Die Pflanzen der Klostermedizin
Dr. Johannes Gottfried Mayer
Universität WürzburgForschergruppe Klostermedizin GmbH
9. Gesundheitstag der Universität Würzburg23. Juli 2015
Forschergruppe Klostermedizin
• Thema: Geschichte der Arzneipflanzen in Europa
• Beginn mit der Epoche der Klostermedizin (frühes und hohes Mittelalter: 8.-12. Jh.)
• Quellen: antike Medizin, Volksmedizin, Medizin der arabisch-sprachigen Welt
Anfänge der Klostermedizin: Regel des Hl. Benedikt von Nursia
Benedikt von Nursia (geb. um 480) gründet um 527 das Kloster Monte Cassino: `Regula Benedicti`. Vorbild für alle weiteren Ordensregeln!
Kapitel 36 regelt die Krankenpflege.
Anfänge der Klostermedizin:Karolingerzeit (750-900)
Krankenversorgung und Kräutergärten im staatlichen Auftrag:Durch die Reichsreform Karls des Großen bekommen die Klöster die medizinische Versorgung der Bevölkerung übertragen.
Autoren und Werke der Klostermedizin
Lorscher Arzneibuch: um 795: großeRezeptsammlung
St. Galler Klosterplan: um 820, Plan einesKlosters mit Kräutergarten
Walahfrid Strabo: ‚Hortulus‘, um 840, Gedicht über einen Kräutergarten: 24 Kräuter
Constantinus Africanus (gest. 1087) und dieMedizinschule von Salerno (11.-13. Jh.)
Odo Magdunensis ‚Macer floridus‘: (Ende 11. Jh.)Hildegard von Bingen (1098-1179)
Kräutergarten nach St.Galler Klosterplan und Walahfrid Strabo
Minze – Mentha-Arten
„Wer alle Wirkungen, Arten und Namen der Minze aufzählen kann, der kann auch sagen wie viele Fische im Roten Meer schwimmen.“
Walahfrid Strabo
Minze – historische Indikationen
• ‚Macer Floridus’ (11. Jh.): stärkt den Magen, gegen Übelkeit, Ohrenschmerzen, raue Zunge, Wunden.
• Hildegard von Bingen: ‚Physica‘: Mehrere Minze-Kapitel (75-78)- Bachminze (Mentha aquatica): Atemwege- „Wilde Minze“ (Rossminze, Mentha longifolia,
syn.: M. silvestris): Krätze- Ackerminze (Mentha arvensis): Magen- Krauseminze (Mentha spicata var. crispa): Darm
Minze – heute
Heute vor allem Pfefferminze (Mentha piperita)Anerkannte Wirkungen heute:- Verdauungsförderung- Förderung des Gallenflusses- Antibakteriell- Sekret-lösend- Kühlend (schmerzlindernd)Bei Magen-, Darm-, GallebeschwerdenKatarrhen, Schmerzen (äußerlich)
Klostermedizin und Melisse
Melissa officinalis
Melisse in keinem Text der Epoche der Klostermedizin eindeutig identifizierbar.
Nur in Werken mit arabischen Hintergrund eindeutig belegbar!
Wiener Dioskurides, ~ 500
Hildegard von Bingen: Wer verschleimt ist, den reinigt diese Rezeptur: Rettich pulverisiert mit Honig und Wein nach dem Essen trinken.
Rettich – Raphanus sativus
Wiener Dioskurides, ~ 500
Vor allem Meerrettich und Schwarzer RettichRettichwurzel wegen Senfölglykosiden:- Schleimlösend- Verdauungsfördernd - Antibakteriell und antiviralInfektionen der Atem-und Harnwege
Rettich – heute
Johanniskraut – Hypericum perforatum
Antike Anwendungen:• Brandwunden• Ischias• Menstruationsbeschwerden• DiuretikumMittelalter (zusätzlich)• Magenschmerzen• Lebermittel• Melancholie/Depression
(Lorscher Arzneibuch)
Johanniskraut - heute
Wirkstoffe: - rot färbende Hypericine- Hyperforin (antibakteriell)- Flavonoide (entzündungshemmend)- Gerbstoffe (adstringierend)- Ätherisches Öl
Anwendungen (Indikationen): - leichte bis mittelschwere depressive Verstimmungen- psychovegetative Störungen, Angstzustände, nervöse
Unruhe
www.welterbe-klostermedizin.de
Walahfrid Strabo:
„Mit Ziegenmilch bei Magenblähung und Verstopfung. Mit Wein bei keuchenden Husten.“
Fenchel – Foeniculum vulgare
Fenchel bei Hildegard
„Macht den Menschen fröhlich, vermittelt angenehme Wärme, gesunden Schweiß und verhilft zu einer guten Verdauung.“
Früchte vermindern üblen Schleim und Fäulnis in den inneren Organen, unterdrückt Mundgeruch und machen klar sehen.
Katarrhe der Atemwege, Magenschmerzen.
Fenchel heute
Wirkungen des Ätherischen Öls:- Regt Bewegung der Flimmerhärchen der
Atemwege an - schleimlösend- Unterstützt Magen- und Darmtätigkeit- Keimhemmend
Andorn – Marrubium vulgare
Unscheinbarer LippenblütlerEine der wichtigsten Heilpflanzender Klostermedizin bei Katarrhen der Atemwege (bes. Bronchitis) und Verdauungs-Problemen.
Andorn – Marrubium vulgare
Wirkstoffe: Bitterstoffe, Gerbstoffe (kaum ätherisches Öl
Anwendungen: - Katarrhe (Bronchitis): schleimlösend- Appetitlosigkeit- Reizmagen- Verdauungsbeschwerden
Betonie – Betonica officinalis
Auch HeilziestLippenblütler (Lamiaceae)Gehörte zu den wichtigstenArzneipflanzen von der Spätantikebis ins 19. Jh.Über 80 Indikationen!Vor allem leichtere Schmerzen =>Das Aspirin des Mittelalters
Betonie – heute
Heute keine VerwendungAber auch keine Forschung
Interessante Inhaltsstoffe:Bitter- und GerbstoffeAlkaloideFlavonoideSehr wenig ätherisches ÖlGlykoside
Ingwer – Zingiber officinalis
Schon seit der Antike in Europa verfügbar.Eine der beliebtesten Pflanzen der Klostermedizin:Besonders ‚Lorscher Arzneibuch‘ und bei Hildegard von Bingen
Ingwer – Zingiber officinalis
Inhaltsstoffe:• ätherisches Öl• Scharfstoffe (Gingerol,
Shogaol)• BitterstoffeAllgemeine Wirkungen:• entzündungshemmend• antibakteriell• sekretionsfördernd• cholagog (fördert
Gallenfluss)
Ingwer
Anwendungen: - Verdauungsfördernd- Gegen Übelkeit- Schutz vor Magengeschwüren- Katarrhe der Atemwege- Bessert Blutfettwerte- Rheumatische Schmerzen
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