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Die SA Erobert Berlin

Date post: 03-Nov-2015
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An eyewitness report of Wilhelm Bade 1937 of the SA taking power in Berlin in the late 20s and early 30s
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Transcript
  • ~ie S.~. erobert .23erlin

    iEin

  • Du S.A. (JeIIfIidtnet!

  • L Ocr Arbeiter Schulz bummelt langsam durch die Potsdamer Strae. Er macht sich ga r nichts aus Bummeln und er macht sich auch gar nichts auS der Potsdamer Strae, er knnte gcnau so gut irg"ndwo anders spazieren gehen. Es i,l Mittagszeit und es ist cin warmer Hcrbsltag, aber auch daraus macht er sich nicht viel, hchstens. das er froh ist, noch ohne Mantel gehen zu kunnco. Denn einen Mantel besitzt der Arbeiter Schulz nicht, er besitzt iibcrlmurt nichts. denn er hat seit langem nichts zu tun. Er hat also unendlich viel Zeit. Er kann auf'lchen, wann er will und er kann schlafen gehen, wann eS ihm pat, er hat Zeit, auf den Stempel.tcllen herumzustehen und zu warten, er hat auch genugend Zeit. den endlo-Sen Debatten dort zuzuhiircn und er hat genug Zeit, sich alles durch dcn Kopf gehen Zu las-sen, waS er dort hort. Er ist cin naehdcnklichcr Mcnseh und durchaus nicht dumm. Er macht sich aufseinen langen Spaziergngcn Gcdanken ber alles, was er sieht und hon. Er bctmchtet sich die pmchtvol-len Lden, in denen pmehtvolle Dinge ausgcstellt sind, die er sich niemals hatte kaufen kon-nCn und die er niemals Wird kaufen konnen. Er ist deshalb weiter nicht verstimmt. Leicht verstimmt wird er hochstens wenn er einen ge-lassenen Blick in die \'ornchmen und lu~urio,en Lokale Wirft, in dcnen schon um dicse Ta-gesze it Gestalten herumsitzen. die ihm zum Kotzen sind. Er hat sich niemals um die luden-frage gekmmert. sie war ihm schnuppe. Abcr ein bles Gefuhl steigt bisweilen in ihm hoch, wCnn er diese oft jdischen Gesichter sicht. Er kann sich dieses Gefuhl nicht crklren und er will eS sich auch nicht erklrcn, er kann sie nicht leiden und damit fertig. Dicht neben se iner Schla fsteIle in der ZofTcnerstrae ist so cin heImliches, merkwrdiges Lokal. wo diese Sort e nachls herumwimmelt. Auf seinen Spaziergngen hat er sich. ohne es zu wollen. mancherlei Kenntnisse soleher Lo-kalitten erworben, aber Cr ist noch nicht damuf gckommen, sich richtig deswegcn in helle Wut zu versetzcn. Manchmal denkt er bescheiden, da er eigentlich das Recht httc, wenigstens irgendwo Ar-beit zu findcn. Die drci Jahre an der Westf",nt. denkt er, htten ihm viclleicht das Rccht ge -ben konnen. Er war ja nicht gerade ein hohes Tier dort gewesen, aber wenn ein Vorgesetzter gesagt hatte, er solle dort hingehen, dann war er don hingegangen, und wenn ein anderer ge-sagt hatte. Cr solle irgendwo aushalten, dann hatte Cr ausgehalten, er war ein einfacher, ge-horsamer und getreucr Soldat gewesen, wie vie le hunderttausend anderc auch, er hatte seinc zweI Verwundungen abbekommen und war wicder geheilt worden und rckte wieder aus und war wieder bescheiden, gehorsam und getreu. "aber das alles war vorber und das alles war wohl in der ganzen Wclt vergessen und darauf konme SIch nicmand mehr berufen. Er schlendcrtc jetzt ber die Pohdamer Brcke. Da liegt auch so ein seltsames Loka l, \'On dem er wci, was mit ihm los ist. Um diese Mittagszeit ist eS ein brgerliches solides Wirts-haus, indem man fur eine Mark und funfzig Pfennige ganz ordentlich und eigentlich mehr als ordentlich zu Millag eSSen kann. Wenn man genug Geld hat und sich amsieren w,ll, kann man aber auch abends nach zehn Uhr hingehen und trinken und eS~en und bcr dies kann man sich dann noch, wCnn man gemde dazu aufgelcgt ist. Kokain kaufcn. Denn hier ist cine Zentmle der Berliner Kokshndler. Der Arbeiter Schulz hat keine Ahnung, welch cinen Spa das machen konnte . Koks zu schnupfen. Aber selbst wenn er abends nur hineingehen wollte. um ein Glas Wein zu trin-ken, man wrde ihn nicht einmal hineinlasscn. Wie wre das auch miiglichl Du lieber Gott! Ein Mann in einer ziemlich ramponierten, gestreiften. schwarzen Hose, einen bIlligen, gr-nCn Hemd und einer alten Ledcrjoppe? Ein solcher Gast kme nicht einmal bis zur Tr. Nee, das 1St nichts rur seinesgleichen. Seinesgleichen wird hchstcns gestattet Schmicre zu ,tehen wCnn die feinen Herren nicht gestiirt sein wollen.

  • !lIot!ronl! e. !~. u ;. 2\,.lIn "'4> 1917 .U", .16 "!) . @o0 Clwas nicht sehr gerne. Und der Arbeiter Schulz dreht die teure Z'gareIle unschlSSIg zwischcn seinen Fingern.

  • " ber die ZIgarette brauchst du dich nicht zu wundem", erklrt der Grauuglgc jetzt l -chelnd. "Die .ind "on meinen Alten. Der hat eine Kohlenhandlung und die Schachlei habe ,ch ihm fur die Pg._ abgenommen. Er nimmts nicht ubel." "Pg?" erkundigt sich Schult. aber er erkundigt sich nur aus Hflichkeit, wegen der ge schenkten Zigarette. "Pg? Was is ' n da, wieder fUr ne Sache?" Er sicht dem Mann
  • beuler? Nee! Na und? Haste jetzt Arbeit? Nee! Nicht mal eine Zigarette haste. Was habt ihr berhaupt? Wo ist denn der Frieden? Wo ist denn das Rheinland? Wo ist denn OS? Weit du, waS ihr habt? Den Korridor und Tribute habt ihr und die Kapitalisten habt ihr auch ,m-mer noch." Schulz ist sprachlos. "Sachte, sachte", knurrt er erregt. "nicht "'-' heftig. Jetzt wei ich Be-scheid. Du bist een Rechter' Sei mal nieh "'-' groartig. Was habt ihr denn gemacht? Een Putsch mit Generlen und Reichswehr und all so'n Quatsch. Mensch, geh weg! Hat das was gentzt? Nee! Ich will dir mal wat sagen. Ich we i Bescheid. Der Arbeiter heute. das ist doch kein Mensch. Den kannste musschmeien wennS dir nicht mehr pat. das er da ist Wenn du anfangst weniger zu verdienen. was machste: schmeite eben den Arbeiter mus, dann brauch.~te keenen Lohn zahlen. Der Bauer haI. Der verhungert nicht Der hat uffalle flle Kartoffeln un een bicken Brot Jawohl. Und hat al,o zu fres"'n. Uns Arbeiter aber hat ne Hand in Genick und hlt uns berm Abgrund. Und wir knnen niscltt machen. Wenn's der Hand pat, lt se los. Dann saufen wir ab. rin in den Abgrund, und verhauen uns die Schnauze. Oet is "'-', und dit macht man ooch mitm Putsch nieh anders. Et mu wat ganz anderes kommen. Da mu die Hand weg, da mssen wir Arbeiter wieder selber irgendwo feststehen und nich immer zu berm groen Nichts schweben. verstehste? Aber mit Parteien maehste dit nich. Oet is nC ErLiehung. Der Arbeiter i, auch en Mensch. un soll keen Prolet sein. wie die Herren Brger glauben. Der is genau soviel wie sie. Arbeit schndet nich. Ist ja Bldsinn. bei den Herren Bursclwas schndet se eben doch. Und solan-ge det nich weg is, und nich anders geworden is, "'-'lange konnt ihr mir alle mit euren Panei-en ... "

    Der Andcre hat den wtenden Mann immer nur ruhig und aufmerksam angesehen und jetzt drckt er ihm die ganze Schachtel in die Hand. "Hier. Nimm das. Und eines will ich dtr noch sagen: Mann Gottes. warum tust du denn nicht selber was dafur? " Und damit geht der Gmuaugige gelasscn weiter und lt den Arbeiter Schulz mit seinen Pru-blemen ,tehen. Schulz hat das Gefuh!. als ob er eine millenrein bekommen habe. Er geht et -was betubt weiter und sieht abwesend wieder die Schaufenster an. aber Seme Augen sind gar meht dabei beteiligt und Sem Herz noch weniger und dann knurrt er aufeinmal vOr sich hin: "Warum tust du nicht selber etwas dafur?" Er ist schwer im Nachdenken. Der Grauugige ist im Emgang eines alten, dunklen Hauses der Potsdamerstrae verschwun-den. Er geht schnell und mit zusammengezogenen Augenbmuen ber den Hofund biegt link> in einen Eingang. der wie der Eingang zu einer Hohle aussieht Ein Schild steht da: NSOAP. Berlin - Geschfhstelle. Er betritt einen wahrhaft dsteren Raum. Von den Wnden hat sich der Putz gelst. es rieht dUfl,h emander nach Staub, Schweiz und kaltem Bier. Es sind zwei Rume. die diese Ge-schftsstelle ausmachen. I n jedem .tehen ein Ti,ch und ein paar Sthle. Au f den Tischen lie-gen Papiere und Bullerbrute. Ein alter Schmnk ,teht da. des,en Tr ofTensteht, man sieht ein abgeschabte. Braunhemd hngen, ein Aktenordner liegt auf dem Boden und ein paar Kommis.tiefel stehen daneben. Au feinem Stuhl ruht friedlich neben einem zerbissenen Federha Iter ein Revolver. Im hinteren Raum hort der Grauugige drei Leute miteinander streiten. Er lchelt etwas m-de vor sich hin. Warum sollen sich die drei eigentlich nicht streiten, denkt er. wenn sich die gesamte Fhrung des BCr

  • sterreichische Unteroffizier stritten, welchen Weg man gehen mute. Auch damals hauen die Stimmen so hol geklungen und der St", hatte dadurch ein Radikales Ende gefunden, das die Italiener der Disputation durch den Abscho sowohl des deUTschen, aL~ des sterreichi-,ehen Unteroffiziers einen Punkt setzten, Und wahnlieh, denkt der Gmu;;ugige, ganz so hnlich wird es sich auch hier vollziehen. wenn mcht.. Und dann saust er plotzhch ins NebenZImmer, Und ,eine Stimme ist nicht mehr lang,am und leise, wie vorhin bei dem unbekannten Arbei-ter, sie ist schnell, scharf und flammend, "Haltet die Schnauze!" sagt er. "Ich mochte euch etwas sagen. Wer von euch nun bedeuten-der oder unbedeutender ist. das ist mir egal. Da aber keiner von euch ein richtiger National-sozialist ist, das i,t m" klar. Und da dieser ganze Laden hier ein Saustall ist. das ist mir auch klar. Was macht ihr eIgentlich, waS tut ihr eigenthch?" Es ist stille geworden in beiden Zimmern und die Leute sehen ihn betroffen und wtend an. Als er jetzt fortf~hrt, ist seine Stimme heiser vor unterdrckter Wut. "Was tut ihr eigentlich?" flammt er sie an, "Wozu kommt ihr zusammen? Macht ihr Versammlungen, damit Bcrlin wei, da ihr berhaupt da >eid? Nein! Kmmert ihr euch darum. was unSere anderen Panel-genos>en machen? Nein! Habt ihr schon einen einzigen Menschen hierhergebracht. der nicht hierherkommen mu? Nein! Habt ihr eine anstndige, Kasscnfuhrung? Nein! Wie nennt ihr diesen Sauladen hier? Eine Geschaftsstelle? Ich danke!" Er ist dicht vOr sie hing1e1le studiert. "Hoppla", sagt der Mann. "Entschuldigung", murmelt der Grauiiugige, bleibt pltzlich slehen und siam auf den Mann. Der grinS! ihn vergngt an, "Gestatten, Schulz!" sagt er. "Habe schon die Ehre gehabt. Ihr seid ja ooch alles Bonzen, wie? Ick habe eben zugehrt. Nee, is nischt mit euch, !ck hau ~b, " Aber als er sich zum Gehen wenden w,IL wird er an den Schultern herumgerissen. "Sielt dir das an", >agt der Grauaugige ganz sanft. "Das ist ein Braunhemd. Und so eines hast du in vier Wochen an, w wahr ich Kar! heie und S,A,-Mann bin." Und damit verschwindct er zum zweiten Male an diesem Tage au. dem Gesichtskreis des Arbeiters Schulz, der ihm zum zweiten Male betroffen und nachdenklich nachsieht.

    Der Arbeiter Schulz, der so unendlich viel Zeit hat. liit sich langsam heimwrtS treiben, durch die PotsdameTStrae gegen Schne berg zu, durch die Blow- und die Y orckstrae. und dann landet Cr doch wieder in der KneIpe In dcr Zo>Senerstrae, Er ist gar nicht fur Kneipen, aber wie soll er den langen Abend verbringen? Auerdem findct

  • er hier in diesem Lokal immer Leute. die ihn interessieren. KI'D. steht ber der Tr. Und drinnen ber dem runden Ecktisch hngt der Sowjetstern. Schulz stellt sich an die Theke und hc>tellt sich eine Molle und hrt zu , was die interessamen LeulC am Eektisch miteinander zu besprechen haben. Sie besprechen alles sehr ungeniert und scheIen weiter keine Geheimnisse zu haben. "23 hat's gemeldet" , erzahlt einer und die anderen nicken und grinsen. "Wie heit er?" fragt e,"er. "Goebbels" antwortete ein anderer und der Arbeiter Schub: spitzt seine Ohren. Diesen Na-men hat Cr hcute schon einmal gehrt, als cr vor den Fenstcrn der NSDAP.-Geschftsstelle gestanden hatte. Und weil Schult einen der Mnner am Ecktisch kennt, geht er hin und ,etzt sich mit einem kurzen Gru dazu . Er ist immcr neugierig, wa, in der Wclt vOr sich geht. "Goebbels?" fragt auch er. "Was'n los mit dem? Wer i.' n das?" Ein Bekannter lacht. "Wer das ,st? Das ist dcr nCue Herr Gauleiter von Berlin bei den Herren Natis. Hat im Ruhrgcbiet groen Klamauk gemacht und soll jetzt hicr den Karren schmei-en. Na, wenn er nur nicht geschmissen wird. Berlin ist rot und bleibt rot. Und wer gegen die Kommune auf,teht. wird umgeriSiien. Auch der Herr Goebbels." "So, so, sagt der Arbeiter Schult nachdenklich. "Den scheint ihr ja gefressen zu haben." "Haben wir auch, Werden wir auch. Hier macht der keine Versammlungen! Hier nicht' In Spandau vielleicht, da sitzen'n paar Na2i.~. Aber hier. nicht in die Handt" "Da ist doch in der Potsdamcr ein Bro?" fragt Schult behutsam. "Da geht ihr wohl nicht ran, was?" Die Mnner am Tisch sehcn sich an und grlen. "Det Nest?" fragt einer wegwer-fend. "Nec. detlohnt nicht . Nee. da gehn wir an bessere Dinge ran. Nicht wahr. GustavT' Sie sehen sich wieder bedeutungsvoll an und blinzeln sich zu. Und dann efLhlcn sie wieder ihre alten Gc>chichten vOn der Herrlichkeit der Sowjets und was alles in diesen deutschen Landen gendert werden mu und herumgedreht und das un terste zu oberst und dem Arbeiter Schulz wird eS trbselig tu Mut. Es ist alle. ein einziger groer Mi.thaufen, denkt er erbittert, als er aufsteht und geht, alles ein einziger groer Misthaufen. Er beeilt si~h. an die frische Luft zu kommen, stolpert beinahe auS der Kneipe hinaus und stot drauen einen dicken Mann an. der sein Gleichgewicht etwas verliert. "Oh", sagt Schulz crschrocken und hiilt den Dicken am Arm fest. damit er wieder in die Senkrcchte kme. Aber dcr Dicke. der wohlgekleidet i,t und einen ansehnlichen Biergeruch ausstot. reit sich wtend los. Sicht den Arbeiter Schulz von oben bis umen an in seinen armseligen Hosen, seinem billigen, grnen Hemd und se incr abgetragenen Ledcr)
  • er selber einmal dabei beteiligt ,st. Auf dem Revier sieht ihn der Wachtmeister ber die Schranke hinweg mit einem kurzen Blick vOn unten hinaufan. "Bei 'ner Partei?" fragt er. Der Arbeiter Schult will eben seinen Kopfschtteln, da packt ihn ein wunderliches und nie erlebtes Geruh!. ein Gefuhl, zusammengesetzt aus Trotz, Sehnsucht, Heimweh, Wut, Enniiu-schung ... "Nazi". sagt er lau!. "Ach ",!" sagt der WaehmeistN, der ihn hergebrucht hat und bevor der Arbeiter Schulz wei, was dieses "Ach so" tu bedeutcn haI. bekommt er mit dem Gummiknppcl einen Hieb minen ber den Schdel.

    2. Es ist Spth

  • Und in den zwei Sekunden, die zwischen Fmge und Antwun liegen, umfat der Grauiiugige den neuen Gaule iter mit forschenden Augen und forschendem Herzen. Sein Gesicht ist hager und scharf. SemC Bewegungcn sind energisch, er tr'.igt den Kupfhoch, seine Kleidung ist arm, wie die ihrige, sie sind viel grer gewachsen als er, aber sie verfallen ihm auf Anhieb. Seine groen. klaren und reinen Augen sehen in die ihren und weichen nicht aus und da ist vor allem etwas, was sie bezwingt: dieses wunderbare. strah lende, knabenhafie, leIchte La ehen, mit dem cr sie begrt. Also gut, denkt Kar!, und ein Glcksgeflihl ohnegleichen durchstrmt ihn, uhne da er es sich erklren kann, also gut. "Wir sind", beginnt er, "wir sind vun der S.A.Berlin und heien sie willkummen." Der Duktor Goebbels betrachtet die drei aus seinen ruhigen Augen. "Sie werden kampfen mssen", sagt er einfach. Und Karl schmetten: "Wenn wir das knnen, Herr Duktur, haben wir Berhn. Aufuns kn nen Sie ,ich verlassen! " Der Duktor Goebbels atmet auf. "A Iw ... " sagt CI' ,"Zu Befehl! " antwoncn die dreI und jetzt l'.ichelt der neue Gauleiter und ,eine Augen funkeln sie an. "[rn Bezirk 2 ist heute Versammlung", erthlt Kar! als sie die Stufen heruntergehen. "9. No vcmber und su." "Da fahren wir hin". sagt Goebbels sufon, "wenn es gcht, mit dem Autobu" ich will mir Berlin ansehen." Die drei S.A.Mnner werfen sich ber seinen Kupfhinweg frohe und berraschte Bhcke zu. Und Karl dcnkt: Das ist der Kmpfer und das ist der Kopfund das i,t das Hcrz und damit i,t alles gut. "Haben SIe eigentlich schon eine Bleibe?" ITagt Kun. Der Duktor macht eine Handbewegung. "Das hat Zeit. Erzhlen Sie mir lieber von der Vcr sammlung. Wie gro ist der Saal. Wic"iel Menschen gehen hinein? Wievie!, glauben Sie, sind da? Wo liegt das Lukal? Wie ist die ganze Gegend dun eingestellt?" Die drei schnaufen. Dunner und Duria. warum will er das alles wissen? Mu man das alles wissen? Sie haben sich, wie sie zugeben mssen. niemals um solche Einzelheiten gekm-men. aber sie suchen doch in ihrem Gedchtnis tusammen. was sie wissen. Und dann erkun digt sich der Duktur auch nach der Berliner NSDAP. Und hier brauchen die drei nicht lange in ihrem Gedachmis zu kramen, hier wissen sie genug und mehr. als ihnen lieb ist. Z wci Stunden nach ,einer Anku nft spricht der neue Gau le iter tur Berliner Paneigenossen-schaft. Und die Berliner Paneigenoss.cnschaft sitzt wie vum Donner geruhn. Das sind neue Tne, die sie hren! Das fegt ber sie hinweg, da sie die Kpfe ducken in der einen Minute und sie ,tolz zum Himmel heben in der andem. Das erdrckt und richtet auf, das blitzt in ihre Herzen hine in und erflillt ihr Gemt mit ciner Entschlos!ienheit ohnegleichen. Kar! mit seinen beiden Freunden wagt kaum Atem zu hulen. Nun ist alles gut, denkt er. Aber tuniichst scheint e" als ob noch lange nicht alles gut sei. Das echo in der ffentlichkeit ist sehr drftig. Ein einziges jdisches Blatt berichtet boshaft: "Ein gewisser Hcrr Gocbbe ls, am sagt, er kme aus dem Rheinland, produzierte sich und verzapfte die altgewohnten Phrasen." Das war alles. Was bedeutet berhaupt fUr Berlin die NSDAP.? Ein wirrer, grobschliichtiger Haufen \'On einigen hunderten nationalsozialistisch denkenden Menschen, \'on denen jeder seine eigene und besondere Meinung ber den Nationalsozialis mus hatte. Sollte man sich mit einem solchen Haufen befassen?

  • Berlin ,agt nein. Die S.A. sagt ja. Und die S.A. tritt an. In ihrer Mitte stehtjcttt ein Mann mit Namen Dr. Joseph Goebbels und dieser Mann hm-mert in die Herzen und in die Kopfe und in jeden Gse. Henkel. die Fauste in seinen Hosentaschen, sicht dem Jungen eine Weile bei der Arbeit tu. Dann sagt er: "Na, Mensch, haste wat jefuoden?" Trennlgkeit ru,tet SICh auf und sicht in das brutale Gesicht des Vorarbeiters, er stutzt und denkt. Vorsicht. Sie stehen drei Stockwerke hoch und das Gerst ist nur einen Meter breit. "Was soll Ich dcnn gefunden haben?" Henkel kommt einen Schritt nher, dicht an den Jungen heran. "Weite nicht? Wat zum Stie-belleeken. Ich WIll dir wat sagen: Faschisten konnen wir hier nicht brauchcn, vastehste? Pro-paganda und SO is hier nich. va.teh.te? Hier mach lck Propaganda und sonst kecneT. Auch dein Arbeitcrmordcr Goebbel. nich. Und nu hau ab, mein Junge, twisehen ehrlichc Proleten haste niseht mehr verloren. Hau ab, ,ag ick dIT, aber 'n bicken plottlich!" Ocr Junge i,t keinen Schritt zuruckgewiehen. Er sicht dem lteren Mann ruhig in die Augen. "Ich bin genau so Arbeiter, wIe du", sagt er tapfer, "ich kann arbeiten, wO ich will und wCnn du ..... Der Vorarbeiter Henkel wird kirschrot im Ge>ieht und zieht lang.am seine Hande aus den TaiiChen. "Wat denn .. wat denn .. ... knurrt er und ein bses Licht kommt in seine Augen."Du willst mir drohen, du Lausejunge? Drohen wIll.te? Mensch, kick mal da ronter! Kleiner Absturz gefal-lig. wie? Deine Kohlrubc ist mir schon immer mie. vorgekommen, du Faschistenschwein, du!" Dem S.A.-Mann Tennigkeit wird pltzlich schwarz "or den Augen. Wa. hat der Doktor ge-sagt? "Sie werden uos beschimpfen und bekiimpfen ... " Und der junge Mann denkt nicht daran, die Partei und den Doktor und sich selber beleidigen zu lassen, er geht langsam einen Schritt zurck, um vOm Abgrund wegzukommen und dann holt er aus und sch lagt Henkel mitten ins Gesicht. Und dann ist er mit einem Satz an der Leiter. er hat Leitcrn heraufklellcrn gelernt, wic ein Wiesel fegt er die Sprossen abwarts und ihm ist froh tumute. Er ist tapfer gewesen und er

  • hat seinen Mann gestanden. Oben hrt er Henhl briillen und der gante Bau gibt Antwort, pltzlich bricht hinter allen Mauem, auf allen Leitern, um das gante Gerst herum ein rasender Ha auf. "Ziegel!!!" brlltjemand. "Ziegel hed" brllt es von allen Seiten, vOn oben und von unten. Die Kommune steht auf. Jawohl. Ziegel! denkt Tennigkeit und fegt weiter abwrts und freut sich ber seine eIgene Schnelhgkeit und Gelenkigkeit. Dann aber, als ihm VOn allen Seiten die Ziegel um die Ohren !;ausen, wei er auf einmal. da er um sein Leben klettert . Und als er noch zehn Meter ber den Boden ist und hinuntersieht, wei er, da er verloren ist. Da unten .tehen schun welche und ihre Gesichter sind ganz kalt und bla vor dampfender Wut. Mit einem verwegenen Satz springt der junge S.A.-Mann unter sie. Es hat keinen Sinn mehr. Eincr hebt eine Brechstange und schlgt sie ihm ber den Kopf. Der Arbeitcr Kurt Tennig-keit vers inkt in einem schwarzen, drhnenden knackenden Abgrund, aus dem er niemals wieder erwacht. Dcr Vorarbeitcr Henkel kommt hcruntergeklettert und tritt dem Bewutlosen und Sterben-den mit seinen schweren StIefeln in den Leib. Dann sieht er sich um. "Werft ihn hinter den Zaun'" flstert er. "Und wcr seine Schnauze aufmal,ht, kann sich gleIch daneben legen, ver-standen?" An die,em Tage wartete Frau Tennigkeit lange und vergebhch aufihren Sohn .

    Am gleichen Abend, da hinter einem Bauzaun der S.A.-Mann Tennigkeit mit zertrmmer-tem Schdel und zerrienen Gedrmen im ewigen Schlafe liegt, wird in dcr Berliner Innen-stadt eine Versammlung der National>oziaiisten gesprengt. In der hch.ten Not und gerade noch rechtzeitig wird die S.A. alarmiert. Bei der S.A. sittt der Doktor Goebbels und erziihlt von den Kmpfen im Ruhrgebiet. "Man mu immer wieder angreifen", sagt er, "immcr wieder. .. " In seine ErLhlung hinein rasselt das Tekphon. Dcr Doktor stcht sclton am Apparat. "berfall?" Kommune? .. Jawohl, wir kommen!" "Wir kommen

    ' !!" briillt die S.A.

    Koppel in die Hand, rlinfTa~en her, in die Innenstadt. Dort brffhen sie in den Saal. der Doktor, den ein einziger Fausthieb eines Rotfrontrnannes erledigcn knnte, vorne weg, an dcr Spitze. In eIer knappen Viertelstunde i.t der Saal vOn der Kommune ger'dumt und gesiiubert. Mit hochroten Wangen lachen sich Karl und Kurt an. "Na, was ,ag.t du tum Doktor?" Es braucht keiner dem anderen eine Antwort zu geben.

    4. Dcr Arbeiter Schulz bummelt wiedcr einmal durch die Straen. Aber er ist diesmal in keiner reSIgnierten Silmmung, sondcrn angerlillt von einer beinahe schmerLenden Unruhe. Er friert innerlich und iiuerlich. Vier Wochen Gerangnis wegen ttlicher Beleidigung und Krper-verletzung, das war kcin Ferienausflug und keine Erholung. Er hat diese ganze Zeit unablssig darber nachgegriibelt, ob er nun eigentlich wegen jener Ohrfeigen oder wegen der verwnschten NSDAP. eingespcrn worden ist. Er kommt zu kei-

  • nem Ergebnis. Nur der Gummiknppel, dessen ist er sich bewut, der galt der NSDA P. Er wei selber nicht, warum er angab. Nazi tu sein. Er wei iiberhaupt nicltts mehr und er ist mit sielt und der Welt nicht recht eimg. Bedrckt tmttet er um die Ecke Bclleallianee- und Bergmannstrae. Eigentlich, denkt er, miite ichjettt hingehen zu diesen Nazis und ihncn sagen: ich habe fur euch gesessen und fUr euch Prgel bezogen und nun gehore ICh ja wohl zu euch, wie? Dann denkt er an den Gmuugigen. An den mu Cr uberhaupt sehr oft denken. Ob das ein Arbeiter war? Ob die Natis berhaupt Arbeiter waren? Er mutc heruusbringen, waS eS da-mit flir eine Bewandtnis hatte Vor einer Litfasule an dcr Zossener Ecke bleibt er tcr,treut stehen. Da klebt ein blutrotes Plakat. Die Kommune. denkt er. Aber dann sieht er, da dieses Plakat gar nicht von der Kommune handelt. "Hemus zur MaiiSenvcnmmmlung!" heit eS da. "Spandau", heit eS in groen Lettern weiter. "Es spricht der Gauleiter Dr. Joseph Goebbels iiber das Thema: Ocr deutsche Arbeiter und der Sotiahsmus ... Freie Aus.pradle fur SPD. und KPD .. Deutsche Arbeiter. erscheint in MassenL .. NSDAP.-Berhn." Der Arbeiter Schult besieht sich dieses Plakat gant genau. Erstens, berlegt er. hat dieser Goebbels Mut Und tweitens mu man sich dieses Thema anhren: Der deutsl'he Arbeiter und der Sozialismus. Schulz, hr mal zu, bist du ein deutscher Arbeiter oder nicht? Ja? Dann also los, Arbeiter Schult, auf naclt Spandau! Und Schult zahlt seine Gmsehen. Fnf-zig Pfennige. GUl. Arbeiter Schulz, flir flinfzig Pfennige kommst du nach Spandau. Bevor aber Schulz nach Spandau kommt , hat er noch ein Erlebni., das ihm durch Mark und Knochen fahrt An der Bergmannstrae bleibt er stehen. Da kommt nmlich ein kleiner Leichenzug. Ein jmmerlicher Leichenlug, winziger Sarg, gezogen von zwei abgemagenen Kleppern. Hinter dem Wagen tmtten vielleIcht hundert Menschen. die genau zu diesem ganlen Zug passen. armselig wie der Sarg, ausgeltungert wie bei beiden Pferdchen. Die Mnner haben uralte, geflickte MlIitrmamel an oder abgeITagene Paletots mit viel zu kurten rmeln, die Frauen Umschlagetcher und schbige Filthiitchen. Schweigend und beschciden gehen .ie nebeneinander her. Sie sehen nicht nach rechts und nicht nach links. Manche Mnner tragen den Hut in der Hand sehen vOr sich hin. Am Marlteineeke-Platz gibt e. eine plttliche Stockung. Schulz sieht verwundert. da der Kutscher die Pferde zuriickreit und dann sieht Schulz em pn, da ein Stein geflogen kommt Warum wird denn hier mit Steinen geworfen? denkt er verblfft. Aber dann mu er sich schleunigst in einen Hausflur zurckziehen. denn jetzt prasselt es geradezu von Steinen um den Leichenzug. Weiber und junge Burschen laufen neben dem Totenwagen auf und ab und schimpfen und jagen Frauen. Kinder und Manner auseinandcr. Sind die "errckt geworden? denkt Schulz und kann die ganze, gespenstige Sache nicht begreifen. Jetzt sicht er. da die armsellgen Pferde bluten. sie steigen hoch. gengshgt. und jetzt gehen sie durch. Hinter ihnen her fliegen wieder und wieder Steine ohne Zahl. Der Wagen schwankt und der kleine Sarg darauf rutscht hin und her und gerade vOr der Sehleiermacher~ st rae gleitet der Sarg auS dem Wagen und pohert auf das Pflaster. Der Arbeiter Schult wird bla, so packt ihn dieses vollkommen unver!itandliche Ereignis. Er starn auf den Sarg, der nun da liegt, mitten auf der Strae, zersprungen, aufgerissen. Die beiden Pferde raSen immer weiter, der Hascnheide zu, und die Frauen in ihren Umsehla

  • getuthem, mit ihren billigen Filzhutchen, stehen laut weinend und an allen Gliedern zitternd in den Hauseingngen, einIge sind ohnmchtig zu Boden gesunken, andere Starren mit fas-sungslosen Bhen auf einen Mann, der in seinem zerschlissenen, grauen Militrmamel auf der Strae liegt und sich nicht mehr rhn. Vor der Markthalle schnallern aufgeregt die Hndler und uber dieses neugierige Schnallern hinweg hrt der Arbe iter Schulzjetzt ein Gebrll von "Rotfront! - Rotfront! - Rotfront!" Als das berfallkommando mit .einen Signakn um die Ecke biegt, ist die Strue leer und still. Die Beamten fangen die Pferde wieder ein, heben den kleinen. armen Sarg wieder auf den Wagen, suchen die vcrngstigtcn Frauen und Mnner wieder zusammen. helfen den nie-dergeschlagenen Mann hoch und fuhren ihn weg, Dann fahrt der Politeiwagen langsam hin-ter dem Leichenzug her, Schub: schllelt den Kopf. Welcher so ,ehr gehate Mann wurde denn hier zu Grube getra-gen? Dann erfahn er e. und e. gibt ihm einen Ruck. In dcm Sarg lag nichts weiter, als cin Kind. Das tote Kind von deutschen, die aus dem Sowjdstaate Ruland ausgewiesen waren. Das tote Kind von Menschen, die den Bolschewiken unangenehm waren. Deshalb die Steine und de,halb: "Rot front!" Der Arbeiter Schult steht lange da und starrt dem Leichenzug nach. der In der Ferne ver-schwindel. Er wei nicht. da er totenbla geworden ist vur Scham und Zorn. Er sicht sich um und sieht einen jungen Burschen neben sich stehen, in einer Russenbluse. an deren Ver-schlu ein Sowjetstern befe.tigt ist. Er sieht einen kurLen Augenblick in das fahle, feuchte, mit Pickeln bedeckte GesIcht. Dann schlgt er dem Kerl waagerecht in die Schnauze. Der junge Bursche sagt nicht vie l. er wischt sich den Mund ab, hlt sich die Backen und stiert Schulz abwesend an und die Leute, die herumstehen, sagen auch nicht viel; nur eine Frau. die mit zwei kleinen Kindern hinter der Gruppe an ihrer Haustur steht sagt laut und deutlich: "Det is schon lange mal fallig." Der Arbeiter Schult aber be.teigt eine Elcktrische und fahrt nach Spandau .

    Ocr Saal in Spandau hngt dicht voller Rauch und darin murmelt, redet, schwatzt. klucken. die Versammlung. BI>weilen hrt man auS einer Ecke einen Ruf, bisweilen >ehreit einer ei-nen unverstndlichen Satz in den Raum hine in. Es ist dicke Luft in jeglichem Sinn. Auf allen Tischen sicht der Arbeiter Schulz Bierglaser in M engen stehen. diese klassische Munition aller politischen Massenversammlungcn. Er sicht auch, da sehr viele Rotfront -mnncr im Saal vertcilt sind und als er ihre Anzahl abschal1t. denkt er, eS ,eien an die flinf-hundert, und ," hat mit dieser Ziffer nicht viel vorbeigeschtzt. Die Rotfrontmnner iiChcinen vorLglicher Laune zu sein, sie haben sich malerisch aufgebaut. sie trinken sich malerisch zu. sie heben dabei die Hand, ballen sie tur Faust und bewegen die Faust hin und her. Schulz dcnkt, da es so aussieht, als ob .ie Ma nahmen zum ersten Schlag CUr "gendje-mand, d

  • der alte Landsknecht und Frontwldat wacht in ihm auf. er sucht sich unwillkiirhch, als er sich fur einen Platz vOrne entschlo.sen hat. wie auS Spielerei in seiner Nhe eine Rotfrontvi-sage heraus, die er ausbgeln will. wenn die Zeit dafiir gekommen ist . Man kann ihm die,e rohe Absicht nicht belnehmen, man kann sie mcht einmal begriinden und dichterisch ausschmcken. Der Arbeiter Schulz hat, seit der Sache mit dem Kindersarg, eine dumpfe Wut im Hinterkopf und das ist alles . Er sicht sich um und entdeckt einen S.A.-Mann in seiner Nahe. Schulz sagt: "' n Abend". Der S.A.-Mann betrachtet den Mann, der ihn da gruBt. aufmerksam. Man mu heute abend, wenn man nicht berrumpelt und lcherlich gemacht werden will. auch gegen einen harmlo-Sen Gru mitrauisch sein. "Heil Hitler! " sagt der S.A.-Mann. "Dicke Luft hier, was?" sagt Schutz tutraulich. Der S.A.-Mann antwortet aber nur: "Kann sein". Dann schweigt er. Und dann bricht unvermillelt ein Rie.enkrach im Saale los, Rotfrontrufe und Hell Hit ler-Rufe praeln durcheinander, Schulz steigt auf einen Stuhl und sicht zueNt nichts anderes, als einen Wald erhobener Hnde. Dann entdeckt er hinten im Saal. wo dic Eingangstr i.t, eine Gruppe hochgewachsener S.A.-Mnncr, die - dicht zusammengeschlossen - sich nach der Rednenribiinc bewegen. Schulz kann nicht recht sehen, waS da los ist. Aber dann kommt die Gruppe nher ond non entdeckt Schulz, flankiert vOn kr.iftigcn Braun-hemden, einen kiemen, blassen Mann, der mit hoch erhobenem Kopf nach vOrne kommt. Nach hnks und recht ~ gruBt er mit der ausgest reckten Hand und nach links und rechts lchelt er ond seine schneeweien Ziihne leuchten wieder ond wieder aof. Schulz brummt zufrieden vor sich hin, er hat dieses Lcheln gern ond das ganze GeSIcht gc-fallt ihm ausnehmend. In dem Orkan, der nicht abebben will, klellert der Doktor auf die Tribne hinaofond dann wird cs leidlich .till. Und sofort sehmellern die ersten lapidaren Satze in den Saal hinein. "Die Nationalsoziali.tisehe Deutsche Arbeiterpartei deballiert offen mit jedem ehrlichen Volksgenossen! Jede Partei wird eine aosreichende Redezeit erhalten. Das Hausrecht aller-dings Sieht, worauf ich von Anfang an hinweisen mehte, uns zu und wir bestimmen die Ge-schftsordnung. Sollte sich jemand dieser Gesch ftsordnung nicht fUgen, so werden wir ihn rcksichtslos an die frische Luft befordem!" Eine Welle iSI tiefes schweigen. Die S.A.-Leute verZlchen keine Miene und die Rotfront -mnner sind plall. Schutz, den diese Eruffnung ungemein erfreut hat, ist zumute, als ob die funfhundert einen Augenblick wie die Fische auf dem Trockenen nach Luft schnappen wr-den. Schulz reibt mit beiden Hnden begeistert sein Bierglas. Der Mann da oben gefallt ihm on-gemein,ongemein! Dann beginnt dcr Doktor Goebbels seine Rede. E. sind Satze, deren Form dem Arbeiter Schulz gefallen, obwohl er sich im allgemeinen einen Dreck aus gut stilisierten Satzen macht . Aber hier spricht jemand mit einer ungeheuren, anschaulichen Kraft ond zugleich mit einer ongeheuren, vcrborgenen Woeht. Und mit einem ungeheuren, gar nicht verborgenen Ha. Er redet von dem Sozialismus, den man dcm deutschcn Arbeiter !;Cit einer Generation ver-sprach. Er zitiert wieder ond wieder die Phra,en, die als Einzige. von die,em versprochenen Sozialismos brig geblieben sind. Schulz mu zugeben, da der Mann kein Blatt vordem Mund nimmt.

  • Es hagelt zuerst von Zwischenrufen aller Sorten, dann werden die Zwisehenrufe seltener, bescheidener. leiser. Und schlielich geschieht das Wunder. da der Redner seine Ansprache in vollkommener Ruhe beenden kann. Das hat Schulz noch nicht erlebt. Na, denkt er, dann werden wir mal jetzt die anderen Herren anhren. Er sieht einen dieser anderen Herren auf das Podium klettern und beginnen, aber hinten im Saal wird es unruhig. Und dann wird bekannt. da drauen auf der Strae zwei S.A../I,liinner niedergeschlagen worden sind. Im Handumdrehen sieht man den Doktor Goebbels auf dem Podium auftauchen, er f;ihrt dem rOien Diskussionsredner schroff in die Parade und dem bleibt die Spucke weg. An der Rampe steht der Gauleiter \'on Bcrlin. "Es ist unter der Wrde der NSDAP.". sagt er schneidend, "weiterhin den Vertreter einer Partei in ihrer eigenen Versammlung zu Wort kommen zu las!ien, dessen Gefolgschaft drauen im feigen Dunkel der Nacht durch Knppel und Dolth da. zu ersetzen versucht, was ihr an geistigen Argumemen offenbar zu fehlen scheint. Wir sind nicht gew,llt. aufsolche Art mit uns Schindluder treiben zu lassen!" Ein Hagelwetter von BeIfall der Parteigenossen sprengt beinahe den Saal in Stcke und dann wei Schulz eigentlich nicht. wie das mglich ist, was er jetzt zu sehen bekommt! Der kommunistische Redner fliegt vOn einem S.A.-Mann zum anderen S.A.-Mann und die gesamte S.A. im Saale scheint pltzlich aus einem einzigen laufenden Band zu bestehen, und auf diesem lau fenden Band rutschen, stolpern, fallen und SauSen die Rotfrontmiinncr an die frische Luft. Der Arbeiter Schulz ist berhaupt nicht dazu gekommen, sich mit der \'on ihm ausgewhlten Visage zu beschaftigcn. Es gefallt ihm ungemein, was da geschehen ist und er trotk'l zufrie-den Zl1m Ausgang. Da wird er durch eine helle Stimme zurckgehalten, er dreht sich um und sicht einen Mann auf einem Stuhl stehen und dieser Mann ist ihm wei Gott nicht ganz unbekanm. Es ,st der grauiiugige. Der Grauiiugige brllt: "Herein in die S.A.! Hier Aufnahme der S.AJ Und der Arbeiter Schulz geht langsam zurl'k und sagt zu dem GrauugJgen hinauf: "'n Abend. Kennen uns ja noch. Gib mal so 'n Zettel her. " Und dann begibt sich Schulz an einen leeren Tisch. setzt sich hin. schiebt die Bierglser Zur Seite und flillt sorgfalt'g die Anmeldung auS zur S.A. der Nationalsozialistisden Deutschen Arbeiterpartei.

    5. Am anderen Abend liest der S.A.-Mann Schulz die "Rote Fahne". Es ist nicht zum ersten Male, da er diese Zeitung liest, heute aber liest t'r sie mit besonderer Neugierde. Die "Rote Fahne" spul'kt Geifer. Die ganze Versammlung in Spandau, sehreibt sie . sei ein einziger, brutaler und blullger berfa ll auf die harmlosen und wehrlosen Arbeiter von Spandau gewesen. Die fetten Schlagzeilen ber der Sch,lderung lauten; "Nazis veranstalten Blutbad in Spandau!" "Das Alarmsignal rur die gesamte revolutionre Arbeiterschaft der Reichshauptstadt!" Der S.A.-Mann Sehulz grinst. Passiert ist ja eigent lieh gar nichts, denkt er, aber waS werden diese Hunde schreiben. wenn einmal wirklich etwaS passiert. Er liest noeh einmal den letzten Satz des Leitartikels: "Das wlTd euch teuer zu stehen kommen! " Und dann steckt er die Zeitung in die Tasche. Teuer zu .tehen kommen! Wir knnens abwar-ten, denkt er, und beI dem Wrtchen "wir" wird ihm ganz froh und glcklich zumute. Jetzt ist er also nieht mehr allein auf der Welt. Jetzt gehrt er zu jemand. Und jetzt ist er SICh ganz klar dariiber. da er auf der !iChiefen Ebene. auf der dieses sein Vaterland nach unten rutscht,

  • seiner>eilS aufwrts zu klettern beginnt und mit ihm viele andere, mit ihm die Mnner vom Hakenkreuz Und so Gott will. weruen es eines Tages so viele sein, da es ihnen gelingt. auch das Vaterland wieder nach oben tu t iehen. Am anderen Tage ist Schulz dabei, als der Doktor Gocbbels ein neueS Plakat in Auftrag gibt, das vierundzwanzIg Stunden spter riesengro und blutrot an allen Litfasulen Berlins klebt.

    "Der Biirgerstaat geht seinem Ende entgegen! Mit Recht ! Denn er ist nicht mehr in der Lage, Deutschland frei zu machen! Ein neues Deutschland mu geschmiedet werden, das nIcht mehr Brger- und nicht mehr Klassenstaat ist, ein Deutsch-land der Arbeit und der Disziplin! Fr diese Aufgabe hat die Ge>chichte dich ausersehen; Arbeiter der Stirn und der Faust! In deine Hande ist das Schicksal des deutschen Volkes gelegt I Denke daran! Steh aufund handle!

    Am freitag, den 11. februar, abends 8 Uhr, spricht in den Pharus-Siilen,Berlin N, Mllerstrae 124, Pg. Dr. Goebbels iiber; Der Zusammenbruch des brgerlichen Klassenstaatesi"

    So lautet das Plakat und die Kommune briillt hysterisch auf. Das war die tollste ProvokatIOn, die man ihr jemals unter die Nase gehalten hatte. Die "Rote fahne" schrie sich heiser; "Wer es wagt, den Boden des Berliner Nordens tu be-tretcn, muB wissen, da er mit den harten Fausten des B~r liner Proletariats Bekanntschaft macht! Kein faschist wird lebendig die Pharus-Sk verlassen! Haut die Arbcitermrder zu Brei, die es wagen, den Saal, in dem die Parteitage des revolutionren Proletariats stallfin-den, auch nur zu betreten! An der Stelle, an der Karl und Rosa tum Proletariat sprachen, hier, wo die Fiihrcr der Weltrevolution die mitreienden Losungen revolutionren Massen-kampfes ausgaben, hier, wO nicht einmal die Sozwlfaschisten der SPD. zu sprechen wagen. hier soll der Oberbandit von Berlin provozieren diirfen? Proletariat vOn Berlin! VerteidIge dich gegen die blullgen Horden des faschismus! Ihr Herren vOm Hakenkreuz, merkt es euch: Am freitag ist das revolutionre Proletariat zur Stelle! Am freitag werden Arbeiterf

  • "brigens heie ich Kar! Schindler", sagl der Grauaugige, "ich bin Werksludeni, wenn dich das nichl slrt." 'Schult brummt elwas vOr ,ich hin, was soviel heien sollte, da ihm das 10lal gleichgltig sei. Und dann tigcrn sie tuSammen los. Am selben Abend soll die Versammlung staUfinden und das Gefechlsfcld mu crforschl und studierl werden. "So schlimm kanns ja nicht werden", sagt Schulz, "mehr als tOlschlagen knnen sie einen ja nich," Kar! sicht ihn von der Seite an, Dann bemerkl er ems\: "Doch. Sie knnen dich mehr als 101-schlagen. Das weil du wohl noch mchl, was? Es gibt noch Schhmmeres. Und wenn sie es knnen, dann machen sie es auch. Hauesl dabei sein mssen beI Lcuna und in DS. Das wa-ren keine Menschen mehr, sag ich dir und ... " Kar! brichl ab, er mag nicht gerne davon sprcchen. Es Ist ihm immer noch ein schauerliches Rtsel und es wird ihm Zeit seines Lebens ein schauerliches Ratsei bleiben, wie eS mglich war, da Brder dcr gleichen Heimal, Brder des gleichen Volkes. Brder des gleichen Blu les sich gegeneinander wie die Bestien benchmen konnlcn. Schulz unlerbricht ihn in seinen Grbeleien. " Ach so!" sagl der alle Feldsoldal Schulz. "Solche dreckigen Geschichlen? Das haben wir in Bclgien auch erlebt, da kannsie nischt ma-chen, det is das Slck Vieh im Men,chen!" Kar! sicht seinen Kameraden wicder heimlich vOn dcr Seile an. Karl iSI twanzig Jahre alt und hai den Krieg nur daheim erleb!. Und er hat immer einen ungeheuren Respekl vOr einem Mann gehabt, der im Felde gewesen isl. Und der Grauaugige ist pl tzlich etwaS schchtern, "So?" sagl er. "Da war es auch so. mit so Bestien ... ?" Der S.A.-Mann Schulz nick t , "Mehr als einmal. Aber weite, wic mir heut zumut ist? Mensch, dei is heute so. wie damals am Kemmel. Licgsl in einem Dreckloclt und hrst und siehst nischt mchr und bibberst von oben bis unten. Nich weil du Angst hast, du bibberst ein-fach, vastehste? Und hast eene Sauwut im Leibe. Und ejalweg links und rechts hauen dir die Brocken um die Fresse. Un in vier Stunden is der AngnfT. In vier Stunden gehts los. Denn mute raus aus deinem Loch. Ob de wicderkommst. weite nid, is dlT auch janz ejal. Kann sein, kann mch scin, da de wiederkommsl. Abcr det du rausjehst, det weite janz jenau, und det wei jeder. Kannste mir nun sagen. warum du rausjehst und nich in deinem Loch hocken bleibst?" Kar! schweigl. Und der Unteroffizier Schulz erklart ihm die Kiste: "WeIl de weit, wat los is, Weil de weit, da es sein mu. Weil dc wei!. da die Sache eenen bestimmten Sinn haI. Und weil de dir janz klar darber bist, da eener fur alle is und alle rur eenen, Und jenau so is mir heut zumut," Sie gehen aufmerksam die ganze Umgebung der Pharos-Sle ab, Sie begegnen anderen S,A.-Miinnem, aber sie kennen sich offiziell nicht. Und sie wissen alle beide, worauf sie tu achten haben, "DreI Steinhaufen links", sagt Karl einmal und notiert sich heimlich die,es Munitionsdepot.. "Blumentppe ohne Blumen im Eckhau." , meldet Schulz und Karl notiert sid auch das. "Kneipe links", >agt Schindler, "",hmaler Eingang daneben. Merk dir mal det klcine Lokal. Altes Feldschlchen heit es, steht darber. Wenn de trmen mut, ja nich darein. Is nischt fur diclt." Vor dem" Allen Feldschlchen" lungert ein blutjunger, fe!ler Bursche herum. der eine kalte Zigarette an der Unterlippe klcben haI. Ab und zu wiegt er sich ein wenig in den Hften, schiebt die blaue Sch"mmtte aus der Stirn, da ihm da. lange schwarze Haar beinahe auf die Nase fallt. Jetzt streift er die bciden S,A,-Mnner mit einem fluchtigen Bhck und dann dreht Cr sich um und sagt einIge halblaule Worte tur ofTenen Tr hinein, dreltt sich wieder

  • zur StmBe, "Pa auf!" murmelt Karl, Der junge Bursche setzt sich phlegmatisch in Bewegung und schlendert zu den beiden her. H intcr seinen schweren Augenlidern liegen trge und tckische Pupillen. "Wohl fremd in die Gegmd, wa?" sagt er und bewegt vor Faulheit kaum die Lippcn dabeI, Aber Kar! wei, was er von dieser anscheinenden Faulheit zu ha lten hat. Und der Arbeiter Schulz wei es beinahe noch besser. Diese Typen kennt er mehr als genug, "Wert! nich mchr langc fremd sein", sagt Schulz. "ha ne Bmut hicr. \Veeste'n Zimmer?" "Nee, Und der?" Der Bursche, die Hnde in den Taschen, zeIgt mit dem fetten Kinn auf Kar!. "Der jeht mit suchen." Sie bekommen noch einen trgen Bhck zugeworfen, dann bleibt der Kerl zurck, aber dann und wann dreht er noch Jen Kopfzu ihnen heruber. Jetzt tritt er zu einer Gruppe, Jie vOr dem" Alten Fddsehlchen" steht. In Jiesent Augenblick biegt Sehulz rechtwinklig beint nchsten, besten Hauseingang ab, piniiChert mit Kar! vergngt ber drei Hfe, milcht links um unJ sie kommen in der Brsseler SlTaBe wieder gemchhch zum Vorschein. "Sichstc", sagt Sehulz zufrieden, Es ist er,t vier Uhr am Nachmittag, aber Jie Straen in dieser GegenJ sinJ schon voller Menschen. Sie stehen zumeist noch mig herum, sammeln sich in Gruppen vor den Schau-fenstern, stehen vOr Jen Hauseingngen oJer bummeln aufund ab. Eine merkwrJige Hitze dampft in Jie!iCn Straen, eine Hitze, die nIcht vun der Sonne kommt und nicht auS Jer Luft. Um mnf Uhr beginnen Jie Menschenrnassen, .ich langsam unJ slet ig Jen Pharus-Slen zu nhern. Um halb S
  • Die S,A. steht eisern und kalt . Die Gesichter dieser Mnner hleiben unbeweglich. Und diese Unbeweglichkeit ist wahrhaf-tig keine militrische Pose, sondern nur ein Ausdruck vOn furchtbarem Ernst . Sie wissen, in welches verhngnisvolle Dschungel sic sIch gewagt haben und sie sind entschlossen. sich nicht irre machen zu lassen. Keiner von ihnen ist sicher, ob er nicht am Abend diescs Tages in irgendeincm Krankenhaus erwachen wird oder auch berhaupt nicht erwachen. Darber aber machen sie sich wenig Gedanken, Sie haben den Gauleiter zu schutzen, diesen Doktor, dcr tollkhn den boshaftesten, grausam~ten und niedenrchtigsten Feind im Genick packen will. Kalt und eisern steht die S,A. Gegen acht Uhr holpert ein sehr unelegantcs, sehr altersschwaches Auto die Mllerstrae entlang. In der Nahe der Pharos-Sle mu e, ganz langsam fahren, weil dichte Menschen-schwarme die Strae fullen. Es beginnt leise zu regnen. Vor den Slen steht eine Menschenmauer und in ununterbrochenen Sprechchren donnert es aus diesen Mauern:

    "Rot Front -schlligt die Faschisten-zu Brei - zu Brei - zu Brei,"

    In schaurigem Echo hallt diescr Schlachtrufvon den Huserwlindcn wider, Das Gesicht des Doktors im Wagen ist >chmal, die Haut liegt merkwurdlg gespanm uber den Backenknochen, die Lippen ~md ganz leicht spttisch gekrauselt und dem S,A.-Fhrer. der sich jetzt durch die dichten Gruppen mhselig einen Weg bahnt. brennen zwei dunkle Augen entgegen. "Pharos-Sle seit einer Stunde politeilich gesperrt I" meldet der Diensthabende, "Zwei Drittel Rotfront. Ganz dicke Luft!" "Danke!" sagt Gocbbels, Als er den Saal betritt bricht beinahe die Decke heromer und die Wnde platzen auseinan-der. so hllisch ist das Gebrll. das ihn empliingt. Sofort, kaum ist der Doktor im Saal. strzt sich ein Kerl auf ihn, aber er wird von den mchtigen Fiiu.ten eines Rotfront -Fhrers iro-nisch turckgehalten. "Sachte, sachte, mein Junge", grin.t der Rotfrontmann und schiebt den Jungen hinter sich. "crst mal rinlassen. Wollen uns den AlTen erst mal bekieken. bevor wir ihn uITn Arm neh-men,"

    Der Doktor sieht den Mann khl an und geht weiter. eS mu ihm vorkommen, als ob die dreitausend Menschen. die den Saal rullen, berhaupt nur aus Rotfront bestnden. Men-schentrauben toben ihm entgegen. Verzerrte Gesichter links und rechts, Ha. Ha, Ha. " Achtgro>chenjunge!" "Arbe itermrder!" "Bluthund!" "Faschistenschweini " "Dreckiger Lumpl" "Komm nur mal ran!" "Zerkrmelt doch den Hund!" "Nieder. nieder, nieder!" "Heil Mo,kau! Heil Moskau!" "Haut ihm die Fresse kaputt!" "Schlagt ihn doch in die Schnauze!"

  • "Lausejunge, verdammter!"

    Der S.A.-Mann Schulz ,teht eisern und kalt, wie alle seine Kameraden, inmitten dieses auS-gebrochenen Vulkans von Wut und Ha. Er denkt in diesem Augenblick ganz merkwrdige und beinahe sanfte Dinge. Er denkt. wie es einem Menschen zumute sein mu, ber den gan-ze Kbel und Fasser von Unflat ausgeschttet werden. Einem einfachen Mann, denkt er, macht da, vielleicht weiter nichts aus, aber diesem kleinen Doktor, ein Menseh von Bildung und Format. ein MeniiCh voll Empfindung und Phantasie, geiiChult in Wissenschaften, mit einen sorgfa ltig geschliffenen Gehirn, einer, der so aussicht. als ob er den harten und groben und rcksichtslosen Wider,tanden des Daseins nicht ganz gewachsen wre .. So denkt der Arbeiter Schulz beinahe zrtlich und besorgt. aber dann reit ihn cin anderer Orkan auS seinen Gedanken. Die S.A. steht nicht mehr eisern und kalt. Aus der S.A. iiChiet eine rasende, hImmelhohe Fontne und schleudert alles andere zur Sei-te, ein Tornado au. allen Ecken und Winkeln:

    "Heil Hitler! "

    "Heil Hitler!"

    "Heil Hitlerl"

    Kreischende Sturzbche vOn Gebrll fallen ber diesen Ruf her und wrsuchen, ihn wegzu-gchwcmmen. Manchmal sche int e~, als ob es gelingen wrde, aber wieder und wieder hiirt Schulz durch den Sturm die Rufe der S.A. und der Partei brausen und er se lber schreit sIch die Kehle wund. Der ganze Raum gleicht einem Raum voller Tobschhger. Und in diesem Irrenhaus versucht jetzt der S.A.-Fhrer - Daluege heit er -, der Jie Versammlung leitet, Ruhe zu schaffen und die Versammlung zu eroffnen. Es ist unmiiglich. Als er die Hand hebt, brllt ihm ein tausendstimmiges, hohniiiChes Gelchter emgegen. Der Doktor sieht beinahe nachdenklich in Jiese berstenJe Men,chcnlandsehaft. Kar! und Schulz scheinen auf einmal magere Gesichter bekommen zu haben. eS sind die Ge-sichter von Mnnern. Jie zum Stunn antreten und die alles hinter sich lassen, was sie noch an EmpfinJungen bewegen knnte . E. gibt jetzt keine Empfindungen mehr. Ein baumlanger S.A.-Mann geht an ihnen vorbei, streift sie mit einem kalten Blick . .. Gleich geht's los!' sagt er hei,er und seine Augen fun keln, er nickt ihnen zu, als ob er sie aofmuntern wollte, dann klettert er aufs Podium hinaof. Je lauter das Wetter im Saale tobt, desto lei se r 'preehen sie auf dem Podium und Jcsto aof-merksamer beobachten sie Jen Raom. Der lange S.A.-Mann ist hinter den Doktor getreten und fl>terl ihm ins Ohr: .. Doktor, wenn det schiefjeht. sin wir erledIgt:' .. Und wennS got geh!" , antwortet der Doktor beinahe heiter ... Jann haben wirs flir immer geschaffi: Unten im Saal anJert die Kommune ihre Taktik. Es ist nicht geraJe stiller geworden. aber das Ger'.iusch der Stimmen i>t gleichfii rmiger ond nicht mehr so ungeheoer aufreizend, man versteht einzelne Rufe . Und jetzt zeigt sich ihre Taktik: Sobald der Versammlungsleiter zorn Sprechen ansetzt. erhebt sich irgendwo Im Saal ein Kerl unJ brllt ... Zor Geschaftsordnung!

  • Und die Kommune brllt aus tausend Kehlen mit. "Zur Geschiitlsordnung!" Einmal dreht sich Schult, wie \'on Taranteln gestochen, auf dem Absatz herum, jemand hat dicht neben ihm diesen bldsinnigen Zwischenruf gemacht und er fat den Burschen ins Au-ge. Stot Karl in die Rippen . .. Du, den kenn iek doch!" .. Feldschlchen!" erwidert Karl. Schub: geht eine Bogenlampe auf. Natrlich! Das war der fene Mehlwurm, der sie angespro-chen hane. Er kneift die Augen tu und merkt sich den Jungen. Und dann wenden Sehulz und Karl ihr Augen nicht mehr vom Podium. Dort scheint etwas vortugehen. Etwas Drohendes liegt ber dem kleinen D
  • jetzt dieser heilige Wille des fernen Fhrers ber die S.A. und ber jeden Parteigenossen im Raum, Als ob plttlich ein unhrbarer Befehl gegeben worden sei, als ob pltzlich eine unsichtbare Fahne entrollt ware, als ob pltzlich ein Signal einhergesungen kme, so sicht man jetzt eine beispiellose Wendung, Die Natis haben sich turn Sturm erhoben, Ihre Arme arbeiten rasend, ihre Fuste trommeln. Sie haben nichts in der hand. kein Stuhl-bein, kein Bierglas, kein Messer, keine Flasche. Mit ihren nackten Fausten rumen sie auf. Und sie raumen wahrhafhg nicht unter Stoffpuppen auf. Das Blut rinnt uber ihre Gesichter. Viele vOn ihnen str"en wie gefallt unter Flaschen und Bierglsern zusammen. Ganze Stuhle werden auf ihren Kpfen zerbrochen. Auf dem Boden wlzen sie sich da und dort, aber je-der, der sich da wlzt und noch nicht die Besinnung verloren hat. walzt sich mit einem Rot-frontmann und lt ihn nicht los. Die S,A, arbeitd wie ein auserlesener, genau eingearbeiteter. prachtvoller Stunntrupp. Schulz und Sehindler habcn sich lngst auf die Tribnc geschwungen und vOn hier aus fegen sie Bierglas um Bierglas hinunter. Dann erwischt dcr S,A.-Mann Schulz zu seinem Entzk-ken einIge Dutzend Fla,chen und jctzt da nicht der S,A,-Mann Schulz. sondern der Unterof-fizier Schulz aus dcr dritten Knmpanie, der Spczialist rr Handgranatenwerfen. Flasche um Flasche saust auS SemCn wohlgebten Hnden, Und so sehr hat ihn das geheimnisvolle Ent -zcken der Schlacht gepackt und hingerissen, da Karl neben ihm zu seiner Verblffung hrt, da Schulz vOr jedem Wurfunverstndliche Zahlen "Or sich hinschreit: .. EinundzwanzIg" .. zweiundzwanzig" .. dreiundzwanztg" Und dann fegt die Flasche in flacher Kurve durch den Saal. Kar!, der ein Kind war, als Krieg war, wei nicht . da es die Schufolll'1el ist. wenn man scharfe Handgranaten wIrft. Auf .. dreiundzwanzig" mu sie auS den Hnden sein. soll sie nicht dem Werfer in die eigene Fresse springen. -Blutlachen, Menschenbundel, zerschmettertc Tische, Die crsten Kommunisten jagcn auS dem Saale. Die ersten Verwundewn schleppen sich hinaus, Drauen vor den Pharus-Siilen dampft eine riesige Menschenmenge und zittert vOr Erregung. Sie hrt das Toben und das Brllen, sie hrt das Splillem und Krachen, sie sicht blutende Kommunisten herauskommen. Und jetzt bricht auch hier draucn unter dem freien Himmel die Hlle los. Es scheint, als ob hunderttausend Weiber zu heulen und zu schreien begnnen. Es mag dieser mrderische Kampf eine Viertelstunde gedauert haben. da wei die S,A .. da es ihr gelungen ist. Immer mehr Kommunisten jagen aus dem Raum und wenn einer von ih-nen, dcr bewutlos am Boden lag, jdzt aufwacht. sieht er, da es in die,em Saal nur noch Hakenkreuzlcr gibt. Und er hebt sich auf und schleppt sich schleunigst hinaus. Jetzt wird die andcre Seite der schlacht sichtbar. Ocr Saal ist ein einziges. furchtbares Trmmerfeld, Die Trcppc, die zur Tribne fhrt. das Podium, die Tische. die wenigen, ganzgebliebenen Stuhle, der Boden. alles ist rot vOn Blut, Ein furchtbarer Geruch liegt ber dem verlassenen Schlacht fcld, auf dem jetzt Sanitater um-hereilcn, Zehn S.A.-Miinner mSSen weggebracht werden, schwerverletzt. Und whrend drauen auf der Strae die Kommune rasend tobt. steht drinnen auf dem Podi-um pltzlich der S.A.-Fhrer Daluege, der die Versammlung leitet, an seinem Platz und sagt mit eiserner Ruhe: .. Dic Versammlung wird fortgesetzt! Das Wort hat der Referent!" Niemals werdcn es dic vcrgessen, die es miterlcbt haben: inmitten von Blut und Tod, inmit -ten einer grauenhaflen Landschaft vOn zerfetzten Kronleuchtero, zerfetzten Tischen, zerfetz-

  • ten Sthlen, inmillen eines Secs von Scherben und Splittern beginnt Dr. Joseph Goebbels zu der Versammlung von Nationalsotialisten zu sprechen. Sanitiiter und Kameraden schaffen die Verwundeten hinaus. Man hat nach den Krankenwa-gen tdephoniert. Die Krankenwagen mSSen gleich da sein. Die Polizel lt sich nicht sehen. Schulz hat eine mchtige Schramme abbekommen, aber sie hat weiter nichts aufsieh. Er macht sich um seincn Freund Karl zu schaffen, den er auf einmal aus den Augen verloren hm und den er nun ohnmchtig unten an der Treppe zum Podium findet. Er kann 1m ersten Au-genblick nicht fest>tellcn, was ihm zugcstoen ist und so nimmt er ihn auf sC me breiten Schultern, um iltn zu einem Krankenwagen zu tragen. Als sie auS der Tr kommen, fahrt Schulz erschrocken zurck und es ist zum ersten Male heule abend, da Cr erschrocken ist, Aber hier drauen ist ja nuch eine Holle lus. Die Kummunisten strzen sich hier auf die wchrlusen Verwundeten, und die S.A.-Mnncr, die herausgewirbelt kommen, knnen die armen Kerle gerade noch vor bestialischer Mihandlung retten und wieder hinein in den Saal schaffen. Drinnen hort man den Tumult. Und drinnen hrt man plotzlich einen schneidenden Schrei: "Doktor Goebbels!" Der Doktor unterbricht seine Rede, eilt hinunter und hinaus, wo die S,A, mit Mhe die ent -menschte Horde von ihren Verletzten zurckhalten kann, Und hlCr nimmt der Doktor Ab-schied von seinen schwerverlctzten Kameraden. Er drckt jedem von ihnen die Hand, er spricht mit jedem von ihnen herLliehe und trostende und dankbare Worte. Dann geht er in den Saal turck und fahrt in sciner Rede weiter. Am Schlusse seincr rede spflcht aber er vOn denen, die drauen in ihrem Blute liegen, und in diesem Augenblick spricht er das groe und ,tolze Wort vom unbekannten S,A.-Mann, "der Tag rur Tag seine Pflicht tut. einem Gesetz gehorchend, da. er nicht kennt und kaum ver-

  • 'lJUd ,,,. !~ ,, 2\ .. l i"" e.'lI'.

    steht. Dem man vielleicht irgendwo und irgendwann den Schdel einschlagen wird. weIl er groB ist. w~il er ocr dem M(Jb steht und Weg~ weisend seinem Volk vo ranschreitet. Der aber trutldem st ill. keusch. gru und tapfer seine Pflicht tut. rur ein Reich. das kommt. Vor ihm stehen WlT in Ehrfurcht und nehmen die Mtzen ab. Aus se inem Blute wlTd einst Deutschland auferstehen, aus dem Blute des unbekannten Kampfers. Gedenken wir seined" Schweigend und erschttert erhebt sid die Versammlung. Dann marschieren die Nationalsozialisten, vOn S.A. geschtzt, mitten durch die tobenden und brllenden Horden der Kommunisten ab. Es war ein Abend, der die Bewegung in Bcrlin entschied. Der Aufmarsch der deutschen Frciheitsbewegung in der ReIchshauptstadt hatte begonnen. In den nchsten tagen tauchen die Verwundeten in ihren weien Verbnden wieder auf, sie tmgen sie wie Orden. Die Augen des Doktors ruhen oft auf ihnen und er wei. warum. Aus 600 Parteimitgliedem wurden 3000.

    6. "Berlin bleibt rot!" schreit es von allen Zaunen. "Tod den Faschisten!" knden die Mauern fronten. Abcr die S.A. marschiert . Die S.A. schlug die Schlacht in den Pharus-Siilen. eine Handvoll Manner. "Berlin bleibt rot!" Aber Schulz und Karl grnden ein Sturmlokal. Kar! hat im Handumdrehen einen Keller ausfindig gemacht. einen richtigen, waschechten Toppkeller. Und das Be,te an ihm ist. da man nur von der Strae aus an ihn hemn kommen kann. Den Hauseingang hat man unter Aufsicht , wenn man aus einer kleinen Luke sicht. Diese Luke liegt hinter dem Hausto, und also kommt keiner herein. den die S.A. nicht he reinlassen will. Die Fenster kann man verriegeln und auerdem vOn innen mit Holzlden zu sperren. Man knnte auch diese Laden noch mit Eisenblech beschlagen, me int S~hulz, dann kommt keme Kugel durch. Und berdies sind die Mauern dick und solide und man kann Krach 1Ila-

  • ehen, wviel man will, es hort niemand im Haus und auf der Stme -"Also", sagt Schulz, "wat nun?" "Weit du nich so 'n altes Feldbett?" fragt Karl zurck. "Nee. wozu een altes Feldbett?" "Fr's S,A.-He,m!" Schulz zieht die Stirn krau,_ "Nee, een Feldbett wei ich nicht, aber Bretter wee ich eene ganze Menge. Die liegen beim Volkspark, Die kannste holen. Und darm kannste een Feldbett draus machen. Zwei sind berhaupt besser." "Und Strohs.cke?" "Mensch, dic stoppen Wir ,elber zusammen." "Und denn unten det Bett mit Gurte, was? Da pennt man viel schner." "Und einen Tisch brauchen wir auch." "Selbstmurmelnd. Und Sthle etwa nicht?" "Und Wne Art Schmnk, wa?" "Und 'n Ofen, MeniiCh, 'n Ofen! Im Winter woll'n wir doch ""eh da sein!" "Jsja noch Winter, Mann' Also'n Ofen!" "'n paar Bcher waren ooch janz hbsch, wa? Und 'n Schachbrett und 'n Kanenspiel!" "Und 'n paar Teller, nich?" "Ans Fenster ' n paar kleine Vorhange, ""eh janz nett," Bei dem Gedanken an Vorhange, einem luxuriOsen Gedanken, einer Vorstellung von Behag-lichkeit und Sauberkeit. besteht Sehulz darauf, auch einen Sehuhabtreter anzuschaffen. "Det keener wville Dreck in den Laden schlepp!." Und dann werden sie bermtig und griienwahnsinnig. "Eencn Topp zum KafTcekochen'" "Und eene Lampe, Mensch!" "Und Decken zum Schlafen ooch!" Dann gehen sie also an die Arbeit. Schulz holt die Bretter und Kar!, Erid, Fritz, Ede und Gerhard fangen an, zu ba,teln und zu bauen. Ein Arbeiter, ein Rollkutscher, ein Sludent. ein Kellner. ein Schupomann und ein Botenjunge, Anjedem Abend klappern sie rcksichtslos und unnachgiebig die Parteigenossen ab und holen heraus. waS berflssig scheint und was niehl niet- und nagelfesl iSI, Da sie bei einer solchen Tour zwei alte SleppdC
  • "Brder in Zechen und Gruben, Bruder ihr hinter dem Pflug, Aus den Fabriken und Stuben Folgt unseres Banners Zug!"

    "Der mcht igste Knig im Luftrevier Ist der stunnesgcwallige Aar, Dic Vgele in erLillern, vcrnchmen sie Sein rauschendes Flgclpaar!"

    "Wir sind die Hitlergarde .. H

    "Drauen am Wiesenrand Hocken zwei Dohlen ... "-

    Das Heim wachst und blht und wrrd immer heimatlicher. Sie haben wahrhaftig sauberes, glalles Lmoleum schon auf dem Boden liegen. Der Kaufmann vOn nebenan hat es gestifte!. Sie haben emen Kanonenofen aufgestellt, da kann man Suppe und Kaffee koc,hen und ein Schnitzel braten. wenn man mal eines hat. Meistcns hat man es leider mcht. Eines Tages zieht Schult ganz in den Keller. Er hat es mit der Angst zu tun bekommen, da irgend jemand einmal all die Herrlichkeiten beschdigen oder stehlen knnte. Auerdem meint er, msse jemand da sein. der die Befehle in Empfang nimmt und der eine Art Zentra-le spidt. So nach und nach finden sich nmlich gewisse Dinge ein. die bewacht werden mSSen. Zum Beispiel die kleine Sammlung von Gummiknppeln. Die ist sehr notwendig , denn schon haI die Kommune den Keller ausfindig gemacht. was ja weiler nicht schwierig war, und >ehon sieht man Burschen. die keiner von den S.A.-Mannern kennt , in der Nhe des Hauses herumstrolthen. Es ist die Ze it gekommen, da ein braunes Hemd in der Nacht auf der Strae getragen, den Tod bedeuten kann. Deshalb wird es immer haufiger. da der eine oder der andere vOn ihnen die Nacht ber im Keller ble iben mu. Schulz ist es, der eine unfeh lbare Nase fur dicke Luft drauen hat und er pat auf wie eine Muller und wird grob, wenn es sein mu. "Dujeh.t heute nich hier weg!" knurrt er, wenn er etwas gcrochen hat. "Hier haste een Buch, oder wlilste Schach mil mir spielen. Oder wir sin-gen een . Die Moskowiter sollen kalte Zehen kriegen. H,er bleibste." Er iSl der Befehlshaber die!ies Bunkers unter der erde. Er sichert die Fenster, er "erschliet die Tr, er legt sich auch vOr die Luke und beobachtet die Strae. Dann zieht er sich an den Ofen turuck und liest Eichendorlf, fur den er eine abgll ische Liebe hat, seit Karl ihm zum er,ten Male ein Gedichtbuch in die Hand gedruckt hat. Oder er brummt sein Lieblingslied vor sich hin: Argonnerwald um Mitternacht. Das pat beides zuSammen. Durchaus. An der Wand hngt eine groe Hakenkreuzfahne. Oft ertappt er sich dabei. da er verloren und stumm auf diese Fahne starrt, auf das weie Feld mit dem siegreichen Hakenkreut . Es geht sovie l Kraft aus von diesem Zeichen. Man .prt sie tiefda drinnen, wO die Seele wohl sein ",11. Schulz hat einmal etwas von magischen Kraften gehrt. Er hat nie viel begnlfen davon, und auch nicht viel davon gehaltcn. Aber so, in diesen Nachten begrclft er alles. In der Welt mu einmal dieses Banner wehen, oder sie geht zugrunde. "Wieso?" fragt ihn einmal einer. "Wei ick mch". zuckt Schult die Achseln. "Abcr es ist so. Brauchst ja blo ne Weile hinzu-

  • gucken. Wenn de es denn nieh merht - na. denn knn' Wir dich eben meh brauchen." Ja. So i,t der Toppkeller zum Dritten Reich. Und der S.A.-Mann Schulte. Im Frhling 1927.

    7. Es ist ein aufgeregtes Frhjahr. - -Die S.A. bedeutet schon eine Macht. Ein paar Strme knnen es schon wagen. in die Mark zu fahren und dort erzhlen und beweisen. da e, jetzt in Berlin auer den Rotfrontmnnern auch S.A.-Manner gibt. In der Reichshauptstadt bummell S.A. fleiig durch die Straen, sie sehen sich das Gelande an. auf dem sie einmal, frller oder spter. wieder kmpfen m en. Man hat ihnen Vorsicht befohlen. Sie bummeln in Zivil. ohne das braune Hemd, ohne die braune Hose. ohne die S.A. -Mtze. Und Schulz pat scharf auf, da in seinem Bereich diese kluge Vorsicht eingehalten wird. Ein blutjunger Kerl kommt einmal frisch. vergngt und verwegen mit der S.A.-Miitze auf den Kopf in den Keller. Schulz staunt ihn an. "Du bist wohl ganz und gar bldsinn'g geworden. was?" faucht er grimmig. "Wenn sc dir bei 'ner Versammlung den Kopp cintrimmen. jengt da., vastehste? Komm mir ja nicht so wieder." Der Junge sicht ihn etwaS verstndnislos an und dreht ,"erle-gen die Mtze in der Hand. Schulz wird etwas milder. "Bist stolz ufTdie Mtze. nich? Kannste DOch. Kannstc sehr. ls ooch eene Ehrenrntze. wie der Stahlhelm een Ehrendeekel. Halt nur nich so ville auS. Mensch. kick nich so diimlich. Wenn dir eenCr mit dic Mtte nachts sicht. haste een Pflaster-stein im Genick und vicr Mcsser mang die Rippen. Det is nun mal so in dieser feinen Stadt. Aocr iek will dir wat wrl:lickem: Ern Icocnd;gcr S.A.-Mann is mir licocr als ecner mit'rn Nachruf. Und dem Fhrer ooch und allens zu seiner Zeit. vastehste?" Der Junge fragt unsi-cher: "Wat soll ich denn mit die Mtze nun machen?" Schulz wirft einen Blick an die Decke. "UfTre.sen sollste sie nich. du D'>skopp. Steck sc in die Tasche. Schad ihr jar niseht. Und sei stolz. da du sie in der Tasche hast. Und nun mach keen son verdattertes Jesicht. Vorsicht i. ooch die Mutter vom S.A.-Dienst. Und nu komm man mit." Die beiden gehen schlendern. Es ist ein Uhr nachts und die Straen rieden ganz verrckt nach Frhling, nach Marz. nach lauen Winden, Mdchen spatieren langsamer, als sonst. und bleiben am Kana l stehen, sehen in die Bume. sehen in das Wa,ser, sehen irgendwohin ins Weite und traumen. "Janz schne Gegend". stellt Schulz friedlich fest. "Bichen vllle Huser. keene Aussicht, aber ganz nett. Wenn die Balkons mal blhen. sieht et gant propper auS. Siehste, solange die Leute noch Blumentppe gieen. sind es eIgentlich gar keene Kommunisten .. Wal is denn det hier?" Er ist an einer Hauswand .tehen geblieben und da klebt ein Plakat des Rotfrontkiimpfcrbun-des. Die geballte Faust ber dem Sowjet stern. Einladung zu einem Sektionsabend. "Pa auf, ob wer kommt". sagt Sehulz vergngl und der Junge geht einige Meter abseits und augt nach allen Seiten. Schulz zieht sein Schusterme-ser und kratzt in breiten, schnellen Schnitten das Plakat von der Mauer. Der Nachtwmd nimmt die Stcke spielerisch mit und verteilt sie auf der Strae. "Da drben ist noch sOn Ding". berichtet der Junge. "Na, dann pa noch mal aur, sagt Schulz und wieder hat der laue Nachtwind ein Spielzeug. "Und jetzt". sagt Schulz "noch eene kleene Schleichpatrouille in d~n f

  • Am dritten Haus auf der hnken Seite siellt Schulz, was er zu sehen gehom 11m. Karl Schind-ler steht da und wartet. Sehulz pfeift und Kar! pfeift zurck und dann stehen sie zuSammen. Schulz deutet auf den Jungen. "Hermann heet er", sagt er. Der Student giht dem Jungen die Hand. Dann wendet er sid zu Scllulz. "Nr. 37 ist es", sagt er leise. Schulz mckt zufrieden. "Eine Geheimdruckerei", erklart er dem Jungen, "von der Kommune. Wozu sie eene Gehcimdruckcrei brauchen, wee ick nich. Det weeO nich mal der liebe Gott. Sie knnen doch bei der Roten Fahne frei und offen allen Mist drucken, den sie drucken wollen. Wolln und mal den Betrieb ansehen. Luft sauber, Ka rl?" "Um hab eins ist der letzte rauS. Mit ner dicken Aktentasche. Aber vielleicht haben sie eine Wache da gelassen." "Werden wir gleich haben". sagt Schulz. "wart mal, ick habe mir doch eene Haarnadel einge-steckt. Hier is se." In einer halben Minute ist die Haustr geffnet. Schulz scheint hier Be,cheid zu wissen. "Grade aus", (lsten er, "und denn rechts. La ja deine Taschenlampe in Ruh, Hermann!" Sie gehen auf den Zehenspitzen lautlos durch den Haus(lur. Rechts geht eine Treppe nach unten. Schulz geht vomus. "Alles dicht?" (lstert Kar!. "Alles dicht." Sie stehen im Dunkeln vor einer Tr. Schulz flihlt das Sicherheit!ischlo. Er sucht den Zellu-loidstreifen aus einer Brusttasche. Eine Kette wird sorgfaltig und fachgem auS dem Schar-bier gedrckt . Ein leises Knarren und dann stehen die drei in einern Flur, der nach HarL, Spiritus, Farbe, l und Tcrpl'ntin riecht. Kar! !iChickt einen kurzen Lichtblitz dureh den Gang und an desscn Ende entdecken sie eine schwere, ei"'nbe!iChlagene Tr. "Pat auf Alarmf
  • Dann, als sie sich ausgesucht haben, was sie bmuchen. sehen sie sich den Ofen etwas nh~.,. an. Es ist ein Ofcn, der flir sie sehr praktisch ist . Dic Aufrufe fliegen hinein, die f'hotogm-phien fliegen hinterher, die photo graph ische Au.ru.tung wird zerbrochen, das Zeug mit SPI-ritus begossen und hinterherge!ichoben. Unterdes.en setzt sich Schulz an eine kleine Handpresse, die er emdeckt hat und mhselig, aber mit viel Geduld und Spucke druckt er ein privates Plakat.

    Hei l Hitler

    Sie sind fenig und sie haben au.geze ichnet gearbeitet. Das Plakat legen sie aufTallig au f den leergerumten Tisch und dann machen sie sich auf den Rckweg. Zwanzig Minuten nach drei in dieser Nacht treffen .ie in ihrem Bunker ein und sonieren, was sie erbeutet haben. Am anderen Tage bekommt die f'oliti.che f'olizei 3m Alexanderp latz emen diskreten Wink. Boddinstrae. Geheimdruckerei. Aber die Politische Polizei beeilt sich mcht besonders. Und als SIe schlielich doch in die Boddinstrae fahrt. findet sie nur noch aufeinem Tisch ein Plakat liegen und damufsteht mit groen Lettern gedruckt:

    Heil Hitler!

    Sonst finden die tchllgen Beamten nichts und sie schtteln den Kopf. Was sollte denn das wieder vorstellen? Seit wann drucken die Kommunisten fur Hitler Plakate? Und der Hauptmann fichtefachs im Polizeiprsidium brtet eine volle Smnde ber diesem geheimnisvollen Plakat. er \'ersteht di~ Welt nicht mehr ganz.

    8. Es ist ein schner Sonntag im Miir~ und der Sturm 1 mar>chiert zum ersten groen Miirker-tag nach Trebbin. Alles, was kann, fahrt natrlich mit und wer nicht kann, f:ihrt trotzdem mIt. "Wolln den Jungs mal zeigen, was ne Harke ist!" Aber der Sturm 1 will nicht nur den Mrkern zeIgen, was eine Harke ist, er mchte auch, nebenbei. ein wenig Luft schnappen. Ein wenig wieder einmal in den Wiildern umherstrei-fen, ein wenig zusehen, wie die zarten Birken sich grn farben, wie das Kom auf den Fel-dern sich anS Licht wagt, wic weie Wolken aussehen, wO Wiesen liegen und Bche mur-meln. Das alles hat die Berliner S.A. lange nicht mehr gesehen. Sie stehen an der Front in dem riesenhaften Aspha lt-Schlachtfeld und sie haben dort wahrhaftig keine Zeit und kemen Kopf, poetischen Gedanken nachzuhangen. Sie haben den Befehl, das Dritte Reich zu berei-ten und diese Aufgabe ist hart, nchtern, brutal und mnnhch und verlauft zwischen Blut und Gefahr in jeder Stunde. Die S.A. marschiert gerne in die Mark. In Trebbin wehen die fahnen, schwarz-wei-rote und auch solche mit dcm Hakenkrcuz. Von berall her sind die Bauern und die Landarbeiter gekommen, diese erdfesten Mnner, die niemals auf den hysterischen Einfall gekommcn sind, da das Vaterland die ganze Welt sein knnte und da bemll ein Vaterland sei. Jetzt slChen sie in den Straen und sehen etwas un-glubig die braunen Kolonnen im gleichen Schritt und Tritt einhcrzi"hen. Das drhnt und kracht und muscht und die braunen Kolonnen ziehen aufzur Parade vor Da-luege und Goebbels. Es kommen Blumen genog"n und di" Braunhemden wund"," sich, da es zu dieser Jahres-ze it schon soviel Blumen geben soll. Die Marker haben sich Blumen vcrschaffi, haben die Grtnereien gep lndert, die frhen Blumen der miirkisden Tr"ibhuser schmuck"n di" S.A.-

  • Mnn
  • Der brave TruppfUhrer Ge)"er taumelt, versucht noch einige Sehriue lu machen. dann bricht er lusammen. Schu auf Schu peitscht aus dem Zuge. Der BahnsteIg gibt hundertfachen Widerhall, '" da es sich schauerlich anhlnt, wie ein Infanteriegefecht. Wieder und wieder knauem die hellen Pistolcnschsse. Die S.A. benimmt sich wie eine alte Feldtruppe. Sie nimmt Deckung und jagt runter vom Bahnsteig. auf die Gleise. Jetz! fahrt der Zug langsam an. Die S.A. hat lwar Deckung ge-nommen, weil es sinnklS gewesen ware, sich auf dem sauberen Schufeld des Bahnsteigs zusammenknallen zu las",n, aber die S.A. denkt nicht daran, Mrder entkommen zu lassen. Im letzten Augenblick springt ein S.A.-Mann auf den fahrenden Zug, kleuert in das nchste Abteil und reit die Notbremse herunter. D,e Rader kreischen auf, da es durch Mark und Bein geht. Der Zug steht. Die Kommunisten feuern, was auS ihren Pistolen herausgeht. Vielleicht ahnen sie, waS jetzt kommt. Der S.A.-Mann Teichert sinkt hin, sein Blut stromt ber die Steinpbuen. Unterdessen sind vOr dem Bahnhof die Lastwagen aus Trebbin angekommen, es ist die Spandauer S.A. Bel ihnen ist der Doktor Goebbels und viele zivile Parteigenossen. die den Einmarsch mitmachen wollen. Sie starren zuerst fassungslos hmauf. was da oben los ist. Sie hren den Peitschenhall der Schsse und hren das Schreien der Getroffenen. Und dann be-ginnen sie zu begreIfen. Es bedarfkeines Befehls. Es bedarf keiner Verabredung. Keiner von ihnen besinnt SIch auch nur noch eine einzige Sekunde. Sie springen herunter von den Lastwagen, die Kolonnen. die sich schon fonniert haben, spritzen auseinander und alles stunnt nach oben, durch die Unter-ruhrung. die Treppen hinauf. Aber die Bahnbeamten haben die Tren geschlossen und in groter Hast alles abgesperrt. Niemand kann mehrdureh. Mit fiebernden Stirnen, zuckenden Fiiuswn und flammender Wut mu die Spandauer S.A. ihre Kameraden oben alleine lassen.

  • Aber dic da oben, cs sind flinfzig Mann. fackeln jetzt nicht mchr. Sie rcicn ihrc Fahncnstan-gcn auscinander. Auf dcn Spitzen stecken noch Bajonette auS dcm Kricg, ein franzsischcs und ein russisches. Und berdies haben sie die SchOltcrstcine vom Bahndamm. Und dann haben sie ihre Fuste und den ungehcuren Zorn bcr dcn feigcn berfall. Mit dicscn Waffcn Strmt die S.A. Sic versucht die Rotcn aus den Wagcn 2.u holen. Sie ver-sucht es ein zwcitesmal und ein drittcsmal. Es wIll ihnen nicht gelingcn, Dic Roten ducken sich und halten die Trcn vOn innen fc.t. Im er>ten Wagen, dcn das Sonntag.publikum schleunig.t verlassen hat, findcn dic S,A, -Mnncr einen jdisch aussehenden Mann. Er liegt platt auf dem Bodcn und sicht nur dann und wann schnell aus dem Fenster. Dic erbil1crten und mitrauischcn S.A.-Leute reien dcn Mann hoch. Von links und rcchts pras.eln Fausthicbc in scin Gcsicht und dcr Mann schreit cntsetzt einc Kel1c von fremdspra-chIgen Worten, Eincr dcr S.A.-Manner vcrsleht, da es spanisch ist und rciI seinc Kamcra-den zurck, Ein Auslnder! Dann haben sie endlich dcn Zug umgangen und strmen von zwci Sciwn. Immer noch knal-len aus dcm Zug dic Pisto len.chsse. Dic S.A. pir>cht sich heran. Soviel wissen sic: vOn de-nen entwischt niemand, Und wCnn sie die ganze Nacht hicr liegen mssen, dieser Zug f1 c. sowcit. Keincr entkommt. Bevor dic ROlen in dic Armc dcr Schupo landcn. werden sie vOn der S.A. beltandelt. Einer nach dcm andcrn wird aus seinem

  • Abteil herausgeholt und vert rimmt. So vertrimmt. wie es sich gehort. Und jetzt erleben die S.A.-Miinner ein Schauspiel. Die Rot frontleute liegen vOr ihnen au f den Knien und bitten, ihnen nichts zu tun. Sie versichern. nie. nie, nie wieder 1.u schieen. " Wir sind doch blo verfUhrte Arbeitert" brllt einer in se iner Todesangst und dieser ver-zweifelte Ruf lt die S.A. einen Augenblick aufhorchen. Einen Augenblick mgen sie ge-dacht haben. da die ,er Schrei nicht ganz unrichtig seI, aber jcttt. m diesen M inutcn ist es ihnen gleichgltig. Eine Schalmeienkapelle war dabei. Di
  • Es ist wahrhaftig nicht von ungefahr gekommen und auS dem Blauen heraus, oder aus einer dumpfen, sturen Ausrede heraus, oder aus einer kindischen Welt - und Lebensanschauung. oder aus einer Unduldsamkeit. oder aus aufgeregter Beschrnktheit heraus, oder aus Weltun-kenntnis, da dieses geduldige deutsche Volk allmhlich einen grenzenlosen Ha gegen den internationalen Juden in sieh aufwachen sprte. Solange er in Handel und Wandel seiner Wege ging, arbeitete, wie alle arbeiten ... bitte sehr. Aber dann, nach dem Kriege wurde er gro und grenwahnsinnig und bernahm das heimliche Kommando berall: in der Politik, in der Wissenschaft in der Literatur. im Theater im Film .. in allen Dingen, die den Geist ei-neS Landes und eines Vo lkes ausmachen. Die S.A. besteht nicht aus Asthetcn. Die S.A. be-steht aus Soldaten. Und die S.A. fat an diesem Abend zum ersten Male zu. Vom Kaiserplatz in Wilmersdorf bi. zum Wittenbergplatz Wird die "Watte" jedcm Juden, der ihr begegnet. uerst unfreundlich . Die umformierte S.A. in der Mitte der Strae sicht nicht einmal hin. Das geht sie nichts an. Sie trgt die Fahne und die Idee Adolf H itlers durch den Westen Berlins, der der jdische Westen genannt wird. Sie hat in diesem Augenblick nicht. anderes zu sein, als die groe Drohung des Fhrers. Aufdem Kurfurstendamm verschwinden viele Menschen. Wer mit seiner Rasse zu diesem Lande gehrt. denkt nicht daran, zu verschwinden. Gnmmig sieht die S.A. die breite Strae leer werden. Die Zivilordner machen einen kleinen Abstecher in das Romantische Cafe hinein . Sie sehen die Herren M,mzenberg und Toller und Mhsam und Feuehtwanger und Kaestner und Loew und Mandelbaum und wenn einer von diesen nicht per>nlich anwesend ist. sehen sie doch ihre unsauberen Geister herumsitzen. Die CO. geht nur einmal hin und einmal her und dann ist nil'mand mehr in dicSl'm Lokal, den sie nicht hier sehen will. Eine Scheibe geht dabei in Trmmer. aber es wird noch mehr in Trmmer gehen, denkt sie ungerhrt. 314 Tassen Kaffee wurden an diesem Tage nicht bezahlt. Sie wren auch w nicht bezahlt worden. Dann ,prieht Goebbel. auf dem Wittenbergplatz und zum ersten Mal hrt der tiefcrsehroekene Westen eine nationalsozialistische Demonstration und hrt zum ersten Mall' den Gauleiter von Berlin sprechen. Nach dieser Rede geht die S.A. ruhig und disziph-niert auseinander. In ihren Ohren aber hallen noch die Schsse vom Bahnhof Liehtcrfelde-Ost .

    Schulz in seinem Bunker bekommt von diesen Ereignissen berichtet. denn er ist nicht dabei gewesen. Zuerst glimmt er vor Zorn. dann brennt er vor Emprung und dann explodiert er. Und zuletzt ra.t er auf die Strae, um sich Zeitungen zu kaufen. soviel er erwischen und be-zahlen kann. Und sitzt mit brennenden Schlfen darber. Wendet Blatt um Blatt. sicht "er-strt auf. "Na?" fragen sie ihn boshafl. "Da steht wohl alles voll von Lichterfelde, wa?" Schulz wendel Blal! um Blal!. "Na?" fragen sie weiter. "Sind wohl alle emprt ber die feige Rotfrontbande, war Schulz liest: "Pogrom in Bcrlin! " "Hitlerbanden machen Jagd auf wehrlose Judeni" "Brauner Mordsturm berfallt KurfU rstendamm!" Aber er kann suchen, w lange Cr will. von Lichterfekle-Ost findet er nur eine einzige Notiz: "Auf dem Bahnhof Liehterfelde-Ost kam es gestern nachmittag zwischen zurckkehrenden Nationalsoziali.ten und Ander>denkenden zu Auseinandersetzungen. 2 BeteihglC wurden verletzt."

  • Das i.t alles, was Schulz findet und alle im Keller lachen ber sein enttuschtes und erbostes Gesicht. "Sei nicht so saublode", sagt Karl >ehlielieh, "hatte.t dir doch denken knnen, da die Hun-de das totschweigen." Schulz gibt keine Antwort. Die Hunde, denkt er, diese Hunde!

    Der April geht mit kleinem Krieg vorbei und eS ereignet sich in der Welt nichts Besonderes. Nur im S.A.-Kdler ereignet es sich, da Karl Schindler eine. Abends in dIe Stadt sch lendert und nicht wieder zuriickkommt. Sie bleiben auf und warten lange auf ihn. Dann verteilen sie sich und gehen auf die Suche. Schulz rast wie eine Tigerin durch die Straen, wie eine Tige-rin, die ihr Junges verluren hat. Er und der Junge Hermann suchen alles ab, waS sie glauben, ab.uchen zu mus,en. Es war Sehulz aber nicht vergonnt, seinen Freund zu finden. AI. sie gegen Morgen in den Keller zurckkommen, ,ittt Edgar dort, den sie Ede nennen. Er 1St bla und wei Im ersten Augenblick nicht. was er sagen ",11. Dann rckt er mit der Sprache heraus. Sie haben Karl gefunden. In Neukolln, hinter einem Bretterzaun, liegt er. Stuwe' ist bei ihm geblieben, bis Schult kommt. Und dann steht Schult hinter dem Brettcraun. Karlliegt auf dem Rcken, seine Ar-me sind weit geoffnet und in den erstarrten Handen hat er noch den roten Fetzen eines kom-munistischen Plakates. Schulz kniet wortlos nieder und sucht die Wunde. Sanft dreht erden Krper um, als ob er fliIThlete, ihm weh zu tun . Und auf dem Rcken fi ndet er die Wunde. Ein bre iter, tiefer Mes-serstieh hat die ganze Lunge zerfetzt. Aufder Erde ist eine groe Blutlache zu sehen . .. Von hinten umjebrachtl" murmelt Schulz fassungslo" .,Von hinten umjebrachtl"' Er merkt nicht. da ihm die Tr'.inen ber die mageren Backen rinnen. Dann springt er auf. sicht die schweigenden Kameraden abwesend an und strzt davon. Hermann und Ede hinter ihm her. Schulz kommt wieder mit einem Schupo. Der Schupo telephoniert nach dem Alex und dann kommen von dort einige Herren. Schulz verlangt. da man die Sektion Hermannplatt der KPD. durchsucht. Die Herren geben ihm eine khle Antwort und betonen, da das ihre Sache sci und nicht die seine. Es bestnde vorl'.iulig keine Veranlassung zu einer ",lehen Durchsuchung. Da strzt sich der S.A.-Mann Schulz angesichts seines toten Freundes dem nchsten besten Kriminalbeamten an den Hals. Er wird ",fort verhaftet und abgcfuhrt. Am Abend triffi er wieder im Keller ein. Keiner wagt mit ihm zu sprechen. Er beginnt ein Brett tu hobeln. einen Meter lang, 40 Zentimeter breit. Das nagelt er an die Tor des Kellers und brennt ein Kreut hinein ganz oben in die linke Ecke, und dann schreibt er dcn Namen Kar! Schindler auf das Brett. dazu den Tag und die Stunde, an dem sie ihn ge-funden haben . .. Da kommen noch ne ganze Masse Kreuze dazu", sagt er und seine Stimme ist eiskalt. .. Krieg is nich billig. Da gibt's Spne." Dann hngt er einen kleinen Eichenkranz um das Kreut .

    Und dann kommt der erste Mai. Einer hat die Nachricht aus dem Gau mitgebracht und es knistert >ehon seit Wochen vor

  • Freude und Erwartung in der S.A. Am ersten Mai will Adolf Hitler zum ersten Male in der Reichshauptstadt sprechen. Und es ist der richtige Tag fur einen solchen Mann, in Berlin 2u spreehen, der genau richtige Tag. Der groe Tag der SPD .. der groe Tag der IntcrnatlOnale, der groe Tag der mar~istisehen Heerscharen und ihrer Kapitne. Im S.A.-Heim unterhalten sie sich darber. was der I. M31 wohl fur eine Bedeutung hat Was er nach der Revolution rur eine Bedeutung haue, haben sie ja alle erlebt und werden es wieder erleben. Aber waS dieser Tag In der deutschen Vergangenheit rur eine Bedeutung hat. das erfahren die meisten von ihnen jetzt erst Der groe Tag der Friihlingsfreude, der Wie dergeburt, der groe Tag des Wiederaufbaus, des Anlaufs 2um Lebenskampfe, das lteste Sunnen und Lichtfe.t der Menschen germanischer Ra .. e. An die ,ern e"ten Mai wird also Adolf Hitler In Berlin sprechen. Im Clou, einem groen Saale im Zentrum der Stadt, ,te'gt die Versammlung. Am Morgen dieses Tages trim Schulz auf der Strae einen flchtigen Bekannten. mit dem er sich ganz gut verstanden hue, wenn er mcht der SPD. angehrt haue. Und deshalb verste hen sie sich eben nicht besonders gut . . .Ihr knnt euch ufTn Kupp stellen", sagt der S02i, .,die Strae gehrt dem Proletariat und Wir werden die Strae nich aus den Hnden la>Sen, nieh ne ein2ige Minute, gibt'sja nich. Und DOch der erste Mai jehrt uns, den Proleten. und ooch den ersten Mai lassen wir nich aus die Finger. Det i. een Tag for Arbeiter, aber nieh for ArbeiICrmiirder, vastehste? Und die Sld-linge des Kapital., die Fa>ehisten -., .. Du bist ein armer Irrer ... , unterbricht ihn Schulz und als der S02i auffahren WIlL legt ihm Schulz die Hand beruhigend auf d~n Ann . . ,Men>eh. rede doch nieh so je>ehwollen. Hr mal2u. Da ich Na2i bin, das weite doch, wie? Und da seit etwa drei Monaten die Strae nich mehr den Sozi, ",ndern den Nazis ge hrt , dN mte dir eIgentlich ulljefallen sein. Nich?"' . .Ihr seid alle Provokateure!' wirft ihm der S02' grmlich vOr und Schulz nickt und i>1 ber diesen Vorwurf nicht einmal ungehalten . . ,Abcr natrlich sind wir das. sagt er heiter. "sc Ihst verstndlich sind wir das. Bisher habt ihr proy02ien und jetzt provozieren wir eben. Det is der Lauf der Weh. mein Lieber. Wir provo-zieren sogar sehr hefhg, Mann, darauf kannst du dir verlassen. Du gloobst wohl immer noch, da wir so ne brgerliche Partei smd mit Hurra und Siegreich wolln wir Frankreich schlagen, was? Nee, wenn du det gloobst. biste fal>eh gewicke lt Glaue Fdllan2eige:' Der andere 2uckt die Schultern . .. Den ersten Mai knnt ihr dem Proletariat niemals nehmen: Schulz lachelt . . .Ick will dir mal wat sagen', ,agt er, .. natrlich werden Wir dem Proletariat den ersten Mai nehmen, aber wir werden den ersten Mai daflir dem deutschen Volke geben, "erstehstc, was ,ch meine?' .,Nee: .. Dann will ick dir verraten, da e. einmal kein Proletariat mehr geben wird. sondern nur noch ein deut>ehes Volk. das keine Klas,;en mehr kennt, sondern nur noch Kameraden und su , verstehstc deI wenigstens, du Dussel? Und damit lat er den roten Volksgenossen stehen, pfeift sich eins und geht weiter. Nichts gehrt euch, denkt er froh, gar nichts . Die Stme nicht und der deutsche Arbeiter nicht und der Staat nicht und die Wirtschaft nicht und auch nicht der erste Mai. Es wIrd sich bald erweisen, denkt ScilUlz weiter, da dies alles der S.A. gehn und wenn es von der S.A. weitergegeben wird. dann nur dem Fhrer und der Fhrer wird schon wissen, was er damit beginnen wird .

  • Die Versammlung ist iiberfiilll, wie niemals bisher eine Versammlung der NSDAP. iiberfullt gewesen ist. Vor dem "Clou" ballen sich Mengen vOn Mcnsch~n, die ke inen Plan mehr gc funden haben und die da drauen nicht weiden und nicht wanken. Der Fhrer kommt und sie haben den FiihreT noch niemals gesehen. sie haben nur vOn ihm gehrt und von ihm gele"," und er. die Seele der Partei und ihr brennender Geist. er WIrd jetzt hier auftauchen und bevor sie diesen Platz verlassen, lassen sie sich lieber erschlagen. Die Zeitung "Montag Morgen" Wird ausgerufen. Sie wimmelt vOn angstvollen berschriften . .. Unerhrte Provokation!" .. Zusammenste am ersten Mai!" .. Hitlcrdroht'" .. Hitl"r. Hetzrede!" Die Menge. die da vor dem .. Clou" wartet, reit die Augen auf vOr Erstaunen und Verblf-fung, Hat denn Hitler schon gesprochen oder was? Haben sie denn getrumt, oder was ist da mit dieser Zeitung los? Die S,A. reit dem Verkufer die Bltter aus der Hand und rcken ihm darlir die entspre ehenden Groschen hinein, der Verkufer kann nichts daflir. wenn hier ein Unfug gemacht worden ist. Und es ist ein Unfug gemacht worden! Ein jdischer Journalist beridtet hier ber die H itlerversamm lung. die noch gar nicht statt gefunden hat. H'" Dann sprach Hit ler. , . er crk larte. da Cr dem Marxismus ... mit demagogi geher Unverfrorenheit behauptete er. der hayri~chc Rattenmnger .. Die verblmen S.A. Miinner drehen das Blatt hin und her und fangen immer wieder von vOrne an zu lesen. So etwas haben sie noch nicht erlebt und sie haben in dieser Reichshaupt stadt schon ,ehr viel erlebt. Sie lesen einen Bericht ber die gante Versammlung. wie sie sich ein schnoddriger Schrei ber am Sonntag\'ormiUag erdacht und zusammengelogen haI. Ocr Teufel wll dreinfahren! Als der Fhrer ankommt und unter dem Orkan des Jubels hinter das Rednerpu lt tritt. findet er dort das Blatt, fein suberlich aufgeschlagen, liegen. Ein S,A.Mann halle es dorthin prak-tiziert und als der Fhrer Seme Bhcke flchtig ber den Bericht hinwegeilen lt, wei er, warum die Heilrufe drauen nicht mehr aufhren wollen und auch hier drinnen nicht, Nur ein gant kleines Lcheln geht ber sein Gesicht und dann beginnt er tu sprechen. Mit dem ganzen tiidlichcn Ernst, der ihn durchflammt, mit der ganten Anschaulichkeit. die seine Reden noch dem einfachsten Manne verstndlich macht und mit der ganzen Khnheit eines Mannes, der wei. da ihn sein Glaube niemals verlassen wlTd .

    In der finstersten und gehssigsten Weise ist die Presse ber diese Rede und ber diesen Mann hergefallen. Sie lgt. wie se noch selten den traurigen Mut aufgebracht hat. zu lgen. Der Doktor Goebbel. i.t zum ersten Male fassungslo. wtend, "WIT werden es den Herren schon teigen!" ruft er grimmig, "Dieser Journaille werden wir das Handwerk legen. Diesen Pressebanditen. die mit der Lge aufstehen und mit der Ver leumdung ",hlafen gehen. Die Interviews erfinden. weil sie die Treppe hinunterflogen. als sie mit ihrer frechen Visage eine Unterredung zu fordern sich erfrechten. Die Adolf Hit ler aus Rache, weil er ihre aufgcbla,ene Liippisehkeit mcht vor sich sehen mochte, als Saufer und Lumpen >ehildern. Nicht heUle und nicht morgen werden wir mit diesen Herren aufriiu

  • men, aber einmal, einmal ... "Was?!.. !" fragt er sie und lacht wieder. lacht sein junges, merk wrdiges Lachen, das jetzt in diesem Augenblick gefahrlich und verhngnisvoll aussicht. "Einmal '" "Wir wollen eine Vers.ammlung machen!" ruft der Doktor, "Gestcrn war der erste, heute ist der zweite, iibermorgen, am vierten Mai ste igt eine Versammlung im Kriegervereinshaus! Thema, Die Presse und ihre Berichterstattung!" Und schon. kaum hat er diesen Gedanken geuert . fliegt seine Feder iibers Papier. Schon ist er dabei. den Aufruf flir diese Versammlung zu entwerfen. Am anderen Morgen kleben die Plakate an allen Hauseckcn und an allen Zunen. Berlin .chuttelt den Kopfund wird nervus. Was ist denn das fur ein Bursche, der ihnen hier keine Ruhe mehr liit? Vor drei Tagen war doch erst eine Riesenvcrsammlung und jetzt ruft er schon wieder aufzu einer neuen? Ja. Zum Teufel, glaubt er denn, die Berliner htten nichts anderes zu tun, als in seine Ver-sammlungen Zu laufen? Er wird schon sehen, wie wenig Leute hinkommen' Und auerdem will er mit der Presse anbinden? M i1 der allmchtIgen Presse der Reichshauptstadt. der noch niemand gewachsen war? Nun schn, dann wurde er schon eine gute Lehre beziehen, Aber andererseits kann Berlin sich eines Lcheln nicht erwehren. Allmhlich hat es den Doktor, die S,A. und die Partei kennen gelernt und diesen dreien ist alles zuzutrauen. Im Stunnlokal ist ganz groe Stimmung. "Soooooo voll wird der Saal!" brllt Hermann und legt die Fauste eng zUSammen, um zu zeigen, wie voll der Saal werden wurde und da sich niemand in der Flle rhren wrde kunnen. "Wird's auch!" brllen die anderen zurck und alle sind voller Zuversicht, "keine dreihundert Mnnerchen bringen sie zusammen!" ruft Redakteur Dembitzer vOn der Mittagszeitung seinen Lokalchefan, . .aber das mSSen wir ganz gro haben. Nehmen Se drei Leute mit! Nehmen Sie noch mehr mit' Lasscn Sie ablsen! Nehmen Sie ein Stenogramm auf! Ich will gemu wissen, was dieser Goebbels ber die Presse sagt! Kommen Sie mal r-ber! Dann rast Dembitzer durchs Zimmer und bleibt pltzlich stehen. Starrt seinen Lokakhef an. "Wissen Sie was?" fragt er und spielt mit seinem BleistIft, "schicken Sie lieber dreI Blonde hin." Den witzigen Namen "Blonde" hat Herr Dembitzer fur die Christen umer den Redakti-onsmitgliedern und besonders fr die Reporter. erfunden.

    "Obs wieder mal einen netten Krach gibt?" fragt Hermann, "Quatsch!" erklrt Schult. der allmhlich fur Krach oder keinen Krach Fachmann geworden ist, "warum soll es denn Krach geben?" "Krach gib!"s immer", sagt Hermann philosophisch ond grinst.

    Dembitzer gibt seine Befehle, "Geben Sie durch ... gehen Sie in den nchsten Zigarettcnla-den ... geben Sie durch: Zwischeoflle, wenn was los sem sollte, Vor allem Zwischenfalle, Hoffentlich bleibts leer."

    Aber es bleibt nicht leer. Eine und eine halbe Stunde vor Beginn der Versammlung kann kei-

  • ne Stecknadel mehr zur Erde fallen und eine Stunde vur Beginn wlrd das Gedr'.inge lebens-gefahrlich. Wer jetzt erst angerckt kummt, kann den Saal nicht mehr betreten. Er ist polizeilich gesperrt. Hennann freut sICh ziemlich laut. Der Saal ist wirkhch >000 voll geworden. Er hat es vorausgesagt und nun ist es >0 gekommen und Kra

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