Wilhelm Deuer / Johannes Grabmayer
Die Romanik als gesamteuropäische Kultur- und Geistesströmung
Der Stilbegriff der Romanik ist im frühen 19.Jahrhundert in Frankreich geprägt
worden und beschreibt künstlerische Phänomene, die um die erste Jahrtausend-
wende parallel in Frankreich und Deutschland ebenso wie in Italien und Spanien
entstanden sind. Diese Länder waren allerdings zu der Zeit keine geschlossenen
Territorien, sondern unterschiedlich strukturierte Herrschaftsgebilde, innerhalb
derer sich mehrere eigenständige Kunstlandschaften entwickelten (z.B. Burgund,
Lombardei,Thüringen).Wurzel und Hauptquelle der romanischen Architektur ist
die spätrömische und frühchristliche Baukunst,vermittelt zum Teil durch die Kultur
der Karolinger, und bereichert um Elemente des byzantinischen und islamischen
Kulturkreises, der durch die Kreuzzüge wieder verstärkt ins Bewusstsein gerufen
wurde.Malerei,Plastik und Kunsthandwerk ordnen sich programmatisch der christ-
lichen Heilslehre unter, für welche die Architektur Bühne und Kulisse bildet
(Portalplastik, Bildprogramme der Altarräume). Anstelle der Imitation der Natur
soll die Kunst in Symbolform Glaubensinhalte vermitteln, denn die über alle
Territorialgrenzen einigende und führende Kraft, gleichsam der Träger der
Romanik, ist die Kirche, und ihre Klöster, insbesondere auch deren Reform-
bewegungen, haben erhebliche Bedeutung für ihre Verbreitung und dynamischen
Veränderungen auch innerhalb der Romanik. Die Profankunst steht im Zeichen
fürstlicher bzw.adeliger Repräsentation und ist vielfältig,jedoch ungleich schlechter
überliefert.
Im Gefolge der fortschreitenden Feudalisierung strahlte die Romanik bald auf ganz
Europa aus.Eine zeitliche Eingrenzung dieses ersten umfassenden Stils der abend-
ländischen Kunstgeschichte ist sehr schwierig und von regional variablen
geographischen,kirchlichen und herrschaftlichen Faktoren bedingt. In Frankreich
dauert die schöpferische Hauptzeit der Romanik von ca. 1050 - 1150, mit einem
halben Jahrhundert der Vorbereitung und einem weiteren halben Jahrhundert des
allmählichen Überganges zur Gotik.Als sie sich im 12. Jahrhundert in Nord- und
Osteuropa auf breiterer Basis durchsetzt, wird in der Ilede-France schon die erste
gotische Kathedrale erbaut (St. Denis, ab 1140). Im Königreich Deutschland hat
sich für die Kunst des späten 10. und frühen 11. Jahrhunderts auch der dynastische
Begriff „Ottonische Kunst” anstelle von „Vorromanik” durchgesetzt, doch gibt es
einen gleitenden Übergang. Als eigentliche Romanik werden hier die Epochen
der Salier und Staufer vom 2.Viertel des 11. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts
53
bezeichnet. Die Entwicklung in Österreich, das man aufgrund der noch
uneinheitlichen Herrschaft in diesem Zeitraum besser nach geographischen
Kriterien als Ostalpenraum bezeichnen sollte, folgt in vielen Aspekten der
deutschen Kunst. Nicht nur im Osten Europas, sondern auch in den Rückzugs-
gebieten der mitteleuropäischen Kulturlandschaften konnte die Romanik weit ins
13. Jahrhundert, vereinzelt bis ins 14. Jahrhundert, nachwirken.Architektur,Plastik
und Malerei gehen dabei je nach Horizont des Auftraggebers und Fähigkeiten des
Künstlers unterschiedliche Wege. Doch setzt sich seit dem 13. Jahrhundert von
Frankreich ausgehend die Gotik auf breitester Basis durch.
Für die Bildhauerei wird nach Jahrhunderten der Vergessenheit wieder die
Monumentalskulptur zur wichtigen Aufgabe - Portale, Kreuzgänge und Kapitelle
werden als Träger der christlichen Symbolik zu sprechenden Zeugnissen der
Heilslehre wie der Dämonenabwehr. In der kirchlichen Malerei dominieren
Freskenprogramme, deren Stil insbesondere im Ostalpenraum wesentlich von
Byzanz vermittelt wurde und bei denen die heilsgeschichtliche Symbolik vor der
additiv-erzählenden Aufgabe steht.
Manche Klöster entwickeln sich zu
Zentren der Buchmalerei und bilden
hiebei lokale Traditionen aus - auch
ihr Zweck ist das Gotteslob durch
repräsentative Aufwertung der
Heiligen Schrift. Eine Besonderheit
des Kunstgewerbes, das ebenfalls im
Dienste der kirchlichen Repräsenta-
tion stand, war die Ausbildung
spezialisierter Werkstätten und Tech-
niken in bestimmten Regionen,
deren Produkte europaweit oder
zumindest überregional gehandelt
wurden und ihren Anteil zur euro-
paweiten Verbreitung von Typen,
Formen und Stilmerkmalen beitru-
gen, wie etwa Emails aus Limoges
oder Prozessionskreuze aus Süd-
westdeutschland oder Oberitalien.
54
Abb. 44: Emailkreuz aus Limoges, Stift St. Paul
(1. Hälfte 13. Jahrhundert)
Schon in vorromanischer
Zeit entwickelte sich unter
der Herrscherdynastie der
Ottonen im 10. und frühen
11. Jahrhundert eine einzig-
artige Blüte des Dom- und
Stiftskirchenbaues in Sach-
sen-Anhalt (Magdeburg,
Halberstadt, Merseburg,
Gernrode und Quedlinburg),
deren Typen und Formen
über den deutschen Raum
auf ganz Mitteleuropa ausstrahlten (etwa bei der Verbreitung der Hallenkrypta).
Seit der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts ist ein neuer Schwung festzustellen
(etwa bei der zweitürmigen Stiftskirche von Quedlinburg 1079 - 1121), der im
12.Jahrhundert durch die Reformordensbewegung der Hirsauer,Zisterzienser und
Prämonstratenser einen neuen Impuls erhielt. Das bemerkenswerteste Beispiel
hiefür ist die Prämonstratenserkirche von Jerichow, eine zunächst turmlose kreuz-
förmige Anlage in Ziegelbauweise
(1149 - 1172). Charakteristisch für
Sachsen-Anhalt wurden auch die
mächtigen querrechteckigen West-
werke wie in Magdeburg oder
Havelberg. In den Domen von
Magdeburg und Merseburg haben
sich bedeutende Grabmäler von
Königen (Rudolf von Schwaben
† 1080) und Erzbischöfen erhalten,
im Halberstädter Domschatz der
bemerkenswerte „Karlsteppich” aus
dem frühen 13. Jahrhundert.
Während die Landkirchen bis ins
13. Jahrhundert die Typen der Dom-
und Stiftskirchen weitertradierten,ist
an repräsentativen Spitzenbauten
55
Abb. 45: Dom von Quedlinburg, Gewölbe
Abb. 46: Dom von Havelberg,Westwerk
wie dem Magdeburger Dom schon
in der ersten Hälfte des 13. Jahrhun-
derts der schrittweise Siegeszug
frühgotischen Formenvokabulars
unverkennbar.
Die evangelische Domkirche
St. Mauritius und Katharina in
Magdeburg steht an jenem Ort, an
dem König Otto I. 937 ein Mauri-
tius geweihtes Benediktinerkloster
stiftete (Abb. 47). Ab 955, dem Jahr
seines großen Sieges über die
Ungarn am Lechfeld bei Augsburg,
ließ er die Klosterkirche zu einer viertürmigen,dreischiffigen Kathedrale ausbauen
und stattete das neue Gotteshaus reich mit antiken Kostbarkeiten und Reliquien
aus.Noch heute sind ein Taufstein aus römischer Zeit aus Rosenporphyr im west-
lichen Teil des Mittelschiffs und 12 römische Spolien im Hohen Chor erhalten.
Der Bischof und Chronist Thietmar von Merseburg hält Anfang des 11. Jahrhun-
derts dazu fest, dass „viele Leiber von Heiligen neben kostbarem Marmor, Gold
und Edelsteinen aus Italien nach Magdeburg“ gebracht worden seien. Nachdem
die romanische Basilika 1207 ausbrannte, wurde 1209 mit dem Neubau begon-
nen und mit der heiligen Katharina eine zweite Schutzpatronin neben Mauritius
gestellt. Bis zur Vollendung des Domes im gotischen Stil nach französischem Vor-
bild sollten 311 Jahre vergehen. Dennoch sind die mächtigen Bündelpfeiler, halb-
runden Bögen, das tragende Mauerwerk und die phantastischen Kapitelle im
Chorumgang, Meisterwerke der Bildhauerkunst, noch ganz dem romanischen
Baustil verpflichtet. Spätromanisch erhalten sind auch die Untergeschosse der bei-
den Osttürme. In der gotischen Marienkapelle des klösterlichen Speisesaales
(Remter) finden sich neben antiken Säulen und Kapitellen Marmorbildplatten aus
der Mitte des 12. Jahrhunderts. Es sind Überreste eines Lesepultes (Ambo). 1926
wurden im Süden des heutigen Chores Teile der ottonischen Krypta mit einem
antiken Mosaikfußboden entdeckt. Aus der romanischen Kirche sind auch noch
der Sarkophag Ottos I. und die Tumba seiner Frau Editha sowie die Bronzegrab-
platten der Magdeburger Erzbischöfe Friedrich von Wettin (gest. 1159) und
Wichmann von Seeburg (gest. 1192), großartige Werke des 12. Jahrhunderts, zu
56
Abb. 47: Dom von Magdeburg
bewundern. Auch der Osterleuchter im Chor stammt aus romanischer Zeit. In
seiner romanischen Form präsentiert sich auch der südliche Klausurflügel,der vom
Brand 1207 verschont wurde,mit seinen schweren Pfeilern, rundbogigen Arkaden
und dreigeteilten Arkadenfüllungen.Die zum Teil verzierten Säulenschäfte werden
durch vorzügliche Kapitelle gekrönt.
Noch vor dem Magdeburger Dom ist aus architekturhistorischer Sicht das Kloster
Unser Lieben Frauen, eine der wichtigsten romanischen Anlagen im deutschen
Sprachraum, erwähnenswert. Der in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts
begonnene Bau an der Stelle eines vorangegangenen Kollegiatstiftes wurde unter
Erzbischof Norbert vollendet und beherbergte mehr als 500 Jahre Prämonstra-
tensermönche.Vor allem die dreischiffige Krypta, das Brunnenhaus und die 1129
errichtete Klausur faszinieren noch heute.
992 wurde der, dem heiligen Stephan
anvertraute, ottonische Dom zu Halber-
stadt, dem Bischofssitz und „Tor zum
Harz“,der an der Stelle einer karolingischen
Missionskirche aus der Zeit um 800 errich-
tet worden war, geweiht. 1179 schwer
beschädigt, wieder restauriert und ab 1239
zu einer gotischen Kathedrale umgestaltet,
die 1491 geweiht werden konnte, birgt das
Halberstädter Gotteshaus auch heute noch
eine Fülle romanischer,vor allem zisterzien-
sisch geprägter,Bauelemente.Der Unterbau
der Türme ist ein Paradebeispiel für eine
romanisch-sächsische Doppelturmfassade.
An die romanische Kirche erinnert auch die
weithin berühmte hölzerne Triumphkreuzgruppe aus der Zeit um 1220, die sich
über einem gotischen Lettner befindet.Von großer kunsthistorischer Bedeutung
ist auch ein 1195 gestifteter marmorner Taufstein im westlichen Langhaus,
besonders jedoch der Domschatz mit dem neun Meter langen Abrahamteppich
(um 1160),dem Apostelteppich (um 1170) und dem Karlsteppich (1230/40) sowie
einem bemalten Stollenschrank, einem kastenförmigen Vorläufer des Typus der
Anrichte,aus der Zeit um 1230 und der Halberstädter Sitzmadonna,einer Holzfigur
der thronenden Muttergottes.
57
Abb. 48: Dom von Halberstadt
In Quedlinburg steht mit der Stiftskirche St. Servatius einer der bedeutendsten
hochromanischen Bauten Deutschlands dort, wo sich schon um 850 eine kleine
Pfalzkapelle auf dem Burgberg befunden hat,und wo auch König Heinrich I. seine
letzte Ruhestätte fand (Abb. 49). Gegen Ende des 10. Jahrhunderts wurde eine
dreischiffige kreuzförmige Stiftskirche errichtet, die 1021 geweiht wurde, 1070
jedoch einem Brand zum Opfer fiel. Der Nachfolgebau, der 1129 seine Weihe
erhielt, ist im Wesentlichen bis heute erhalten geblieben. Es handelt sich um eine
kreuzförmige, flach gedeckte Basilika mit Querhaus, worin auch seit 1170 die
Schatzkammer mit dem berühmten Quedlinburger Domschatz, darunter das
Servatius- (Anfang 13. Jahrhundert) und das Katharinenreliquiar (um 1230) und
Reste des ältesten europäischen Bildteppichs in Knüpftechnik, untergebracht ist.
Unter der Vierung und dem Chor befindet sich eine Krypta mit den Königsgrä-
bern und einer Confessio, einem ursprünglich kuppelgewölbten,heute nach oben
hin offenen Raum. Durch zwei Öffnungen im Fußboden kann man von hier aus
in die Gruft Heinrichs I. sehen.Das Hauptportal in der Nordwand des Langhauses
ist eines der ältesten Säulenportale Deutschlands.Beachtenswert sind auch die reich
geschmückten Würfelkapitelle der Säulen im Mittelschiff.
58
Abb. 49: Quedlinburg, Schlossberg
Mit der päpstlichen Genehmigung
der aus politischen Gründen
notwendig gewordenen Verlegung
des Bistums von Zeitz nach
Naumburg 1028 begannen die
Arbeiten am Naumburger Dom
St.Peter und Paul östlich einer schon
vorhandenen Stiftskirche, die 1042
mit der Weihe der dreischiffigen,
kreuzförmigen Basilika mit Krypta
abgeschlossen wurden. Die beiden
Kirchen standen mit ihren Türmen
zueinander. Um 1170 erfolgte der
Bau einer weiteren Krypta unter
dem Ostchor, deren Mittelteil bis
heute erhalten geblieben ist. Im
13. und 14. Jahrhundert wurden die
beiden Kirchen durch einen
mächtigen Dom ersetzt,dessen erste Bauphase 1242 beendet wurde.Zuerst wurden
die neuen Ostteile mit dreiräumiger Krypta, worin sich heute ein wertvolles
romanisches Kreuz (1160/70) befindet, und Ostlettner, dem ältesten voll
ausgebildeten Hallenlettner Deutschlands, errichtet sowie das Querhaus mit
Vorhalle und Vierung (entsteht an der Kreuzung von Lang- und Querhaus) im
Süden der Anlage. Zwischen Querhaus und Chor wurden die quadratischen
Untergeschosse der Osttürme mit jeweils einer Apsis gegen Osten gebaut. Daran
schloss sich die Errichtung des Langhauses und der Untergeschosse der Westtürme,
worin sich romanische Kapellen befinden, an. Zwischen 1250 und 1260 wurden
der frühgotische Westchor und der Westlettner erbaut, deren Plastiken den
Naumburger Dom weltberühmt gemacht haben. Im Süden des Domes liegt einer
von zwei Kreuzgängen, dessen Ost- und Nordflügel nach 1244, aber noch in
spätromanischem Stil, errichtet wurden.
Der ab 1015 erbaute und bereits 1021 geweihte Dom St. Johannes und Lauren-
tius zu Merseburg folgte einer Stiftskirche aus dem 10. Jahrhundert nach.Von ihm
sind der südliche Querhausflügel und die unteren Teile der Westtürme erhalten.
Noch im 11. Jahrhundert wurde umgebaut. Das Sanktuarium musste nach wie-
59Abb. 50: Dom zu Naumburg
derholten Einstürzen neu konzipiert
und errichtet werden, wobei an den
Seiten des Chorquadrates Rund-
türme aufgerichtet wurden. Unter
dem Chor wurde eine Krypta
gebaut, die weitgehend erhalten
geblieben ist. Gegen Ende des
11. Jahrhunderts erhielt der Dom
auch einen Mittelturm, der jedoch
vollständig abgekommen ist.Um die
Mitte des 12. Jahrhunderts entstan-
den die achteckigen Geschosse der
quadratischen Westtürme,und in der
ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts
erfolgten umfassende Umbauten.
Die Kirche wurde gegen Westen
verlängert, die Hauptapsis und der
nördliche Querhausarm neu
aufgeführt.Beiderseits des Chores,der ebenfalls verlängert wurde,wurde ein Raum
geschaffen, dessen Südteil gemeinsam mit dem Südostturm Schatzkammer und
Archiv beherbergte. Im 16. Jahrhundert wurde abermals umgebaut. Ein neues
Hallenlanghaus entstand, und der westliche Anbau des Domes erhielt ein Mittel-
portal in der Westseite.Neben den architektonischen Besonderheiten verdient auch
die reiche Ausstattung von St. Johannes und Laurentius Beachtung.Aus „romani-
scher Perspektive“ sind vor allem die Grabplatte Rudolfs von Schwaben (kurz nach
1080), ein Holzkruzifix im Triumphbogen zwischen Lang- und Querhaus (um
1240) und ein monumentales Taufbecken (um 1180), das sich einstmals in der
Merseburger Neumarktkirche befand und seit 1831 im südlichen Seitenschiff der
Vorhalle aufgestellt ist, erwähnenswert.
Über der Stadt Havelberg ragt weithin sichtbar der Dom St. Marien mit seinem
beeindruckenden romanischen Westriegel gegen Himmel. Kurz vor 1150 erfolgte
die Neugründung des Bistums Havelberg, das schon 948 Zentrum des Christen-
tums in der Region gewesen, 983 aber durch eine heidnisch-slawische Reaktion
zerschlagen worden war. Bald nach der Neugründung wurde mit dem Bau des
Domes begonnen, der bereits 1170 geweiht werden konnte. Die romanische
60Abb. 51: Dom zu Merseburg
Kathedrale blieb trotz eines Umbaues nach einem Brand 1279 weitgehend intakt.
Insbesondere der Westriegel, der als Kirchturm und Zufluchtstätte für Bischof und
Domkapitel Verwendung fand, ist fast in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten
geblieben.Die Pfeilerbasilika ohne Querhaus war ursprünglich flach gedeckt.Beim
gotischen Um- und Ausbau wurde das Mittelschiff wesentlich erhöht, mit
Strebepfeilern verstärkt und spitzbogenartigen Obergadenfenstern versehen, die
über den vermauerten romanischen angebracht wurden. Der rechteckige,
ursprünglich mit einer halbkreisförmigen Apsis versehene, in der Gotik jedoch zu
einem Polygon umgeformte Chor wird von quadratischen Anbauten flankiert und
wurde um 1400 durch das Anbringen eines ins Mittelschiff ragenden Lettners mit
Chorschranken wesentlich vergrößert.Auch die seitlichen Anbauten an den Chor,
die jeweils zwei Kapellen aufnahmen, wurden erhöht, die Seitenschiffe erhielten
dem Mittelschiff angepasste Fenster. Südlich des Domes befinden sich die
Klostergebäude eines ehemaligen Prämonstratenser-Domherrenstifts, wobei
besonders der spätromanische Ostflügel (um 1150) mit Kapitelsaal nebst großem
Portal, Küche und Schlafsaal beeindruckt.
Kunstlandschaftlich eng mit Sachsen-Anhalt verbunden ist die Entwicklung der
Romanik in Thüringen, wo gleichfalls nach einer ersten Blüte unter der Dyna-
61
Abb. 52: Dom zu Havelberg
stie der Ottonen die Hirsauer Ordensreform in der nur mehr als Ruine erhalte-
nen Stiftskirche von Paulinzella (ab 1105) eine neue machtvolle Dimension er-
reichte.Das starke Festhalten an romanischen Traditionen ist am Erfurter Dom mit
seinem mächtigen Westturmpaar erkennbar, der 1253 geweiht wurde. Mit der le-
bensgroßen Figur eines Bronzeleuchters um 1157 birgt er ein europaweit bedeu-
tendes hochromanisches Ausstattungsstück. Thüringen und Sachsen könnten
kunstlandschaftlich seit dem 12. Jahrhundert zumindest indirekt die ostalpine
Kunstlandschaft der Hochromanik in Steiermark und Kärnten beeinflusst haben:
Das gilt für den Stützenwechsel der Seckauer Stiftskirche ebenso wie für die zahl-
reichen Chortürme und vielleicht auch für die Westturmpaare der Dome (Salz-
burg, Gurk) und Stiftskirchen.
Arnstadt wird 704 erstmals in einer Schenkungsurkunde erwähnt und ist 954 Ort
eines Reichstages König Ottos I.Der Ort befindet sich im 12. Jahrhundert im Be-
sitz des Klosters Hersfeld, das auch der Bauherr der Liebfrauenkirche war, einer
vierjochigen dreischiffigen Pfeilerbasilika,die im frühen 13.Jahrhundert begonnen
und Anfang des 14. weitgehend fertiggestellt wurde, und die durch den Kontrast
von romanischen und gotischen Bauteilen besonders reizvoll wirkt. Die
ursprüngliche Flachdecke wurde bereits um 1250 durch eine frühgotische
Gewölbedecke mit Obergadenfenstern ersetzt. Im Westen befindet sich ein
riegelartiger Vorbau mit einem mittigen Säulenportal und zwei zum Teil
achteckigen Türmen mit Giebelkranz, die romanisch begonnen und gotisch
vollendet wurden. Beachtenswert sind die figürlichen Wasserspeier. Zwischen den
beiden Türmen befindet sich eine Vorhalle,die sich in einem Rundbogen mit einer
darüber liegenden Empore in Richtung des Mittelschiffes öffnet.
Die Wartburg in Eisenach, ur-
sprünglich eine Territorialburg der
Landgrafen von Thüringen, wurde
der Legende zufolge 1067 vom
Ahnherrn des Geschlechtes der
Ludowinger, dem Grafen Ludwig
dem Springer,erbaut.Sie befand sich
bis ins 13. Jahrhundert im Besitz der
Familie. Für 1080 ist ihre Existenz
erstmals belegt. Nachdem die Burg
nach Erbfolgestreitigkeiten in den
62
Abb. 53:Wartburg/Eisenach
Besitz der Wettiner gelangt war, fiel sie 1741 an Sachsen-Weimar und blieb daselbst
bis 1918. Seit 1922 ist sie im Besitz der Wartburg-Stiftung. Die Aufenthalte
hochberühmter Persönlichkeiten auf der Burg wie Walther von der Vogelweide,
Wolfram von Eschenbach oder Martin Luther, der hier das Neue Testament in die
deutsche Sprache übersetzte (1521/22) sowie das Leben und Wirken der heiligen
Elisabeth von Thüringen (1211 - 1228) auf der Wartburg verleiht der Anlage ein
außergewöhnliches historisches Ambiente, wozu die Erinnerung an das
„Wartburgfest“,das erste deutsche Burschenschaftsfest (18.Oktober 1817),auf dem
die Forderung nach der nationalen Einheit Deutschlands gestellt wurde, noch das
ihre beiträgt.
Die Hauptbauzeiten der Burg sind das 12.und das 19.Jahrhundert.Um 1155 wurde
mit dem Bau des Palas, des heute wahrscheinlich besterhaltenen romanischen
Profanbaus nördlich der Alpen, der 1180 vollendet wurde, begonnen. Er zeichnet
sich durch die typische Wehrhaftigkeit nach außen, durch hofseitig offene
Arkadengänge mit ursprünglich an die 200 Säulen mit exzellenten Kapitellen und
reichem bauplastischen Schmuck aus, wobei die Gänge 1317/18 nach Brand-
schäden zugemauert, Mitte des 19. Jahrhunderts im Zuge umfangreicher
Restaurierungen jedoch wieder geöffnet wurden.
Der „Rittersaal“ mit seinem Kreuzgewölbe, der gedrungenen Mittelsäule mit
einem altertümlichen Kapitell und dem einfachen Estrichboden vermittelt in seiner
Schlichtheit anschaulich das Gefühl ritterlichen Raumerlebens im 12. Jahrhun-
dert.Erwähnenswert sind auch die Elisabethkemenate (der Name kam im 17. Jahr-
hundert auf), die zwischen 1902 und 1906 mit bunten Mosaiken geschmückt
wurde,und die Burgkapelle,worin,obschon sie in ihrer ursprünglichen Form durch
einen Brand zerstört wurde, noch Reste einer Wandmalerei aus der Zeit um 1300
zu bestaunen sind.Bergfried, „Neue Kemenate“ sowie mittlere Torhalle mit Söller
und Dirnitz (beheizter Raum) wurden unter dem Großherzog Carl Alexander von
Sachsen-Weimar und Eisenach (1818 - 1901) in einer das Rittertum romantisie-
renden Form erbaut und sind nur diesbezüglich von Interesse.
Der Überlieferung zufolge wurde auf dem Petersberg bei Erfurt schon 706/707
ein Chorherrenstift gegründet.Historisch gesichert ist,dass sich um 1060 ein solches
auf dem Petersberg befunden hat, das vom Erzbischof von Mainz in ein benedik-
tinisches Eigenkloster umgewandelt wurde, und das im hohen und späten Mittel-
alter in Blüte stand. Bis zum Ende des 13. Jahrhunderts wurden hier mehrere
Reichs- und Hoftage abgehalten, und in der Klosterkirche unterwarf sich 1181
63
auch Heinrich der Löwe demonstrativ Kaiser Friedrich I. Barbarossa. 1803 wurde
das Kloster säkularisiert und 1994 die Klosterkirche St. Peter und Paul, einer
der frühesten und bedeutendsten romanischen Kirchenbauten Thüringens, an die
Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten übertragen. Die dreischiffige Pfeilerba-
silika gilt als erster Großbau der Hirsauer Schule auf thüringischem Boden (75 m
Länge).
Die ursprüngliche Kirche
wurde durch einen Brand
zerstört und danach durch
den Bau der Peterskirche
ersetzt (1103 - 1147),die nach
dem Vorbild Hirsaus mit
einem rechteckigen Chor
und zwei Türmen über den
Ostenden der Chorseitenschiffe versehen wurde. Beachtenswert ist die Qualität
der Bearbeitung der großformatigen Quader, die bis zu zwei Meter lang sein kön-
nen.An der Außenmauer befinden sich eine um 1360 angefertige Ritzzeichnung
des Schmerzensmannes, ein Kreuzigungsrelief (um 1370) sowie eine an die Pest
erinnernde Inschrift von 1382. 1813 wurde das Kloster im Zuge der napoleoni-
schen Kriege beschädigt, wobei unter anderem das Dach der Kirche sowie deren
Innenausstattung verbrannt wurden. In weiterer Folge wurden die Klostergebäude
geschleift,die Kirche in ein Proviantmagazin umgewandelt,die Türme bis auf Höhe
der Seitenschiffe abgetragen, in den Obergaden drei Lagerebenen eingebaut und
ein neuer Dachstuhl errichtet (1820).Auf eine Krypta wurde nach Hirsauer Art
verzichtet. Ursprünglich war das Mittelschiff mit einer Flachdecke versehen und
durch Pfeilerarkaden von den Seitenschiffen getrennt, 1499 - 1505 jedoch wur-
den Chor und Querhaus eingewölbt. Den liturgischen Bedürfnissen der Mönche
entsprechend befand sich nach dem siebenten Joch eine Abschrankung mit einem
Kreuzaltar. Hier endete der Laienteil der Kirche und es begann der chorus minor, in
dem die Mönche mit den niederen Weihen standen, gefolgt vom chorus major, der
den Priestermönchen vorbehalten war, und dem dreischiffigen Presbyterium.
Heute sind die Innenwände der Basilika mit mehreren Farbschichten bedeckt,wo-
bei sich Reste der ursprünglichen romanischen Ausmalung erhalten haben, die zu
den ältesten Wandmalereien in Thüringen zählen.In der Südostecke des Westturms
hat die untere Hälfte einer monumentalen romanischen Heiligen- oder Stifterfi-
64
Abb. 54: Peterskirche, Erfurt, Innenansicht
gur mit einem Buch in der Hand (Paulus?) die Zeiten überdauert, an der Südseite
Fragmente einer weiteren (Fuß und Gewandfalten).An der Ostwand des nördli-
chen Nebenchores findet sich die Abbildung einer romanischen Kreuzigungsszene,
die den Gekreuzigten umringt von sechs Heiligen darstellt, wohl der bedeutend-
ste Rest der Romanik auf dem Petersberg.
Heute präsentiert sich die ehemalige Kirche als mächtiger, gedrungener Bau mit
einem dominanten Satteldach, dessen spätere Nutzung als Lagerhaus durch
nachträgliche Fensterdurchbrüche und Einbauten erkennbar ist.
Das von der sächsischen Adeligen Pau-
lina (um 1067 - 1107) kurz nach 1100
im Rottenbachtal gegründete ehema-
lige Benediktinerkloster Paulinzella,
ursprünglich bis zur Beisetzung der Ge-
beine der Stifterin im Chor der Kirche
(1122/23) Marienzelle genannt, ist ei-
nes der wichtigsten romanischen Bau-
denkmäler Mitteldeutschlands. Bis zur
Mitte des 14. Jahhrunderts wurde es als
Doppelkloster betrieben, danach als
Mönchskloster.1534 wurde das Kloster
im Zuge der Reformation aufgehoben
und gelangte 1574 in den Besitz der
Grafen von Schwarzburg-Rudolstadt,
die nach 1542 auf dem Klostergelände
ein Amtshaus zur Verwaltung der Klostergüter und nach 1600 ein Jagdschloss er-
richten ließen. Die durch Gewitterschäden Anfang des 17. Jahrhunderts schwer
beschädigte Kirche wurde mehrfach ausgebessert, ehe um 1680 der Chor abge-
rissen und aus dem Baumaterial im südlichen Seitenschiff vorübergehend eine
Schlosskapelle errichtet wurde.Lange wurden Kirche und Klosterbauten als Stein-
bruch für den Schlossbau in Gehren und den Hausbau in Paulinzella genutzt. Um
1800 erlangte die Ruine im Zusammenhang mit der Romantik und der damit
verbundenen schwärmerischen Verehrung des Mittelalters zunehmend Beachtung,
sie wurde zum beliebten Touristenziel.Auch Friedrich Schiller und Johann Wolf-
gang von Goethe,der hier seinen 68.Geburtstag feierte,zählten zu den Besuchern.
Jetzt wurden erste Maßnahmen zur Erhaltung des romanischen Kulturdenkmals
65
Abb. 55: Paulinzella
ergriffen. 1965 - 1969 erfolgten umfangreiche Instandsetzungs- und Sicherungs-
arbeiten, seit 1994 gehören Kloster und Jagdschloss zum Bestand der Stiftung
Thüringer Schlösser und Gärten.
Die Klosterkirche, eine dreischiffige Säulenbasilika mit Querhaus wurde wohl
zwischen 1105 und 1160 errichtet. 1124 waren bereits der Altarraum, das
ursprünglich flach gedeckte Langhaus und das Kirchenportal errichtet, die Kirche
konnte geweiht werden. Es folgte die Errichtung des vierflügeligen Kreuzganges
nebst Klostergebäuden im Süden der Kirche.
Wie auf dem Erfurter Petersberg wurden auch in Paulinzella Vorstellungen der
Hirsauer Reformbewegung architektonisch umgesetzt. Dazu zählen im Westen
eine Vorkirche mit Türmen, die zum Chor hin geöffneten Nebenchöre, die
Unterscheidung von chorus minor und major und der Verzicht auf eine Krypta. Im
Obergeschoss der Vorkirche befand sich wohl eine zum Langhaus hin geöffnete
Empore, von wo aus die Nonnen am Gottesdienst teilhatten.Als eine der ersten
Kirchen im deutschsprachigen Raum erhielt die Klosterkirche ein mächtiges Säu-
lenportal im Westen, auf dessen Bogenfeld noch die Muttergottes mit Kind zu er-
kennen ist, vielleicht flankiert von zwei Engeln mit dem Reichsapfel. Monströse,
plastisch dargestellte Fabeltiere an den Kapitellen sollten das Kircheninnere vor
dem Eindringen des Bösen bewahren. Im Seitenschiff der Vorkirche sind noch
originale Architekturfragmente erhalten, im Querhaus zum Teil Apsiden. Die
Mittelschiffwand wird von monolithen Säulenschäften mit attischen Basen und
Würfelkapitellen getragen. Über den Arkaden des Mittelschiffes verläuft ein für
die Hirsauer Architektur typisches horizontales Schachbrettfries mit vertikalen
Fortsätzen.Das Langhaus wird durch einen steinernen Triumphbogen zur Vierung
hin abgeschlossen. In der Vorkirche und im Langhaus gefundene Grabplatten sind
heute im nördlichen Seitenschiff der Kirche ausgestellt.
Nordwestlich der Kirche ist das ehemalige Hospital oder Gästehaus, vermutlich
aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, erhalten geblieben, dessen Architek-
tur jener der Kirche um nichts nachsteht. Dieses anfänglich tonnengewölbte
Gebäude mit sorgfältig behauenen Quadersteinen,Biforien- und Rundbogenfen-
stern im Untergeschoss, wurde als Speicher für Naturalabgaben der zinspflichti-
gen Dörfer, als Zinsboden, genutzt und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
um ein Fachwerkgeschoss erweitert.
Der Burgberg von Kyffhausen wurde schon von den frühen Germanen als ge-
eignete Stätte für eine Fluchtburg und eine Kultstätte genutzt und spielte im Mit-
66
telalter als Ort einer wehrhaften Verteidigungsanlage eine wichtige Rolle.Das heute
noch zu bestaunende Burgenensemble dürfte auf Lothar von Supplinburg (gest.
1137) zurückgehen, der eine bereits bestehende Anlage, die Ende des 11. bis An-
fang des 12. Jahrhunderts errichtet worden war, 1118 vollständig zerstören und
eine neue errichten ließ, deren Bau unter Friedrich I. Barbarossa (gest. 1190) ab-
geschlossen wurde.Zwischen 1147 und 1239 sind königliche Dienstmannen (Mi-
nisterialen) auf Kyffhausen nachzuweisen. Die auch in Kyffhausen „beheimatete”
und im Mittelalter sehr populäre Wandersage vom Kaiser Friedrich im Berg, der
hier gemeinsam mit seinen streitbaren Gefährten auf die Rückkehr zur letzten
Schlacht gegen den Antichrist warte, dokumentiert die Erinnerung an Friedrich
I. in dieser Region, wo der Herrscher sich auch mehrfach zu Lebzeiten aufgehal-
ten hat. Nach dem Niedergang der Staufer folgten häufige Besitzerwechsel und
damit verbunden durch regionale Streitigkeiten auch sukzessive der Verfall des Bur-
genkomplexes. Bereits 1421 wird Kyffhausen in der „Thüringischen Chronik” als
wüstes Schloss erwähnt.Das Mauerwerk diente den umliegenden Ortschaften lange
als Steinbruch. Dennoch weisen noch heute die Ruinen der romanischen Anlage
auf deren einstige Bedeutung hin. Dem in Unter-, Mittel- und Oberburg dreige-
teilten Burgenkomplex von über 600 m Länge und 60 m Breite schließt sich in
östlicher und westlicher Richtung ein System von Wällen und Gräben an.
Zwei Drittel der Oberburg sind zerstört, die Ruine des westlichen Bergfrieds, der
17 m hohe, so genannte Barbarossaturm hingegen, die zur Hälfte erhalten ist, lässt
noch das für die Epoche der Staufer typische mächtige Buckelquadermauerwerk
(bis zu 3 m Mauerstärke) erkennen. An ihrer Ostseite sind noch Reste des einst
ummauerten Abortschachtes zu erkennen.In 10 m Höhe befindet sich der Eingang
zum Bergfried mit Sitznische für einen Wächter. Um den Bergfried angeordnete
Fundamentreste lassen auf einen dreigeteilten Palas und ein Küchengebäude
schließen.Der Durchgang des „Erfurter”Tores,eines einfachen Kammertores ohne
weitere Verteidigungsanlagen wie Zugbrücke oder Gusslöcher,ist in seinem original
romanischen Zustand weitgehend erhalten geblieben. Lediglich eine im
19. Jahrhundert errichtete Treppe wurde hinzugefügt. Beachtenswert ist auch der
Jahrhunderte zugeschüttet gewesene und in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts
wieder freigelegte Burgbrunnen, der mit 176 m Tiefe weltweit der tiefste seiner
Art ist. Sein Wasserstand, der durch eine Sickerwasserquelle erreicht wird, beträgt
konstant neun Meter.Auch von der einst gewaltigen Ringmauer sind noch Teile
erhalten. In wesentlich besserem Zustand befindet sich die geschlossene, bis 10 m
67
hohe Ringmauer der Unterburg,von der ansonsten noch der Stumpf eines ehemals
wohl 30 m hohen Bergfrieds sowie ein hoher Wohnturm und eine Kapelle
existieren.An die Mittelburg erinnern nur noch zwei Mauerwerkreste.
Berühmt ist das Kyffhäuserdenkmal, eine 81 m hohe Anlage auf dem Gipfel des
Burghügels mit Denkmalturm, steinerner Barbarossafigur und Reiterstandbild
Kaiser Wilhelms I.Dieser Anlage mussten zwischen 1890 und 1896 große Teile der
Oberburg weichen.
Eine völlig andere kunstlandschaftliche Situation finden wir in der Lombardei im
Gebiet um Modena, der heutigen Emilia Romagna. Der dortige, ursprünglich
holzgedeckte Dom (1099 - 1184) weist einen einfachen Stützenwechsel, Schei-
nemporen und Schwibbögen zwischen den Jochen auf.Wie in Gurk wurde auch
hier ein Querschiff nachträglich aufgesetzt, die plastische Ausstattung des West-
portales mit Reliefs und Einzelfiguren durch Wiligelmus nach 1117 (?) ist berühmt.
Charakteristisch für Oberitalien ist der einzelne, hier isoliert im Nordosten ste-
hende Glockenturm.Auch der ursprünglich fünfschiffige Dom von Ferrara (1133
- 1177) besaß einen offenen Dachstuhl mit Schwibbögen. In der Stiftskirche von
Nonantola ist besonders die Portalplastik nach 1121 zu erwähnen. Der Dom von
Parma, der noch auf die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts zurückgeht, verkörpert
eine bereits kreuzrippengewölbte Basilika mit Emporen. Seine Westfassade besitzt
vorgeblendete Bogengalerien über mehrere Geschosse, daneben erhebt sich ein
mächtiger einzelner Glockenturm. Das Baptisterium gilt als Sonderleistung der
68
Abb. 56: Kyffhäuserdenkmal
Spätromanik:Achteckig und turmartig steil besitzt es eine zweischalige Ummaue-
rung mit mehreren Laufgängen übereinander und ist durch die Skulpturen des
Benedetto Antelami berühmt, wie überhaupt die lombardische Bauplastik für
Mitteleuropa (Deutschland und Österreich) von großer Bedeutung wurde.
Modena war bereits zur Zeit
des Römischen Imperiums
eine bedeutende Stadt
(Mutina),wurde während der
Völkerwanderung verlassen
und durch eine Über-
schwemmung zerstört, im
frühen Mittelalter wieder
aufgebaut und entwickelte
sich bald zu einer blühenden
Handelsstadt, worauf der
Dom, eines der größten
Meisterwerke der Romanik
in Europa, hinweist. 1099
beauftragen die Bürger der
Stadt den hochgerühmten
Baumeister Lanfranco mit der
Errichtung der Kathedrale, der durch göttliche Eingebung (so zeitgenössische
Chroniken), einen Architekturstil kreierte, der die nachfolgende Entwicklung der
Romanik stark beeinflussen, und der im Steinmetzmeister Wiligelmus einen kon-
genialen Partner finden sollte.Die dreischiffige Kathedrale wurde im Zentrum der
Stadt errichtet, dort wo sich das Grab des Stadtpatrons Geminianus befand, des
vermutlich zweiten Bischofs Modenas, der um 396 verstorben war.Das Motiv der
Zwerggalerie mit Blendtriforien, die kleinen Blendbögen, die säulentragenden
Löwen, die Vorhallen oder auch die Flachreliefs auf der Hauptfassade sind typisch
romanisch und in ihrer Art einzigartig. 1084 wurde der Dom geweiht, 1117 durch
ein großes Erdbeben in Mitleidenschaft gezogen,das zur Schieflage der Apsis führte,
und bereits zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert erfolgten Umbauten durch die
Werkstätte der Maestri Campionesi aus der Lombardei. Um 1322 war das
Gotteshaus fertiggestellt,nachdem noch etliche Künstler an seiner Ausstattung mit-
gewirkt hatten. Die Fassade der Kathedrale ist entsprechend den Kirchenschiffen
69
Abb. 57: Kathedrale von Modena
dreigegliedert. Unter der Fensterrose befindet sich das von Wiligelmus und seiner
Werkstätte angefertigte Hauptportal, an der Südseite die Porta dei Principi
(Fürstentor), die von einem Schüler des Meisters stammt, und die Porta Regia
(Königstor) aus rotem Veroneser Marmor.An der Nordseite schließlich ist die Porta
della Pescheria (Fischmarkttor) angebracht.Die Ausstattung der Portale erzählt zahl-
reiche Geschichten.Weltberühmt sind vor allem die Steinreliefs des Wiligelmus,
der Motive der Genesis, von Adams Erschaffung bis zur Arche Noah, bildlich
umsetzte.
Die Kathedrale zeichnet die harmonische Kombination von exzellenter
Architektur und vorzüglichen Skulpturen aus.Außen verläuft die ringsumlaufende
Galerie, im Inneren wechseln sich Säulen mit antikisierenden Kapitellen und
mächtige Pfeiler mit Halbsäulen ab. Besonders ansprechend sind auch die hohe
Krypta auf 32 Säulen mit Kapitellen, worin sich die Grabstätte San Geminianus’
befindet, der Lettner aus geraden Steinplatten auf Säulchen, deren vordere Reihe
auf Stützfiguren ruht sowie die Reliefs an der Kanzel und an der Chorbrüstung -
Glanzleistungen romanischer Kunst.
Die untere Hälfte des Campaniles (Glockenturm) wurde zugleich mit dem Dom
errichtet - bis 1169 war er durch Lanfranco bis zum fünften Stock erbaut - der
achteckige Aufbau stammt von den Maestri Campionesi und ist im gotischen Stil
gehalten (Fertigstellung 1319).Die Schieflage des Turmes resultieret aus dem sump-
figen Untergrund und unkorrekten statischen Berechnungen bei seiner Errich-
tung. 1997 wurden Dom und Glockenturm von der UNESCO gemeinsam mit
der Piazza Grande zum Weltkulturerbe erhoben.
Die ehemalige Benediktiner-
abtei Nonantola, unweit im
Nordosten von Modena
gelegen, ist ein herausragen-
des romanisches Denkmal.
Das Kloster San Silvestro
wurde 752 vom heiligen An-
selm, dem Schwager des
Langobardenkönigs Aistulf,
begründet und mit den Reliquien des heiligen Sylvester ausgestattet,die sich noch
heute in der Kirche befinden. Bald wurde es zu einem mächtigen religiösen,
kulturellen und politischen Zentrum der Region.An der Grenzlinie zwischen dem
70
Abb. 58: Benediktinerstift Nonantola
lombardischen und byzantinischen Einflussgebiet gelegen, wurde die Abtei aber
auch mehrfach geplündert und zerstört. Der heute zu bewundernde romanische,
dreischiffige Bau wurde im 11./12. Jahrhundert errichtet, dem Höhepunkt der
Ausstrahlung der Abtei, jedoch haben zahlreiche Aus- und Umbauten ihr Ausse-
hen stark verändert. So wurden zwischen 1461 und 1466 die hölzerne Flachdecke
durch eine Gewölbedecke ersetzt und die phantastische romanische Krypta zuge-
schüttet, die gesamte Fassade im 17. und 18. Jahrhundert barockisiert, der Innen-
raum verputzt und ein Glockenturm auf Höhe der Hauptapsis errichtet, die ins
12. Jahrhundert datiert wird. Im 20. Jahrhundert erfolgten umfassende Restaurie-
rungsarbeiten mit dem Ziel, das ursprüngliche Aussehen der Abtei wieder
herzustellen. Unter anderem wurden die Apsis reromanisiert und der Verputz von
den Wänden sowie das Gewölbe des 15. Jahrhunderts entfernt, das durch einen
hölzernen Dachstuhl ersetzt wurde, der Fußboden wurde tiefer- und mächtige
Kreuzpfeiler freigelegt. Besonderes Augenmerk galt der großen Krypta, dem
ältesten Teil der Kirche, mit ihren 64 kleinen, ein Kreuzgewölbe tragenden Säulen
und Kapitellen.Auch sind heute Flachreliefs an den Außenflächen der Portalpfosten
wieder zu bewundern. Das Innere der Abtei überzeugt durch seine nüchterne
Strenge, obschon durch die nicht immer professionellen Restaurierungsarbeiten
die Authentizität des Raumes gelitten hat.Im ehemaligen Refektorium des Klosters
wurden großartige Fresken vom Ende des 11. bis Anfang des 12. Jahrhunderts
freigelegt, die Szenen aus dem Leben des heiligen Benedikt von Nursia und jenen
der Apostel Petrus und Paulus sowie das Jüngste Gericht darstellen. Außer-
gewöhnlich wertvoll sind auch die Bestände des Archives mit Dokumenten aus
dem 8. bis 11. Jahrhundert. Der Klosterschatz ist von enormem Wert und enthält
neben anderen herausragenden Exponaten auch das Evangelistar der Gräfin
Mathilde von Tuszien (gest. 1115).
Der Gründungssage der Pfarrkirche Santa Maria in Castello in Carpi zufolge hat
König Aistulf den Bau der Kirche an der Stelle angeordnet, an der er seinen
Lieblingsfalken nach verzweifelter Suche auf einer Weißbuche (italienisch carpino)
sitzend entdeckt hatte,nachdem ihm dieser auf der Jagd abhanden gekommen war
Heute steht die romanische Kirche, die 1184 von Papst Lucius III. eingeweiht
wurde und seither la Sagra genannt wird, flankiert von einem 49,5 m hoch
aufragenden romanischen Glockenturm, der zwischen 1217 und 1221 errichtet
wurde, im Zentrum des Ortes. Sie ist der Nachfolgebau einer wesentlich älteren
Kirche. 1515 wurde sie zum Großteil abgetragen, um zwei Drittel der
71
ursprünglichen Ausmaße reduziert und in eine Kapelle umgewandelt, wobei die
Steine zu deren Bau verwendet wurden. Lediglich das romanische Portal, das in
die von Baldassare Peruzzi gestaltete Renaissancefassade eingefügt wurde,die Apsis,
einige vorzüglich gearbeitete Reliefs und Skulpturen und das Presbyterium blieben
damals erhalten. Im Barock wurde die Kapelle dem gängigen Stil angepasst.
Ausgrabungen von 1877 erlaubten die Rekonstruktion der romanischen Pfarr-
kirche. Es handelte sich um eine dreischiffige Pfeilerbasilika, die bis 1901 in ihrer
romanischen Struktur mit Blendbögen und dem Originalportal (datieret mit 1184),
worauf die Kreuzigung Christi dargestellt ist, restauriert wurde. Auch der
Innenraum mit romanischen Fresken im Obergaden, welche den Abriss der
Pfarrkirche überstanden und durch das Tonnengewölbe der Kapelle verdeckt
wurden, und einer großartigen romanischen Kanzel, die von Niccolò, einem
Nachfolger des Wiligelmus, stammt, wurde stilgerecht wiederhergestellt. Fresken
in der Apsis von der Wende des 12. zum 13. Jahrhundert, die vom Altar der Kapelle
verdeckt waren und deshalb die Zeiten überstanden, stellen die Anbetung der
heiligen Dreikönige dar.
72
Abb. 60: Carpi, Santa Maria in Castello, PortalAbb. 59: Carpi, Santa Maria in Castello
Die Anfänge Ferraras,
deren Stadtzentrum zum
Weltkulturerbe erklärt
wurde, gehen ins achte
Jahrhundert zurück, in die
Zeit des Langobarden-
königs Desiderius 1135
wurde mit dem Bau der
fünfschiffigen Kathedrale
San Giorgio, einer der
faszinierendsten in Nord-
italien,begonnen,und im 16. Jahrhundert wurde er fertiggestellt.Anfangs umfasste
die prächtige Marmorfassade mit ihrem eigenartigen dreigeteilten Aufbau, den
vielen Skulpturen, Bögen und Fenstern nur die erste Bogenreihe. Sie ist typisch
romanisch.Aus der Anfangszeit stammen auch das große Eingangsportal mit den
wunderbaren Reliefs des Baumeisters Nicholaus (1135).Auf dem Tympanonrelief
ist der heilige Georg als Drachentöter dargestellt. An der Längsseite des Domes
befinden sich Reste der Porta dei Mesi, des Tores der Monate, die im
18. Jahrhundert zerstört wurde. Mehrere Skulpturen, die das Tor schmückten, sind
erhalten geblieben und sind im Dommuseum ausgestellt.Der Oberbau der Haupt-
fassade mit zahlreichen kleinen Bögen und einem außergewöhnlichen Jüngsten
Gericht ist aus dem 13.Jahrhundert und bereits gotisch.Aus gotischer Zeit stammen
auch die drei Pfeiler,welche wohl die Dreifaltigkeit symbolisieren sollen.Der Chor
und der beeindruckende unvollendete Glockenturm, der Leon Battista Alberti
zugeschrieben wird, stammen aus der Renaissance. Im 15. Jahrhundert wurden
Läden und Handwerksstätten an die rechte Flanke des Kirchengebäudes (Piazza
Trento e Trieste) angebaut.Der goldene Innenraum,der völlig modernisiert wurde,
ist mit Gemälden von Meistern der Ferrareser Schule ausgestattet. Das Dommu-
seum enthält nur wenige, dafür aber erlesene Stücke romanischer Provenienz.
Parma wurde 183 v. Chr. von den Römern gegründet und befand sich in Hän-
den vieler Mächte, von den Langobarden über die Franken und dem Kirchenstaat
bis hin zu den Franzosen, Bourbonen und Marie-Luise von Österreich. Mit dem
Bau der dreischiffigen Pfeilerbasilika mit einschiffigem Querbau und hoher Krypta,
worin sich Reste eines Mosaikfußbodens befinden, wurde um die Mitte des
11. Jahrhunderts begonnen (Abb. 62+63). Im 13. Jahrhundert erhielt der Dom
73
Abb. 61: Kathedrale von Ferrara
einen höheren Oberbau. Das sich daran
anschließende Baptisterium wurde zwischen
1196 und 1307 errichtet, der 64 m hohe
Campanile ist gotisch.
Die Kathedrale mit ihrer breiten Fassade ist
eines der schönsten Beispiele für die Romanik
in der Poebene.Die Giebelfassade verfügt über
ein Rundbogenfenster, erwähnenswert sind
auch die drei Rundbogengalerien und der von
auf Löwen stehenden Säulen getragene
vorgebaute Baldachin.Die Monatsbilder über
dem Hauptportal, beginnend mit März, sind
außergewöhnlich.
Der Innenraum ist mit Fresken im manieristi-
schen Stil geschmückt und verfügt über zwei
Kapellen mit Fresken aus dem 15. Jahrhun-
dert. Außergewöhnlich ist die Bemalung der
Kuppel (um 1530), eine Himmelfahrt Mariae,
von Antonio Allegri Correggio. Im Chor-
scheitel des Hauptchors befindet sich der
marmorne Bischofssitz des Kadaloh von
Parma, ein Werk des Benedetto Antelami aus
Como, des bedeutendsten Bildhauers der
italienischen Romanik, dem auch eine beein-
druckende Darstellung der Kreuzabnahme auf
einer Reliefplatte an der rechten Querschiff-
seite, romanische Steinmetzkunst des 12. Jahr-
hunderts in Vollendung, zugeschrieben wird.
Höchst beeindruckend ist auch die achteckige
sechsstöckige Taufkirche aus Veroneser rosa
Marmor,entworfen von Antelami,ein seltenes
Beispiel für den Übergang vom romanischen
zum gotischen Baustil. Der Grundriss
symbolisiert die Vereinigung von Erde
(Quadrat) und Himmel (Kreis), die drei
74
Abb. 62: Kathedrale von Parma
Abb. 63: Kathedrale von Parma, Baptisterium
Portale stehen für die Dreifaltigkeit. Der Figurenschmuck über dem Portal an der
Nordseite zeigt Szenen aus dem Leben Johannes’des Täufers,jener beim Westportal
verschiedene Bibelszenen und der am Südportal Szenen aus der Legende von
Barlaam und Josaphat.
Der bunte Innenraum erscheint 16seitig mit 13 apsidenartigen Rundnischen und
einem 16teiligen Gewölbe. Die großen Skulpturen, die das monumentale des
romanischen Stils plastisch vor Augen führen,stammen hauptsächlich von Antelami
und stellen Allegorien der Monate, Personifizierungen der Jahreszeiten und
Tierkreiszeichen dar. Gewölbe und Nischen wurden im 13. und 14. Jahrhundert
ausgemalt. Das schöne Deckenfresko zeigt Szenen aus dem Leben Jesu.
Das heutige Slowenien ist ein junger Nationalstaat auf ethnischer Grundlage. Im
Mittelalter entwickelten sich an seiner Stelle unterschiedliche Herrschaftsgebilde
mit teilweise beträchtlichen kunstlandschaftlichen Unterschieden. Die Unter-
steiermark und Krain stehen parallel zu Kärnten in einem Spannungsverhältnis
zwischen dem Erzbistum Salzburg und dem Patriarchat Aquileia. Sowohl
hinsichtlich der Chorturmkirchen als auch der Karner sind die Affinitäten zu
Kärnten und der Steiermark offensichtlich. In Marburg/Maribor und Pettau/Ptuj
entstanden im 12. bzw. frühen 13. Jahrhundert Neubauten der Stadtpfarrkirchen
als flachgedeckte Basiliken; letztere erhielten ein massives Westwerk in aufwändi-
ger Quadermauerung mit einer erzbischöflichen Empore im Obergeschoß.Pettau
genoss als erzbischöfliche Nebenresidenz überhaupt eine besondere Bedeutung,
die in der mächtigen Burganlage ersichtlich wird, von der noch eine romanische
Halle des Palas erhalten ist. In der ehemaligen Benediktinerabtei Oberburg/Gornji
Grad (gegründet 1140) zeigt schon die Lage des Turmes den Einfluss des Patriar-
chen. Die zwei im Abstand von fast genau einem Jahrhundert erbauten Zister-
zienserkirchen von Sittich/Sticna (gegründet 1135/36) und Mariabrunn bei Land-
straß/Kostanjevica (gegründet von Herzog Bernhard von Kärnten 1234) zeigen
wiederum gut die Dynamik der Ordensbaukunst: dort eine noch bodenständig
beeinflusste,ursprünglich flachgedeckte Basilika mit fünf Rundapsiden (davon drei
in gleicher Flucht), hier eine bereits frühgotische Gewölbearchitektur auf Bün-
delpfeilern.Schließlich verdienen noch die untersteirischen Karthausen Seiz/Zice
(mit der Hospizkirche von Spitalic) und Gairach/Jurkloster Erwähnung, die in
ihren Gewölben, Gurtrippen und Portaldekoration teilweise eine frühe französi-
sche Gotikrezeption unter direktem Einfluss des Herzogs Leopold VI. erkennen
75
lassen,was in der so genannten Gruppe von Tüffer/Lasko nachwirkt.Im Prekmurje,
das zum Königreich Ungarn gehörte, zeigen Beispiele wie Selo eine stärkere
Affinität zu osteuropäischen Rundkirchen, während im Karst und dem Küsten-
gebiet eine eigene mediterrane Tradition wirkt, die in der dreischiffigen
Gewölbehalle von Hrastovlje ebenso zum Ausdruck kommt wie im Dom von
Koper (12. Jahrhundert).
Koper ist die einzige slowenische Hafen- und Industriestadt und liegt an der Nord-
westküste Istriens. Die älteste Besiedlung der Insel Koper vor der Küste entstand
zur Zeit der römischen Republik und hatte den Namen Capris, was häufig von
stabulum caprorum (Ziegenverschlag) abgeleitet wird. Bereits gegen Ende des
römischen Kaiserreiches hatte sich auf der Insel eine ansehnliche Siedlung
entwickelt. Nachdem die Wirrnisse der Völkerwanderungszeit gut überstanden
waren, fiel Carpis an Byzanz, wurde gut befestigt, und in Justinopolis (nach Justin
II.) umbenannt.Die wichtige Insellage auf der Route nach Grado,einer wichtigen
Metropole der Zeit, ließ die Inselsiedlung schnell erblühen. Als sie durch den
Slawenzuzug ab dem achten Jahrhundert,welche das Hinterland besetzten,bedroht
wurde, verbündeten sich ihre Bewohner mit Venedig (932), das für die nötige
Sicherheit sorgen konnte.Danach herrschten die Markgrafen von Istrien bis 1208
über die Stadt,später die Patriarchen von Aquileia,welche den Ort in Caput Histriae
(Haupt Istriens) umbenannten, woraus schließlich das italienische Capo d‘Istria
wurde.Ab 1279 übernahm Venedig endgültig das Kommando über die Stadt. Die
Kathedrale entstand in weißem istrischen Stein ab dem Ende des 12. Jahrhunderts,
als Koper zur Diözese wurde, und ist vorwiegend in gotischem Baustil errichtet.
An die romanischen Anfänge des Domes erinnern eingemauerte Fenster an der
Südseite und das rekonstruierte Südtor, das sich heute im Stadtmuseum befindet.
Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Dom ausgebaut, wobei der Architekt die
gotischen Elemente des unteren Fassadenteiles
beibehielt und oben neue Renaissanceformen
hinzufügte. In der ersten Hälfte des 18. Jahr-
hunderts wurde er erneut vergrößert
(G. Massari) und dadurch eine neue barocki-
sierte Saalkirche geschaffen.Als die Klöster und
Kirchenorden in der zweiten Hälfte des 18.
und Anfang des 19. Jahrhunderts aufgelöst
wurden, ging der reiche Kirchenschatz bis auf
76
Abb. 64: Dom von Koper, Slowenien