t em Ärger nahm sie eine Zeitschrift, die auf

dem Sofa lag, und schlug ihn damit auf den Kopf. S t e p h a n s t and auf und schlug nach ihr mit dem Zeichenblock.

„Heh", schrie sie, „du t u s t mir w e h . " „Komm her, ich drück dir einen Kuß auf die Beule." Sie

b e u g t e sich vor und S t e p h a n küßte ihr Haar. Dann kam sie mit den Lippen fast an se ine . . .

„So, j e t z t w iede r an die Arbeit", s a g t e sie und schob ihn zi t ternd von sich.

S t e p h a n griff zur Kohle und nahm die Arbeit w iede r auf. „Genau so!" rief Dana w e n i g e Minuten s p ä t e r in einer

Mischung aus Angs t und Er regung , als der Ha l s schmuck mit den funkelnden St rahlen am Hals des sch lecht gezeich¬ ne t en M a n n e s erschien .

„Wie s a h e n die Hände am Ende der St rahlen a u s ? " woll te S t e p h a n w i s s e n . „Mit den Innenflächen nach un t en oder o b e n ? "

„Nach oben . J e d e Hand legte sich becherförmig um ei¬ nen Strahl, als ob sie ihn festhielt ."

„Vielleicht s o ? " „Ja, ganz genau" , b e s t ä t i g t e Dana, f lüsternd vor Angs t

und S t a u n e n . „Heh! Das ist bloß eine Zeichnung" , s a g t e S t e p h a n . „Wie¬

viel Uhr ist e s ? " „ W a r u m ? " „Na, wir k ö n n t e n mit dem Zug in die S t ad t fahren und in

den N a c h s c h l a g e w e r k e n der Bücherei in der 42 ten St raße h e r u m s t ö b e r n , um e t w a s über d iesen komischen Typen zu erfahren".

„Okay, ich zieh mir nur schnell w a s an."

Page 43: Die Tochter des Pharao

Plötzlich ging die Vorder tü r auf, und Mrs. Nicholson flog herein, „Ich habe mich e n t s c h l o s s e n , w e n i g s t e n s den Nachmi t t ag mit meiner Tochter zu verbr ingen , egal, w a s meine Tochter dazu sag t . Ich bin schließlich Mutter." Sie s t u t z t e , als sie S t ephan sah, und warf Dana einen bezeich¬ n e n d e n Blick zu.

„Entschuldigt , ich woll te hier nichts u n t e r b r e c h e n . " „Hast du nicht, Mom. Das ist S t e p h a n Kennedy." „Hallo, S tephan ." Sie w a n d t e sich w iede r ihrer Tochter

zu. „So e m p f ä n g s t du Leute . . . im B a d e m a n t e l ? " „Meine Schuld, Mrs. Nicholson", s a g t e S t e p h a n . „Ich hab

mich nicht angekünd ig t . Wollte nur mal s ehen , wie es Dana geht ."

„Und wie g e h t ' s dir, D a n a ? " fragte Mrs. Nicholson.

„Es geh t ihr gut . K o m m e doch wieder, w e n n meine Toch¬ ter e t w a s salonfähiger ist."

„Mom, wir m ü s s e n i rgendwohin." „Du g e h s t n i rgendwohin . Rate mal, mit w e m du den Tag

v e r b r i n g s t ? " Dana w a r mach t los , und S t e p h a n m e r k t e e s . Er ging zur

Tür. „Dann geh ich mal wieder" , s a g t e er. „Bis dann, Dana. Mach ' s gut."

„Wo has t du so einen g u t a u s s e h e n d e n J u n g e n aufgega¬ be l t?" fragte Mrs. Nicholson, sobald die Tür sich hinter ihm g e s c h l o s s e n h a t t e .

„Mom! Red doch nicht so laut. Er kann dich ja hören." „Macht doch nichts . Er ist ne t t . Ist er intel l igent?" Dana s t e m m t e die Hände in die Hüften und b e m ü h t e

sich, e m p ö r t a u s z u s e h e n . „Würde deine Tochte r ihre kost¬ bare Zeit mit einem Idioten v e r g e u d e n ? "

Dann muß ten sie beide lachen.

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6. KAPITEL

Den Rest des Tages zog Mrs. Nicholson mit ihrer Tochter von e inem Einkaufscen te r zum a n d e r e n .

Wild e n t s c h l o s s e n ließ sie ihr „Gebur t s t agsk ind" — es war ja nicht mehr lange bis dahin — D u t z e n d e von Blusen, S w e a t Shirts, Röcken und Hosen anz iehen . Bei dieser hek¬ t i s chen Geschäft igkei t und den kleinen Aufmerksamkei¬ t en ihrer Mut te r kam Dana nicht dazu, ihre G e d a n k e n über S t e p h a n Kennedy zu o rdnen . Sie w u ß t e nur, daß er plötzlich und mit voller Wucht ihre Gefühle getroffen h a t t e .

Welcher Art diese Gefühle w a r e n und w a r u m sie so s t a rk waren , k o n n t e sie ers t s p ä t e r he raus f inden . Sie w a r e t w a s ve rä rge r t , daß ihre Mut te r ihre Pläne du rchkreuz t h a t t e , fühlte sich aber auch i rgendwie er le ichter t . Die kindliche Bege i s t e rung ihrer Mutter, das unnö t ige Hetzen durch die Läden, all das 'war wie immer und ließ das Leben wiede r normal e r sche inen . Nach und nach fand Dana g e n a u s o Gefallen daran wie ihre Mutter .

V e r g e s s e n w a r die Zeichnung, die S t e p h a n von dem Mann mit der Ha l ske t t e angefer t ig t h a t t e . Kurz, bevor sie au fgebrochen w a r e n , h a t t e Dana sie in ihr Zimmer ge¬ brach t — vor allem, um Fragen ihrer Mut te r zu v e r m e i d e n — und mit dem Gesicht nach oben auf den kleinen Tisch neben ihrem Bet t ge legt . Sie s c h e n k t e dem Bild auch keine B e a c h t u n g , als sie, noch ganz in G e d a n k e n an S t e p h a n v e r s u n k e n , a b e n d s ins Bet t ging und einschlief.

Der S t u n d e n a n z e i g e r des kleinen Wecke r s d reh t e sich einmal, zweimal, dreimal. Das Haus w a r ganz still, n ichts

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b e w e g t e sich. Nichts, außer den Augen auf der Zeichnung, die auf dem Nacht t i sch lag.

L a n g s a m w u r d e n die t o t e n Augen aus Kohle immer schärfer — und b e w e g t e n sich. Der lange gef lochtene Bart zuck te , als das Kinn se ine Form v e r ä n d e r t e . Der Mund ver formte sich und öffnete sich leicht. Die Nasen löcher w e i t e t e n sich. Die Wangen fielen e t w a s ein. Der Brus tko rb hob sich un te r dem Ha l s schmuck .

Die Augen v e r ä n d e r t e n sich die ganze Zeit über. Die Pu¬ pillen w e i t e t e n sich und b e g a n n e n zu glühen. Der Mann mit der Ha l ske t t e wa r j e t z t vol ls tändig.

Und se ine Macht d rang durch das Zimmer. Aus se inen Augen e rhob sich eine Rauchsäu le , die im

Aufs te igen immer dichter w u r d e und zu dem gla t ten , s chupp igen Leib e ines D ä m o n s w u r d e .

„Kind des ewigen Fluchs" , z ischte er. „Wache auf!" Unruhig d reh te sich Dana auf ihrem Bet t . Der Dämon glitt zu dem schlafenden Mädchen hinab. Als

er schon ganz nahe war, zerfiel sein sch langenähn l icher Kopf in viele v e r s c h i e d e n e Gesichter, von denen j e d e s das eines a n d e r e n W e s e n s im Todeskampf war. Der Dämon öffnete nun seine unzähl igen Mäuler und v e r s t r ö m t e aus

j e d e m einzelnen den M o d e r g e s t a n k des G r a b e s . „Kind des ewigen Fluchs!" z ischte er ihr ins Ohr. „Er¬

w a c h e und höre dein Schicksal!" Dana schrie im Schlaf auf. Im Traum war sie mit S t e p h a n

im T h e a t e r und sah sich eine Tragödie an. Es war Othello. Die Vorstel lung w a r fast vorbei . Othello w a r von S a g o s Lügen in den Wahnsinn ge t r i eben w o r d e n . Rasend vor Ei¬ fersucht , w a r er dabei, se ine Frau umzubr ingen . J e t z t kau¬ er te er neben dem fast leblosen Körper se iner Frau und w ü r g t e sie immer noch, als ein Geräusch ihn a u f s c h r e c k t e .

„Was für ein Geräusch ist d a s ? " fragte er plötzlich mit einer S t imme, die Dana e r k a n n t e , aber nicht e inzuordnen w u ß t e .

Othello r ichtete se inen g lühenden Blick wiede r auf se ine

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Frau. „Was? Nicht t o t ? " Er b e u g t e sich nähe r zu ihr. Plötzlich war Dana nicht mehr Zuschauer in . J e t z t wa r sie

D e s d e m o n a und ihre e igene Kehle w u r d e von den gewalti¬ gen Händen z u g e s c h n ü r t .

Sie v e r s u c h t e sich zu b e w e g e n , zu a t m e n — sie k o n n t e es nicht. Dann e r t ö n t e ein Zischen: „Kind des Fluchs! Er­w a c h e ! Ammut , der Verschl inger der Toten, k o m m t zu dir!"

Dana riß die Augen auf. Sie k o n n t e s e h e n — aber ihre S t imme v e r s a g t e . Es war, als ob die Hände Othellos noch an ihrer Kehle hingen.

Wie ve r s t e ine r t sah das Mädchen , wie der Dämon sich l angsam zurückzog, wobei er sich in dem d ü s t e r e n , nur vom Mondlicht e t w a s erhel l ten Raum d r e h t e und w a n d . Dann glitt er l angsam zum Nacht t i sch hinüber.

„Beim s i e b z e h n t e n Umlauf der Sonne!" w a r n t e er, bevor er sich wiede r in Rauch auflöste und sich in die Augen des M a n n e s mit der Ha l ske t t e zurückzog .

War das auch noch Teil ihres A lp t r aums g e w e s e n ? Wie sehr w ü n s c h t e Dana sich das ! Aber noch als sie in ihrem Bet t hochschne l l t e , v e r ä n d e r t e sich das Gesicht auf dem Papier und w u r d e wiede r zu den g roben Linien, die Ste¬ phan geze ichne t h a t t e .

Dana s p r a n g aus dem Bett , s t ü r z t e aus ihrem Zimmer und zum Schlafzimmer ihrer Eltern. Dann blieb sie s t e h e n , m a c h t e kehr t und eilte die Treppe hinunter .

Der Junget Hüte dich vor dem Jungen! Wo war das h e r g e k o m m e n ? War es der Feind, der da

g e s p r o c h e n h a t t e ? Dana hör te nicht hin. Sie nahm has t ig den Telefonhörer, rief die Auskunft an und erfuhr, daß es drei K e n n e d y s in der S t ad t gab .

„Dann g e b e n Sie mir eben alle drei Nummern!"

S t e p h a n schlief ganz tief und t r ä u m t e von Dana. Er k o n n t e ihr Parfüm riechen, weil sie dicht n e b e n ihm saß, und der

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Duft m a c h t e ihn fast b e n o m m e n . Von ihren Fingerspi tzen, die leicht se inen Handrücken be rühr t en , sch ienen elek¬ t r i s ie rende Funken a u s z u g e h e n , die durch se inen ganzen Körper liefen. Er w u ß t e , daß er zum e r s t en und letzten Mal in se inem Dasein hoffnungslos verliebt war .

Sie s c h a u t e n g e m e i n s a m auf die Bühne , wo Othello das Schlafzimmer seiner Frau be t r a t . Eine k n i s t e r n d e Stille lag über den Zuschaue rn , denn alle w u ß t e n , w a s der Mohr v o r h a t t e . Auch S t e p h a n b e u g t e sich auf s e inem Platz von Er b a n g t e um D e s d e m o n a . Mit dem Mann h a t t e er kein Mitleid, t ro tz seiner Qualen. Wie k o n n t e Othello es nur übe r s Herz bringen, sie zu t ö t e n , ganz gleich, w a s man ihm über sie erzählt h a t t e ? Wie konn te ü b e r h a u p t j e m a n d ei¬ nen ande ren aus i rgende inem Grund t ö t e n ? Und dennoch konn te dieser Mann, der se ine Frau mehr liebte als sein e igenes Leben, in ihren unschuld igen Augen nicht die Wahrheit s e h e n . All ihre U n s c h u l d b e t e u e r u n g e n , ihr Bit ten um Gnade ließen Othello noch mehr r a sen . Er p a c k t e ihren schlanken, b lassen Hais mit se inen r iesigen Händen und drück te zu . . .

Es ist nur ein Theaterstück, sagte sich Stephan. Doch irgend etwas war seltsam an dem ganzen Vorgang — an der Art, wie der Mohr D e s d e m o n a e r w ü r g t e . Urplötzlich w u r d e S t e p h a n klar, daß sich dies alles in Wirklichkeit zu¬ t rug! Und die Frau auf der Bühne war Dana!

Er s p r a n g von se inem Sitz auf, r ann t e durch den Gang und schrie Othello zu, er solle aufhören. Mit e inem Satz war S t ephan auf der Bühne und s tü r z t e auf den Mohren zu. Ein Geräusch hielt ihn zurück.

„Was für ein Geräusch ist d a s ? " rief S t e p h a n und hob die Hände wie ein Schauspieler . Er sah sie v e r w u n d e r t an. Vor seinen Augen w u r d e n sie ganz riesig und h a t t e n plötzlich Haare . Und der Mohr? Er war v e r s c h w u n d e n . S t e p h a n se lbs t wa r j e t z t Othello!

Das Geräusch , so w u r d e ihm plötzlich bewuß t , kam von seiner Frau . . . von ihr . . . der Heuchlerin. Es w a r ein Stöh-

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nen g e w e s e n , das j e t z t In ein scheußl iches Tödesröche ln überging.

Stephan konnte es nicht ertragen. Er mußte dem ein Ende m a c h e n . „Was?" schrie er „Nicht t o t ? " Und er drück¬

te fester zu. Als es vo rübe r war, das Röcheln v e r s t u m m t .und die Frau

to t war, e rhob S t e p h a n einen wilden Tr iumphschre i . „Annmut! A m m u t ! Verschl inger der Toten!" J e m a n d p a c k t e S t e p h a n an der Schul ten Eine Frauen¬

s t imme riß ihn aus dem Schlaf. „Stephan, w a c h auf! Ste¬ phan!"

Er schlug die Augen auf. Seine Mut te r rü t t e l t e ihn. „Hast du das Telefon nicht g e h ö r t ? Es ist für dich. Irgend­

ein h y s t e r i s c h e s , M ä d c h e n ist dran. Ich hab ihr ge sag t , daß es mi t ten in der Nacht ist, aber sie ließ nicht locker . . ." Hier brach sie ab . S t e p h a n s Gesicht wa r vor Schmerz verzerr t , und beunruh ig t fragte se ine Mutter : „Stephan , w a s i s t?"

„Nichts!" Er sp r ang aus dem Bet t und r a n n t e in den Flur. Dabei v e r s u c h t e er, die Spuren des s chon v e r b l a s s e n d e n T r a u m e s a b z u s c h ü t t e l n .

„Stephan!" „Mom", rief er aus dem' Flur, „Es ist nur für mich. Geh

wieder ins Bet t ." Er n a h m den Hörer. „Dana? Sag mir . . . " „Oh, S t ephan , komm, bi t te komm! Es ist w iede r sowei t .

Es ist schon wieder pass ie r t . " „Ich bin gleich da! Ich bin gleich bei dir!-" Er legte auf und

r ann t e in sein Zimmer zurück, um sich anzuziehen . Aber seine Mut te r wa r schon dort und stel l te sich ihm in den Weg.

„Stephan, w a s ist los?" fragte sie b e s o r g t . „Es ist n ich ts . Wirklich. Nur eine Freundin. Sie . . . sie hat

ein Problem." „Hast du e t w a s ausge f r e s sen , S t e p h a n ? " „Nein, nein. Keine Sorge . Hör auf, i rgendwelche Vermu¬

t u n g e n anzus te l len . Dana hat nur eine b ö s e E n t t ä u s c h u n g

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erlebt, das ist alles. Und sie wird nicht damit fertig." Ste¬ p h a n s Kleider lagen wie üblich überall im Zimmer v e r s t r e u t . Er zog J e a n s an, schlüpfte in T u r n s c h u h e , ohne vorher Socken anzuziehen, und nahm ein Hemd, das er im Gehen übers t re i f te . Dann ging er schnell an se iner Mut te r vorbei und eilte zur Haustür .

„Wann bis du wiede r d a ? " rief sie ihm nach . „Ich weiß nicht. Mach dir keine G e d a n k e n um mich." „Stephan, nimm w e n i g s t e n s einen Pullover mit, s o n s t

e rkä l t es t du dich!" hör t e er sie h in terher rufen .

S t e p h a n w a r schon eine ganze Weile ge rann t , als ihm ein¬ fiel, daß er mit dem Fahrrad schneller w ä r e . Ha t te er unbe¬ wußt g e z ö g e r t ? fragte er sich. Gab es i rgendeinen Grund, sich zu fürch ten? Er lief noch schneller, als habe er einen Energ ieschub erha l ten .

Es w a r e n fast zwei Meilen bis zur Jun ipe r Lane, wo Dana w o h n t e . Als S t e p h a n ankam, k e u c h t e er so laut, daß er g laubte , die F e n s t e r w ü r d e n j e d e n Augenbl ick geöffnet und die Leute w ü r d e n n a c h s e h e n , w a s los sei . Ein Baum

mit dicht be laub ten , h e r a b h ä n g e n d e n As t en vers te l l te se lbs t w ä h r e n d des Tages den Blick auf das Haus der Nicholsons, und j e t z t wa r alles p e c h s c h w a r z . Dennoch m a c h t e er im Dunkel eine Gesta l t a u s . E t w a s Verschwom¬ m e n e s , Geis te rhaf tes wink te ihm zu. Er blieb s t e h e n .

„Stephan!" f lüs ter te die S t i m m e . Es war Dana. Er t r a t in das Dunkel und fand sie. Sie

k a u e r t e an dem Baum, verzweifelt und völlig fertig. Ste¬ phan schloß sie in se ine Arme, und ihre Tränen liefen von ihrer Wange auf se ine .

„Oh, S t ephan , d i e se s — d ieses Ding kam aus der Zeich¬ nung . Es hat mit mir g e s p r o c h e n ! Es s a g t e , A m m u t w e r d e mich holen, S t ephan . So heißt d ieses Wesen , das hinter mir her ist. Ich glaube, w a s ich g e s e h e n habe, war Ammut selbst!"

S t e p h a n h a t t e se inen e igenen Traum inzwischen ver-

Page 50: Die Tochter des Pharao

g e s s e n , aber der N a m e „Ammut" traf ihn wie ein Blitz. „Er — er wird mich holen, S t e p h a n ! Nur noch zwei Tage .

Er wird mich in die F ins tern is m i t n e h m e n . Er wird mich aus lö schen — ich weiß es genau . "

„Nein, das wird,er nicht. Nein!" v e r s i c h e r t e S t e p h a n ihr, als er sie auf Augen, Wangen und Lippen küßte . Und wäh¬ rend er sie ganz fest an sich d rück te , s c h w o r er sich, sie d ieses Mal nicht im Stich zu l assen . Dieses Mal? Was sollte das he ißen? Er h a t t e keine Ahnung . Er w u ß t e nur, daß er nicht zu lassen w ü r d e , daß ihr e t w a s zus t ieß .

Da kam ihm ein G e d a n k e . „Dana, du s a g t e s t doch, auf meiner Zeichnung sei der Mann ü b e r h a u p t nicht getrof¬ fen. ."

„Sein Gesicht hat sich v e r w a n d e l t . . . " „Ich m ö c h t e es sehen!" Er ging mit ihr auf die Tür zu, aber Dana blieb plötzlich

s t e h e n . „Nein! Nein! Bit te nicht!" „Dana, du w o h n s t hier, du mußt zurück. Und ich muß es

sehen . " „Stephan, ich habe Angst . " „Ich auch. Also komm." „Aber meine Eltern . . . " Er nahm sie bei. der Hand. Die Tür w a r zu, aber nicht

a b g e s c h l o s s e n . Sie kna r r t e leicht, als sie hineinschlichen. Über den Tepp ichboden ge l ang t en sie ge r äusch lo s zur Treppe . Auf halber Höhe hielt Dana S t e p h a n an und zeigte auf eine Stufe. Er v e r s t a n d sofort. Er ließ die Stufe aus , und Dana folgte ihm.

Oben a n g e k o m m e n , ü b e r n a h m Dana die Führung. Es ging am Schlafzimmer ihrer Eltern vorbei . Plötzlich

ging dort ein kleines Licht an, und sie hör te , daß j e m a n d aus dem Bet t s t ieg . S t e p h a n hielt den Atem an.

„Du b r a u c h s t nicht au fzus tehen , Daddy", rief Dana und v e r s u c h t e hei ter zu klingen. „Es ist kein Einbrecher, ich k o m m e ge rade aus dem Bad."

„Na ja . . ., w e n n ich einmal auf bin . . . " g r u m m e l t e die

Page 51: Die Tochter des Pharao

St imme, j e t z t s chon nähe r . „Es ist kalt hier", s a g t e Dana ra sch . „Zieh dir den Bade¬

mante l an." „Hmm." Als sie hör te , wie ihr Vater sich von der Tür en t fe rn te , zog

sie S t e p h a n weiter , am B a d e z i m m e r vorbei . Sie s t ü r z t e n genau in dem Momen t in ihr Zimmer, als Mr. Nicholson in den Flur t ra t . Dana schloß die Tür hinter Ihnen. Sie s t a n d e n

j e t z t mit dem Rücken zur Tür und a t m e t e n s c h w e r in der Dunkelheit .

Obwohl es im Zimmer s tockdunke l war, h a t t e n S t e p h a n und Dana keine Mühe, die Zeichnung zu finden. Sie lag auf dem Nacht t i sch und l euch te t e bleich.

S t e p h a n ü b e r w a n d se ine Angst , ließ D a n a s Hand los und ging l angsam auf die Zeichnung zu. Plötzlich r a sche l t e das Papier leicht und k r ü m m t e sich in der Mitte wie eine Ka tze . S t e p h a n hielt i n n e , d a n n v e r s u c h t e er es w i e d e r Aber bei

j e d e m Schritt , den er n ä h e r k a m rollte sich das Papier ein wen ig mehr auf; S t e p h a n blieb e t w a einen halben Meter vom Nacht t i sch ent fern t s t e h e n , um sich zu beruhigen , und sah zu, wie sich die Zeichnung zu e inem Ball zusam¬ menrol l te .

„Tu's nicht!" rief Dana. Aber -langsam, ganz l angsam s t r e c k t e S t e p h a n se ine

Hand danach a u s . Der Papierball e n t z ü n d e t e sich und flog direkt auf S t e p h a n zu. Bevor er se ine Arme s c h ü t z e n d hochreißen konn te , w u r d e er im Gesicht getroffen. Dann war der Feuerball nicht mehr zu s e h e n .

„Ammut!" z ischte eine S t imme im Dunkel, „Ammut! Am-mut!" Das Zischen s c h w a n d l angsam. Es hallte, als ob es in endlose Gänge d rang .

Dana und S t e p h a n s t a n d e n s t u m m da und k l a m m e r t e n sich ane inander . Sie w a r t e t e n , ob die S t i m m e wiederkehr¬ te , aber sie hör t en nur ihre Herzen bis zum Hals sch lagen .

Page 52: Die Tochter des Pharao

7.Kapitel

Sie hielten es in dem Zimmer nicht länger a u s . Dana n a h m rasch ein paar K le idungss tücke und ging ins Bad. S t e p h a n w a r t e t e ungeduldig , w ä h r e n d sie sich schnell anzog .

Vorsichtig schlichen sie die Treppe hinunter . Dana schr ieb ihren Eltern einen Zettel , auf dem s t and , daß sie mit denn fünfzig Dollar, die ihre G r o ß m u t t e r gesch ick t h a t t e , mit dem Zug um 8.30 Uhr nach New York fahre, um sich ein G e b u r t s t a g s g e s c h e n k zu kaufen.

Das s t i m m t e im w e i t e s t e n Sinne. Nur der Geschenkkauf war ein Vorwand . S t e p h a n wollte unbed ing t in die Büche¬ rei, um e t w a s über die Ha l ske t t e und ihren Träger heraus¬ z u b e k o m m e n .

Es w a r ers t fünf Uhr, viel zu früh, um in die S tad t zu fahren. Draußen w a r es noch ganz dunkel und es b e g a n n zu nieseln. So früh k o n n t e man n i rgendwo h ingehen außer zum Bahnhof. Mit s c h w e r e n Schr i t ten gingen sie den gan¬ zen Weg von fast zwei Meilen zu Fuß, Hand in Hand.

Als sie a n k a m e n , wa r der Bahnhof g e s c h l o s s e n . Das hob ihre Niede rgesch lagenhe i t noch. Drinnen h ä t t e n sie sich auf eine Bank s e t zen und a u s r u h e n können , und das Nie¬ seln ging in Regen über. Sie gingen auf Danas Vorschlag über die Gleise zu e inem Platz direkt am Fluß, wo die Bäu¬ me eng b e i e i n a n d e r s t a n d e n .

Als sie ein t r o c k e n e s Plä tzchen gefunden h a t t e n , ließ sich Dana zu Boden s inken und lehnte sich gegen den r ies igen S t a m m einer Eiche. Zärtlich s c h a u t e sie zu Ste¬ phan he rübe r und w u n d e r t e sich, daß er nicht zu ihr kam.

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S t e p h a n warf ein paa r Ste ine auf den noch im Dunkeln l iegenden Fluß, obwohl er nicht s e h e n k o n n t e , ob sie auf dem Wasse r hüpften. Dann gab er auf und ließ sich neben Dana nieder. Irgend e t w a s s t i m m t nicht, d a c h t e Dana. W a s konn te es se in? Sie fühlte sich ihm so nah, und doch . . .

In der Stille, die nur durch das Prasse ln des R e g e n s auf den Blät tern g e s t ö r t w u r d e , fühlte Dana, daß n iemand die Angst , die in ihr war, teilen k o n n t e . Sie s p ü r t e , wie ihr Verhängnis sie e inhol te . Ihr Tod w u r d e j e t z t Realität . We¬ n ig s t ens wollte S t e p h a n Anteil n e h m e n an dem, w a s ihr d roh te . Ohne daß er auch nur ein Wort g e s a g t h a t t e , s p ü r t e sie seine Zärtlichkeit, se ine w a c h s e n d e Liebe zu ihr. Sie legte den Kopf auf se ine Schul ter und schlief ein.

S t e p h a n legte den Arm um sie, aber er empfand nichts dabei . Irgend e t w a s h a t t e ihn in eine tiefe Melancholie h inabgezogen . Es w a r die gleiche Mischung aus Angs t und Verzweiflung, die ihn aus he i t e r em Himmel vor zwei Tagen im M u s e u m befallen h a t t e . Er h a t t e d i e ses Gefühl zum e r s t en Mal w a h r g e n o m m e n , als er d raußen auf dem Geh¬ w e g hochbl ickte und die w e h e n d e Fahne sah, auf der die Auss te l lung „Geheimnisse der P h a r a o n e n " a n g e k ü n d i g t w u r d e . Und das Gefühl w u r d e s tärker , bis zu dem Augen¬ blick, als er Dana aufschre ien hör te und sah, wie sie zu Boden fiel.

Die Worte A m m u t ! A m m u t ! Verschlinger der Toten un¬ t e r b r a c h e n S t e p h a n s Gedanken . Ein Frösteln durchfuhr seine Glieder. Woher w a r e n sie g e k o m m e n ? Was bedeute¬ ten s ie? Der Traum, in dem er Othello war, schoß ihm durch den Kopf Seine e igenen Hände h a t t e n sich um Danas Hals gelegt . Ihre glasigen Augen h a t t e n ihn e n t s e t z t a n g e s t a r r t , als er sie vergeblich nach Luft ringen h ö r t e .

Und j e t z t f lüs ter te ihm eine S t imme ins Ohr: Du bist der Sohn Morods, des Wächters von Karnak. Dessen , der dich eins machen wird mit dem Dämon! Warum h a t t e er d iese G e d a n k e n ? Waren sie Einbildung? Aber w a r u m k a m e n sie ihm dann so v e r t r a u t vor, als ob er sich s c h w a c h an sie

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er inner te wie aus ferner Zeit, aus den Tagen, als er nicht einmal laufen k o n n t e ? S t e p h a n w u ß t e es nicht. Er w u ß t e nur, das dies j e t z t kein Traum war . Daß Dana, die e c h t e Dana, hier war, in s e i n e m Arm, und schlief. Wie leicht w ä r e es , d a c h t e er, w e n n e r j e t z t Othello w ä r e . Er k ö n n t e ganz l a n g s a m mit den H ä n d e n von hinten, e t w a so, nach ihr greifen, dann b e h u t s a m , ganz leicht, mit se inen Fingern ihren Hals u m f a s s e n — so . Und dann, z u e r s t s a c h t e , an¬ fangen zudrücken . . . zud rücken . . .

Als ob er aus großer Ent fe rnung , wie der B e t r a c h t e r e ines Films, z u s c h a u t e , w u n d e r t e S t e p h a n sich, w a r u m se ine Hände sich um ihren Hals leg ten . Gehö r t en sie e inem Jun¬ gen mit N a m e n S t e p h a n oder e inem Othello? War er, wie er es g e r a d e v e r n o m m e n h a t t e , der ,Sohn des Morod ' ? Was m a c h e n meine Hände da? fragte e r sich mit w a c h s e n d e r Sorge . Sie woll ten Dana t a t säch l i ch u m b r i n g e n . Er w ü r d e es nicht z u l a s s e n ! Aber als er v e r s u c h t e , D a n a s Hals los¬ zu las sen — und se inen Griff locker te — d r ö h n t e eine Don¬ n e r s t i m m e in ihm: Rache!

Wilder, u n b ä n d i g e r Haß g e g e n d iesen Wurm, d ie ses s terbl iche Mädchen , durchfuhr se inen Körper wie ein Or¬ kan.

Ammut! Ammut! Verschllnger der Toten! heulte es in ihm mit vor Wut r a s e n d e r S t i m m e — und S t e p h a n s Hände s ch lö s sen sich enge r und enger, als h ä t t e n sie ein Eigenle¬

ben. . . „S tephan! Bitte hal te mich nicht so" , f lüs te r te Dana vol­

ler Angs t . „Es er inner t mich so an meinen Traum." E n t s e t z t riß S t e p h a n se ine Hände zurück. Und er zitter¬

te , weil ihn se ine a lp t r aumhaf t e P h a n t a s i e um ein Haar einen Mord h a t t e b e g e h e n l a s sen . Er v e r s u c h t e sich krampfhaft z u s a m m e n z u r e i ß e n .

„Was für einen T r a u m ? " fragte er, wobe i er sich bemüh¬ te , se ine zit tr ige S t i m m e in die Gewal t zu b e k o m m e n .

„Wir w a r e n z u s a m m e n in e inem T h e a t e r s t ü c k . Es w a r

Page 55: Die Tochter des Pharao

Othello. Er t ö t e t e g e r a d e D e s d e m o n a . Und dann war ich es plötzlich, die da g e t ö t e t w u r d e . "

S t e p h a n s Kehle war wie g e s c h n ü r t . Eine ganze Minute verging, bis er wieder i m s t a n d e w a r zu s p r e c h e n . „Hast du . . . Hast du es g e s e h e n , als er es t a t ? Ich meine , sein Ges ich t?"

Dana v e r s u c h t e S t e p h a n s Miene in der Dunkelheit zu e rkennen . „Nein. W a r u m ? Was soll die F r a g e ? "

„Ich hab nu r . . . ich hab nur nach A n h a l t s p u n k t e n ge¬ sucht ."

„Das hat keinen Sinn", s a g t e sie mit t o n l o s e r S t i m m e . „Alles hat keinen Sinn. Ich w e r d e s t e r ben . "

S t e p h a n s chü t t e l t e heftig den Kopf. „Nein, nein, nein! Ich w e r d e es nicht zu l a s sen . Niemals w e r d e ich es zu la s sen . Ich s c h w ö r e es dir."

„Vielleicht. . . vielleicht ist S t e rben gar nicht so schlimm, S tephan" , s a g t e sie verzweifelt , ohne an ihre Worte zu glauben. „Vielleicht. . . e r w a r t e t mich ja e t w a s B e s s e -

II

res " „Sag so e t w a s nicht", f lüs ter te e r f l ehend . „Ich will dich

nicht verlieren. Niemals. Nicht noch einmal!" „Warum s a g s t du ,noch e inmal ' ?" „Ich weiß nicht. Vielleicht bist du für mich b e s t i m m t " ,

platzte es aus ihm h e r a u s . „Das ist alles, w a s ich weiß!" „Stephan" , sch luchz te Dana, „halt mich ganz fest, ganz

fest." Er hob die Arme, aber sie w a r e n s c h w e r wie Blei. Er h a t t e

Angst , sie um Dana zu legen. Angst , daß sie aus e igenem Antrieb immer höher und höher greifen k ö n n t e n .

Aber Dana s c h m i e g t e sich wieder an ihn und schlief noch einmal fest ein.

Um kurz nach zehn, als S t e p h a n und Dana am Grand Cen­tral Haup tbahnhof in New York a n k a m e n , r e g n e t e es hef-

Page 56: Die Tochter des Pharao

t ig. Sie liefen die zwei Häuse rb locks en t lang zur Bücherei in der 42 t en S t raße . Rasch fuhren sie in den "zweiten S tock hinauf zur Abteilung für N a c h s c h l a g e w e r k e . Vorbei anlan¬ gen Reihen von Ka r t e i s ch ränken ge l ang t en sie zur Kartei für ,Ägypten ' .

Es gab eine s c h w i n d e l e r r e g e n d e Anzahl von Büchern zu d iesem Thema , und sie w u ß t e n nicht, wo sie anfangen sollten. Sie e n t s c h i e d e n sich für fünf Bücher, deren Titel ihnen für ihren Zweck am g e e i g n e t s t e n e r sch ienen , füllten die Aus le ihkar ten aus und g a b e n sie e inem Bibliothekar. Er bat sie, in den L e s e r a u m zu gehen und dort zu w a r t e n , bis die Bände ihnen g e b r a c h t w ü r d e n .

Als sie den r ies igen, holzgetäfe l ten Raum b e t r a t e n , be¬ m e r k t e n sie, daß er m e n s c h e n l e e r war. „Wie fühlst du dich?" fragte S t e p h a n . Dana ging in dem Raum auf und ab, w ä h r e n d sie auf die Bücher w a r t e t e n .

„Besser . Je tz t , wo ich weiß, daß wir e t w a s u n t e r n e h m e n . Aber stillsitzen kann ich einfach nicht."

Nach w e n i g e n Minuten k a m e n die N a c h s c h l a g e w e r k e . Dana und S t e p h a n b r a c h t e n sie zu e inem der langen Lese¬ t i sche herüber , wo sie sie a u s b r e i t e t e n und nach irgend¬ we lchen Hinweisen auf den Mann mit der Ha l ske t t e such¬ ten .

„Das wird eine Heidenarbei t!" s t ö h n t e Dana, als sie über eine Vie r t e l s tunde erfolglos g e s u c h t h a t t e n .

„Entschuldigt" , s a g t e eine a n g e n e h m e S t imme dicht hinter ihnen.

Erschreck t d r eh t en sich Dana und S t e p h a n um. Vor ih¬ nen s t and ein alter Mann mit e inem rundlichen, fröhlichen Gesicht, der sich auf einen S tocksch i rm s t ü t z t e . „Ihr m a c h t einen so e n t m u t i g t e n Eindruck, daß ich d a c h t e , ich k ö n n t e euch vielleicht i rgendwie helfen." Er n a h m seine Brille her¬ vor und m u ß t e lachen, als er die Bücher auf dem Tisch sah . „Erzählt mir nicht, daß es euch im Zeital ter der Elektronik und der Rockmusik a u s g e r e c h n e t die Gesch ich te des alten Ä g y p t e n s a n g e t a n hat! " .

Page 57: Die Tochter des Pharao

Seine g länzenden Augen w a n d e r t e n von den Büchern zu S t e p h a n und ruh ten dann auf Dana. Sie m u ß t e einfach zurücklächeln.

„Es ist für ein Referat in der Schule", s a g t e S t e p h a n . „Ach so" , s a g t e er, ohne den Blick von Dana abzuwen¬

den. „Zufällig ist das eine meiner großen Leidenschaf ten — die Vergangenhe i t . Die a n d e r e ist natürlich die Zukunft. Ich kann nicht g e r a d e b e h a u p t e n , daß ich immer e t w a s für die G e g e n w a r t übrig h a b e . Ist es e t w a s B e s t i m m t e s , w o n a c h ihr s u c h t ? "

S t e p h a n s c h a u t e Dana an. Er war übervors ich t ig . „Es ist eine Halske t te" , s a g t e Dana s p o n t a n . „Sie . . . sie

sieht aus wie die g lühende Sonne und hat Strahlen von v e r s c h i e d e n e r Länge, die aus ihr he rvorsch ießen . Und an der Spitze j e d e s St rahls befindet sich eine Hand, die das Ende umschließt , e t w a so . "

„Das ist eine sehr gu te Beschre ibung" , b e m e r k t e der alte Mann. „Du bist ein k luges Mädchen . Ich hoffe, daß du auch ein glückliches Mädchen bist . Bist du glücklich?"

Es kam Dana einen Augenbl ick so vor, als ob se ine Augen e rns t g e w o r d e n w ä r e n . Aber dann funkelten sie wiede r wie vorher. Es war fast, als s t ü n d e man dem Weihnachts¬ mann gegenübe r .

„Meis tens" , a n t w o r t e t e sie. „Na, das ist prima", rief der alte Mann zufrieden. „Ich

kann dir gar nicht s agen , wie har t ich daran g e a r b e i t e t habe , glücklich zu w e r d e n , und wie wenig Erfolg ich h a t t e . Aber dann habe ich e ines Tages einfach aufgehört , mich se lbs t so wichtig zu n e h m e n , und — w a s soll ich euch sagen! Ich bin die ganze Zeit glücklich, das heißt, die me i s t e Zeit."

„Wissen Sie e t w a s über die H a l s k e t t e ? " fragte S t e p h a n vorsicht ig.

„Oh, die Ha l ske t t e . Ja . Ihr w e r d e t in den Büchern auf dem Tisch nichts da rüber finden. Aber w e n n ihr mal nach¬ schlagt u n t e r . . . — ach, w a s soll 's , w a r u m sag ich's euch

Page 58: Die Tochter des Pharao

nicht einfach. Es ist da s Symbol der Religion des G o t t e s Aton. Das Symbol war einmal über ganz Ägyp ten verbrei¬ te t — eine kurze Zeit . . . "

Die Augen des Alten w u r d e n t r ü b e , als er ganz offensicht¬ lich se inen Gedanken nachhing . Dana und S t e p h a n s a h e n sich ungeduldig an. Aber ein Weile s p ä t e r sp rach er wei ter .

„Die Halske t te w u r d e vom Hohepr i e s t e r des Aton ge¬ t r a g e n . Wahrscheinlich hab t ihr noch nie e t w a s davon ge¬ hört", s a g t e er und sah dabei S t e p h a n he raus fo rde rnd an, „weil die Pr ies ter von Karnak den Kult des Aton vernich¬ t e t en , ehe er in den Herzen der M e n s c h e n Wurzeln schla¬ gen k o n n t e . Der Pha rao h a t t e die Pr ies te r von Karnak daraufhin natürlich g e ä c h t e t , aber sie w u ß t e n , wie sie ihn packen konn ten . Zuers t z e rb r achen sie ihn seelisch, indem sie sein Kind t ö t e t e n . Dann k a m e n sie mit größerer Macht zurück, als sie je zuvor be saßen . "

Das Lächeln auf s e inem v o r ü b e r g e h e n d d ü s t e r gewor­denen Gesicht kehr te zurück, ein liebes Lächeln und t raur ig zugleich. „Die neue Religion des Aton w u r d e , fürchte ich, z u s a m m e n mit dem Pharao , der sie b e g r ü n d e t ha t t e , be¬ g raben . In der ä g y p t i s c h e n Welt wa r der Gott Aton, der nur Frieden und Güte un te r se inen Kindern woll te , bald ver¬ g e s s e n . Man ging wiede r zu Haß und Kriegen über."

„Sie t ö t e t e n die Tochter des Pharao , Prinzessin Hatba-ton!" rief Dana plötzlich.

„Aha!"'Der alte Mann nickte . „Du sche ins t da rüber Be¬ scheid zu w i s s e n . Gut. Dann w a r s t du wohl in der Aus¬ stel lung."

„Aber ich v e r s t e h e das nicht", u n t e r b r a c h ihn Dana er¬ regt . „Sie h a b e n doch g e s a g t , daß der Mann mit der Hals¬ k e t t e auf der Seite des P h a r a o s war!"

„Ja, das s t i m m t auch. Sie w a r e n aufs e n g s t e mitein¬ ander v e r b u n d e n . Einige b e h a u p t e n sogar, sie seien Bluts¬ brüder g e w e s e n . Hohepr i e s t e r des Aton war, sowei t ich weiß, ein Mann von g roßem Wissen, großer geis t iger Kraft

Page 59: Die Tochter des Pharao

oh, ein w u n d e r b a r e r Mann." „Warum hat er dann „Warum hat er w a s , mein Kind?"

. „Nichts", s a g t e Dana schnell . Sie w a r völlig verwirr t . Wenn der Hohepr ies t e r des Aton, der Freund des P h a r a o s , der Mann mit der Ha l ske t t e war, w a r u m h a t t e er sie dann mit d iesen Sch reckensv i s ionen h e i m g e s u c h t '— und mit dem Dämon, der aus der Zeichnung k a m ?

S t e p h a n fühlte, w a s sie d a c h t e . „Vielleicht hat der Hohe¬ pr ies ter den Pharao ve r r a t en . "

Der alte Mann s c h ü t t e l t e heftig den Kopf. „Nie und nim¬ mer! " s a g t e er fast e n t r ü s t e t . „ Er w a r ein Mann von Cha¬ rak te r und S e l b s t e r k e n n t n i s — der h ö c h s t e ! Der Pha rao v e r t r a u t e ihm das K o s t b a r s t e an, das es in se inem Reich gab — seine Tochter, für deren Sicherheit er Sorge t r a g e n sollte. Und der Hohepr i e s t e r w a r n t e den Pharao , wie es heißt, mehr als einmal, w a s pas s i e r en k ö n n t e , w e n n der Pharao bei den Pr ies tern von' Karnak zu wei t ging. Vor allem w a r n t e er ihn vor ihrem Oberhaupt , das über die Fähigkeit verfügte , D ä m o n e n zu b e s c h w ö r e n / '

Wieder brach der alte Mann ab. „Natürlich glauben die me i s t en Historiker nicht an so e t w a s wie D ä m o n e n . Und der Pha rao schien mehr damit beschäf t ig t g e w e s e n zu sein, Gu tes zu tun, als daß er sich die Zeit g e n o m m e n h ä t t e , auf solche W a r n u n g e n zu hören, dieser tö r ich te Mann!"

Wieder schwieg er, doch dann b e g a n n er e rneu t : „Und als die Prinzessin un t e r dem Fluch s t and , wa r es natürlich zu spät."

Dana w u r d e bleich. „Was s agen Sie d a ? " s a g t e sie ent¬ se tz t . „Ein Fluch?"

„Was ist los, Kind?" Der alte Mann m a c h t e ein b e s o r g t e s Gesicht .

„Nichts", a n t w o r t e t e sie wie mit be leg te r S t i m m e . „Es geht mir gut."

„Du hörs t dich aber nicht gut an."

Page 60: Die Tochter des Pharao

„Eine . . . eine Erkäl tung. Bitte erzählen Sie wei ter ." „Du sol l test Vitamin C n e h m e n - na tür l iches Vitamin C

oder Ascorb insäu re . " „Mach ich. Ganz b e s t i m m t . Bitte s p r e c h e n Sie weiter ." „Also, es heißt, daß der H o h e p r i e s t e r des Aton, als er den

Schmerz des P h a r a o s sah, schwor, die Seele der Prinzessin vor dem Fluch zu b e w a h r e n , se lbs t w e n n er ihr bis ans Ende der Zeiten von e inem Leben zum a n d e r e n folgen müß te . "

Der Alte hielt inne. Er s c h a u t e S t e p h a n so lange an, daß es d iesem u n a n g e n e h m w u r d e .

„Was m ö c h t e t ihr noch w i s s e n ? " fragte der Mann. „Wissen Sie e t w a s . . . können Sie mir i r g e n d e t w a s über

A m m u t s a g e n ? " fragte S t e p h a n . „Ach der gu te , alte Ammut!" s a g t e der Alte lächelnd.

„Man hört den Namen h e u t e nicht mehr oft. Man glaubt nicht mehr an ihn. Wer mit s e inem Namen e t w a s anfangen kann, lacht über ihn. Aber ich kann euch vers ichern , über den Feind des Lebens gibt es n ichts zu lachen."

Dana muß te sich am Tisch fes tha l t en und v e r s u c h t e , gegen die Angst , die in ihr aufkam, a n z u k ä m p f e n .

Aber der alte Mann schien keine Notiz davon zu n e h m e n . Immer noch m u s t e r t e er S t e p h a n , nur noch intensiver. „Manchmal e r sche in t A m m u t in Tiergesta l t , die man nicht be sch re iben kann. Dann wiede r ergreift er Besitz von ei¬ nem M e n s c h e n — einem Hitler, e inem ganz normalen Men¬ schen , se lbs t e inem j u n g e n M e n s c h e n . . . "

„Der Verschl inger der Toten!" entfuhr es S t ephan , und er e r r ö t e t e .

„Ich muß sagen , daß du mich ganz schön verblüffst, jun¬ ger Mann. Du sche ins t eine Menge über diese alten, fast v e r g e s s e n e n L e g e n d e n zu w i s s e n . Sag mal — weißt du, wer d ieses Wesen durch se inen Fluch auf H a t b a t o n hetz¬ t e ? "

S t e p h a n s c h ü t t e l t e den Kopf.

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„Hast du nie e t w a s von Morod g e h ö r t ? " „Nein." Aber bei der E r w ä h n u n g d i e ses N a m e n s zog sich

e t w a s in se inem Inners ten z u s a m m e n . „Und es heißt, er h a b e einen Sohn gehab t , den er dazu

b e n u t z t e , die Prinzessin in den Tod zu locken." „Aber Morods Sohn hat sie doch geliebt, o d e r . . . oder

n icht?" s a g t e S t e p h a n mit gedämpf t e r S t imme, aus der Panik h e r a u s z u h ö r e n war.

Der du rchd r ingende Blick des alten M a n n e s w u r d e sanf¬ ter. „Ihr müßt einen b e m e r k e n s w e r t e n Lehrer in der Schule haben . Du weißt Dinge, von denen die me i s t en Museums¬ direktoren und Historiker keine Ahnung haben — oder de¬ nen sie z u m i n d e s t keine Aufmerksamke i t s c h e n k e n . Na j a , Hobbywissenschaf t l e r wie wir h a b e n ihnen g e g e n ü b e r ei­nen Vorteil", fügte er a u g e n z w i n k e r n d hinzu. „Wir können alle möglichen Hilfsmittel b e n u t z e n , die nicht als . . . wis¬ senschaft l ich gel ten. Nicht w a h r ? "

Er w u r d e einen Augenblick nachdenkl ich . „Vielleicht lieb¬ te der j u n g e Teye se ine H a t b a t o n wirklich und w u ß t e nichts von der Falle, die sein Vater ihr geste l l t h a t t e , als Teyes Dienerin mit j e n e r Botschaf t zu ihr in den Palas t ging . . . Ja, das ist d u r c h a u s möglich. Aber wohin ist er dann ver¬ s c h w u n d e n ? Warum hat er Ägyp ten ve r l a s sen , ohne je¬ mals z u r ü c k z u k e h r e n ? Hat er z u g e l a s s e n , ' d a ß sein Vater ihn v e r b a n n t e ? Wußte er n ichts von den Gefahren, die Ha tba ton b e d r o h t e n ? War da s se ine uns te rb l iche Liebe, daß er aus Angs t davonlief? Oder er hat vielleicht nichts geahn t , und n iemand k o n n t e g e g e n die furchtbaren Mäch¬ te a n k o m m e n , die d iese Schaka le von K a r n a k a u s der Hölle he rau fbeschworen h a t t e n . "

Obwohl der Alte äußerlich völlig ruhig blieb, verr iet se ine S t imme, die wie ein tiefer S c h m e r z e n s s c h r e i klang, w a s er empfand. „Wie dem auch sei. Der Pha rao muß g e w u ß t haben , daß, ganz unabhäng ig vom Wirken Teyes , ihn, den Vater, allein alle Schuld traf. Er g laubte , er und se ine Familie seien unangreifbar. Nie h ä t t e er geglaubt , daß man es wa-

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gen w ü r d e , ein Mitglied der königlichen Er hielt inne und sah Dana und S t e p h a n an. „Ihr müßt

en tschuld igen , daß ich mich so habe t re iben lassen . Alte Leute , und ganz b e s o n d e r s Hobbyhistoriker , leben nun mal mehr in der V e r g a n g e n h e i t als in der G e g e n w a r t . Die Ge¬ g e n w a r t ist e t w a s für euch be ide . Leben, Kinder, b e s t e h t nicht nur aus W e t t r ü s t e n und U m w e l t v e r s c h m u t z u n g und überl ieferten Feindbildern. Es ist auch" — er strich leicht Danas Haar, als er an ihr vorbei zur Tür ging — „Liebe".

Seit der e r s t e n E r w ä h n u n g des N a m e n s A m m u t w a r Dana in ihre Alp t r äume z u r ü c k v e r s e t z t . Sie h a t t e fast n ichts von dem m i t b e k o m m e n , w a s sich zwischen dem alten Mann und S t e p h a n abgesp ie l t h a t t e . Aber als sie die Berührung s p ü r t e , erfüllte sie ein Gefühl des Fr iedens und der Ruhe. Es w a r ihr, als ob eine große Hand sie aus e inem Meer g e z o g e n h ä t t e , in dem sie zu er t r inken d roh te . Und nun lag sie wie ein kleiner Vogel g e b o r g e n in der Hand, g e w ä r m t von den großen go ldenen St rahlen der Sonne .

Der alte Mann s t a n d im A u s g a n g und zeigte mit s e inem Regensch i rm auf den noch völlig b e n o m m e n e n S t e p h a n . „Wenn ihr noch mehr für euer Referat sucht" , s a g t e er, „solltet ihr direkt ins M u s e u m gehen . Nicht zu der Wander¬ auss t e l lung . Geht in die ä g y p t i s c h e S a m m l u n g . Seht euch die Vase an, die sie die Urne A h k n a t o n s nennen . "

Dana h a t t e das Gefühl, als ob der Frieden mit ihm fort¬ gehe . Mit leerem Blick s t a r r t e sie auf die g e s c h l o s s e n e Tür und s p ü r t e , wie die al ten Qualen w i e d e r von ihr Besi tz ergriffen.

„Dana", s e t z t e S t e p h a n gequä l t an, „der Mann hat Dinge ge sag t , die mir deutlich m a c h e n , daß ich . . . "

Dana hör t e nicht zu. Doch plötzlich p la tz te es aus ihr h e r a u s : „Er weiß, daß ich H a t b a t o n bin!"

Wie auf ein s t u m m e s K o m m a n d o s t ü r z t e n beide dem alten Mann nach . Sie s u c h t e n im Lesesaa l , d raußen in der Halle, auf den Treppen .

Der alte Mann w a r v e r s c h w u n d e n .

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8. KAPITEL

S t e p h a n und Dana über leg ten , wie es nun w e i t e r g e h e n sollte. Sollten sie ins M u s e u m gehen und diese Vase , von der der Alte g e s p r o c h e n h a t t e , ausfindig m a c h e n ?

Es erschien ihnen das einzig Sinnvolle. Es r e g n e t e immer noch, als sie aus der Bücherei kamen ,

und die B u s s e auf der Fifth Avenue fuhren alle in die falsche Richtung. S t ephan s tel l te sich an den S t r aßenrand , um ein Taxi zu rufen, aber Dana hielt ihn zurück. Zu se iner Ver­blüffung wollte sie den ganzen Weg bis zur 82 ten S t raße zu Fuß gehen .

Er k o n n t e es nicht v e r s t e h e n . Brann te sie nicht auch darauf, der Spur so schnell wie möglich n a c h z u g e h e n ? Was ihn se lbs t betraf, so h a t t e er se ine e igenen Gründe, sich zu beeilen und so schnell wie möglich v o r a n z u k o m m e n . Et¬ w a s tun, irgend e t w a s tun , das w ü r d e ihn von den ver¬ rück ten Vors te l lungen, die in se inem Innern t o b t e n , ab¬ lenken.

Aber als die g rauwe ißen Mauern des M u s e u m s endlich vor ihnen auf tauchten , v e r l a n g s a m t e S t e p h a n se inen Schritt und blieb fast s t e h e n . Er s p ü r t e sofort, w a s Dana empfand, weil es ihm ähnlich erging. Das Ende . Die . . . Nähe des W e s e n s . Er w a n d t e sich Dana zu, und sie brauch¬ ten keine Worte .

Es w a r dort im M u s e u m — und w a r t e t e auf sie. Das M u s e u m war sein Unterschlupf, seine Höhle.

S t e p h a n sah, wie Dana e r s c h a u d e r t e , und legte den Arm um ihre Schulter. „Laß uns von hier w e g g e h e n " , s a g t e er

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leise und führte sie am Arm über die S t r aße . Sie b o g e n um die Ecke und s e t z t e n sich in eine Imbißs tube , wo sie sich einen heißen Kakao bes te l l t en .

„Du", s e t z t e S t e p h a n an, als sie ihre Ge t r änke h a t t e n , „vielleicht gibt es noch eine a n d e r e Möglichkeit, wie wir v o r g e h e n k ö n n t e n . "

„Und w i e ? " „Hast du schon mal von d ie sem Buch über einen Hyp¬

no t i seur gehör t , der j e m a n d e n in sein f rüheres Leben zu¬ r ü c k v e r s e t z t h a t ? Ich glaube, es ging um eine Frau n a m e n s Bridey Murphy."

Dana s c h ü t t e l t e den Kopf und t r a n k einen Schluck Ka¬ kao.

„Also, es soll Hypno t i seu re geben , die das können . War¬ um v e r s u c h e n wir nicht, einen zu f inden?"

„Damit er mich hypno t i s i e r t ? " „Ja, um rauszufinden, ob du wirklich die Wiederverkörpe¬

rung der Prinzessin bist." „Das weiß ich doch schon ." „Ja, gut . Aber willst du nicht ganz s i c h e r g e h e n ? " Dana stel l te ihre Tas se so heftig ab, daß e t w a s Kakao

h e r a u s s c h w a p p t e . Sie sah S t e p h a n mit großen Augen an. „Wenn ich's weiß, bin ich doch ganz sicher."

„Aber, Dana, es gibt eine Menge herauszuf inden . Dinge, die uns helfen könn ten , d iesem . . . d i e sem Wesen gegen¬ übe rzu t r e t en . "

„Und wo findet man so einen H y p n o t i s e u r ? " „Im Branchenbuch , wo s o n s t ? " „Stephan, w a s soll das denn alles kos ten!" „Du has t doch die fünfzig Dollar!" „Die sind doch für meinen G e b u r t s t a g . " „Na bi t te! Dann kaufst du dir eben das zum G e b u r t s t a g . " „Und w a s soll ich meiner Großmut t e r s a g e n ? " S t e p h a n k o n n t e einfach nicht begreifen, w i e s o sie sich

mit solchen Lappalien beschä f t ig t e . „Das wird ü b e r h a u p t kein Problem sein, w e n n du an

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deinem s i ebzehn ten G e b u r t s t a g s t i rbst , der übr igens mor¬ gen ist, falls du es v e r g e s s e n has t" , k o n t e r t e S t e p h a n knallhart .

Dana p a c k t e se inen Arm. „Mußtes t du mich daran erin¬ n e r n ? " Ihre langen Fingernägel boh r t en sich in seine linke Hand.

„Hör auf!" s a g t e S t e p h a n leise. Man d r e h t e sich schon nach ihnen um, aber Dana ließ nicht locker.

„Dana, du t u s t mir w e h . Bist du ve r rück t g e w o r d e n ? " Er entriß ihr se ine Hand frei und b e t r a c h t e t e die ro ten Kratzer. „Ich wollte doch nur . . . "

Dana schluchzte , riß sich aber z u s a m m e n . Die Kellnerin und ein paar Kunden s a h e n zu ihnen herüber . Dana s e n k t e den Kopf und w a n d t e sich ab .

„Was ist denn los?" f lüs ter te S t e p h a n b e s o r g t . „Oh, S t ephan , mir ist, als ob ich . . . " Ihre S t imme s e t z t e

aus . „Als ob ich e t w a s gefunden und dann wieder ver¬ loren . . . "

S t e p h a n lehnte sich über den Tisch und b e r ü h r t e ihre Hand. „Was denn verloren, Dana?" fragte er zärtlich.

Sie s c h ü t t e l t e nur den Kopf, ohne eine An twor t zu ge¬ ben.

„Also, mich jedenfal ls ha s t du nicht ver loren. Und das wird auch niemals g e s c h e h e n . V e r s t e h s t d u ? "

Sie n ickte . „Und wir b r auchen nur noch durchzuha l t en , bis wir die¬

ses Ding bes ieg t haben , o k a y ? " Stille. „Okay, D a n a ? " „Stephan" , s a g t e sie sch luchzend . „ Ja? " „Es tu t mir leid." „Ach komm, ist s chon gut ." „Einvers tanden, laß uns das mit dem Hypnot i seur ma¬

chen."

Rasch s t and S t e p h a n auf, ging zur K a s s e und fragte nach dem Münztelefon. Der Kass ie re r zeigte auf eine Telefon-

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zelle an der S t r a ß e n e c k e . S t e p h a n ließ sich Kleingeld g e b e n und t r a t h inaus in den Regen .

Zwanzig Minuten s p ä t e r keh r t e er zurück. „Endlich!" s a g t e er zufrieden. „Ich hab eine Hypnotiseu¬

rin gefunden, die nicht wie eine Halsabschne ider in oder eine Spinnerin oder be ides z u s a m m e n klang. Sie e r w a r t e t u n s . Genug K a k a o ? "

„Weißt du nicht", fragte Dana mit e inem sanf ten Lächeln, ohne auf se ine Fragen zu a n t w o r t e n , „Wer dieser Mann in der Bücherei w a r ? "

„Nein." „Es war mein Vater." „Du meins t" , S t e p h a n m u ß t e sch lucken „daß das der

Pha rao w a r ? " „Nicht sein Körper und nicht sein Geist . Aber, S t e p h a n ,

se ine Seele ." Der J u n g e sah sie f a s s u n g s l o s an: Es schien alles zu¬

s a m m e n z u p a s s e n . Aber insgehe im k a m e n ihm doch Zwei¬ fel, ob sie nicht vielleicht beide Opfer und Gefangene ihrer v e r r ü c k t e n P h a n t a s i e n w a r e n . S t e c k t e n sie sich vielleicht gegense i t i g mit einer abe rg l äub i schen Hyster ie an?

„Wie viele J a h r e ist es her, S t e p h a n ? " „Jahre?" „Ja, seit dem Tod der Prinzessin." „Über d re i t ausend . " Danas Blick schweif te in die Ferne . „Aber, S t e p h a n , da s

komische ist: das spielt keine Rolle. Mein Vater und ich . . . wir sind uns in der Ewigkeit b e g e g n e t . "

Sie lächelte S t e p h a n an wie der alte Mann und n a h m seine Hand. „Du has t mich mit ihm z u s a m m e n g e f ü h r t , denn die Bücherei w a r deine Idee. Und sieh doch nur, w a s ich als Gegen le i s tung mit dir g e m a c h t habe!"

Zärtlich küßte sie die Kratzer an se iner Hand. „Kriegsnarben!" s a g t e er. Sie lächelte e rneu t . „Also, w a s h ä n g s t du hier r u m ? Wach

auf, wir gehen!"

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„Ins M u s e u m ? " „Natürlich! Aber z u e r s t m ö c h t e ich — von deiner Hyp¬

nosefrau e t w a s mehr erfahren."

Dana und S t e p h a n m u ß t e n m e h r m a l s u m s t e i g e n , um mit dem Bus zu der Hypnot iseur in zu k o m m e n . Das Haus w a r alt. Der Aufzug war nicht m e h r der s t ab i l s t e und war von oben bis u n t e n mit Namen bekri tzel t . Sie s t i egen im dr i t ten Stock aus und gingen durch einen sch lech t b e l e u c h t e t e n Flur.

„Vielleicht hat sie es nicht nötig, die Leute durch Äußer¬ lichkeiten zu bee indrucken" , s a g t e S t e p h a n , als er m e r k t e , daß Dana ein u n a n g e n e h m e s Gefühl h a t t e .

„Bis j e t z t s ieht es s t a rk danach aus . " S t ephan blieb an einer Tür s t e h e n und d rück te auf die

Klingel. „Hör mal, w e n n ein kleiner alter Mann mit Regensch i rm

ein Pharao sein kann . . . Das h ä t t e er nicht s a g e n sollen. „Warum habe ich immer

das Gefühl, daß du mir nicht g l a u b s t ? " s a g t e Dana und sah ihn vorwurfsvoll an.

„Ich glaube dir, nur . . . " „Nur w a s ? " „Sag mal, ha s t du nicht auch m a n c h m a l B e d e n k e n ? " „Stephan! Schieb nicht einfach be ise i te , w a s ich her¬

ausgefunden habe . " „Das wollte ich nicht. Ich hab nur . . . " Die Tür ging auf, und eine Frau mit t leren Alters s t and vor

ihnen. Sie s c h a u t e beide prüfend an, bevor sie sie höflich, aber ohne ü b e r t r i e b e n e Anb iede rung in die Wohnung ließ. Die beiden folgten ihr ins Wohnzimmer.

Dana k o n n t e sich des Eindrucks nicht e r w e h r e n , daß es hier recht unprofessionel l zuging. Aber als sie w iede r ihren Blick auf die Frau r ich te te , w u ß t e sie, daß auch sie genau

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g e m u s t e r t w u r d e . „Ihr sol l tet w i s s e n " , begann die Frau, „daß ich Vergan ­

genhe i tshypnose sehr sel ten mache. Die meis ten k o m ­men sowieso nur, we i l sie ihr Al l tagsleben gegen ein spek-tak tu läres vergangenes Leben austauschen w o l l e n . Und w e n n sich keines f inden läßt, e r w a r t e n sie, daß ich ihnen helfe, eines zu er f inden. Ich mach s o w a s nicht — o b w o h l ich das mit Suggest ion könnte . Es w ä r e aber nicht die Wahrheit ." Sie sprach nicht w e i t e r und sah Dana an .

„Ich vers tehe" , sagte Dana, als sich ihre Blicke t r a f e n . Die Frau hat te sie beeindruckt .

„Seid ihr darauf vorbere i te t , nichts w e i t e r g e w e s e n zu sein als Bauern , Sklaven, Gehilfen und Diener, w a s die meis ten v o n uns w a r e n ? "

„Wenn's das ist", a n t w o r t e t e Dana langsam, „ d a n n w a r ' s das eben."

„Du lächelst", bemerk te die Hypnot iseur in . „ Insgeheim weißt du w o h l , w a s du einmal w a r s t , n icht?"

„Ich glaub schon . A b e r ich habe nicht immer gewußt , daß ich es w u ß t e . Wie d e m auch sei , ich verspreche , daß ich nichts erzwingen w e r d e . "

„Gut" , sagte die Frau und lächelte Dana z u . Sie s t rah l te ein Se lbstbewußtse in aus, das Dana alle Zwei fe l n a h m . „Ich w ü r d e das auch gar nicht zu lassen."

Sie ging zu einer versch lossenen Tür und blieb, den Tür­griff schon in der Hand, plötzlich s t e h e n . „Noch e t w a s . A u c h w e n n du die Person bist, w i e ihr beide v e r m u t e t , ist das keine Garantie dafür, daß du ihr in der Sitzung begeg¬ nest. Hypnose ver läuf t nach den Gesetzen der Näherung, nach d e m w a h r e n Seinszustand, w e n n du in Trance ver¬ fäl lst , und nicht nach d e m , w a s dein Oberbewußtse in er­w a r t e t . Kannst du mir f o l g e n ? "

„Ja. „ D a n n " , sagte sie lächelnd, „ m a c h dich auf ein interes¬

santes Erlebnis gefaßt." Sie ö f fnete die Tür und w a r t e t e darauf, daß Dana vor ihr e intrat . A b e r als Stephan mit

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aufs tand , hob sie die Hand. „Oh, bi t te lassen Sie ihn mit hinein", ba t Dana. Die Frau wollte ab lehnen , aber sie sah einen Anflug von

Angs t in Danas Augen , und bei d ieser Sache w a r innere Ruhe von e n t s c h e i d e n d e r B e d e u t u n g .

„Na schön" , willigte sie ein, „aber er muß ganz ruhig sein."

Sie k a m e n in einen unauffälligen, bis auf ein g roßes Aquari­um eher langweiligen Raum mit ein paar S tühlen und e inem Tisch. Die Frau ließ Dana auf dem einzigen Sesse l am Tisch Platz n e h m e n und b e d e u t e t e S t ephan , sich auf den ein¬ fachen Stuhl in eine Ecke zu s e t z e n .

Dann t r a t sie zum offenen Fens t e r hinter Dana, schloß es und zog die Ja lous ien zu, um den Raum zu verdunke in .

„Sie sind w u n d e r s c h ö n " , b e m e r k t e Dana mit Blick auf die Fische im Aquar ium.

„Ja", gab die Frau zurück und s c h a l t e t e die S t e h l a m p e an, die ein s c h w a c h e s Licht g a b . „Und es wirkt so beruhi¬ gend wie sie so mutig du rchs W a s s e r dahinglei ten."

Dana nickte, doch dann s t u t z t e s ie . Die Frau b e m e r k t e die V e r ä n d e r u n g . „Verräts t du mir,

w a s dir g e r a d e durch den Kopf g e g a n g e n i s t?" „Ach, n ichts . " „Trotzdem", b e h a r r t e die Frau, „es k ö n n t e uns beiden

helfen, w e n n du es mir s a g s t . " „Ich m u ß t e daran denken , daß, w e n n ich so ein Fisch

wä re , mit Sicherheit in dem Aquar ium ein Hai w ä r e . " „Na j a " , s a g t e die Frau, wobe i sie Dana be ruh igend an¬

s c h a u t e , „da k a n n s t du ganz beruhigt sein. Ich lasse keine Haie zu. B e s t i m m t nicht."

Dana lächelte und schien beruhigt zu sein, z u m i n d e s t für einen Moment ,

„Warum m a c h s t du es dir nicht b e q u e m ? " me in te die Hypnot iseur in . „Lehn dich zurück und e n t s p a n n dich, so gut du k a n n s t . Eine Zeit lang wirs t du n i r g e n d w o hin m ü s -

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sen und nichts tun müssen. Da gibt es nur das Hier und Jetzt."

Sie griff in ein kleines Regal und holte ein dreieckig ge¬ fo rmtes Gerät h e r a u s . „Das ist ein M e t r o n o m . In der Musik benu t z t man es , um die Zeit zu mark ie ren ." Sie warf das Pendel an. „Aber du wirs t es b e n u t z e n , um die Zeit zu v e r g e s s e n . "

„Die Zeit", fuhr sie mit sanf ter S t i m m e fort, „ist d i e se s Bündel von Gedanken , das dich an die laute, hek t i s che , immer aktive Welt f e s t k e t t e t . Diese a n s t r e n g e n d e Welt, die den Körper fessel t und den Geist mit Gedanken , Sor¬ gen und Ä n g s t e n füllt. Lehn dich also e n t s p a n n t zurück und lausche dem b e r u h i g e n d e n Ticken des M e t r o n o m s . Und b e m ü h e dich in keiner Weise . Lasse alles los. Das Ticken soll dein A t m e n begle i ten — ein und aus , ganz ru¬ hig . . . ein . . . und a u s , ruhig . . . ein und a u s . "

Z u n ä c h s t k o n n t e Dana all die kleinen G e d a n k e n und Bil¬ der nicht z i ehen lassen , die wie immer vor ihrem inneren Auge f lackerten. Aber dann half ihr die Frau loszu lassen und zu glauben, daß sie sie nur z iehen l assen m ü s s e , um sich b e s s e r zu fühlen, immer b e s s e r und b e s s e r . . .

Geleitet durch die eindringliche S t i m m e der Frau, d iese kräftige, aber b e r u h i g e n d e S t imme, ließ Danas Wider s t and nach, und sie gab sich dem b e g l ü c k e n d e n Gefühl des Los¬ l a s s e n s hin. Als die Frau schließlich ü b e r z e u g t war, daß Dana für das letzte S tad ium berei t war, s u g g e r i e r t e sie ihr, wie a n g e n e h m m ü d e sie sei. J e t z t h a t t e sie Danas volles Ver t r auen und Ihre volle Aufmerksamke i t . Und mit dem Schließen der Augen führte die Hypnot iseur in das Mäd¬ chen in die Tiefen einer h y p n o t i s c h e n Trance .

„Jetzt, wo dein Körper so friedlich und e n t s p a n n t ist", b e g a n n die Hypnot iseur in , „kanns t du ihn u n b e s o r g t im Sesse l zu rück l a s sen . Ganz u n b e s o r g t k a n n s t du dich aus de inem irdischen Körper e m p o r h e b e n , aus dem Körper von Dana Nicholson. Du bist j e t z t frei und k a n n s t diese

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Hülle zurücklassen, ihren Körper, ihre Person, ihr Leben." Sie schwieg einige Minuten, dann fragte sie ruhig:

„Kannst du mich h ö r e n ? " J l l a."

„Hast du den Körper verlassen?" Ja "

„Wo bist d u ? " „Oben." „Schaust du von oben herab?" J ii a."

„Siehst du Dana unter dir?" J II a."

„Und du siehst, daß es ihr gut gefällt?" J II a."

„Machst du dir also noch Sorgen um s ie?" „Nein." „Gut. Dann will ich, daß du z u r ü c k t r e i b s t . . . zurück in die

Vergangenhe i t , bevor Dana Nicholson g e b o r e n w u r d e . Noch weiter , bevor sie g e z e u g t w u r d e . Du s iehs t Bilder vor dir. Bilder von a n d e r e n Orten und a n d e r e n Zeiten — Bilder e ines ande ren Lebens . Eine Szene aus d iesem früheren Leben heb t sich deut l icher ab als a n d e r e . Siehst du es un te r dir, w e n n du nach u n t e n s c h a u s t ? "

Es d a u e r t e eine Weile, bis die An twor t kam. „Ich s e h e e s . Es ist wei t w e g . " „Geh näher heran und besch re ibe e s . " Es e n t s t a n d ein l änge res Schwe igen . „Du sche ins t zu zögern . Was ist los?" „Ich kann da nicht h inun te rgehen!" „Na schön, aber ich muß dir s agen , daß du mit Notwen¬

digkeit zu dieser Szene h ingezogen wirs t . Dann bleibt uns nur noch, diese Sitzung zu b e e n d e n . Willst du die Sitzung b e e n d e n ? "

„Nein", kam die A n t w o r t blitzschnell. „Was s iehs t du d e n n ? " „Ein n a c k t e s Mädchen . Ihre Haut ist sehr dunkel . Sie

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hockt da. Es ist ein w e i t e s Gelände, fast wie eine W ü s t e . Es ist sehr heiß, aber sie hält die Arme um sich ge sch lungen , als ob sie friert. Und um sie he rum liegen Knochen und Skele t te von

„Wovon?" Es kam keine An twor t . „Knochen und Ske le t t e w o v o n ? " b e h a r r t e die Frau.

Noch immer keine An twor t . „Wovon?" „Das ist nicht das Leben, in das ich zurückwol l te!" schrie

das hypnot i s ie r te Mädchen entse tz t . „Es ist dein f rüheres Leben. Du bist dort aber nur zu

Besuch . Dir kann n ichts pa s s i e r en . Du k a n n s t mir ver¬ t r a u e n . Sag mir, wovor du Angs t has t . "

„Stitle akilin e n o w a t ! Stitle akilin enowa t ! " „Sprich in u n s e r e r Sprache!" befahl die Frau mit leisem,

aber b e s t i m m t e m Tonfall. „Ich w e r d e hier s t e rben!" schrie das Mädchen in dem

ande ren Leben. „Sie h a b e n mich hierher g e s c h l e p p t zum Ort des S t e r b e n s . Ich bin verflucht. Sie s agen , daß ich verflucht bin. Und meine Sippe hat mich hier zurückgelas¬ sen . Oh, wo ist mein Mann? Mein Mann! Wo ist e r ? "

Es r eg te sich e t w a s im hin teren Teil des Z immers , als das Mädchen immer wiede r nach se inem Mann rief. Plötzlich schrie S t e p h a n lauf auf. Verä rge r t w a n d t e sich die Frau zu ihm um, um ihn zur Ruhe zu br ingen. S t e p h a n s t a n d auf, und zum E r s t a u n e n der Hypnot iseur in w a r er auch in Tran¬ ce. Sein Gesicht w a r von E n t s e t z e n geze ichne t .

„Ich kann es nicht!" schrie er voller Qual. „Ich kann es nicht! Ich kann es nicht!"

„Hilf mir", flehte das Mädchen , als ob sie ihn g e r a d e in se inem Ver s t eck nicht wei t vom Ort des S t e r b e n s ent¬ deckt h ä t t e . Dana e rhob sich aus dem Sesse l und s t r e c k t e ihm die Arme e n t g e g e n . In d i e sem Augenblick zuck te ihr ganzer Körper und w u r d e g e s c h ü t t e l t , und ihr Gesicht w a r gräßlich ents te l l t und b e g a n n anzuschwe l l en . In Todes -

Page 73: Die Tochter des Pharao

s c h m e r z schr i t t sie auf ihn zu, „Ich kann dich nicht a n s c h a u e n " , schrie er und wich zu¬

rück zur Wand. „Komm nicht näher!" Ihre Augen glühten, als ob ein Höllenfeuer in ihr t o b t e . Sie

m a c h t e noch einen Schritt , Ihre S t imme w a r nur noch ein j ä m m e r l i c h e s Winseln. „Hilf mir. Hilf mir, mein Liebster. Der Dämon hat mich ergriffen. Er ist in mir. Er verschl ingt mich. Nimm deinen Speer, mein Krieger, mein G a t t e . Töte mich! Töte mich! Diese Qual! Diese Qual!"

S t e p h a n s r ech te r Arm ging in die Höhe, als hal te er einen Speer.

„Oh, mein Ga t t e . Mein Liebster." Sie t a u m e l t e noch nä¬ her. „Das ist mein T o d e s t a g . Ich kann ihm nicht en t r innen . Lauf nicht fort von mir. Erlöse mich! Erlöse mich! Erlöse mich! Diese Qualen . . . "

Seine Hand z i t te r te , er nahm allen Mut z u s a m m e n und richtete den Speer auf sie, um sie zu befreien. Doch ur¬ plötzlich brach aus ihr ein gräßliches Gelächter hervor. Ein Gelächter, das wie das Zischen einer r iesigen Schlange klang — und aus den Augen der j u n g e n Frau drang Rauch hervor.

„Ich bin Ammut ! Der Diener de ines V a t e r s , des Hoheprie-s t e r s von Karnak. Und du bist die Seele von Teye!"

„Ich kenne den Namen Teye nicht. Ich bin ein Krieger aus der Sippe der . . . "

Immer mehr Rauch quoll aus den A u g e n des b e s e s s e n e n M ä d c h e n s . „Du bist die Seele von Teye. Wir sind beide Diener de ines Va te r s Morod. Und die Zeit wird k o m m e n , w e n n du und ich eins sein w e r d e n . Eins. Ich w e r d e in dir leben. Komm, laß mich dich u m a r m e n . "

Als ihr s t e r b e n d e r Körper n ä h e r k a m , öffnete sich ihr Mund, und h e r a u s kam der b e t ä u b e n d e G e s t a n k von Tod und V e r w e s u n g . Der Speer in der Hand des J u n g e n zitter¬ te .

„Schleudere ihn!" schrie das Mädchen mit le tz ter Kraft. „Den Speer, mein Gat te — s toß zu!"

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Aber er k o n n t e es nicht. Seine z i t t e rnde Hand öffnete sich. Mit e inem u n t e r d r ü c k t e n Schrei ließ der hypno t i s i e r t e S t e p h a n se inen u n s i c h t b a r e n Spee r fallen. Er r a n n t e zur Tür und warf sich d a g e g e n . Sie g a b nach, er r a n n t e zur E ingangs tü r und durch den Hausflur davon .

U n t e r d e s s e n h a t t e die e n t s e t z t e Hypnot i seur in verzwei¬ felt ve r such t , die Si tzung zu b e e n d e n und die Trance zu b r e c h e n . Aber je m e h r Befehle sie g a b , d e s t o hilfloser w a r s ie . Der H y p n o s e z u s t a n d , den sie hervorgerufen h a t t e , w a r von einer Kraft ü b e r n o m m e n w o r d e n , die ihre e igene wei t ü b e r s t i e g — von einer Macht , die in d e m Mädchen w a r und sich j e t z t g e g e n sie r i ch t e t e . Das Mädchen t a u m e l t e auf sie zu, mit Augen wie zwei a u s g e b r a n n t e Höhlen.

Voller E n t s e t z e n griff die Frau nach irgend e t w a s , w o r a n sie sich fes tha l ten k o n n t e . Die L a m p e . Sie p a c k t e den Schaft, b rach j edoch im se lben M o m e n t z u s a m m e n . Die L a m p e s t ü r z t e g e g e n das Aquar ium.

Der Krach w e c k t e Dana aus ihrer Trance , Eine Zeit lang w u ß t e sie nicht, w a s es mit d e m z u s a m m e n g e s a c k t e n Körper, der in einer W a s s e r l a c h e lag, auf sich h a t t e .

Dana s c h a u t e sich um. Der v e r z e r r t e G e s i c h t s a u s d r u c k der Frau, die G l a s s c h e r b e n überall, die a u f g e b r o c h e n e Tür.

„Stephan, wo bist d u ? " schr ie s ie . Im Hausflur kam S t e p h a n ihr e n t g e g e n . „Wie . . . wie ist d a s p a s s i e r t ? " f ragte er. Dana sah ihn an. „Wenn du das nicht w e i ß t . . . " Er s c h ü t t e l t e den Kopf und eilte zum Telefon. „Sie ist to t" , s a g t e Dana dumpf, als sie die Frau regungs¬

los dal iegen sah . „Das w i s s e n wir noch nicht." S t e p h a n w a r w ü t e n d . Dana s c h a u t e ihn an, w ä h r e n d er w ä h l t e , und s p ü r t e ,

daß plötzlich eine große u n s i c h t b a r e Mauer zwi schen ihnen war . Sie w u ß t e es nicht, aber in S t e p h a n s Herz h a t t e sich, wie durch ein Zaubergift , ein b r e n n e n d e s Gefühl unbe¬ schreibl icher S c h a m eingeschlafen . . .

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9. KAPITEL

S t e p h a n w ä h l t e die Notrufnummer, gab aber se inen Na¬ men nicht an. Draußen w a r t e t e n sie auf der gegenüber¬ l iegenden S t r aßense i t e , wo sie n iemand b e m e r k t e , bis der K r a n k e n w a g e n und zwei Polizeiautos eintrafen. Eine Men¬ ge von Schaulus t igen h a t t e sich vor dem Eingang ver¬ s ammel t . Dana und S t e p h a n ü b e r q u e r t e n die S t raße , misch ten sich un te r die Leute und w a r t e t e n , bis die Sanitä¬ ter mit der Trage h e r a u s k a m e n .

Auch w e n n S t e p h a n kurz zuvor noch a n d e r s g e s p r o c h e n h a t t e , h a t t e n sie beide kaum noch Hoffnung, daß die Frau noch am Leben war. Dennoch konn t en sie nicht wegge¬ hen, bevor sie nicht Besche id w u ß t e n . Ein paar Minuten spä t e r ging die E ingangs tü r auf, und die San i t ä t e r t r u g e n die Frau h e r a u s . S t e p h a n d rück te sanft Danas Arm.

„Sieh mal", f lüs ter te er, „ihr Gesicht ist nicht zugedeck t . " Dana war noch zu durcheinander , um zu begreifen, w a s

das hieß. „Was ist p a s s i e r t ? " fragte ein Polizist se inen Kollegen,

der g e r a d e aus dem Haus kam. „Keine Ahnung . Wahrscheinlich i rgendein Unfall mit

S t rom. Sie s t e h t un te r s c h w e r e m Schock. Wir d a c h t e n zuers t , sie sei tot , aber sie k o m m t wiede r zu sich."

Dana w a n d t e sich ab und brach in heft iges Schluchzen aus . Und auch S t e p h a n m u ß t e g e g e n Tränen ankämpfen , als er Dana vom Schaup la tz wegfüh r t e .

„Wenn ich direkt ins M u s e u m g e g a n g e n w ä r e " , s a g t e Dana, w ä h r e n d sie ziellos durch die r e g e n n a s s e n S t raßen

Page 76: Die Tochter des Pharao

gingen, „wäre das nie g e s c h e h e n . " „Unsinn", w e h r t e S t e p h a n ab . „Du darfst dir keine Vor¬

würfe machen . " Aber w ieso , fragte er sich m a c h e ich mir Vorwürfe?

Sie befanden sich mi t ten auf einer be l eb ten Kreuzung, aber Dana blieb s t e h e n , weil ihr ein G e d a n k e durch den Kopf ging. „Stephan, du w a r s t doch dabei , als ich hyp¬ notis ier t w u r d e . Wieso weißt du dann nicht, w a s gesche¬ hen i s t?"

„Keine Ahnung" , a n t w o r t e t e er. „Glaubst du mir n ich t?" Au tos fuhren in alle Rich tungen an ihnen vorbei, und ein Autofahrer hup t e sie an. S t e p h a n p a c k t e Dana am Arm. „Wir s t e h e n mi t ten im Verkehr!"

Dana rühr te sich nicht von der Stelle. Sie riß sich los und sah ihn w ü t e n d an. „Was verb i rgs t du vor mir?"

„Nichts." Aber er w u r d e blaß. „Du s a g s t nicht die Wahrhei t . Ich will w i s sen , w a s du

g e s e h e n has t . Sag mir, we r die Tür ze rb rochen hat! Was habe ich g e t a n ? Wie ist es zu dem Unfall g e k o m m e n ? "

S t e p h a n s c h ü t t e l t e verzweifelt den Kopf. „Dana, ich war g e n a u s o w e g wie du, ich w a r auch in Trance ."

Das Hupen eines Taxis tr ieb sie auf die ande re Straßen¬ se i te .

„Du w a r s t auch w e g ? Wieso?" Er fuchtel te wie wild mit den Händen . „Ich hab keine

Ahnung . Was soll ich dir s a g e n ? Es ist u n s e r e . . . geis t ige Nähe, n e h m e ich an."

„Stephan, w a s me ins t du mit . . . ge is t ige Nähe?" „Woher soll ich das w i s s e n ? " fuhr er auf. „Ich glaube, es

ist, weil ich dich liebe. Weil ich dich immer schon . . . " Ihr Blick d u r c h b o h r t e ihn. „Was soll das heißen: du has t

mich immer schon . . .?" Da brach sie ab . „Du bist Teye! S t ephan , dich sollte ich in der Nacht meiner E r m o r d u n g im Tempel von Karnak sehen ! Du bist der Geliebte der Prinzes¬ sin Hatba ton!"

„Das ist nicht wahr!" schrie er, als ob es eine Beleidigung

Page 77: Die Tochter des Pharao

w ä r e . Sein Zorn war so s tark, daß die P a s s a n t e n sie er¬ s t a u n t a n s c h a u t e n .

„Ich d a c h t e , das w ü r d e dich glücklich machen , " s a g t e Dana.

„Glücklich? Aber w i e s o d a n n ? " fragte er mit zusammen¬ g e b i s s e n e n Zähnen . „Vielleicht dehalb , weil ich, wie du me in t e s t , aus dem Tempel me ines Va t e r s geflohen bin und dich v e r l a s s e n habe , dami t A m m u t dich in S tücke reißt? Oder h a b e ich dich noch öfter im Stich g e l a s s e n — in deinen ande ren Leben? Und soga r an dem Ort des S t e r b e n s , wo . . . "

„Stephan! Du e r inners t dich ja!" Er schwieg betroffen. „Nein, das t ue ich nicht, ich weiß

nicht, w a r u m ich das g e s a g t habe . " „Du darfs t es nicht u n t e r d r ü c k e n . Du mußt dich er innern.

Es ist so wichtig!" „Laß mich, Dana", schr ie er. „Bleib w e g von mir!" Und

ohne auf den Verkehr zu ach ten , r a n n t e er über die S t raße und v e r s c h w a n d aus ihrem Blickfeld.

Dana blieb lange r e g u n g s l o s s t e h e n . Schließlich s c h w a n d ihre B e n o m m e n h e i t , und sie b e m e r k t e , daß sie mit immer r a s c h e r e n Schri t ten in Richtung M u s e u m ging.

„Seht euch die Vase an, die sie die Urne A h k n a t o n s nen¬ nen", h a t t e der alte Mann in der Bücherei g e s ä g t — ihr früherer Vater.

Nur daran konn te sie sich noch k l a m m e r n . . .

Als Dana am Museum a n k a m , k ä m e n g e r a d e die le tz ten Besuche r aus der E ingangs tür . Es w ü r d e in Kürze ge¬ sch los sen w e r d e n . Dana m u ß t e sich beeilen, w e n n sie ü b e r h a u p t noch h ine inkommen woll te . Aber ihre Schr i t te w u r d e n unsicher, und sie blieb auf dem Bürgers te ig ste¬ hen.

Eine Mauer der Angs t lag zwischen ihr und d ie sem un-

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heilvollen G e b ä u d e . Sie v e r s u c h t e sich k la rzumachen , daß an d iesem Tag nichts mehr g e s c h e h e n k o n n t e . Ihr Tod w ü r d e sie wie eine Hinrichtung ereilen, und der Ze i tpunkt s t and fest. Morgen.

„Dana?" s a g t e eine S t imme hinter ihr. Sie d r e h t e sich um. Es war S t e p h a n .

„Bitte, hör mir zu", bat er, „ich weiß nicht, w a s in mich gefahren ist. Ich muß den V e r s t a n d ver loren h a b e n . Es tu t mir so leid. Aber ich h a b e mir schon gedach t , daß du hier¬ h e r k o m m e n w ü r d e s t , und . . . "

Aber Dana b r a u c h t e keine En t schu ld igungen . Sie hör t e sie nicht einmal. Die Übe rzeugung , daß sie in d iesen Mau¬ ern der Tod e r w a r t e t e , löschte alle a n d e r e n G e d a n k e n in ihr a u s . In ihren Ohren d r ö h n t e es und ihre e igene S t imme kam ihr fremd vor, als sie S t e p h a n fragte: „Gibt es einen Ort auf der Welt, wo h e u t e nicht h e u t e is t? Wo es viel s p ä t e r ist? Wo schon mein G e b u r t s t a g i s t?"

S t e p h a n a t m e t e tief durch und v e r s u c h t e , se ine e igenen Ä n g s t e un te r Kontrolle zu br ingen. „Ja — vielleicht. Aber wozu willst du das w i s s e n ? "

„Wo, S t e p h a n ? Wo ist j e t z t mein G e b u r t s t a g ? " „Auf der ande rn Seite der D a t u m s g r e n z e , aber . . . " „Ist mein Gebur t s l and — ist Austral ien j e n s e i t s der Da¬

t u m s g r e n z e ? " Sein b e s t ü r z t e s Schwe igen gab ihr die An twor t . „Ich

w e r d e j e t z t s terben" ' , s a g t e sie ruhig, dann ging sie die Treppe zum M u s e u m hinauf. „Leb wohl, S t e p h a n . Folge mir nicht in mein n ä c h s t e s Leben. Es hat keinen Sinn."

„Dana! Geh nicht hinein!" „Ich muß" Sie ging wei ter . „ W a r u m ? " „Weil es mein Schicksal ist", a n t w o r t e t e sie, wobe i sie

ihn ansah , als erkläre sie es e inem kleinen Kind; „Dann w e r d e n wir es ändern!" S t e p h a n stieß die Ein¬

g a n g s t ü r vor ihr auf. Ein M u s e u m s w ä c h t e r hielt sie zurück, als sie in die Ein-

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gangsha l le t r a t e n . „Ich heb meine Uhr da drinnen verlo¬ ren", log S t ephan . „Sie ist ein paar h u n d e r t Dollar w e r t . Zeigen Sie uns nur den Weg zur ä g y p t i s c h e n S a m m l u n g . Vielleicht finden wir sie noch!"

„Dann mußt du für mich Lotto spielen, w e n n du die noch findest." Der Mann gr ins te und ze ig te ihnen, wohin sie gehen muß ten . „Und m a c h t schnell . Geht aus dem Neben¬ e ingang raus , w e n n hier schon g e s c h l o s s e n ist."

„Danke!" Als sie sich der Auss te l lung n ä h e r t e n , blieb Dana s t e h e n

und be rüh r t e zärtlich S t e p h a n s Wange . „Ich muß allein h ine ingehen ." „Niemals!" Seine Augen funkelten. „Nicht in d iesem oder

i rgendeinem andern Leben. Dieses Mal gehe ich mit dir — bis zum Ende!"

Dana und S t e p h a n wol l ten g e r a d e h ine ingehen, als ein Mann mit einem Sprechfunkgerä t vor ihnen au f t auch te .

„Tut mir leid", s a g t e er, „ihr könnt nicht mehr rein. Wir machen dicht."

S t e p h a n v e r s u c h t e es mit de r se lben A u s r e d e , aber der Mann wink te nur ab . „Da drin f indest du n ich ts . Ich bin schon d u r c h g e g a n g e n . Du k a n n s t m o r g e n beim Fundbüro nachfragen."

„Aber . . . " Dana zog S t e p h a n am Ärmel. Sie en t f e rn t en sich, gingen

um eine Ecke und v e r s t e c k t e n sich hinter zwei S t a t u e n . Sie ließen den A u f s i c h t s b e a m t e n vorbe igehen , gingen den gleichen Weg zurück und b e t r a t e n den A u s s t e l l u n g s r a u m , wo sie un te r den g l a s g e s c h ü t z t e n E x p o n a t e n nach der Urne s u c h t e n .

„Ich seh sie n i rgends" , s a g t e S t e p h a n schließlich. „Sie muß hier sein. Wir v e r s u c h e n es wei ter ." Plötzlich zog Dana S t e p h a n blitzschnell zur Sei te . Der

A u f s i c h t s b e a m t e kam zurück. Sie liefen auf eine offene Tür zu, die sich einige Meter von

Page 80: Die Tochter des Pharao

ihnen en t fe rn t befand. In ihrer Panik b e m e r k t e n w e d e r Dana noch S t e p h a n , daß sie die r iesige Halle „Gehe imnisse der P h a r a o n e n " b e t r e t e n h a t t e n . S t e p h a n d e u t e t e schnell auf ein g roßes , oben offenes A u s s t e l l u n g s s t ü c k . Dana k le t t e r t e auf den Sockel, worau f es ruh te , und S t e p h a n s chob sie in d i e se s Vers teck , bevor er s e lbs t h ine insp rang .

Ers t als sie sich auf d e m Boden d e s r ech t eck igen S te ins z u s a m m e n k a u e r t e , b e m e r k t e Dana, wo sie sich befand.

„Oh, mein Gott, S tephan!" Sie e r s c h a u e r t e und versuch¬ te , j ede B e r ü h r u n g der S t e i n w ä n d e zu v e r m e i d e n . „Prin¬ zess in H a t b a t o n w u r d e hierin b e g r a b e n . Es ist mein eige¬ ner Sarg!"

Obwohl S t e p h a n am ganzen Körper z i t t e r t e , w a r sein Kopf noch so klar, daß er Dana den Mund zuhielt. Ein schlur¬ fendes Geräusch künd ig te das E in t re ten des Sicherheits¬ b e a m t e n an. L a n g s a m k a m e n die Schr i t te auf sie zu — und ve rha r r t en vor d e m Sarg .

Während die S e k u n d e n v e r r a n n e n , v e r h ä r t e t e sich bei beiden die Befürch tung , daß es gar nicht der Mann war, der dort unmi t t e lba r in ihrer Nähe s t a n d , s o n d e r n der Dämon . Sie k a u e r t e n sich eng a n e i n a n d e r und w a r t e t e n ab .

„Alles klar im Nordflügel", k o n n t e n sie schließlich hören . „Okay", kam es übe r da s Sprechfunkgerä t zurück. „Ma¬ chen wir dicht."

Erleichter t hö r t en sie, wie sich die Schr i t te des Sicher¬ h e i t s b e a m t e n en t f e rn t en . Kaum h a t t e n sie j edoch ihre Köpfe h e r a u s g e s t e c k t , als zwei Männe r de s Reinigungs¬ d i e n s t e s mit Mop und riesigen Eimern auf R ä d e r n auf¬ t a u c h t e n .

„Es ist wie ein b ö s e r Scherz" , f lüs te r te Dana, als sie sich w iede r d u c k t e n . „Ammut — er t re ib t sein Spiel mit mir."

„Dana", a n t w o r t e t e S t e p h a n leise, „was auch gesch ieh t , d iesmal trifft es u n s be ide ."

„Was ich e b e n g e s a g t habe , w a r nicht so gemein t , Ste¬ phan . Ich m ö c h t e , daß du immer bei mir bist, in all meinen Leben. Bi t te . . . b i t te , ve rspr ich es mir!"

Page 81: Die Tochter des Pharao

„Ja. In allen." „Dann ist es mir egal, wohin es geht" , s a g t e sie und

schlang die Arme um ihn. Es verging vielleicht eine S tunde , bis der Lärm der Reini¬

g u n g s a n g e s t e l l t e n aufhör te . Dann gingen, eins nach dem andern , alle Lichter im G e b ä u d e aus . Und die langen, sich w i n d e n d e n Marmorhal len des M u s e u m s w a r e n in tiefe Stil¬ le v e r s u n k e n .

Im t r ü b e n Dämmerl icht sah S t e p h a n e r s t a u n t auf Dana hinab. An d iesem m e r k w ü r d i g e n Ort, in d i e sem Sarg, in dieser e n t s c h e i d e n d e n Nacht wa r sie t a t säch l i ch in se inen Armen e ingeschlafen. Und w a s noch unglaubl icher war. Ihr Gesicht t rug den so rg losen Ausdruck e ines Kindes .

Wenn sie nur so bleiben könn t e , d a c h t e er. Wenn er sie nur vor dem unausweich l i chen Augenbl ick b e w a h r e n könn te , w e n n der Verschl inger der Toten k ä m e ! Wenn er se lbs t doch nur all die gräßlichen S c h m e r z e n auf sich neh¬ men k ö n n t e !

Ein G e d a n k e r eg t e sich in se inem Kopf. Gibt e s , so form­te sich der Gedanke , einen Grund dafür, daß sie einge­schlafen i s t? Vielleicht weiß sie, daß sie gut daran täte nie wieder aufzuwachen. Wenn sie jetzt s t ü r b e , sanft, im Schlaf. . . Und wenn du, der du sie liebst und behauptest, alles für sie zu tun, ihr wirklich helfen willst. . .

„Ich . . . ich v e r s t e h nicht", a n t w o r t e t e S t e p h a n sich se lbs t .

Oh doch, b e h a r r t e der G e d a n k e , wirst du dich abwenden und davonlaufen?

„Ich bin bereit , mit ihr zu s t e r b e n , " v e r k ü n d e t e S t e p h a n zi t ternd.

Und was soll ihr das nützen? „Das ist alles, w a s ich tun kann . . . " Du bist ein Lügner und ein Feigling!„Ich kann doch nicht

wirklich solche G e d a n k e n haben ! Ich kann doch nicht erns thaf t daran denken , sie zu t ö t en . "

Page 82: Die Tochter des Pharao

Ein Augenblick blitzte es in s e inem Gehirn auf, daß da ein andere r in ihm war, der se ine Rolle ü b e r n a h m — und der mit ihm sp rach . Er mußte an den Othe l lo t raum denken und daran, w a s am Fluß g e s c h e h e n w a r Oh nein! Er schauder¬ te und rückte so wei t von der sch lafenden Dana ab, wie er nur k o n n t e . Ich verliere meinen V e r s t a n d . Ich w e r d e ver¬ rückt.

Verrückt oder nicht, s a g t e die S t imme oder das Wesen in ihm, willst du sie lieber A m m u t überlassen? Sie wird keine Schmerzen, keinen Todeskampf spüren, wenn du sie t ö ­t e s t . Der böse aber wird sie in S tücke reißen, Glied für Glied.

„Aber ich weiß das nicht mit letzter Sicherheit . Ich weiß nicht, ob er k o m m t . "

Der Gedanke tr ieb Spot t mit ihm. So wie du nicht weißt, was heute bei der Hypnotiseurin passiert ist?

„Nein. Ich habe keine Ahnung." J e t z t w u r d e die S t imme immer beißender . Wie leicht man

doch verdrängt, wofür man sich schämtl Und wie bequem. Du kannst dich nicht einmal an deine junge Frau erinnern, für die du geschworen hattest zu sterben? Du erinnerst dich nicht, wie sie schrie und nach deinem Speer verlang¬ te?

„Nein", schrie er, „ich er innere mich nicht." Du warst ihr Ehegatte, der Krieger. Du standest vor dem

Ort des Sterbens. Sie lief auf dich zu. Soll ich sie dir noch einmal vorführen? Willst du ihre Stimme hören? Ihr Gesicht sehen?

„Laß mich! Ich kann nicht tun, w a s du von mir willst. Laß mich in Ruhe!"

Doch da erschien ein Bild vor S t e p h a n s Augen. An einem v e r l a s s e n e n Ort, zwi schen Knochen und Skele t ten , konn¬ te er sie s ehen . Es war Dana, aber eine ande re Dana — ein a n d e r e s Wesen, das da auf ihn z u t a u m e l t e über die Ge¬ beine längst Vers to rbener . Ihre Arme s t r e c k t e n sich ihm e n t g e g e n , man k o n n t e ihre Knochen un te r der Haut s e -

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hen. Sie war schon ein w a n d e l n d e s Skele t t . „Der Speer, mein Ga t t e . . . wirf!" In r a s e n d e r Geschwindigkei t k a m e n a n d e r e Bilder hoch.

Andere j u n g e Mädchen, alle i rgendwie Dana. Immer wiede r sah er sich se lbs t , und doch nicht sich se lbs t , wie er sie im Stich ließ, unfähig, sie zu r e t t en , wie er vor ihnen floh. Immer tiefer in die V e r g a n g e n h e i t s t ü r z t e n ihn die Bilder, bis er sich sah, wie er in dem Ver s t eck hinter dem Heiligtum des G o t t e s im Tempel von Karnak k a u e r t e . Er sah, wie er vor Angs t z i t te r te , er hör te , wie se ine gel iebte Ha tba ton nach ihm schr ie : „Oh, Teye! Hast du mich nicht hierher gerufen? Ich bin zu dir g e k o m m e n . Ich h a b e meinen Vater ve r l a s sen . Habe alles au fgegeben . Wo bist du, L iebs te r?"

Er h a t t e das b ö s e Spiel d u r c h s c h a u t . Er w u ß t e , daß sein Vater ihr eine falsche Botschaf t h a t t e z u k o m m e n lassen . Er war g e k o m m e n , um sie zu r e t t en . Um zu kämpfen! Aber als e r d e n Dämon sah, e rz i t t e r t e er — und lief davon.

Wirst du sie noch einmal im Stich lassen? t ö n t e es mit d o n n e r n d e r S t imme in ihm.

„Woher weiß ich denn, daß du nicht A m m u t b i s t ? " fragte S t ephan plötzlich.

Ich bin Ammut! z i schte die S t i m m e . Und j e t z t , Sohn des Morod, bin ich auch diu.

Wie ein Blitz fuhr er durch S t e p h a n s Körper. Erfühlte, wie die blau-weiße F lamme ihn d u r c h s p u c k t e . Eine gewal t ige , explosive Macht ergriff von ihm Besitz . Er v e r s u c h t e , da¬ gegen anzukämpfen , aber er w u ß t e nicht wie . Sein Rücken wölbte sich, sein ganzer Körper e r s t a r r t e , und se ine Hände griffen nach Danas Kehle und u m s c h l o s s e n ihren Hals.

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10. KAPITEL

„Der J u n g e ! Hüte dich vor dem Jungen ! " f lüs ter te der Mann mit dem H a l s s c h m u c k in Danas Traum, und sie riß die Augen wei t auf. Sie e r k a n n t e sofort, daß S t e p h a n wahn¬ sinnig g e w o r d e n war . Er w a r über sie g e b e u g t , und se ine Finger u m s c h l o s s e n ihre Kehle. Seine Augen g lühten vor s a d i s t i s c h e m Entzücken . Tief g ruben sich se ine Fingernä¬ gel in ihren Hals.

Sie k o n n t e nicht a t m e n , nicht d e n k e n . Sein Lachen, das Lachen e ines Irrsinnigen, hallte wieder, als sei es tief in den riesigen, dunklen K a m m e r n des Tempels von Karnak ein¬ g e s c h l o s s e n .

„Such die Urne!" befahl der Mann. Dana h a t t e plötzlich u n g e a h n t e Kraft. Sie zog die Beine

an und t r a t S t e p h a n mit voller Wucht in den Magen. Auf¬ heulend und sich vor Schmerz k r ü m m e n d , schlug er mit dem Kopf g e g e n die S t e i n w a n d des S a r g e s . Er verlor das Bewuß t se in und s a n k in sich z u s a m m e n .

Dana s t ieg aus dem Sa rkophag und lief durch den fast dunklen Raum. Sie s t o l p e r t e . Im Fallen b e r ü h r t e sie mit der Hand die Mumie der Prinzessin. Sie e r s t a r r t e vor E n t s e t z e n und s p ü r t e , wie eine Eiseskä l te durch ihren Körper fuhr. Bald w ü r d e die Kälte ihr Denken lähmen. Aber das w ü r d e sie nicht zu lassen! Mit verzweifel ter A n s t r e n g u n g riß sie sich los und t a u m e l t e aus der Halle.

Die Tür, durch die Dana h i n a u s s t ü r z t e , w a r nicht die glei¬ che, durch die sie die „Geheimnisse der P h a r a o n e n " betre¬ ten h a t t e . Und unmi t t e lba r vor sich sah sie den Mann mit

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dem Hals schmuck . Er s t and da, aber nicht aus Fleisch und Blut, auch nicht als eine Vision. Es w a r ein Bild auf einer riesigen S t e i n v a s e . Der Schock dieser B e g e g n u n g ließ Da¬ na r e g u n g s l o s ve rha r ren .

Die Augen, auch w e n n sie gemal t w a r e n , w a r e n leben¬ dig. Während sie Dana fixierten, w u r d e n sie immer bohren¬ der . . . und sie sch ienen zu ihr zu s p r e c h e n .

„Höre, o Kind des großen P h a r a o . Seit J a h r t a u s e n d e n w a r t e ich darauf, dich vom Fluch Morods zu befreien. Was ge tan w e r d e n muß, ist fast g e t a n . Ich habe Traumbilder geschickt , um dich aufzuwecken . Du h a s t vor de inem eige¬ nen Leichnam g e s t a n d e n . Du ha s t in de inem e igenen Sarg ge legen. Du ha s t die Vision des D ä m o n s , des b ö s e n Feinds g e s e h e n . Endlich, endlich ist der Schleier der Unwissenhe i t von deinen Augen g e n o m m e n . Du weißt , w e r du bist. Wie lautet der Fluch? Sprich es aus !"

„In j e d e m Leben e r m o r d e t zu w e r d e n , an me inem sieb¬ zehn ten . . . "

Ein Heulen, das w e d e r von einem M e n s c h e n noch von einem Tier s t a m m t e , e r t ö n t e aus der großen Ausste l lungs¬ halle.

„Stephan ist da drinnen, " rief Dana. „Der Dämon hat von ihm Besitz ergriffen. Sie sind e ins .

S t ephan ist j e t z t der Dämon. Und j e t z t k o m m t er se lbst , um den Fluch zu erfüllen."

„Hey, Dana, D a n a b a b y ? " rief das h e r a n n a h e n d e Wesen, das S t e p h a n s S t imme und Körper b e n u t z t e . Dana s p ü r t e , wie ihre Beine z i t t e r t en . Ihr Herz p o c h t e bis zum Hals.

„Bleib s tandhaf t" , s a g t e der Mann mit dem Hals¬ schmuck . „Du mußt auf der Hut sein vor dem Feind."

„Hab keine Angst , Liebling. Ich hab dir v e r s p r o c h e n , im¬ mer bei dir zu bleiben, nicht w a h r ? Und desha lb bin ich hier, um für immer bei dir zu sein."

Ein wi ldes Lachen erfüllte das M u s e u m und ließ Dana erbleichen. Sie s e h n t e sich danach , in O h n m a c h t fallen, um dem zu e n t g e h e n , w a s Dana Nicholson an d ie sem sieb-

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z e h n t e n Umlauf der Sonne z u s t o ß e n m u ß t e . S t e p h a n sang , w ä h r e n d er sich ganz allmählich dem

Raum n ä h e r t e : „Happy b i r thday to you, happy bi r thday to you . . ."

Dana fühlte sich s c h w ä c h e r und s c h w ä c h e r w e r d e n . . . Aber die Augen des M a n n e s auf der Urne d u r c h b o h r t e n sie und m a h n t e n sie, w a c h zu bleiben, auf der Hut zu sein . ...

ES t r a t ein. Der Körper, der einmal S t e p h a n Kennedy ge¬ hört h a t t e , glitt durch die Eingangstür , mit e inem so bös¬ ar t igen Grinsen, daß S t e p h a n s Züge nicht mehr zu erken¬ nen w a r e n . Er schri t t auf Dana zu, die Arme vor sich aus¬ ges t r eck t , als hal te er einen G e b u r t s t a g s k u c h e n . Kerzen¬ f lammen sch ienen in se inen Augen zu b r e n n e n .

„Happy b i r thday dear Dana, happy b i r thday to you!" Dana mein te ihr Kopf m ü s s e ze r sp r ingen , ihr g a n z e s

Denken löste sich auf in Angs t und E n t s e t z e n . „Gott ist in dir", s a g t e der Mann mit dem Halsschmuck ,

„aber du mußt auf der Hut sein. Halte den Schild Go t t e s vor dein Gesicht . Nur so wird A m m u t gesch l agen . "

„Ich kann nicht!" schrie sie. „Niemand kann es!" z i schte das Monster , als S t e p h a n s

Finger nach ihr greifen wol l ten. „Wer k ö n n t e mir entgegen¬ t r e t e n ? Ich bin der Gott . Ich bin die Leere des Nichts . Ich dein Verschl inger der Toten . Ich bin . . . der Tod!" Das Grin¬ sen w u r d e noch breiter. Es war S t e p h a n s S t imme, aber voll Wahnsinn und Rasere i . „Und ich k o m m e zu dir, Geburts¬ t agsk ind . "

„Hilf mir, Pr ies te r des Aton!" schr ie Dana und wich g e g e n die Wand zurück. „Hilf mir, mich zu erinnern!"

„Sprich den Psalm des Pha rao Ahkna ton , den man dich als H a t b a t o n lehr te . Erinnere dich . . . e r innere dich!"

S t a m m e l n d b e g a n n Dana. „O Herr des . . . " Doch der Dämon w a r schon über ihr, s e inem offenen

Maul e n t s t r ö m t e der G e s t a n k des Grabes , und aus se inen g lühenden Augen quoll Rauch. Die Dämpfe d rangen in ih~

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ren Körper ein und u m n e b e l t e n ihren Geist. Dana rang nach Luft. Sie konn te keinen klaren G e d a n k e n f a s s e n . Kaum noch v e r n a h m sie die s c h w a c h e , ferne S t imme, die aus dem mordg i e r i gen Wesen zu ihr hervor d rang .

„Dana!" rief der wirkliche S t ephan . „Sag die Worte! Sprich sie aus!"

„Ja!" brüllte der Böse, indem er sich Stephans eigener S t imme bed ien te , um ihn zum Schweigen zu br ingen.

,,Sprich!" Die Hände des b e s e s s e n e n J u n g e n hielten Danas Hals

fest u m k l a m m e r t . „Sprich von Gott durch deinen röche lnden Mund!" schrie

Ammut . In Danas Ohren r a u s c h t e ihr Blut — ein Rauschen , das

den Tod ankünd ig t e . Und dennoch kämpf te sie, um bei Bewußt se in zu bleiben. Mit ihrem ganzen Sein s u c h t e sie krampfhaft nach den Worten des Psa lms . . .

Sie e r re ich ten ihr Ohr, als ob sie ihr vom Pr ies te r des Aton zugef lüs ter t w ü r d e n : „Oh Herr des Un ive r sums . . . "

„O Herr des Un ive r sums" , sp rach Dana s t u m m im Geiste nach. Ihre Zunge g e h o r c h t e ihr nicht mehr.

„Wie a l lumfassend sind Deine Werke!" „Wie a l lumfassend sind Deine Werke!" Ein quä lender

Schmerz schoß durch D a n a s Körper. Und dennoch , so hef¬ tig der Schmerz auch war, sie ließ sich nicht davon besie¬ gen, sie gab ihm nicht nach .

„Sie sind u n s e r e n Augen ve rborgen" , k a m e n die näch¬ s ten Worte . Dana wiede rho l t e es in ihrem Geist und fühlte, wie neue Kraft in ihr w u c h s , obwohl der Dämon se inen Todesgriff noch v e r s t ä r k t e und sie keine Luft mehr b e k a m . Sie hör te die n ä c h s t e Zeile und wiederho l t e sie in Gedan¬ ken mit g a n z e m Herzen: „O Du alleiniger Gott ."

„O Du alleiniger Gott!" s a g t e eine ande re S t imme, deut¬ lich hörbar. Es war S t e p h a n s S t imme, die aus dem beses¬ s e n e n Körper drang.

Der Verschlinger der Toten geriet in t o b e n d e Rasere i .

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„Priester des Aton", brüllte er, „ich s ch l eude re deinen Geist in die unermeßl iche Leere!"

Die Vase e rz i t t e r t e auf ihrem Sockel wie durch eine plötz¬ liche E r s c h ü t t e r u n g und s c h w a n k t e hin und her.

„Der Dämon ist hier, in mir!" schrie der Priester . „Er ha t mich ergriffen. Seele des Teye — reiße dich los, so lange ich ihn f e s tha l t e . Vernichte de inen Körper, bevor er zurück¬ kehr t und sich w iede r se iner bed ien t . Geh!" In d i e sem Au¬ genblick ze rba r s t die Urne des A h k n a t o n — und mit ihr der Mann mit dem H a l s s c h m u c k — in unzähl ige S tücke .

S t e p h a n ergriff die Gelegenhei t . Mit e inem Satz riß er sich von Dana los und s t ü r z t e aus dem Raum.

„Kehre um, du Sklave, und t ö t e " , brüllte der Dämon und b e m ä c h t i g t e sich wiede r des J u n g e n . Doch S t e p h a n trotz¬ te ihm, w ä h r e n d er durch die Hallen s t ü r m t e .

„O Herr des Un ive r sums" , rief er, „wie a l lumfassend sind Deine Werke . Sie sind u n s e r e n Augen v e r b o r g e n . . . "

„Kehre um, du Sklave . . . " Mit schier übe rmensch l i che r geis t iger A n s t r e n g u n g z w a n g S t e p h a n se inen Körper zur großen Treppe in der Eingangshal le , dann die Marmorstu¬ fen hinauf, die zur Galerie führten. Doch se ine Kräfte s c h w a n d e n . Er v e r s u c h t e zu wiederho len , w a s er noch von dem Psalm w u ß t e , aber sein Gedäch tn i s w u r d e schwä¬ cher.

Die ihm von i r g e n d w o h e r v e r t r a u t e S t imme eines al ten M a n n e s rief ihm von u n t e n zu: „Der Psalm laute t : Du schufs t die Erde nach Deinem Herzen."

S t e p h a n hör t e die Worte und w i e d e r h o l t e sie in Gedan¬ ken.

„Du schufs t die Erde nach Deinem Herzen." „Als Du allein wei l t es t . " „Als Du allein wei l t es t . " S t e p h a n v e r s u c h t e , das Gelän¬

der zu er re ichen. „Kehre um, Sklave!" z ischte der Dämon . „Deine Zeit zu

s t e r b e n ist noch nicht g e k o m m e n . Kehre um und t ö t e ! "

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„Ne in" , schrie Stephan zurück, w ä h r e n d er v e r s u c h t e , über das Geländer der Galerie zu k le t t e rn . Doch der Dämon ent fessel te seine ganze Kraft , und Stephans Geist w u r d e von t ie fer Dunkelheit u m f a n g e n .

Jetz t w a r es der t r iumphierende A m m u t , der s ich, in Stephans Körper, über das Geländer beugte .

„Armer, alter Mann!" höhnte er, „bes iegter Pharao Von Ä g y p t e n ! Diese Welt w a r immer in den Händen v o n Karnak. Seuchen, Hungersnöte , Kriege. Und, w a s dich betr i f f t , kann der Fluch meines Gebieters Morod nie aufgehoben w e r d e n . Denn ich, der unsterbl iche A m m u t , bin der Vol l ­s t recker des Fluchs« Ich habe diesen Sklaven zu me inem Eigentum gemacht . Er w u r d e mir ausgel iefert , um mit mir eins zu w e r d e n . Ausge l ie fer t v o n se inem Vater Morod . Und dieser Sklave w i r d dein Kind v e r n i c h t e n ! Dieses Mal vo r deinen A u g e n . Kehre u m , Sklave — und t ö t e ! "

A b e r der alte Mann befahl : „Junge! Wach auf und spr ich mir nach: Die Menschen, alle Geschöpfe groß und klein!" Als keine A n t w o r t k a m , rief er drängender: „Spr ich mir nach, Junge!"

„Die Menschen, alle Geschöpfe groß und klein . . . " mur¬ melte S tephan.

„Al les", sagte der A l te wieder, „ w a s auf Erden wande l t . " Stephan w iederho l te es.

„ . . . w a s auf Füßen geht ." Stephans S t imme w u r d e kräft iger: „ . . .was auf Füßen

geht." , . „Alles, w a s am Himmel f l iegt ." Stephan öf fnete den M u n d . Doch da k a m Dana in die

Halle und sah von un ten , w i e Stephan v o n e inem K r a m p f geschüt te l t w u r d e .

„Die f r e m d e n Länder", z i t ierte der A l te , „Syr ien und Kusch, das Land Ä g y p t e n . . . "

„Stephan!" „Prinzessin!" rief Stephan mit ve ränder te r S t imme,

„Teye k o m m t zu dir!" Sein Körper schoß nach v o r n und

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s t ü r z t e über die Galerie auf den Boden der Halle. Dana eilte zu dem r e g u n g s l o s e n Körper, aber der alte

Mann stel l te sich ihr in den Weg. Aus dem J u n g e n e rhob sich eine Säule fauligen, R a u c h s .

Das S c h l a n g e n w e s e n aus Rauch b ä u m t e sich auf und sp rach zu dem ä l te ren Mann mit einer Ruhe, als s p r ä c h e es mit e inem alten B e k a n n t e n .

„So ist also deine Seele , Pha rao , nach all den verschiede¬ nen Leben im Körper e ines Gelehr ten e rwach t . "

„Ich kann mit dir keine Zeit v e r g e u d e n , du ewiger Narr", s a g t e der Alte. „Sie sind beide von dir befreit — für alle Zeit. Darum h e b e dich fort!"

„Du wirs t nicht mehr Glück h a b e n als vorher" , schrie der Dämon, w ä h r e n d sich se ine Kon tu ren allmählich auf lös ten . „Du wi rs t w iede r sche i t e rn — und die Erde wird Karnak gehören!" Ein dünne r Hauch lag noch in der Luft. Dann e n t s c h w a n d auch er.

„Das w e r d e n wir s ehen" , s a g t e der alte Mann. Dann w a n d t e er sich reglos dem da l i egenden J u n g e n zu. Dana war schon bei ihm

„Er a t m e t nicht", f lüs te r te sie voller Angs t . „S tephan ist tot!"

Der alte Mann b e d e u t e t e ihr zu Schwe igen . „Tot, j a , aber nicht von uns g e g a n g e n " , s a g t e er. „Sein Geist hat den Körper ve r l a s sen , aber nicht d iesen Ort hier. Er hält sich noch am Leben fes t an dir! Schnell, Kind, laß uns den Gna¬ denre ichen anrufen."

Der alte Mann knie te nieder, legte se ine Hand auf S t e p h a n s Stirn und b e g a n n zu s p r e c h e n . „O Herr, du großer Heiler. Ich danke Dir. ich s a g e Dank, Dir und Deinem Pr ies ter und d iesem J u n g e n , der zu me inen Füßen liegt. Von e inem Le¬ ben zum n ä c h s t e n ist sein Geist dem Kind meiner Seele gefolgt, um sie von e inem Verhängn i s zu befreien, das n iemand e r t r a g e n kann." Seine S t i m m e z i t t e r t e . „Ich bi t te Dich, heile ihn, Herr. G e w ä h r e d iesen Kindern d i e ses Leben

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in Geme insamke i t . Schenke ihm mein Lebensl icht . Er hat das Kind ge re t t e t , das ich Dir w e i h t e — Hatba ton!"

„Er a tme t ! " rief Dana plötzlich, und der alte Mann t r a t zurück. Sie hielt S t ephan in ihren Armen, w ä h r e n d das Leben in ihn z u r ü c k k e h r t e .

„In ein paar Minuten", s a g t e eine sehr s c h w a c h e S t imme hinter ihr, „wird es de inem j u n g e n Freund wiede r gut ge¬ hen — bis auf ein paar Beulen. Für die Kopfschmerzen empfehle ich Vitamin E. Und j e t z t m ö c h t e ich dir gern Lebe¬ wohl s agen , Kind, w e n n du einen Augenblick erübr igen kanns t . "

Der Alte s t ü t z t e sich am T r e p p e n g e l ä n d e r ab . Sofort sah Dana, daß das Leben rasch aus ihm e n t s c h w a n d . Plötzlich w u r d e ihr die B e d e u t u n g des G e b e t s b e w u ß t . „Vater!" rief sie und eilte zu ihm.

„Wir haben unse re Sache ganz gut g e m a c h t " , s a g t e der Alte, d e s s e n Fröhlichkeit auch im Anges ich t des Todes noch zu spü ren war. „Es hat nur ein paar J a h r t a u s e n d e gedauer t , bis wir uns fanden. N ä c h s t e s Mal m a c h e n wir ' s noch besser , w a s ? Wenn ich w i e d e r k o m m e um mein Werk zu beg innen . Dann b rauche ich euch be ide . Sucht nach mir in ande ren Menschen ."

„Vater — du kanns t mich j e t z t nicht ve r lassen!" „Das hört sich an wie ein Satz aus e inem alten Kitschfilm

— aber er gefällt mir. Laß dich an fassen , Kind meiner Seele . Dein Gesicht, dein w u n d e r s c h ö n e s Gesicht ." Mühsam s t r e c k t e er die Hand aus und b e r ü h r t e Danas Wange .

Noch einmal schien die große Hand der Liebe Dana em¬ porzuheben und zu b e s c h ü t z e n . Sie nahm se ine Hände und drückte sie an ihre Lippen.

„Sei glücklich. Laß die Sonne in de inem Leben sche inen . Und v e r s u c h dich zu er innern. Es ist wichtig, daß du dich er inners t , s e h r . . . "

Seine Hände sanken he rab . Er war to t . S t e p h a n s e t z t e sich aufrecht hin, noch ganz b e n o m m e n .

„Was ist p a s s i e r t ? " Er sah den alten Mann und sp r ang auf.

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„Das ist ja der Alte aus der Büchere i . Was m a c h t er h ier? Es s ieht a u s , als ob er . . ."

„Oh, S t ephan" , s ch luchz te Dana und u m a r m t e ihn, „er hat dich g e r e t t e t . "

„Wovor?" „Vor . . . " Aber ihre Er innerung s c h w a n d , wie T r ä u m e es

m a n c h m a l tun , b e s o n d e r s schmerz l i che T r ä u m e . „Er ist to t" , rief sie b e s t ü r z t .

„Aber w i e s o ? Was ha t er denn hier . . . ?" „Ich weiß nicht, S t e p h a n . Komm, g e h e n wir fort von

hier." „Aber wir k ö n n e n ihn nicht einfach so l iegenlassen ." In d i e sem Augenbl ick d rang ein Lichts t rahl in die große

Halle, direkt durch die M a r m o r m a u e r n . „Aber da s ist unmögl ich" , s t a m m e l t e S t e p h a n . Doch d a s Sonnenl icht w u r d e s tä rker . Es ergoß sich in

den ganzen Raum, bis er von Helligkeit durchflutet war . Dann, urplötzlich, v e r s c h w a n d e s .

Es d a u e r t e ein paa r Minuten, bis sich ihre Augen w i e d e r an d a s Dunkel der Nacht g e w ö h n t e n . Aber als sie w i e d e r s e h e n konn ten , w a r der alte Mann v e r s c h w u n d e n .

Sie s a h e n sich um und b e m e r k t e n , daß die g roße Ein¬ g a n g s t ü r des M u s e u m s a u f s c h w a n g . War der alte Mann dort h i n a u s g e g a n g e n ? Ha t t e er sich wie ein G e i s t w e s e n in d e m gleißenden Licht au fge lös t? Und als sie mit s e i n e m zu rückgeb l i ebenen R e g e n s c h i r m durch die v e r r e g n e t e n S t raßen gingen, f ragten sie sich, ob sie d i e se s Licht wirk¬ lich g e s e h e n h a t t e n .

Warum w a r e n sie ü b e r h a u p t nach New York gekom¬ m e n ? Wozu w a n d e r t e n sie mi t t en in der Nacht durch die S t a d t ? Was h a t t e n sie den g a n z e n Tag über g e m a c h t ? Worüber w a r e n sie am Abend vo rhe r so beun ruh ig t gewe¬ s e n ? Und w i e s o fühlten sie sich so s t a r k zue inande r hin¬ gezogen , n a c h d e m sie sich doch e r s t so kurze Zeit kann¬ t e n ? War es Liebe auf den e r s t e n Blick?

„Na, na!" rief ihnen eine fröhliche S t i m m e aus d e m Nichts

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zu. „So schnell schlaft ihr ein? Und w a r u m so t rübs inn ig? So w e r d e t ihr nicht lange genießen, w a s ihr er langt habt . Also ein bißchen mehr von dem gu ten w a c h e n Geist!"

„Hast du das g e h ö r t ? " f lüs ter te Dana und nahm Ste¬ p h a n s Hand.

„Ja." S t e p h a n sah Dana zärtlich an. Und ganz allmählich, als sie durch die S t raßen der Gro߬

s t ad t gingen, e r inner ten sich Dana und S t e p h a n an alles. Sie e r inner ten sich an die Gefahr an das E n t s e t z e n — und

an die Liebe. Sie s c h a u t e n sich an, und die Erkenn tn i s s t ieg in ihnen hoch. Endlich, nach all den vielen J a h r h u n d e r t e n , w ü r d e n sie ein Leben g e m e i n s a m verbr ingen — ein Leben und noch länger.

- ENDE -


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