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Die partiell gemeinn¼tzige (nat¼rliche) Person: Zur rechtssystematischen Erfassung von...

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Die partiell gemeinnützige (natürliche) Person Cornelius Alders Zur rechtssystematischen Erfassung von individuellem Engagement für das Gemeinwohl Schriften zum Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht
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Die partiell gemeinnützige (natürliche) Person

Cornelius Alders

Zur rechtssystematischen Erfassung von individuellem Engagement für das Gemeinwohl

Schriften zum Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht

Page 2: Die partiell gemeinn¼tzige (nat¼rliche) Person: Zur rechtssystematischen Erfassung von individuellem Engagement f¼r das Gemeinwohl

Schriften zum Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht

Reihe herausgegeben vonS. Geibel, Heidelberg, Deutschland

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Das Recht der Non-Profit-Organisationen und der Zivilgesellschaft, man könnte auch sagen das Recht des Dritten Sektors insgesamt, wirft besondere Fragen in fast allen Rechtsbereichen auf, kristallisiert sich aber vor allem in den Bereichen des Organisations- und des Steuerrechts. Die Reihe „Schriften zum Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht“ greift zwei besonders kenn-zeichnende Rechtsgebiete heraus, die als eine Art pars pro toto für das gesamte Recht der Non-Profit-Organisationen und der Zivilgesellschaft herangereift sind. In der Schriftenreihe zum Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht werden deshalb Dissertationen gerade in diesen Bereichen veröffentlicht, die Reihe nimmt aber auch Arbeiten insbesondere zum Vereinsrecht, Gesellschaftsrecht und Genossenschaftsrecht, zum Recht des Ehrenamts oder der Sozialunter- nehmer, zu wirtschaftsrechtlichen oder zu internationalen, europarechtlichen oder rechtsverglei-chenden Themenstellungen mit Bezug zum Dritten Sektor auf.

Weitere Bände in der Reihe http://www.springer.com/series/15544

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Cornelius Alders

Die partiell gemeinnützige (natürliche) PersonZur rechtssystematischen Erfassung von individuellem Engagement für das Gemeinwohl

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Cornelius AldersFrankfurt am Main, Deutschland

ISSN 2522-5944 ISSN 2522-5952 (electronic)Schriften zum Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht ISBN 978-3-658-20792-2 ISBN 978-3-658-20793-9 (eBook)https://doi.org/10.1007/978-3-658-20793-9

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detail-lierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Inhaltsverzeichnis

Problemaufriss ............................................................................................................................ 1�A �Die Gemeinnützigkeit als Instrument der Gemeinwohlförderung ........................................ 1�

B �Konzept der Engagementförderung ....................................................................................... 7�

I� Einheitliche Nomenklatur ............................................................................................... 8�II� Einheitliches Rechtskonzept der Gemeinnützigkeit ..................................................... 12�

C �Vergleichsperspektive US-Nonprofit-Law .......................................................................... 13�

D Gang der Untersuchung ....................................................................................................... 14�

Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG .............................. 17�A Das Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung ................................... 17�

I Der Körperschaftsbegriff des § 51 Abs. 1 AO ............................................................. 18�II Die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 52-68 AO ....................................... 21�

1 Gemeinnützige Zwecke, § 52 AO .............................................................................. 21�

a Förderung auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet ......................... 22�

b Begriff der Allgemeinheit ................................................................................. 22�

c Förderung bürgerschaftlichen Engagements .................................................... 25�

2 Mildtätige und kirchliche Zwecke, §§ 53-54 AO ...................................................... 27�

3 Selbstlosigkeit, § 55 AO ............................................................................................ 28�

a Definitionsansätze ............................................................................................ 28�

b Prüfungssystematik ........................................................................................... 29�

c Verbot einer in erster Linie eigenwirtschaftlichen Förderung .......................... 30�

d Verbot der fremdnützigen Mittelverwendung .................................................. 33�

aa Anwendungsbereich der Mittelverwendungsvorgaben ........................ 34�

bb Satzungsmäßige Mittelverwendung ...................................................... 34�

cc Zeitnahe Mittelverwendung, § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO ............................. 34�

dd Verbot vorrangiger Mitgliedernützigkeit .............................................. 35�

ee Verbot der Drittnützigkeit ..................................................................... 36�

ff Grundsatz der Vermögensbindung ....................................................... 36�

4 Ausschließlichkeit, § 56 AO ...................................................................................... 37�

5 Unmittelbarkeit, § 57 AO ........................................................................................... 38�

6 Zusammenführung der formellen und materiellen Voraussetzungen ........................ 42�

7 Wirtschaftliche Betätigung von gemeinnützigen Körperschaften ............................. 45�

B Steuersystematische Auslegung .......................................................................................... 48�

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VI Inhaltsverzeichnis

C Historische Betrachtung der Aufgaben und Ziele der Gemeinnützigkeit ............................ 50�

D Rechtsvergleichende Betrachtung des US-Nonprofit-Law?................................................ 55�

Zweites Kapitel: Wesensmerkmale der Gemeinnützigkeitssphäre .......................................... 59�A Abgrenzung zur Privatsphäre durch qualifizierten Gemeinwohlbezug ............................... 60�

I Motivlage bei gemeinnütziger Tätigkeit ...................................................................... 62�II Ertragslage bei gemeinnütziger Tätigkeit ..................................................................... 63�

B Abgrenzung zur Marktsphäre durch unentgeltliche Wertschöpfung ................................... 64�

C Abgrenzung zur Staatssphäre durch freiwilliges privates Engagement .............................. 69�

D Maßstab der Systemkohärenz für Förderinstrumente .......................................................... 71�

E Zwischenergebnis ................................................................................................................ 72�

Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst ............ 75�A Bundesfreiwilligendienst ..................................................................................................... 76�

I Statusvoraussetzungen .................................................................................................. 77�1 Formelle Voraussetzungen ......................................................................................... 77�

2 Materielle Voraussetzungen ....................................................................................... 78�

II Konkrete Förderung...................................................................................................... 80�1 Unterkunft, Verpflegung, Arbeitskleidung ................................................................ 80�

2 Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 EStG ......................................................................... 80�

3 Sozialversicherungsschutz ......................................................................................... 81�

4 Individuelle pädagogische Begleitung ....................................................................... 83�

5 Kindergeld oder Kinderfreibetrag .............................................................................. 85�

6 Vergünstigungen im Straßenpersonen- und Eisenbahnverkehr ................................. 85�

7 Sonderurlaub und Waisenrente .................................................................................. 85�

8 Qualifiziertes Zeugnis ................................................................................................ 86�

III Systemkohärenz ............................................................................................................ 86�1 Ziel ............................................................................................................................. 86�

2 Strukturen zur Zielerreichung .................................................................................... 89�

3 Unabhängige Prüfinstanz ........................................................................................... 90�

4 Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Förderung ............................................... 91�

a Gemeinnützigkeit und gesellschaftliche Lastentragung ................................... 91�

b BFDG als Rechtsrahmen für gemeinnütziges Engagement ............................. 94�

B Freiwilliger Wehrdienst ....................................................................................................... 95�

I Statusvoraussetzungen .................................................................................................. 95�1 Formelle Voraussetzungen ......................................................................................... 95�

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Inhaltsverzeichnis VII

2 Materielle Voraussetzungen ....................................................................................... 96�

II Konkrete Förderung...................................................................................................... 96�C Jugendfreiwilligendienste .................................................................................................... 99�

I FSJ/FÖJ nach Jugendfreiwilligendienstgesetz ............................................................. 99�1 Statusvoraussetzungen ............................................................................................... 99�

a Formelle Voraussetzungen ............................................................................... 99�

b Materielle Voraussetzungen ........................................................................... 100�

2 Konkrete Förderung ................................................................................................. 100�

3 JFDG als Rechtsrahmen für gemeinnütziges Engagement ...................................... 102�

II Auslandsjugendfreiwilligendienste ............................................................................ 102�D Stellungnahme: Die Freiwilligendienstformate als Gemeinnützigkeitsstatus ................... 105�

Viertes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Pflegerecht ..................... 107�A Pflegepersonen und Pflegezeit .......................................................................................... 107�

I Statusvoraussetzungen ................................................................................................ 108�II Konkrete Förderung.................................................................................................... 110�

1 Rentenversicherungsschutz ...................................................................................... 110�

2 Unfallversicherungsschutz ....................................................................................... 112�

3 Freistellungsanspruch bei Pflegezeit ........................................................................ 112�

4 Kranken-, Pflege-, Arbeitslosenversicherungsschutz .............................................. 112�

5 Schulungsangebote ................................................................................................... 113�

6 Steuerprivileg nach § 3 Nr. 36 EStG ........................................................................ 113�

7 Fazit Förderkonzept ................................................................................................. 114�

III Systemkohärenz .......................................................................................................... 115�1 Ziel ........................................................................................................................... 115�

2 Strukturen zur Zielerreichung .................................................................................. 116�

3 Unabhängige Prüfinstanz ......................................................................................... 117�

4 Verfassungsrechtliche Rechtfertigung ..................................................................... 118�

a Streitbare Verfassungswerte ........................................................................... 120�

b Funktionsweise der Sozialsysteme ................................................................. 121�

c Abwägung mit den Grundrechten Dritter ....................................................... 123�

B Stellungnahme: Die Pflegeperson als Gemeinnützigkeitsstatus ........................................ 125�

Fünftes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Steuerrecht .................... 127�A Ansätze im Einkommensteuergesetz ................................................................................. 127�

I Steuerprivileg: Übungsleiterpauschale, §§ 3 Nr. 26-3 Nr. 26b EStG ........................ 129�

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VIII Inhaltsverzeichnis

1 Statusvoraussetzungen ............................................................................................. 130�

a § 3 Nr. 26 EStG .............................................................................................. 130�

aa Tätigkeitsfelder ................................................................................... 130�

bb Nebenberuflichkeit .............................................................................. 132�

cc Im Dienst oder Auftrag ....................................................................... 133�

dd Höhe des Freibetrages ......................................................................... 134�

b § 3 Nr. 26a EStG ............................................................................................. 134�

c § 3 Nr. 26b EStG ............................................................................................ 135�

2 Konkrete Förderung ................................................................................................. 136�

3 Systemkohärenz ....................................................................................................... 137�

a Ziel .................................................................................................................. 138�

b Unabhängige Prüfinstanz ................................................................................ 138�

c Strukturen zur Zielerreichung ......................................................................... 139�

II Steuerprivileg: Freistellung nach § 3 Nr. 5 EStG ....................................................... 140�III Steuerprivileg: Freistellung nach § 3 Nr. 36 EStG ..................................................... 143�IV Steuerprivileg: Anrechnung des Pflege-Pauschbetrages nach § 33b Abs. 6 EStG .... 144�V Steuerprivileg: Anrechnung nach § 10b EStG ........................................................... 146�VI Steuerprivileg: Senkung der Steuerlast nach § 34h EStG (nicht umgesetzt) ............. 148�

B Ansätze im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz .......................................................... 148�

C Ansätze im Umsatzsteuergesetz ........................................................................................ 151�

D Ansätze im Grundsteuergesetz .......................................................................................... 152�

E Ansätze im Kraftfahrzeugsteuergesetz .............................................................................. 153�

F Zusammenfassung der Ansätze im Steuerrecht ................................................................. 153�

Sechstes Kapitel: Gleichbehandlungsgebot und Statusbeschränkung ................................... 155�A Rechtlich relevante Ungleichbehandlung .......................................................................... 156�

B Rechtsfertigungsansätze .................................................................................................... 157�

I Individuen und der Zwecksetzungsakt ....................................................................... 158�II Individuen und Ausschließlichkeit nach § 56 AO ...................................................... 159�III Individuen und Selbstlosigkeit ................................................................................... 161�IV Individuen und Überprüfbarkeit des Gemeinnützigkeitsstatus .................................. 164�V Zwischenfazit ............................................................................................................. 166�

C Verfassungskonforme Auslegung des Gemeinnützigkeitsbegriffes .................................. 167�

Siebtes Kapitel: De lege ferenda-Skizze des Gemeinnützigkeitsrechts ................................. 171�A Verortung der Gemeinnützigkeit im System der Gemeinwohlförderung ......................... 172�

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Inhaltsverzeichnis IX

I Abstrakter Gemeinwohlbegriff und Konkretisierungsprozess ................................... 173�II Anforderungen an gemeinwohlorientierte politische Systeme ................................... 174�III Gemeinwohlförderung in der Bundesrepublik Deutschland ...................................... 177�IV Die Gemeinnützigkeit als Instrument der Gemeinwohlförderung ............................. 179�

B Änderungsmöglichkeiten bei Perspektivwechsel .............................................................. 181�

I Systematische Eingliederung des Rechtsgebietes ...................................................... 181�II Ideenskizze zur Neufassung des Rechtsrahmens der Gemeinnützigkeit .................... 184�

1 Rechtsvergleichende Perspektive des US-Nonprofit-Laws ..................................... 184�

a Nondistribution constraint .............................................................................. 185�

b Verlagerung von Eigentumsrechten und Haftungsrisiken .............................. 186�

2 Grundsätze der Gemeinnützigkeit ............................................................................ 188�

a Grundsatz der unentgeltlichen Wertschöpfung .............................................. 188�

b Grundsatz der Freiwilligkeit ........................................................................... 189�

c Grundsatz des qualifizierten Gemeinwohlbezuges ......................................... 189�

3 Zentrale Fachaufsicht vgl. der englischen Charity Commission ............................. 190�

4 Verschiedene Rechtsstatus ....................................................................................... 192�

a Status gemeinnützige Organisation ................................................................ 192�

aa Statusfähigkeit .................................................................................... 192�

bb Gebot der Ausschließlichkeit .............................................................. 193�

cc Vorrang der zeitnahen Mittelverwendung .......................................... 194�

dd Staatliche Anerkennung und Statusprüfung ....................................... 195�

b Status partiell gemeinnützige Person .............................................................. 195�

aa Statusfähigkeit und Trägerschaft ........................................................ 195�

bb Staatliche Anerkennung und Statusprüfung ....................................... 196�

Zusammenfassung .................................................................................................................. 197�Thesen .................................................................................................................................... 199�Literaturverzeichnis ................................................................................................................ 201�

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Problemaufriss

Täglich engagieren sich in Deutschland Freiwillige für das Gemeinwohl, so etwa als Jugend-freiwilligendienstleistende, als Bundesfreiwilligendienstleistende oder als ehrenamtliche Hel-fer im Auftrag von gemeinnützigen Körperschaften. Sie engagieren sich mit der Überzeu-gung, für die Gemeinschaft Gutes zu tun.1 Diese Engagementbereitschaft natürlicher Personen würdigt der Staat durch verschiedene Förderinstrumente, die nachfolgend zusammengetragen und den Förderinstrumenten für gemeinnützige Körperschaften vergleichend gegenüberge-stellt werden. Bereits im Jahr 2010 gab die damalige Bundesregierung mit der Nationalen Engagementstrategie2 das Ziel vor, durch geeignete Rahmenbedingungen einen Nährboden zu schaffen, auf dem freiwilliges Engagement in ganzer Vielfalt gedeihen kann. Im Vordergrund stehe die Förderung innovativer Lösungen durch Akteure vor Ort als gemeinsame Anstren-gung des Staates, der Wirtschaft und der Bürgergesellschaft. Dabei sei der Staat angewiesen auf die Initiative und die Verantwortungsbereitschaft eines jeden engagierten Bürgers, der mit seinem Engagement einen unverzichtbaren Beitrag zur Bewältigung der gesellschaftlichen Aufgaben und zur Sicherung von Wachstum und Wohlstand für alle leiste. Bürgerschaftliches Engagement könne zwar kein Ersatz für notwendige staatliche Leistungen sein, sei aber eine tragende Säule jedes freiheitlichen, demokratischen, sozialen und lebendigen Gemeinwesens.3 In diesen Kontext greift die vorliegende Abhandlung ein und stellt sich der Frage, „inwieweit bürgerschaftliches Engagement das staatliche Handeln ersetzen, ergänzen oder erneuern kann“4. Sie soll einen Beitrag dazu leisten, den derzeitigen rechtlichen Blickwinkel auf ge-meinnütziges Handeln zu überprüfen und die Umsetzung der Nationalen Engagementstrategie alternativ zu durchdenken.

A Die Gemeinnützigkeit als Instrument der Gemeinwohlförderung

Auf die politische und rechtssystematische Einordnung der Gemeinnützigkeit beziehen sich auch die von Geibel aufgeworfenen Fragen danach, ob sich das Gemeinnützigkeitsrecht aus dem Gemeinwohl speist, welche Funktionen und Vorgaben es bei der Gemeinwohlförderung hat, ob es von Verfassung wegen notwendig sei und welche Akteure das Gemeinwohl konkre-tisieren (dürfen).5

1 Institut für Demoskopie Allensbach, Motive des bürgerschaftlichen Engagements, 2013, S. 24 ff.; BMFSFJ,

Hauptbericht des Freiwilligensurveys 2009, Zusammenfassung, S. 12. 2 BMFSFJ, Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung, v. 6.10.2010, S. 5. 3 BMFSFJ, Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung, v. 6.10.2010, S. 3, 5. 4 Kirchhof, Gemeinnützigkeit – Erfüllung staatsähnlicher Aufgaben durch selbstlose Einkommensverwendung,

DSTJG Bd. 16, 2003, 1 (3). 5 Geibel, Gemeinnützigkeit als Gemeinwohlförderung: eine Skizze, GS Brugger, Verfassungsvoraussetzungen,

2013, S. 429 ff.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018C. Alders, Die partiell gemeinnützige (natürliche) Person, Schriften zum Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20793-9_1

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2 Problemaufriss

Ausgangspunkt jeder Überlegung zur Herleitung einer Gemeinnützigkeit aus dem Gemein-wohl ist der Gemeinwohlbegriff. Zielrichtung der Abhandlung soll es allerdings nicht sein, den seit Jahrtausenden interdisziplinär kontrovers diskutierten Begriff des Gemeinwohls6 um-fassend inhaltlich darzulegen. Viel eher wird als Gemeinwohl die Idee vom guten Zustand des Gemeinwesens angenommen.7 Nach Cicero ist dieser Zustand vom Volk aus zu definieren.8 Isensee konkretisiert den Begriff, in dem er innerhalb einer politisch organisierten Gemein-schaft (Staat) zwischen Gemeinwesen (Staat im weiteren Sinne) und der Herrschaftsorganisa-tion (Staat im engeren Sinne) unterscheidet und das Gemeinwohl als im Gemeinwesen sitzend verortet.9 Im Mittelpunkt steht das Wohlergehen der Bürgerschaft als Gesamtheit der Bürger in einer staatlich verbundenen Allgemeinheit.10 Um eine politische Organisation (Verfassung) als gut bewerten zu können, muss sie nach Aristoteles auf den allgemeinen Nutzen und nicht auf den Vorteil der Regierenden (Vertreter des Staates im engeren Sinne) angelegt sein.11 Auf der Suche nach einem Ziel, das eine Gemeinschaft anstreben kann, wurde das Gemeinwohl in seiner abstrakten Dimension bereits früh als mögliches Leitbild12 identifiziert und in die un-terschiedlichen Modelle einer politischer Organisation aufgenommen. Nach Fraenkel bestimmt sich das Gemeinwohl in westlichen Demokratien als Resultante ei-nes geregelten Kräftespiels unterschiedlicher Interessengruppen im Nachhinein als Gemein-wohl a posteriori.13 Die Abhandlung wird auf dem Weg zur Herleitung und Identifikation einer Gemeinnützigkeitssphäre innerhalb des Systems der Gemeinwohlförderung in Deutsch-land der Frage nachgehen, ob es bestimmte Anforderungen gibt, die an dieses Kräftespiel der Interessen zu stellen sind, wenn sich das politische System der abstrakten Gemeinwohlidee 6 Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staats-

rechts, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 57 Rn. 1 ff.; Münkler/Bluhm, Gemeinwohl und Gemeinsinn als politisch-soziale Leitbegriffe, in: Münkler/Bluhm, Gemeinwohl und Gemeinsinn, Historische Semantiken politischer Leitbegriffe, 2001, S. 9-30; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 13 f.

7 Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staats-rechts, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 57 Rn. 2.

8 Cicero, de re publica, I, S. 25, III, S.1. Die öffentliche Sache (das Gemeinwohl) ist Sache des Volkes („Est igitur […] res publica res populi“). Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isen-see/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 57 Rn. 9.

9 Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staats-rechts, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 57 Rn. 7.

10 Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staats-rechts, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 57 Rn. 7 f.

11 Aristoteles, Politik, III., S. 6; Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isen-see/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 57 Rn. 8.

12 Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staats-rechts, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 57 Rn. 1.

13 Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, 2011, S. 293. „Unter Gemeinwohl soll im Folgen-den eine in ihrem Kern auf einem als allgemein gültig postulierten Wertkodex basierende, in ihren Einzelhei-ten den sich ständig wandelnden ökonomisch-sozialen Zweckmäßigkeitserwägungen Rechnung tragende re-gulative Idee verstanden werden, die berufen und geeignet ist, bei der Gestaltung politisch nicht kontroverser Angelegenheiten als Modell und bei der ausgleichenden Regelung politisch kontroverser Angelegenheiten als bindende Richtschnur zu dienen.“ Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, 2011, S. 292 f.

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A Die Gemeinnützigkeit als Instrument der Gemeinwohlförderung 3

verspricht. Das tatsächliche Ausüben des Kräftespiels führt innerhalb einer Gemeinschaft zur Realisierung eines konkreten Gemeinwohls.14 Letzteres wird als Ergebnis des Verhaltens aller Bürger verstanden und beschreibt den tatsächlich gefundenen, vorherrschenden Interessen-ausgleich innerhalb einer Gemeinschaft. Es wird ständig neu gebildet und zeigt auf, wie kon-krete Interessenkonflikte gelöst werden.15 Während das abstrakte Gemeinwohl ein anzustre-bender Idealzustand bleibt, ist das konkrete Gemeinwohl der gegenwärtige Realzustand in einer Gemeinschaft. Soll dieser Realzustand verändert werden, stehen in einem Verfassungs- und Rechtsstaat grundsätzlich drei große Stellschrauben zur Verfügung, die unabdingbar auf-einander einwirken: Verfassung, Staat und Bürger. Ausgehend von der abstrakten Gemeinwohlidee und der besonderen Gewichtung bestimmter Interessen (beispielsweise Freiheitsrechte), schreibt die Verfassung Grundregeln fest und konkretisiert die Gemeinwohlidee auf der ersten Stufe. Die Verfassung schafft eine Herr-schaftsorganisation (Staat im engeren Sinne16), deren Aufgabe es ist, im Rahmen der Verfas-sung eine eigene konkrete Gemeinwohlidee zu entwickeln und über das Herrschaftsinstru-ment des Rechtes einen Handlungsrahmen für Bürger und Staat festzusetzen. Jedes Handeln von staatlichen Organen oder Bürgern innerhalb dieses Handlungsrahmen (rechtskonformes Handeln) konkretisiert die Gemeinwohlidee auf einer zweiten Stufe.17 Das tatsächliche Han-deln aller Akteure stellt in seiner Gesamtheit den genannten Realzustand dar, den tatsächlich gefundenen Interessenausgleich, mit dem sich das politische System vor der abstrakten Ge-meinwohlidee verantworten muss. Im politischen System des Grundgesetzes wird die Deutungshoheit über das Gemeinwohl zwar auf Volk und Bürger zurückgeführt (Art. 20 Abs. 2 GG), liegt aber strukturell gebündelt bei Staat und Verfassung als hierfür von der Gemeinschaft eingesetzten, überindividuellen Konkretisierungsinstanzen.18 Die Verfassung schafft den Staat und bindet die gesamte staatli-che Gewalt an die Grundrechte der Artikel 1 bis 19 GG (Art. 1 Abs. 3 GG) und an sich selbst

14 Für Isensee nimmt die abstrakte Gemeinwohlidee erst in dem staatlichen Verband, der sie sich zu Eigen

macht, durch die realen Lebensbedingungen und Rechtsstrukturen konkrete Gestalt an. Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, Das Han-deln des Staates, 1988, § 57 Rn. 6.

15 Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 319; Rossen-Stadtfeld, Beteiligung, Partizipation und Öffentlichkeit, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Bd. 2, 2008, § 29 Rn. 62.

16 Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staats-rechts, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 57 Rn. 7.

17 Gemeinwohlkonkretisierung als Prozess; Schuppert, Gemeinwohldefinitionen im kooperativen Staat, in: Münkler/Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn im Recht, 2002, S. 67; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 320; Weiß, Privatisierung und Staatsaufgaben, 2002, S. 70.

18 Für das Verhältnis zwischen den beiden Instanzen legt Art. 20 Abs. 3 GG über die Bindung der Legislative an die verfassungsmäßige Ordnung den Vorrang der Verfassung fest. Huster/Rux, in: BeckOK, GG, 2017, Art. 20 Rn. 165; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 20 VI. Rn. 17.

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4 Problemaufriss

(Art. 20 Abs. 3 GG). Das Bundesverfassungsgericht erkennt in seiner Fraport-Entscheidung diesen staatlichen Gemeinwohlauftrag an.19 Der Staat befindet sich gerade vor dem Hintergrund seiner Grundrechtsbindung in einem „Di-lemma des Interessenausgleichs“. Er muss die in der Verfassung festgeschriebenen Verfas-sungswerte aktiv schützend gewährleisten20 und darf die Bürgerrechte dabei nur möglichst geringfügig und schonend beeinträchtigen.21 Wenn er handelt, dann aus Gründen des Gleich-behandlungsgebotes (Art. 3 Abs. 1 GG) grundsätzlich gegenüber allen Bürgern gleich. Diese Aufgabe ist nur in Form eines Kompromisses nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit22 lösbar, denn jedes staatliche Handeln zur Gemeinwohlförderung ruft Belastungen und damit Freiheitseinschränkungen bei zumindest einigen Bürgern hervor. Auf dieses Dilemma kann der Gedanke der Gemeinnützigkeit nun in besonderer Weise einwirken. Gemeinnütziges En-gagement unterstützt den Staat in seinen Aufgaben, indem es Interessenkonflikte löst und ihnen vorbeugt. Die Interessen der Konfliktparteien werden ohne weitere staatliche Einmi-schung durch das Handeln unbeteiligter Dritter, gemeinnützig tätiger Akteure, ausgeglichen. Eine weitere Besonderheit ergibt sich dadurch, dass die Gemeinnützigkeit von privaten Akt-euren ausgeht. Sie kann Interessenkonflikte einzelfallbezogen lösen und damit auf eine Art, die dem Staat aufgrund von Art. 3 Abs. 1 GG nicht zugänglich ist.

19 BVerfG, v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, Fraport, BVerfGE 128, 266. Ebenso Isensee, Gemeinwohl und Bürger-

sinn im Steuerstaat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 57 f.; Isensee/Knobbe-Keuk, Gutachten der Unabhängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, 1988, 331, Sondervotum, S. 404 ff.; Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, 1991, S. 171; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 23.

20 BVerfG, v. 28.5.1993, 2 BvR 2/90, 4/92, 5/92, BVerfGE 88, 203; Diese Schutzpflicht erwächst dem Staat aus dem Untermaßverbot. Das verfassungsrechtliche Untermaßverbot gibt dem Staat auf, einen wirksamen und angemessenen Mindeststandard von Grundrechtspositionen insbesondere gegenüber anderen Bürgern zu gewährleisten; obwohl die Grundrechte primär Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat darstellen, darf sich der Staat bei zu intensiven Grundrechtsbeeinträchtigungen der Bürger untereinander nicht untätig bleiben, sondern er hat eine Schutzpflicht gegenüber den beeinträchtigten Rechtspositionen. Diese Schutz-pflicht erwächst ihm aus dem Rechtsstaatsprinzip, seiner Grundrechtsbindung (Art. 1 Abs. 3 GG) und den jeweiligen Rechtspositionen. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 20 VII. Rn. 126-128.

21 Der Staat darf nicht übermäßig in die Grundrechte der Bürger eingreifen; er muss die auszugleichenden Ver-fassungsgüter abwägen und von mehreren verhältnismäßigen Varianten die grundrechtsschonendste wählen. Jenes Übermaßverbot wird aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG), den jeweiligen Verfassungsgütern und der Grundrechtsbindung des Staates (Art. 1 Abs. 3 GG) hergeleitet. Huster/Rux, in: BeckOK, GG, 2017, Art. 20 Rn. 140-142.

22 Dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird die Funktion zugeschrieben, im Widerstreit zwischen Individualin-teressen (und Gemeinschaftsinteressen) sicherzustellen, dass die verfassungsrechtlich verankerten, funda-mentalen Individualrechte aller Bürger angemessen berücksichtigt werden. In dieser Interpretation ordnet das Bundesverfassungsgericht den Grundsatz dem Rechtsstaatsprinzip zu (BVerfG, v. 17.6.2004, 2 BvR 383/03, BVerfGE 111, 54; v. 24.4.1985, 2 BvR 2/83, 69, 1); leitet ihn aber auch aus den Grundrechten selbst ab. BVerfG, v. 12.5.1987, 2 BvR 1226/83, 101/84, 313/84, BVerfG 76, 1; Huster/Rux, in: BeckOK, GG, 2017, Art. 20 Rn. 189-190.

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A Die Gemeinnützigkeit als Instrument der Gemeinwohlförderung 5

Der deutsche Gesetzgeber steht in der Verantwortung, eine eigene, aus der Verfassung abge-leitete konkrete Gemeinwohlidee zu entwickeln und in ein Rechtssystem der Gemeinwohlför-derung zu überführen. Hierfür ist es aufgrund von Art. 3 Abs. 1 GG erforderlich, die in Kon-flikt stehenden Interessen in der Gemeinschaft auf einer abstrakten Interessenebene gegenei-nander abzuwägen und die Interessenkonfliktentscheidungen dann in einem zweiten Schritt gegenüber allen Interessenträgern in der Gemeinschaft gleich durchzusetzen. Hinter jeder staatlichen Entscheidung steht eine solche Interessenabwägung und die in dieser konkreten Abwägung für gewichtiger gehaltenen Interessen, werden durch den Abwägungsprozess zu vorrangigen „Gemeinschaftsinteressen“. Alle Bürger, die sich innerhalb des staatlich gesetzten Rechtssystems und folglich systemkon-form verhalten, konkretisieren und realisieren die Gemeinwohlvorstellung von Staat und Ver-fassung. Sie verhalten sich gemeinwohlförderlich. Unterschiede kann es aber in der Intensität des Gemeinwohlbezuges eines rechtmäßigen Verhaltens geben. Weil die Verfassung dem Bürger Freiheitsrechte und eine Privatsphäre garantiert, kann er sich gemeinwohlförderlich verhalten und vorrangig eigene Individualinteressen durchsetzen. Der Gemeinwohlbezug scheint dann weniger intensiv, als wenn Bürger eigene Interessen zurücksetzten, um vorrangig Gemeinschaftsinteressen zu verwirklichen.23 Deutlich wird, dass insbesondere die Ertragslage einer Tätigkeit (gelöste Interessenkonflikte, durchgesetzte Individual-/Gemeinschaftsinteressen) Nukleus, Rechtfertigung und Stellschrau-be jedes Anreizsystems für vorrangig gemeinschaftsnützliches Verhalten ist. Sofern der Ge-setzgeber einen Rechtsrahmen definiert, der freiwilliges privates Engagement der Bürger für besondere Gemeinwohlthemen erfassen und anreizen soll (Gemeinnützigkeitsrecht), gilt da-bei, dass je intensiver der Gemeinwohlbezug eines Handelns gemessen an durchgesetzten Gemeinschaftsinteressen ist, desto intensiver wird der gemeinwohlverpflichtete Staat in sei-nen Aufgaben unterstützt. Somit eröffnet freiwilliges, unentgeltliches Engagement der Bürger mit qualifiziertem Gemeinwohlbezug (gemeinnütziges Engagement) eine zusätzliche Mög-lichkeit Gemeinschaftsinteressen durchzusetzen, und zwar zwanglos und freiheitsschonend. Die Gemeinnützigkeitssphäre ist ein Instrument der Interessenkonfliktlösung und damit ein Instrument der Gemeinwohlförderung. Aufgrund der Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) und an die Verfassung (Art. 20 Abs. 3 GG) kämen nun Bedenken auf, wenn der Gesetzgeber ein belas-tungsarmes und freiheitsschonendes Instrument wie die Gemeinnützigkeitssphäre in seinem 23 „Der bloße Verzicht auf Eigennutz ist noch kein sozialer Wert. Dieser ergibt sich erst aus der Intention des

Verzichts und aus dem Erfolg, dem sozialen Nutzen“ (Isensee, Gemeinnützigkeit und Europäisches Gemein-schaftsrecht, DStJG Bd. 26, 2003, 93 (98)).

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6 Problemaufriss

Gesamtsystem der Gemeinwohlförderung gar nicht einsetzt bzw. mit den Bürgern umzusetzen versucht. Schafft er keinen Platz für die Erfassung, Anerkennung und Förderung von gemein-nützigem Engagement, müsste er entweder mehr unkontrolliert gelöste Interessenkonflikte und damit ein geringeres konkretes Gemeinwohlniveau in Kauf nehmen oder aber die Interes-senkonflikte selbst lösen und dafür mehr staatliche Zwangsmittel (Steuern, Zwangsdienste) einsetzen. Vor der abstrakten Gemeinwohlidee („Leitmotiv“24) könnte der Gesetzgeber nur schwer rechtfertigen, warum er die Gemeinnützigkeit in seinem System der Gemeinwohlförderung nicht zumindest teilweise berücksichtigt hat. Ohne Gemeinnützigkeitsrecht stünde infrage, ob der Staat das Übermaßverbot25 missachtet, indem er, statt eine freiheitsschonende Lastentra-gung durch Engagierte zu versuchen, sofort in Freiheitsrechte eingreift. Beziehungsweise ob er das Untermaßverbot26 missachtet, indem er eine optimalere Gemeinwohlförderung bewusst nicht versucht. Aus diesen Gründen ist der Gesetzgeber eines gemeinwohlorientierten demo-kratischen Verfassungs- und Rechtsstaates verfassungsrechtlich verpflichtet, seinen Bürger zumindest die Möglichkeit zu eröffnen, sich anerkannt gemeinnützig zu engagieren („Gebot der Berücksichtigung einer Gemeinnützigkeit als Instrument der Gemeinwohlförderung“). Denn auf diesem Weg können die in der Gemeinschaft herrschenden Interessenkonflikte für alle Gemeinschaftsmitglieder freiheitsschonend und belastungsarm gelöst werden. Das Gebot kann der Gesetzgeber über die Kodifizierung eines Gemeinnützigkeitsrechts einhalten, ihm steht die Deutungshoheit über das Gemeinwohl im Rahmen der Verfassung zu.27 In der Zusammenschau bleibt für das System des Grundgesetzes festzuhalten: Das Gemein-wohl in Deutschland wird durch Verfassung, Staat und Bürger in einem Gesamtsystem der 24 Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staats-

rechts, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 57 Rn. 1; Geibel, Gemeinnützigkeit als Gemeinwohlförde-rung: eine Skizze, GS Brugger, Verfassungsvoraussetzungen, 2013, S. 429.

25 Das Übermaßverbot wird aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG), den Grundrechten selbst und der Grund-rechtsbindung des Staates (Art. 1 Abs. 3 GG) hergeleitet. Es verlangt vom Staat, die von mehreren verhält-nismäßigen Handlungsvarianten die grundrechtsschonendste Variante zu wählen. Huster/Rux, in: BeckOK, GG, 2017, Art. 20 Rn. 140-142, 189-190.

26 Das Untermaßverbot beschreibt das verfassungsrechtliche Gebot, dass der Staat einen wirksamen und ange-messenen Mindeststandard des Schutzes von kodifizierten Rechtspositionen insbesondere gegenüber anderen Bürgern gewährleisten muss; er darf bei bestimmten Grundrechtsbeeinträchtigungen der Bürger untereinan-der nicht untätig bleiben, sondern hat eine Schutzpflicht gegenüber den beeinträchtigten Rechtspositionen. Es wird aus dem Rechtsstaatsprinzip und der konkret zu schützen Rechtsposition hergeleitet. Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 20 VII. Rn. 126-128.

27 Als ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichtete überindividuelle Instanz. BVerfG, v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, Fraport, BVerfGE 128, 266; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 57 f.; Isensee/Knobbe-Keuk, Gutachten der Unabhängigen Sachverständigenkommis-sion zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, 1988, 331, Sondervotum, S. 404 ff.; Hütte-mann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, 1991, S. 171; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 23.

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B Konzept der Engagementförderung 7

Gemeinwohlförderung konkretisiert. Dem Gesetzgeber steht im Rahmen der Verfassung die Deutungshoheit über das konkrete Gemeinwohl zu. Aus dieser Verantwortung heraus muss er eine eigene Gemeinwohlidee entwickeln und ein System der Gemeinwohlförderung in Recht und Gesetz verankern. Die Berücksichtigung eines staatlich definierten Rechtsrahmens für gemeinnütziges Engagement (Gemeinnützigkeitsrecht) ist dabei als freiheitsschonendes In-strument der Gemeinwohlförderung geboten. Jene schlaglichtartigen Ausführungen diskutiert die Abhandlung weitergehend. Sie dienen dazu, sich der Kernfrage zu nähern: Welche Grün-de sprechen für und gegen einen bislang im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht nicht vorge-sehenen Gemeinnützigkeitsstatus für Individuen und wie könnte dieser de lege lata oder de lege ferenda umgesetzt werden?

B Konzept der Engagementförderung

Die Verfolgung der in der Nationalen Engagementstrategie formulierten Ziele erfordert ein Konzept der Engagementförderung. Hierfür ist eine interdisziplinär einheitlich verwendete Nomenklatur ratsam, um die Ergebnisse der verschiedenen Forschungszweige miteinander in Verbindung zu setzen. Seit 2007 ist die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements de lege lata als gemeinnütziger Zweck anerkannt (§ 52 Abs. 2 Nr. 25 AO).28 Nach der Gesetzes-begründung dient diese Anerkennung der Hervorhebung der Bedeutung, die ehrenamtlicher Einsatz für unsere Gesellschaft hat.29 Koenig versteht unter bürgerschaftlichem Engagement jeden sozialen und das Gemeinwohl fördernden freiwilligen, persönlichen Einsatz von Bür-gern zur Erreichung gemeinsamer Ziele.30 Der durch die Engagementstrategie initiierte Erste Engagementbericht der Bundesregierung definierte bürgerschaftliches Engagement im Jahr 2012 als freiwillige Mitverantwortung im und für den öffentlichen Raum.31 Bereits aus diesen wenigen Beispielen geht hervor, dass die Begriffe freiwilliges Engagement, ehrenamtliches Engagement, bürgerschaftliches Engagement, zivilgesellschaftliches Engagement und ge-meinnütziges Engagement in der rechtswissenschaftlichen und vor allem in der interdiszipli-nären Engagementforschung uneinheitlich verwendet werden.32 Es verwischen Grenzen, wo klare Differenzierungen für die Erstellung eines einheitlichen Konzeptes geboten sind.

28 Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements, v. 10.10.2007, BGBl. I, 2332. 29 BT-Drs. 16/5200, v. 3.5.2007, S. 21. 30 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 52 Rn. 66. 31 BMFSFJ, Erster Engagementbericht, Für eine Kultur der Mitverantwortung, 2012, S. 10. 32 Exemplarisch: Klein, Gurndlagen und Perspektiven guter Engagementpolitik, APuZ 14-15/2015, S. 10; Rei-

fenhäuser, Praxishandbuch Freiwilligenmanagement, 2013; Rosenkranz, Freiwilligenarbeit, 2012; Wallraff, Professionelles Management von Ehrenamtlichen, 2010; Anheier/Toepler, International Encyclopedia of Ci-vil Society, 2010; Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2010, § 5 Rn. 20 ff.; Erhardt, Ehrenamt, 2011; Sprengel, Philantropie und Zivilgesellschaft, 2007; Zimmer/Priller, Future of Civil Society, 2004; BT-Enquete-Kommission, Bürgerschaftliches Engagement und Sozialstaat, 2003; Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements, 2002, S. 44; Troll/Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine und Stiftungen, 2009, S. 196 ff.

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8 Problemaufriss

I Einheitliche Nomenklatur

Der Abhandlung liegt die nun folgende Begriffsabgrenzung zu Grunde. Gemeinnütziges Engagement ist ein Rechtsbegriff, der in erster Linie Tätigkeiten im Rahmen des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts (§§ 51–68 AO) umfasst. Formell betrachtet kann eine Gemeinnützigkeit derzeit nur von Körperschaften ausgehen (Dogma der gemeinnützig-keitsrechtlichen Statusbeschränkung auf Körperschaften im Sinne von § 1 KStG)33. Natürliche Personen sind nicht fähig, den Gemeinnützigkeitsstatus zu erlangen.34 Sie sind derzeit ge-meinnützigkeitsrechtlich darauf beschränkt, sich in den Dienst oder Auftrag einer gemeinnüt-zigen Körperschaft zu stellen und die Qualifikation ihres individuellen Engagements mittelbar von der gemeinnützigen Körperschaft abzuleiten. Der Rechtsbegriff der Gemeinnützigkeit ist daher bislang abschließend Körperschaften vorbehalten, nur über sie und mit ihnen können Individuen einen Zugang zur staatlichen Anerkennung als gemeinnützig erhalten.35 Die vor-liegende Abhandlung wird den Begriff der Gemeinnützigkeit verfassungskonform auslegen und dahin gehend erweitern, dass bestimmtes individuelles Engagement bereits de lege lata als unmittelbar gemeinnützig zu qualifizieren ist, wenn es rechtlich gefasst ist und freiwillig, unentgeltlich und mit qualifiziertem Gemeinwohlbezug geleistet wird. Hierdurch wird zwar die Statusbeschränkung des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts nicht gänzlich aufgelöst, aber eine gebotene Öffnung des Blickes auf die Gemeinnützigkeit erreicht. Freiwilliges Engagement beinhaltet jede Tätigkeit, die eine Person ohne staatlichen Zwang36, vorrangig gemeinschaftsorientiert ausführt. Im Gegensatz zu gemeinnützigem Engagement erfasst freiwilliges Engagement auch Tätigkeiten abseits staatlicher Themenvorgaben und kann über die Gemeinnützigkeit hinaus auch in privaten Gemeinschaften wie privatnützigen Vereinen erfolgen.37

33 Böttcher, Transnationale Strukturen unternehmerisch tätiger NPO, 2017, S. 5 ff. 34 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 11; Leisner-Egensperger, in: Hübsch-

mann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 26 ff.; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 169; diesen Umstand hinterfragend: Däubler, Der gemeinnützig handelnde Mensch, NJW 2003, 3319 (3319 f.).

35 Schauhoff, in: Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2010, Einleitung Rn. 9, 65. 36 Die Abhandlung versteht das Merkmal der Freiwilligkeit einer Tätigkeit in Abgrenzung zu Pflichtdiensten,

die durch staatlichen Zwang eingefordert werden. A.A. Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements, 2002, S. 49. Für Jachmann ist Merkmal der Freiwil-ligkeit zunächst nicht im Gegensatz zum Zwang zu verstehen, sondern im Gegensatz zur Beruflichkeit. Die Abhandlung grenzt die Beruflichkeit hingegen über die Entgeltlichkeit (erwerbsbezogene Markttätigkeit) ab.

37 Zur Abgrenzung zu gemeinnützigem Engagement Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 151; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 56-72.

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B Konzept der Engagementförderung 9

Der Begriff des ehrenamtlichen Engagements ist dagegen enger gefasst, er wird in § 1 EhrBe-tätV38 als Betätigung beschrieben, die unentgeltlich ausgeübt wird, dem Gemeinwohl dient und bei einer Organisation erfolgt, die ohne Gewinnerzielungsabsicht Aufgaben ausführt, die im öffentlichen Interesse liegen oder steuerbegünstigte Zwecke im Sinne von §§ 52–54 AO fördern. Im Vordergrund steht das Merkmal der Unentgeltlichkeit in Abgrenzung zu entgeltli-chen, auf materiellen Hinzuerwerb ausgerichteten Tätigkeiten in der Marktsphäre. Die Be-antwortung der Frage, ob die Tätigkeit dem Gemeinwohl dient, ist zur Abgrenzung wenig hilfreich, da jedes rechtmäßige Verhalten eines Bürgers das Gemeinwohl konkretisiert und damit gemeinwohlförderlich ist.39 Das dritte Kriterium der Organisationsanbindung verkom-pliziert die Verwendung des Ehrenamtsbegriffes. Zwar erfolgt ehrenamtliches Engagement in der Regel als unentgeltliche Tätigkeit einer natürlichen Person für eine gemeinnützige Kör-perschaft, die Anbindung kann allerdings auch über eine staatliche Organisation erfolgen. Diese ist ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichtet, führt damit ihre Aufgaben im öffentli-chen Interesse und ohne Gewinnerzielungsabsicht aus.40 Das heißt, auch unentgeltliches En-gagement für den Staat kann als Ehrenamt qualifiziert werden. Ohnehin scheint der Wortlaut auf ein öffentlich zu definierendes Amt41 abzustellen, das ehrenhalber und nicht entgelthalber übernommen wird.42 Das heißt weiter, auch zwanghaft vom Staat unentgeltlich eingeforderte Dienste sind ehrenamtliches Engagement. Mangels zwingender Freiwilligkeit und qualifizier-tem Gemeinwohlbezug grenzt sich das Ehrenamt demnach vorrangig zu entgeltlicher Tätig-keit ab. Bürgerschaftliches Engagement ist nach dem Ersten Engagementbericht der Bundesregierung „freiwillige Mitverantwortung im und für den öffentlichen Raum“43. Es werde von Individuen und Organisationen geleistet, sei strukturbildend und nicht primär auf finanziellen Nutzen, sondern auf positive Effekte für die Gesellschaft angelegt.44 An der Gestaltung gesellschaftli-

38 Verordnung über die ehrenamtliche Betätigung von Arbeitslosen, v. 24.05.2002, BGBl. I S. 1783. 39 Hierzu ausführlich Einleitung A. 40 BVerfG, v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, Fraport, BVerfGE 128, 266; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im

Steuerstaat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfas-sung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 57 f.; Isensee/Knobbe-Keuk, Gutachten der Unab-hängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, 1988, 331, Sondervotum, S. 404 ff.; Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, 1991, S. 171; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 23.

41 Eine Deutung des Amtes ist jene einer offiziellen Stellung im Staat, die mit bestimmten Pflichten verbunden ist. Duden, das Herkunftswörterbuch, 2014, Stichwort Engagement. Für Isensee „bildet das Amt einen be-grenzten Kreis staatlicher Befugnisse, die ihrem Inhaber als Sachwalter der Allgemeinheit überantwortet sind.“ (Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 57 Rn. 10).

42 Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements, 2002, S. 52.

43 BMFSFJ, Erster Engagementbericht, Für eine Kultur der Mitverantwortung, 2012, S. 10. 44 BMFSFJ, Erster Engagementbericht, Für eine Kultur der Mitverantwortung, 2012, S. 10.

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cher Werte, Normen und Institutionen mitzuwirken, sei eine „freiwillige Bürgerpflicht“45. Diese soll zwar nicht staatlich eingefordert werden, sei aber ein wesentlicher Baustein der rechtsstaatlichen, freiheitlich-demokratischen Grundordnung der deutschen Bundesrepublik.46 Bürgerschaftliches Engagement erfolgt demnach freiwillig und unentgeltlich. Hinzu tritt das Merkmal des „öffentliche Raumes“47, in dem das Engagement stattfindet. Die Verfassung schützt die Privatsphäre des Individuums48, so dass sich der öffentliche Raum abseits der Pri-vatsphäre aufbaut. Im Ergebnis umfasst bürgerschaftliches Engagement folglich jede Tätig-keit, die unentgeltlich (Abgrenzung zur Marktsphäre) und freiwillig (Abgrenzung zur Staats-sphäre) sowie im öffentlichen Raum (Abgrenzung zur Privatsphäre) ausgeführt wird. Der Begriff zivilgesellschaftliches Engagement ist auf verfassungsrechtlich verankerte gesell-schaftliche Werte wie Toleranz, Rücksichtnahme, Achtung der Grundrechte, Gewaltfreiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gerichtet.49 Die Zivilgesellschaft steht für ein flexibles Instrument, einer individuellen Überzeugung durch gesellschaftliche Unterstützung Gemein-schaftsdimension zu verschaffen. Anders als Parteien, die durch Erwähnung in der Verfassung (Art. 21 GG) im Grunde eine eigene Sphäre bilden, agiert die Zivilgesellschaft frei, kreativ und wenig hierarchisch. Dennoch kommt ihr eine ähnliche Willensbildungsaufgabe zu wie Parteien: Sie soll Bürger animieren, ihre Meinung kundzutun, Grundrechte zu nutzen, Freihei-ten auszuleben, mehrheitsfähige Überzeugungen in der Gemeinschaft zu filtern und als Hand-lungsalternative an den Staat heranzutragen. Jeder Bürger kann seiner Kritik jederzeit politi-sches Gewicht verleihen, indem er Mitbürger und Öffentlichkeit unter Nutzung seiner Kom-munikationsgrundrechte50 als Unterstützer gewinnt. Hierfür sprechen Handlungs-, Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit als verfassungsrechtlich garantierte Kommunikati-onsgrundrechte.51 Vorteil der Zivilgesellschaft ist es, ohne politischen Abwägungsprozess und ideologische Vorprägung auf einzelne Themen eingehen zu können. Jeder Bürger hat die Möglichkeit, unkompliziert Projekte zu initiieren. Diese Variabilität versetzt die Zivilgesell-

45 BMFSFJ, Erster Engagementbericht, Für eine Kultur der Mitverantwortung, 2012, S. 9. 46 BMFSFJ, Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung, 6.10.2010, S. 3, 5. Zudem BMFSFJ, Erster

Engagementbericht, Für eine Kultur der Mitverantwortung, 2012, S. 9. 47 BMFSFJ, Erster Engagementbericht, Für eine Kultur der Mitverantwortung, 2012, S. 10. 48 Über die Bindung der staatlichen Gewalten an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) und die Schutzbereiche

des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG), des Post- und Fernmeldegeheimnisses (Art. 10 Abs. 1 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) sowie der Unver-letzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG).

49 Klie, Zivilgesellschaft – mehr als Dritter Sektor, Zentrum für zivilgesellschaftliche Entwicklung Freiburg 2011. Jessen/Reichardt, Zivilgesellschaft als Geschichte, S. 8 f.

50 Zu den Kommunikationsgrundrechte zählen Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit), Art. 8 Abs. 1 GG (Versammlungsfreiheit), Art. 9 Abs. 1 GG (Vereinigungsfreiheit) und Art. 5 Abs. 1 GG (umfasst die Meinungs- und Informationsfreiheit sowie die Medienfreiheit in Presse, Rundfunk und Film). BVerfG, v. 15.1.1958, 1 BvR 400/57, BVerfGE 7, 198 (208); v. 1.10.1987, 2 BvR 1434/86, BVerfGE 77,65 (74); v. 14.5.1985, 1 BvR 233/81, BVerfGE 69, 315 (347); Grabenwarter, in Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 5 Rn. 1 f.

51 Verfassungsverankerung in Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 8 GG, Art. 9 GG.

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B Konzept der Engagementförderung 11

schaft in die Lage, Themen sehr schnell aufzugreifen und in den „öffentlichen Raum“52 zu tragen. Zivilgesellschaftliches Engagement ist darauf gerichtet, die Entwicklung des gemein-schaftlichen Zusammenlebens zu beobachten, zu kommentieren und zu beeinflussen. Die Entwicklung einer funktionierenden zivilgesellschaftlichen Sphäre in einer Gemeinschaft ist ein Symbol garantierter und gelebter Bürgerrechte. Auch wenn sie keine ausdrückliche Er-wähnung in der Verfassung findet, liegt der Gedanke nahe, dass die Verfassungsgeber eine aktive Zivilgesellschaft begrüßt hätten. Wenn (parlamentarische) politische Minderheiten die Chance haben müssen, Mehrheit zu werden,53 müssen im gemeinwohlkonformen Interessen-ausgleich auch Mindermeinungen und weniger verfolgte Individualinteressen über die Kom-munikationsgrundrechte auf sich aufmerksam machen dürfen. Damit gewinnt das politische System des Grundgesetzes ein selbstreflektierendes, anpassungsfähiges und sich ständig wei-ter entwickelndes Instrument, das jedem einzelnen Bürger und damit dem Volk als Souverän abseits von Wahlen und Abstimmungen (Art. 20 Abs. 2 GG) jederzeit zur Verfügung steht. Die Grenzen von zivilgesellschaftlichem Handeln ist die Beeinträchtigung von (kodifizierten) Rechten anderer Bürger. Schon jetzt wird deutlich, dass die zivilgesellschaftliche Sphäre und mit ihr der deckungsgleiche „öffentliche Raum“ ausufernd weit ist. Sie ist im gesellschaftli-chen Kontext ein Bindemittel der übrigen Sphären des Staates, des Marktes sowie der Pri-vatsphäre und gerade deswegen voller politischer Chancen und Risiken. Negativ abgegrenzt umfasst zivilgesellschaftliches Engagement all jene Tätigkeiten, die nicht der Privatsphäre, nicht der Staatssphäre und auch nicht der Marktsphäre zuzuordnen sind. Die Sphäre der Zivilgesellschaft ist nun von der Gemeinnützigkeitssphäre abzugrenzen. Hier gilt: Nicht alles, was der Zivilgesellschaft zuzuordnen ist, kann, darf und sollte vom Staat als gemeinnützig gefördert werden. Abgrenzungskriterium sind die mit dem Engagement verfolg-ten Zwecke (Themenbereiche). Während nahezu jeder mit Recht und Gesetz zu vereinbarende Zweck durch die Zivilgesellschaft verfolgt werden kann, ist die Gemeinnützigkeitssphäre strikt auf die staatlich hierfür definierten Themen (derzeit steuerbegünstigte Zwecke, §§ 52-54 AO) begrenzt. Die Gemeinnützigkeitssphäre ist demnach ein spezieller Ausschnitt der Sphäre der Zivilgesellschaft und grenzt sich durch den qualifizierten Gemeinwohlbezug ab. Das Spielfeld der Gemeinnützigkeit ist nur ein kleiner, zusätzlich abgegrenzter Teil des öffentli-chen Raumes, den der unmittelbar demokratisch legitimierte Gesetzgeber explizit für die Ge-meinnützigkeit als Instrument zur Förderung seiner Gemeinwohlidee definiert. Gemeinnützi-

52 BMFSFJ, Erster Engagementbericht, Für eine Kultur der Mitverantwortung, 2012, S. 10. 53 Gedanke aus BVerfG, v. 14.1.1986, 2 BvE 14/83, BVErfGE 70, 324: „Das Gebot, parlamentarische Minder-

heiten zu schützen sowie das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung der Opposition wurzeln im demokratischen Prinzip [.�.�.] Dieser Schutz geht nicht dahin, die Minderheit vor Sachentscheidungen der Mehrheit zu bewahren (Art. 42 Abs. 2 GG), wohl aber dahin, der Minderheit zu ermöglichen, ihren Stand-punkt in den Willensbildungsprozess des Parlaments einzubringen“. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 42 Rn. 93.

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12 Problemaufriss

ges Engagement soll nicht den Staat kritisieren, sondern es soll ihn und sein Gesamtsystem der Gemeinwohlförderung in besonderer Weise, durch Interessenkonfliktlösung im Einzelfall, unterstützen. Diese Ausrichtung symbolisiert der für die Gemeinnützigkeit zwingend erfor-derliche qualifizierte Gemeinwohlbezug.

II Einheitliches Rechtskonzept der Gemeinnützigkeit

Gemäß § 51 Abs. 1 AO gilt der Rechtsrahmen der steuerlichen Gemeinnützigkeit im Sinne der §§ 51-68 AO dann, wenn eine Körperschaft ausschließlich und unmittelbar gemeinnützi-ge, mildtätige und kirchliche (steuerbegünstigte) Zwecke verfolgt und der Körperschaft auf-grund jener Gemeinwohlbindung eine Steuervergünstigung gewährt wird. Für Individuen öff-net sich der Rechtsrahmen nicht, weil sie sich nicht ausschließlich an die qualifizierten Ge-meinwohlzwecke der §§ 52-54 AO binden können.54 Zu diskutieren bleibt hingegen, ob und wenn ja, wie Individuen doch in das Rechtskonzept einbezogen werden können und auf wel-che Weise ein eigener Status für partiell gemeinnützige Personen realisierbar wäre.55 Die Lite-ratur56 unterstützt bislang überwiegend die Aufrechterhaltung der Zugangsbeschränkung. Eventuell ist der Blickwinkel auf das Gemeinnützigkeitsrecht an dieser Stelle noch einmal zu öffnen: weg von den Fesseln des Steuerrechts, hin zu der Verfassungs- und Gemeinwohldi-mension der Gemeinnützigkeit als Instrument der Gemeinwohlförderung. Vor dem Hinter-grund der Nationalen Engagementstrategie könnte als Ziel formuliert werden, einen flexiblen Rechtsrahmen zu entwickeln, der eine gleichwertige Anerkennung für alle gemeinnützigen Tätigkeiten, rechtsformunabhängig gewährleistet. Das organisationsgebundene Förderkonzept57 (Konzentration auf Körperschaften) hat dazu geführt, dass abseits des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts einzelne kleine Regelungs-komplexe isoliert und unkoordiniert den politischen Willen zur Förderung von individuellem gemeinnützigem Engagement umgesetzt haben: so etwa im Recht der Freiwilligendienste (JugendfreiwilligendienstG58, BundesfreiwilligendienstG59), im Sozialrecht60 und im Steuer-

54 Isensee, Gemeinnützigkeit und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DStJG Bd. 26, 2003, 93 (98). 55 Begriff der partiellen Gemeinnützigkeit von Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 11;

Hüttemann, Grundprinzipien des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (53); Dro-ege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 169.

56 Exemplarisch: Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 11; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 26 ff.; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 169; Schauhoff, in: Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2010, Einleitung Rn. 65; Ullrich, Gesellschaftsrecht und steuerliche Gemeinnützigkeit, Dissertation, 2011, S. 83.

57 Hüttemann, Grundprinzipien des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (51); Dro-ege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 165; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuer-staat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 33.

58 Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten (JFDG), v. 16.05.2008. 59 Gesetz über den Bundesfreiwilligendienst (BFDG), v. 28.04.2011.

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C Vergleichsperspektive US-Nonprofit-Law 13

recht61. Flexibles gelegentliches Engagement wird hingegen weiterhin gar nicht erfasst. Letzt-lich fehlt ein flexibles Förderkonzept mit mehreren Status für jede Art von Engagement. Die Ziele der Nationalen Engagementstrategie, Engagement in seiner ganzen Vielfalt zu erfassen und zu fördern,62 sind bislang nur bedingt umgesetzt worden. Ein Knotenpunkt ist dabei das Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung auf Körperschaften im Sinne des § 1 Abs. 1 KStG.63 Jene Grundstruktur verengt das Gemeinnützigkeitsrecht seit 1941.64 Es ist daher notwendiges Grundanliegen der Abhandlung, das Dogma aus der Gemeinwohlper-spektive und vor den Zielen der Nationalen Engagementstrategie neu zu bewerten sowie einen zusätzlichen Status für partielles gemeinnütziges Engagement de lege ferenda anzudenken. An diesen Grundstatus könnten dann gezielt und unter weiteren Voraussetzungen unterschied-liche Engagementmodelle und Förderungen (unter anderem staatliche Leistungen wie die Ab-führung von Sozialversicherungsbeiträgen, Bildungsangeboten und Rentenansprüche) an-knüpfen.

C Vergleichsperspektive US-Nonprofit-Law

Als Blick von außen sehr gewinnbringend, erscheint ein Vergleich zu den Strukturen des US-Nonprofit-Sektors. US-Präsident Obama hat im Jahr 2009 mit „United We Serve“ eine natio-nale Engagementinitiative ins Leben gerufen und die politische Absicht unterstrichen, freiwil-liges Engagement stärker fördern und gesellschaftlich einbinden zu wollen.65 Dies solle insbe-sondere über zwei Wege erfolgen: zum einen über den Ausbau des Wirkungsgrades bestehen-der Organisationen (Hinzugewinn neuer Freiwilliger, Professionalisierung der Strukturen), zum anderen über die Ermutigung und Unterstützung Freiwilliger, eigene Do-it-yourself-Projekte zu entwickeln.66 Über allem stehe der Glaube an die Idee, dass einzelne Bürger ge-meinsam mit anderen etwas Außergewöhnliches erreichen können, sofern sie die richtigen Instrumente zur Verfügung haben.67 Die Initiative ist eingebunden in ein nationales Konzept. Sie richtet sich insbesondere auf vier Themen: Bildung, Gesundheit, Energie und Nachhaltig-keit in Umwelt wie Gesellschaft und fordert alle amerikanischen Bürger auf, „to help lay a new foundation for growth in this country by engaging in sustained, meaningful community service“68. Gesteuert wird „United We Serve“ von einer nationalen Behörde, dem Corporation

60 Exemplarisch § 44 SGB XI. 61 Exemplarisch § 3 Nr. 26 EStG. 62 BMFSFJ, Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung, 6.10.2010, S. 5. 63 Böttcher, Transnationale Strukturen unternehmerisch tätiger NPO, 2017, S. 5 ff. 64 Verordnung zur Durchführung der §§ 17–19 des Steueranpassungsgesetzes vom 16.12.1941. 65 Www.serve.gov/?q=site-page/about-united-we-serve, abgerufen am 23.9.2015. 66 Www.serve.gov/?q=site-page/about-united-we-serve, abgerufen am 23.9.2015. 67 Www.serve.gov/?q=site-page/about-united-we-serve, abgerufen am 23.9.2015. 68 White House, Statement v. 17.06.2009, President Obama Unveils ‘United we Serve’, Calls on all Americans

to commit to meaningful volunteer service in their daily lives.

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14 Problemaufriss

National and Community Service. Vor diesem vereinenden politischen Hintergrund sind die zahlreichen Programme für freiwilliges Engagement in den Vereinigten Staaten zu betrachten, die über die Jahrzehnte weitgehend unabhängig voneinander entstanden sind. Um nur einige exemplarisch zu nennen:69 AmeriCorps, PeaceCorps, SeniorCorps, CitizensCorps, National Forests Volunteers, National Parks Volunteers, Natural Resource Volunteers, Veterans Vol-untary Service, Mentors to America’s Small Business, Teachers at Sea, Coast Guard Auxilia-ry. Im US-Nonprofit-Law werden drei staatliche Anerkennungen unterschieden: die Anerken-nung als nonprofit70 (bundesstaatlich) sowie die steuerrechtliche Anerkennung als tax-exempt71 und charitable72 (nationalstaatlich). Für Individuen ist keiner dieser Status zugäng-lich. Ähnlich dem deutschen System existiert im US-Nonprofit-Law kein Grundbaustein in Form eines eigenen Status für partielles individuelles Engagement, auf den die Besonderhei-ten der jeweiligen Freiwilligenprogramme strukturell flexibel aufbauen könnten. In Bezug auf den politischen Förderwillen im Rahmen von „United We Serve“ scheint jener Status hinge-gen eine wenig risikobehaftete Chance zu bieten, individuelles Engagement einheitlich und gezielt anzuerkennen. Zum einen offenbart sich an dieser Stelle die internationale Relevanz des Themas. Zum anderen bleiben die Strukturen des ausgeprägten US-Nonprofit-Sektors als Vergleichspunkte interessant, da beide Engagementstrategien eine ähnliche Zielstellung in demokratischen Systemen der Gemeinwohlförderung verfolgen. Aus diesem Grunde wird die Abhandlung punktuelle Rechtsvergleiche zur Überprüfung der deutschen Strukturen und zur Alternativenfindung anstellen.

D Gang der Untersuchung

Die Abhandlung widmet sich der grundlegenden Fragestellung, inwieweit sich der in der Na-tionalen Engagementstrategie artikulierte politische Wille zur umfassenden Engagementförde-rung, und insbesondere zur Förderung von gemeinnützigem Engagement durch Einzelperso-nen, im deutschen Gemeinnützigkeitsrecht wiederfindet. Hierzu wird zunächst der Normenbe-stand des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts (§§ 51-68 AO) unter besonderer Berücksich-tigung der Statusbeschränkung auf Körperschaften im Sinne von § 1 Abs. 1 KStG untersucht (1. Kapitel). Anschließend werden die Wesensmerkmale der Gemeinnützigkeit in Form einer tätigkeitsbezogenen Sphäre herausgearbeitet und die grundlegenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an Förderinstrumente der Gemeinnützigkeit aufgezeigt (2. Kapitel). Sodann werden einzelne Ansätze im geltenden Recht diskutiert, die abseits der §§ 51-68 AO indivi- 69 Www.serve.gov/?q=site-page/about-united-we-serve, abgerufen am 23.9.2015. 70 Richtet sich nach dem jeweiligen bundesstaatlichen Nonprofit Corporation Act. 71 IRC §§ 501 (c), (d), (f), 521, 527, 528. Phelan, Nonprofit Enterprises, 2000, § 7:01, S. 3. 72 Richtet sich nach IRC § 501 (c) (3).

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D Gang der Untersuchung 15

duelles gemeinnütziges Engagement unmittelbar fördern sollen (3.-5. Kapitel). Die Zusam-menführung der vorangegangenen Ausführungen erfolgt im 6. Kapitel, in dem die förde-rungswürdigen Tätigkeiten in der Gemeinnützigkeitssphäre (siehe 2. Kapitel) und der durch den derzeitigen Normenbestand tatsächlich geförderten Tätigkeiten (siehe 3.-5. Kapitel) die Statusbeschränkung auf Körperschaften im Sinne von § 1 Abs. 1 KStG am Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG überprüft wird. Das 7. Kapitel stellt skizzenhaft und ausblickartig Ge-danken zur de lege ferenda-Entwicklung des Gemeinnützigkeitsrechts an. Hierfür wird die Gemeinnützigkeit rechtssystematisch im Gemeinwohlsystem der Bundesrepublik Deutschland eingeordnet, um dann durch einen öffnenden Blick ein ganzheitliches Förderprogramm aus individuellem und kollektivem Engagement anzudenken.

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Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

Im zweiten Teil der Abgabenordnung, der gegenständlich das Steuerschuldrecht behandelt, widmet sich der dritte Abschnitt unter dem Titel Steuerbegünstigte Zwecke dem sogenannten steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht.73 Steuerbegünstigt ist dabei die Verfolgung gemeinnüt-ziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke, wobei der Begriff der Gemeinnützigkeit als Ober-begriff für alle drei Zweckgruppen verwendet wird und im Laufe der Zeit den Normenkom-plex namensgebend prägte.74 Die §§ 51-68 AO modellieren als zentraler, Allgemeiner Teil des Gemeinnützigkeitsrechts75 einen Rechtsstatus der Gemeinnützigkeit. Dabei handelt es sich sinnbildlich gesprochen um ein Rechtskleid, dessen sich Rechtssubjekte im Rechtsverkehr unter Erfüllung bestimmter Voraussetzungen bedienen können. So wird aus einem nicht wirt-schaftlichen, eingetragenen Verein des bürgerlichen Rechts (§ 21 BGB) nach zusätzlicher steuerlicher Prüfung und Anerkennung ein gemeinnütziger eingetragener Verein. Wer dieses Rechtskleid trägt, erhält als Rechtsfolge Zugang zum Besonderen Teil des Gemeinnützigkeits-rechts76, den verschiedenen Steuervergünstigungen in den Einzelsteuergesetzen.77

A Das Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung

Nach dem Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung auf Körperschaft-steuersubjekte des § 1 Abs. 1 KStG78 ist das erwähnte Rechtskleid der Gemeinnützigkeit ge-mäß § 51 Abs. 1 AO nur Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes zugänglich. Damit liegt strukturell eine bewusste Kon-zentration auf körperschaftlich organisiertes Engagement vor (sogenanntes organisationsge-bundenes Förderkonzept). Sedes materiae des Dogmas ist § 51 Abs. 1 AO. Dieser beschränkt die Geltung der §§ 51-68 AO in Satz 1 auf Körperschaften und verweist in Satz 2 zur Konkre-tisierung auf Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes und damit auf § 1 Abs. 1 KStG. Durch diese dynamische Verwei-

73 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 4; Kröger, Steuerrecht und Nächstenliebe, DStZ

1986, 419 (425). Für Leisner-Egensperger handelt es sich dabei nicht um ein eigenständiges Rechtsgebiet, sondern um eine weithin unsystematische Anhäufung von Steuervergünstigungen in einzelnen Abgabenge-setzen, die auf steuerliche Abzugsmöglichkeiten bei Erbringung gemeinnütziger Leistungen abzielen. Leis-ner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 7.

74 Geibel, Gemeinnützigkeit als Gemeinwohlförderung: eine Skizze, GS Brugger, Verfassungsvoraussetzungen, 2013, S. 429; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 5; Gersch, in: Klein, AO, 2016, Vor § 51 Rn. 2; Hammer, Die Gemeinnützigkeitsregelungen des Steuerrechts im Spiel der deutschen Staats- und Verfassungsentwicklung, StuW 1/2001, S. 19.

75 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 5; Hammer, Die Gemeinnützigkeitsregelungen des Steuerrechts im Spiel der deutschen Staats- und Verfassungsentwicklung, StuW 1/2001, S. 19.

76 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 5; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuer-staat, 2012, S. 79.

77 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 5; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 51 Rn. 7.

78 Böttcher, Transnationale Strukturen unternehmerisch tätiger NPO, 2017, S. 5.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018C. Alders, Die partiell gemeinnützige (natürliche) Person, Schriften zum Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20793-9_2

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18 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

sung nimmt das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht das Begriffsverständnis des Körper-schaftsteuergesetzes in sich auf, obwohl es grundsätzlich auch einen eigenen, abweichenden persönlichen Anwendungsbereich definieren könnte.79 Diese Grundentscheidung prägt das Normgefüge des Gemeinnützigkeitsrechts. Zum einen sind die §§ 51-68 AO sprachlich und systematisch auf Körperschaften zugeschnitten und zum anderen wird im Besonderen Teil auf diesen persönlichen Anwendungsbereich des § 51 Abs. 1 AO ausdrücklich Bezug genom-men.80 Mit der Prägung geht zugleich einher, dass der Gesetzgeber im Rahmen des steuerli-chen Gemeinnützigkeitsrechts derzeit auf eine gleichwertige Statusanerkennung von Indivi-duen verzichtet.81

I Der Körperschaftsbegriff des § 51 Abs. 1 AO

Den Gemeinnützigkeitsstatus der Abgabenordnung können gemäß § 51 Abs. 1 AO in Verbin-dung mit § 1 Abs. 1 KStG folgende abschließend82 aufgezählte Körperschaften, Personenver-einigungen und Vermögensmassen erlangen: Kapitalgesellschaften (Nr. 1), Genossenschaften einschließlich der Europäischen Genossenschaften (Nr. 2), Versicherungs- und Pensionsver-eine auf Gegenseitigkeit (Nr. 3), sonstige juristische Personen des privaten Rechts (Nr. 4), nichtrechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen des privaten Rechts (Nr. 5) sowie Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Nr. 6). Hiervon abzugrenzen ist der Körperschaftsbegriff des Privatrechts.83 Nur grob skizziert um-fasst dieser von den Mitgliedern oder Stiftern verselbstständigte Verbände mit überindividuel-lem Verbandszweck,84 wobei Zwecksetzung und Bestimmung der Organisationsform in einer Satzung oder in einem satzungsähnlichen Geschäft erfolgen. Über einen Gründungsakt und weitere Voraussetzungen erlangt der Verband Rechtspersönlichkeit und wird nach einem je-

79 Obwohl das Gemeinnützigkeitsrecht durchaus einen eigenen persönlichen Anwendungsbereich definieren

könnte, auch abweichend vom Körperschaftsteuergesetz. Leisner-Egensperger, in: Hübsch-mann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 20.

80 Exemplarisch in den Normen § 5 Abs. 1 Nr. 9, Nr. 12, § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG, 10b Abs. 1 EStG, § 13 Abs. 1 Nr. 16b, § 17 ErbStG, § 3 Nr. 6, § 9 Nr. 5 GewStG, § 3 Abs. 1 Nr. 3b, § 4 Nr. 6 GrStG, § 4 Nr. 16b, 17a, 17b, 18, 20, 21, 22a, 23, 24, 25, § 4a, § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG, § 18 Nr. 2 Rennwett- und Lotteriegesetz und § 3 Nr. 5a KraftStG. Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 16; Gersch, in: Klein, AO, 2016, § 51 Rn. 2.

81 Diesen Umstand hinterfragend: Däubler, Der gemeinnützig handelnde Mensch, NJW 2003, 3319 (3319 f.). 82 BFH, GrS 4/82, BStBl. II 1984, S. 752: Aufzählung der Steuersubjekte in § 1 Abs. 1 KStG ist abschließend;

Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 20 ff.; Klein, in: Herr-mann/Heuer/Raupach, KStG, 2014, § 1 Rn. 3.

83 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 20. 84 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, § 22 II, S. 657.

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ADas Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung 19

weils über die Rechtsform gewählten gesetzlichen Rechtsrahmen willensbildungs- und hand-lungsfähig.85 Juristische Personen des Privatrechts sind demnach sowohl privatrechtlich als auch steuer-rechtlich (§ 1 Abs.1 Nr. 1-4 KStG) als Körperschaften zu qualifizieren. Anders dagegen nicht-rechtsfähige Vereine, nichtrechtsfähige Stiftungen und nichtrechtsfähige Zweckvermögen des privaten Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG) sowie Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG). An dieser Stelle entwickelt das Körperschaftsteuergesetz einen eigenen steuerlichen Körperschaftsbegriff, der im Umfang über sein privatrechtliches Pendant hinausgeht. Teilweise wird in der Literatur die Anerkennungsfähigkeit von nichtrechtsfähigen Rechtsge-bilden wie etwa des nichtrechtsfähigen Vereins oder der fiduziarischen Stiftung als Körper-schaften im gemeinnützigkeitsrechtlichen Sinne problematisiert.86 Für Leisner-Egensperger hat der Gesetzgeber mit der Anerkennung auch solcher Rechtsgebilde offensichtlich in Kauf genommen, dass über diesen Weg gemeinnützig gebundenes Vermögen in die Verwaltungs- und Verfügungsgewalt von natürlichen Personen oder Personengesellschaften gelangen kön-ne.87 Während sie die Statusfähigkeit von nichtrechtsfähigen Stiftungen aufgrund einer zu-mindest gewissen Kontrolle der Stiftungsaufsicht noch als gerechtfertigt ansieht,88 lehnt Ko-enig die Anerkennung gegen den Wortlaut ab, wenn in einer solchen Konstellation einer na-türlichen Person Vermögen zugewendet wird und die Erträge aus dem Vermögen gemeinnüt-zigen Zwecken entsprechend eingesetzt werden.89 Darüber hinaus weist Koenig auf die Ab-grenzungsprobleme zwischen dem nichtrechtsfähigen Verein und der Gesellschaft bürgerli-chen Rechts hin.90 In einem ähnlichen Spannungsfeld entwickelte sich die Frage nach dem Anknüpfungspunkt der gemeinnützigkeitsrechtlichen Anerkennung bei Betrieben gewerblicher Art von Körper-schaften des öffentlichen Rechts.91 Der Bundesfinanzhof sieht die juristische Person des öf-fentlichen Rechts als Körperschaftsteuersubjekt an, weil den nichtrechtsfähigen Betrieben

85 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, § 4 II, S. 60, 62. 86 BFH, v. 23.1.2003, IV R 75/00, BStBl. II 2003, 467, BFHE 201,278; Leisner-Egensperger, in: Hübsch-

mann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 21; Wallenhorst, in: Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, 2009, Teil A, Rn. 47 f.

87 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 21. 88 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 21. 89 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 51 Rn. 15. 90 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 51 Rn. 15. 91 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 24; Koenig, in: Koenig, AO, 2014,

§ 51 Rn. 15.

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20 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

gewerblicher Art die Handlungsfähigkeit fehle.92 Diesem Gedanken folgend, würde Zurech-nungssubjekt der Gemeinnützigkeit die juristische Person des öffentlichen Rechts sein, die ihrerseits allerdings bereits originär an das Gemeinwohl gebunden ist.93 Isensee hält daher den Staat, und damit auch juristische Personen des öffentlichen Rechts für konstitutionell gemein-nützigkeitsunfähig.94 Ausnahme seien hingegen die Betriebe gewerblicher Art von juristi-schen Personen des öffentlichen Rechts. Sie und nicht die Trägerkörperschaft, seien körper-schaftsteuerpflichtig und gemeinnützigkeitsfähig, da sie wie Privatunternehmen im Wettbe-werb agierten.95 Letztere Auffassung verbindet den Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG mit der verfassungsrechtlichen Erwägung der Gemeinwohlbindung des Staates und bietet zudem bei der gemeinnützigkeitsrechtlichen Prüfung eines Betriebes gewerblicher Art das gewohnte Muster aus steuerpflichtigem wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb (§ 64 AO) und Zweckbetrieb (§§ 65 ff. AO). Dieser Auslegung könnte hingegen der Wortlaut von § 51 Abs. 1 S. 3 AO entgegenstehen, der funktionale Untergliederungen (Abteilungen) von Körperschaften nicht als selbstständige Steuersubjekte anerkennt. Die Vorschrift soll insbesondere Steuervergüns-tigungen pro Abteilung und damit eine mehrfache Inanspruchnahme verhindern.96 Anerken-nungsfähig sollen stattdessen die Trägerkörperschaften sein, der einmal gebündelt Steuerver-günstigungen gewährt werden.97 Eine funktionale Untergliederung definiert sich dadurch, dass sie Teil einer Hauptkörperschaft ist und zu dieser in einem derartigen Über- und Unter-ordnungsverhältnis steht, dass die Hauptkörperschaft im Zweifel ihre Zweckverfolgungsinte-ressen durchsetzen kann.98 Große Sportvereine haben häufig mit den jeweiligen Abteilungen pro Sportart mehrere funktionale Untergliederungen. Ob eine solche Untergliederung vorliegt, ist ebenso im Einzelfall zu entscheiden wie die Frage nach dem Zurechnungssubjekt der Ge- 92 BFH, v. 13.3.1974, I R 7/71, BStBl. II 1974, 391, BFHE 112/61; BFH, v. 4.9.2002, I R 42/01, BFH/NV

2003, 511. 93 BVerfG, v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, Fraport, BVerfGE 128, 266; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im

Steuerstaat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfas-sung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 57 f.; Isensee/Knobbe-Keuk, Gutachten der Unab-hängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, 1988, 331, Sondervotum, S. 404 ff.; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 22; Hüt-temann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, 1991, S. 171.

94 „Dagegen ist der Staat in all seinen organisatorischen Ausprägungen von Verfassungs wegen zum selbstlo-sen, unmittelbaren, ausschließlichen Dienst für das Allgemeine Beste verpflichtet. Darin und in nichts ande-rem liegt seine raison d´étre. Daraus folgt, daß er konstitutionell gemeinnützigkeits-unfähig ist.“ Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 57 f.

95 Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewäh-rungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 58.

96 BT-Drs. 11/5582, v. 7.11.1989, S. 31. Denkbar wären Steuervorteile aus einer mehrfachen Inanspruchnahme der Besteuerungsgrenze des § 64 Abs. 3 AO, der Zweckbetriebsgrenze gemäß § 67a Abs. 1 AO, der Freibe-träge der § 24 KStG und § 11 Abs. 1 S. 3 GewStG sowie der Pauschalierungsmöglichkeit nach § 23a UStG. Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 32.

97 Gersch, in: Klein, AO, 2016, Vor § 51 Rn. 5; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 34.

98 Gersch, in: Klein, AO, 2016, Vor § 51 Rn. 5; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 36.

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ADas Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung 21

meinnützigkeit bei Betrieben gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.99 Diese und weitere Problembereiche, die sich im deutschen Ertragssteuerrecht aus Gründen der effektiven Besteuerung wirtschaftlicher Aktivitäten und des Dualismus der Ertragsbesteue-rung stellen,100 übernimmt der Allgemeine Teil des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts durch den Verweis des § 51 Abs. 1 S. 2 AO aus dem Körperschaftsteuerrecht.101

II Die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 52-68 AO

Daran anknüpfend werden nun die allgemeinen Voraussetzungen (§§ 52-58 AO), die Anfor-derungen an die Satzung und tatsächliche Geschäftsführung (§§ 59-63 AO) sowie die Einord-nung der wirtschaftlichen Betätigung gemeinnützig engagierter Rechtssubjekte (§§ 64-68 AO) näher dahingehend beleuchtet, ob auch die §§ 52-68 AO in ihrem Wortlaut und Telos eine Berücksichtigung von Einzelpersonen und Personengesellschaften ausschließen oder zumin-dest nicht nahelegen.102

1 Gemeinnützige Zwecke, § 52 AO

§ 52 AO ist der Ausgangs- und Mittelpunkt des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, er prägt der Normenkomplex namensgebend.103 In der Literatur herrscht Uneinigkeit darüber, ob Abs. 1 den Begriff der Gemeinnützigkeit in allgemeiner Hinsicht definiert oder ob er lediglich konkretisierungsbedürftige Elemente eines allgemeinen normativen Rahmens von Gegenstän-den und Formen gemeinnützigen Verhaltens enthält.104 Jedenfalls bauen viele steuerrechtliche Vergünstigungsnormen105 auf den Begriff der Gemeinnützigkeit auf und verweisen damit nicht nur auf die Tätigkeiten von Körperschaften, sondern auch von Einzelpersonen und Per-sonengesellschaften.106 Der Wortlaut des § 52 Abs. 1 AO erfasst hingegen nur Körperschaf-

99 BFH, v. 13.3.1974, I R 7/71, BStBl. II 1974, 391, BFHE 112/61; Leisner-Egensperger, in: Hübsch-

mann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 24, 36. 100 Martini, Das Verhältnis des persönlichen Körperschaftsteuertatbestandes zur Mitunternehmerschaft, DStR

2012, S. 388. 101 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 15, 20. 102 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 15; Seer, in: Tipke/Kruse, AO,

2017, § 55 Rn. 1. 103 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 7; Hüttemann, Gemeinnützigkeits-

und Spendenrecht, 2015, S. 5; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2012, S. 114; Hammer, Die Gemeinnützigkeitsregelungen des Steuerrechts im Spiel der deutschen Staats- und Verfassungsentwicklung, StuW 1/2001, S. 19.

104 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 8, 9. 105 Exemparisch: § 3 Nr. 26 EStG; § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG; § 13 Abs. 1 Nr. 16b, 17 ErbStG; § 3 Nr. 6 GewStG; §

4 Nr. 18a, 22a UStG; § 12 Abs. 2 Nr. 8a, b UStG; § 3 Abs. 1 Nr. 3 GrStG. Leisner-Egensperger, in: Hüb-schmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 23.

106 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 23; Hüttemann, Gemeinnützig-keits- und Spendenrecht, 2015, S. 10.

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22 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

ten. Sie verfolgen gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allge-meinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.

a Förderung auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet

Unter Förderung nach § 52 Abs. 1 AO ist jede Tätigkeit zu verstehen, die dem allgemeinen Besten nutzt.107 Sie muss das geförderte Gut voranbringen, vervollkommnen oder verbessern, einen Nutzen nach sich ziehen.108 Dabei bedarf es keines expliziten, konkreten Vollendungs-erfolges. Viel eher genügt ein auf das allgemeine Beste gerichtetes Verhalten wie beispiels-weise auch ernsthafte und erforderliche Vor- und Nachbereitungshandlungen.109 Auch Tätig-keiten, die nur mittelbar einen Nutzen für das allgemeine Beste stiften, können unter den Be-griff der Förderung fallen. Diese besteht dann nicht in einem Verhalten, das dem Geförderten unmittelbar zu Gute kommt, sondern etwa in der Förderung des gemeinnützigen Verhaltens Dritter (§ 52 Abs. 2 Nr. 25 AO).110 Der Nutzen kann auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet angestrebt werden.111 Während die Förderung mit materiellen Werten nach dem Bundesfinanzhof den Bereich des wirtschaftlichen Lebensstandards abdecke, werde mit Geistigem und Sittlichem der ideele Bereich der Vernunft und des Schöngeistigen angesprochen.112 Dabei bleiben die Bereich geistig und sittlich schwer unterscheidbar. Jedenfalls umfassen alle drei Gebiete zusammen all das, was überhaupt förderungsfähig sein soll. Einen Nutzen stiften auf diesen Gebieten können grundsätzlich auch Personengesellschaften und Einzelpersonen.

b Begriff der Allgemeinheit

Zudem muss die Tätigkeit der Körperschaft darauf gerichtet sein, die Allgemeinheit zu för-dern (§ 52 Abs. 1 S. 1 AO). Die Abgabenordnung sieht für den Begriff der Allgemeinheit keine Legaldefinition vor, sondern grenzt negativ ab.113 Die Allgemeinheit wird nicht geför-

107 So jedenfalls § 17 Abs. 2 StAnpG als Beschreibung der Rechtslage vor dem Inkrafttreten der Abgabenord-

nung und des § 52 Abs. 1 AO am 1.1.1977. BFH, 13.12.1978, I R 39/78, BStBl. II 1979, 482 (484), BFHE 127, 330; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 40.

108 BFH, v. 23.11.1988, I R 11/88, BStBl. II 1989, 391 (392), BFHE 155, 461; Leisner-Egensperger, in: Hüb-schmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 40; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 150.

109 BFH, v. 13.12.1978, I R 39/78, BStBl. II 1979, 482 (484), BFHE 127, 330; v. 23.11.1988, I R 11/88, BStBl. II 1989, 391 (392), BFHE 155, 461; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 40; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 151.

110 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 40. 111 Die drei Gebiete stehen in keinem Rangverhältnis und können gleichzeitig verwirklicht sein, erforderlich ist

aber nur eins („oder“). Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 41. 112 BFH, v. 23.11.1988, I R 11/88, BStBl. II 1989, 391 (392), BFHE 155, 461; Seer, in Tipke/Kruse, AO, 2017,

§ 52 Rn. 7; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 150. 113 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 55.

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ADas Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung 23

dert, wenn der Kreis der geförderten Personen fest abgeschlossen ist (Familie, Unternehmens-belegschaft) oder insbesondere nach räumlichen und beruflichen Merkmalen dauernd nur klein sein kann (§ 52 Abs. 1 S. 2 AO). Eine Förderung der Allgemeinheit liegt zudem nicht schon deswegen vor, weil eine Körperschaft ihre Mittel einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuführt (§ 52 Abs. 1 S. 3 AO). Allerdings schließt die Förderung kleiner Personenkreise eine Gemeinnützigkeit nicht per se aus.114 Sie darf nur nicht von vorneherein den partikulären Interessen eines fest abgeschlosse-nen Personenkreises dienen.115 Dies gilt aufgrund des individuell eingrenzenden Stifterwillens insbesondere für Stiftungen.116 Zweckbezogene Effizienz- oder Budgetgründe können nach Stimmen in der Literatur die Kleinheit der begünstigten Personengruppe rechtfertigen.117 Auch der Bundesfinanzhof schließt die Förderung nur kleiner Begünstigtenkreise als Aus-schnitte aus der Allgemeinheit nicht von vorneherein aus. Wenn eine Körperschaft allerdings hohe, insbesondere finanzielle Aufnahmebedingungen formuliert und dadurch nur für einen kleinen, exklusiven Personenkreis zugänglich ist, bildet sie keinen solchen Ausschnitt aus der Allgemeinheit ab und ist nicht als gemeinnützig anzuerkennen.118 In Rechtsprechung und Literatur wird die Inhaltsbestimmung der Allgemeinheit häufig mit den innerhalb der Gesellschaft herrschenden Werten begonnen und als durch diese Werte ständig neu geprägter, ausfüllungsbedürftiger unbestimmter Rechtsbegriff verstanden, der dem Zeitgeist und dem Wandel unterliege.119 Zur Anwendung bedürfe es eines Werturteils.120 Als dieses Werturteil prägende objektive Faktoren sieht der Bundesfinanzhof die herrschende Staatsverfassung, die sozialethischen und religiösen Prinzipien, die bestehende geistige und

114 Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 2010, S. 62; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und

Spendenrecht, 2015, S. 156 f. 115 BFH, v. 13.12.1978, I R 39/78, BStBl. II 1979, 482 (484 f.); Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spenden-

recht, 2015, S. 157. 116 Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, 1996, § 52 Rn. 13; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO,

2008, § 52 Rn. 66. 117 Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 2010, S. 62. 118 BFH, v. 13.12.1978, I R 39/78, BStBl. II 1979, 482 (485), BFHE 127, 330; v. 13.8.1997, I R 19/96, BStBl. II

1997, 794 (796), BFHE 183, 371. 119 BFH, v. 29.10.1997, BStBl. II 1998, 9 (10 f.); v. 13.12.1978, I R 39/78, BStBl. II 1979, 482 (485), BFHE

127, 330; Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (31); Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 52 Rn. 3; Gutachten der Unabhängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, BMF-Schriftenreihe, Heft 40, 1988, S. 80; Droege, Gemeinnüt-zigkeit im offenen Steuerstaat, 2012, S. 115; Wallenhorst, in: Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, Stiftungen und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 2009, S. 205 Rn. 30; Lang, Gemeinnützigkeitsabhängige Steuervergünstigungen, StuW 1987, 221 (223); Gmach, Neuer Rechtsprechung zum Recht der steuerbegünstigten Zwecke, FR 1995, 85 (86 f.); Hammer, Die Gemeinnüt-zigkeitsregelungen des Steuerrechts im Spiel der deutschen Staats- und Verfassungsentwicklung, StuW 1/2001, S. 19; Gast-de Haan, Die Förderung der "Allgemeinheit" als Voraussetzung für die steuerliche An-erkennung der Gemeinnützigkeit von Vereinen, DStR 1996, 405 (406).

120 Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 52 Rn. 3.

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24 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

kulturelle Ordnung, die Forschung, Wissenschaft und Technik, die vorhandene Wirtschafts-

struktur und die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse sowie die Wertvorstellungen und

die Anschauungen der Bevölkerung an.121 Für Gast-de Haan und Droege steht hinter der För-

derung der Allgemeinheit letztlich die Frage nach der (selbstlosen) Förderung des Gemein-

wohls.122

Leisner-Egensperger erweitert dieses Begriffsverständnis um eine zusätzliche Dimension und

hinterfragt es dahingehend, wer das genannte Werturteil treffen soll, wie die vorherrschenden

Werte im konkreten Einzelfall zu ermitteln sind und wer die Allgemeinheit ist.123 Für sie be-

deutet Förderung der Allgemeinheit stets Nutzen für und nach Meinung von einer großen,

vom Kreis der unmittelbar Berührten unabhängigen Zahl von Rechtsträgern.124 Die konkrete

Ermittlung der vorherrschenden allgemeinheitsfördernden Werte erfolge in demokratischen

Staaten über Mehrheitsentscheidungen.125 Tätigkeiten, die gesetzlich normierte Gemeinwohl-

belange verfolgen, seien durch die in ihnen repräsentierte volkssouveräne Mehrheitsentschei-

dung ex definitione allgemeinheitsfördernd. Einen hiervon abweichenden Nutzen und Willen

der Allgemeinheit könne es nicht geben.126 Anders dagegen, und das sei der Regelfall, wenn

zu treffende Wertentscheidungen nicht hinreichend gesetzlich normiert sind. Dann hätten die

Staatsinstanzen im Einzelfall, im Zweifel der Richter, - aus dem Blickwinkel des Gesetzge-

bers - darüber zu entscheiden, was allgemeinheitsfördernd (gemeinwohlförderlich) ist. Der

einzelne Rechtsanwender könne dies nicht zuverlässig feststellen, vor allem nicht die jeweils

Betroffenen unter sich.127

An dieser Stelle tritt die Problemlage um die gemeinnützigkeitsrechtliche Statusbeschrän-

kung auf Körperschaften deutlich hervor. Angenommen ein Gemeinwohlbelang wäre hinrei-

chend konkret gesetzlich normiert, so dass alleine die Tätigkeit der Zweckverfolgung dieses

Belanges ex definitione allgemeinheitsfördernd ist. Dann wäre in einem nächsten Schritt im

Kontext des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 Abs. 1 GG) danach zu fragen, warum denn nur

die von einer Körperschaft ausgehende allgemeinheitsfördernde Tätigkeit als gemeinnützig

anerkannt wird. Das Telos des Allgemeinheitsbegriffes ist im Kontext der Gemeinnützigkeit

121 BFH, v. 29.10.1997, BStBl. II 1998, 9 (10 f.); v. 13.12.1978, I R 39/78, BStBl. II 1979, 482 (485), BFHE

127, 330. 122 Gast-de Haan, Die Förderung der "Allgemeinheit" als Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung der

Gemeinnützigkeit von Vereinen, DStR 1996, 405 (405 f.); Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2012, S. 119. Auch: Gutachten der Unabhängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnüt-zigkeits- und Spendenrechts, BMF-Schriftenreihe, Heft 40, 1988, S. 80; Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements, 2002, S. 201 f.

123 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 57 ff. 124 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 60. 125 Ebenso BFH, v. 20.1.1972, I R 81/70, BStBl. 1972 II 440, BFHE 104, 534; Buchna/Seeger/Brox, Gemein-

nützigkeit im Steuerrecht, 2010, S. 58; a.A. Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 152. 126 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 62. 127 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 59, 63.

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ADas Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung 25

der Nutzen der Fördertätigkeit für die Gemeinschaft.128 Wenn nun gewisse Fördertätigkeiten dem Allgemeinheitsgebot genügen und die Tätigkeiten de lege lata nur dann anerkannt wer-den, wenn sie von Körperschaften ausgehen und nicht, wenn sie von Einzelpersonen und Per-sonengesellschaften ausgehen, obwohl die Tätigkeiten bei Körperschaften letztlich auch von natürlichen Personen ausgeführt werden, dann ist eine Anerkennungslücke festzustellen. Für diese Ungleichbehandlung von wesentlich gleicher Tätigkeit bedarf es einer sachlichen Recht-fertigung, die das Recht des bewusst nicht körperschaftlich organisierten, aber engagierten Individuums auf Teilhabe an der anerkannten Allgemeinheitsförderung berücksichtigen muss.

c Förderung bürgerschaftlichen Engagements

§ 52 Abs. 2 AO formuliert einen grundsätzlich abschließenden Katalog von konkreten ge-meinnützigen Zwecken, die unter den Voraussetzungen des Abs. 1 als Förderung der Allge-meinheit anzuerkennen sind.129 Unterfällt der von einer Körperschaft verfolgte Zwecke nicht dem Zweckkatalog, kann die Finanzverwaltung den Zweck abseits der Liste als gemeinnützig qualifizieren, wenn dadurch die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet gefördert wird und damit die Voraussetzungen des § 52 Abs. 1 AO vorliegen. Hervorzuheben ist § 52 Abs. 2 Nr. 25 AO, der die Förderung des bürgerschaftlichen Engage-ments zugunsten gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke seit 2007130 ausdrück-lich als gemeinnützigen Zweck deklariert. Somit ist die Förderung des gemeinnützigen Han-dels Dritter als (mittelbar) gemeinnützig anzuerkennen, vorstellbar ist beispielsweise eine Stiftung zur Förderung des Ehrenamts.131 Dem Wortlaut nach könnte nun § 52 Abs. 2 Nr. 25 AO auch das Handeln von Individuen mit in den Tatbestand des § 52 AO aufnehmen und insoweit das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht für natürliche Personen öffnen. Zudem scheint in der Literatur anerkannt, dass Einzelpersonen grundsätzlich, zumindest partiell, ge-meinnützig sein und handeln können.132 Nach Koenig sei zentraler Zweck der Begünstigung des § 52 Abs. 2 Nr. 25 AO das Herausheben der gesellschaftlichen Bedeutung des Ehrenam-tes, der Freiwilligenarbeit und des sozialen Engagements für Mitmenschen.133 Die Einrich-

128 BFH, v. 13.12.1978, I R 39/78, BStBl. II 1979, 482 (484), BFHE 127, 330; v. 23.11.1988, I R 11/88, BStBl.

II 1989, 391 (392), BFHE 155, 461; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 40; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 151.

129 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 52 Rn. 28; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 52 Rn. 102.

130 Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements, v. 10.10.2007, BGBl. I 2007, S. 2332 (2334 f.).

131 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 52 Rn. 42; Hüttemann, Gemeinnützig-keits- und Spendenrecht, 2015, S. 213.

132 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S.11; Hüttemann, Grundprinzipien des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (50); Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 169; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 52 Rn. 26.

133 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 52 Rn. 66.

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26 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

tung müsse hierzu keine anderen steuerbegünstigten Körperschaften materiell unterstützen und sei auch nicht auf eine bestimmte Art der Förderung beschränkt. Bürgerschaftliches En-gagement wäre „der soziale und Gemeinwohl fördernde freiwillige, persönliche Einsatz von Bürgern zur Erreichung gemeinsamer Ziele“134. Steuerbegünstigt sei somit nicht nur die un-mittelbare Verfolgung gemeinnütziger Zwecke, sondern auch die Stärkung des Bewusstseins für die Notwendigkeit des persönlichen Einsatzes aus altruistischen Beweggründen insge-samt.135 Einen ausdrücklichen Hinweis darauf, dass als Akteure nur Körperschaften für die Zweckverfolgung der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements in Betracht kommen, enthält der Wortlaut des § 52 Abs. 2 Nr. 25 AO jedenfalls nicht. Zudem hat es der Bundesfinanzhof abgelehnt, die konkreten Zweckbestimmungen des § 52 Abs. 2 AO im Lichte des Abs. 1 einschränkend auszulegen.136 Die im Beispielkatalog aufge-zählten Tätigkeiten seien schon nach der ausdrücklichen gesetzlichen Formulierung als Förde-rung der Allgemeinheit anzusehen.137 Diese gesetzgeberische Wertung im Rahmen des zuläs-sigen Gestaltungsspielraumes könne nicht unter Rückgriff auf § 52 Abs. 1 S. 1 AO in Frage gestellt werden.138 Auch der Zusatz „unter den Voraussetzungen des Abs. 1“ ändere daran nichts. Dieser richte sich primär an Fälle, in denen es an einer Förderung der Allgemeinheit fehle, weil beispielsweise der Kreis der Begünstigten zu klein sei. Hüttemann sieht eine Über-forderungsgefahr für die Rechtsprechung, wenn sie einzelne Katalogzwecke erneut auf ihre Gemeinwohlgerichtetheit (im Einzelfall) prüfen, mit anderen Katalogzwecken abwägen und diese dann im Wege einer „praktischen Konkordanz“ ausgleichen müsste.139 Er hinterfragt ganz generell, welche Bedeutung der allgemeinen Gemeinnützigkeitsdefinition des § 52 Abs. 1 S. 1 AO und insbesondere dem Tatbestandsmerkmal der Förderung der Allgemeinheit für die Auslegung des Zweckkatalogs zukommt.140

134 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 52 Rn. 66. 135 Hüttemann, Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements und seine Auswirkungen auf

das Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, DB 2007, 2053 (2054); Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 52 Rn. 66.

136 BFH, v. 29.10.1997, I R 13/97, BStBl. II 1998, 9 (10); Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 155.

137 BFH, v. 29.10.1997, I R 13/97, BStBl. II 1998, 9 (10); v. 13.12.1978, I R 64/77, BStBl. II 1979, 488, BFHE 127, 342; v. 20.1.1982, I R 256/78, BStBl. II 1982, 336, BFHE 135, 197; hierzu kritisch: FG Hessen, v. 29.10.1996, 4 K 1842/94, EFG 1997, 514; FG Nürnberg, v. 17.3.1986, I 264/83, EFG 1986, 621; Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 52 Rn. 17; Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (11, 18, 31); Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 49.

138 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 156. 139 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 156. Für eine solche Abwägung: Seer, in:

Tipke/Kruse, AO, 2017, § 52 Rn. 9; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 49.

140 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 155.

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ADas Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung 27

Dass der Ansichtsstreit über die Wechselwirkungen der § 52 Abs. 1 und Abs. 2 AO vor dem Hintergrund des Dogmas der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung auf Körper-schaften relevant werden kann und § 52 Abs. 2 Nr. 25 AO als Zeichen einer Loslösung von dem Dogma auszulegen ist, bleibt allerdings zu bezweifeln. Zwar fehlt ein Verweis auf Kör-perschaften im Wortlaut der Nr. 25. Auch die Intention des Gesetzgebers, von Einzelpersonen ausgehendes ehrenamtliches Engagement stärker zu würdigen,141 könnte in diese Richtung deuten. Allerdings ist der Wortlaut des § 51 Abs. 1 AO als Grundnorm des steuerlichen Ge-meinnützigkeitsrechts hinsichtlich seines persönlichen Anwendungsbereichs eindeutig. Zu-dem geht die Gesetzbegründung von keiner Erweiterung der vorstehenden gemeinnützigen Zwecke durch § 52 Abs. 2 Nr. 25 AO aus. Laut Stellungnahme des Finanzausschusses des Bundesrates ging es dem Gesetzgeber darum, Körperschaften mit einzubeziehen, die nicht selbst Zwecke des § 52 Abs. 2 Nr. 1-24 AO verfolgen, sondern die Verfolgung steuerbegüns-tigter Zwecke durch andere Körperschaften unterstützen. Als Beispiele werden Freiwilligen-agenturen oder Netzwerke zur Förderung von Bürgerschaftlichen Engagements genannt. Es sollte ein politisches Signal gesetzt werden, dass die Förderung bürgerschaftlichen Engage-ments ebenso wichtig ist wie das gemeinnützige Handeln selbst.142 Der Aussagegehalt der Norm beschränkt sich letztlich darauf, klarzustellen, dass eine Körperschaft auch dann als gemeinnützig anerkannt werden kann, wenn sie sich „ganz allgemein dafür einsetzt, das öf-fentliche Bewusstsein für den Sinngehalt und die Notwendigkeit bürgerschaftlichen Engage-ments in steuerbegünstigten Bereichen zu fördern“143.

2 Mildtätige und kirchliche Zwecke, §§ 53-54 AO

Als weitere steuerbegünstigte Zweckbestimmungen sieht die Abgabenordnung die mildtätigen und die kirchlichen Zwecke vor. Eine Körperschaft verfolgt mildtätige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, Personen selbstlos zu unterstützen, die entweder aufgrund ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes oder wegen ihrer wirtschaftlichen Situation auf die Hilfe anderer angewiesen sind (§ 53 AO).144 Kirchliche Zwecke verfolgt eine Körper-schaft, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, eine Religionsgemeinschaft, die Körperschaft des öffentlichen Rechts ist, selbstlos zu fördern (§ 54 AO). Die Abhandlung konzentriert sich auf das strukturelle Hinterfragen des Dogmas der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbe-schränkung auf Körperschaften und wird daher den inhaltlichen Gegenstand dieser beiden steuerbegünstigten Zweckbestimmungen nicht weitergehend diskutieren.

141 BT-Drs. 16/5200, v. 3.5.2007, S. 26. 142 BR-Drs. 663/1/12, v. 3.12.12, S. 2. 143 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 213. 144 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 219 ff.; Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, 1996, §

52 Rn. 22 ff.

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28 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

3 Selbstlosigkeit, § 55 AO

Die Tätigkeit einer gemeinnützigen Körperschaft muss nach ihrer Satzung und tatsächlichen Geschäftsführung darauf gerichtet sein, die steuerbegünstigten Zwecke selbstlos zu fördern (§§ 59, 52-54 AO). Dabei findet sich die Selbstlosigkeit nicht ausdrücklich im Wortlaut von § 51 AO, der Grundnorm des Gemeinnützigkeitsrechts145. Sie wird viel eher über die Zweckbe-stimmungen der §§ 52-54 AO in den Tatbestand der Gemeinnützigkeit aufgenommen.146 Dar-über hinaus deutet § 55 AO, der die allgemeinen Voraussetzungen des Selbstlosigkeitsgebotes definiert, die herausgehobene Stellung und Bedeutung der Selbstlosigkeit neben den Geboten der Ausschließlichkeit und Unmittelbarkeit an.147

a Definitionsansätze

Gemäß § 55 Abs. 1 S. 1 AO erfolgt eine Förderung oder Unterstützung selbstlos, wenn dadurch nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt werden. Als eigenwirt-schaftliche Zwecke werden im ersten Halbsatz beispielhaft gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbszwecke erwähnt. Mit dem Verweis des zweiten Halbsatzes auf die folgenden Voraus-setzungen wird auf die weiteren Regelungen in § 55 Abs. 1 Nr. 1-5, Abs. 2 und Abs. 3 AO verwiesen.148 Teile der Literatur definieren die Selbstlosigkeit als freiwillige Abgabe von ma-teriellen Mitteln oder von Arbeitsleistung ohne einen Anspruch auf Gegenleistung, d.h. ohne Streben nach eigenem Nutzen.149 Sie sei geprägt durch uneigennütziges, altruistisches, nicht den eigenen Vorteil suchendes Handeln zum Wohle Dritter.150 Im Mittelpunkt stünde die von eigenen Egoismen weitgehend befreite Motivation, das Wohl der Allgemeinheit zu fördern (Gemeinsinn).151 Droege hält es für konsensfähig, die Selbstlosigkeit als opferwilliges Han-deln unter Verzicht auf einen eigenen Nutzen zu beschreiben.152 Er rekurriert dabei auf den Bundesfinanzhof, der eine negative Abgrenzung dahingehend vornimmt, dass die Selbstlosig-keit nicht mehr vorliegt, wenn die eigene Opferwilligkeit zugunsten anderer wegfällt oder in den Hintergrund gedrängt wird und an deren Stelle in erster Linie Eigennutz tritt.153 Ein kon-kretes Indiz für selbstloses Handeln läge beispielsweise dann vor, wenn die Körperschaft zwar 145 Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 51 Rn. 1. 146 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 282; Wallenhorst, in: Wallenhorst/Halaczinsky,

Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, Stiftungen und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 2009, S. 108.

147 Wallenhorst, in: Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, Stiftungen und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 2009, S. 108.

148 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 282. 149 Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, 1996, § 55 Rn. 60; Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht,

2010, S. 124. 150 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 55 Rn. 4. 151 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 55 Rn. 4. 152 Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 201. 153 BFH, v. 13.12.1978, I R 39/78, BStBl. II 1979, 482 (485), BFHE 127, 330; v. 26.4.1989, I R 209/85, BStBl.

1989 II S. 670, BFHE 157/132.

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ADas Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung 29

entgeltlich tätig wird, das Entgelt aber unter den Selbstkosten der Leistung liegt.154 Leisner-Egensperger sieht keine einheitlich-zusammenfassende Charakterisierungsmöglichkeit und verweist auf die juristisch schwer fassbare Nomenklatur der Definitionsversuche. Begriffe wie altruistisch155, uneigennützig156, aufopfernd157, Opferwilligkeit158 ließen das erkennen. Viel eher formuliere § 55 AO eine Reihe einzelner Voraussetzungen.159 Hinzu käme, dass die Be-griffe auch von gewissen Motiven der Handelnden bei Ausführung der gemeinnützigen Tätig-keit ausgingen. Diese seien zwar ein Indiz für die Selbstlosigkeit, dürften aber bei der rechtli-chen Beurteilung der Gemeinnützigkeit keine Rolle spielen.160 Maßgeblich wären allein die objektiv feststellbaren Erscheinungsformen eines deutlich fremdnützigen Verhaltens. Eine subjektiv selbstlose Gesinnung im Sinne eines „Gemeinsinns“161 wäre tatbestandlich nicht vorgesehen. Das Gemeinnützigkeitsrecht sei kein Gesinnungsrecht.162 Den Gedanken der Überprüfbarkeit weiterführend, sei die Selbstlosigkeit anhand von betriebswirtschaftlichen Kriterien am Maßstab des konkreten materiellen Nutzens einer Tätigkeit für die Allgemein-heit (beziehungsweise des Eigennutzens) zu messen.163

b Prüfungssystematik

Die Selbstlosigkeit ist ein Tatbestandsmerkmal der steuerlichen Gemeinnützigkeit.164 Hierfür regelt § 55 AO allgemeine Voraussetzungen, die sodann durch die später zu erläuternden §§ 58-68 AO weiter konkretisiert und ergänzt werden.165 Prüfungssystematisch wird zunächst das Verbot der in erster Linie eigenwirtschaftlichen Förderung oder Unterstützung unter-sucht.166 Sodann sind die Ausgaben der Körperschaft unter dem Stichwort Verbot der 154 BFH, v. 24.7.1996, I R 35/94, BStBl. II 1996, 583, BFHE 181, 57; v. 20.7.1988, I R 244/83, BFH/NV 1989,

479. 155 Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 55 Rn. 2. 156 Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, 1996, § 55 Rn. 60; Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht,

2010, S. 124. 157 Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 55 Rn. 2. 158 BFH, v. 13.12.1978, I R 39/78, BStBl. II 1979, 482 (485), BFHE 127, 330; v. 26.4.1989, I R 209/85, BStBl.

1989 II S. 670, BFHE 157/132. 159 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 19. 160 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 20. 161 Kraft, Die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1932, 315 (362

ff.); RFH, v. 27.4.1932, III A 929/31, RStBl. 1932, 970 (971); Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spenden-recht, 2015, S. 285.

162 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 20. 163 Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 55 Rn. 3; Wallenhorst, in: Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung

gemeinnütziger Vereine, Stiftungen und der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, 2009, S. 108; Gutachten der Unabhängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spen-denrechts, BMF-Schriftenreihe, Heft 40, 1988, S. 83; Lang, Gemeinnützigkeitsabhängige Steuervergünsti-gungen, StuW 1987, 221 (235).

164 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 15; Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, 1996, § 55 Rn. 2; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 282.

165 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 17. 166 Dieses Tatbestandsmerkmal steht rechtssystematisch dem Gebot der Ausschließlichkeit (§ 56 AO) nahe, weil

es dessen Voraussetzung, ausschließlich steuerbegünstigte satzungsmäßige Zwecke verfolgen zu dürfen, be-

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30 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

fremdnützigen Mittelverwendung dahingehend zu prüfen, ob die gemeinnützigkeitsrechtlich gebundenen Mittel satzungsgemäß (§ 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO) sowie zeitnah (§ 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 AO) eingesetzt wurden. Damit einhergeht die Kontrolle darüber, dass keine Mittel unerlaubt an Mitglieder (§ 55 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 AO), Dritte (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO) oder An-fallberechtigte (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO) ausgereicht wurden.167

c Verbot einer in erster Linie eigenwirtschaftlichen Förderung

Eine gemeinnützige Körperschaft darf gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AO nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgen. Für Gersch und Buchna/Seeger/Brox ist deshalb ein vorrangiges Eigennutzstreben der Körperschaft bezogen auf ihre Gesamttätigkeit schäd-lich.168 Andernfalls würden nach Ansicht von Leisner-Egensperger verschiedene Gefahren in die Gemeinnützigkeitssphäre hereingetragen. Beispielweise könnten eigenbetriebliche Gründe die Verzögerung des Mitteleinsatzes zur gemeinnützigen Zweckverfolgung auslösen oder gemeinnützig gebundene Mittel in unverhältnismäßiger Höhe eigenbetrieblich eingesetzt werden. Ein renditeorientiertes Unternehmen könnte sich aus Werbegründen ein gemeinnüt-ziges Rechtskleid schaffen, um eine bessere Wettbewerbsposition zu erlangen oder die Orga-ne der Körperschaft würden sich im Falle von Umsatzbeteiligungen vorrangig um die eigen-wirtschaftliche Tätigkeit der Körperschaft kümmern.169 Leisner-Egensperger sieht daher in § 55 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AO eine Vorgabe für den Umfang der wirtschaftlichen Aktivitä-ten zur Mittelbeschaffung. Jenes Renditestreben müsse in Intensität und Umfang gegenüber der gemeinnützigen Zweckverfolgung nachrangig erfolgen („nicht in erster Linie eigenwirt-schaftlich“) und die tatsächlich erwirtschafteten Mittel dürften nur für die gemeinnützigen satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft verwendet werden.170 Die Mittelbeschaffung über wirtschaftliche Aktivität dürfe sich nicht zum Selbstzweck der gemeinnützigen Körperschaft steigern und sei nur in diesen Grenzen zulässig.171 Bereits der Reichsfinanzhof hat die (ei-gen)wirtschaftliche Tätigkeit als Mittel zur Erfüllung eines gemeinnützigen Zwecks von der Zweckverfolgung unterschieden und selbst über die reine Vermögensverwaltung hinausge-hende Mittelbeschaffungsbetriebe unter dem Dach der Gemeinnützigkeit toleriert, solange diese nicht zum Hauptzweck der Körperschaft erwüchsen.172 Anlagekapital und gemeinnützig

einflusst. Es kann daher auch im Rahmen des § 56 AO geprüft werden. BMF, v. 31.01.2014, AEAO zu § 56 Nr. 1; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 31, 59, 120, § 56 Rn. 11; a.A. Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 286.

167 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 30. 168 Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 55 Rn. 2; Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 2010,

S. 124. 169 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 52-58. 170 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 50, 120. 171 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 51. 172 RFH, v. 2.12.1921, I A 113/21, RFHE 8, 339; v. 23.4.1929, I A 683/28, RStBl. 1929, 366; v. 17.7.1930, III A

6/30, RStBl. 1930, 702; v. 11.1.1934, III A 351/33, RStBl. 1934, 246.

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ADas Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung 31

verwendete Erträge dürften nicht in einem Missverhältnis stehen.173 Diese Rechtsprechungsli-nie wurde vom Bundesfinanzhof zunächst übernommen.174 Eine Körperschaft verfolge zwar eigenwirtschaftliche Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, ihr Vermögen und ihre Einkünfte zu erhöhen.175 Dennoch führe nicht jede gewinnorientierte Tätigkeit zum Aus-schluss der Selbstlosigkeit.176 Eine gemeinnützige Körperschaft dürfe die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes verfolgten eigenwirtschaftlichen Zwecke nicht in erster Linie verfolgen.177 Sie verfolge dann in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke, wenn sie vorrangig und nicht nur nebenbei ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen oder die Interessen ihrer Mitglieder oder Gesellschafter fördert.178 Wobei die Förderung der Mitglieder bei vielen gemeinnützigen Körperschaften notwendiges Nebenprodukt ihrer Tätigkeit sei. Die Selbstlo-sigkeit wäre in diesen Fällen erst dann nicht mehr anzunehmen, wenn der Eigennutz der Mit-glieder in den Vordergrund trete.179 Diese als Gepräge-Theorie in Literatur180, Rechtspre-chung181 und Finanzverwaltung182 früher überwiegend anerkannte Ansicht, haben der Bundes-finanzhof183 und die Finanzverwaltung184 inzwischen aufgegeben. Für Hüttemann ist der Umfang wirtschaftlicher Aktivitäten für das Gebot der Selbstlosigkeit unerheblich.185 Es sei unschädlich, wenn sich gemeinnützige Einrichtungen ganz oder über-wiegend durch steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe finanzieren. Das Verbot vorrangiger eigenwirtschaftlicher Zweckverfolgung beziehe sich lediglich auf die Mittelver-wendung (Wortlautargument „Förderung oder Unterstützung“), während es der Körperschaft gerade keine Grenzen hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Aktivitäten setze. Sie könne demnach grundsätzlich unbegrenzt zur Mittelbeschaffung gewinnorientiert handeln. Die Grenzen einer zulässigen wirtschaftlichen Betätigung ergäben sich allein aus dem Ausschließlichkeitsgebot

173 RFH, v. 28.5.1929, V A 564/28, RStBl. 29,575, RFHE 25,247; v. 11.1.1930, I A 610/29, RStBl. 1930, 111. 174 BFH, v. 26.4.1989, I R 209/85, BStBl. 1989 II, 670, BFHE 157 132; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und

Spendenrecht, 2015, S. 296 f. 175 BFH, v. 26.4.1989, I R 209/85, BStBl. 1989 II, 670, BFHE 157 132; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und

Spendenrecht, 2015, S. 296 f. 176 BFH, v. 27.4.2005, I R 90/04, BStBl. II 2006, 198, BFHE 209, 489; v. 13.12.1978, I R 39/78, BStBl II 1979,

482, BFHE 127, 330. 177 BFH, v. 26.4.1989, I R 209/85, BStBl. 1989 II, 670, BFHE 157 132. 178 BFH, v. 27.4.2005, I R 90/04, BStBl. II 2006, 198, BFHE 209, 489; v. 23.10.1991, I R 19/91, BStBl II 1992,

62, BFHE 165, 484. 179 BFH, v. 27.4.2005, I R 90/04, BStBl. II 2006, 198, BFHE 209, 489; v. 13.12.1978, I R 39/78, BStBl II 1979,

482, BFHE 127, 330. 180 Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, 1996, § 55 Rn. 5; Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht,

2010, S. 125 f.; Leisner-Egensperger, Die Selbstlosigkeit im Gemeinnützigkeitsrecht, DStZ 2008, 292. 181 BFH, v. 26.4.1989, I R 209/85, BStBl. 1989 II, 670, BFHE 157 132; v. 13.12.1978, I R 39/78, BStBl II 1979,

482, BFHE 127, 330; BFH, v. 27.4.2005, I R 90/04, BStBl. II 2006, 198, BFHE 209, 489. 182 BMF, AEAO Nr. 2 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1 alte Fassung. 183 BFH, v. 4.4.2007, I R 76/05, BStBl. II 2007, 631. 184 Streichung von AEAO Nr. 2 zu § 55 Abs. 1 Nr. 1. BMF, v. 17.1.2012, BStBl. I 2012, 83. 185 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 303.

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32 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

des § 56 AO (Finalitätsgebot).186 Grundsätzlich enthalte das Gebot der Selbstlosigkeit zwei Regelungsbereiche: Zum einen das Verbot einer vorrangigen Verfolgung eigenwirtschaftli-cher Zwecke (Selbstlosigkeit im engeren Sinne) und zum anderen die steuerrechtlichen Vor-gaben über die gemeinnützige Mittelverwendung. Bei Ersterem sei zwischen eigenwirtschaft-lichen Zwecken der Mitglieder und jenen der Körperschaft zu unterscheiden. Auf der Ebene der Körperschaft sei die objektive Gemeinnützigkeit durch die Verpflichtung zur ausschließli-chen Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke (§ 56 AO) hinreichend konkretisiert, so dass der Selbstlosigkeit an dieser Stelle keine Bedeutung zukommen könne. Bedeutung erfahre sie allerdings auf der Ebene der beteiligten Individuen. Hier könnten Fälle des „mittelbaren Ei-gennutzes“ auftreten. Diese zeichneten sich dadurch aus, dass die Förderung trotz gemeinnüt-ziger Zweckverfolgung auch den wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder/Beteiligten (sub-jektive Gemeinnützigkeit) dient.187 § 55 Abs. 1 Satz 1 AO solle diese Fälle ausschließen, so-fern durch die Fördertätigkeit der gemeinnützigen Körperschaft zugleich vorrangig eigenwirt-schaftliche Zwecke der Mitglieder/Beteiligten verfolgt würden. Dies könne auf zwei Wegen erfolgen, entweder die Mitglieder sind an der Zweckverwirklichung beteiligt und ziehen dar-aus Vorteile oder aber sie gehören zum Kreis der Geförderten (Personenidentität).188 Wird § 55 Abs. 1 Satz 1 AO auf diese Weise ausgelegt, dann stünden die Gebote der Selbstlo-sigkeit (subjektive Gemeinnützigkeit, Mitgliederebene) und der Ausschließlichkeit (objektive Gemeinnützigkeit, Verbandsebene) selbständig nebeneinander. Anders als die Förderung der Allgemeinheit, die sich auf die Förderung eines bestimmten Zweckes bezieht, beziehe sich nach dem Wortlaut des §§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO das Selbstlosigkeitsgebot nur auf die Mittelverwendungsseite bei den Mitgliedern, nicht aber auf die Mittelerzielung.189 Maßgeb-lich wären die Folgen des Wirkens der Körperschaft insgesamt. Bliebe der Nutzen für das Allgemeinwohl hinter dem Eigennutz der Beteiligten zurück, wäre das gemeinnützigkeits-schädlich.190 Festzustellen ist das Maß des Eigennutzens letztlich im Wege einer Gesamtschau der objektiven Umstände.191 Im Ergebnis wird in die Gesamtschau zur Prüfung des Verbots einer in erster Linie eigenwirtschaftlichen Förderung entweder mit Hüttemann192 nur die Mit-

186 BFH, v. 4.4.2007, I R 76/05, BStBl. II 2007, 631; BMF, v. 31.1.2014, AEAO zu § 56 Nr. 1; Hüttemann,

Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 303. Zustimmend: Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 55 Rn. 5.

187 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 284. 188 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 285. 189 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 286. 190 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 289 f. 191 Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 55 Rn. 2; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012,

§ 55 Rn. 63 f. 192 BFH, 4.4.2007, I R 76/05, BStBl. II 2007, 631; BMF, v. 31.1.2014, AEAO zu § 56 Nr. 1; Hüttemann, Ge-

meinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 303. Zustimmend: Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 55 Rn. 5.

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ADas Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung 33

telverwendungsseite einbezogen oder mit Leisner-Egensperger193 auch die wirtschaftlichen Aktivitäten zur Mittelbeschaffung. Teile der Literatur sehen die Anforderungen des Selbstlosigkeitsgebotes als wesentliches Ar-gument an, warum Einzelpersonen nicht mit eigenem Gemeinnützigkeitsstatus in das System der steuerlichen Gemeinnützigkeit einzubeziehen sind.194 Ihnen sei es zwar grundsätzlich möglich, partiell gemeinnützig zu sein, allerdings müssten sie zur Sicherung ihrer Existenz immer auch eigennnützig handeln.195 Das unterschiede sie von rechtsfähigen oder nichtrechts-fähigen Verbänden, die gegenüber ihren Mitgliedern und Gesellschaftern organisatorisch und vermögensrechtlich selbständig sind und einem überindividuellen Zweck dienen. Wolle der Gesetzgeber, dass sich die Vergünstigungen zweckgebunden auswirken und nicht zugleich auch dem privatnützigen Bereich der Engagierten zugutekommen, sei es sinnvoll, die Ver-günstigungen (und damit den Gemeinnützigkeitsstatus) auf Organisationen mit ausschließlich steuerbegünstigten Zwecken im Sinne des § 56 AO zu beschränken.196

d Verbot der fremdnützigen Mittelverwendung

Die Mittelverwendungsvorgaben finden sich § 55 Abs. 1 Nr. 1-5, Abs. 2 und Abs. 3 AO so-wie den §§ 58-68 AO. Sie sind von zentraler Bedeutung für gemeinnützige Körperschaften und Anknüpfungspunkt vieler Rechtfertigungsansätze der Steuervergünstigungen für gemein-nützige Tätigkeiten.197 Einige Regelungen sind vor dem Hintergrund des Dogmas der Status-beschränkung auf Körperschaften besonders bedeutsam, weil sie sich beispielsweise auf eine Satzung beziehen, die nach strenger Wortlautauslegung insbesondere für Einzelpersonen nicht vorgesehen ist.198 Aus diesem Grund werden im Folgenden ohne Anspruch auf abschließende Behandlung einige Mittelverwendungsvorgaben näher erläutert, um anschließend aus dem

193 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 79.Buchna/Seeger/Brox, Gemein-

nützigkeit im Steuerrecht, 2010, S. 125 f.; 194 Kröger, Steuerrecht und Nächstenliebe, DStZ 1986, 410; Hüttemann, Grundprinzipien des steuerlichen Ge-

meinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (50); Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 11. Unter anderer Begründung: Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 26.

195 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 11; Hüttemann, Grundprinzipien des steuerli-chen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (50); Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuer-staat, 2012, S. 169.

196 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 11. 197 Viele Rechtsfertigungsansätze berufen sich auf die Stichworte „Entlastung des Staates durch Private“ und

knüpfen insbesondere an die gemeinwohlwirksame und selbstlose Mittelverwendung an. Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, Vor §§ 51-68 Rn. 36; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 61; Isensee, Gemeinnützigkeit und Eu-ropäisches Gemeinschaftsrecht, DStJG Bd. 26, 2003, 93 (97 f.).

198 Vgl. Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 26,28.

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34 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

Gesetzeswortlaut und der Gesetzessystematik Argumente für und gegen das Dogma heraus-zuarbeiten.

aa Anwendungsbereich der Mittelverwendungsvorgaben

Als Mittel gelten grundsätzlich alle der Körperschaft zurechenbare Vermögenswerte und nicht nur die durch Spenden, Zuschüsse, Aufnahmegebühren, Mitgliedsbeiträge und Erträge aus Vermögensverwaltung oder wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben eingeworbenen Geldbeträ-ge.199 Keine Anwendung finden die Regeln der Mittelverwendung allerdings auf das sat-zungsmäßig gebundene Grundstockvermögen, Stammkapital bei Kapitalgesellschaften, das durch Einlagen aufgebrachte Vereins- oder das Stiftungsvermögen und Zustiftungen sowie solche Zuwendungen, die unter der ausdrücklichen Zweckbestimmung „ins Vermögen“ er-folgten. Insofern ist aus dem weiten Verständnis des Mittelbegriffs ein engerer Anwendungs-bereich für die Mittelverwendungsvorgaben herauszuarbeiten.200

bb Satzungsmäßige Mittelverwendung

Als erste Mittelverwendungsvorgabe sieht § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO vor, dass die Mittel der Körperschaft nur für satzungsmäßige (steuerbegünstigte) Zwecke verwendet werden dürfen. Diese Grundregel ist zentraler Bestandteil des Selbstlosigkeitsverständnisses sowie der ge-samten Gemeinnützigkeitssphäre, weil sie den Großteil der in der Körperschaft anfallenden wirtschaftlichen Vorteile („freie Mittel“) an eine gemeinnützige Zweckverfolgung bindet und damit einem etwaigen Missbrauch durch Mittelverschiebung in die Privatsphäre vorbeugt. Sie erhält ihre Effektivität dadurch, dass sie auf betriebswirtschaftlich erfassbare Zahlenwerte aufbaut und auf diese Weise jede konkrete Mittelverwendung nachprüfbar sowie einer Ange-messenheitsprüfung zugänglich macht. Eine Ausnahme zur Mittelverwendung zu Satzungs-zwecken findet sich in der Mittelverwendung für die zwingend untergeordnete eigenwirt-schaftliche Tätigkeit unter den zusätzlichen Voraussetzungen der §§ 59, 62 AO.201

cc Zeitnahe Mittelverwendung, § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO

Die satzungsmäßige Mittelverwendung muss zeitnah erfolgen (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO), das heißt spätestens in den auf den Zufluss folgenden zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren. Als Verwendung gilt auch die Anschaffung oder Herstellung von Vermögensgegenständen, sofern sie satzungsmäßigen Zwecken dienen. Ausnahmen bieten unter weiteren Voraussetzungen die 199 BFH, v. 23.10.1991, I R 19/91, BStBl. II 1992, 62 (64), BFHE 165, 484; Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 55

Rn. 4; Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 55 Rn. 10; Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, 1996, § 55 Rn. 7; Buch-na/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 2010, S. 132.

200 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 131 f. 201 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 136 f., 143; Buchna/Seeger/Brox,

Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 2010, S. 125.

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ADas Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung 35

Möglichkeiten der Rücklagen- und Vermögensbildung (§ 62 AO). Die Körperschaft soll letzt-lich dafür sorgen, dass die Mittel nicht thesauriert werden,202 sondern so zeitnah wie es bei wirtschaftlicher Betrachtung sinnvoll ist, für satzungsmäßige Zwecke genutzt und verbraucht werden.203

dd Verbot vorrangiger Mitgliedernützigkeit204

Die Mitglieder der gemeinnützigen Organisation dürfen gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 AO keine Gewinnanteile und in ihrer Eigenschaft als Mitglied auch keine sonstigen Zuwendungen aus den Mitteln erhalten. Die Gewinne sind gemeinnützig gebunden und können daher nicht ohne Gegenleistung in die Privatsphäre der Mitglieder/Gesellschafter ausgereicht werden. Besonders zu beachten sind dabei verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG).205 Eine Ausnahme hierzu findet sich in § 58 Nr. 2 AO für Gewinnausschüttungen an Mitglieder, die ihrerseits steuerbegünstige Körperschaften sind. Darüber hinaus sind sonstige Zuwendungen aus der Gemeinnützigkeitssphäre in die Privatsphäre der Mitglieder gemein-nützigkeitsschädlich. Zuwendung im Sinne dieser Vorschrift ist jedes Tun (Geldleistung), Dulden (Nutzung) oder Unterlassen (Ansprüche werden nicht durchgesetzt) ohne hinreichen-de Gegenleistung, so dass dem Mitglied mittelbar oder unmittelbar wirtschaftliche Vorteile in Form von Vermögensmehrungen zukommen.206 Genauer zu betrachten sind folglich die Leis-tungsbeziehungen zwischen Körperschaft und Mitglied sowie deren betriebswirtschaftliche Wertigkeit. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob der jeweilige Leistungsaustausch einem soge-nannten Fremdvergleich207 standhält, ob er also auch mit einem fremden Leistungspartner so erfolgt wäre. Erbringt ein Handwerker, der Mitglied in der gemeinnützigen Körperschaft ist, eine Handwerksleistung in seiner Eigenschaft als berufstätige Privatperson für die Körper-schaft, darf er diese marktüblich abrechnen. Eine gemeinnützigkeitsschädliche Zuwendung liegt dann nicht vor. Er muss der Körperschaft seine Leistung nicht unter dem Marktpreis an-bieten, nur weil er Mitglied ist.208 Besteht ein Leistungsaustausch, der sowohl den Gemein-wohlzwecken der Körperschaft dient als auch mitgliedernützig ist, bedarf es einer vergleich- 202 BFH, v. 13.9.1989, I R 19/85, BStBl. II 1990, 28, BFHE 158, 333; Wallenhorst, in: Wallen-

horst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, 2009, Teil C, Rn. 83. 203 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 55 Rn. 29; 204 Vgl. Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 179 ff. 205 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 191; Buchna/Seeger/Brox, Ge-

meinnützigkeit im Steuerrecht, 2010, S. 163. Zum Begriff verdeckte Gewinnausschüttungen: Ekkenga, in: Münchener Handbuch zum GmbHG, 2015, § 29, Rn. 253.

206 BFH, v. 23.10.1991, I R 19/91, BStBl. II 1992, 62 (64), BFHE 165, 484; Leisner-Egensperger, in: Hübsch-mann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 173 f.; Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (22, 32 f.); Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, 1996, § 55 Rn. 8.

207 BFH, v. 31.5.2001, IX R 78/98, BStBl. II 2001, 756, BFHE 195,392; Bode, in: Blümich, EStG, 2017, § 15 Rn. 377 f.; Wirfler, in: Beck´sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon, 2017, Stichwort Fremdvergleich.

208 BFH, v. 23.10.1991, I R 19/91, BStBl. II 1992, 62 (63), BFHE 165, 484; Leisner-Egensperger, in: Hübsch-mann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 174; Wallenhorst, in: Wallenhorst/ Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, 2009, Teil C, Rn. 108.

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36 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

baren Abwägung wie im Tatbestand des § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO („nicht in erster Linie“) dahingehend,209 welcher Nutzen überwiegt und damit im Vordergrund steht.210 So sind bei-spielsweise übliche und angemessene Sachzuwendungen unter dem Stichwort Annehmlich-keiten unschädlich.211 Im Falle des Ausscheidens eines Mitgliedes oder bei Auflösung oder Aufhebung der Körper-schaft dürfen die Mitglieder nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert geleisteter Sacheinlagen zurückerhalten (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 AO). Der gemeine Wert be-stimmt sich nach den Verhältnissen des Zeitpunktes, zu dem die jeweilige Sacheinlage geleis-tet wurde (§ 55 Abs. 2 AO). An Wertsteigerungen des Vermögens partizipieren die Mitglieder daher nicht.212

ee Verbot der Drittnützigkeit

Auch das Verbot der Drittnützigkeit213 stellt eine Mittelverwendungsvorgabe dar (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 AO). Hiernach darf keine dritte Person durch zweckfremde Ausgaben oder unverhält-nismäßig hohe Vergütungen begünstigt werden. Als dritte Personen gelten insbesondere die Organmitglieder und die Mitarbeiter der Körperschaft, aber auch alle anderen Rechtssubjekte, die mit der Körperschaft im Rechtsverkehr in Kontakt treten können.214 Über den Verweis auf § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 AO wird der dort definierte Zuwendungsbegriff215 übernommen. Für die Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit (Angemessenheit) von Vergütungen ist maßgeb-lich, was für eine vergleichbare Tätigkeit üblicherweise bezahlt wird (Drittvergleich).216

ff Grundsatz der Vermögensbindung

209 Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 55 Rn. 2. Die früher von der Finanzverwaltung vertretene sogenannte Geprä-

ge-Theorie wurde nach Kritik seitens des Bundesfinanzhofes (BFH, v. 15.7.1998, I R 156/94, BFH/NV 1999, 244) mit BMF-Schreiben vom 17.1.2012 verworfen. Danach war die Gemeinnützigkeit (mangels Selbstlo-sigkeit) zu versagen, wenn eine wirtschaftliche Tätigkeit der Körperschaft bei einer Gesamtbetrachtung das Gepräge gab (AEAO zu § 55 Nr. 2 alte Fassung). Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 63 f.

210 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 185; a.A. RFH, v. 17.7.1930, III A 6/30, RStBl. 1930, 702; v. 10.11.1932, III A 341/32, RStBl. 1933, 17; v. 25.7.1935, III A 378/34, RStBl. 1935, 1493; Wallenhorst, in: Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, 2009, Teil C, Rn. 107a.

211 Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, 1996, § 55 Rn. 8; Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 2010, S. 165 f.

212 Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, 1996, § 55 Rn. 9. 213 Vgl. Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 200. 214 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 203. 215 BFH, v. 23.10.1991, I R 19/91, BStBl. II 1992, 62 (64), BFHE 165, 484; Leisner-Egensperger, in: Hübsch-

mann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 173 f.; Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, 1996, § 55 Rn. 8. 216 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 203 f.; Buchna/Seeger/ Brox,

Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 2010, S. 168; Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, 1996, § 55 Rn. 11.

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ADas Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung 37

Nach dem Grundsatz der Vermögensbindung darf das Vermögen der gemeinnützigen Körper-schaft, soweit es die eingezahlten Kapitalanteile der Mitglieder und den gemeinen Wert der von den Mitgliedern geleisteten Sacheinlagen übersteigt, bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres bisherigen Zwecks, nur für steuerbegünstigte Zwecke ausgereicht werden (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 AO). Verlässt die Körperschaft also die Gemeinnützig-keitssphäre durch Auflösung, Aufhebung oder Wegfall der steuerbegünstigten Zwecke, soll ihr (steuervergünstigt gebildetes) Vermögen in der Gemeinnützigkeitssphäre verbleiben.217 Der Grundsatz ist im Zusammenhang mit § 55 Abs. 1 Nr. 2 AO zu sehen, nach dem die Mit-glieder bei ihrem Ausscheiden oder bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile oder den gemeinen Wert ihrer geleisteten Sacheinla-gen zurückerhalten dürfen.218 Die Vermögensbindung wird allerdings gewahrt, wenn das Vermögen einer anderen steuerbegünstigten Körperschaft oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts für steuerbegünstigte Zwecke - die Zwecke müssen nicht zwingend über-einstimmen - übertragen wird (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 AO).219 Jede Satzung einer gemeinnüt-zigen Organisation muss konkrete Vorgaben zur Anfallberechtigung enthalten.220

4 Ausschließlichkeit, § 56 AO

Grundvoraussetzung der Gemeinnützigkeit ist zudem das Gebot der Ausschließlichkeit (§ 56 AO). Es verlangt, dass eine gemeinnützige Körperschaft ausschließlich im Rahmen ihrer (steuerbegünstigten) Satzungszwecke tätig wird, wobei mehrere steuerbegünstigte, sich über-schneidende Zwecke nebeneinander verfolgt werden können.221 Betrachtet wird die Gesamttä-tigkeit der Körperschaft als organisatorische Einheit.222 Sie kann in der Satzung daher nicht zugleich begünstigte und nicht begünstigte Zwecken aufführen.223 Daraus wird ein Aufspal-tungsverbot in gemeinnützige (steuerfreie) und nicht gemeinnützige (steuerpflichtige) Aktivi-täten abgeleitet.224 Eine partielle Gemeinnützigkeit gäbe es in diesem Zusammenhang

217 BFH, v. 12.1.2011, I R 91/09, BFH/NV, 20111, 1111; Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 55 Rn. 27. 218 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 427. Kirchhain, Privatnützige Zuwendungen

gemeinnütziger Körperschaften, FR 2011, 640 (641). 219 Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, 1996, § 55 Rn. 14. Kirchhain, Privatnützige Zuwendungen gemeinnütziger

Körperschaften, FR 2011, 640 (642). 220 Kirchhain, Privatnützige Zuwendungen gemeinnütziger Körperschaften, FR 2011, 640 (641). 221 BFH, v. 20.12.1978, I R 21/76, BStBl. 1979, 496, BFHE 127, 360; v. 2.12.1955, III 99/55 U, BStBl. III

1956, 22, BFHE 62, 57; BMF, v. 31.01.2014, AEAO zu § 56 Nr. 2; Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 56 Rn. 1. 222 BFH, v. 20.12.1978, I R 21/76, BStBl. 1979, 496, BFHE 127, 360; Leisner-Egensperger, in: Hübsch-

mann/Hepp/Spitaler, AO, 2009, § 56 Rn. 3; Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, 1996, § 55 Rn. 2. 223 BFH, v. 20.12.1978, I R 21/76, BStBl. 1979, 496, BFHE 127, 360; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und

Spendenrecht, 2015, S. 247. 224 BFH, v. 20.12.1978, I R 21/76, BStBl. II 1979, 496, BFHE 127,360; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und

Spendenrecht, 2015, S. 248; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2009, § 55 Rn. 22; Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, 1996, § 56 Rn. 1; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2012, S. 181; Wallenhorst, in: Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, 2009, Teil C, Rn. 42.

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38 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

nicht.225 Abseits der gesetzlichen Ausnahmen wie wirtschaftliche Geschäftsbetriebe (§§ 64, 14 AO), Zweckbetriebe im Sinne der §§ 65-68 AO und der steuerlich unschädlichen Betäti-gungen (§ 58 AO) wird die Ausschließlichkeit jedenfalls dann gemeinnützigkeitsschädlich missachtet, wenn satzungsmäßig ein nicht steuerbegünstigter Zweck und/oder ein nicht in der Satzung aufgeführter Zweck verfolgt wird.226 Vor diesem Hintergrund beziehe sich § 56 AO nach Hüttemann lediglich auf die verfolgten Ziele, nicht aber auf die Mittel zu ihrer Verwirklichung.227 Leisner-Egensperger unterscheidet darauf aufbauend Ziel-Zwecke, die zwingend in der Satzung zu regeln sind und zwingend steuerbegünstigt sein müssen, und Mittel-Zwecke, die nach § 56 AO nicht zwingend steuer-begünstigt sein müssen und auch nicht zwingend in der Satzung stehen müssen, sondern Mit-tel für die Verfolgung der Ziel-Zwecke beschaffen sollen.228 Das Gebot der Ausschließlich-keit ist demnach vereinbar mit der Ausübung von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, Zweckbetrieben und Vermögensverwaltung. Der Anwendungsbereich der Ausschließlichkeit sei insoweit auf die ideele Sphäre der gemeinnützigen Körperschaft beschränkt.229 Für Hütte-mann tritt hier die Organisationsgebundenheit des Gemeinnützigkeitsrechts zu Tage. Der Ge-setzgeber beschränke die Steuervergünstigungen auf umfassend gemeinnützige Organisatio-nen.230 Partiell gemeinnützige Organisationen sind nicht anerkennungsfähig. Damit würden Zielkonflikte zwischen privat- und gemeinnützigen Aktivitäten vermieden und es wäre si-chergestellt, dass die Steuervergünstigungen nur den begünstigten Zwecken zu Gute kom-men.231 Dies stärke die Legitimation der steuerlichen Privilegierung gemeinnütziger Einrich-tungen, vor allem gegenüber Steuerpflichtigen, die nur partiell steuerbegünstigte Zwecke ver-folgen.232

5 Unmittelbarkeit, § 57 AO

Die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke (§§ 52-54 AO) müssen von der gemeinnüt-zigen Körperschaft selbst und damit unmittelbar verwirklicht werden (§ 57 AO). Im Mittel- 225 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 246; Leisner-Egensperger, in: Hübsch-

mann/Hepp/Spitaler, AO, 2009, § 56 Rn. 4. 226 BFH, v. 20.12.1978, I R 21/76, BStBl. 1979, 496, BFHE 127, 360; Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 56 Rn. 2;

Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 247; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2012, S. 181; Wallenhorst, in: Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Verei-ne, 2009, Teil C, Rn. 42.

227 Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, 1991, S. 30 ff.; Hüttemann, Ge-meinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 246; Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 56 Rn. 2.

228 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2009, § 56 Rn. 4, 5. 229 Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2012, S. 182. 230 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 248. 231 Hüttemann, Grundprinzipien des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (57); Hütte-

mann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 248; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuer-staat, 2012, S. 181.

232 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 248.

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ADas Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung 39

punkt steht nach dem Grundsatz der Selbstverwirklichung die personenbezogene (persönli-che233) Erfüllung der Vorgaben gemeinnütziger Zweckverfolgung.234 Die Förderung an sich und ein möglicherweise daraus resultierender Erfolg müssen auf die Tätigkeit der Körper-schaft selbst zurückzuführen sein.235 Insofern darf die gemeinnützige Tätigkeit Dritter grund-sätzlich nicht an eine nicht selbst gemeinnützig tätige Körperschaft vermittelt werden.236 Ent-scheidend ist, ob eine Körperschaft entsprechend ihrer gemeinnützigen Zielsetzung die eige-nen Satzungszwecke verwirklicht.237 Dabei bezieht sich der Unmittelbarkeitsgrundsatz auf die Verwirklichung der satzungsmäßig verfolgten Zwecke insgesamt und nicht auf jede Einzel-maßnahme.238 So sind auch Vor- und Nachbereitungen zur Zweckverwirklichung oder Mittel-beschaffung (als mittelbare Maßnahmen) von § 57 AO gedeckt. Zudem gilt es als unmittelbar, die Zweckverfolgung gemeinschaftlich mit anderen steuerbegünstigten oder nicht steuerbe-günstigten Körperschaften auszuführen, sofern eine eigene Beteiligung im Sinne einer Mit-verantwortung vorliegt.239 Als unmittelbar gemeinnützige Tätigkeit der Körperschaft gilt nach § 57 Abs. 1 Satz 2 AO auch das Handeln von Hilfspersonen, wenn nach den rechtlichen und tatsächlichen Beziehun-gen zwischen Hilfsperson und Körperschaft, das Wirken der Hilfsperson wie eigenes Handeln der Körperschaft anzusehen ist. Insoweit ist eine Vermittlung/Übertragung von gemeinnützi-gem Handeln zulässig.240 Organe der Körperschaft, sonstige Vertreter oder Erfüllungsgehilfen sind keine Hilfspersonen, ihr Verhalten wird der Körperschaft selbst als eigenes Verhalten nach allgemeinen Grundsätzen zugerechnet.241 Hilfspersonen können alle Rechtssubjekte sein, auch solche ohne Körperschaftsstatus.242 Sie müssen lediglich einen konkreten Auftrag 233 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 261; Seer/Wolsztynski, Steuerrechtliche Ge-

meinnützigkeit der öffentlichen Hand, 2002, S. 156. 234 BFH, v. 18.12.2007, I R 15/02, BStBl. II 2003, 384, BFHE 201, 395; Leisner-Egensperger, in: Hübsch-

mann/Hepp/Spitaler, AO, 2009, § 57 Rn. 4; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 261; Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, 1991, S. 26 ff.; Hütte-mann/Schauhoff, Die „unmittelbare Gemeinnützigkeit” – eine unmittelbare Gefahr für gemeinnützige Kör-perschaften, FR 2007, 1133; Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 2010, S. 200.

235 Schauhoff, in: Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2010, § 9 Rn. 45; Hüttemann, Gemeinnützig-keits- und Spendenrecht, 2015, S. 261; Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 57 Rn. 2.

236 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2009, § 57 Rn. 4 f. 237 BFH, v. 17.2.2010, I R2/08, BStBl. II 2010/1006, BFHE 228, 388; Schauhoff, in: Schauhoff, Handbuch der

Gemeinnützigkeit, 2010, § 9 Rn. 45; Hüttemann/Schauhoff, Die „unmittelbare Gemeinnützigkeit” – eine un-mittelbare Gefahr für gemeinnützige Körperschaften, FR 2007, 1133; Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 57 Rn. 2.

238 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 262. 239 FG Hamburg, v. 8.12.1997, II 98/95, EFG 1998, 916; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht,

2015, S. 262; Schauhoff, in: Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, § 9 Rn. 45. 240 BMF, v. 31.01.2014, AEAO zu § 57 Nr. 2 S. 10; Wallenhorst, in: Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung

gemeinnütziger Vereine, 2009, Teil C, Rn. 49. 241 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2009, § 57 Rn. 6; Hüttemann, Gemeinnützigkeits-

und Spendenrecht, 2015, S. 266; Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 57 Rn. 3. 242 BMF, v. 31.01.2014, AEAO zu § 57 Nr. 2 S. 3; Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht,

2010, S. 205.

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nach den Weisungen der Körperschaft ausführen.243 Den Nachweis über die Weisungsgebun-denheit im Innenverhältnis hat die gemeinnützige Körperschaft durch Vorlage entsprechender Vereinbarungen zu führen. Außerdem ist nachzuweisen, dass die Satzungs- und Weisungs-mäßigkeit der Tätigkeit der Hilfspersonen überwacht wird.244 Für Hüttemann ist das entschei-dende Kriterium dabei hingegen nicht die Weisungsgebundenheit, sondern das bewusste Ein-binden des Dritten in die Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft. Dieses läge bei Arbeitnehmern, Vereinsmitgliedern, Auftragnehmern und auch Werkunternehmern (obwohl zivilrechtlich gerade nicht weisungsabhängig) regelmäßig vor.245 Bedeutung erlangt der Status der Hilfsperson bei der rechtlichen Qualifikation einer Zusam-menarbeit zwischen mehreren steuerbegünstigten Organisationen, die gleichartige Zwecke verfolgen. Hierzu regelt § 58 AO in den Nummern 1, 2, 4 und 5 einige weitere Ausnahmen zum Unmittelbarkeitsgrundsatz, nach denen es unschädlich ist, wenn eine gemeinnützige Körperschaft Mittel beschafft für die Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke einer ande-ren Körperschaft oder ihre eigenen Mittel, Personen oder Räume im Rahmen der Zweckver-wirklichung überlässt. Eine Hilfsperson ist die beschaffende oder überlassende Körperschaft dann aber nicht ohne weiteres. Hierfür müsste sie im Rahmen eines unentgeltlichen Auftrags-verhältnisses oder entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages für die andere Körperschaft tätig werden.246 Ist dies nicht der Fall, stellt sich die Frage, ob die Tätigkeit der Hilfsperson nicht eine eigene steuerbegünstigte Tätigkeit darstellt.247 Zumindest verwirklicht sie auf den ersten Blick steuerbegünstigte Zwecke. Finanzverwaltung und Bundesfinanzhof waren zu-nächst der Auffassung, dass die Hilfsperson fremde gemeinnützige Zwecke ihres Auftragge-bers verfolge und durch ihre Tätigkeit jedenfalls keine eigenen gemeinnützigen Zwecke för-dere.248 In der gemeinnützigkeitsrechtlichen Praxis führte diese Auslegung allerdings zu Prob-lemen, vor allem im Umgang mit den bereits genannten arbeitsteilig agierenden Kooperatio-nen aus verschiedenen gemeinnützigen Körperschaften, die § 58 AO explizit vorsieht.249 Für Hüttemann kann die Hilfspersonentätigkeit an sich noch keine Gemeinnützigkeit der Hilfsperson begründen.250 Dies zeige das Zusammenspiel des § 57 Abs. 1 Satz 2 AO mit den

243 BMF, v. 31.01.2014, AEAO zu § 57 Nr. 2 S. 2; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S.

266. 244 BMF, v. 31.01.2014, AEAO zu § 57 Nr. 2 S. 2; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S.

266. 245 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 270. 246 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 270. 247 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 272. 248 BMF, v. 7.12.2002, BStBl. I 2003, S. 107; BFH, v. 7.3.2007, I R 90/04, BStBl. II 2007, 628; Hüttemann,

Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 272. 249 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 272 f. 250 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 272.

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ADas Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung 41

Ausnahmeregelungen der § 57 Abs. 2 AO und § 58 AO, die andernfalls nicht erforderlich wären und ohne Rechtswirkung blieben. Ungeachtet dessen sei aber auch die im Umkehr-schluss entwickelte These falsch, dass eine Hilfspersonentätigkeit niemals als eigene steuer-begünstigte Tätigkeit qualifiziert werden könne. Insbesondere nicht mit der Begründung, sie fördere nicht die Allgemeinheit, sondern nur die Zwecke der fremden gemeinnützigen Kör-perschaft. Diese These wäre vom Regelungsgehalt des § 57 AO nicht umfasst.251 Deshalb bedürfe es einer Entscheidung im Einzelfall. Bestünde die Hilfspersonentätigkeit maßgeblich aus der Erbringung entgeltlicher Dienstleistungen wie sie auch von privatwirtschaftlichen Unternehmen angeboten werden, dann wäre sie nicht als eigene steuerbegünstigte Tätigkeit zu qualifizieren. Anders dagegen, wenn die Hilfspersonentätigkeit zugleich der Verfolgung eige-ner satzungsmäßiger Zwecke dient. Dem stehe insbesondere nicht das Argument des Bundes-finanzhofes entgegen, dass § 57 Abs. 1 Satz 2 AO keine doppelte Zurechnung einer gemein-nützigen Tätigkeit zu mehreren Rechtssubjekten erlaube, weil die Norm das Handeln der Hilfsperson einem Dritten (Auftraggeber) wie eigenes Wirken zurechne.252 Die parallele Er-füllung eigener steuerbegünstigter Zwecke durch dieselbe Tätigkeit sei nicht zwingend ausge-schlossen.253 Die jüngere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs254 folgt dieser Argumentati-onslinie. Das Handeln als Hilfsperson begründe zwar für sich genommen noch keine steuer-begünstigte Tätigkeit, da es fremde gemeinnützige Zwecke des Auftraggebers fördere und damit nur mittelbar steuerbefreite Zwecke im Sinne der §§ 52-54 AO. Diese mittelbare Förde-rung reiche für eine eigene Steuerbefreiung grundsätzlich nicht aus. Gegenteiliges solle aber gelten, wenn die Körperschaft mit ihrer Hilfstätigkeit nicht nur fremde Zwecke verwirklicht, sondern zugleich eigene steuerbegünstigte Zwecke verfolgt.255 Dann wäre die Hilfstätigkeit als eigene steuerbegünstigte Tätigkeit des ausführenden Rechtssubjektes anerkennungsfähig. Dies sei jedenfalls bei arbeitsteilig agierenden Kooperationen zwischen Körperschaften im gemeinnützigen Sektor anzunehmen.256 Die Finanzverwaltung hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen.257 Es bleibt zu überlegen, ob die parallele Anerkennung auf arbeitsteilig agierende Kooperatio-nen von gemeinnützigen Körperschaften begrenzt bleiben soll, oder ob es denkbar wäre, auch

251 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 272 f. 252 Argument nach BFH, v. 7.3.2007, I R 90/04, BStBl. II 2007, 628. 253 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 274. 254 BFH, v. 17.12.2010, I R 2/08, BStBl. II 2010, 1006; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht,

2015, S. 274 f. 255 Durch die Statusbeschränkung des § 51 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 1 KStG können wiederum nur Kör-

perschaft im steuerliche Sinne eigene steuerbegünstigte Zwecke verfolgen. 256 BFH, v. 17.12.2010, I R 2/08, BStBl. II 2010, 1006. Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht,

2015, S. 274 f. 257 BMF, v. 31.01.2014, AEAO zu § 57 Nr. 2 S. 9 f.

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42 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

das gemeinnützige Wirken von Einzelpersonen im Rahmen ihres Engagements als partiell gemeinnützige Hilfsperson parallel zu würdigen.

6 Zusammenführung der formellen und materiellen Voraussetzungen

Nach den vorangestellten materiellen Anforderungen der Steuervergünstigung fasst § 59 AO diese Voraussetzungen zusammen und verbindet sie mit weiteren formellen Erfordernissen.258 So wird die Steuervergünstigung nur dann gewährt, wenn der in der Satzung der Körperschaft festgelegte Zweck den Anforderungen der §§ 52-57 AO genügt und zugleich die Geschäfts-führung der Körperschaft diese Satzungsbestimmungen tatsächlich ausführt.259 § 59 AO nimmt daher im System der steuerlichen Gemeinnützigkeit eine Doppelfunktion wahr: Zum einen normiert er den Grundsatz der satzungsmäßigen Gemeinnützigkeit und legt zum ande-ren die Anforderungen an die Satzung einer gemeinnützigen Körperschaft fest.260 Nach dem Bundesfinanzhof und der Literatur knüpfen die Steuervergünstigungen für gemein-nütziges Handeln an die schriftlich fixierten Ziele der Verbandstätigkeit an, die durch die Or-gane der Körperschaft zu beachten und umzusetzen sind.261 § 59 AO verlange zwingend die Anfertigung eines verbandskonstituierenden Organisationsvertrages, selbst dann, wenn die Satzung nur aus Gründen der gemeinnützigkeitsrechtlichen Prüfung erstellt wird.262 Als Or-ganisationsvertrag und Satzung sieht § 59 AO auch ein Stiftungsgeschäft und sonstige Verfas-sungen an. Damit gemeint sei ein von den Gründungsmitgliedern geschlossener Vertrag, der als Verfassung (körperschaftliche Grundordnung) das rechtliche Wollen der Körperschaft verbindlich bestimmt.263 Sofern eine Körperschaft keine Mitglieder habe, wie beispielsweise die Stiftung, wäre die Verfassung durch die sie errichtende Person aufzustellen. Im Rahmen der gemeinnützigkeitsrechtlichen Prüfung müsse jedes die Anerkennung beantragende Rechtssubjekt zwingend eine solche Verfassung vorweisen.264 § 59 AO fordert, dass die in dieser Verfassung (Satzung im Sinne der Norm) geregelten Zwecke, die §§ 52-57 AO nicht nur formell beachten, sondern diese auch praktisch umsetzen. Hierfür müssen die Zwecke und die Art ihrer Verwirklichung (geplante Geschäftsführung) in der Satzung so genau beschrie-

258 Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 1995, § 59 Rn. 6; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 59 Rn. 3. 259 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 59 Rn. 1; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 312. 260 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 310; Fischer, in: Hübsch-

mann/Hepp/Spitaler, AO, 1995, § 59 Rn. 3. 261 BFH, v. 31.10.1984, I R 21/81, BStBl. II 1985, 162, BFHE 142, 386; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 59 Rn.

1; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 312; Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, 1991, S. 18.

262 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 59 Rn. 1; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 312. 263 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 59 Rn. 1; Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 1995, § 59 Rn. 5;

Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 312; Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, 1991, S. 17 ff.

264 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 59 Rn. 1; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 312.

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ADas Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung 43

ben sein, dass alleine auf deren Grundlage die Voraussetzungen der Steuervergünstigung (vorab) geprüft werden können (§§ 60 Abs. 1 S. 1, 60a AO).265 Hinsichtlich der formellen Satzungsgestaltung ist insbesondere die Berücksichtigung der sat-zungsmäßigen Vermögensbindung zu beachten. § 61 AO regelt klarstellend, dass der Grund-satz der Vermögensbindung (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 AO) auf der verbandsrechtlichen Ebene in der Satzung hinreichend konkret verankert werden muss.266 Dies ist der Fall, wenn der Zweck, für den das Vermögen bei Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall des steuerbegünstigten Zwecks verwendet werden soll, derart bestimmt ist, dass aufgrund der Sat-zung die Prüfung möglich ist, ob dieser Verwendungszweck steuerbegünstigt ist. Die Muster-satzung in der Anlage 1 zu § 60 AO sieht hierzu unter § 5 eine sogenannte Anfall-Klausel vor. Häufig wird in der Satzung eine Regelung vorgesehen, das Vermögen in den genannten Fäl-len einer konkreten gemeinnützigen Körperschaft zuzuwenden, die es für ihre (oder konkret benannte) gemeinnützigen Zwecke verwendet, oder das Vermögen einer beliebigen gemein-nützigen Körperschaft zuzuwenden, die es für konkret benannte gemeinnützige Zwecke ein-zusetzen hat.267 Als anfallberechtigt darf keine Privatperson eingesetzt werden, auch nicht mit der Auflage, das Vermögen für steuerbegünstigte Zwecke zu verwenden.268 Im Ergebnis sol-len die korrespondierenden Regelungen der §§ 61, 55 Abs. 1 Nr. 4 AO sicherstellen, dass ge-meinnützig gebundenes (steuerfrei gebildetes) Vermögen die Gemeinnützigkeitssphäre nicht (jedenfalls nicht ohne die Konsequenz der Nachversteuerung) verlassen kann..269 Hinter den §§ 61, 55 1 Nr. 4 AO steht der Gedanke der Missbrauchsvermeidung, den Hütte-mann bereits im Rahmen des Selbstlosigkeitsgebots als Argument für eine Statusbeschrän-kung vorbrachte und der besagt, dass die Steuervergünstigungen nicht auch dem privatnützi-gen Bereich der Beteiligten zugutekommen sollen.270 Leisner-Egensperger nennt andere Ar-gumente für eine Statusbeschränkung. Für sie können natürliche Personen zwar grundsätzlich selbstlos handeln,271 der generelle Statusausschluss von Individuen folge aber aus einem an-deren Umstand. Bei privaten Einzelpersonen seien die Voraussetzungen eines Gemeinnützig-keitsstatus nicht in gleicher Weise feststellbar wie bei Körperschaften, insbesondere die Be-

265 BFH, v. 9.7.1986, I R 14/82, BFH/NV 1987, 632; v. 20.1.1972, I R 81/70, BStBl. II 1972, 440, BFHE 104,

534; Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 1995, § 60 Rn. 5; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 316; Schauhoff, in: Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2010, § 6 Rn. 88.

266 BT-Drs. VI/1982, v. 19.3.1971, S. 118; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 319. 267 Anlage 1 zu § 60 AO, § 5; Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 1995, § 60 Rn. 26. 268 Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 1995, § 61 Rn. 4; 269 Wallenhorst, in: Wallenhorst/Halaczinsky, Die Besteuerung gemeinnütziger Vereine, 2009, Teil C, Rn. 42;

Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 2010, S. 272. 270 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 11; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steu-

erstaat, 2012, S. 169. 271 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 59 Rn. 26.

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achtung des Satzungsgebotes nach §§ 59 ff. AO.272 Mangels Verfassung (Satzung im Sinne von § 59 AO) sei eine Nachprüfbarkeit nicht gewährleistet und deswegen auch ein Gemein-nützigkeitsstatus von Individuen grundsätzlich ausgeschlossen.273 Daneben unterliegt die praktische Tätigkeit der gemeinnützigen Körperschaft den Anforde-rungen an die tatsächliche Geschäftsführung gemäß § 63 AO. Sie muss auf die Erfüllung der satzungsmäßigen steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein und die Satzungsvorgaben über die Art der Erfüllung beachten.274 Weicht sie insoweit von der Satzung ab, werden grundsätz-lich nicht ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke verfolgt.275 Wobei nicht jede Inkongruenz von Satzung und Geschäftsführung sofort zur Aberkennung der Gemeinnüt-zigkeit führt.276 Den Nachweis über die Erfüllung der Anforderungen hat die gemeinnützige Körperschaft nach den allgemeinen Beweislastregeln und anhand ordnungsgemäßer Auf-zeichnungen über ihre Einnahmen und Ausgaben zu führen (§ 63 Abs. 3 AO).277 Gedanklich hinzu zu fügen sind § 145 Abs. 1 AO, nach dem die Buchführung einem sachverständigen Dritten in angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle sowie über die Lage des Unternehmens geben soll, und § 145 Abs. 2 AO, nach dem die Aufzeichnungen so vorzu-nehmen sind, dass sie den Zweck, den sie im Rahmen der Besteuerung erfüllen sollen, auch erreichen. Eine Buchführungspflicht besteht jedoch nicht für alle gemeinnützigen Körper-schaften, sondern nur für solche, die als Kapitalgesellschaften organisiert sind (Buchfüh-rungspflicht kraft Rechtsform278) oder deren wirtschaftliche Mittelbeschaffungstätigkeit einen gewissen Umfang überschreitet (dann besteht eine Buchführungspflicht nach §§ 140, 141 AO i.V.m. §§ 1, 2, 238 HGB). Allerdings sind auch abseits der Buchführungspflichten für ge-meinnützige Körperschaften alle Einnahmen und Ausgaben zeitnah unter Berücksichtigung des Zu- und Abflussprinzips geordnet nach ideeler Sphäre, Vermögensverwaltung, wirtschaft-lichem Geschäftsbetrieb und Zweckbetrieb gegenüberzustellen (Einnahmen-Ausgaben-

272 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 59 Rn. 26; ebenso Scholtz, in:

Koch/Scholtz, AO, 1996, vor § 51 Rn. 8. 273 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 59 Rn. 26. 274 BFH, v. 9.2.2011, I R 19/10, BFH/NV 2011, 1113, v. 16.5.2007, I R 14/06, BStBl. II 2007, 808, BFHE 217,

381; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 63 Rn. 2. 275 BFH, v. 23.07.2003, I R 29/02, BStBl. II 2003, 930, BFHE 203, 251; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 63 Rn.

1; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 325. 276 Zu Ausnahmen beispielsweise bei Anlaufschwierigkeiten in der Gründungsphase: BFH, v. 23.07.2003, I R

29/02, BStBl. II 2003, 930, BFHE 203, 251; Schauhoff, Begründung und Verlust des Gemeinnützigkeitssta-tus, DStJG Bd. 26, 2003, 133 (144); Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 63 Rn. 2.

277 BFH, v. 23.07.2003, I R 29/02, BStBl. II 2003, 930, BFHE 203, 251; v. 19.1.1994, I R 40/92, BFH/NV, 181; v. 17.8.1954, I 119/52 U, BStBl. 1954 III, 324, BFHE 59, 294; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 63 Rn. 8.

278 Graf, in: Münchener Kommentar zum HGB, Bd. 4, 2013, § 238 Rn. 4 ff.; Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, § 238 Rn. 4 ff.

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ADas Dogma der gemeinnützigkeitsrechtlichen Statusbeschränkung 45

Rechnung).279 Als Nachweis dienen zudem Geschäfts- und Tätigkeitsberichte sowie sonstiger Schriftverkehr.280 Für Zuwendungen nach § 10b EStG bedarf es separater Aufzeichnungen, die jede Zuwendung und deren zweckentsprechende Verwendung dokumentieren (§§ 50 Abs. 4, 84 Abs. 3a EStDV). Das Bedürfnis nach einer Vorabprüfung der Gemeinnützigkeit von Körperschaften stammt insbesondere aus der Spenden- und Zuschusspraxis, in der Spender wie Spendenemp-fänger im Vorhinein die Sicherheit einer ex-ante-Anerkennung einfordern.281 Dadurch hat der Spender Gewissheit, dass er seine Spenden unter Vorlage der Spendenbescheinigung in seiner Steuererklärung geltend machen kann. Und der Spendenempfänger kann sich darauf verlas-sen, dass er gemeinnützig handelt, wenn er die Spenden wie beantragt verwendet. Der Ge-setzgeber nutzt hierfür das Instrument des Verwaltungsaktes, der in Form eines Grundlagen-bescheides über die Feststellung der satzungsmäßigen Voraussetzungen nach § 60a AO ergeht. 282

7 Wirtschaftliche Betätigung von gemeinnützigen Körperschaften

Das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht lässt neben der Verwirklichung steuerbegünstigter Zwecke (reine Fördertätigkeit, ideeler Bereich) die wirtschaftliche Betätigung zur Mittelbe-schaffung über die §§ 64, 65 ff., 14 AO ausdrücklich zu.283 Unter einer wirtschaftlichen Betä-tigung versteht § 14 Satz 1 AO grundsätzlich alle selbständigen, nachhaltigen Tätigkeiten, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden.284 Prägende Merk-male der wirtschaftlichen Betätigung sind die Entgeltlichkeit und die Erwerbsbezogenheit.285 Hierfür ist regelmäßig eine Teilnahme am Markt erforderlich.286 Die Betätigung betrifft somit nicht den ideelen Bereich, in dem die Mittelverwendung erfolgen muss und in dem die Kör-perschaft Vermögenswerte ohne Gegenleistung erhält (Mitgliedsbeiträge, Spenden, Zuschüs-se),287 sondern sie bezieht sich auf den wirtschaftlichen Bereich, in dem eigene Ressourcen

279 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 63 Rn. 8; Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 2010,

S. 275. 280 BFH, v. 23.07.2003, I R 29/02, BStBl. II 2003, 930, BFHE 203, 251; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 63 Rn.

8. 281 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 60a Rn. 1 f.; Schauhoff/Kirchhain, Steuer- und zivilrechtliche Neuerungen

für gemeinnützige Körperschaften und deren Förderer, FR 2013, 301 (305); Schütz/Runte, Das Ehrenamts-stärkungsgesetz – neue Impulse für den Non-Profit-Bereich?, DStR 2013, 1261 (1263).

282 Schauhoff/Kirchhain, Steuer- und zivilrechtliche Neuerungen für gemeinnützige Körperschaften und deren Förderer, FR 2013, 301 (305).

283 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 493; Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 64 Rn. 32.

284 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 493; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 14 Rn. 18. 285 BFH, v. 2.3.1990, III R 77/88, BStBl. II 1990, 750, BFHE 160, 370; Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 14 Rn.

11; Fischer, in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 64 Rn. 33. 286 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 14 Rn. 13. 287 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 493; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 14 Rn. 18.

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erwerbsbezogen gegen Entgelt eingesetzt werden, um - abseits des ideelen Bereichs – weitere Mittel zur Förderung der steuerbegünstigten Zwecke zu beschaffen.288 Für den Oberbegriff der wirtschaftlichen Betätigung sieht die Abgabenordnung drei Katego-rien vor: die steuerfreie Vermögensverwaltung (§ 14 S. 3 AO), den steuerpflichtigen wirt-schaftlichen Geschäftsbetrieb (§ 64 AO) und den steuerbegünstigten Zweckbetrieb (§ 65 ff. AO). Die Kategorie wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb wird ausdrücklich abgegrenzt von der Vermögensverwaltung („über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinaus“), obwohl die Tätigkeit der Vermögensverwaltung erwerbsbezogen und entgeltlich erfolgt (§ 14 Sätze 1, 3 AO).289 Das ist darauf zurückzuführen, dass die Verwaltung eigenen Vermögens in bestimm-ten Grenzen als nicht hinreichend wettbewerbsrelevant angesehen wird und daher vom Telos des § 14 AO nicht erfasst werde.290 Unter Vermögensverwaltung ist ähnlich wie im Ertrags-steuerrecht die Fruchtziehung aus zu erhaltenden Substanzwerten zu verstehen. Erst wenn die Umschichtung der substanziellen Vermögenswerte in den Vordergrund rückt, tritt die reine Fruchtziehung hinter einer unternehmerischen Betätigung im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes (§ 64 AO) zurück.291 Als Beispiele vermögensverwaltender Tätigkeit nennt § 14 Satz 3 AO die verzinste Anlage von Kapitalvermögen oder die Vermietung und Verpachtung von Immobilien. Ertragssteuerlich sind gemeinnützige Körperschaften umfassend von der Körperschaftsteuer befreit (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG), eine Ausnahme gilt allerdings für steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe (§ 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG). Diese abweichende steuer-liche Behandlung ist aus Gründen der Wettbewerbsneutralität gegenüber anderen Marktteil-nehmern geboten.292 Für die Begriffsdefinition des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes ver-weist § 64 AO auf § 14 AO. Demnach ist jede selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen ei-ner Vermögensverwaltung hinausgeht als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu qualifizieren (§ 14 Satz 1 AO). Eine Gewinnerzielungsabsicht ist nicht erforderlich (§ 14 Satz 2 AO). Unter-hält eine gemeinnützige Körperschaft einen solchen Geschäftsbetrieb, so verliert sie die Steu-erbefreiung für die insoweit zuzuordnenden Besteuerungsgrundlagen wie Einkünfte, Umsätze

288 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 493. 289 Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 64 Rn. 33. 290 BFH, v. 25.5.2011, I R 60/10, BStBl. II 2011, 858, BFHE 234, 59; v. 25.8.2010, I R 97/09, BFH/NV 2011,

312; Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 14 Rn. 8; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 497; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 14 Rn. 22.

291 BFH, v. 8.8.1979, I R 186/78, BStBl. II 1980, 106, BFHE 129, 177; v. 25.10.1988, VIII R 262/80, BStBl. II 1989, 291, BFHE 154, 536; v. 7.3.1996, IV R 2/92, BStBl. II 1996, 369, BFHE 180, 121; v. 19.2.1997, XI R 1/96, BStBl. II 1997, 399, BFHE 182, 567; BMF, v. 26.3.2004, IV A 6, BStBl. I 2004, 434; Koenig, in: Ko-enig, AO, 2014, § 14 Rn. 22; Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 14 Rn. 13. Konkrete Anwendungsbeispiele fin-den sich bei Hutter, in: Blümich, EStG, 2017, § 18 Rn. 203-206.

292 BFH, v. 13.8.1986, II R 246/81, BStBl. II 1986, 831, BFHE 147, 299; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 64 Rn. 2.

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und Vermögen (partielle Steuerpflicht), soweit die Einnahmen daraus inklusive Umsatzsteuer aber ohne Zweckbetriebe 35.000 Euro jährlich überschreiten (§ 64 Abs. 1, 3 AO).293 Zweckbetriebe sind wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, werden aber aufgrund unterschiedli-cher steuerlicher Behandlung hiervon abgegrenzt. Die Aktivitäten der Geschäftsbetriebe lie-gen außerhalb der gemeinnützigen Betätigung der Körperschaft und die Förderung der ideelen Zwecke erfolgt über die Mittelbeschaffung.294 Ein Zweckbetrieb ist gegeben, wenn ein Ge-schäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung mit den steuerbegünstigten Zwecke als Einheit un-trennbar verwoben ist (§ 65 Nr. 1 AO),295 diese Zwecke nur durch einen solchen Geschäftsbe-trieb zu verwirklichen sind (§ 65 Nr. 2 AO) und der durch den Betrieb ausgelöste Wettbewerb auf das zur Erfüllung unvermeidbare Maß begrenzt wird (§ 65 Nr. 3 AO).296 Bei Zweckbe-trieben fallen wirtschaftliche Betätigung und steuerbegünstigte Zweckförderung damit zu-sammen.297 Neben dem Grundtatbestand für Zweckbetriebe in § 65 AO, regeln die §§ 66-68 AO konkrete Einzelfälle von Zweckbetrieben als Katalogtatbestände, die § 65 AO als lex spe-cialis vorgehen.298 Aus dem Zusammenspiel der ideelen und der wirtschaftlichen Betätigung ergibt sich ein Vier-Sphären-Modell,299 das jede Tätigkeit und insbesondere die Einnahmen der gemeinnützigen Körperschaft einer bestimmten Sphäre zuordnen kann. Neben der ideelen Sphäre gibt es die weiteren Sphären der steuerbefreiten Vermögensverwaltung, der steuerbegünstigten wirt-schaftlichen Geschäftsbetriebe als Zweckbetriebe und der steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe. Die Zuordnung der Einkünfte, insbesondere die separate Erfassung der steuerbaren und steuerpflichtigen Einnahmen gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 1-7 EStG, bezweckt nach dem Bundesfinanzhof eine effektive Besteuerung und zugleich eine effektive Durchsetzung der Steuervergünstigungen für gemeinnütziges Engagement.300

293 BFH, v. 27.3.1991, I R 31/89, BStBl. II 1992, 103, BFHE 164, 508; Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 64 Rn. 3,

7; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 64 Rn. 2. 294 BFH, v. 21.8.1985, I R 60/80, BStBl. II 1986, 88, BFHE 145, 33; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 64 Rn. 5. 295 BFH, v. 10.5.1955, I 173/53 U, BStBl. III 1955, 177, BFHE 60, 464; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 65 Rn.

5. 296 BFH, v. 13.6.2012, I R 71/11, BFH/NV 2013, 89; v. 10.5.1955, I 173/53 U, BStBl. III 1955, 177, BFHE 60,

464; Lang, Gemeinnützigkeitsabhängige Steuervergünstigungen, StuW 1987, 221 (241); Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 65 Rn. 8.

297 BFH, v. 6.4.2005, I R 85/04, BStBl. II 2005, 545, BFHE 209, 345; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 440; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 65 Rn. 5; Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 65 Rn. 3; Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 65 Rn. 31.

298 Helm/Haaf, Beck´sches Handbuch der GmbH, 2014, § 22 Rn. 44. 299 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 440; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 64 Rn. 9;

Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 64 Rn. 23. 300 BFH, v.7.8.2002, I R 84/01, BFH/NV, 2003, 277; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 65 Rn. 9.

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48 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

B Steuersystematische Auslegung

Ein Erklärungsansatz, warum die gemeinnützigkeitsrechtlichen Regelungen der §§ 51-68 AO in der Abgabenordnung und damit im Steuerrecht kodifiziert wurden, ergibt sich aus der Notwendigkeit des geltenden Fördersystems, die unter dem Dach der Gemeinnützigkeit zuläs-sige, aber steuerpflichtige wirtschaftliche Betätigung steuerrechtlich erfassen zu müssen. Ei-nen ähnlichen Ursprung könnte nun auch die Statusbeschränkung des § 51 Abs. 1 AO auf Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen haben. Das deutsche Steuer-recht folgt dem Grundsatz des Dualismus der Einkommensbesteuerung. Demnach wird das Einkommen von Körperschaften gemäß § 1 Abs. 1 KStG mit Körperschaftsteuer belegt, das Einkommen von natürlichen Personen gemäß § 1 Abs. 1 EStG mit Einkommensteuer. Mög-licherweise richtet sich die Statusbeschränkung daran aus. Jedenfalls sieht das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht einen Rechtsstatus der Gemeinnützigkeit nur für Körperschaften vor und verweist für den persönlichen Anwendungsbereich über § 51 Abs. 1 Satz 2 AO direkt in das Körperschaftsteuergesetz. Damit geht ein struktureller Ausschluss des Einkommensteuer-gesetzes und damit im Grunde der Ausschluss eines Rechtsstatus für natürliche Personen im Rahmen der §§ 51-68 AO einher. Ein solcher Status wäre die Schnittstelle, an welche Steuer-vergünstigungen sowie weitere Förderansätze für gemeinnütziges Engagement von Individu-en rechtssicher anknüpfen könnten. Diese Schnittstelle fehlt dem steuerlichen Gemeinnützig-keitsrecht für das Einkommensteuergesetz. Die Auswirkungen zeigen sich besonders in der Inkohärenz der im Folgenden dargestellten Förderansätze einer individuellen Gemeinnützig-keit im geltenden Freiwilligen-,301 Sozial-,302 und Steuerrecht303. Jeder Förderansatz muss zunächst einmal eigene Statusvoraussetzungen kodifizieren, um eine förderungswürdige ge-meinnützige Tätigkeit abgrenzen und erfassen zu können. Der Dualismus zwischen Einkommensteuer und Körperschaftsteuer besteht in Deutschland seit der Erzbergschen Finanz- und Steuerreform von 1919/1920.304 Die Gemeinnützigkeits-verordnung305 des Jahres 1953 als erste Fassung des heutigen steuerlichen Gemeinnützigkeits-rechts der §§ 51-68 AO ist demzufolge bereits unter dieser steuersystematischen Prämisse entstanden. Ungeachtet der Sinnhaftigkeit des genannten Dualismus zur effektiven Steuerer-fassung treten nun die Auswirkungen einer seit mehr als 70 Jahren geltenden, rein steuerli-chen Sichtweise auf die Gemeinnützigkeit samt Statusbeschränkung und Ausrichtung auf das 301 Siehe hierzu 3. Kapitel. 302 Siehe hierzu 4. Kapitel. 303 Siehe hierzu 5. Kapitel. 304 Kirchhof, in: Matthias Erzberger, seine Bedeutung als Finanzreformer für unsere Gegenwart, 2007; Lang,

Besteuerung vom Einkommen – Aufgabe, Wirkungen und europäische Herausforderungen, NJW 2006, 2209 (2209 f.).

305 Verordnung zur Durchführung der §§ 17–19 des Steueranpassungsgesetzes (Gemeinnützigkeitsverordnung), v. 24.12.1953, BGBl. I, S. 1592.

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B Steuersystematische Auslegung 49

Körperschaftsteuergesetz zu Tage. Diese Sichtweise ist grundsätzlich zu hinterfragen durch einen öffnenden Blick auf die Rolle der Gemeinnützigkeit im politischen System der Ge-meinwohlförderung. Sicherlich ist die Missbrauchsvorbeugung ein wichtiger Bestandteil jeder rechtlichen Erfassung der Gemeinnützigkeit. Die steuerliche Erfassung der gesamten Tätig-keit von gemeinnützigen Rechtssubjekten ist aber nur deswegen so bedeutend, weil den Orga-nisationen erwerbsbezogene Tätigkeiten zur Mittelbeschaffung unter dem Dach ihrer sonst ausschließlich gemeinnützigen Zweckrichtung möglich sind. Ein alternativer Ansatz wäre es, nur die gemeinnützige Tätigkeit innerhalb eines jeden Rechtssubjektes isoliert zu betrachten und in einem ersten Schritt von jeder wirtschaftlichen Betätigung zu lösen. Erwerbsbezogene Tätigkeiten wären nur abseits der Gemeinnützigkeitssphäre zulässig, wodurch die zwingende Notwendigkeit der steuerlichen Erfassung der Gemeinnützigkeit entfiele. Als Beispiel kann das Bundesfreiwilligendienstgesetz herangezogen werden, das einen eigenen Rechtsstatus für Individuen als partiell gemeinnützige Personen schafft. Es handelt sich dabei nicht um Steu-errecht, sondern das Steuerrecht knüpft an das Bundesfreiwilligendienstgesetz beispielsweise über §§ 3 Nr. 5 Buchst. f, 32 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. d EStG an. Vergeben wird der Status vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (§ 14 BFDG) und nicht von der Finanzverwaltung. Rechtssubjekte könnten nach diesem Ansatz sowohl partiell erwerbswirt-schaftlich tätig sein und wären in diesem Kontext steuerpflichtig, sie könnten aber auch parti-ell gemeinnützig agieren und wären in diesem Rahmen nicht steuerpflichtig. Je nach Ausrich-tung des Handelns könnte ein Rechtssubjekt mehrere Sphären in sich vereinen.306 In der Kon-sequenz gäbe es dann jedenfalls keine gesetzliche satzungsmäßige gemeinnützige Vermö-gensbindung (§§ 61, 55 Abs. 1 Nr. 4 AO) für die separate erwerbsbezogene Tätigkeit und auch keine Pflicht zur Verwendung der Gewinne zu steuerbegünstigten Zwecken. Die Zu-wendungen in die (eigene) Gemeinnützigkeitssphäre stünden zur Disposition des Rechtssub-jektes. Es müsste zudem weiterhin eine Abgrenzungsentscheidung im Einzelfall getroffen werden, wer wann und in welchem Umfang gemeinnützig tätig war, nur dass diese nicht zwingend von der Finanzverwaltung getroffen werden müsste. Jenem alternativen Ansatz wird sich die Abhandlung insbesondere im 7. Kapitel über eine de lege ferenda-Perspektive nähern. Jedenfalls hat der Gesetzgeber den politischen Willen der Nationalen Engagement-strategie307 zur Förderung von individuellem Engagement bislang nicht in das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht der §§ 51-68 AO integriert. Im Ergebnis ist der Dualismus der Ein-kommensbesteuerung ein wichtiger Erklärungsansatz für die Statusbeschränkung des § 51 Abs. 1 AO. Ein zwingendes Argument für eine Beibehaltung des Regelungszustandes er- 306 Hüttemann lehnt diese Möglichkeit zumindest de lege lata unter Berufung auf das Gebot der Ausschließlich-

keit des § 56 AO ab, dessen Regelungsgehalt sich in einem Aufspaltungsverbot erschöpfe. Die Tätigkeit ei-ner gemeinnützigen Körperschaft könne nicht in eine steuerfreie und eine steuerpflichtige Betätigung aufge-spalten werden. Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 247 f.; ebenso BFH, v. 20.12.1978, I R 21/76, BStBl. II 1979, 495, BFHE 127, 356.

307 BMFSFJ, Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung, 6.10.2010, S. 3, 5.

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50 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

wächst daraus jedoch nicht. Die Gemeinnützigkeit sollte sich in ihrer politischen Dimension als Instrument der Gemeinwohlförderung nicht aufgrund eines steuersystematischen Grund-satzes begrenzen müssen.

C Historische Betrachtung der Aufgaben und Ziele der Gemeinnützigkeit

Im Gegensatz zum sehr lange tradierten Inhalt und Telos des Regelungskomplexes der §§ 51-68 AO ist die Begriffsbezeichnung der „Gemeinnützigkeit“ eine Wortschöpfung des 19. Jahr-hunderts.308 Bereits im Mittelalter gab es privatrechtliche Organisationsformen zur Erfassung und Anerkennung der gemeinwohlfördernden Tätigkeiten von Privatpersonen.309 Als Ur-sprung werden häufig die sogenannten „piae causae“ (fromme Zwecke)310 genannt, die als christliche Wohltätigkeitsunternehmungen des 5./6. Jahrhunderts auf Kirchenrecht sowie auf den späteren justianianischen Codex als Teil des Corpus Iuris Civilis und damit auf römisches Recht zurückzuführen sind.311 Unter piae causae wurden damals unter anderem Zuwendun-gen für Seelenmessen pro salute animae (für das Wohlergehen der Seele), an Kirchen, Klös-ter, Hospitäler und an Studenten verstanden, an die Armen, Witwen und Ausstattung armer Mädchen, für das öffentliche Wohl in Form der Herstellung von Brücken und Wegen.312 Als Karl Martell nach dem Sieg über die Araber in der Schlacht bei Tours und Poitiers im Jahre 732 seinen Offizieren kirchliches (Grund)Vermögen zuwies, entbrannte sich schnell Streit um die Frage, wie mit den zweckgebundenen Zuwendungen der piae causae umgegangen werden sollte.313 Soll es eine gemeinnützige Sondervermögenssphäre innerhalb der Rechtskreise von natürlichen wie juristischen Personen geben, und wenn ja, wie könnte diese rechtsicher und möglichst missbrauchsabwehrend erfasst werden? Diese Frage ist auch im 21. Jahrhundert weiterhin aktuell. Die piae causae gingen im Laufe der Zeit in den heutigen steuerbegünstig-ten Zwecken der §§ 52-54 AO (gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke) auf und bis

308 Exemplarisch: Gesetz betreffend die den gemeinnützigen Aktien-Baugesellschaften bewilligte Sportel- und

Stempelfreiheit, v. 2.3.1867, Gesetzsammlung für die Königlich Preußischen Staaten. Schauhoff, in: Schau-hoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2010, Einleitung Rn. 16, 24.

309 Schauhoff, in: Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2010, Einleitung Rn. 16. 310 Als „fromme oder wohltätige Zwecke“ gedeutet von Krünitz, Johann Georg, Ökonomische Encyklopädie

oder Allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft, Bd. 113, 1810, Stichwort piae causa. 311 Steinwenter, Hans-Rudolf Hagemann, Die Stellung der Piae Causae nach justinianischem Recht, Zeitschrift

der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Romanistische Abteilung, Bd. 71, Heft 1, 493 (493); Schauhoff, in: Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2010, Einleitung Rn. 16; von Campenhausen, in: Seifart/von Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch, 2014, § 5 Rn. 7 f. Im Rechtskreis des Common Law, wie beispielsweise im Rechtssystem der Vereinigten Staaten, baut der Begriff der „charities“ ebenfalls auf die piae causae auf. Fries, Foundations in British Law, in: Hopt/Reuter, Stiftungsrecht in Europa, 2001, S. 372 f.; von Campenhausen, in: Seifart/von Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch, 2014, § 5 Rn. 9.

312 Schauhoff, in: Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2010, Einleitung Rn. 16; von Campenhausen, in: Seifart/von Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch, 2014, § 5 Rn. 8.

313 Von Campenhausen, in: Seifart/von Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch, 2014, § 5 Rn. 12.

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C Historische Betrachtung der Aufgaben und Ziele der Gemeinnützigkeit 51

heute besteht Uneinigkeit darüber, wer die genannten Zwecke, staatlich anerkannt und geför-dert, auf welche Weise verfolgen darf.314 Eine der ersten Kodifizierungen des Begriffes der Gemeinnützigkeit findet sich in diesem Kontext bereits 1867 im preußischen Gesetz betreffend die den gemeinnützigen Aktien-Baugesellschaften bewilligte Sportel- und Stempelfreiheit315. Darin wurde den gemeinnützi-gen Aktien-Baugesellschaften die Sportel- und Stempelfreiheit wie den öffentlichen Armen-anstalten bewilligt (§ 1), wobei mit Sporteln Gebühren für Amtshandlungen und mit Stempeln Stempelsteuern gemeint waren. Unter den Aktien-Baugesellschaften wurden gemäß § 2 Akti-engesellschaften verstanden, deren durch Statut bestimmter Zweck ausschließlich darauf ge-richtet ist, unbemittelten Familien gesunde und zweckmäßig eingerichtete Wohnungen in ei-gens erbauten oder angekauften Häusern zu billigen Preisen zu verschaffen. Mit Änderung des Gesetzes zu den Reichsstempelabgaben vom 27.4.1894 wurde der Status auf alle Aktien-gesellschaften mit gemeinnütziger Zwecksetzung erweitert.316 Ebenso waren in Sachsen juris-tische Personen, die ausschließlich kirchlichen, gemeinnützigen und wohltätigen Besoldungs- und Pensionszwecken dienten, und bestimmte Personenvereinigungen und Vermögensmas-sen, die aufgrund ihrer gemeinnützigen und wohltätigen Zweckverfolgung mit dem Recht auf Vermögenserwerb ausgestattet waren, gemäß § 6 Nr. 10 des Sächsischen Einkommensteuer-gesetzes in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 24.7.1900 von der Einkommensteuer befreit.317 Insofern ist bereits in diesem frühen Stadium der Entwicklung eines Gemeinnützig-keitsrechts neben der Ausrichtung auf bestimmte Zwecke auch eine Rechtsformbeschränkung festzustellen. Allerdings enthalten zwei im 19. Jahrhundert in Baden-Württemberg in Kraft getretene Gesetze erste Ansätze zur Erfassung einer Gemeinnützigkeit von Nichtkörperschaf-ten. Zum einen werden in dem Gesetz betreffend die Grund-, Gebäude- und Gewerbesteuer vom 30.4.1873 in Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 Gebäude, welche öffentlichen Zwecken dienen, ohne dem Eigentümer einen ökonomischen Nutzen abzuwerfen, von der Grundsteuer befreit. Zum anderen stellt das Gesetz zur Erbschaft- und Schenkungsteuer vom 26.12.1899 in Art. 5 Zu-wendungen zu kirchlichen, wohltätigen, Unterrichts- und sonstigen gemeinnützigen Zwecken von der Erbschaftsteuer frei. Letztere Steuerbefreiung findet sich heute nahezu wortgleich in § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG. 314 Beispielsweise zu der Frage, ob die Gesellschaft bürgerlichen Rechts in die Systematik der §§ 51-68 AO

passe und statusfähig sein sollte. Böttcher, Transnationale Strukturen unternehmerisch tätiger NPO, 2017, S. 20-43; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 51 Rn. 28; Hüttemann, Ge-meinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 128.

315 Gesetz betreffend die den gemeinnützigen Aktien-Baugesellschaften bewilligte Sportel- und Stempelfreiheit, v. 2.3.1867, Gesetzsammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1867, S. 385.

316 Gesetz wegen Abänderung des Gesetzes betreffend die Erhebung von Reichsstempelabgaben, v. 27.4.1894, Deutsches Reichsgesetzesblatt Regierungsblatt 1894, S. 369-380.

317 Königlich Sächsisches Einkommensteuergesetz, v. 2.7.1878 in der Fassung des v. 24,7.1900, § 6 Nr. 10.

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52 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

Diese Einzelregelungen wurden im Steueranpassungsgesetz vom 16.10.1934318 und später in der Verordnung zur Durchführung der §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes vom 16.12.1941319 zu einem ersten eigenen Normenkomplex zur Erfassung und Förderung von gemeinnützigem Engagement systematisch zusammengeführt. In dieser Verordnung wird sodann die Statusbeschränkung des heutigen § 51 Abs. 1 AO zum ersten Mal erwähnt und festgeschrieben. Gemäß § 1 Abs. 1 der Verordnung konnten steuerbegünstigte Zwecke nur von Körperschaften verfolgt werden, denen allerdings nach Abs. 3 Personenvereinigungen, Vermögensmassen und Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts gleichgestellt sind. In einem letzten Schritt wurden die §§ 17–19 StAnpG wortgleich als §§ 51–68 AO in die Ab-gabenordnung (AO 1977) aufgenommen, in der sie bis heute die Gemeinnützigkeit aus der steuerrechtlichen Perspektive erfassen.320 Besonders hervorzuheben sind in diesem Kontext die Protokolle der Sitzungen des Finanzausschusses zur Beratung über die Abgabenordnung. So fragte beispielsweise die Abgeordnete Meinike, ob es für die Gemeinnützigkeit unabding-bar sei, dass eine Körperschaft im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes vorliege. Der Minis-terialrat Scholtz bejahte dies, da „eine natürliche Person sich nicht völlig von dem ihr inne-wohnenden Gewinnstreben lösen könne“321. Auf Nachfrage des Abgeordneten von Bockel-berg erläuterte Scholz weiter: „Ein Verein gewährleiste die Erfüllung gemeinnütziger Zwecke besser als eine Personengesellschaft, der die gleichen Mitglieder angehörten, weil die Perso-nengesellschaft kraft Gesetzes Kaufmann und somit auf die Erzielung von Gewinnen ausge-richtet ist“.322 Das letzte Argument kann heute jedenfalls nicht mehr überzeugen, denn Perso-nengesellschaften sind nicht per se Formkaufleute nach § 6 HGB, jedenfalls nicht die Gesell-schaft bürgerlichen Rechts.323 Formkaufleute sind insbesondere Kapitalgesellschaften und die sind unproblematisch statusfähig nach § 51 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG.324 Die Eigenschaft als Formkaufmann entwickelt folglich in der Diskussion über die Statusbeschränkung kein durchgreifendes Argument. In der historischen Entwicklungslinie können somit zwar keine neuen Argumente für eine Statusbeschränkung ermittelt werden. Dennoch bleibt festzuhalten, dass es zu dem Thema der Statusbeschränkung des § 51 Abs. 1

318 Steueranpassungsgesetz (StAnpG), v. 16.10.1934, RGBl. I 1934, S. 925 (928-929). 319 Verordnung zur Durchführung des §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes vom 16.12.1941 (Reichsmi-

nisterialblatt S. 299), Reichssteuerblatt, 20.12.1941, S. 937-943. 320 Abgabenordnung (AO 1977), v. 16.3.1976, BGBl. I 1976, S. 613 (628-631). 321 Deutscher Bundestag, Kurzprotokoll zur 75. Sitzung des Finanzausschusses am 23.4.1975 in Bonn, BT 2014

5 75, S. 75/11. 322 Deutscher Bundestag, Kurzprotokoll zur 75. Sitzung des Finanzausschusses am 23.4.1975 in Bonn, BT 2014

5 75, S. 75/11. 323 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 2014, § 6 Rn. 1. 324 Hopt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 2014, § 6 Rn. 3.

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C Historische Betrachtung der Aufgaben und Ziele der Gemeinnützigkeit 53

AO im Finanzausschuss Nachfragen gab und zumindest ein gewisses Problembewusstsein bestand. Während der historischen Entwicklung des heutigen steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts haben sich die gesellschaftspolitischen Umstände, auf die der Normkomplex einwirkt, geän-dert, dessen Aufgaben und Ziele hingegen nicht. Der bereits erwähnte Ministerialrat Scholtz sieht in der steuerlichen Begünstigung von Einkünften und Vermögen, die gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen, das Ziel des steuerlichen Gemeinnützigkeits-rechts, weil die Zweckverfolgung im Interesse der Allgemeinheit liegt.325 Für weitere große Teile der rechtswissenschaftlichen Literatur manifestiert sich darin der gesetzgeberische Wil-le, freiwilliges gemeinwohlbezogenes Engagement mit den Mitteln des Steuerrechts anzure-gen und anzuerkennen.326 Seit Jahrzehnten herrscht in Deutschland ein politischer Wille zur Stärkung und Förderung von gemeinnützigem Engagement. Die Nationale Engagementstrate-gie bekräftigt diesen Förderwillen und fordert einen ganzheitlichen Förderansatz und ein sys-tematisches Vorgehen.327 Die Aufgabe des Gemeinnützigkeitsrechts ist es letztlich, entspre-chende Strukturen für das Erreichen des Ziels der ganzheitlichen Förderung gemeinnütziger Aktivitäten zu kodifizieren. Es sollte einen Rechtsrahmen definieren, in dem sich gemeinnüt-ziges Engagement flexibel, aber rechtssicher entfalten kann. Sodann liegt es in der Verant-wortung der Bürger und der ausführenden Staatsorgane, die Förderung einzufordern und an-zuwenden, um die positiven Aspekte der Gemeinnützigkeit als belastungsarmes Instrument der Gemeinwohlförderung in gelebte Wirklichkeit umzusetzen. Insbesondere die Anpassungsfähigkeit ist für das Gemeinnützigkeitsrecht entscheidend, grün-det die Sphäre doch auf dem Wunsch der Förderung von freiwilligem gemeinwohlbezogenem Engagement328 und der Unterstützung des Staates bei der Interessenkonfliktlösung. Die Ge-meinnützigkeit ist ein freiheitsschonendes Instrument der Gemeinwohlförderung. Um vielsei-tig zu Zeit- und Geldspenden zu motivieren, sollte das Gemeinnützigkeitsrecht daher eine Kontinuität in den Grundstrukturen vorweisen, aber auch flexibel und anpassungsfähig blei-

325 Scholtz, Das Gesetz zur Änderung des Abgabenordnung und des Einkommensteuergesetzes, Vereinsbesteue-

rungsgesetz, DStZ 1980, 403 (403). 326 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 9; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuer-

staat, 2010, S. 316; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des Grundgesetzes – Gemeinnützig-keit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 35; Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (11); Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, Vor § 51-68 Rn. 35.

327 BMFSFJ, Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung, 6.10.2010, S. 3, 5. 328 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 9; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuer-

staat, 2010, S. 316; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des Grundgesetzes – Gemeinnützig-keit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 35; Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (11); Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, Vor § 51-68 Rn. 35.

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54 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

ben. Die Lebenswirklichkeit der Engagierten wird sich im Laufe des Lebens ändern, sodass es Abschnitte gibt, in denen mehr Zeit und/oder Geld für gemeinnütziges Engagement gespendet werden kann, aber auch Abschnitte, in denen sich Spenden reduzieren. Wichtig ist, dass enga-gementfreudigen Bürgern ein (Wieder-)Einstieg in Engagementstrukturen leicht und flexibel möglich ist. Der Rechtsrahmen sollte die Gemeinnützigkeitssphäre nicht mit dem Argument der Missbrauchsvorbeugung rechtlich zu beschränken versuchen,329 sondern gerade bei der Entwicklung flexibler Strukturen unterstützen. Die Chance, innerhalb des Systems der Ge-meinwohlförderung einen strukturellen Freiheitsgewinn über Wahlmöglichkeiten für die Bür-ger zu organisieren und dabei die (lokale) Gemeinschaft in ihrer Selbstverwaltungsverantwor-tung zu stärken, ist ein gesellschaftlich höherer Wert, als etwaigem steuerlichen Missbrauch, der mangels Steuerpflicht330 gemeinnütziger Tätigkeiten und konkreter Steuervermeidung (§ 42 AO)331 überschaubar zu sein scheint, durch Beschränkungen vorzubeugen. Das Ge-meinnützigkeitsrecht sollte daher zwar feste Grundstrukturen vorsehen, die missbräuchliches eigennütziges Tätigwerden abgrenzen und nicht als gemeinnützig anerkennen, es muss aber vor allem strukturell offen, flexibel und anpassungsfähig bleiben. Über die Festsetzung der steuerbegünstigten Zwecke kann der Staat gesellschaftspolitische Bereiche priorisieren und ins Bewusstsein der engagementfreudigen Bürger rufen. Es ist seine Aufgabe, den Überblick über die gesellschaftspolitische Entwicklung zu wahren, zukünftige Entwicklungen abzu-schätzen, Entscheidungen über die Ausrichtung der Gemeinschaft zu treffen und die Bürger darüber zu informieren.332 Zur Möglichkeit, die Aufgaben selbst zu erledigen und erforderliche Ressourcen von den Bürgern per Zwang zu erheben, erhält der Staat nun ein weiteres Instrument der Gemeinwohl-förderung, bei dem die Bürger ihre Arbeits- und Finanzkraft freiwillig zu staatlich definierten Themen einsetzen können. Neben der Freiheitsschonung der Gemeinnützigkeit wird zudem ihr Kommunikationscharakter deutlich. Der Staat benennt Themenbereiche, die er beispiels-weise nicht nach seiner Vorstellung ausfüllen kann oder auf denen er eine direkte Bürgerbe-teiligung für sinnvoll erachtet. Staatsferne Akteure bearbeiten die Themen sodann freiwillig und in kreativer Eigenverantwortung. Auch die Bürger sollte dieses Instrument interessieren, gewährt es ihnen doch Mitbestimmung und Gestaltungsfreiheiten. Der Staat bleibt in der Ent-scheidungsverantwortung, der Bürger tritt hinzu. Wenn der Bürger sich in den Bereichen nicht engagiert, teilt er dem Staat seine Einstellung dadurch mit. Er lebt seine Freiheit aus.

329 Etwa Kröger, Steuerrecht und Nächstenliebe, DStZ 1986, 419 (421). 330 Hierzu ausführlich 5. Kapitel. 331 Zum Maßstab des § 42 AO: Alders, Die Doppelstiftung als Instrument der Unternehmensnachfolge, Bucerius

Law Journal, Heft 1/2011, 3 (7). 332 Korioth, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 30 Rn. 7-16.

Page 64: Die partiell gemeinn¼tzige (nat¼rliche) Person: Zur rechtssystematischen Erfassung von individuellem Engagement f¼r das Gemeinwohl

D Rechtsvergleichende Betrachtung des US-Nonprofit-Law? 55

Der Staat muss dann im Sinne des Subsidiaritätsprinzips333 und im Schutzauftrag der Verfas-sungsgüter entscheiden,334 ob er seine Vorstellungen per Zwang umsetzt oder sie infolge des Bürgerverhaltens ändert. Die Entscheidung, ob und in welchem Maße ein Thema in staatli-cher Obhut bearbeitet oder für die Gemeinnützigkeit freigegeben wird, liegt grundsätzlich im Ermessen des Staates, der seinerseits an die Individualinteressen der Bürger durch Verfassung und Gemeinwohl gebunden ist.335 Die Gemeinnützigkeit ist ein staatliches Instrument, um den Bürgern mehr Freiheiten zu gewähren und gleichzeitig, je nach Bereitschaft zur Selbstverwal-tung, eine lokale Übererfüllung konkreter Standards zu organisieren. Auf diese Weise kann der Staat selber nicht handeln, er muss jede lokale Einheit gleich behandeln (Art. 3 Abs. 1 GG). Die Teilung der Verantwortung und die Option zur Mitgestaltung sind ein Angebot an den Einzelnen und die lokale Einheit, sich an der Gemeinwohlförderung über Wahlen und Abstimmungen hinaus zu beteiligen. Aus dieser Perspektive erhält die Gemeinnützigkeit eine demokratieerweiternde und demokratiestabilisierende Dimension. Das übergeordnete Ziel des Gemeinnützigkeitsrechts ist es daher, die Sphäre der Gemeinnützigkeit und ihre Besonderhei-ten im Gesamtsystem der Gemeinwohlförderung umfassend rechtlich zu würdigen und zu erfassen. Der erforderliche verfassungsrechtliche Bezug der Ziele des Gemeinnützigkeits-rechts kann gleichsam aus dem Demokratie- sowie dem Volkssouveränitätsprinzip (Art. 20 Abs. 2 GG) und aus dem Verfassungsauftrag des Staates zur Gemeinwohlförderung hergelei-tet werden.336

D Rechtsvergleichende Betrachtung des US-Nonprofit-Law?337

Für die Diskussion über die Argumente für und gegen eine Beschränkung des Gemeinnützig-keitsstatus kann die rechtsvergleichende Perspektive weitere wichtige Aspekte beitragen. Im US-Nonprofit-Law sind drei staatliche Anerkennungen zu unterscheiden: Der Status als non-

333 „Das Subsidiaritätsprinzip ist damit selbst ein Gemeinwohlprinzip“ und an das Gemeinwohl ist der Staat

gebunden. Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (21 ff.). Zum Sub-sidiaritätsprinzip Huster/Rux, in: BeckOK GG, 2017, Art. 20 Rn. 43.

334 BVerfG, v. 28.5.1993, 2 BvR 2/90, 4/92, 5/92, BVerfGE 88, 203; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 20 VII. Rn. 126-128.

335 BVerfG, v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, Fraport, BVerfGE 128, 266; Becker, Interessen und öffentliches Wohl bei der gemeindlichen Neugliederung, in: Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 39, 1968, S. 73 f., 82; Mronz, Körperschaft und Zwangsmitgliedschaft, 1973, S. 262.

336 BVerfG, v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, Fraport, BVerfGE 128, 266. 337 Die Begriffsbezeichnung Nonprofit-Law wird verwendet als Gesamtheit der Regelungen zum amerikani-

schen Nonprofit-Sektor und insbesondere der bundesstaatlichen Nonprofit Corporation Acts. Es werden grundlegende Prinzipien herausgearbeitet und nur teilweise an einigen, für diese Untersuchung relevanten Vergleichspunkten beleuchtet; die Darstellung erhebt daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

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56 Erstes Kapitel: Bestandsaufnahme zu §§ 51-68 AO und § 1 Abs. 1 KStG

profit338 (bundesstaatlich) sowie die steuerrechtlichen Status als tax-exempt339 und charitab-le340 (gesamtstaatlich). Rechtssystematisch betrachtet, können nur Nonprofit-Organisationen den Status als steuerbe-freit (tax-exempt) erwerben und auch nur ein Teil der steuerbefreiten Organisationen wird unter weiteren Voraussetzungen als charitable anerkannt. Es handelt sich um ineinandergrei-fende, abgestufte Status. Nonprofit-Organisationen können zu vielen, durchaus auch zu priva-ten Zwecken gegründet werden, sofern sie nur ihre Einnahmen nicht an Mitglieder weiterge-ben (Nondistribution-Constraint-Grundsatz).341 Für den Status als tax-exempt wird dagegen zusätzlich nach der Zweckrichtung342 einer Organisation unterschieden, und nicht alle, aller-dings die meisten, Nonprofit-Organisationen werden letztlich von der Einkommensteuer be-freit.343 Der Charitable-Status hat die höchsten Voraussetzungen.344 Derjenige, der sie erfüllt, erhält als zusätzliche Förderung, die Möglichkeit, für den Spender steuerlich vorteilhafte Spendenbescheinigungen auszustellen.345 Charitable sind alle „Corporations, and any com-munity chest, fund, or foundation“346, die als Organisation ausschließlich bestimmte Zwecken verfolgen, wie beispielsweise „religious, charitable, scientific, testing for public safety, liter-ary, or educational purposes“347. Der Gewinn darf nicht privaten „shareholder[n] or individu-als“348 zugutekommen und die Tätigkeit der Organisation nicht zu einem substanziellen Teil aus „propaganda, […] influence legislation, […] intervene in any political campaign“ beste-hen.349

338 Richtet sich nach dem jeweiligen bundesstaatlichen Nonprofit Corporation Act. 339 Richtet sich nach IRC §§ 501 (c), (d), (f), 521, 527, 528. Phelan, Nonprofit Enterprises, 2000, § 7:01, S. 3. 340 Richtet sich nach IRC § 501 (c) (3). 341 Phelan, Nonprofit Enterprises, 2000, § 2:01, S. 3. 342 So werden beispielsweise social welfare organizations nach IRC § 501 (c) (4), social clubs und country clubs

nach IRC § 501 (c) (7), farm cooperatives nach IRC § 521, political organizations nach IRC § 527 und weite-re nach IRC §§ 501 (c), (d), (f), 528 von der Einkommensteuer befreit.

343 Phelan, Nonprofit Enterprises, 2000, § 1:01, S. 6 und § 7:01, S. 2. 344 IRC § 501 (c) (3): “Corporations, and any community chest, fund, or foundation, organized and operated

exclusively for religious, charitable, scientific, testing for public safety, literary, or educational purposes, or to foster national or international amateur sports competition (but only if no part of its activities involve the provision of athletic facilities or equipment), or for the prevention of cruelty to children or animals, no part of the net earnings of which inures to the benefit of any private shareholder or individual, no substantial part of the activities of which is carrying on propaganda, or otherwise attempting, to influence legislation (except as otherwise provided in subsection (h)), and which does not participate in, or intervene in (including the pub-lishing or distributing of statements), any political campaign on behalf of (or in opposition to) any candidate for public office.”

345 IRC § 170 (b), (c); Phelan, Nonprofit Enterprises, 2000, § 7:01, S. 3. 346 IRC § 501 (c) (3). 347 IRC § 501 (c) (3). 348 IRC § 501 (c) (3). 349 IRC § 501 (c) (3).

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D Rechtsvergleichende Betrachtung des US-Nonprofit-Law? 57

Hinsichtlich der staatlichen Anerkennung und Prüfung werden der Organisationstest und der Operationaltest unterschieden. Die Anforderungen des Organisationstests beziehen sich auf die Satzung oder die satzungsähnlichen Statuten. Sie müssen die als charitable anzuerkennen-de Organisation an ausschließlich steuerbefreite Zwecke binden. Ein nichtsteuerbefreiter Zweck in den Statuten wird nicht akzeptiert.350 Die Anforderungen des Operationaltests be-ziehen sich auf die tatsächliche Geschäftsführung. Jedes Handeln der als charitable anzuer-kennenden Organisation muss sich vorrangig als unmittelbare Verwirklichung der in den Sta-tuten verankerten Zwecke darstellen.351 Grundsätzlich ist es zwar zulässig, unter dem Chari-table-Status ein gewinnorientiertes und zweckfremdes Unternehmen zu betreiben (unrelated business).352 Die Unternehmensgewinne unterliegen dann aber der Steuerpflicht.353 Sofern die zweckfremde, gewinnorientierte Aktivität eine kritische Größe überschreitet, wird diese Akti-vität als vorrangiger Organisationszweck vermutet und gefährdet die Anerkennung.354 In der rechtlichen Grundsystematik ist der Charitable-Status mit dem Gemeinnützigkeitsstatus des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts der §§ 51-68 AO vergleichbar. Beide Status sind auf organisationsgebundene Rechtssubjekte beschränkt (IRC § 501 (c) (3) und § 51 Abs. 1 AO), für beide Status müssen sich die Organisationen in den Statuten auf die aus-schließliche Verfolgung bestimmter Zwecke festlegen und die tatsächliche Geschäftsführung ist nach dieser Festlegung auszurichten (IRC § 501 (c) (3) und § 59 AO). Auch sind unter beiden Status zweckfremde, gewinnorientierte Aktivitäten zulässig und dann steuerpflichtig (unrelated business, IRC § 512 und wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, § 64 AO). Das ameri-kanische Nonprofit-Law definiert über jenes vergleichbare Statusmodell hinaus zwar zwei weitere, ineinandergreifende Status (nonprofit, tax-exempt), öffnet diese hingegen ebenfalls nicht für Individuen. Allerdings sieht es mehr Differenzierungsmöglichkeiten für Engage-mentförderung vor, insbesondere über eine Abstufung der Fördermaßnahmen für bestimmte Themenbereiche.

350 Phelan, Nonprofit Enterprises, 2000, § 8:02, S. 3 f. 351 Phelan, Nonprofit Enterprises, 2000, § 8:04, S. 7. 352 Reg § 1.501 (c) (3) – 1 (e); Phelan, Nonprofit Enterprises, 2000, § 8:04, S. 8. 353 IRC § 512; Phelan, Nonprofit Enterprises, 2000, § 8:04, S. 10. 354 Reg § 1.501 (c) (3) – 1 (e); Phelan, Nonprofit Enterprises, 2000, § 8:04, S. 10 f.

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Zweites Kapitel: Wesensmerkmale der Gemeinnützigkeitssphäre

Die Bestandsaufnahme zum steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts (§§ 51-68 AO) lässt neben der Statusbeschränkung auf Körperschaften weitere Grundstrukturen der Gemeinnützigkeit zu Tage treten. Auf diese Grundstrukturen aufbauend, wird nun aus dem geltenden Recht heraus eine rechtsformunabhängige, rein tätigkeitsbezogene Gemeinnützigkeitssphäre erarbeitet.355 Auf diese Weise soll versucht werden, denjenigen Anteil aus der Gesamttätigkeit eines Rechtssubjektes systematisch abzugrenzen und freizulegen, der tatsächlich als originär ge-meinnützig zu bewerten ist. Das Modell folgt der Idee, dass jede Tätigkeit eines Rechtssub-jektes entweder der Privat-, Markt-, Staats- oder der Gemeinnützigkeitssphäre (und je nach Bedarf weiteren Sphären) zuzuordnen ist und damit grundsätzlich jede Art von gemeinnützi-gem Handeln eines Rechtssubjektes bei entsprechendem politischen Willen anerkannt und gefördert werden kann.356 Zwar erfasst auch das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht die Gemeinnützigkeit tätigkeitsbe-zogen, beispielsweise über die Begriffe der Zweckverfolgung in den §§ 51 Abs. 1, 53, 55, 56, 57, 59 AO und der Zweckförderung in den §§ 52 Abs. 1, 54 Abs. 1 AO. Dennoch toleriert es bei den ausschließlich gemeinnützigen Körperschaften neben der originär gemeinnützigen Betätigung auch eine wirtschaftliche und damit nicht originär gemeinnützige Tätigkeit (§§ 64, 14 AO). Das führt dazu, dass gemeinnützige Körperschaften unter wertender Betrachtung ihrer tatsächlichen Gesamttätigkeit357 (§§ 59, 63 AO) streng genommen häufig nur partiell gemeinnützig - da auch wirtschaftlich - tätig sind. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Erträge der wirtschaftlichen Betätigung an die Förderung der steuerbegünstigten sat-zungsmäßigen Zwecke gebunden sind.358 Die wirtschaftliche Tätigkeit einer gemeinnützigen

355 Die Intensität der Gemeinwohlförderung soll an der wirklichen Tätigkeit der Akteure gemessen werden und

nicht an ihren angeblichen Absichten. Vgl. Gutachten der Unabhängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, BMF-Schriftenreihe, Heft 40, 1988, S. 348 f.; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 167.

356 Der Sphärengedanke und die Abgrenzungsmerkmale wurden in Anlehnung an Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements, 2002, S. 48 ff. entwickelt.

357 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 326. 358 Für Hüttemann sind die wirtschaftlichen Betätigungen zur Mittelbeschaffung „Maßnahmen, durch die eine

spätere Gemeinwohlförderung erst vorbereitet oder ermöglicht wird“; sie stünden deshalb nicht im Wieder-spruch zum Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO. Hüttemann, Grundprinzipien des steuerlichen Gemein-nützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (58). Dennoch bleibt die wirtschaftliche Betätigung für sich be-trachtet originär erwerbsbezogen, selbst wenn das Erworbene später für gemeinnützige Zwecke eingesetzt wird. Das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht befürwortet ausdrücklich eine Mittelbeschaffung über wirt-schaftliche Geschäftsbetriebe (§§ 64, 14 AO) und toleriert damit erwerbsbezogene Tätigkeiten innerhalb der Gesamttätigkeit der in ihrer „Totalität“ gemeinnützigen Körperschaften. Dabei soll die gemeinnützige „Tota-lität“ dadurch gewahrt sein, dass die Erträge der wirtschaftlichen Betätigung den gemeinnützigen satzungs-mäßigen Zwecken zu Gute kommen. Zu beachtet ist dabei, dass von den letztlich zu gemeinnützigen Zwe-cken eingesetzten Erträgen bereits die Verwaltungskosten und damit die Existenz- oder Selbstkosten des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes und im Zweifel zusätzlich die Existenzkosten der gemeinnützigen Kör-

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018C. Alders, Die partiell gemeinnützige (natürliche) Person, Schriften zum Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20793-9_3

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60 Zweites Kapitel: Wesensmerkmale der Gemeinnützigkeitssphäre

Körperschaft ist allen voran auf materiellen Hinzuerwerb gerichtet, über dessen Verwendung erst in einem nachgelagerten Schritt zu entscheiden ist. Das führt zu der Frage, ob dieses ge-setzlich vorgesehene Nebeneinander von wirtschaftlichen und gemeinnützigen Aktivitäten unter dem Dach der Gemeinnützigkeit nicht auch allen anderen Rechtssubjekten in dieser oder ähnlicher Form ermöglicht werden kann. Damit „freiwilliges Engagement in seiner gan-zen Vielfalt“359 möglichst weitgehend gefördert wird, ist zunächst eine Gemeinnützig-keitssphäre als Spielfeld für gemeinnütziges Engagement zu bestimmen.360 Erst dann sind in einem zweiten Schritt etwaige Beschränkungen des Zugangs zu der Sphäre abzuwägen und sachlich zu rechtfertigen. Durch ein rechtsformunabhängiges, tätigkeitsbezogenes Verständnis der Gemeinnützigkeit, erscheint eine noch zielgenauere, sachlich differenzierte und die Leis-tung aller engagierten Rechtssubjekte als gleichwertig anerkennende Förderung möglich.

A Abgrenzung zur Privatsphäre durch qualifizierten Gemeinwohlbezug

Der gemeinwohlorientierte Staat strebt einen Zustand der optimalen Individualinteressenent-faltung in der Gemeinschaft an.361 Hierfür hat er im Rahmen der Verfassung die Definitions-hoheit über das Gemeinwohl.362 Mit der Obliegenheit des Gesetzgebers ein Gemeinnützig-keitsrecht als freiheitsschonendes Instrument der Gemeinwohlförderung vorzusehen, geht es einher, geeignete Gemeinschaftsinteressen wie etwa in den §§ 52-54 AO zu benennen, in Themenbereiche zusammenzufassen und somit eine in gewissen Grenzen, aber doch in krea-tiver Eigenverantwortung erfolgende private Unterstützung der staatlichen Gemeinwohlförde-rung zu ermöglichen.363 Das Gebot zur Förderung der Allgemeinheit in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO stellt dabei eine wichtige Voraussetzung der Gemeinnützigkeit dar, die überwiegend mit dem Nutzen für das allgemeine Beste (Gemeinwohl) gleich gesetzt wird.364 Der unbestimmte Rechtsbegriff der Förderung der Allgemeinheit ist nach objektiven Kriterien wie der objekti-ven Werteordnung des Grundgesetzes, insbesondere des Grundrechtskatalogs der Art. 1-19 GG, der sozialethischen und religiösen Prinzipien, der geistigen und kulturellen Ordnung,

perschaft selbst abgezogen wurden. Auf diese Weise werden zunächst die Existenzen der beteiligten Rechts-subjekte gesichert, bevor die konkrete Zweckförderung beginnt. Der Weg einer solchen gemeinnützigen „To-talität“ erscheint nun auch für Individuen gangbar.

359 BMFSFJ, Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung, 6.10.2010, S. 5. 360 Begrifflichkeiten der Abgrenzungsmerkmale nach Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche

Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements, 2002, S. 48 ff. 361 Hierzu ausführlich Einleitung A. 362 Als Umkehrschluss aus der staatlichen Gemeinwohlverpflichtung BVerfG, v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06,

Fraport, BVerfGE 128, 266; Becker, Interessen und öffentliches Wohl bei der gemeindlichen Neugliederung, in: Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 39, 1968, S. 73 f., 82; Mronz, Körperschaft und Zwangsmitgliedschaft, 1973, S. 262.

363 Hierzu Einleitung A. 364 BFH, v. 13.12.1978, I R 39/78, BStBl. II 1979, 482, 484, BFHE 127, 330; Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 52

Rn. 2; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 51 Rn. 15; Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 52 Rn. 3; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 151; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 116 ff. Im Übrigen auch die Formulierung in § 17 Abs. 2 StAnpG.

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A Abgrenzung zur Privatsphäre durch qualifizierten Gemeinwohlbezug 61

dem gegenwärtigen Stand der Forschung, Wissenschaft und Technik, der vorhandene Wirt-schaftsstruktur, der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse sowie der vorherrschenden Wertvorstellungen und Weltanschauungen der Bevölkerung zu bestimmen.365 Während rechtmäßiges Handeln in der Privatsphäre einen einfachen Gemeinwohlbezug aufweist,366 ist für die Zuordnung einer Tätigkeit zur Gemeinnützigkeitssphäre ein qualifizierter Gemein-wohlbezug erforderlich. Dieser liegt vor, wenn zum einen der Gesetzgeber bestimmte Interes-sen als besondere Gemeinschaftsinteressen und damit als besonders allgemeinheitsfördernd (gemeinwohlfördernd) kodifiziert hat, beispielsweise über die Zweckbestimmungen in den §§ 52-54 AO. Und zum anderen die einzuordnende Tätigkeit vorrangig die Gemeinschaftsinte-ressen durchsetzt (besonders gemeinwohlfördernde Motiv- und Ertragslage einer Tätigkeit). Eine Tätigkeit wird also der Gemeinnützigkeitssphäre zugeordnet, wenn sie vorrangig kodifi-zierte besondere Gemeinschaftsinteressen durchsetzt. Dagegen wird ein Handeln der Privat- oder Marktsphäre zugeordnet, wenn es vorrangig eigene Individualinteressen durchsetzt. Die Grundstruktur des qualifizierten Gemeinwohlbezugs einer Tätigkeit findet seinen einfachge-setzlichen Niederschlag de lege lata in dem Gebot der Förderung der Allgemeinheit (§ 52 Abs. 1 S. 1 AO). Das Gebot konkretisiert der Gesetzgeber, indem er einzelne Themenbereiche der Gemeinnützigkeit (derzeit Zweckbestimmungen in §§ 52-54 AO) konkret benennt. Das Merkmal der Gemeinschaft kann auch auf kleinere Personenkreise bezogen werden. Bei-spielsweise engagieren sich Bürger vielfach in geschlossenen Vereinsgemeinschaften zur pri-vaten Freizeitgestaltung.367 Jene private Vereinskultur wird der Bürgergesellschaft bzw. der Zivilgesellschaft zugeordnet, hat eine ebenso lange Tradition in Deutschland und wird von der verfassungsrechtlichen Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) mit umfasst.368 Die Gemeinnützig-keit ist hiervon hingegen konsequent abzugrenzen.369 Ihr Gemeinschaftsbezug kann sich auf-grund der Gemeinwohlverpflichtung des Staates, die alle Bürger in ihrer allgemeinen Ver-bundenheit als Gemeinschaft umfasst, und aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nur auf die Gesamtheit aller Gemeinschaftsmitglieder (Allgemeinheit) und nicht auf kleinere, fest abgeschlossene Personenkreise beziehen.370

365 BFH, v. 29.10.1997, BStBl. II 1998, 9 (10 f.); v. 13.12.1978, I R 39/78, BStBl. II 1979, 482 (485), BFHE

127, 330. 366 Denn jedes rechtmäßige Handeln der Bürger ist grundsätzlich gemeinwohlförderlich. Hierzu ausführlich

Einleitung 367 Ein Fördern singulärer oder partikulärer Interessen ist nicht gemeinnützig. Sonder-, Eigen- und Einzelinteres-

sen sind nicht umfasst, auch wenn sie in Vereinsform gefördert werden. Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 52 Rn. 2.

368 Scholz, in, Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 9 Rn. 55; Beuthien, Wie ideel muss ein Idealverein sein, NZG 2015, 449 (449).

369 Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements, 2002, S. 76.

370 Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 52 Rn. 2 ff.; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 51 Rn. 15; Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 55 Rn. 5.

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62 Zweites Kapitel: Wesensmerkmale der Gemeinnützigkeitssphäre

I Motivlage bei gemeinnütziger Tätigkeit

Zwar sind die Motive für gemeinnütziges Engagement einzelfallabhängig und nur schwer bestimmbar,371 dennoch besteht politisch und rechtswissenschaftlich ein Bedarf, sie zumin-dest als Leitmotive und Vermutungen zu erfassen.372 Eine im August 2013 durchgeführte be-völkerungsrepräsentative Befragung des Instituts für Demoskopie Allensbach ergab, dass für 73 % der Engagierten die Freude an dem jeweiligen Engagement im Vordergrund steht, 54 % wollen etwas für andere tun und helfen, für 49 % der Engagierten steht der Themenbezug im Vordergrund und 44 % wollen etwas bewegen.373 Ein Erklärungsansatz findet sich im christlichen Wertekanon. Bürger handeln fremdnützig, helfen anderen bei deren Fortkommen, stellen die eigenen Erwerbs- und Freizeitinteressen bewusst in den Hintergrund, um Gemeinschaftsinteressen zu verwirklichen. Sie denken über sich hinaus und entwickeln einen Sinn für die Gemeinschaft, einen Gemeinsinn.374 Sie tun es freiwillig. Jedem Bürger wird die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit innerhalb der Verfas-sungsordnung garantiert (Art. 2 Abs. 1 GG), dennoch engagieren sich viele, unentgeltlich und freiwillig. Die Gegenleistung ist häufig ideell. Es ist die Freude am Geben, die Bestätigung der Sinnhaftigkeit des eigenen Handelns, das Identifizieren mit einer Gemeinschaft, die In-tegration in soziale Netzwerke, am Ende die Bildung von Sozialkapital.375 Für jenes Verhalten verwendet die christliche Glaubenslehre den Begriff Caritas, der Nächstenliebe und der unei-gennützigen Wohltätigkeit.376 Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.377 Die Idee der Nächstenliebe ist vielen Interpretationen zugänglich, bezogen auf eine Gemeinschaft symbolisiert sie unter anderem, dass die Situation anderer Gemeinschaftsmitglieder mit der eigenen in einen Vergleich gesetzt wird (wie dich selbst378). Es wird unterschieden zwischen der eigenen Situation und der Situation anderer, zwischen eigenen Interessen und den Interes-sen anderer, die in einer Gemeinschaft verbunden sind. Das Verhalten eines Gemeinschafts-mitgliedes (lieben379) sollte demnach nicht nur von den eigenen Interessen getrieben werden,

371 Institut für Demoskopie Allensbach, Motive des bürgerschaftlichen Engagements, Untersuchung im Auftrag

des BMFSFJ, 2013, S. 2 f. 372 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 55 Rn. 4; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 285. 373 Institut für Demoskopie Allensbach, Motive des bürgerschaftlichen Engagements, Untersuchung im Auftrag

des BMFSFJ, 2013, S. 2. 374 Kraft, Die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1932, 315 (362

ff.); RFH, v. 27.4.1932, III A 929/31, RStBl. 1932, 970 (971); Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 55 Rn. 4; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 285; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 198 ff.

375 Nan Lin, Social Capital. A Theory of Social Structure and Action, 2001; Habeck, Freiwilligenmanagement, 2015, S. 203 ff.; Reinders, Jugend-Engagement-Politische Sozialisation, 2014, S. 54.

376 Stowasser/Petschenig/Skutsch, Stowasser, 2011, Lexikalischer Teil, Stichwort Caritas. 377 Bibel, Markus, 12, 31. 378 Bibel, Markus, 12, 31. 379 Bibel, Markus, 12, 31.

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A Abgrenzung zur Privatsphäre durch qualifizierten Gemeinwohlbezug 63

sondern auch andere Interessen berücksichtigen. Die rechtsstaatliche Idee setzt diesen Gedan-ken systematisch um. Der Bürger beschränkt die selbstbestimmte Durchsetzung seiner Inte-ressen und überlässt die Entscheidung der tatsächlichen Interessendurchsetzung im Konflikt-fall dem Staat.380 Ob er sich so verhält, weil er seine eigenen Interessen an Leben, Freiheit und Eigentum vom Staat garantiert wissen möchte oder aber außerdem fremden Interessen zur Entfaltung verhelfen möchte, ist objektiv unzureichend bestimmbar. Aus diesem Grund kön-nen die Motive eines Handelns in Abgrenzungsfragen nur eine untergeordnete Rolle spie-len.381 Ausschlaggebend scheint die Ertragslage eines Verhaltens – cui bono est. Dennoch kann zumindest ein Idealbild der Motivlage für gemeinnütziges Engagement aus dem Gedan-ken der Nächstenliebe abgeleitet werden. Engagierte handeln altruistisch382, uneigennützig383, aufopfernd384, opferwillig385. Sie beschränken ihre eigenen Freizeit- und Erwerbsinteressen, um die Interessen anderer und damit die Interessen der Allgemeinheit durchzusetzen. Jeden-falls wäre das eine vom Menschenbild des Grundgesetzes ausgehende Vermutung für die Mo-tivlage bei gemeinnützigem Engagement. Sie könnte für Engagierte so lange indiziert werden, bis die Ertragslage gesicherte, jene Motivlage widerlegende Erkenntnisse nachweislich offen-legt.

II Ertragslage bei gemeinnütziger Tätigkeit

Die Zuordnung eines Handelns zur Gemeinnützigkeits- oder Privatsphäre knüpft an die objek-tive Ertragslage an. Entscheidend ist, welche Interessen tatsächlich durchgesetzt werden. Der in den Motiven vermutete Gemeinschaftsbezug muss sich auch in den Erträgen wiederfinden, sodass der Nutzen eines gemeinnützigen Engagements nicht alleine beim Akteur anfallen darf, sondern überwiegend der Allgemeinheit zugutekommen muss. Dabei ist zu beachten, dass menschliches Verhalten in einer Gemeinschaft häufig eigen- und fremd-/gemeinnützig zugleich ist.386 Die Erfassung der Ertragslage ist keine Entweder-oder-Entscheidung, sondern als Mischung aus verschiedenen Erträgen zu verstehen. Im Grundsatz gilt, dass überwiegend eigennützige Tätigkeiten der Privatsphäre zuzuordnen sind und überwiegend gemeinnützige Tätigkeiten der Gemeinnützigkeitssphäre. Eigennutz umfasst dabei alle aus einem Verhalten für den Engagierten selbst entspringenden Vorteile, Gemeinnutz umfasst alle aus einem Ver- 380 BVerfG, v. 20.4.1982, 2 BvL 26/81, BVerfGE 60, 253; Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art.

19 Abs. 4 GG Rn. 1. 381 Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (32 f.); Leisner-Egensperger,

in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2009, § 55 Rn. 24. 382 Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 55 Rn. 2. 383 Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, 1996, § 55 Rn. 60; Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht,

2010, S. 124. 384 Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 55 Rn. 2. 385 BFH, v. 13.12.1978, I R 39/78, BStBl. II 1979, 482 (485), BFHE 127, 330; v. 26.4.1989, I R 209/85, BStBl.

1989 II S. 670, BFHE 157/132. 386 Then/Kehl, in: Anheier/Schröer/Then, Soziale Investitionen, 2012, S. 117 ff.; Koenig, in: Koenig, AO, 2014,

§ 52 Rn. 14.

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64 Zweites Kapitel: Wesensmerkmale der Gemeinnützigkeitssphäre

halten für die Allgemeinheit entspringenden Vorteile. Gemeinnütziges Engagement erfolgt zwar aus der Privatsphäre heraus, wird allerdings geleistet, um uneigennützig und vorrangig gemeinnützig zu wirken.387 Der Umstand, dass die Ertragslage menschlichen Verhaltens in der Regel eine Mischung von Eigen- und Gemeinnützigkeit darstellt, wird über das Merkmal des qualifizierten Gemeinwohlbezuges berücksichtigt. Dieser liegt nicht nur dann vor, wenn die gelösten Interessenkonflikte dem Engagierten gar keinen Nutzen bereiten, sondern bereits dann, wenn er im Vergleich zur vollen Erwerbstätigkeit oder Freizeitgestaltung nicht vorran-gig eigennützig, sondern vorrangig gemeinnützig handelt. Mit qualifiziertem Gemeinwohlbe-zug handelt derjenige, der seine Interessen bewusst zurücksetzt, um staatlich definierten be-sonderen Gemeinschaftsinteressen Vorrang zu gewähren. Wie der Nutzen einer Tätigkeit konkret, objektiv und rechtssicher zu erfassen ist und ab wel-cher Ertragslage ein förderungswürdiges gemeinnütziges Handeln vorliegt, steht im staatli-chen Ermessen. Abseits dieser im politischen Abwägungsprozess zu regelnden Details tritt nun eine größere Stellschraube hervor. Der Staat ist angehalten, aus seiner eigenen Gemein-wohlverpflichtung388 heraus den Bürgern einen Weg zu ebnen, wenn sie ihre Erwerbs- und Freizeitinteressen freiwillig begrenzen wollen, um sich in seinem System der Gemeinwohl-förderung freiheitsschonend für die Allgemeinheit zu engagieren.389 Aus dieser Perspektive wird die Gemeinnützigkeit als Instrument der Gemeinwohlförderung für alle Rechtssubjekte relevant. Gemeinnütziges Engagement stellt sich nicht nur als ein wichtiges freiheitsschonen-des und demokratieerweiterndes Instrument der Gemeinwohlförderung dar, sondern kann zugleich den Engagierten als alternative Beschäftigungsform bei beruflichen Auszeiten, im Alter oder im nebenberuflichen Engagement dienen.390

B Abgrenzung zur Marktsphäre durch unentgeltliche Wertschöpfung

Jeder unter dem Dach der Gemeinnützigkeit geschöpfte materielle Mehrwert muss nach Ab-zug angemessener Selbstverwaltungskosten über eine qualifiziert gemeinnützige Tätigkeit unentgeltlich an die Allgemeinheit391 weitergegeben werden. Dies besagt § 63 Abs. 1 AO, in dem er voraussetzt, dass die Gesamttätigkeit392 der Körperschaft im Ergebnis (final)393 auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke gerichtet sein muss. 387 Hierzu ausführlich 1. Kapitel, A. I. 2. b. 388 BVerfG, v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, Fraport, BVerfGE 128, 226. 389 Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, 2001, S. 367; Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche

Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (21 f.). 390 Hierzu Einleitung A. 391 Oder einen nicht abgeschlossenen Personenkreis als Ausschnitt aus der Allgemeinheit. 392 Das Merkmal der tatsächlichen Geschäftsführung bezieht sich auf die gesamte Tätigkeit der Körperschaft.

Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 326. 393 Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 52 Rn. 8; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S.

157.

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B Abgrenzung zur Marktsphäre durch unentgeltliche Wertschöpfung 65

Diese Ausrichtung liegt auch dann vor, wenn innerhalb der Körperschaft ein über wirtschaft-liche Geschäftsbetriebe oder Vermögensverwaltung geschöpfter Mehrwert zu Mittelbeschaf-fungszwecken entgeltlich am Markt realisiert wird (§§ 64, 14 AO) und die Erträge aus dieser wirtschaftlichen Betätigung nach Abzug angemessener Selbstverwaltungskosten zur Förde-rung satzungsmäßiger steuerbegünstigter Zwecke (Mittelverwendung) eingesetzt werden (§ 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO).394 Das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht toleriert auf diese Weise die wirtschaftliche Betätigung zur Mittelbeschaffung, damit sich gemeinnützige Körperschaf-ten unabhängig von Dritten selbst finanzieren können.395 Sofern dabei Erträge realisiert wer-den, erweitern sie die Möglichkeiten der Mittelverwendung und die wirtschaftliche Tätigkeit fördert insofern mittelbar das Ziel der Gemeinnützigkeit,396 freiwilliges, gemeinwohlbezoge-nes Engagement anzuregen und anzuerkennen.397 Dennoch ist die wirtschaftliche Tätigkeit nicht originär qualifiziert gemeinnützig, sie wird zur Mittelbeschaffung toleriert, zugleich aber aus marktwirtschaftlichen Wettbewerbsgründen der partiellen Steuerpflicht unterworfen (§ 64 Abs. 1 AO i.V.m. beispielsweise § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG).398 Von der wirtschaftlichen Betätigung grenzen sich gemeinnützige Tätigkeiten durch das Merkmal der unentgeltlichen Wertschöpfung zu qualifizierten Gemeinwohlzwecken ab. Während entgeltliches Tätigwerden zu Erwerbszwecken der Marktsphäre zuzuordnen ist, um-fasst die Gemeinnützigkeitssphäre jede freiwillige, unentgeltliche Tätigkeit eines Rechtssub-jektes zu qualifizierten Gemeinwohlzwecken.399 Dabei ist Hauptaugenmerk der Abgrenzung, ob die wertschöpfende Tätigkeit entgeltlich oder unentgeltlich erfolgt. Sie erfolgt dann unent-geltlich, wenn sie bis zum Selbstkostenpreis geleistet wird. Die gesetzlichen Anknüpfungs-punkte für das Merkmal der unentgeltlichen Wertschöpfung zu qualifizierten Gemeinwohl-zwecken finden sich allgemein in den §§ 51-63 AO und speziell in §§ 51 Abs. 1, 63 Abs. 1 AO. Darin wird eine Tätigkeit vorausgesetzt, die ausschließlich und unmittelbar satzungsmä-

394 BFH, 4.4.2007, I R 76/05, BStBl. II 2007, 631; BMF, v. 31.1.2014, AEAO zu § 56 Nr. 1; Seer, in:

Tipke/Kruse, AO, 2017, § 55 Rn. 5; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 140, 303. 395 Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 64 Rn. 1; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S.

441. 396 Hüttemann, Grundprinzipien des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (58). 397 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 9; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuer-

staat, 2010, S. 316; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des Grundgesetzes – Gemeinnützig-keit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 35; Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (11); Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, Vor § 51-68 Rn. 35.

398 Hüttemann, Grundprinzipien des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (73); Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (34); Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 55 Rn. 2.

399 Für Droege liegt eine Gemeinnützigkeit im steuerrechtlichen Sinne dann vor, wenn der freiheitsberechtigte Bürger die Leistung (ausschließliche und unmittelbare Förderung steuerbegünstigter Zwecke) für die Allge-meinheit freiwillig erbringt; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 118.

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66 Zweites Kapitel: Wesensmerkmale der Gemeinnützigkeitssphäre

ßige steuerbegünstigte Zwecken fördert und in Abgrenzung zu § 64 AO gerade nicht auf ei-genen materiellen Hinzuerwerb gerichtet ist. § 64 AO schließt Steuervergünstigungen für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, die nicht Zweckbetriebe (§§ 65-68 AO) sind, aus und erklärt damit zugleich wirtschaftliche Betätigun-gen unter dem Dach einer gemeinnützigen Körperschaft ausdrücklich für zulässig. Ein wirt-schaftlicher Geschäftsbetrieb ist in jeder selbständigen, nachhaltigen Tätigkeit zu sehen, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über eine Vermö-gensverwaltung hinausgehen (§ 14 Satz 1 AO). Der Begriff des wirtschaftlichen Geschäftsbe-triebes ist strikt tätigkeitsbezogen auszulegen und umfasst aktives Tun, Dulden und Unterlas-sen.400 Auch wenn eine Gewinnerzielungsabsicht nicht zwingend vorausgesetzt wird (§ 14 Satz 2 AO), ist damit jedes wirtschaftliche Verhalten zum Zwecke der Einnahmeerzielung gemeint.401 Insofern bestehen gewisse Parallelen zu den Begriffen der Leistung im Sinne von § 3 UStG und der Betätigung im Sinne von § 15 Abs. 2 EStG.402 Umstritten ist dabei, ob ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen muss,403 oder ob er auch abseits davon, auf dem „inneren Markt“ zwischen Körperschaft und Mitgliedern vorliegen kann.404 Maßgeblich ist, dass der Gesetzgeber ein solches Tatbe-standsmerkmal nicht in § 14 AO aufgenommen hat und daher jede entgeltliche Tätigkeit ab-seits der Vermögensverwaltung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb begründen kann.405 Unbeachtlich ist dann, ob er mit der entgeltlichen Leistung am allgemeinen Wirtschaftsver-kehr oder am „inneren Markt“ teilnimmt. Tätigkeiten im Rahmen eines wirtschaftlichen Ge-schäftsbetriebes sind grundsätzlich nicht der ideelen (gemeinnützigen) Sphäre zuzuordnen, sondern jener des wirtschaftlichen Wettbewerbs (Marktsphäre).406 Damit die von Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Wettbewerbsneutralität des Staates in der Marktsphäre gewahrt bleibt, löst ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, der nicht Zweckbetrieb (§ 65-68 AO) ist, im Gegensatz zur steuerfreien gemeinnützigen Tätigkeit eine partielle Steuerpflicht aus.407 Zur Rechtferti-gung dieser steuerlichen Behandlung ist keine konkrete, aktuelle Wettbewerbssituation erfor-

400 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 485; Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 14 Rn.

6. 401 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 14 Rn. 9; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 488. 402 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 14 Rn. 9; zum Ansichtenstreit, ob es sich bei dem Begriff „ wirtschaftlicher

Geschäftsbetrieb“ um einen Typusbegriff oder einen Klassenbegriff handelt: Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 14 Rn. 3; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 484.

403 BFH, v. 21.8.1985, I R 3/82, BStBl. II 1986, 92; v. 29.8.1984, I R 68/81, BStBl. II 1985, 120,124; v. 2.10.1968, I R 40/68, BStBl. II 1969, 43; v. 8.3.1967, I 145/64, BStBl. III 1967, 373.

404 BFH, v. 7.5.2014, I R 65/12, BFHE 245, 517; v. 27.3.2001, I R 78/99, BFHE 195/239; Hüttemann, Gemein-nützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 487; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 14 Rn. 9.

405 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 488. 406 Seer, in: Tipke/Kruse, AO, 2017, § 14 Rn. 2; 407 Was sich nicht mit dem Wettbewerbsgedanken rechtfertigen lässt, ist eine Körperschaftsteuerpflicht von

wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben ohne Gewinnerzielungsabsicht; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 478, 480.

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B Abgrenzung zur Marktsphäre durch unentgeltliche Wertschöpfung 67

derlich, es reicht eine abstrakt mögliche Wettbewerbsbeeinträchtigung aus;408 alle Wettbe-werber sind gleich zu behandeln und gleich zu belasten.409 Sowohl die Gemeinnützig-keitssphäre als auch die Marktsphäre sind Instrumente des Interessenausgleichs. Über das Instrument des Marktes sind die Bürger in der Lage, Güter und Leistungen miteinander zu tauschen und private Interessen über die Preisbildung aus Angebot und Nachfrage in Aus-gleich zu bringen.410 Die Anbietertätigkeit auf dem Markt ist geprägt von privatem411 Er-werbsstreben (Motiv) und Entgelt für die eigene Leistung (privater Ertrag). So bietet ein Ar-beitnehmer seine Arbeitskraft auf dem Arbeitsmarkt an und erhält dafür ein Arbeitsentgelt.412 Der Arbeitnehmer stellt Freizeitinteressen zurück, um eigen- und fremdnützig zu wirken. Der tatsächliche Nutzen der Leistung fällt über das Entgelt zwar nicht vollumfänglich in die Pri-vatsphäre des Arbeitnehmers, denn unter anderem erhebt der Staat Steuern auf den Ertrag und der Arbeitgeber schöpft durch Kombination der Leistung unter Umständen einen höheren Wert. Dennoch wird das Verhalten eines jeden Anbieters in der Marktsphäre derart von Er-werbsstreben und Erwerbsentgelt dominiert, dass bei Anbietern ein die Ertragslage prägender Eigennutzen unwiderlegbar zu vermuten ist. Marktanbieter handeln vorrangig eigennützig. Dominierendes und nicht zu unterdrückendes Motiv ist dabei der eigene materielle Hinzuer-werb. Auch aus diesem Grund verzichtet der Steuerstaat strukturell auf eigene Unternehmen und damit auf eine erwerbsbezogene Betätigung am Markt.413 Die gemeinnützige Betätigung dagegen ist jede Tätigkeit der gemeinnützigen Körperschaft, die ausschließlich (§ 56 AO) und unmittelbare (§ 57 AO) steuerbegünstigte Zwecke verwirk-licht (§ 51 Abs. 1 S. 1 AO). Diese Fördertätigkeit muss selbstlos erfolgen, darf also nicht in erster Linie eigenwirtschaftlichen Zwecken (der Mitglieder)414, zum Beispiel Erwerbszwe-cken, dienen (§ 55 Abs. 1 S. 1 AO). Akteure der Gemeinnützigkeitssphäre treten nun in erster Linie als Nachfrager am Markt auf, sie können Leistungen und Güter zu marktgerechten Prei-sen einkaufen, um daraus einen Mehrwert zu erzeugen. Dieser Mehrwert wird dann nicht wieder am Markt als Gut oder Leistung entgeltlich angeboten, sondern der Allgemeinheit un-

408 BFH, v. 7.5.2014, I R 65/12, BFHE 245, 517; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S.

487. 409 BVerfG, v. 28.1.1970, 1 BvL 4/67, BVerfGE 27, 375; BFH, v. 7.5.2014, I R 65/12, BFHE 245, 517; Seer, in:

Tipke/Kruse, AO, 2017, § 14 Rn. 2; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 488; Lang/Seer, Der Betriebsausgabenabzug im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes gemeinnützi-ger Körperschaften, FR 1994, 521 (522).

410 Vgl. Leisner, Demokratie gegen Marktwirtschaft, NJW 2011, 3553 (3555); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 2 Rn. 76-78.

411 In der Bedeutung als „nicht staatliches“ Erwerbsstreben. 412 Kock, in: BeckOK Arbeitsrecht, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG), 2017, § 1 Rn. 21-27; Steinmeyer,

in: Gagel, SGB II/SGB III, 2015, SGB III § 140 Rn. 95 ff. 413 BVerfG, v. 9.11.1992, 2 BvL 5/95, BVerfGE 101, 141; v. 8.6.1988, 2 BvL 9/85, BVerfGE 78, 249; Isensee,

Steuer als Staatsform, in: FS Ipsen, 1977, 409 (409 f.); Kube, in: BeckOK GG, 2017, Art. 105 Rn. 2. 414 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 286; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen

Steuerstaat, 2010, S. 121.

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68 Zweites Kapitel: Wesensmerkmale der Gemeinnützigkeitssphäre

entgeltlich zur Verfügung gestellt. Der in der Gemeinnützigkeitssphäre erzeugte materielle Mehrwert darf die Sphäre nur über Fördertätigkeiten zu ausschließlich und unmittelbar steu-erbegünstigten Zwecken im Rahmen der Mittelverwendung verlassen. Anders als in der Marktsphäre setzen die Akteure in der Gemeinnützigkeitssphäre eigene Freizeit- und Er-werbsinteressen zurück, um durch ihr Handeln primär einen Mehrwert für die Allgemeinheit zu schöpfen. Abzugrenzen sind auch diese beiden Sphären anhand der Ertragslage der jewei-ligen Tätigkeit. Dabei ist prägendes Element der gemeinnützigen Betätigung die unentgeltli-che Wertschöpfung zu qualifizierten Gemeinwohlzwecken. Der durch die Tätigkeit geschöpfte Wert soll gerade nicht am Markt angeboten und entgeltlich realisiert werden, sondern ist, so wie geschöpft, unentgeltlich zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke weiterzugeben. Die Grenze zur Entgeltlichkeit beginnt messbar bei dem Betrag, der über den Aufwendungser-satzgedanken und Förderungsgedanken hinausgeht und einen „geplanten materiellen Hinzu-erwerb abseits des Förderungsprogramms“ hervorruft. Insofern erfolgt die Weitergabe des geschöpften Wertes in jedem Fall dann unentgeltlich, wenn sie maximal zum Selbstkosten-preis erfolgt. Für engagierte Individuen könnte sich der Selbstkostenbetrag am menschenwürdigen Exis-tenzminimum415 orientieren. Sofern sich beispielsweise natürliche Personen in Vollzeit ge-meinnützig engagierten und keine weiteren Einnahmen hätten, könnte ihnen maximal, zusätz-lich zum Ersatz ihrer tatsächlichen Aufwendungen, der Betrag des gesetzlichen Existenzmi-nimums416 als Ausgleich in Geld- oder Sachwert gemeinnützigkeitsunschädlich aus der Ge-meinnützigkeitssphäre in die Privatsphäre zugewendet werden. Dann wäre nach der Idee des existenznotwenigen Bedarfs ein materieller Hinzugewinn in der Privatsphäre und damit ab-seits des Förderprogramms nicht möglich. Im Ergebnis bleibt die Tätigkeit als Marktanbieter isoliert betrachtet eine vorrangig eigennüt-zige Tätigkeit und kann nicht Teil einer tätigkeitsbezogenen Gemeinnützigkeitssphäre sein. Sie wird unter dem Dach der Gemeinnützigkeit lediglich als Mittelbeschaffungsquelle tole-

415 „Die Grundsicherung für Arbeitssuchende soll es Leistungsberechtigten ermöglichen, ein Leben zu führen,

das der Würde des Menschen entspricht“ § 1 Abs. 1 SGB II. Gemäß Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG besteht ein Grundrecht jedes Bürgers auf Gewährleistung ei-nes menschwürdigen Existenzminimums. Dieses sichert ihm die materiellen Voraussetzungen zu, die für sei-ne physische Existenz und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. BVerfG, v. 9.2.2010, 1/BvL 1/09,3/09, 4/09, BVerfGE 125, 175; v. 23.7.2014, 1/BvL 10/12, 12/12, 1 BvR 1691/13, NJW 2014, 3425 (3425 f.).

416 Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts im Sinne von § 20 Abs. 2 SGB II, für 2015 399 Euro. Bun-desministerium für Arbeit und Soziales, Regelbedarf bei Arbeitslosengeld II/Sozialgeld ab 1.1.2015, http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Grundsicherung/ Leistungen-zur-Sicherung-des-Lebensunterhaltes/2-teaser-artikelseite-arbeitslosengeld-2-sozialgeld.html, abgerufen am 26.8.2015; § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II; zum Inhalt des Regelbedarfs Breitkreuz, in: BeckOK Sozialrecht, SGB II, 2017, § 20 Rn. 2-5.

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C Abgrenzung zur Staatssphäre durch freiwilliges privates Engagement 69

riert. Die wirtschaftlich tätige Einheit innerhalb der Körperschaft strebt in erster Linie nach Renditemaximierung (Eigennutz); unabhängig davon, ob die tatsächliche Rendite in einem zweiten Schritt gemeinnützig gebunden wird. Wenn also gemeinnützige Körperschaften ein Eigennutzstreben (in unbegrenztem Ausmaß)417 in sich tolerieren können und zudem ein ge-meinnützigkeitsschädlicher materieller Hinzuerwerb erst bei Entgelten oberhalb des Selbst-kostenpreises vorstellbar ist, dann erscheint das Argument418 wenig durchgreifend, dass ande-re Rechtssubjekte, insbesondere Individuen, aufgrund eines ihnen inhärenten Eigennutzstre-bens diese Anforderungen generell nicht erfüllen könnten.

C Abgrenzung zur Staatssphäre durch freiwilliges privates Engagement

Der Staat befindet sich in einem Dilemma aus zu erfüllenden Staatsaufgaben und zu knappen Ressourcen, aus Verfassungsauftrag und Belastungsverteilung auf die Bürger, aus der Durch-setzung von Gleichheits- und Freiheitsinteressen zugleich.419 Er hat eine eigene Gemein-wohlidee für die Gemeinschaft zu entwickeln420 und ist für die konsequente Verwirklichung und Umsetzung dieser Idee verantwortlich. Jedes staatliche Eingreifen in die Organisation der Gemeinschaft ruft Belastungen und Einschränkungen der Bürgerrechte hervor. Um die Lasten der staatlichen Gemeinwohlförderung zu verteilen, stehen dem Staat die Varianten der Abga-be- und Dienstpflicht (Zwang) sowie Geld- und Zeitspende (Freiwilligkeit) zur Verfügung. Um dennoch dem Dilemma seines Verfassungsauftrages aus Gemeinwohlförderung bei größtmöglichem Schutz der Bürgerrechte gerecht werden zu können, bedarf es eines Gesamt-systems der Gemeinwohlförderung, denn die Ressourcen sind knapp und der Staat muss sys-tematisch bestimmte Gemeinschaftsinteressen priorisieren. Die Staatssphäre vereint das ge-samte in dem grundgesetzlich vorgegebenen politischen System erfolgende staatliche Han-deln.421 Staatliches Handeln ist jede von Staatsmitarbeitern in Ausführung ihres Staatsauftra-ges vorgenommene Tätigkeit.

417 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 303. 418 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 11; Hüttemann, Grundprinzipien des steuerli-

chen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (50); Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuer-staat, 2012, S. 169.

419 Der Staat darf nicht übermäßig in die Grundrechte der Bürger eingreifen; er muss die auszugleichenden Ver-fassungsgüter abwägen und von mehreren verhältnismäßigen Varianten die grundrechtsschonendste wählen. Jenes Übermaßverbot wird aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG), den jeweiligen Verfassungsgütern und der Grundrechtsbindung des Staates (Art. 1 Abs. 3 GG) hergeleitet. Huster/Rux, in: BeckOK, GG, 2017, Art. 20 Rn. 140-142.

420 Hierzu Einleitung A. 421 Als Umkehrschluss aus der staatlichen Gemeinwohlverpflichtung BVerfG, v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06,

Fraport, BVerfGE 128, 266; Becker, Interessen und öffentliches Wohl bei der gemeindlichen Neugliederung, in: Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 39, 1968, S. 73 f., 82; Mronz, Körperschaft und Zwangsmitgliedschaft, 1973, S. 262.

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70 Zweites Kapitel: Wesensmerkmale der Gemeinnützigkeitssphäre

In Abgrenzung zur Staatssphäre betrifft die Gemeinnützigkeitssphäre dagegen die Belas-tungsebene. Sie umfasst alle gemeinnützigen Tätigkeiten und beruht auf „freiwilligem pri-vatem Engagement“ zu staatlich definierten, qualifizierten Gemeinwohlzwecken; sie ist ein Instrument des Staates, um die Elemente der Freiwilligkeit, der Solidarität und der kreativen Eigenverantwortung in der Gemeinschaft zu stärken; sie bietet die Chance, den Staat in eini-gen Aspekten seines Aufgabenbereichs zu unterstützen und ihn dabei in eine Art subsidiäre Wächterrolle zu verweisen.422 Die Gemeinschaft als Gesamtheit der einzelnen Bürger erhält die Möglichkeit, gewisse, nur grob vorgegebene Bereiche der Gemeinwohlförderung in krea-tiver Eigenverantwortung und in Konkretisierung des Gemeinwohls auszugestalten. Damit wird den Bürgern angeboten, Verantwortung in der Gemeinschaft zu übernehmen, das staatli-che System der Gemeinwohlförderung mitzugestalten und den staatsbürgerlichen Einflussbe-reich auszubauen. Insofern ebnet die Gemeinnützigkeitssphäre einen Weg zu mehr demokrati-scher Einflussnahme in der Gemeinschaft. Die Verfassung erwähnt jenes Instrument der Ge-meinwohlförderung zwar nicht ausdrücklich, doch ergibt sich aus dem genannten Dilemma des Staates, dass der Gesetzgeber ein freiheitsschonendes System der Interessenkonfliktlö-sung wie die Gemeinnützigkeit berücksichtigen muss. Sofern die Gemeinschaft die Verant-wortung der freiwilligen Belastungsübernahme in einem Bereich nicht oder nicht hinreichend wahrnimmt, muss der Staat reagieren. Er tritt aus der subsidiären Wächterrolle hervor und setzt entweder die Standards für den Bereich herab oder aber er bearbeitet den Bereich selbst und erhebt die erforderlichen Ressourcen von den Bürgern per Zwang. Sofern Bürger als Mitarbeiter entgeltlich für den Staat tätig werden, vereinen sie ab diesem Zeitpunkt eine Tätigkeitssphäre für privates Verhalten und eine andere für staatliches Verhal-ten in sich. In Ausführung des Amtes handeln natürliche Personen als Repräsentanten des Staates; erst durch sie ist er handlungsfähig.423 Abgrenzungskriterium ist erneut die Ertragsla-ge der Tätigkeit. Wenn Personen entgeltlich für den Staat tätig werden, engagieren sie sich vorrangig aus Erwerbsgründen, der vorrangige Eigennutz ihrer Tätigkeit wird wie in der Marktsphäre unwiderlegbar vermutet.424 Das staatliche Handeln konkretisiert das Gemein-wohl auf der zweiten Stufe. Anders dagegen die Gemeinnützigkeitssphäre: Sie konkretisiert das Gemeinwohl auf der dritten Stufe durch privates, freiwilliges und unentgeltliches Enga-gement zu staatlich definierten Allgemeininteressen (derzeit definiert als gemeinnützige, mildtätige und kirchliche Zwecke in §§ 52-54 AO).

422 Hierzu ausführlich 1. Kapitel B. I. 1. 423 Vgl. Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 57 Rn. 2. 424 Hierzu 2. Kapitel C.

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D Maßstab der Systemkohärenz für Förderinstrumente 71

D Maßstab der Systemkohärenz für Förderinstrumente

Nach den Feststellungen, dass die Gemeinnützigkeit im staatlichen System der Gemeinwohl-förderung zu berücksichtigen ist425 und welche Wesensmerkmale sie prägen, sind nun die Vorgaben für das „Wie“ der Berücksichtigung zu diskutieren. Fraglich ist, ob es einen Maß-stab gibt, an dem ein Subsystem der Gemeinnützigkeit insgesamt und auch einzelne Förderin-strumente systematisch auf ihre Vereinbarkeit mit der Verfassung und ihre Wirkungskraft hin „geprüft“ werden können. Dieser Maßstab müsste einige Verfassungsvorgaben in sich auf-nehmen: beispielsweise die Grundrechtsbindung des Staates (Art. 1 Abs. 3 GG),426 die Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt (Art. 20 Abs. 3 GG),427 den allgemeinen Gleichheits-satz (Art. 3 Abs. 1 GG)428 und die Grundrechte der Bürger selbst.429 Jedenfalls ist der Rechts-staat ein Instrument zur Gemeinwohlförderung in Gemeinschaften. Er kann die erforderliche Abstraktionsleistung aus garantierter Gleichbehandlung aller Mitglieder bei möglichst opti-maler Interessenentfaltung erbringen. Der Legislative kommt dabei die Aufgabe zu, aus dem Rahmen der Verfassung eine für alle Bürger geltende, konkrete Rechtsordnung zu entwi-ckeln.430 Die Rechtswissenschaft ist hingegen dazu bestimmt, die Entwicklung der Rechts-ordnung zu begleiten, systematische Widersprüche aufzudecken und Alternativkonzepte zu erarbeiten. In diesem Sinne soll das Recht seine Übersetzungsfunktion vom politischen Wil-len in gemeinschaftlich gelebte Wirklichkeit erfüllen. Hierfür wird die Rechtsordnung in Sub-systeme (einzelne Rechtsgebiete oder auch kleinere Normenkomplexe) eingeteilt. Die Subsys-teme müssen zunächst einmal in sich möglichst weitgehend widerspruchsfrei sein, weil sie sonst durch die Widersprüche mehr Einzelfallentscheidungen und damit mehr staatlichen Prü-fungsumfang hervorrufen. Der erhöhte Prüfungsumfang lässt sinkende Prüfungseffizienz und -effektivität befürchten und wird zudem auch vor dem Hintergrund der Art. 1 Abs. 3 und 3 Abs. 1 GG relevant. Mehr staatlicher Prüfungsumfang bedeutet mehr steuerfinanziertes staat-liches Handeln, so dass die Freiheits- und insbesondere Eigentumsrechte der Bürger, an die der Gesetzgeber über Art. 1 Abs. 3 GG gebunden ist, extensiver eingeschränkt werden. Ist ein System gar derart widersprüchlich, dass zwei unterschiedliche staatliche Entscheidungen un-ter Berufung auf ein kodifiziertes System rechtlich zulässig sind, entwickelt sich eine Prob-lemlage vor dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG.431

425 Hierzu Einleitung A. 426 Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 1 Rn. 1-3; Hillgruber, in: BeckOK, GG, 2017, Art. 1 Rn. 61 f. 427 Huster/Rux, in: BeckOK GG, 2017, Art. 20 Rn. 165-168; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 20 VI. 428 Kischel, in: BeckOK, GG, 2017, Art. 3 Abs. 1 Rn. 14. 429 Sendler, Grundrecht auf Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung?, NJW 1998, 2875 (2876). 430 Hierzu Einleitung A. 431 Sendler, Grundrecht auf Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung?, NJW 1998, 2875 (2876).

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72 Zweites Kapitel: Wesensmerkmale der Gemeinnützigkeitssphäre

Zur Entwicklung, Diskussion und Überprüfung von staatlichen Subsystemen und insbesonde-re von Förderansätze für gemeinnütziges Engagement kann dabei der „Maßstab der System-kohärenz“ weiterhelfen. Er besagt, dass für jedes Subsystem zunächst ein Systemziel zu for-mulieren ist, das den politischen Willen zur Umsetzung eines bestimmten Themas in sich trägt. Dieses Ziel muss aus der Verfassung hergeleitet werden können und folglich mit ihr im Einklang steht. Dadurch wird dem Grundsatz Rechnung getragen, dass die Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung (Art. 20 Abs. 3 GG) gebunden ist. Sodann sind Strukturen zur Zielerreichung auf ihre Kohärenz beziehungsweise etwaige strukturelle Widersprüche zu untersuchen. Zwar hat der Gesetzgeber bei der Entwicklung der Rechtsordnung und der Aus-gestaltung der Subsysteme grundsätzlich einen weiten Ermessenspielraum, die strukturelle Kohärenzprüfung ist dennoch gerechtfertigt, weil sie, wie im vorigen Absatz dargestellt, auf die Offenlegung von Einschränkungen der Verfassungswerte der Art. 1 Abs. 3 und 3 Abs. 1 GG gerichtet ist und langfristig eine Abmilderung aller unverhältnismäßigen grundrechtlichen Einschränkungen anstrebt. Aufgrund des Ermessensspielraumes des Staates bei der Ausge-staltung der Subsysteme sind bei Aufdeckung eines strukturellen Umsetzungsdefizits zwi-schen politischem Willen und gelebter Wirklichkeit alternative Strukturansätze aufzuzeigen. Aus Gründen der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs.2 S. 2 Halbs. 2 GG) ist zudem wichtig, dass die Entscheidungen innerhalb des Systems, die in einem Über-Unterordnungsverhältnis erfol-gen, durch eine vom Gesetzgeber unabhängige Prüfungsinstanz (Exekutive) erfolgen, die als auslegende, begleitende und betreuende Instanz hinzutritt. Abschließend müssen das Subsys-tem und die dadurch hervorgerufenen Interessenausgleichsentscheidungen verfassungsrecht-lich gerechtfertigt sein. Sie dürfen durch ihren Regelungscharakter nicht unverhältnismäßig in die Grundrechte der Bürger oder in anderweitig zu schützende Verfassungswerte eingreifen. Das kritische Hinterfragen der geltenden Systeme ist dabei eine ebenso wichtige Aufgabe der Rechtswissenschaft wie das Entwickeln alternativer Subsysteme. So befindet sich nicht nur die Gemeinwohlförderung in einem ständigen Entwicklungsprozess, sondern auch die Rechtsordnung mit ihren Subsystemen und jeder Einzelnorm. Die Abhandlung wird die nun folgende Diskussion über den gemeinnützigen Inhalt und die Wirkungskraft bestimmter En-gagementförderansätze anhand des Maßstabes der Systemkohärenz vornehmen.

E Zwischenergebnis

Der Titel der Abhandlung gibt weiterhin die Richtung des Prüfungsprogrammes vor: Gibt es bereits de lege lata einen Rechtsstatus für partiell gemeinnützige Personen und wenn nicht, unter welchen Grundvoraussetzungen wäre er vorstellbar. Hierzu stellt die Einleitung zu-nächst fest, dass die Gemeinnützigkeit ein verfassungsrechtlich gebotener, wichtiger Bestand-teil der Gemeinwohlförderung in Deutschland ist. Im 1. Kapitel wird die Statusbeschränkung im geltenden Rechtsrahmen der steuerlichen Gemeinnützigkeit diskutiert und als Innovations-

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E Zwischenergebnis 73

hemmnis bewertet. Das 2. Kapitel zeichnet mit den Wesensmerkmalen der Gemeinnützigkeit eine Sphäre nach, die abseits des geltenden Rechts das gesamte gemeinnützige Engagement in sich vereinen soll. Sie umfasst alle Tätigkeiten, die freiwillig, mit qualifiziertem Gemein-wohlbezug und mit der Maßgabe der unentgeltlichen Wertschöpfung zu qualifizierten Ge-meinwohlzwecken vorgenommen werden. Ein qualifizierter Gemeinwohlbezug liegt vor, wenn zum einen der Gesetzgeber bestimmte Themenbereiche als Gemeinschaftsinteressen qualifiziert hat und die Tätigkeit diese Interessen tatsächlich vorrangig durchsetzt. Durch die unentgeltliche Wertschöpfung wird sichergestellt, dass der durch die Tätigkeit innerhalb der Themenbereiche geschöpfte Wert nicht zu einem stoffgleichen materillen Hinzuerwerb ab-seits der Fördertätigkeit führt. Zudem wird ein Prüfungsmaßstab aufgezeigt, an dem einzelne Ansätze der Engagementförderung auf ihre Wirkungskraft hin untersucht werden können (Maßstab der Systemkohärenz). Die Kapitel 3–5 zeigen auf, dass es bereits seit Jahrzehnten den politischen Willen gibt, individuelles gemeinnütziges Engagement stärker zu fördern. Sie beinhalten eine Zusammenstellung der Förderansätze für gemeinnütziges Engagement von Individuen im geltenden Recht. Abschließend ist zu prüfen, ob ein verfassungsrechtlich prob-lematisches, strukturelles Umsetzungsdefizit vorliegt und welche alternativen Strukturansätze den dargestellten Ist-Zustand de lege ferenda logisch, rechtssicher und kohärent verändern könnten.

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Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilli-gendienst

Seit der Aussetzung432 der Wehr- und Zivildienstpflicht vom 1.7.2011433 sind die Freiwilli-gendienste zunehmend in den politischen Fokus gerückt. Sie sollen die Lücke, welche die Aussetzung der Dienstpflicht für junge Männer hinterlässt, durch freiwilliges Engagement von Männern und Frauen schließen. So ersetzt der freiwillige Wehrdienst den Pflichtwehr-dienst und der Bundesfreiwilligendienst den Zivildienst.434 Dieser Umstand bedeutet zunächst einen Freiheitsgewinn für junge Männer. Darüber hinaus aber wird er die gesellschaftspoliti-schen Strukturen der Gemeinwohlförderung in bisher unterschätztem Maße verändern.435 So-fern die zuvor per Zwang eingeforderte Belastung und Verantwortungsübernahme im Rahmen der Pflichtdienste nicht durch freiwilliges Engagement und insbesondere über die Formate des Bundesfreiwilligendienstes und des Freiwilligen Wehrdienstes kompensiert wird, muss der Staat entscheiden, ob er das Gemeinwohlniveau an diesen Stellen absenkt oder aufrecht er-hält, indem er die Belastungen anderweitig per Zwang einfordert. Erforderlich ist ein gesamt-gesellschaftlicher positiver Geist gegenüber freiwilligem Engagement.436 Jener Geist be-schreibt die Idee vom freiwilligen Dienst für das Gemeinwohl.437 Der Staat hat grundsätzlich zwei Möglichkeiten die Belastungen der Gemeinwohlförderung auf die Bürger zu verteilen, entweder per Zwang (Steuern, Pflichtdienste) oder aber durch freiwillige Verantwortungs-übernahme (Geld-, Zeitspende).438 Insofern ist die Gemeinnützigkeitssphäre ein Instrument der Gemeinwohlförderung. Eine Tätigkeitssphäre, in der Bürger freiwillig und flexibel gesell-schaftlich Verantwortung übernehmen können, jeder Bürger nach seinem Lebensabschnitt und seinen Kapazitäten. Idealerweise wächst jene Sphäre derart in das gesellschaftliche Leben hinein, dass sie jeder Bürger im Laufe des Lebens immer wieder betritt. Um diesen Geist hin-sichtlich einer freiwilligen partiellen gemeinschaftlichen Selbstverwaltung entstehen zu las- 432 Die Pflichtdienste sind nur ausgesetzt, nicht abgeschafft. Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz,

2014, Ausgangslage Rn. 6. 433 Seit dem 1.7.2011, Wehrrechtsänderungsgesetz 2011, v. 28.4.2011, BGBl. I S. 678. Für den Zivildienst:

§ 3 Abs. 1 Wehrpflichtgesetz; Gesetz über den Zivildienst der Kriegsverweigerer. 434 Wehrrechtsänderungsgesetz 2011, v. 28.4.2011, BGBl. I S. 678; Bundesfreiwilligendienstgesetz,

v. 28.4.2011, BGBl. S. 687; Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, Ausgangslage Rn. 1; Anheier/Beller/Haß/Mildenberger/Then, Ein Jahr Bundesfreiwilligendienst, 2012, S. 4; Bibisi-dis/Eichhorn/Klein/Perabo/Rindt, Zivil-Gesellschaft-Staat, 2015, Vorwort V.

435 Anheier/Beller/Haß/Mildenberger/Then, Ein Jahr Bundesfreiwilligendienst, 2012, S. 4; Bibisi-dis/Eichhorn/Klein/Perabo/Rindt, Zivil-Gesellschaft-Staat, 2015, Vorwort V.

436 Anheier/Beller/Haß/Mildenberger/Then, Ein Jahr Bundesfreiwilligendienst, 2012, S. 5. 437 Bibisidis/Eichhorn/Klein/Perabo/Rindt, Zivil-Gesellschaft-Staat, 2015, Vorwort V; Hüttemann, Gemeinnüt-

zigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 9; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 316; I-sensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewährungs-probe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 35; Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (11); Leisner-Egensperger, in: Hüb-schmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, Vor § 51-68 Rn. 35.

438 Zum Begriff der Zeitspende Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbedingungen bür-gerschaftlichen Engagements, 2002, S. 263-265.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018C. Alders, Die partiell gemeinnützige (natürliche) Person, Schriften zum Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20793-9_4

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76 Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst

sen, bedarf es eines Konzeptes für gemeinnütziges Engagement mit rechtssicheren Strukturen, die der Staat in sein System der Gemeinwohlförderung kohärent einfügt. Als Besonderheit stellt sich in diesem Zusammenhang die Verbindung des Konzeptes der Gemeinnützigkeit mit den Freiwilligendienstmodellen dar. Bisher folgt das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht in den §§ 51-68 AO dem organisationsgebundenen Förderkonzept439 und die Strukturen für in-dividuelles Engagement bildeten sich vornehmlich abseits dieses Regelungskomplexes her-aus. Im Folgenden werden einige der bestehenden Strukturen für individuelles Engagement (Freiwilligendienstmodelle) vorgestellt, um anschließend die jeweiligen Förderkonzepte auf ihre Vereinbarkeit mit den Grundstrukturen der Gemeinnützigkeitssphäre hin zu prüfen. So-fern ein Freiwilligendienstmodell der Gemeinnützigkeitssphäre zuzuordnen ist, kommt so-dann eine erweiternde Auslegung des Rechtsbegriffes der Gemeinnützigkeit um diesen An-satz der Engagementförderung bereits de lege lata in Betracht.

A Bundesfreiwilligendienst

Der Bundesfreiwilligendienst ist das zuletzt kodifizierte Freiwilligendienstmodell und ge-währt daher Einblicke in die aktuellen konzeptionellen Vorstellungen des Gesetzgebers zur Förderung von individuellem Engagement für das Gemeinwohl.440 Strukturell betrachtet, werden die Dienstpflichten junger Männer ausgesetzt,441 das Angebot zu Zeitspenden durch das Bundesfreiwilligendienstgesetz442 aber erweitert. Dieser Zusammenhang legt die Idee des Staates offen, jungen Männern mehr Freiheit zuzugestehen, zugleich aber nicht auf die Ge-meinwohlerträge jener Arbeitsleistung verzichten zu wollen. Der Bundesfinanzhof sieht in den Förderleistungen Versuche des Gesetzgebers die Freiwilli-gendienste und insbesondere den Bundesfreiwilligendienst attraktiv zu machen.443 Da der Gesetzgeber zwar verfassungsrechtlich angehalten ist, das Instrument der Gemeinnützigkeit im Rahmen der Gemeinwohlförderung zu berücksichtigen („ob“), sich zugleich aber aufgrund des Umstandes, dass es sich bei den Förderansätzen um Leistungsverwaltung handelt, auf einen weiten Ermessenspielraum berufen kann, gibt es keine verfassungsrechtliche Pflicht zur Berücksichtigung einzelner konkreter Förderansätze.444

439 Hüttemann, Grundprinzipien des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (51); Dro-

ege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 165; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuer-staat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 33.

440 Anheier/Beller/Haß/Mildenberger/Then, Ein Jahr Bundesfreiwilligendienst, 2012, S. 4. 441 Wehrrechtsänderungsgesetz 2011, v. 28.4.2011, BGBl. I S. 678. 442 Bundesfreiwilligendienstgesetz, v. 28.4.2011, BGBl. I S. 687. 443 BFH, v. 7.4.2011, III R 11/09, BFH/NV 2011, 1325; Selder, in: Blümich, EStG, 2017, § 32 Rn. 66. 444 BFH, v. 24.5.2012, III R 68/11, BStBl. II 2013, 864, BFHE 238, 394; Selder, in: Blümich, EStG, 2017, § 32

Rn. 66; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 429.

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A Bundesfreiwilligendienst 77

I Statusvoraussetzungen

Im Bundesfreiwilligendienst können sich Männer und Frauen aller Altersgruppen freiwillig für das Gemeinwohl engagieren (§ 1 Satz 1 BFDG). Der Dienst ist daher schon im Grundsatz offen zugänglich und vielfältiger als der Zivildienst und die Jugendfreiwilligendienste.445 Dies gilt nicht nur für den persönlichen, sondern auch für den sachlichen Anwendungsbereich durch die Themen Soziales, Ökologie, Kultur, Sport, Integration, Zivil- und Katastrophen-schutz (§ 1 Satz 1 BFDG). Um allerdings den Status als Bundesfreiwilligendienstleistender zu erhalten, müssen die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 2 BFDG erfüllt sein.

1 Formelle Voraussetzungen

Zunächst wird eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Bund und dem Freiwilligen zur Leistung des Bundesfreiwilligendienstes für eine Zeit von mindestens 6 bis höchstens 24 Mo-naten vorausgesetzt (§§ 2 Nr. 3, 8 Abs. 1 BFDG).446 Ist der Freiwillige minderjährig, bedarf die Vereinbarung zur Wirksamkeit gemäß §§ 106 f. BGB der Mitunterzeichnung der gesetzli-chen Vertreter des Freiwilligen. Darüber hinaus muss das Schriftstück folgenden Inhalt auf-weisen (§ 8 Abs. 1 BFDG): Die persönlichen Angaben des Freiwilligen und gegebenenfalls seiner gesetzlichen Vertreter (Nr. 1), die konkrete Bezeichnung der Einsatzstelle und gegebe-nenfalls des Trägers (Nr. 3), die Angabe des abzuleistenden Zeitraumes samt Regelungen zur vorzeitigen Beendigung des Dienstverhältnisses (Nr. 4), die Aufschlüsselung der Geld- und Sachleistungen (Nr. 6), die Angabe der Anzahl an Urlaubs- und Seminartagen (Nr. 7) und Weiteres. Durch die Vereinbarung wird kein gewöhnliches Arbeitsverhältnis begründet, viel eher handelt es sich um ein Rechtsverhältnis eigener Art.447 Es wird ein „öffentlicher Dienst des Bundes eigener Art begründet“448, für den die Arbeitsgerichte allerdings gemäß § 2 Ar-bGG ausschließlich sachlich zuständig sind. Zuständig für den Abschluss der Vereinbarung ist seitens des Bundes das Bundesamt für Fa-milie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (§ 14 Abs. 1 BFDG). Es führt das Bundesfreiwilli-gendienstgesetz als Bundesoberbehörde in bundeseigener Verwaltung aus und entscheidet auf Vorschlag des Freiwilligen und der Einsatzstelle, die vorher mit ihrer Zentralstelle einen Platz

445 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 1 Rn. 5; Haß/Beller, Experiment Altersöffnung

im Bundesfreiwilligendienst, 2013, S. 2; Haß/Beller, Der Bundesfreiwilligendienst: Ein Erfolgsmodell für al-le?, APuZ 14-15/2015, S. 22.

446 Diese Vereinbarung ist an die Vereinbarung in § 11 JFDG angelehnt, allerdings wird sie im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes zwischen Bund und den Freiwilligen anstatt wie im Jugendfreiwilligendienstge-setz zwischen einem Träger und den Freiwilligen geschlossen. Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienst-gesetz, 2014, § 8 Rn. 1 f.

447 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 8 Rn. 8. 448 BT-Drs. 17/4803, v. 17.2.2011, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes, S.

17.

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78 Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst

sicherstellt, über den Abschluss der Vereinbarung (§ 8 Abs. 3 BFDG).449 Das Bundesamt ko-ordiniert die Platzanzahl und Platzbelegung mit den Zentralstellen. Die Zentralstellen koordi-nieren dies mit den Einsatzstellen vor Ort (§§ 7 Abs. 5, 14 Abs. 1 BFDG).

2 Materielle Voraussetzungen

Neben den die Vereinbarung betreffenden formellen Voraussetzungen stellt das Bundesfrei-willigendienstgesetz zudem das ausführende Rechtssubjekt und die Tätigkeit betreffende ma-terielle Statusvoraussetzungen auf. Hierbei ist entscheidend, dass grundsätzlich nur natürliche Personen am Dienst teilnehmen können, die ihre Vollzeitschulpflicht abgeleistet haben (§ 2 Nr. 1 BFDG) und den Dienst außerhalb einer Berufsausbildung und vergleichbar einer Vollzeitbeschäftigung ausführen (§ 2 Nr. 2 Halbsatz 2 BFDG). Die Vollzeitschulpflicht endet je nach Einschulungszeitpunkt und abhängig vom Bundesland im Alter von 15 oder 16 Jah-ren.450 Sieht die Vereinbarung keine abweichende Regelung vor, bedeutet Vollzeitbeschäfti-gung grundsätzlich das Ableisten von 8 Arbeitsstunden pro Tag und 40 Arbeitsstunden pro Woche.451 Nach Vollendung des 27. Lebensjahres eröffnet sich dann zusätzlich die Möglich-keit, dem Dienst auch in Teilzeitbeschäftigung von mehr als 20 Stunden pro Woche nachzu-gehen (§ 2 Nr. 2 Halbsatz 3 BFDG). Der persönliche Zugang zu den verschiedenen Formen des Status erfolgt damit abgestuft. Vor Ende der Vollzeitschulpflicht kann der Status nicht erreicht werden, im Alter von 15/16 bis 28 Jahren wird er lediglich als Vollzeit-Status aner-kannt und ab Vollendung des 27. Lebensjahres ist der Status in Vollzeit und in Teilzeit zu-gänglich.452 Außerdem stellt das Bundesfreiwilligendienstgesetz tätigkeitsbezogene Anforderungen, so muss der Dienst freiwillig, ohne Erwerbsabsicht und unentgeltlich ausgeführt werden. Er soll persönliches bürgerschaftliches Engagement erfassen und ausdrücklich kein Ersatz für eine Erwerbstätigkeit sein.453 Dies wird durch die noch zu erläuternden Grundsätze der Arbeits-marktneutralität und der Taschengeldhöchstgrenze deutlich herausgestellt.454 Die Freiwillig-keit ist dabei in Abgrenzung zu staatlichem Zwang zu interpretieren, Interessierte sollen sich aus freiem Willen heraus für einen Bundesfreiwilligendienst entscheiden.455 Die fehlende Er-werbsabsicht und die Unentgeltlichkeit beschreiben die vorausgesetzten Motive und Erträge der Tätigkeit.456 So darf ein Freiwilliger nicht mehr als Unterkunft, Verpflegung und Arbeits-

449 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, §§ 14 Rn. 2, 8 Rn. 96 f. 450 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 2 Rn. 11. 451 Vgl. § 3 Abs. 1 ArbZG; Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 2 Rn. 29. 452 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 2 Rn. 29, 32. 453 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 2 Rn. 25-28. 454 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 2 Rn. 28. 455 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 2 Rn. 26. 456 Hierzu ausführlich 2. Kapitel B.

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A Bundesfreiwilligendienst 79

kleidung sowie ein angemessenes Taschengeld oder diese Posten als Geldersatzleistung erhal-ten (§ 2 Nr. 4 BFDG).457 Dahinter steht der Gedanke, dass der Dienst nicht auf planmäßigen materiellen Hinzuerwerb (Marktsphäre) gerichtet ist und deswegen auch zu keinem dauerhaf-ten materiellen Hinzuerwerb beim Engagierten führen darf, sondern der durch das individuel-le Engagement geschöpfte Wert unentgeltlich weitergegeben wird.458 Hüber/Mansfeld sehen durch die Deckelung des angemessenen Taschengeldbetrages auf ma-ximal 6 % der in der allgemeinen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze (§ 2 Nr. 4a BFDG, § 159 SGB VI) und den Grundsatz der Arbeitsmarktneutralität (§ 3 Abs. 1 Satz 2 BFDG) belegt, dass der Bundesfreiwilligendienst gerade keine Erwerbstätigkeit erset-zen und gerade nicht dem eigenen Lebensunterhalt dienen solle.459 Dem ist grundsätzlich zu-zustimmen, allerdings könnte die tatsächliche Höhe des zulässigen Taschengeldes durchaus Zweifel an der Unentgeltlichkeit der Tätigkeit und der Unmöglichkeit des materiellen Hinzu-erwerbs aufwerfen. Die relevante Beitragsbemessungsgrenze beläuft sich seit dem 1.1.2015 auf 72.600 Euro460. 6 % von 72.600 Euro sind 4.356 Euro als jährlich angemessenes Taschen-geld im Sinne von § 2 Nr. 4 BFDG und folglich 363 Euro als monatlich angemessenes Ta-schengeld. Der Betrag kann zusätzlich zur freien Unterkunft, Verpflegung und Arbeitsklei-dung gewährt werden. Geldersatzleistungen für Verpflegung, Unterkunft oder Arbeitsklei-dung gelten nicht als Taschengeld.461 Verglichen mit der Höhe des Entgelts innerhalb gering-fügiger Beschäftigungsverhältnisse (bis 450 Euro)462 oder auch den Regelbedarfen des Ar-beitslosengeldes II und des Sozialgeldes (399 Euro)463, deren Empfänger davon ihre Bedarfe für Ernährung, Kleidung und Hausrat leisten müssen,464 ist der Taschengeldbetrag unter Be-achtung der Gedanken des Aufwendungsersatzes und der Förderung als nicht zu hoch anzuse-hen. Streng rechtssystematisch vom soziokulturellen Existenzminimum aus betrachtet, ist ein materieller Hinzugewinn in Ausnahmefällen allerdings theoretisch möglich, da die im Rah-men des Bundesfreiwilligendienstes als Taschengeld oder Geldersatz geleisteten Beträge die genannten Regelbedarfe als Abbild der existenznotwenigen Grundversorgung überschreiten können. Eine Anpassung der Taschengeldhöchstbeträge samt eventueller Geldersatzleistun- 457 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 2 Rn. 44. 458 Zur allgemeinen Abgrenzung gemeinnütziger Tätigkeiten und Erwerbstätigkeiten 2. Kapitel C. 459 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 2 Rn. 28. 460 Zahlen der gesetzlichen Rentenversicherung 2015, http://www.deutsche-rentenversicherung.de/BayernSued/

de/Inhalt/Allgemeines/Pool_BY/Zahlen_und_Tabellen/ZuT_2015_1.pdf ?__blob=publicationFile&v=4, S. 11, abgerufen am 26.8.2015.

461 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 2 Rn. 43. 462 § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. 463 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Regelbedarf bei Arbeitslosengeld II/Sozialgeld ab 1.1.2015,

http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Grundsicherung/ Leistungen-zur-Sicherung-des-Lebensunterhaltes/2-teaser-artikelseite-arbeitslosengeld-2-sozialgeld.html, abgerufen am 26.8.2015; § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II; zum Inhalt des Regelbedarfs Breitkreuz, in: BeckOK Sozialrecht, SGB II, 2017, § 20 Rn. 2-5.

464 BVerfG, v. 9.2.2010, 1/BvL 1, 3, 4/09, BVerfGE 125, 175.

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80 Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst

gen (§ 2 Nr. 4 BFDG) an die Regelbedarfe des § 20 Abs. 2 SGB II ist de lege ferenda zumin-dest zu diskutieren.465 Dann wäre jedenfalls auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfas-sungsgerichtes466 zur existenznotwendigen Grundversorgung ein materieller Hinzuerwerb über den Monat hinaus (freier Vermögensaufbau) aus der Tätigkeit als Bundesfreiwilligen-dienstleistender nicht möglich und damit eine Zuordnung der Tätigkeit zur Gemeinnützig-keitssphäre denkbar.

II Konkrete Förderung

1 Unterkunft, Verpflegung, Arbeitskleidung

Die strukturelle Engagementförderung nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz beginnt da-mit, dass die Einsatzstellen den Engagierten eine existenzielle Grundversorgung bestehend aus Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung zur Verfügung stellen können (§ 2 Nr. 4 BFDG), ohne eine Qualifikation der Tätigkeit als erwerbsgerichtet und entgeltlich befürchten zu müssen.467 Die Leistungen erbringen die Einsatzstellen zwar für den Bund, aber auf eigene Kosten (§ 17 Abs. 1 BFDG). Grundsätzlich wäre es möglich, die Sachzuwendungen zu be-werten und eine Austauschbeziehung aus Arbeitsleistung gegen Entgelt zu konstruieren. Weil aber der Bundesfreiwilligendienst arbeitsmarktneutral auszugestalten ist (§ 3 Abs. 1 Satz 2 BFDG), wird vermutet, dass eine dem Markt zuzuordnende entgeltliche Austauschbe-ziehung in den Bereichen, in denen sich Bundesfreiwilligendienstleistende engagieren kön-nen, erst dann beginnen soll, wenn die existenzielle Grundversorgung des Leistungserbringers gewährleistet und ein materieller Hinzugewinn aus der in erster Linie Aufwendungen erset-zenden und fördernden Gegenleistung möglich ist.468 Darüber hinaus ist die Arbeitsmarkt-neutralität darüber zu gewährleisten sei, dass keine neuen Plätze anerkannt werden, wenn die-se nachweislich einen bisherigen Arbeitsplatz ersetzen oder eine Einrichtung eines neuen Ar-beitsplatzes erübrigen.469

2 Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5 EStG

Werden Freiwilligen im Rahmen ihres Dienstes Taschengeld oder vergleichbare Geldleistun-gen gewährt, sind diese Vorgänge gemäß § 3 Nr. 5f EStG i.V.m. § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2d EStG

465 Hierzu und zum Unentgeltlichkeitsbegriff allgemein ausführlich 2. Kapitel C. 466 Gemäß Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG besteht ein

Grundrecht jedes Bürgers auf Gewährleistung eines menschwürdigen Existenzminimums. Dieses sichert ihm die materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. BVerfG, v. 9.2.2010, 1/BvL 1, 3, 4/09, BVerfGE 125, 175; v. 23.7.2014, 1/BvL 10/12, 12/12, 1 BvR 1691/13, NJW 2014, 3425 (3425 f.).

467 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 2 Rn. 28. 468 Zur Abgrenzung der Marktsphäre von Gemeinnützigkeitssphäre 2. Kapitel C. 469 BMFSFJ, v. 4.7.2011, Richtlinien zur Durchführung des Bundesfreiwilligendienstes, S. 4.

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steuerfrei.470 Rechtssystematisch entfaltet die Norm jedoch keine Wirkung, da es konstitutive Statusvoraussetzung des § 2 BFDG ist, dass die Freiwilligen ohne Erwerbsabsicht und unent-geltlich tätig werden.471 Hingegen sind sowohl eine Einünfteerzielungsabsicht als auch steu-erbare Einkünfte (Entgelt) für eine Einkommensteuerpflicht erforderlich.472 Zwar ist die für den Anwendungsbereich des Einkommensteuergesetzes erforderliche Einkünfteerzielungsab-sicht objektiv zu bestimmen473 und Geldzuflüsse mögen bei den Bundesfreiwilligendienstleis-tenden durchaus vorliegen, dennoch kann diese Tätigkeit, die gerade nicht auf Erwerbszwe-cke, sondern auf Engagement und die Verwirklichung von Gemeinwohlzwecken gerichtet ist, rechtssystematisch keine steuerbaren Einkünfte auslösen. Sofern dieser Ansicht gefolgt wird und der Anwendungsbereich des Einkommensteuergesetzes für Bundesfreiwilligendienstleis-tende im Rahmen ihres Engagements gar nicht eröffnet ist, kann eine systematisch erst nach der Einkünftequalifikation einsetzende Steuerbefreiung keine Rechtswirkung entfalten.

3 Sozialversicherungsschutz

Zudem erhalten Bundesfreiwilligendienstleistende während der Dienstzeit Sozialversiche-rungsschutz.474 Die Einsatzstellen sind per Gesetz an die Melde-, Beitrags- und Zahlungs-pflichten des Sozialversicherungsrechts gebunden (§ 17 Abs. 2 Satz 2 BFDG), imitieren damit den Arbeitgeber in einem Beschäftigungsverhältnis und sichern den Freiwilligen eine soziale Absicherung. Der gesetzliche Schutzumfang leitet sich im Zweifel von dem der Jugendfrei-willigendienste ab (§ 13 Abs. 2 Satz 1 BFDG) und beinhaltet die Einbeziehung in die gesetz-liche Krankenversicherung475, die soziale Pflegeversicherung476, die gesetzliche Rentenversi-cherung477, die gesetzliche Arbeitslosenversicherung478 und in die gesetzliche Unfallversiche-rung.479 Die Einsatzstelle trägt dabei den Gesamtsozialversicherungsbeitrag, also sowohl den Arbeitgeberanteil als auch den Arbeitnehmeranteil (§ 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB IV). Die Beiträge werden wie das Taschengeld und der Aufwand der pädagogischen Begleitung hinge-gen vom zuständigen Bundesamt erstattet (§§ 17 Abs. 3 Satz 1, 14 Abs. 1 BFDG).

470 FinSen Berlin, v. 2.9.2013, III B S 2342, 1/2011, BeckVerw 275757; Erhard, in: Blümich, EStG, 2017, § 3

Rn. 4; Selder, in: Blümich, EStG, 2017, § 32 Rn. 65, 73. 471 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 2 Rn. 28. 472 BFH, 25.6.1984, GrS 4/82, BStBl. II 84, 751; Ratschow, in Blümich, EStG, 2017, § 2 Rn. 30, 110. 473 BFH, v. 30.6.2009, VIII B 8/09, BFH/NV 09, 1977; Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 2 Rn. 57;

Ratschow, in Blümich, EStG, 2017, § 2 Rn. 112. 474 Die Einsatzstellen übernehmen die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge für den Bund. Hüb-

ner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 17 Rn. 38. 475 § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB V, § 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V; im Zweifel: § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. 476 § 25 Abs. 2 Nr. 3 SGB XI; im Zweifel: § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 10 SGB XI. 477 § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, § 5 Abs. 2 S. 3 SGB VI, § 48 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB VI. 478 § 27 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB III, im Zweifel: § 25 Abs. 1 SGB III. 479 § 2 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 5d, Nr. 5e, Nr. 9 etc.; § 67 Abs. 3 S. 1 Nr. 2c SGB VII, § 82 Abs. 2 S. 2 SGB VII.

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82 Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst

Genauer zu betrachten ist die Ausgestaltung der Schnittstelle zwischen Bundesfreiwilligen-dienstgesetz und den Sozialgesetzbüchern zur Regelung des Versicherungsschutzes. Grund-sätzlich sichert die Sozialversicherungspflicht abhängig Beschäftigte vor sozialen Krisen ab, so dass der Anknüpfungspunkt der Sozialversicherungen primär die Beschäftigung ist.480 Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung eine nichtselbstständige Arbeit, insbesondere wenn ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Nach § 2 Abs. 2 SGB IV sind in allen Zweigen der Sozi-alversicherung grundsätzlich drei Personengruppen versichert: Personen, die gegen Arbeits-entgelt oder zur Berufsausbildung beschäftigt sind, behinderte Menschen, die in geschützten Einrichtungen beschäftigt werden und Landwirte. Freiwillige werden nicht gegen Arbeitsentgelt tätig, sondern erhalten im Rahmen ihres Diens-tes Sachleistungen und Taschengeld. Die Tätigkeit als Bundesfreiwilligendienst ist ohne Er-werbsabsicht und unentgeltlich zu erbringen und wird auch gerade deshalb als Engagement qualifiziert. Da Freiwillige nach dem Bundesfreiwilligendienstgesetz auch der zweiten und dritten Personengruppe nicht zuzuordnen sind, bleibt die Beschäftigung zur Berufsausbildung als Anknüpfung für eine Versicherungspflicht. Hiermit sind hingegen Auszubildende ge-meint, die in einer außerbetrieblichen Einrichtung, gebunden durch einen Berufsausbildungs-vertrag nach dem Berufsbildungsgesetz, ausgebildet werden (§ 1 Nr. 3a SGB VI).481 Als ein solcher Berufsausbildungsvertrag ist die Vereinbarung gemäß § 8 BFDG nicht zu qualifizie-ren, so dass auch diese Gruppe nicht einschlägig ist. Der Bundesfreiwilligendienst scheint nicht in die Systematik des Sozialversicherungsrechts zu passen, auch wenn es bei dem Be-griff der Beschäftigung in § 7 SGB IV vorrangig um die Abgrenzung der selbstständigen von der nichtselbstständigen Arbeit geht.482 Den Einsatzstellen werden dennoch die Melde-, Bei-trags- und Nachweispflichten zugewiesen (§ 17 Abs. 2 Satz 2 BFDG) und die hierfür aufge-wendeten Mittel erstattet (§ 17 Abs. 3 Satz 1 BFDG). Der öffentliche Dienst des Bundes ei-gener Art483 (Bundesfreiwilligendienst) kann im Ergebnis nicht passgenau unter die Struktu-ren der Sozialgesetzbücher subsumiert werden. Er wird ausdrücklich von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V als nicht krankenversicherungsfreie und damit krankenversicherungs-pflichtige Beschäftigung genannt. Die Unfallversicherung484 erhebt dagegen einen von der Größe der Einsatzstelle abhängigen Pauschalbetrag und die Rentenversicherung485 erfasst den Dienst über die allgemeine Versicherungspflicht für Beschäftigte. 480 Rittweger, in: BeckOK Sozialrecht, SGB IV, 2017, § 7 Rn. 2; Rolfs, in: Erfurter Kommentar zum Arbeits-

recht, SGB IV, 2015, § 7 Rn. 1 f.; Baier, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, SGB IV, 2017, § 7 Rn. 2.

481 Von Koch, in: BeckOK Sozialrecht, SGB VI, 2017, § 1 Rn. 31 f. 482 Rittweger, in: BeckOK Sozialrecht, SGB IV, 2017, § 7 Rn. 2. 483 BT-Drs. 17/4803, v. 17.2.2011, Entwurf eines Gesetzes zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes, S.

17. 484 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 13 Rn. 79. 485 § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI; BT-Drs. 11/4124, v. 7.3.1989, S. 148.

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Es bietet sich daher de lege ferenda an, den Freiwilligendienst noch deutlicher in die Systema-tik der Sozialgesetzbücher einzubeziehen und rechtsklare Regelungen zu schaffen, um den Versicherungsschutz rechtssicher gewährleisten zu können. Ungeachtet dessen behandelt der Gesetzgeber die Bundesfreiwilligendienstleistenden sozialversicherungsrechtlich wie in der Privatwirtschaft entgeltlich tätige Beschäftigte. Die Einsatzstellen tragen die Sozialversiche-rungsbeiträge letztlich als fiktive Arbeitgeber. Eine solche Struktur ist im System der Sozial-versicherungen zumindest rechtfertigungsbedürftig. Nach dem Bundesfinanzhof versucht der Gesetzgeber auf diese Weise den Bundesfreiwilligendienst attraktiv zu machen.486

4 Individuelle pädagogische Begleitung

Neben der Steuerfreistellung und den sozialversicherungsrechtlichen Vorteilen erhalten die Bundesfreiwilligendienstleistenden eine pädagogische Begleitung, die sich in drei Säulen gliedert: fachliche Anleitung, individuelle Begleitung und ständige Seminararbeit (§ 4 BFDG).487 Sie hat das Ziel, soziale, ökologische, kulturelle und interkulturelle Kompe-tenzen zu vermitteln und das Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl zu stärken (§ 4 Abs. 1 BFDG). Die Gesamtverantwortung für die pädagogische Begleitung liegt beim Bund.488 Gemäß §§ 7 Abs. 4, 16 BFDG kann er Teile dieser Verantwortung auf die Zentral-stellen abgeben,489 damit diese eigene pädagogische Konzepte - jeweils abgestimmt auf die Gegebenheiten vor Ort - entwickeln und umsetzen. Bund und Zentralstellen haben sich hierzu am 24.7.2013 auf gemeinsame Rahmenrichtlinien für die pädagogische Begleitung im Bun-desfreiwilligendienst geeinigt und sich darin für das sogenannte Zentralstellensystem ent-schieden.490 Demnach hat jede Zentralstelle ein individuelles pädagogisches Rahmenkonzept zu entwickeln, das sie vor der Nachhaltigkeitsstrategie491 der Bundesregierung verantworten muss.492 Während die Einsatzstellen die persönliche und fachliche Begleitung innerhalb des Konzepts grundsätzlich eigenverantwortlich übernehmen und hierfür qualifiziertes Personal

486 BFH, v. 7.4.2011, III R 11/09, BFH/NV 2011, 1325; Selder, in: Blümich, EStG, 2017, § 32 Rn. 66. 487 BMFSFJ, v. 24.07.2013, Rahmenrichtlinie für die pädagogische Begleitung im BFD, S. 2; Hübner/Mansfeld,

Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 4 Rn. 3. 488 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 4 Rn. 4. 489 Nicht übertragbar ist die Verantwortung für das Seminar zur politischen Bildung. BMFSFJ, v. 24.7.2013,

Rahmenrichtlinie für die pädagogische Begleitung im Bundesfreiwilligendienst (BFD) unter besonderer Be-rücksichtigung der Seminararbeit und des dafür eingesetzten pädagogischen Personals, S. 7; Hüb-ner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 4 Rn. 4.

490 BMFSFJ, v. 24.7.2013, Rahmenrichtlinie für die pädagogische Begleitung im Bundesfreiwilligendienst (BFD) unter besonderer Berücksichtigung der Seminararbeit und des dafür eingesetzten pädagogischen Per-sonals; Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 4 Rn. 4.

491 Bundesregierung, v. 17.4.2002, Perspektiven für Deutschland, Unsere Strategie für eine nachhaltige Entwick-lung.

492 BMFSFJ, v. 24.7.2013, Rahmenrichtlinie für die pädagogische Begleitung im Bundesfreiwilligendienst (BFD) unter besonderer Berücksichtigung der Seminararbeit und des dafür eingesetzten pädagogischen Per-sonals, S. 3, 6.

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84 Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst

einsetzen (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BFDG), können die Zentralstellen den angeschlossenen Einsatzstellen Auflagen zur Gestaltung und Organisation der pädagogischen Begleitung ertei-len (§ 7 Abs. 4 BFDG). Jedes Glied in der Kette soll dabei bewusst eigene Schwerpunkte set-zen und Vielfalt leben können, sodass ein variables, auf die lokalen Bedürfnisse anpassbares Bildungskonzept entsteht.493 Insofern ist der Bundesfreiwilligendienst auch Bildungsangebot an Menschen jeden Alters, er fördert lebenslanges Lernen (§ 1 Satz 2 BFDG).494 Die BFD-Zentralstelle des zuständigen Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben hat für ihre Einsatzstellen eine weitere eigene Rahmenkonzeption erarbeitet, in der sie dem Staat allgemein eine eigene Verantwortung und Verpflichtung zur Bereitstellung einer Infra-struktur auferlegt, den Bundesfreiwilligendienst nicht nur bedarfsgerecht und flexibel zu or-ganisieren, sondern auch für die Freiwilligen als Bildungsjahr erfahrbar zu machen.495 Die fachliche Anleitung beinhaltet beispielsweise eine umfassende Einarbeitung, Reflexions-gespräche, Einbeziehung in Teambesprechungen und eine regelmäßige Ansprechbarkeit der anleitenden Person.496 Für die individuelle Begleitung der Freiwilligen steht weiteres qualifi-ziertes Personal zur Verfügung, so dass Erreichbarkeit, Krisenprävention, Konfliktberatung, Einsatzstellenbesuche, Fortbildung und die Begleitung der anleitenden Personen gewährleistet sind.497 Vorgesehen sind mindestens 25 Seminartage pro Freiwilligendienstjahr (§ 4 Abs. 3 BFDG). Die Ausgestaltung der Seminare soll sich an den Grundgedanken des ganzheitlichen, intergenerationellen Lernens, an Diversität und Gender-Mainstreaming, an Selbstbestimmung, Selbststeuerung und Selbsterschließung orientieren. Lernen wird als Pro-zess aktiver Aneignung verstanden, angestrebt wird eine aktive Partizipation der Seminarteil-nehmer.498 Teil des Programmes ist ein Seminar zur politischen Bildung in Verantwortung des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (§ 4 Abs. 4 BFDG). Dass der Ansatz der pädagogischen Begleitung auf einem selbstlernenden System beruht, zeigen die Gedanken zur Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung. Auf drei Ebenen wer-

493 BMFSFJ, v. 24.7.2013, Rahmenrichtlinie für die pädagogische Begleitung im Bundesfreiwilligendienst

(BFD) unter besonderer Berücksichtigung der Seminararbeit und des dafür eingesetzten pädagogischen Per-sonals, S. 2, 3; Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 4 Rn. 15.

494 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 4 Rn. 6. 495 Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, 31.8.2013, Vorwort, S. 4; Hübner/Mansfeld,

Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 4 Rn. 6. 496 BMFSFJ, v. 24.7.2013, Rahmenrichtlinie für die pädagogische Begleitung im Bundesfreiwilligendienst

(BFD) unter besonderer Berücksichtigung der Seminararbeit und des dafür eingesetzten pädagogischen Per-sonals, S. 2.

497 BMFSFJ, v. 24.7.2013, Rahmenrichtlinie für die pädagogische Begleitung im Bundesfreiwilligendienst (BFD) unter besonderer Berücksichtigung der Seminararbeit und des dafür eingesetzten pädagogischen Per-sonals, S. 3.

498 BMFSFJ, v. 24.7.2013, Rahmenrichtlinie für die pädagogische Begleitung im Bundesfreiwilligendienst (BFD) unter besonderer Berücksichtigung der Seminararbeit und des dafür eingesetzten pädagogischen Per-sonals, S. 3 ff.

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den die folgenden drei Merkmale definiert und gemessen: Strukturqualität, Prozessqualität, Ergebnisqualität. Die Strukturqualität beurteilt die Organisation der Zentralstelle samt perso-neller und sachlicher Ausstattung sowie das pädagogische Rahmenkonzept. Die Prozessquali-tät bewertet die Umsetzung von Seminarkonzepten und die Kooperation der Beteiligten. Die Ergebnisqualität schätzt die Resultate anhand der Zielerreichung, Zufriedenheit der Beteilig-ten und Akzeptanz der Seminare ein.499 Zielsetzungen und Merkmale sind regelmäßig auszu-werten, auf Sinnhaftigkeit und Realisierung zu überprüfen und weiterzuentwickeln.500

5 Kindergeld oder Kinderfreibetrag

Während des Ableistens eines Bundesfreiwilligendienstes wird dem Freiwilligen Kindergeld gewährt, sofern er das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (§ 2 Abs. 2 Nr. 2d BKGG). Alternativ steht der Kinderfreibetrag zur Verfügung (§§ 32 Abs. 6 Satz 1, Abs. 4 Nr. 2d EStG).501

6 Vergünstigungen im Straßenpersonen- und Eisenbahnverkehr

Zudem erhalten Bundesfreiwilligendienstleistende indirekt Vergünstigungen im Personennah- und Fernverkehr: Gemäß § 45a Abs. 1 PBefG kann ein Unternehmer im Verkehr mit Straßen-bahnen und Obussen, der in der Ausbildung befindlichen Personen Fahrausweise zu beson-ders günstigen Konditionen gewährt, einen Kostenausgleich beantragen, sofern das reduzierte Beförderungsentgelt nicht zur Selbstkostendeckung ausreicht. Freiwillige gemäß § 2 BFDG werden dabei zu den in der Ausbildung befindlichen Personen gezählt (§ 13 Abs. 2 Nr. 3 BFDG, § 1 Abs. 1 Nr. 2h PBefAusglV). Damit wird eine Fahrpreisreduzie-rung für Freiwilligendienstleistende gefördert, von der diese zumindest dann profitieren, wenn der Unternehmer reduzierte Fahrkarten des Ausbildungsverkehrs anbietet. Gleiches gilt für den Fernverkehr (§ 13 Abs. 2 Nr. 4 BFDG, § 1 Abs. 1 Nr. 2h AEAusglV).

7 Sonderurlaub und Waisenrente

Weitere Förderansätze sind der Sonderurlaub, der Beamten zur Ableistung eines Bundesfrei-willigendienstes unter Wegfall der Besoldung gewährt werden kann (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 BFDG, § 3 SUrlV), sowie die kontinuierliche Gewährung der Waisenrente

499 BMFSFJ, v. 24.7.2013, Rahmenrichtlinie für die pädagogische Begleitung im Bundesfreiwilligendienst

(BFD) unter besonderer Berücksichtigung der Seminararbeit und des dafür eingesetzten pädagogischen Per-sonals, S. 7.

500 BMFSFJ, v. 24.7.2013, Rahmenrichtlinie für die pädagogische Begleitung im Bundesfreiwilligendienst (BFD) unter besonderer Berücksichtigung der Seminararbeit und des dafür eingesetzten pädagogischen Per-sonals, S. 8.

501 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 2 Rn. 57 f.

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86 Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst

auch während der Erfüllung eines Bundesfreiwilligendienstes (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 BFDG, § 45 Abs. 3 S. 1c BVG).

8 Qualifiziertes Zeugnis

Nach Abschluss des Dienstes erhält der Freiwillige eine Bescheinigung über den geleisteten Dienst und ein schriftliches Zeugnis über Leistungen, Führung und berufsqualifizierende Er-rungenschaften während der Dienstzeit (§ 11 BFDG). Das Zeugnis dient als Nachweis bei einer späteren Beantragung von Arbeitslosengeld, bei der Kindergeldkasse und bei der An-rechnung auf etwaige Wartezeiten bei der Studienplatzvergabe.502

III Systemkohärenz

Nach der Betrachtung der Statusvoraussetzungen und der Förderansätze des Bundesfreiwilli-gendienstgesetzes ist nun deren kohärente Systemeinbindung in das staatliche Gesamtkonzept der Gemeinwohlförderung zu prüfen.503 Der Bundesfreiwilligendienst bietet Frauen und Männern die Möglichkeit, sich für das Allgemeinwohl zu engagieren, er fördert lebenslanges Lernen und gewährt hierfür einen altersunabhängigen Rechtsrahmen (§ 1 BFDG). Zugang erhalten Personen, die ihre Vollzeitschulpflicht erfüllt haben, sich freiwillig für einen Dienst ohne Erwerbsabsicht verpflichten, diesen auch tatsächlich leisten und für den Dienst nur un-entgeltliche Unterkunft, Verpflegung, Arbeitskleidung sowie ein angemessenes Taschengeld erhalten (§ 2 BFDG). Freiwillige werden unter anderem durch Steuervergünstigungen, Sozi-alversicherungsschutz, individuelle pädagogische Begleitung und eine Bescheinigung samt Arbeitszeugnis gefördert. Fraglich ist nun, ob sich jenes überblickartig dargestellte System des Bundesfreiwilligendienstgesetzes auch kohärent in das Gesamtsystem der Gemeinwohl-förderung einfügt. Hierfür müsste es einem aus dem Grundgesetz ableitbaren Ziel folgen, ko-härente Strukturen zur Zielerreichung vorweisen, eine unabhängige Kontrollinstanz bestim-men und die Lasten gemeinwohlgerecht verteilen (verfassungsrechtliche Rechtfertigung).504

1 Ziel

Das Bundesfreiwilligendienstgesetz strebt die Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements von Frauen und Männern aller Generationen an.505 Um diese Zielrichtung auf das Gemein-wohl zurückführen zu können und um Brücken für den wissenschaftlichen Austausch zu bau-en, bedarf es einer rechtsklaren Inhaltsbestimmung des Begriffes der Zivilgesellschaft. So

502 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 11 Rn. 5, 8-10. 503 Zum Maßstab der Systemkohärenz 2. Kapitel D. 504 Dieses Prüfungsprogramm folgt einem eigenen Ansatz des Autors. 505 Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, abrufbar unter:

http://www.bafza.de/aufgaben/freiwilligendienste/bundesfreiwilligendienst.html, abgerufen am 26.8.2015.

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grenzt sich die Sphäre der Zivilgesellschaft von der des Staates dadurch ab, dass staatsferne Akteure freiwillig agieren, von der des Marktes durch fehlendes Erwerbsinteresse, von der Privatsphäre durch den Gemeinschaftsbezug, der sich gerade nicht zwingend auf die Allge-meinheit beziehen und als Themenbereich staatlich definiert sein muss (sonst qualifizierter Gemeinschaftsbezug/Gemeinnützigkeitssphäre), sondern bereits vorliegt, wenn eine Interes-senverfolgung außerhalb der Familie angezeigt wird.506 Dieses Verständnis der Zivilgesellschaft ist ausufernd weit, hat aber den Vorteil, den nicht einheitlich verwendeten Begriff507 rechtssystematisch einordnen und in Abgrenzung zu den anderen Sphären fassen zu können. Es liegt nahe, dass nicht alles, was zivilgesellschaftlich zulässig ist, auch staatlich gefördert wird. Viel eher ist die Zivilgesellschaft grundsätzlich autonom, selbstständig, staatsfern und durch Freiheitsrechte geprägt.508 Sie ist die passende Sphäre, um auch Einzelmeinungen gegenüber dem Staat und der Gemeinschaft öffentlich, gewaltlos und im Rahmen der Verfassung auszudrücken. Sie nimmt die Rolle des privaten Gegenspielers im öffentlichen Raum ein, der die Gemeinwohlidee des Staates und das realpo-litische Ergebnis in der Gesellschaft überwacht, selbst hilft, auf Missstände aufmerksam macht und durch Nutzung der Freiheitsrechte konstruktiv Kritik äußert. Verfassung und Staat garantieren die Sphäre der Zivilgesellschaft insbesondere durch die Kommunikationsgrund-rechte509, sollten aber Abhängigkeiten durch spezielle Förderung vermeiden. Jene Sphäre sol-len die Bürger mit Ideen, Themen und Inhalten füllen. Der Staat ist Zuschauer und Zuhörer. Seine Aufgabe ist es, die Kritik aufzunehmen, zu reflektieren und in das System einzuarbei-ten. So praktiziert, profitiert das System von einer aktiven Zivilgesellschaft. Es wird zum selbstlernenden System. Die Zivilgesellschaft ist ein Kommunikationsinstrument des Bürgers, um den Staat positiv wie negativ zu kritisieren. 506 Das zugrunde gelegte Verständnis des Begriffs der Zivilgesellschaft wird in Einleitung B. I. näher beschrie-

ben. 507 Bisher ist der Begriff nicht hinreichend abgrenzbar. Klie, Zivilgesellschaft – mehr als Dritter Sektor, Zentrum

für zivilgesellschaftliche Entwicklung Freiburg 2011; Klein, Gurndlagen und Perspektiven guter Engage-mentpolitik, APuZ 14-15/2015, S. 10; Reifenhäuser, Praxishandbuch Freiwilligenmanagement, 2013; Rosen-kranz, Freiwilligenarbeit, 2012; CSI Projektbericht, Qualifizierung und Anreizsysteme für bürgerschaftliches Engagement, 2011; Wallraff, Professionelles Management von Ehrenamtlichen, 2010; Anheier/Toepler, In-ternational Encyclopedia of Civil Society, 2010; Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rah-menbedingungen bürgerschaftlichen Engagements, 2002, S. 47 f.; Schauhoff, in: Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2010; Erhardt, Ehrenamt, 2011; Düx/Prein/Sass/Tully, Kompetenzerwerb im freiwilligem Engagement, 2009; Sprengel, Philantropie und Zivilgesellschaft, 2007; Zimmer/Priller, Future of Civil Society, 2004; Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ Deutscher Bundestag (Hrsg.), Bürgerschaftliches Engagement und Sozialstaat, 2003

508 Jachmann, Zivilgesellschaft und Steuerrecht, Die Stiftung, 2010, 131 (135 ff.). 509 Zu den Kommunikationsgrundrechte zählen Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit), Art. 8 Abs. 1

GG (Versammlungsfreiheit), Art. 9 Abs. 1 GG (Vereinigungsfreiheit) und Art. 5 Abs. 1 GG (umfasst die Meinungs- und Informationsfreiheit sowie die Medienfreiheit in Presse, Rundfunk und Film). BVerfG, v. 15.1.1958, 1 BvR 400/57, BVerfGE 7, 198 (208); v. 1.10.1987, 2 BvR 1434/86, BVerfGE 77,65 (74); v. 14.5.1985, 1 BvR 233/81, BVerfGE 69, 315 (347); Grabenwarter, in Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 5 Rn. 1-3; Schemmer, in: BeckOK GG, 2017, Art. 5 Rn. 1.

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88 Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst

Anders dagegen die Gemeinnützigkeitssphäre, sie ist ein Instrument des Staates, den Bürgern gesellschaftliche Bereiche zu kommunizieren, in denen privates freiwilliges Engagement für das Gemeinwohl zu vorgegebenen Themen (vgl. §§ 52-54 AO) erwünscht ist und gefördert wird. Unter den staatlichen Möglichkeiten der Lastenverteilung (Abgabe-/Dienstpflicht, Geld-/Zeitspende) bietet freiwilliges gemeinnütziges Engagement eine grundrechtsfreundliche und belastungsarme Interessenkonfliktlösungsvariante an. Insofern ist das Ziel, das der Gesetzge-ber mit dem Bundesfreiwilligendienst verfolgt, nicht das weite Feld der Förderung zivilgesell-schaftlichen Engagements, sondern die Anerkennung und Förderung von freiwilligem Enga-gement von Frauen und Männern für seine Interpretation des Gemeinwohls („für das Allge-meinwohl, insbesondere […]“, § 1 BFDG).510 Zudem wird der Bundesfreiwilligendienst ge-mäß § 4 Abs. 1 BFDG mit dem Ziel pädagogisch begleitet, die Verantwortung für das Ge-meinwohl zu stärken. Hierfür sprechen auch die Themenvorgaben des § 1 BFDG im sozialen, ökologischen und kulturellen Bereich sowie im Bereich des Sports, der Integration und des Zivil- und Katastrophenschutzes. Zudem liegt die Zuständigkeit für die Bewilligung der Plät-ze und die Vereinbarungen mit den Freiwilligen beim Bundesamt für Familie und zivilgesell-schaftliche Aufgaben (§§ 6 Abs. 2, 8 Abs. 1 BFDG), so dass zur reinen Themenvorgabe ein weiteres staatliches Steuerungselement hinzukommt. Das Ziel des Bundesfreiwilligendienst-gesetzes ist daher primär die Förderung von partiellem individuellem gemeinnützigem Enga-gement. Dieser Fördergedanke ist verfassungsrechtlich verankert über die Gemeinnützig-keitssphäre in ihrer Funktion als freiheitsschonendes Instrument der Gemeinwohlförderung. Der Staat ist ausschließlich zur Gemeinwohlförderung verpflichtet.511 Aufgrund des freiheits-schonenden Charakters der Gemeinnützigkeit bei der Interessenkonfliktlösung besteht die Notwendigkeit Strukturen für gemeinnütziges Engagement im Gesamtsystem der Gemein-wohlförderung vorzusehen. Täte der Staat dies nicht, müsste er entweder ein geringeres Ge-meinwohlniveau in Kauf nehmen oder aber das höhere Niveau über stärkere Belastungen der Bürger (Steuern, Pflichtdienste) durchsetzen.512

510 In Anlehnung an die Formulierung der Aufgabe des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts (§§ 51-68 AO), die

bei folgenden Autoren nachzulesen ist: Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 9; Dro-ege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 316; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuer-staat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 35; Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (11); Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, Vor § 51-68 Rn. 35.

511 BVerfG, v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, Fraport, BVerfGE 128, 266; Becker, Interessen und öffentliches Wohl bei der gemeindlichen Neugliederung, in: Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 39, 1968, S. 73 f., 82; Mronz, Körperschaft und Zwangsmitgliedschaft, 1973, S. 262.

512 Hierzu ausführlich Einleitung A.

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2 Strukturen zur Zielerreichung

Zur Förderung von individuellem gemeinnützigem Engagement definiert das Bundesfreiwilli-gendienstgesetz einen speziellen Status und knüpft daran verschiedene Fördermaßnahmen. Den Status erhält, wer mit dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben vor Beginn des Dienstes eine schriftliche Vereinbarung auf gemeinsamen Vorschlag des Freiwilligen und einer Einsatzstelle abschließt.513 Die Vereinbarung muss unter anderem An-gaben zum Freiwilligen, seiner Einsatzstelle, den Zeitraum des Dienstes, zur Art und Höhe der Geld- und Sachleistungen sowie der Urlaubs- und Seminartage enthalten (§ 8 Abs. 1 BFDG).514 Jede Einsatzstelle ordnet sich einer Zentralstelle zu, die zusammen mit dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben jährlich die Platzanzahl aus-weist (§§ 7 Abs. 3, 8 Abs. 3 BFDG).515 Ein Platz kann nur auf Antrag der Einsatzstelle vom Bundesamt anerkannt werden (§ 6 Abs. 2 BFDG). Der Bundesfreiwilligendienst soll ganztä-gig als überwiegend praktische Hilfstätigkeit in gemeinwohlorientierten Einrichtungen geleis-tet werden (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BFDG). Eine Altersabstufung sieht der Gesetzgeber für Perso-nen vor, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sie müssen den Dienst vergleich-bar einer Vollzeitbeschäftigung ausführen und dürfen nicht in der Berufsausbildung sein. Äl-tere Personen können den Dienst dagegen auch als Teilzeitbeschäftigung von mehr als 20 Stunden pro Woche leisten (§ 2 BFDG).516 Nicht vorgesehen ist eine weitere Differenzierung zur Förderung von Engagement unter 20 Stunden pro Woche. Seinem Idealbild nach ist der Dienst also nicht für flexibles, nebenberufliches Engagement weniger Stunden in der Woche geeignet. Hinsichtlich der förderungsfähigen Tätigkeiten ist der Bundesfreiwilligendienst sehr breit aufgestellt, es muss ein Engagement für das Allgemeinwohl sein (§ 1 Satz 1 BFDG). Zwar sollte es in erster Linie in bestimmten gemeinwohlorientierten Einrichtungen geleistet werden (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BFDG), eine weitere absolute Eingrenzung wird jedoch nicht vorgenom-men („insbesondere“).517 So hat das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufga-ben als zuständige Bundesbehörde ein thematisch flexibles Instrument zur Hand, welches mit der Anerkennung der Einsatzstellen (§ 6 Abs. 1 BFDG) und der jährlich zu verteilenden Plät-ze (§ 7 Abs. 5 BFDG) das Engagement steuern kann und zugleich dem staatlichen Konkreti-sierungsauftrag hinsichtlich des Gemeinwohls gerecht wird.518 Es deutet sich nun an, dass die 513 Diese Vereinbarung orientiert sich im Wesentlichen an den Regelungen des § 11 JFDG. Hübner/Mansfeld,

Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 8 Rn. 1. 514 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 8 Rn. 31, 38, 52, 85, 91. 515 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 8 Rn. 96. 516 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 8 Rn. 32. 517 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 3 Rn. 4. 518 Im Rahmen der Gemeinnützigkeitssphäre wird das Gemeinwohl konkretisiert, in dem der Staat Themenbe-

reiche benennt, auf denen er gemeinnütziges Tätigwerden für sinnvoll hält und der Bürger innerhalb dieser

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90 Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst

Förderung einer Gemeinnützigkeit in den Augen des Gesetzgebers thematisch aus den steuer-rechtlichen Kinderschuhen (steuerliches Gemeinnützigkeitsrecht, §§ 51–68 AO) heraus-wächst. Denn die Tätigkeit der Bundesfreiwilligendienstleistenden erfüllt die Kriterien der Gemeinnützigkeitssphäre. Zugleich beschränkt das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht wei-terhin seinen persönlichen Anwendungsbereich auf Körperschaften. Auf diese Weise entwi-ckeln sich Engagementmodelle und Status abseits der Abgabenordnung. Besonders hervorzu-heben ist dabei, dass für die Prüfung der Statusvoraussetzungen nicht das Bundesministerium der Finanzen zuständig ist, sondern das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Das Bundesfreiwilligendienstgesetz ist kein Steuergesetz. Die Steuervergünstigung des § 3 Nr. 5 EStG knüpft an den Status des Bundesfreiwilligendienstleistenden über § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG an und überprüft diesen Status jedenfalls nicht mehr inhalt-lich.519 Das System des Bundesfreiwilligendienstgesetzes samt Zuständigkeit und separatem Gesetz kodifiziert folglich rechtssystematisch ein alternatives Modell der Engagementförde-rung und eröffnet damit auch einen alternativen Blickwinkel auf die Möglichkeiten der Förde-rung von individuellem gemeinnützigem Engagement.

3 Unabhängige Prüfinstanz

Der Bundesfreiwilligendienststatus wird in bundeseigener Verwaltung über das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben geprüft (§ 14 BFDG). Das Bundesamt ist dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend unterstellt. Es erkennt auf Antrag Einsatzstellen an, die gewährleisten, dass Beschäftigung, Leitung und Betreuung der Freiwilligen im gesetzlichen Rahmen erfolgen und die Freiwilligen durch qualifiziertes Per-sonal persönlich und fachlich begleitet werden (§ 6 Abs. 2 BFDG). Jede Einsatzstelle muss mindestens einer Zentralstelle angehören. Die Zentralstellen werden von Trägern und Einsatz-stellen gebildet (§ 7 Abs. 1 BFDG) und sind für die ordnungsgemäße Durchführung des Dienstes in den Einsatzstellen sowie die Kommunikation mit dem Bundesamt verantwort-lich.520 Sie erhalten jährlich eine verfügbare Anzahl von Plätzen und teilen diese in eigener Verantwortung den Einsatzstellen zu (§ 7 BFDG).521 Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugendliche bestimmt Mindestanforderungen für die Bildung von Zent-ralstellen durch Rechtsverordnung (§ 7 Abs. 1 Satz 3 BFDG). Zentralstelle kann nur sein, wer in den letzten zwölf Monaten den Bundesfreiwilligendienst in mehr als der Hälfte der Bundes-länder (davon zwei neue Bundesländer) und in einem Umfang durchgeführt hat, der mindes-

Bereiche in kreativer Eigenverantwortung und in einer Art fortführenden Konkretisierung des Gemeinwohls tätig wird. In Anlehnung an die einführenden Gedanken in der Einleitung A.

519 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 6 Rn. 12 ff. 520 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 7 Rn. 11. 521 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 7 Rn. 49.

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tens einem zwölfmonatigen Dienst von 500 Freiwilligen entspricht.522 Auch die Aufteilung der Prüfung auf Bundesamt, wenige große Zentralstellen und viele rechtsformunabhängige Einsatzstellen stellt eine Alternative zur sehr lokal geprägten und damit nicht immer bundes-einheitlich erfolgenden steuerrechtlichen Statusprüfung durch die Finanzverwaltung dar. Das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben kann nicht nur jährlich jede einzelne Platzvergabe ändern, sondern prüft darüber hinaus jeden Vereinbarungsvorschlag eines Freiwilligen (§ 8 Abs. 3 Satz 3 BFDG).523 Es hat damit mehrere direkte Auskunfts- so-wie Eingriffsmöglichkeiten. Zuständigkeit und Prüfung sind letztlich bundeseinheitlich ge-bündelt, aber für die Durchführung des Dienstes und die Begleitung der Freiwilligen ist ein über mehrere Ebenen gespanntes, auch in den Kompetenzen vor Ort ausgewogenes sowie unabhängiges und letztlich kohärentes Überprüfungs- und Anerkennungssystem entstanden.

4 Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Förderung

Leistungen an Freiwillige wie Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung erbringen die Einsatzstellen zwar für den Bund, aber auf eigene Kosten.524 Auch die Verwaltungskosten sind von den Einsatzstellen zu tragen (§ 17 Abs. 1 BFDG). Hingegen werden ein angemesse-nes Taschengeld, Sozialversicherungsbeiträge und die Kosten der pädagogischen Begleitung innerhalb bestimmter Obergrenzen aus dem Bundeshaushalt erstattet (§ 17 Abs. 3 BFDG). Der Bundeshaushalt ist nun zu einem Großteil steuerfinanziert, wodurch grundsätzlich alle Bürger belastet sind. Insofern werden Steuern durch Zwang von allen Bürgern erhoben, um das gemeinnützige Engagement von einigen Bürgern zu fördern. Die Rechtfertigung der staat-lichen Anerkennung und Förderung von Engagement im Rahmen des Bundesfreiwilligen-dienstgesetzes ist nun eng mit der Rechtfertigung der staatlichen Anerkennung und Förderung von gemeinnützigem Engagement verknüpft.

a Gemeinnützigkeit und gesellschaftliche Lastentragung

Ausgangspunkt für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Förderung durch das Bun-desfreiwilligendienstgesetz ist das System der Gemeinwohlförderung des Grundgesetzes. Es garantiert auf der einen Seite Freiheits- und Gleichheitsrechte der Bürger und auf der anderen Seite beauftragte es den Staat mit der Gemeinwohlförderung.525 Jede Tätigkeit des Staates ruft Belastungen für die Bürger hervor. Der Staat kann als überindividuelle Instanz nicht selbst

522 Siehe § 1 Abs. 1 ZentralstellenVO, Verkündungsstand 27.9.2013. 523 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 8 Rn. 23. 524 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 17 Rn. 2. 525 BVerfG, v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, Fraport, BVerfGE 128, 266; Becker, Interessen und öffentliches Wohl

bei der gemeindlichen Neugliederung, in: Wohl der Allgemeinheit und öffentliche Interessen, Schriftenreihe der Hochschule Speyer, Band 39, 1968, S. 73 f., 82; Mronz, Körperschaft und Zwangsmitgliedschaft, 1973, S. 262.

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92 Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst

handeln, sondern benötigt hierfür personelle Ressourcen. Entweder er kauft sich die Arbeits-kraft seiner Staatsmitarbeiter am Markt steuerfinanziert ein oder er verpflichtet Bürger zu unentgeltlichen Arbeitsdiensten. Je mehr der Staat handelt, desto mehr Belastungen werden für die Bürger hervorgerufen. Aus dieser Perspektive sollte er vor dem Hintergrund der Bin-dung an die Freiheitsrechte der Bürger möglichst wenig tätig werden. Auf der anderen Seite definiert das Grundgesetz Standards des gesellschaftlichen Zusammenlebens, die der Staat aktiv zu gewährleisten hat - beispielsweise im Rahmen des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG).526 So werden alle Regelungen im Grundgesetz, die die öffentliche Gewalt im Sinne eines sozialen Ausgleichs und zugunsten benachteiligter Bevölkerungsgruppen zum Handeln ermächtigen oder verpflichten als Konkretisierungen des Sozialstaatsprinzips angesehen.527 Der Staat muss insofern aktiv tätig werden, er ist zum Schutz dieser Werte verpflichtet.528 Beide Positionen sind im Grundgesetz gleichrangig verankert und führen den Staat in ein Di-lemma. Oberster Staatsauftrag ist die Gemeinwohlförderung und damit eine möglichst weit-gehende Annäherung beider Positionen in Form eines möglichst weitgehenden Ausgleichs aller Individualinteressen in der Gemeinschaft. Für diesen möglichst weitgehenden Ausgleich steht der (abstrakte) Gemeinwohlbegriff als Leitmotiv des Grundgesetzes.529 Die Vorgabe für jedes staatliche Handeln ist es, die Verfassungsstandards auf einem mög-lichst hohen Niveau zu realisieren und dabei die Freiheits- und Gleichheitsrechte der Bürger möglichst wenig einzuschränken.530 Um dieser Aufgabe gerecht werden zu können, muss der Staat systematisch vorgehen. Er muss ein Gesamtsystem der Gemeinwohlförderung schaffen und jeden seiner Schritte dahingehend abwägen und überprüfen, welchen Verfassungsstan-dard dieser wie schützt und welche Belastungen dadurch für die Bürger hervorgerufen wer-den. Bei dieser Abwägung kommt dem Staat ein weiter Ermessensspielraum zu. Die Grenze seines Ermessensspielraumes ist hingegen erreicht, wenn ein Subsystem Verfassungsstan-dards auf konstant gleichem Niveau belastungsärmer schützen kann als ein anderes Subsys-tem. Dann muss der Staat das belastungsärmere Subsystem zumindest versuchen.

526 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 20 VIII. Rn. 17 f.; Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985,

S. 410 ff. 527 Beispielsweise Art. 3 Abs. 2, Abs. 3 S. 2 GG, Art. 6 Abs. 4, 5, Art. 9 Abs. 3 GG, Art. 14 Abs. 2, 3, Art. 15

GG; Huster/Rux, in: BeckOK GG, 2017, Art. 20 Rn. 208. 528 Beispielsweise hinsichtlich der Einflüsse von außen, die die Menschenwürde einer Person oder den „Schutz-

raum der Familie“ gefährden; Kischel, in: BeckOk GG, 2017, Art. 3 Rn. 91; Badura, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 6 Rn. 137; Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 410 ff.

529 BVerfG, v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, Fraport, BVerfGE 128, 266; Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 57 Rn. 1.

530 Der Staat darf nicht übermäßig in die Grundrechte der Bürger eingreifen. Er muss die auszugleichenden Verfassungsgüter abwägen und von mehreren verhältnismäßigen Varianten die grundrechtsschonendste wäh-len. Jenes Übermaßverbot wird aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG), den jeweiligen Verfassungsgütern und der Grundrechtsbindung des Staates (Art. 1 Abs. 3 GG) hergeleitet. Huster/Rux, in: BeckOK, GG, 2017, Art. 20 Rn. 152-154.

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A Bundesfreiwilligendienst 93

Die Gemeinnützigkeitssphäre ist ein sehr belastungsarmes Subsystem, da sie auf Freiwillig-keit statt auf Zwang beruht. Die Bürger können sich engagieren, sie müssen es aber nicht. Ob die Sphäre Standards auf gleichem Niveau konstant schützen kann, hängt letztlich von der Engagementbereitschaft der Bürger und den gesetzlichen Förderstrukturen ab. Fest steht le-diglich, dass es eine massive Bereitschaft zu freiwilligem gemeinnützigem Engagement in der deutschen Gesellschaft gibt531 und das Subsystem ein belastungsarmes, freiheitsschonendes Instrument der Gemeinwohlförderung ist. Zwar gibt es Kernbereiche der Verfassungsstan-dards, die der Staat nur dem eigenen Handeln vorbehalten kann, weil sie nur dann hinreichend sichergestellt werden können. Allerdings gibt es außerhalb dieser Kernbereiche andere The-menbereiche, bei denen er das belastungsärmere Subsystem der Gemeinnützigkeit zumindest versuchen muss. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage danach, inwieweit dem Staat Ermessenspielräume bei den in der Gemeinnützigkeitssphäre zu schaffenden Strukturen zustehen. Das steuerliche Ge-meinnützigkeitsrecht (§§ 51-68 AO) sieht jedenfalls einen Gemeinnützigkeitsstatus für Indi-viduen nicht vor. So ist das Engagement von Bundesfreiwilligendienstleistenden formell nicht als gemeinnützig anerkannt, obwohl die Tätigkeit der Gemeinnützigkeitssphäre zuzuordnen ist. Individuen engagieren sich freiwillig, unentgeltlich und mit qualifiziertem Gemeinwohl-bezug. Sie tragen die Belastung, lösen die Interessenkonflikte und heben damit das konkrete Gemeinwohlniveau. Beispielsweise hebt ein Bundesfreiwilligendienstleistender das Niveau des Verfassungswertes Natur- und Umweltschutz indem er in einem ökologischen Projekt tätig wird. Die Besonderheit der Gemeinnützigkeitssphäre ist die freiwillige Lastentragung durch die Engagierten und der dabei geschöpfte Wert/Ertrag/Nutzen für die Allgemeinheit. Deswegen wird sie zu einem alternativen Subsystem im Gesamtsystem der Gemeinwohlför-derung. Anknüpfungspunkte der rechtlichen Erfassung des Engagements sind die Lastenträger und/oder die Tätigkeit. In beiden Fällen müsste das Individuum als tatsächlicher Aktivitäts-punkt des Engagements in die rechtliche Erfassung einbezogen werden. Das geltende steuerli-che Gemeinnützigkeitsrecht versagt hingegen den Individuen die unmittelbare Anerkennung für ihr gemeinnütziges Engagement. Es ist jedenfalls nicht auf den ersten Blick ersichtlich, warum dies so ist und Individuen der Zugang zu einem unmittelbaren, ihr Engagement würdi-genden Gemeinnützigkeitsstatus im Sinne der AO verwehrt wird. Engagierte erhalten hinge-gen bereits heute eine Anerkennung für ihr Engagement beispielsweise über den Bundesfrei-willigenstatus und die entsprechende Förderung. Es ist anzudenken, den Rechtsbegriff der Gemeinnützigkeit vor dem Hintergrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1

531 Institut für Demoskopie Allensbach, Motive des bürgerschaftlichen Engagements, 2013, S. 5 ff.

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94 Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst

GG insoweit verfassungskonform auszulegen, als dass auch der Bundesfreiwilligenstatus als Gemeinnützigkeitsstatus für partiell gemeinnütziges Engagement von Individuen gilt. Jene Gedanken sind eng mit den Gedanken zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigungslage der staatlichen Förderung von gemeinnützigem Engagement verbunden. Engagierte setzen ihre Arbeitskraft freiwillig und unentgeltlich mit staatlichem Themenbezug ein und tragen damit eine Belastung, die zur Anhebung des Niveaus eines Verfassungsstandards führt.532 Der Staat handelt aber nicht selbst, muss also hierfür weder Arbeitskraft am Markt steuerfinanziert einkaufen noch Bürger zu Zwangsdiensten verpflichten, sondern es handeln private Bürger freiwillig und unentgeltlich. Unabhängig davon, ob das Engagement originäre Staatsaufgaben substituiert,533 hebt es im Vergleich zur Staatstätigkeit das Gemeinwohlniveau mit einer ge-ringeren Belastung für alle Bürger an. An dieser Struktur muss der Staat aufgrund seines Ver-fassungsauftrages interessiert sein und in dieser gesamtgesellschaftlichen Kosten-Nutzen-Betrachtung liegt letztlich auch die verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Schaffung von Regelungskomplexen zur Anerkennung und Förderung von gemeinnützigem Engage-ment.534

b BFDG als Rechtsrahmen für gemeinnütziges Engagement

Derzeit wird der Regelungskomplex, der die Gemeinnützigkeit rechtlich erfassen soll, vorran-gig im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht (§§ 51-68 AO) verortet. Doch auch das Bundes-freiwilligendienstgesetz erfasst freiwilliges, unentgeltliches Engagement mit einem qualifi-zierten Gemeinwohlbezug und erfüllt die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeitssphäre. Das Bundesfreiwilligendienstgesetz könnte das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht nun unter ver-fassungskonformer Auslegung des Gemeinnützigkeitsbegriffes insofern erweitern, dass jeden-falls die Förderung des partiell gemeinnützigen Engagements von Bundesfreiwilligendienst-leistenden durch das Bundesfreiwilligendienstgesetz neben die Förderung durch den Normen-komplex der §§ 51-68 AO und damit neben das organisationsgebundene Förderkonzept535 für

532 Die Freiwilligkeit ist für den Staat eine systematische Schwachstelle, denn das gemeinnützige Engagement

kann jederzeit ohne Grund wegfallen; es ist nicht vorhersehbar, da gerade keine Verpflichtung besteht. Die bei Wegfall des Engagements möglichen Reaktionen (Steuern/Pflichtdienste oder Senkung der Standards) muss der Staat ständig im Blick haben. Zudem verlangt der Kohärenzgedanke, dass er im Wissen um diesen Umstand Strukturvorsorge betreibt und gemeinnütziges Engagement nicht nur ermöglicht und anerkennt, sondern aktiv fördert. Siehe Hierzu Einleitung A. und 2. Kapitel D.

533 Darin wird ein Ansatz zur Rechtfertigung der Förderung von gemeinnützigem Engagement durch Steuermit-tel gesehen. Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (24).

534 Die Rechtfertigung zur Förderung von gemeinnützigem Engagement erwächst aus dem Wesen der Gemein-nützigkeit als Instrument der Interessenkonfliktlösung. Hierzu Einleitung A.

535 Hüttemann, Grundprinzipien des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (51); Dro-ege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 165; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuer-staat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 33.

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B Freiwilliger Wehrdienst 95

gemeinnütziges Engagement tritt. Das Gemeinnützigkeitsrecht würde fortan die §§ 51–68 AO und die weiteren Regelungen zu partiellem individuellem gemeinnützigem Engagement um-fassen. Dann wäre das Bundesfreiwilligendienstgesetz Gemeinnützigkeitsrecht und könnte die verfassungsrechtliche Rechtfertigung seiner Engagementförderung über die Rechtfertigung der Förderung im Rahmen des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts ableiten.

B Freiwilliger Wehrdienst

Seit 2011536 ist die Wehrpflicht junger deutscher Männer auf den Spannungs- und Verteidi-gungsfall begrenzt (§ 2 WPflG) und somit in Friedenszeiten ausgesetzt. Neu geschaffen wur-de in diesem Zuge der Freiwillige Wehrdienst, zu dem sich Frauen und Männer verpflichten können, um besonderes staatsbürgerliches Engagement zu leisten (§ 58b Abs. 1 Satz 1 SG). Dieses Engagement soll, im Sinne einer aktiven Bürgergesellschaft, die übrigen Freiwilligen-dienste ergänzen.537

I Statusvoraussetzungen

Die Rechtsgrundlage des Freiwilligen Wehrdienstes ist seit dem 1.4.2013 der 3. Abschnitt des Soldatengesetzes (§§ 58b bis 58h SG).538 Es deutet sich bereits hier an, dass freiwillig Wehr-dienstleistende als Soldaten im Sinne des Soldatengesetzes gelten und unter diesem Status in die Bundeswehr eingeordnet werden.539 So sind nicht nur die Regelungen zur Einberufung nach dem Wehrpflichtgesetz entsprechend anzuwenden, sondern auch alle Regelungen über das Ableisten des Grundwehrdienstes (§ 5 WPFlG) und des freiwilligen zusätzlichen Wehr-dienstes (§ 6b WPFlG) sowie die Voraussetzungen und Hindernisse der Berufung (§§ 37, 38 SG). Soldaten stehen dabei in einem speziellen Wehrdienstverhältnis zum Staat, aus dem sie zur gegenseitigen Treue verpflichtet sind (§ 1 Abs. 1 SG). Vorgesetzte haben direkte Kom-mando- und Befehlsgewalt über die Soldaten (§ 11 SG), in diese hierarchische Struktur der Bundeswehr sind auch Freiwillig Wehrdienstleistende eingegliedert.540

1 Formelle Voraussetzungen

Für den Status als Freiwillig Wehrdienstleistender bedarf es zunächst formell einer schriftli-chen Verpflichtungserklärung einer Frau oder eines Mannes zum Freiwilligen Wehrdienst (§§ 58e Abs. 1 Satz 1, 58b Abs. 1 Satz 1 SG) sowie einer Aufforderung zum Dienstantritt

536 Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 vom 28.4.2011. 537 Bundesministerium der Verteidigung, Freiwillig dienen – Ein Wegweiser für den Freiwilligen Wehrdienst,

2011, S. 4. 538 Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Soldatengesetzes, vom 8.4.2013, BGBl. I S. 730, mit Wirkung zum

13.4.2013; vorherige Rechtsgrundlage waren die §§ 54–62 WPFlG. 539 Unter anderem auch: § 58f SG in Verbindung mit § 4 Abs. 3 und 1 WPFlG. 540 Stauf, Soldatengesetz, 2012, § 1 Rn. 8 f.

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96 Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst

durch das Karrierecenter der Bundeswehr. Eine Festsetzung der Dienstzeit auf zwölf Monate oder mehr erfordert zudem eine gesonderte schriftliche Verpflichtungserklärung (§ 58e Abs. 1 Sätze 2 und 3 SG). Ist der Erklärende minderjährig, bedarf die Erklärung zur Wirksamkeit der Mitunterzeichnung der gesetzlichen Vertreter (§§ 106 ff. BGB). Vor der Abgabe der Ver-pflichtungserklärung bietet das Karrierecenter der Bundeswehr eine persönliche Beratung an und prüft die Freiwilligen nach schriftlicher Einwilligung auf Dienstfähigkeit und Eignung (§§ 58d Abs. 2 Satz 1, 37 Abs. 1 Nr. 3 SG). Untersucht wird dabei die charakterliche, geistige und körperliche Eignungsfähigkeit des Freiwilligen, die zur Erfüllung seiner Aufgaben als Soldat erforderlich ist (§ 37 Abs. 1 Nr. 3 SG). Das Karrierecenter der Bundeswehr entscheidet sodann über eine Annahme der Verpflichtungserklärung (§ 58e Abs. 2 SG) und fordert, bei positivem Bescheid, zum Dienstantritt auf (§ 58g Abs. 1 Satz 1 SG). In der Aufforderung werden (erstmalig) Ort und Zeit des Dienstantritts sowie die Dauer des Dienstes genannt (§ 58g Abs.1 Satz 2 SG). Zuständig für die Beratung und Verpflichtung zum Freiwilligen Wehrdienst sind die 16 Karrierecenter der Bundeswehr (§§ 58d Abs. 1, 58e Abs. 2 SG), die zum 30.11.2012 aus einer Verschmelzung der Kreiswehrersatzämter mit den Zentren für Nachwuchsgewinnung hervorgingen.541

2 Materielle Voraussetzungen

Neben den formellen Voraussetzungen bestehen weitere materielle Voraussetzungen. So kann der Freiwillige Wehrdienst nur in einem Zeitraum von mindestens sechs Monaten Probezeit und bis zu weiteren 17 Monaten Wehrdienst, insgesamt also zwischen 6 und 23 Monaten, abgeleistet werden (§ 58b Abs. 1 Satz 2 SG). Der Freiwillige muss Deutscher im Sinne des Artikels 116 des Grundgesetzes sein, Gewähr dafür bieten, dass er jederzeit für die freiheitli-che demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintritt und es darf kein Hin-dernis der Berufung vorliegen (§§ 58b Abs. 2, § 37, 38 SG). Wehrpflichtig und damit zum Freiwilligen Wehrdienst fähig, sind grundsätzlich alle Männer und Frauen (§ 58b Abs. 1 Satz 1 SG) vom vollendeten 18. Lebensjahr an, die ihren ständigen Aufenthalt in der Bundes-republik Deutschland haben (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 WPFlG).

II Konkrete Förderung

Die Förderansätze für den Freiwilligen Wehrdienstes sind nun in den Vergleich zum Förder-programm des Bundesfreiwilligendienstes und zur Erfassung von individuellem gemeinnützi-gem Engagement generell zu stellen. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf die Relation

541 BMVg, Pressemitteilung v. 25.11.2012, Kreiswehrersatzämter werden aufgelöst.

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des steuerfrei gewährten Wehrsoldes und den Grundsatz der Unentgeltlichkeit in der Gemein-nützigkeitssphäre zu richten.542 Ähnlich zum Förderkonzept des Bundesfreiwilligendienstes sind auch die Geld- und Sachbe-züge der Freiwillig Wehrdienstleistenden steuerfrei. Gemäß § 3 Nr. 5c EStG ist der nach § 2 Abs. 1 WSG an Soldaten im Sinne von § 1 Abs. 1 WSG gezahlte Wehrsold steuerfrei. Freiwillig Wehrdienstleistende sind Soldaten nach § 58b SG und damit Soldaten im Sinne von § 1 Abs. 1 WSG. Sie erhalten Geld- und Sachleistungen nach den Vorschriften des Wehrsoldgesetzes (§ 1 Abs. 1 WSG), sodass ihr Wehrsold nach § 3 Nr. 5 c EStG steuer-frei gewährt wird. Die Höhe des Wehrsoldes richtet sich nach dem Dienstgrad und reicht für Freiwillig Wehrdienstleistende von monatlich 777,40 Euro bis monatlich 1.146,30 Euro (§ 2 Abs. 1 WSG in Verbindung mit Anlage 1 zum WSG).543 Zusätzlich zum Wehrsold wer-den Verpflegung (§ 3 Abs. 1 WSG), Unterkunft (§ 4 Satz 1 WSG) und Dienstbekleidung (§ 5 Satz 1 WSG) unentgeltlich bereitgestellt. Weiterhin erhalten Freiwillig Wehrdienstleistende nach sechsmonatiger Dienstzeit eine besondere Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Satz 1 WSG). Die Steuerbefreiung des Wehrsoldes entfaltet anders als jene des Taschengeldes beim Bun-desfreiwilligendienst tatsächlich Rechtswirkung. Der Wehrsold wird im Rahmen des Dienst-verhältnisses gewährt und wie bei Berufssoldaten ausdrücklich so deklariert, folglich gerade nicht als Taschengeld544 oder Aufwandsentschädigung545. Dies lässt auf einen Entgeltcharak-ter und damit eine Erwerbstätigkeit schließen. Hierfür spricht zudem, dass Freiwillig Wehr-dienstleistende als Soldaten in einem Dienstverhältnis zum Staat sowie unter direkter Be-fehlsgewalt stehen und auch die Berufssoldaten lediglich vergleichbare Leistungen erhalten. Insgesamt steht Freiwillig Wehrdienstleistenden neben der unentgeltlichen Verpflegung, Un-terkunft und Dienstbekleidung ein Betrag zu, der das monatliche Taschengeld im Bundes-freiwilligendienst (363 Euro)546, das Entgelt in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen (450 Euro)547 und auch die Regelbedarfe des Arbeitslosengeldes II sowie des Sozialgeldes (399 Euro)548 deutlich übersteigt. Ein materieller Hinzugewinn ist offensichtlich möglich, so

542 BT-Drs. 17/11220, v. 25.10.2012, S. 26; BFH, v. 3.7.2014, III R 53/13, BFH/NV 2015, 101, BFHE 246, 437;

Selder, in: Blümich, EStG, 2017, § 32 Rn. 73. 543 BMVg, Freiwillig dienen – Ein Wegweiser für den Freiwilligen Wehrdienst, 2011, S. 25. 544 Im Vergleich zum Bundesfreiwilligendienst, § 17 Abs. 2 BFDG. 545 Im Vergleich zur Übungsleiterpauschale, § 3 Nr. 26 EStG. Von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, §

3 Nr. 26 Rn. 50. 546 § 2 Nr. 4 BFDG. 547 § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. 548 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Regelbedarf bei Arbeitslosengeld II/Sozialgeld ab 1.1.2015,

http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Grundsicherung/Leistungen-zur-Sicherung-des-Lebensunterhaltes/2-teaser-artikelseite-arbeitslosengeld-2-sozialgeld.html, abgerufen am 26.8.2015; § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II; zum Inhalt des Regelbedarfs Breitkreuz, in: BeckOK Sozialrecht, SGB II, 2017, § 20 Rn. 2-5.

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98 Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst

dass von einer entgeltlichen Tätigkeit auszugehen ist.549 Das Bundesministerium der Vertei-digung wirbt zudem offensiv mit der Höhe des Wehrsoldes und stellt damit den materiellen Hinzuerwerb in den Vordergrund.550 Das Engagement im Freiwilligen Wehrdienst ist deshalb mit den Grundsätzen der Gemeinnützigkeitssphäre nicht vereinbar. Die Tätigkeit erfolgt nicht unentgeltlich und ist daher nicht als gemeinnütziges Engagement im Sinne der in dieser Ab-handlung definierten Gemeinnützigkeitssphäre zu qualifizieren. Die Rechtfertigung der För-derung für den Freiwilligen Wehrdienst kann sich also nicht aus der Rechtfertigungslage der Gemeinnützigkeitssphäre ableiten, sondern bedarf einer separaten verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Zwar soll der Freiwillige Wehrdienst Freiwilligendienstmodelle wie das frei-willige soziale Jahr, das freiwillige ökologische Jahr und den Bundesfreiwilligendienst im Sinne einer aktiven Bürgergesellschaft ergänzen,551 unterscheidet sich aber nicht nur bei der Entgeltlichkeit des Engagements von den anderen Dienstformaten. Auch der Gemeinwohlbe-zug ist beim Freiwilligen Wehrdienst anders ausgestaltet, die Tätigkeit wird gerade nicht in einer der Gemeinnützigkeitssphäre inhärenten kreativen Eigenverantwortung ausgeübt, son-dern in einem streng hierarchischen System, in dem Befehle grundsätzlich ohne eigenen Er-messensspielraum auszuführen sind. Dies kann aus militärischen Gründe durchdacht und er-forderlich sein, ändert aber an der Qualifikation der Tätigkeit nichts. Gleiches gilt für Berufssoldaten, deren Geld- und Sachbezüge ebenfalls steuerfrei sind (§ 3 Nrn. 4 und 5 EStG). Ein sonstiges Bereitstellen privater Arbeitskraft gegenüber dem Staat (Staatsmitarbeiter) ist, sofern es entgeltlich erfolgt, der Marktsphäre zuzuordnen. In diesen speziellen Fällen ist das Handeln einer Person aber zugleich der Markt- und der Staatssphäre zuzuordnen, weil der Staat auf dem Markt als Nachfrager auftritt und private Arbeitskraft einkauft. Das entgeltliche Bereitstellen der Arbeitskraft ist der Teil, den das Individuum steu-ern und letztlich auch am Markt anbieten kann. Dieser Teil der Tätigkeit ist der Marktsphäre zuzuordnen. Sobald eine staatliche Steuerung der Tätigkeit einsetzt, also eine Weisung, wie die Arbeitskraft einzusetzen ist, wird der konkretisierte Teil der tatsächlich eingesetzten Ar-beitskraft als Arbeitskraft unter Weisung Staatshandeln und ist der Staatssphäre zuzuordnen. Das Engagement im Freiwilligen Wehrdienst enthält somit zum einen ein entgeltliches Bereit-stellen der eigenen Arbeitskraft (Marktsphäre) und zum anderen die Ausübung der Arbeits-kraft unter staatlicher Weisung im System der Bundeswehr (Staatssphäre).

549 So bestätigte der Bundesfinanzhof, dass bei einer typisierenden Betrachtung im Rahmen der Berechnung von

Verwandtenunterhalt beim Kind davon auszugehen ist, dass der Wehrsold den kompletten Unterhalt des freiwillig Wehrdienstleistenden abdeckt, während beim Taschengeld eines Bundesfreiwilligendienstleisten-den nicht davon auszugehen ist. BFH, v. 3.7.2014, III R 53/13, BFH/NV 2015, 101; BFHE 246, 437.

550 BMVg, Freiwillig dienen – Ein Wegweiser für den Freiwilligen Wehrdienst, 2011, S. 13. 551 BMVg, Freiwillig dienen – Ein Wegweiser für den Freiwilligen Wehrdienst, 2011, S. 4.

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C Jugendfreiwilligendienste 99

Der Charakter der Tätigkeit unterscheidet sich folglich derart fundamental von den Grundsät-zen der Gemeinnützigkeitssphäre, dass es nicht sinnvoll erscheint, den Gedanken der Ge-meinnützigkeit über diese Struktur in das gewachsene System der Bundeswehr zu integrieren. Handeln im Rahmen des Freiwilligen Wehrdienstes gerät damit aus dem Fokus der Abhand-lung, die auf individuelles gemeinnütziges Engagement gerichtet ist. Strukturen zur Förde-rung des Freiwilligen Wehrdienstes sollten separat in den relevanten Gesetzen etabliert wer-den.

C Jugendfreiwilligendienste

Das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) wurde 1964 als erster Jugendfreiwilligendienst ins Leben gerufen und hat sich zusammen mit dem Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) als Rechts-rahmen für freiwilliges Engagement etabliert.552 Im Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwil-ligendiensten (JFDG) aus dem Jahr 2008 wurden für beide Modelle einheitliche Statusvoraus-setzungen und Förderansätze geschaffen. Daneben stehen weitere Jugendfreiwilligendienst-programme wie der Andere Dienst im Ausland553, der entwicklungspolitische Freiwilligen-dienst „weltwärts“554 und der Internationale Jugendfreiwilligendienst555 zur Auswahl.

I FSJ/FÖJ nach Jugendfreiwilligendienstgesetz

1 Statusvoraussetzungen

Die Jugendfreiwilligendienste beabsichtigen, die Bildungsfähigkeit der Jugendlichen zu för-dern und werden zugleich als besondere Formen des bürgerschaftlichen Engagements einge-ordnet (§ 1 Abs. 1 Satz 1 JFDG). Hierfür sind die folgenden Statusvoraussetzungen einzuhal-ten.

a Formelle Voraussetzungen

Auch bei den Jugendfreiwilligendiensten bedarf es zunächst einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Freiwilligen und einem zugelassenen Träger über das Ableisten des Dienstes für eine Zeit von mindestens 6 und höchstens 24 Monaten (§§ 2 Abs. 1 Nr. 2, 11 JFDG). So-fern der Freiwillige bei Abschluss der Vereinbarung noch nicht volljährig ist, sind die gesetz-lichen Vertreter aufgerufen, diese mit zu unterschrieben (§§ 106 ff. BGB). Zwingender Inhalt

552 Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres, v. 17.8.1964, BGBl. I, S. 640. Gesetz zur Förderung

eines freiwilligen ökologischen Jahres, v. 17.12.1993, BGBl. I, S. 2118. 553 Im Sinne von § 5 Bundesfreiwilligendienstgesetz. 554 Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, v. 1.8.2007, Bun-

desanzeiger 2008, S. 1297. 555 Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, v. 20.12.2010, Gemeinsames

Ministerialblatt (GMBl.) 2010, S. 1778.

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100 Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst

der Vereinbarung sind neben den persönlichen Angaben des Freiwilligen und gegebenenfalls seiner gesetzlichen Vertreter (Nr. 1) die Bezeichnung der Einsatzstelle und des Trägers (Nr. 2), Angaben zum Zulassungsbescheid des Trägers (Nr. 5), die Angabe des Dienstzeit-raumes samt Regelungen zur vorzeitigen Beendigung des Dienstes (Nr. 4), die Verpflichtung auf die Vorschriften dieses Gesetzes (Nr. 3), konkrete Angaben zu Geld- und Sachleistungen für Unterkunft, Verpflegung, Arbeitskleidung und Taschengeld (Nr. 6), die Angabe der Ur-laubstage (Nr. 7) und die Ziele des Dienstes sowie die beabsichtigten Maßnahmen zur Zieler-reichung (Nr. 8). Zuständig für den Abschluss der Vereinbarung mit dem Freiwilligen sind die von der zuständigen Landesbehörde zugelassenen Träger, die Gewähr dafür bieten müs-sen, dass ein Dienst ordnungsgemäß durchgeführt werden kann (§ 10 JFDG).556

b Materielle Voraussetzungen

Hinzu kommen materielle, das ausführende Rechtssubjekt und die Tätigkeit betreffende Sta-tusvoraussetzungen. So können die Jugendfreiwilligendienste nur zwischen Erfüllung der Vollzeitschulpflicht und Vollendung des 27. Lebensjahres begonnen werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 JFDG). Sie sind außerhalb einer Berufsausbildung und vergleichbar einer Vollzeitbeschäfti-gung zu leisten (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 JFDG). Darüber hinaus müssen sie freiwillig, ohne Erwerbs-absicht und unentgeltlich, d.h. nur für Unterkunft, Verpflegung, Arbeitskleidung sowie ein angemessenes Taschengeld übernommen werden (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 3 JFDG).557 Die An-gemessenheit des Taschengeldes richtet sich im Jugendfreiwilligendienstgesetz, wie im Übri-gen auch im Bundesfreiwilligendienstgesetz, danach, ob der Betrag von 6% der in der Ren-tenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze (§ 159 SGB VI) überschritten ist. Als angemessen gilt ein monatlicher Taschengeldhöchstbetrag von 363 Euro.558

2 Konkrete Förderung

Die Förderung des Engagements in den Jugendfreiwilligendiensten soll dazu dienen, die Här-ten und Nachteile auszugleichen, die mit der Übernahme der Dienste verbunden sind (§ 1 Abs. 1 Satz 3 JFDG). Die Förderansätze sind dabei grundsätzlich dieselben wie beim Bundesfreiwilligendienst:559 unentgeltliche existenzielle Versorgung560, Steuervergünstigun-

556 Olk, in: Bibisidis/Eichhorn/Klein/Perabo/Rindt, Zivil-Gesellschaft-Staat, 2015, S. 4. 557 Olk, in: Bibisidis/Eichhorn/Klein/Perabo/Rindt, Zivil-Gesellschaft-Staat, 2015, S. 4. 558 Zahlen und Tabellen der gesetzlichen Rentenversicherung 1.1.-30.6.2015, http://www.deutsche-

rentenversicherung.de/BayernSued/ de/Inhalt/Allgemeines/Pool_BY/ Zah-len_und_Tabellen/ZuT_2015_1.pdf?__blob=publicationFile&v=4, S. 11, abgerufen am 26.8.2015. Die rele-vante Beitragsbemessungsgrenze ist seit dem 1.1.2015 ein Betrag in Höhe von 72.600 Euro; 6 % von 72.600 Euro sind 4.356 Euro als jährlich angemessenes Taschengeld und somit ergibt sich ein Betrag von 363 Euro als monatlich angemessenes Taschengeld.

559 Hierzu ausführlich 3. Kapitel A. II. 560 § 2 Abs. 1 Nr. 3 JFDG.

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C Jugendfreiwilligendienste 101

gen561, Schutz der Sozialversicherungen562, Kindergeld oder Kinderfreibetrag563, Vergünsti-gungen im Straßenverkehr564, Sonderurlaub565 und Waisenrente566, pädagogische Beglei-tung567 und qualifiziertes Zeugnis. Anders als beim Bundesfreiwilligendienst, bei dem die Einsatzstelle dem Freiwilligen eine Bescheinigung und ein qualifiziertes Zeugnis ausstellen muss, stellt bei den Jugendfreiwilligendiensten der Träger die Bescheinigung aus. Ein qualifi-ziertes Zeugnis erhält der Freiwillige nur, wenn er es konkret anfordert (§ 11 Abs. 3 und Abs. 4 JFDG). Erst dann - nach Anforderung durch den Freiwilligen - wird ein Abstim-mungsprozess zwischen Träger und Einsatzstelle über den Freiwilligen und seine Leistungen eingeleitet. Um die Jugendfreiwilligendienstleistenden auf ihren weiteren Ausbildungs-, Be-werbungs- und Berufswegen angemessen zu unterstützen, bietet sich hier de lege ferenda eine Anpassung an die Regelungen des Bundesfreiwilligendienstgesetzes an. Besonders zu beachten sind darüber hinaus die Ansätze einer Flexibilisierung des Dienstfor-mates. So kann ein Träger den Dienst zur Ableistung in Abschnitten anbieten, sofern ein Ab-schnitt mindestens 3 Monate dauert und die besonderen Umstände im pädagogischen Ge-samtkonzept begründet werden (§ 5 Abs. 1 Satz 3 JFDG). Auch die Möglichkeiten, einen Ju-gendfreiwilligendienst im Ausland abzuleisten (§ 6 JFDG) oder als Kombinationsmodell im In- und Ausland (§ 7 JFDG), deuten an, dass abseits der starren Regeldienstformate auch an-dere, flexiblere Strukturen angedacht werden und gewünscht sind. Diese Flexibilität wird er-forderlich sein, um sich dem Ziel der Nationalen Engagementstrategie anzunähern, durch ge-eignete Rahmenbedingungen einen Nährboden zu schaffen, auf dem freiwilliges Engagement in seiner ganzen Vielfalt (…) gedeihen kann.568

561 § 3 Nr. 5f EStG in Verbindung mit § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2d EStG. 562 Die Zahlungspflicht des Gesamtsozialversicherungsbeitrages erwächst aus § 9 Nr. 6 JFDG in Verbindung mit

§ 20 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 SGB IV. Die Versicherungspflicht für die Krankenversicherung aus § 9 Nr. 11 JFDG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB V, § 10 Abs. 2 Nr. 3 SGB V; im Zweifel § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Für die Pflegeversicherung: § 9 Nr. 13 JFDG in Verbindung mit § 25 Abs. 2 Nr. 3 SGB XI; im Zweifel § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 10 SGB XI. Für die Rentenversicherung: § 9 Nr. 12 JFDG in Verbindung mit § 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI, § 5 Abs. 2 S. 3 SGB VI, § 48 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 SGB VI. Für die Arbeitslosenversicherung: § 9 Nr. 5 JFDG in Verbindung mit § 27 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB III, im Zweifel § 25 Abs. 1 SGB III. Für die Unfallversicherung: § 9 Nr. 7 JFDG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 5d, Nr. 5e, Nr. 9 SGB VII etc.; § 67 Abs. 3 S. 1 Nr. 2c SGB VII, § 82 Abs. 2 S. 2 SGB VII.

563 § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 2d BKGG (Kindergeld) oder §§ 32 Abs. 6 S. 1, Abs. 4 Nr. 2d EStG (Kinderfreibetrag). 564 Für den Personennahverkehr: § 9 Nr. 14 JFDG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 2h PBefAusglV. Für den

Personenfernverkehr: § 9 Nr. 15 in Verbindung mit § 1 Abs.1 Nr. 2h AEAusglV. 565 § 9 Abs. 1 Nr. 1 JFDG in Verbindung mit § 3 SUrlV. 566 § 9 Abs. 1 Nr. 8 JFDG in Verbindung mit § 45 Abs. 3 S. 1c BVG. 567 Für das FSJ: § 3 Abs. 2 JFDG in Verbindung mit § 5 Abs. 2 JFDG. Für das FÖJ: § 4 Abs. 2 JFDG in Verbin-

dung mit § 5 Abs. 2 JFDG. Für einen FSJ/FÖJ im Ausland: § 6 Abs. 2 S. 4–8 JFDG. 568 BMFSFJ, Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung, 6.10.2010, S. 5.

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102 Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst

3 JFDG als Rechtsrahmen für gemeinnütziges Engagement

Die Jugendfreiwilligendienste nach dem Jugendfreiwilligendienstgesetz bieten einen Rechts-rahmen für individuelles freiwilliges, unentgeltliches Engagement mit einem qualifizierten Gemeinwohlbezug und damit für partiell gemeinnütziges Engagement von Einzelpersonen an. Der Bundesfreiwilligendienst ist in Anlehnung an die Strukturen des Jugendfreiwilligen-dienstgesetzes entwickelt worden, hat die Grundzüge des Dienstformates übernommen und so ähneln sich auch die betreffenden Gesetze in ihrem Aufbau, ihrem Inhalt und ihrer verfas-sungsrechtlichen Rechtfertigungslage. Beide bieten Rechtsrahmen für Engagement in der Gemeinnützigkeitssphäre569 an. Die Rechtfertigung der Förderansätze leitet sich ebenfalls aus der Rechtfertigungslage der Gemeinnützigkeit insgesamt ab. Sowohl das Bundesfreiwilligen-dienstgesetz als auch die Jugendfreiwilligendienstgesetze verfolgen eine Doppelstrategie der Engagementförderung.570 Zum einen fördern sie die Persönlichkeitsbildung der Engagierten (Lerndienste571) und zum anderen achten sie zugleich auf den Gemeinschaftsnutzen der Tä-tigkeit. Insofern sind auch die Jugendfreiwilligendienste unter verfassungskonformer Ausle-gung des Gemeinnützigkeitsbegriffes bereits de lege lata als Bestandteile des Gemeinnützig-keitsrechts anzusehen. Die Entscheidung, ob ein einheitlicher Grundstatus mit einheitlichen Statusvoraussetzungen (partiell gemeinnützige Person) geschaffen wird und verschiedene Engagementmodelle darauf aufbauen, die sich dann strukturell sowie thematisch unterschei-den und systematisch durch weitere Voraussetzungen abgrenzen lassen, steht zur rechtswis-senschaftlichen und politischen Diskussion.

II Auslandsjugendfreiwilligendienste

Zu den Jugendfreiwilligendiensten zählen auch die Auslandsjugendfreiwilligendienste, insbe-sondere der Andere Dienst im Ausland572, der entwicklungspolitische Freiwilligendienst „weltwärts“573 und der Internationale Jugendfreiwilligendienst574. In ihren Grundstrukturen orientieren sich diese Dienstformate an denen des Jugendfreiwilligendienstgesetzes. Das äl-teste Modell ist der Andere Dienst im Ausland aus dem Jahr 1986,575 der anerkannten Kriegs-

569 Hierzu ausführlich 1. Kapitel B. 570 Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Ergebnisse der Evaluation des FSJ und FÖJ, im Auftrag

des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2006, S. 227. 571 Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Ergebnisse der Evaluation des FSJ und FÖJ, 2006,

S. 33. 572 Im Sinne von § 5 BFDG. 573 Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, v. 1.8.2007, Bun-

desanzeiger 2008, S. 1297. 574 Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, v. 20.12.2010, Gemeinsames

Ministerialblatt (GMBl.) 2010, S. 1778. 575 § 14b ZDG in der Fassung vom 23.6.1986. BMFSFJ, Informationsblatt „Anderer Dienst im Ausland“ nach

§ 5 zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstgesetzes, Stand September 2013, S. 1, abrufbar unter www.bmfsfj.de, abgerufen am 27.8.2015.

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C Jugendfreiwilligendienste 103

dienstverweigerern bis zur Aussetzung der Wehrpflicht als Alternative zum Zivildienst zur Verfügung stand (§ 14b Abs. 1 ZDG). Obwohl die Zivildienstpflicht mittlerweile ausgesetzt ist,576 wurde der Andere Dienst im Ausland wegen seines Auslandsbezuges neben dem Bun-desfreiwilligendienst beibehalten.577 Über § 5 BFDG werden alle noch aus Zivildienstzeiten bestehende Anerkennungen von Trägern des Anderen Dienstes im Ausland übernommen und zudem die Möglichkeit neuer Anerkennungen nach § 14b Abs. 3 ZDG durch das Bundesmi-nisterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Einvernehmen geschaffen. Der An-wendungsbereich des Anderen Dienstes im Ausland beschränkt sich auf Männer und Frauen, die ihre Vollschulzeitpflicht erfüllt, aber das 23. Lebensjahr nicht vollendet haben und den Dienst bei einem anerkannten Träger sowie unentgeltlich ableisten (§ 14b Abs. 1 ZDG). Eine rechtsklare Erweiterung des Bundesfreiwilligendienstes kann insofern nicht gelingen, weil der Andere Dienst im Ausland den persönlichen Anwendungsbereich durch eine Altersbeschrän-kung begrenzt. Es wird zudem keine Vereinbarung mit dem Bund geschlossen, sondern der Freiwillige verpflichtet sich zur Ableistung des Dienstes durch einen privatrechtlichen Ver-trag mit dem Träger.578 So ist auch der Träger verpflichtet, auf eigene Kosten einen Unfall-, Kranken- und Pflegeversicherungsschutz für den Freiwilligen im Ausland zu garantieren.579 Im Inland bleibt der Kranken- und Pflegeversicherungsschutz indessen in der Verantwortung des Freiwilligen.580 Einer vergleichbaren Struktur folgt der im Jahr 2008 vom Bundesministerium für wirtschaft-liche Zusammenarbeit und Entwicklung in Umsetzung einer EU-Richtlinie581 initiierte lern- und entwicklungspolitische Freiwilligendienst weltwärts. Dieser soll jungen Erwachsenen im Alter vom 18. bis zum vollendeten 29. Lebensjahr offenstehen, die mindestens über einen Hauptschulabschluss mit abgeschlossener Berufsausbildung sowie über gute Grundkenntnisse einer im Gastland gesprochenen Sprache verfügen und alle Elemente des fachlich-pädagogischen Begleitprogramms wahrnehmen.582 Dabei tragen die Entsendeorganisationen die Gesamtverantwortung für das Gelingen des Freiwilligendienstes.583 Sie erhalten vom

576 Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 vom 28.4.2011. 577 BMFSFJ, Informationsblatt „Anderer Dienst im Ausland“ nach § 5 zur Einführung eines Bundesfreiwilligen-

dienstgesetzes, Stand September 2013, S. 1, abrufbar unter www.bmfsfj.de, abgerufen am 27.8.2015. 578 BMFSFJ, Informationsblatt „Anderer Dienst im Ausland“ nach § 5 zur Einführung eines Bundesfreiwilligen-

dienstgesetzes, Stand September 2013, S. 1, abrufbar unter www.bmfsfj.de, abgerufen am 27.8.2015. 579 BMFSFJ, Informationsblatt „Anderer Dienst im Ausland“ nach § 5 zur Einführung eines Bundesfreiwilligen-

dienstgesetzes, Stand September 2013, S. 1, abrufbar unter www.bmfsfj.de, abgerufen am 27.8.2015. 580 BMFSFJ, Informationsblatt „Anderer Dienst im Ausland“ nach § 5 zur Einführung eines Bundesfreiwilligen-

dienstgesetzes, Stand September 2013, S. 1, abrufbar unter www.bmfsfj.de, abgerufen am 27.8.2015. 581 Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, v. 1.8.2007, Bun-

desanzeiger 2008, S. 1297. 582 Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, v. 1.8.2007, Bun-

desanzeiger 2008, S. 1302 f. 583 Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, v. 1.8.2007, Bun-

desanzeiger 2008, S. 1309.

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104 Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst

Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eine projektbezo-gene Zuwendung in Höhe von bis zu 580 Euro pro Kopf und pro Monat, d.h. bis zu 350 Euro für Taschengeld, Unterkunft, Verpflegung, Versicherungen, Seminaranfahrten, Reisekosten der Freiwilligen, und bis zu 230 Euro für die fachlich-pädagogische Begleitung. Zusätzlich werden die Kosten einer Auslandskrankenversicherung vom Bundesministerium übernom-men, sodass sich der über die 350 Euro zu gewährleistende Versicherungsschutz auf die Un-fall-, Pflege-, Haftpflicht- und Rücktransportversicherung beschränkt. Im Ergebnis muss die Entsendeorganisation hingegen mindestens 25 % der Gesamtausgaben eines Freiwilligenein-satzes über Eigenmittel aufbringen.584 Hinzu kommt der Internationale Jugendfreiwilligendienst, der Freiwilligen seit dem 1.6.2010 zur Verfügung steht. Es handelt sich dabei um einen Lern- und Bildungsdienst, in dem Perso-nen einen freiwilligen ganztägigen Dienst ohne Erwerbsabsicht, außerhalb einer Berufsaus-bildung, leisten können. Aufgrund einer Vereinbarung (mit dem Träger) verpflichten sich die Freiwilligen zur Leistung des Dienstes zwischen 6 und 18 Monaten. Sie erhalten für den Dienst unentgeltliche Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung sowie ein angemessenes Taschengeld (bis zu 350 Euro) und eine Reisekostenerstattung. Zum Zeitpunkt des Dienstan-tritts im Ausland müssen die Freiwilligen ihre Vollzeitschulpflicht erfüllt haben und dürfen das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.585 Das konkrete Förderprogramm umfasst neben der über die Träger zu gewährleistenden existenziellen Versorgung der Freiwilligen vor Ort und dem Versicherungsschutz insbesondere eine pädagogische Begleitung der Freiwilli-gen bestehend aus fachlicher Anleitung und individueller Betreuung.586 Die Entwicklung der Formate für Auslandsjugendfreiwilligendienste zeichnet somit ein-drucksvoll den Zustand des Freiwilligendienstrechts insgesamt nach: Es existieren verschie-dene Formate, die trotz eines ähnlichen Anwendungsbereichs unkoordiniert parallel existie-ren, teilweise in abweichender Zuständigkeit, teilweise mit uneinheitlicher Förderung. Im Kontext der rechtssystematischen Erfassung von individuellem freiwilligem Engagement für das Gemeinwohl ist eine strukturelle und konzeptionelle Vereinheitlichung aller Freiwilligen-dienstformate unter dem Status als partiell gemeinnützige Person anzudenken.

584 Richtlinie des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, v. 1.8.2007, Bun-

desanzeiger 2008, S. 1311. 585 Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, v. 20.12.2010, Gemeinsames

Ministerialblatt (GMBl.) 2010, S. 1781. 586 Richtlinie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, v. 20.12.2010, Gemeinsames

Ministerialblatt (GMBl.) 2010, S. 1781 f.

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D Stellungnahme: Die Freiwilligendienstformate als Gemeinnützigkeitsstatus 105

D Stellungnahme: Die Freiwilligendienstformate als Gemeinnützigkeitsstatus

Die Freiwilligendienstgesetze verfolgen eine Doppelstrategie aus Schöpfung von Gemein-wohlerträgen und Persönlichkeitsbildung der Engagierten.587 Insbesondere bei den Jugend-freiwilligendiensten sei der Aspekt der Bildungszeit zur biografischen und beruflichen Orien-tierung588 wichtig. Jugendliche würden in Orientierungsphasen mit gesellschaftlicher Partizi-pation und Gemeinwohlzielen aufgefangen.589 Sie bekämen Gelegenheiten zur Übernahme sozialer Verantwortung, zur Erprobung ihrer Fähigkeiten sowie zur persönlichen und berufli-chen Orientierung590. Hier findet sich die Erkenntnis wieder, dass menschliches Verhalten in einer Gemeinschaft immer eigen- und fremdnützig zugleich ist.591 Es gibt Situationen im Le-ben eines Bürgers, in denen die eigene Zukunft und die eigenen Ziele nicht eindeutig be-stimmbar sind. In diesen Übergangsphasen können Freiwilligendienstprogramme dem Bürger einen Rahmen für sein Handeln bieten, innerhalb dessen er die Gemeinschaft durch eine An-hebung des Gemeinwohlniveaus bereichert und Interessenkonflikte löst. Der Drang der eige-nen Interessendurchsetzung ist in diesen Phasen mangels Bestimmtheit der eigenen Interessen schwächer und so bieten Freiwilligendienste die Möglichkeit, die eigene Arbeitskraft mangels eigener Verwendungsidee bewusst in den Dienst der Allgemeinheit zustellen. Der Bürger stellt den Eigennutzen seiner Arbeitskraft nicht in den Vordergrund und wird dafür in einen für die Gemeinschaft wichtigen Teil eingebunden. Er gewinnt Zeit zur Orientierung, geht ei-ner Tätigkeit nach, die in dem Gesamtsystem der Gemeinwohlförderung als sinnvoll und po-sitiv gewertet wird und erhält als Eigennutzen im Idealfall professionelle Unterstützung bei der Neuorientierung, bei der Aus- und Weiterbildung sowie bei der Persönlichkeitsentwick-lung. Diese Interessenlage erklärt die Ausrichtung der Freiwilligendienstmodelle auf die Bil-dungsaspekte (Lerndienste592). Jede Strategie zur Förderung von gemeinnützigem Engage-ment setzt letztlich auch bei der Stärkung der Eigennutzlage der Engagierten an. Die Bil-dungsförderung ist dabei deshalb eine besonders interessante Stellschraube, weil sie nicht unmittelbar mit der Marktsphäre in Konflikt gerät. So kann ein weitverzweigtes Bildungsför-derungssystem für gemeinnütziges Engagement aufgebaut werden, ohne dass die Tätigkeit als entgeltlich einzustufen wäre. Neben der Entwicklung eines Gesamtkonzeptes der Gemeinnüt- 587 Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Ergebnisse der Evaluation des FSJ und FÖJ, Systemati-

sche Evaluation der Erfahrungen mit den neuen Gesetzen zur „Förderung von einem freiwilligen sozialen Jahr“ (FSJ-/FÖJ-Gesetze) im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2006, S. 227.

588 Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Ergebnisse der Evaluation des FSJ und FÖJ, 2006, S. 228.

589 Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Ergebnisse der Evaluation des FSJ und FÖJ, 2006, S. 30.

590 Bericht der Enquete-Kommission „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“, BT-Drs. 14/8900, v. 3.06.2002, S.

591 Then/Kehl, in: Anheier/Schröer/Then, Soziale Investitionen, 2012, S. 117 ff. 592 Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik, Ergebnisse der Evaluation des FSJ und FÖJ, 2006,

S. 33.

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106 Drittes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Freiwilligendienst

zigkeit samt struktureller Einbeziehung des individuellen Engagements zeigt sich nun mit der Erweiterung des Bildungs- und Betreuungsangebots eine weitere wichtige Stellschraube der Engagementförderung zur Umsetzung der Nationalen Engagementstrategie und der europäischen Ideen zu lebenslangem Lernen. Inhaltlich überschneiden sich die Formate des Bundesfreiwilligendienstes und der Jugend-freiwilligendienste weitgehend. Letztere wenden sich zwar vorrangig an Jugendliche im Alter von 16 bis 27 Jahren, die sich für soziale und ökologische Themen einsetzen wollen. Dennoch kann auch der Bundesfreiwilligendienst ein identisches Dienstmodell nachbilden und geht sowohl im persönlichen als auch im thematischen Anwendungsbereich deutlich darüber hin-aus. Das Bundesfreiwilligendienstgesetz ist nach dem Vorbild des Jugendfreiwilligendienst-gesetzes entwickelt worden, sodass Statusvoraussetzungen und Förderansätze nahezu iden-tisch sind. Alternativ ist ein Gesamtkonzept der Gemeinnützigkeit anzudenken, das jeweils eigene Fördersysteme für kollektives und individuelles Engagement vorsieht. Hinsichtlich des individuellen Engagements bietet sich ein Grundbaustein für die Dienstmodelle mit einheitli-chen Statusvoraussetzungen (partiell gemeinnützige natürliche Person) an, so dass verschie-dene, in sich abgrenzbare Dienstmodelle mit weiteren speziellen Voraussetzungen und För-deransätze daran anknüpfen könnten. In Anlehnung an die Diversität der amerikanischen Freiwilligendienstlandschaft593 kommen eine Abgrenzung der Dienstformate nach Lebensab-schnitt, Voll- und Teilzeit, Nebenberuf, Themenbezug etc. sowie eine stärkere Berücksichti-gung der jeweiligen Bedürfnisse der Freiwilligen in Betracht. Insgesamt ist zu beobachten, dass die vorgestellten Freiwilligendienstmodelle allesamt ein hohes Engagementniveau ein-fordern, so muss ein engagierter Bürger sich zumindest 6 Monate lang mindestens 20 Stunden in der Woche engagieren, um einen Freiwilligendienststatus zu erhalten. Eine solche Enga-gementintensität ist für den Großteil der in Vollzeit beruflich tätigen Bürger und auch für die bereits jetzt nebenberuflich engagierten Bürger nur schwer abzuleisten, so dass als Gründe dafür, warum sich nicht (noch) mehr Bürger in den Formaten engagieren, unter anderem Zeitmangel und die zeitliche Unflexibilität der Engagementformen angegeben wurden.594 Mehr als ein Viertel der Bürger wären dazu bereit, ihr Engagement auszubauen oder ein En-gagement aufzunehmen.595 Um dieses Engagementpotential zu heben, bietet sich ein bisher nicht vorhandenes Dienstmodell an, das sich auf die rechtliche Erfassung von dauerhaftem nebenberuflichem Engagement bis zu 20 Stunden in der Woche konzentriert.

593 Siehe Einleitung D. 594 Institut für Demoskopie Allensbach, Motive des bürgerschaftlichen Engagements, Untersuchung im Auftrag

des BMFSFJ, 2013, S. 71. 595 Institut für Demoskopie Allensbach, Motive des bürgerschaftlichen Engagements, Untersuchung im Auftrag

des BMFSFJ, 2013, S. 53.

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Viertes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Pflege-recht

Im Kontext gesellschaftspolitischer Entwicklungen wie denen des demografischen Wandels, der alternden Gesellschaft und des Pflegenotstands wird der Pflegesektor zu einem dauerhaf-ten gesamtgesellschaftlich herausfordernden Aufgabengebiet. Der Staat steht dabei in der Verantwortung, eine Debatte über die Konturen des menschenwürdigen Umgangs mit Pflege-bedürftigen anzustoßen.596 Letztlich ist es seine aus der Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG erwachsende verfassungsrechtliche Pflicht, genau diesen Umgang sicherzustellen und damit die Interessen und Rechte von Per-sonen zu schützen, die hierzu selbst nicht in der Lage sind.597 Somit beschäftigt sich das Pfle-gerecht als Teil des Sozialrechts mit der Absicherung von Sozialstandards und trägt starke verfassungsrechtliche Bezüge in sich. Es ist Spannungsfeld des dynamischen gesellschaftli-chen Diskurses über die Ausprägung des Sozialstaats einerseits und Fragen der Lastenteilung andererseits.598 Der Schwerpunkt des weit verästelten Sozialrechts liegt in den Sozialgesetz-büchern I–XII. Hierbei formuliert das Sozialgesetzbuch XI für die Soziale Pflegeversicherung ein ganzes Fördersystem für nicht erwerbsmäßiges, freiwilliges Pflegeengagement von Ein-zelpersonen, das der Gesetzgeber bewusst in sein System zur Bewältigung des Aufgabenge-bietes eingewoben hat.

A Pflegepersonen und Pflegezeit

Hinsichtlich der Pflegeengagementförderung von Einzelperson sind grundsätzlich der in § 19 SGB XI normierte Status der Pflegeperson und der Anspruch auf Pflegezeit nach dem Pflegezeitgesetz zu unterscheiden. Während über den Status der Pflegeperson in erster Linie eine soziale Sicherung von nicht erwerbsmäßig pflegenden Einzelpersonen in der ge-

596 Kreuzer, Missstände in der Heimpflege – Reform der Pflege und Pflegekontrolle, ZRP 2014, 174 (174 f.);

Isaac-Candeias, Psychisch krank im Alter, Psychotherapeutenjournal 2012, 256; Kreuzer, Prävention von Gewalt gegen Senioren, Bewährungshilfe 57, Heft 1/2010, 88 (88 f.).

597 Diese Schutzpflicht erwächst dem Staat aus dem Untermaßverbot. Das verfassungsrechtliche Untermaßver-bot gibt dem Staat auf, einen wirksamen und angemessenen Mindeststandard von Grundrechtspositionen ins-besondere gegenüber anderen Bürgern zu gewährleisten; obwohl die Grundrechte primär Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat darstellen, darf sich der Staat bei zu intensiven Grundrechtsbeeinträchtigungen der Bürger untereinander nicht untätig bleiben, sondern er hat eine Schutzpflicht gegenüber den beeinträch-tigten Rechtspositionen. Diese Schutzpflicht erwächst ihm aus dem Rechtsstaatsprinzip, seiner Grundrechts-bindung (Art. 1 Abs. 3 GG) und den jeweiligen Rechtspositionen. BVerfG, v. 28.5.1993, 2 BvR 2/90, 4/92, 5/92, BVerfGE 88, 203; Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 410 ff.; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 20 Rn. VIII. 17, II. 126-128.

598 Das Grundgesetz garantiert Freiheits- und Gleichheitsrechte der Bürger und beauftragt den Staat zugleich mit der Gemeinwohlförderung. BVerfG, v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, Fraport, BVerfGE 128, 266; Hillgruber, in: BeckOK GG, 2017, Art. 1 Rn. 51.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018C. Alders, Die partiell gemeinnützige (natürliche) Person, Schriften zum Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20793-9_5

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108 Viertes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Pflegerecht

setzlichen Renten- und Unfallversicherung angestrebt wird,599 beabsichtigt der Anspruch auf Pflegezeit, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf dadurch zu verbessern, dass Beschäftig-ten die Möglichkeit eingeräumt wird, auch in kurzfristig auftretenden Pflegefällen nahe An-gehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen (§ 1 PflegeZG).600

I Statusvoraussetzungen

Pflegeperson ist, wer in häuslicher Umgebung, nicht erwerbsmäßig einen Pflegebedürftigen im Sinne des § 14 SGB XI pflegt (§ 19 Satz 1 SGB XI). Die Statusvoraussetzungen der Pfle-geperson konzentrieren sich somit auf die häusliche Pflegesituation, die Nichterwerbsmäßig-keit und die Pflegetätigkeit.601 Häusliche Pflege bedeutet, dass Pflegebedürftige zur Pflege in ihrem gewohnten Umfeld verbleiben.602 Pflegebedürftig ist eine Person, wenn sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, vo-raussichtlich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höherem Maße Hilfe benötigt (§ 14 Abs. 1 SGB XI).603 Nichterwerbsmäßig pflegt jemand, wenn er entweder die Pflegetä-tigkeit dauerhaft unentgeltlich leistet oder aber zwar ein Arbeitsentgelt erhält, dieses aber das dem Umfang der Pflegetätigkeit entsprechende Pflegegeld im Sinne des § 37 SGB XI nicht übersteigt. Es wird also nicht auf das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses abgestellt, sondern in erster Linie auf den Umfang des Entgelts.604 Das Pflegegeld beläuft sich für 2015 bei Pflegestufe 0 auf monatlich 123 Euro, bei Pflegestufe 1 auf monatlich 244 Euro, bei Pfle-gestufe 2 auf monatlich 458 Euro und bei Pflegestufe 3 auf monatlich 728 Euro.605 Insofern könnte hinterfragt werden, ob das Pflegeengagement unentgeltlich erfolgt. Kern des Merkmals der Unentgeltlichkeit ist die Frage nach der Möglichkeit eines materiellen Hinzu-gewinns durch die Tätigkeit.606 Zwar sind die Pflegegeldbeträge zumindest ab Pflegestufe 2 höher als das Taschengeld der Freiwilligendienste (Bundesfreiwilligendienst, monatlich ma-

599 Pfitzner, in: BeckOK Sozialrecht, SGB XI, 2017, § 19 Rn. 2; Philipp, in: Knick-

rehm/Kreikebohm/Waltermann, SGB VI, 2015, § 19 Rn. 1. 600 BR-Drs. 718/07, v. 19.10.2007, S. 217 ff.; Gallner, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, PflegeZG, 2015,

§ 1 Rn. 1; Böhm, Pflegezeitgesetz, 2012, § 3 Rn. 1. 601 Wagner, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, SGB XI, 2015, § 44 Rn. 6; Pfitz-

ner, in: BeckOK Sozialrecht, SGB XI, 2017, § 19 Rn. 3 ff. 602 Udsching, SGB XI, 2015, § 3 Rn. 3; Linke, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung,

SGB XI, 2017, § 36 Rn. 7. 603 BSG, v. 17.3.2005, B 3 P 2/04 R, NZS 2006, 40 (41); Erhard, in: Blümich, EStG, 2017, § 3 Nr. 36 Rn. 2. 604 Bundessozialgericht, v. 6.6.2002, B 3 P 2/02 R, Abgrenzung erwerbsmäßiger von ehrenamtlicher Pflege,

NZS 2003, 213 (215); Udsching, SGB XI, 2015, § 19 Rn. 10; Pfitzner, in: BeckOK Sozialrecht, SGB XI, 2017, § 19 Rn. 6.

605 Bundesministerium für Gesundheit, Pflegeleistungen ab 1.1.2015, S. 2, http://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/dateien/Downloads/P/Pflegestaerkungsgesetze/Tabellen_Plegeleistungen_BRat_071114.pdf, abgerufen am 27.8.2015.

606 Ausführungen zum Abgrenzungsmerkmal der Unentgeltlichkeit unter 2. Kapitel C.

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A Pflegepersonen und Pflegezeit 109

ximal 363 Euro)607; und die Beträge geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse (bis 450 Euro)608, allerdings decken sie auch die übrigen Bereiche wie Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung mit ab. Daher sind auch nicht die Maßstäbe der Regelbedarfe des Ar-beitslosengeldes II und des Sozialgeldes (399 Euro)609 anzusetzen, sondern diejenigen des soziokulturellen Existenzminimums insgesamt, also Regelbedarfe plus Unterkunft und plus besondere Ausgaben. Im Ergebnis ist die im Rahmen des § 19 SGB XI geleistete Pflegetätig-keit auch bei Weiterreichung des vollen Pflegegeldes an die Pflegeperson als unentgeltlich einzustufen. Zudem ist die Pflege eines Pflegebedürftigen regelmäßig über § 52 Abs. 2 Nr. 4 AO (Förderung von Jugend- und Altenhilfe) einem gemeinnützigen Zweck zuzuordnen, der dann einen qualifizierten Gemeinwohlbezug auslöst.610 Mangels staatlichen Zwangs handeln Pflegepersonen im Rahmen der Pflegetätigkeit zudem freiwillig, sodass die Tätigkeit nach der Sphärentheorie als unmittelbar anzuerkennendes individuelles gemeinnüt-ziges611 Engagement zu qualifizieren ist. Hinzu kommen weitere Förderansätze mit weiteren Voraussetzungen für individuelles Enga-gement im Pflegerecht. So erhalten Beschäftigte einen Freistellungsanspruch gegen den Ar-beitgeber für die Pflege naher Angehöriger in häuslicher Umgebung (§§ 2, 3 PflegeZG). Hin-zu kommen Zeitvorgaben. In der Idealvorstellung des Gesetzgebers pflegt die Pflegeperson wenigstens 14 Stunden wöchentlich (§ 19 Satz 2 SGB XI) und ist daneben nicht mehr als dreißig Stunden erwerbstätig (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XI).612 Je nach Erfüllung der Zeitvor-gaben werden, wie im Folgenden erläutert wird, Leistungen zur sozialen Sicherung und weite-ren Förderung von pflegenden Einzelpersonen gewährt.

607 Die relevante Beitragsbemessungsgrenze beläuft sich seit dem 1.1.2015 auf 72.600 Euro; 6 % von 72.600

Euro sind 4.356 Euro als jährlich angemessenes Taschengeld und 363 Euro als monatlich angemessenes Ta-schengeld. Der Betrag kann zusätzlich zur freien Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung gewährt wer-den; Geldersatzleistungen für Verpflegung, Unterkunft oder Arbeitskleidung gelten nicht als Taschengeld. Zahlen und Tabellen der gesetzlichen Rentenversicherung 1.1.-30.6.2015, http://www.deutsche-rentenversicherung.de/BayernSued/de/Inhalt/ Allgemeines/Pool_BY/ Zah-len_und_Tabellen/ZuT_2015_1.pdf?__blob=publication File&v=4, S. 11, abgerufen am 26.8.2015; Hüb-ner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 2 Rn. 43.

608 § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. 609 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Regelbedarf bei Arbeitslosengeld II/Sozialgeld ab 1.1.2015,

http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Grundsicherung/ Leistungen-zur-Sicherung-des-Lebensunterhaltes/2-teaser-artikelseite-arbeitslosengeld-2-sozialgeld.html, abgerufen am 26.8.2015; § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II; zum Inhalt des Regelbedarfs Breitkreuz, in: BeckOK Sozialrecht, SGB II, 2017, § 20 Rn. 2-5.

610 Die Kriterien, um eine Tätigkeit der Gemeinnützigkeitssphäre zuzuordnen sind neben der Freiwilligkeit und Unentgeltlichkeit einer Tätigkeit, ihr qualifizierter Gemeinwohlbezug; zur Abgrenzung der Gemeinnützig-keitssphäre siehe 2. Kapitel.

611 Die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeitssphäre werden im 2.Kapitel ausführlich erläutert. 612 BSG, v. 28.09.2011, B 12 R 9/10 R, BeckRS 2012, 65776; Pfitzner, in: BeckOK Sozialrecht, SGB XI, 2015,

§ 19 Rn. 4-6; Koch, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB XI, 2015, § 44 Rn. 4.

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110 Viertes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Pflegerecht

II Konkrete Förderung

An dem Status der Pflegeperson und dem Rechtsrahmen der Pflegezeit richtet sich nun die Förderung des individuellen gemeinnützigen Pflegeengagements aus. Für Pflegepersonen, die auf beschriebene Weise in häuslicher Umgebung und nicht erwerbsmäßig pflegen, führt die Pflegekasse Rentenversicherungsbeiträge ab, wenn die Pflegeperson regelmäßig nicht mehr als 30 Wochenstunden erwerbstätig ist (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). Hinzu kommt ein Un-fallversicherungsschutz während bestimmter Pflegetätigkeiten (§ 2 Abs. 1 Nr. 19 SGB VII). Zudem wird Arbeitnehmern ein Freistellungsanspruch für eine Pflegezeit eingeräumt (§ 3 Abs. 1 Satz 1 PflegeZG) und während der Pflegezeit werden Kranken-, Pflege- sowie Arbeitslosenversicherungsschutz garantiert (§§ 44a SGB XI, 26 Abs. 2b SGB III). Deutlich erkennbar ist der Förderwille für Individuen und einen bestimmten Tätigkeitsort: nicht voll erwerbstätige Person, häusliche Pflege.613 In der Zusammenschau ergibt sich für abhängig Beschäftigte die Möglichkeit, eine Auszeit für die Pflege naher Angehöriger zu nehmen, mit der Sicherheit, ununterbrochen unter dem Schutzschirm der Sozialversicherungen (Renten-, Unfall-, Kranken-, Pflege und Arbeitslosenversicherung) zu stehen.

1 Rentenversicherungsschutz

Das Risiko der Erwerbsunfähigkeit wird für Pflegepersonen im Sinne von § 19 SGB XI abge-sichert. Die Pflegekasse leistet Beiträge zur Rentenversicherung für Pflegepersonen, die re-gelmäßig nicht mehr als dreißig Stunden wöchentlich erwerbstätig sind, insoweit, als diese Beiträge aufgrund der Pflegetätigkeit nicht erarbeitet werden können (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XI, § 3 Nr. 1a SGB VI). Die Rentenversicherung nimmt damit Pflegepersonen in ihre Schutzsphäre auf, obwohl sie auf die soziale Absicherung von Arbeitnehmern zugeschnitten ist.614 Arbeitnehmer sind als abhängig Beschäftigte rentenversicherungspflichtig (§ 1 Nr. 1 SGB VI), zahlen monatlich Beiträge und gehen damit gewissermaßen in Vorleistung, bis ihnen Renten wegen Alters oder wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zustehen (§ 33 Abs. 2, 3 SGB VI). Gefolgt wird dem Umlageverfahren. Ausgaben eines Kalenderjahres sind durch die Einnahmen desselben Jahres zu decken.615 Einnahmen sind Mitgliedsbeiträge und steuer-finanzierte Zuschüsse des Bundes, Ausgaben die Rentenzahlungen an die Berechtigten

613 Koch, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB XI, 2015, §

44 Rn. 3; Gallner, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, PflegeZG, 2015, § 1 Rn. 1. 614 Von Koch, in: BeckOK Sozialrecht, SGB VI, 2017, § 1 Rn. 2; Berchtold, in: Knick-

rehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, SGB VI, 2015, § 1 Rn. 1f.; Gürtner, in: Kör-ner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VI, 2015, § 1 Rn. 2.

615 Wehrhahn, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VI, 2015, § 153 Rn. 3; Rische, in: Eichenhofer/Rische/Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung – SGB VI, 2012, S. 961; Schmidt, in: Kreikebohm, SGB VI, 2015, § 153 Rn. 4.

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A Pflegepersonen und Pflegezeit 111

(§ 153 SGB VI).616 Vereinfacht dargestellt, die heutigen Einzahler finanzieren die heutigen Renten. Dahinter steht der Gedanke der generationenübergreifenden Lastenteilung.617 Heute Leistungsfähige leisten heute, in der Hoffnung, dass nachkommende Generationen ihre Ren-ten tragen. Heute Hilfsbedürftige nehmen heute Hilfe in Anspruch, da sie die Renten der vor-herigen Generation getragen haben. Das Solidaritätsverständnis der Sozialversicherungen trägt die Rentenversicherung in besonderer Weise in sich. In dieses System der gesetzlichen Alters- und Erwerbsunfähigkeitsvorsorge werden Pflegepersonen nun auch für den Teil ihrer (privaten) Arbeitskraft eingebunden, den sie zur nicht erwerbsmäßigen, häuslichen Pflege einsetzen. Vergleichbare Gedanken zur Lastenteilung finden sich bei der Pflegeversicherung. Das SGB XI beabsichtigt, die häusliche Pflege durch Angehörige und Bekannte vorrangig zu fördern. Der Anknüpfungspunkt für die Förderung ist der Status als Pflegeperson im Sinne von § 19 SGB XI. Die Pflegekassen melden sie bei der Rentenversicherung an, leisten Beiträ-ge für sie und imitieren damit einen privatwirtschaftlichen Arbeitgeber.618 Insofern stuft der Staat die nicht erwerbsmäßige Pflegetätigkeit als zur abhängigen Beschäftigung gleichwertig ein. Eine Pflegeperson kann trotz verminderter Erwerbstätigkeit auf durchgängige Einzahlung in die Rentenversicherung und im Rentenfall auf Leistungen vertrauen. Somit baut § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XI zumindest Nachteile und Risiken ab, die sich wegen der Pflegetä-tigkeit bei einer Absenkung der erwerbsmäßigen Arbeitszeit rentenversicherungsrechtlich ergeben würden. Dieser Abbau von Nachteilen ist ein aus den Pflegekassen solidarisch finan-zierter Anreiz der nicht erwerbsmäßigen Pflegetätigkeit durch Individuen. Die Setzung des Anreizes ist aktive Strukturvorsorge (Leistungsverwaltung)619, sie rechtfertigt sich nicht nur aus grundrechtlichen Erwägungen, denn Pflegebedürftige bevorzugen meist die Pflege in häuslicher Umgebung,620 sondern stellt sich zugleich als Wahrnehmung der staatlichen Kas-senverantwortung dar, denn häusliche Pflege ist günstiger.621

616 Schmidt, in: Kreikebohm, SGB VI, 2015, § 153 Rn. 4, 6-10; Wehrhahn, in: Körner/Leitherer/Mutschler,

Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB VI, 2015, § 153 Rn. 6-8. 617 Rische, in: Eichenhofer/Rische/Schmähl, Handbuch der gesetzlichen Rentenversicherung –SGB VI, 2012, S.

961 bezeichnet das Umlageverfahren des SGB VI als „Prinzip einer Einkommensverteilung zwischen den Generationen“; Wehrhahn, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungs-recht, SGB VI, 2015, § 153 Rn. 3.

618 Udsching, SGB XI, 2015, § 44 Rn. 2 ff.; Philipp, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, SGB VI, 2015, § 44 Rn. 21.

619 BFH, v. 24.5.2012, III R 68/11, BStBl. II 2013, 864, BFHE 238, 394; Selder, in: Blümich, EStG, 2017, § 32 Rn. 66; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 429.

620 BR-Drs. 718/07, v. 19.10.2007, S. 217; Gallner, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, PflegeZG, 2015, § 3 Rn. 1.

621 BT-Drs. 12/5262, v. 4.9.1993, S. 90. So umfasst der Anspruch auf häusliche Pflegemittel bei der ambulanten Pflege und Pflegestufe I 450 Euro pro Monat (§ 36 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI); bei gleicher Pflegestufe und stati-onärer Pflege beträgt dieser Anspruch 1.023 Euro (§ 43 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI).

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112 Viertes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Pflegerecht

2 Unfallversicherungsschutz

Ergänzend wird Pflegepersonen während der Pflegetätigkeit im Bereich der Körperpflege, der Ernährung, der Mobilität und der hauswirtschaftlichen Versorgung der gesetzliche Unfallver-sicherungsschutz gewährleistet (§ 44 Abs. 1 Satz 6 SGB XI). Dieser sichert im Falle von Ar-beitsunfällen und Berufskrankheiten Ansprüche auf Heilbehandlung und Teilhabe am Arbeits- und Gemeinschaftsleben sowie weitere Leistungen (§§ 2 Abs. 1 Nr. 17, 7 Abs. 1, 26 Abs. 1 SGB VII). Erneut schafft das Sozialrecht die Gleichstellung der nicht erwerbsmäßi-gen Pflegetätigkeit mit einer marktwirtschaftlich organisierten Erwerbstätigkeit als Arbeit-nehmer.622 Das Risiko existenzbedrohender Unfall- und Verletzungsschäden während der Pflegetätigkeit ist durch die staatliche Versicherungsgarantie abgesichert. Auch hierdurch wird individuelles gemeinnütziges Pflegeengagement gefördert.

3 Freistellungsanspruch bei Pflegezeit623

Bei kurzfristig auftretenden Pflegefällen könnte es für arbeitsvertraglich gebundene Beschäf-tigte problematisch sein, die Zustimmung des Arbeitgebers zur Übernahme der Pflegetätigkeit mit entsprechender Arbeitszeitkürzung zu erhalten. Das Pflegezeitgesetz garantiert diese Möglichkeit für voll erwerbstätige Beschäftigte, die nicht einem Kleinunternehmen angehö-ren, bis hin zum Status der Pflegeperson.624 Ziel der Norm ist es, die häusliche Pflege eines nahen Angehörigen mit der eigenen Beschäftigung in Einklang zu bringen.625 Mit der Pflege-zeit geht ein Anspruch auf sechsmonatige (teilweise) Freistellung von der Arbeitsleistung einher, um die Pflege in häuslicher Umgebung leisten zu können (§ 3 PflegeZG). Während-dessen ist der Beschäftigte unkündbar, er hat ein Rückkehrrecht.626 Der Gesetzgeber greift demnach mit dem Instrument der Sozialnorm in bestehende, privatautonom geschlossene Ar-beitsverträge ein und ebnet einen gangbaren Weg, die Arbeitskraft der pflegewilligen Einzel-person temporär in der Familie einzusetzen.

4 Kranken-, Pflege-, Arbeitslosenversicherungsschutz

Bei Personen, die eine Pflegezeit im Sinne von § 3 Abs. 1 PflegeZG wahrnehmen, reduzieren sich, je nach Verringerung der Arbeitszeit, die vom Gehalt abhängigen, arbeitgeberseitig ab-zuführenden Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Diese Differenz in den Versiche-rungsbeiträgen während der Pflegezeit wird auf Antrag durch Zuschüsse der Pflegekassen 622 Philipp, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, SGB VI, 2015, § 44 Rn. 3. 623 Gemeint ist, auch im Folgenden, die Pflegezeit im Sinne des Pflegezeitgesetzes. 624 Böhm, Pflegezeitgesetz, 2012, § 3 Rn. 1. 625 Joussen, in: BeckOK Arbeitsrecht, PflegeZG, 2017, § 3 Rn. 1; Gallner, Erfurter Kommentar zum Arbeits-

recht, PflegeZG, 2015, § 3 Rn. 1. 626 BT-Drs. 16/7439, v. 7.12.2007, S. 91; Landessozialgericht Bayern, v. 25.2.2015, L 2 P 25/13, BeckRS 2015,

68795; Linck, in: Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 2015, § 107 Rn. 30.

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A Pflegepersonen und Pflegezeit 113

ausgeglichen (§ 44a Abs. 1 SGB XI). Außerdem sind pflegende Personen während der Pfle-gezeit nach dem Recht der Arbeitsförderung versichert (Arbeitslosenversicherung, § 44a Abs. 2 SGB XI).

5 Schulungsangebote

Darüber hinaus sind die Pflegekassen verpflichtet, unentgeltliche Schulungen für Angehörige und alle sonstigen Pflegeinteressierten anzubieten (§ 45 SGB XI). Auf diesem Wege sollen nicht nur für die häusliche Pflege erforderliche Fertigkeiten vermittelt und das soziale Enga-gement im Pflegesektor gefördert werden, sondern auch ergänzende Austauschmöglichkeiten geschaffen werden.627 Neben der Qualitätssicherung stehen bei dieser ideellen Förderung die ehrenamtlich tätigen Personen im Vordergrund. Sie finden hier eine Kommunikationsplatt-form zum Austausch über körperliche und seelische Belastungen sowie weitere Themen.628 Teilnehmen können alle Personen, die an ehrenamtlicher Pflegetätigkeit ernsthaft interessiert sind, weder ist der Status als Pflegeperson (§ 19 SGB XI) noch ein konkreter Pflegebezug erforderlich.629 So werden weitere Anlaufstellen und ein unverbindliches Kennenlernen der Tätigkeit sowie der handelnden Personen auf lokaler Ebene sichergestellt.630 Diese gesetzliche Regelung stellt einen breiten Förderansatz für die ehrenamtliche Pflegetätigkeit von Einzel-personen dar und dient als Kontaktmöglichkeit sowie als Bindeglied zwischen Interessierten, Engagierten und Pflegeprojekten. Im Vergleich zu den Freiwilligendiensten und deren Kon-zept einer pädagogischen Begleitung im Sinne von § 4 BFDG mit fachlicher Anleitung, indi-vidueller Begleitung und ständiger Seminararbeit scheint das Schulungsangebot für Pflege-personen hingegen noch ausbaufähig.

6 Steuerprivileg nach § 3 Nr. 36 EStG

Konkrete Beschränkungen, auf welche Art und Weise und in welcher Höhe eine Pflegeperson Zuwendung von der zu pflegenden Person erhalten darf, sieht weder das Sozialgesetzbuch XI noch das Pflegezeitgesetz vor. Anders als bei den Freiwilligendiensten wird auf eine Erwäh-nung von Unterkunft, Verpflegung, Arbeitskleidung sowie eines angemessenen Taschengel-des verzichtet. Allerdings können die Pflegebedürftigen das ihnen von der Pflegekasse nach

627 Koch, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB XI, 2015, §

45 Rn. 2 f.; Udsching, SGB XI, 2015, § 45 Rn. 1 f.; Philipp, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, SGB VI, 2015, § 45 Rn. 1; Udsching, in: Spickhoff, Medizinrecht, SGB XI, 2014, § 45 Rn. 1.

628 Wagner, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, SGB XI 2015, § 45 Rn. 2; Koch, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB XI, 2015, § 45 Rn. 3.

629 Udsching, SGB XI, 2015, § 45 Rn. 3; Koch, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar zum Sozi-alversicherungsrecht, SGB XI, 2015, § 45 Rn. 2 f.; Philipp, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, SGB VI, 2015, § 45 Rn. 3; Udsching, in: Spickhoff, Medizinrecht, SGB XI, 2014, § 45 Rn. 2.

630 Udsching, SGB XI, 2015, § 45 Rn. 3 f.

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114 Viertes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Pflegerecht

§ 3 Nr. 1 EStG steuerfrei geleistete Pflegegeld als finanzielle Anerkennung des Engagements an sie pflegende Personen nach § 3 Nr. 36 EStG steuerfrei weiterreichen.631 Pflegende Perso-nen dürfen dabei nur Angehörige oder andere Personen sein, die mit der Pflege eine sittliche Pflicht im Sinne von § 33 Abs. 2 EStG erfüllen. Die Personen müssen die Zuwendungen für ihre an der jeweiligen Pflegestufe ausgerichteten Tätigkeit zur Grundpflege und hauswirt-schaftlichen Versorgung des Pflegebedürftigen erhalten, denn konkret hierfür wird das Pfle-gegeld gewährt (§ 3 Nr. 36 Satz 1 EStG, § 14 Abs. 4 SGB XI).632 Es beläuft sich bei Pflege-stufe 0 auf monatlich 120 Euro, bei Pflegestufe 1 auf monatlich 235 Euro, bei Pflegestufe 2 auf monatlich 440 Euro und bei Pflegestufe 3 auf monatlich 700 Euro. Insofern könnte ange-zweifelt werden, dass das Pflegeengagement unentgeltlich (im Sinne der Sphärentheorie633) erfolgt. Kern des Merkmals der Unentgeltlichkeit ist die Frage nach der Möglichkeit eines materiellen Hinzugewinns. Zwar sind die Pflegegeldbeträge zumindest ab Pflegestufe 2 höher als das Taschengeld der Freiwilligendienste (Bundesfreiwilligendienst monatlich 363 Euro)634, allerdings decken diese auch die übrigen Bereiche wie Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung mit ab. Daher sind auch nicht die Maßstäbe der Regelbedarfe des Ar-beitslosengeldes II und des Sozialgeldes (399 Euro)635 anzusetzen, sondern diejenigen des soziokulturellen Existenzminimums insgesamt, also Regelbedarfe plus Unterkunft und plus besondere Ausgaben. Insofern erfüllt ein in diesem Rahmen geleistetes Pflegeengagement die Anforderungen der Gemeinnützigkeitssphäre.

7 Fazit Förderkonzept

Die dargestellte Anreizsystematik bietet der pflegewilligen Einzelperson einen rechtssicheren Weg, ihre Angehörigen im Pflegefall kurzfristig selbst zu pflegen. Auf diesem Weg sind kei-ne sozialversicherungsrechtlichen Nachteile zu erwarten. Es bestehen gar Schulungs- und Austauschmöglichkeiten für die Engagierten. Auch wenn kein Anspruch (gegen den Staat) auf Weiterzahlung des Gehalts aus der Erwerbstätigkeit besteht, kann der Pflegebedürftige das Pflegegeld zumindest ohne Steuerabzug an den Pflegenden weiterreichen.636 Dennoch scheinen die Förderansätze unkoordiniert gewachsen zu sein. Der Renten- und Unfallversi-

631 BT-Drs., 16/7439, v. 7.12.2007, S. 59. Die Zuwendung an den Pflegebedürftigen ist gemäß § 3 Nr. 1 EStG

steuerfrei. Die Zuwendung des Pflegegeldes vom Pflegebedürftigen an pflegende Angehörige ist gemäß § 3 Nr. 36 EStG steuerfrei, allerdings kann in letzterem Fall der Pflege-Pauschbetrag gemäß § 33 b Abs. 6 EStG nicht mehr in Anspruch genommen werden.

632 Bundessozialgericht, v. 15.7.2009, 3 P 17 /09, BeckRS 2009, 68873, Erhard, in: Blümich, EStG, 2017, § 3 Nr. 36 Rn. 2.

633 Zur Abgrenzung der Gemeinnützigkeitssphäre siehe 2. Kapitel. 634 § 2 Nr. 4 BFDG. 635 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Regelbedarf bei Arbeitslosengeld II/Sozialgeld ab 1.1.2015,

http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Grundsicherung/Leistungen-zur-Sicherung-des-Lebensunterhaltes.html, abgerufen am 26.8.2015; § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II; zum Inhalt des Regelbedarfs Breitkreuz, in: BeckOK Sozialrecht, SGB II, 2017, § 20 Rn. 2-5.

636 BT-Drs. 16/7439, v. 7.12.2007, S. 59.

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A Pflegepersonen und Pflegezeit 115

cherungsschutz (§ 44 SGB XI) knüpft an den Status der Pflegeperson nach § 19 SGB XI an, das Pflegezeitgesetz samt Freistellungsanspruch und Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenver-sicherungsschutz (§ 44a SGB XI, § 3 PflegeZG) richtet sich an Beschäftigte, gilt aber nur bei zu pflegenden nahen Angehörigen. In § 3 Nr. 36 EStG wird der Begriff der nahen Angehöri-gen erweitert um Personen, die eine sittliche Pflicht zur Pflege des Pflegebedürftigen verspü-ren (dürfen). An dieser Stelle scheinen mehr Einheitlichkeit bei den Statusgrundvoraussetzun-gen und klar abgestufte Differenzierungen samt jeweils eigenständiger Rechtfertigung für alle weitergehenden Förderansätze möglich. Dabei könnte ein Status der partiell gemeinnützigen Person weiterhelfen, der Grundanforderungen eines rechtsformunabhängigen Gemeinnützig-keitsstatus zusammenfasst und an den weitere spezielle Engagementformate mit eigenen Vo-raussetzungen anknüpfen könnten.

III Systemkohärenz

Für die Kohärenz eines gesetzlichen Subsystems der Engagementförderung, wie jenem der individuellen Gemeinnützigkeit im Pflegerecht, ist hingegen nicht nur die Unterscheidung zwischen Statusvoraussetzungen und Förderansätzen relevant, sondern vor allem die struktu-relle Eingliederung in das Gesamtkonzept der Gemeinwohlförderung. Hierfür müsste es ei-nem aus dem Grundgesetz ableitbaren Ziel folgen, effektive Strukturen zur Zielerreichung vorweisen, eine unabhängige Kontrollinstanz bestimmen und die Lasten gemeinwohlgerecht verteilen (verfassungsrechtliche Rechtfertigung).637

1 Ziel

Die im Sozialgesetzbuch XI geregelte Soziale Pflegeversicherung ist ein Zweig im Bündel der gesetzlichen Sozialversicherungen. Ihr Ziel ist es, das Risiko der Pflegebedürftigkeit insoweit abzusichern, als ein jeder Versicherter im Pflegefall Leistungen aus der Pflegekasse erhält, die vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund des Menschwürdegebots (Art 1 Abs. 1 GG), der Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG) und des Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) eine menschenwürdige Pflegesituation ermögli-chen. In diese Zielformulierung reiht sich das Pflegezeitgesetz ein, indem es die Vereinbarkeit von Beruf und familiärer Pflege dadurch zu stärken beabsichtigt, dass Beschäftigten die Mög-lichkeit eröffnet wird, pflegebedürftige Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen. Das Regelungsprogramm beider Gesetze, des Sozialgesetzbuches XI und des Pflegezeitgesetzes, ergeben ein nun strukturell zu untersuchendes Förderkonzept für individuelles gemeinnütziges Pflegeengagement. Bei der Strukturplanung, wie das genannte Ziel erreicht werden soll, kommt dem Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum zu.

637 Zum Maßstab der Systemkohärenz 2. Kapitel D.

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116 Viertes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Pflegerecht

2 Strukturen zur Zielerreichung

Für die Zielerreichung wurde zunächst das Prinzip des Vorrangs der häuslichen Pflege (§ 3 SGB XI) bestimmt. Leistungen der Pflegeversicherung für eine stationäre Pflege in pro-fessionellen Pflegeeinrichtungen sollen erst greifen, wenn die ambulante häusliche Pflege und die Pflegebereitschaft der Angehörigen und Nachbarn an ihre Grenzen stoßen.638 Diese Pflege in gewohnter häuslicher Umgebung entspricht häufig dem Anliegen der Pflegebedürftigen und ist für die staatlichen Pflegekassen kostengünstiger.639 Hier sieht der Gesetzgeber zu för-dernde Versorgungsstrukturen, die primär von Familie, Bekanntenkreis und Nachbarschaft getragen werden. Je mehr Pflege in der Privatsphäre erfolgt, desto weniger Leistungen sind aus den solidarisch finanzierten öffentlichen Pflegekassen beizutragen.640 Die Leistungen der Pflegekasse unterscheiden sich bei einer Pflege in häuslicher Umgebung oder in professionel-len Einrichtungen.641 Daher fördert das Sozialgesetzbuch XI häusliches Pflegeengagement. Die verwendeten Begrifflichkeiten deuten vor allem auf die Förderung von Einzelpersonen hin: Pflegepersonen (§ 19 SGB XI), Beschäftigte (§ 44a SGB XI), ehrenamtliche Betreuungs-personen (§ 45c SGB XI). Zudem ist die Förderung niedrigschwelliger Betreuungsangebote und innovativer Modelle gesetzlich festgeschrieben, bei denen Einzelpersonen sich nicht nur ehrenamtlich engagieren, sondern selbst als Rechtsträger fungieren können. Es sind Förder-mittel für engagierte Personen vorgesehen, die Pflegebedürftige und deren Angehörige be-treuen und entlasten (§ 45d Abs. 1 SGB XI).642 Dem Gesetzgeber scheint vor allem individu-elles gemeinnütziges Engagement in dem gesamtgesellschaftlichen Problembereich des Pfle-gesektors förderungswürdig. In diesem Kontext wird die Pflegeperson als Bezugspunkt des staatlichen Förderwillens besonders relevant. Das in jenem Rahmen geleistete Engagement geht von Individuen aus, erfolgt unentgeltlich, freiwillig sowie mit qualifiziertem Gemein-wohlbezug (Pflege als Unterfall des steuerbegünstigten Zwecks der Altenhilfe nach § 52 Abs. 2 Nr. 4 AO)643 und ist folglich strukturell der Gemeinnützigkeitssphäre als belas-tungsarmes Instrument der Gemeinwohlförderung zuzuordnen.

638 Stichwort „vorrangig (die häusliche Pflege)“ in § 3 SGB XI, SG Dortmund, v. 12.3.2010, S 39 KN 98/08 P;

Koch, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB XI, 2015, § 3 Rn. 2.

639 BR-Drs. 718/07, v. 19.10.2007, S. 217; BT-Drs. 12/5262, v. 24.6.1993, S. 90; Gallner, Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, PflegeZG, 2015, § 3 Rn. 1.

640 Pfitzner, in: BeckOK Sozialrecht, SGB XI, 2017, § 3 Rn. 1; Udsching, SGB XI, 2015, Einleitung Rn. 6 f. 641 So umfasst der Anspruch auf häusliche Pflegemittel bei der ambulanten Pflege und Pflegestufe I 450 Euro

pro Monat (§ 36 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI); bei gleicher Pflegestufe und stationärer Pflege beträgt dieser An-spruch 1.023 Euro (§ 43 Abs. 2 Nr. 1 SGB XI); Udsching, SGB XI, 2015, § 3 Rn. 2.

642 BT-Drs. 18/1798, v. 23.6.2014, S. 37 f. Stichworte „Alltagsbegleiter“, „Pflegebegleiter“; Koch, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB XI, 2015, § 45c Rn. 8.

643 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 52 Rn. 41; Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 52 Rn 19; BR-Drs. 418/99, v. 9.7.1999, S. 16; Begriff der Altenhilfe in § 75 BSHG erläutert.

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A Pflegepersonen und Pflegezeit 117

Die Kosten eines menschenwürdigen Pflegestandards innerhalb der Gemeinschaft werden aus den Pflegekassen644 entrichtet, die (in der Regel) als Körperschaften des öffentlichen Rechts staatliche Institutionen und Rechtsträger der Pflegeversicherungen sind (§ 46 Abs. 1, 2 SGB XI).645 Sie verwalten das Sondervermögen, welches sich aus einkommensabhängigen Beiträgen der Versicherten und Arbeitgeber sowie steuerfinanzierten Staatszuschüssen bildet (§ 1 Abs. 6 SGB XI).646 So wird gemeinsam ein Betrag angesammelt, der eine menschenwür-dige Pflege jedes Versicherten im Pflegefall gewährleistet. Die individuelle Freiheit, über Einkommen selbstbestimmt zu verfügen, wird gesetzlich zwingend zugunsten von Sozialstan-dards beschränkt.647 Leistungsfähige leisten, Hilfsbedürftige empfangen.648 Der Schutzschirm der Pflegeversicherung wird kraft Gesetzes über alle gespannt, die gesetzlich krankenversi-chert sind (§ 1 Abs. 2, Abs. 6 SGB XI);649 und für alle Personen mit Wohnsitz in Deutschland besteht nach § 193 Abs. 3 VVG eine allgemeine Krankenversicherungspflicht. Damit besteht ein strukturell kohärentes System zur Erfassung und Gewährleistung eines menschenwürdi-gen Pflegestandards. Individuelles gemeinnütziges Engagement in der häuslichen Pflege ist dabei ein für die Allgemeinheit besonders belastungsarmes und damit freiheitsschonendes Instrument der Gemeinwohlförderung.

3 Unabhängige Prüfinstanz

Im Auftrag der Pflegekasse prüft der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK), ebenfalls eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts, im Wohnbereich des Pflegebe-dürftigen, welche Stufe der Pflegebedürftigkeit über welche Dauer vorliegt (§§ 14, 15, 18 SGB XI, Art. 73 Abs. 4 Satz 3 GRG).650 In zugelassenen Pflegeeinrichtungen finden ge-mäß § 114 Abs. 2 SGB XI jährliche Regelprüfungen statt, die auf Wirksamkeit der Pflege-maßnahmen achten (Ergebnisqualität) sowie auf die Durchführung und die Rahmenbedingun-gen der Leistungserbringung (Prozess- und Strukturqualität).651 Die Prüfung erfolgt im We-sentlichen durch unabhängige Ärzte, die hierbei nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen

644 Aus Vereinfachungsgründen wird die Darstellung auf die gesetzlichen Pflegekassen reduziert. 645 BT-Drs. 12/5262, v. 24.6.1993, S. 117; Peters, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB

XI, 2015, § 46 Rn. 1; Baier, in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, SGB XI, 2015, § 46 Rn. 10.

646 Baumeister, in: BeckOK Sozialrecht, SGB XI, 2017, § 54 Rn. 1; Zusammenschau aus §§ 54, 55, 58 SGB XI. 647 Durch die gesetzlich verpflichtende Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen: für die Krankenversiche-

rung nach § 5 SGB V, für die Pflegeversicherung nach §§ 20 f. SGB XI, für die Rentenversicherung nach §§ 1 f. SGB VI, für die Arbeitslosenversicherung nach §§ 25 ff. SGB III, für die Unfallversicherung nach § 2 SGB VII.

648 Pfitzner, in: BeckOK Sozialrecht, SGB XI, 2017, § 1 Rn. 2; 649 Aus Vereinfachungsgründen wird die Möglichkeit der privaten Versicherung nicht behandelt. Pfitzner, in:

BeckOK Sozialrecht, SGB XI, 2017, § 1 Rn. 9. 650 Koch, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB XI, 2015,

§ 15 Rn. 2, §18 Rn. 2; BT-Drs. 12/5262, v. 24.6.1993, S. 99; Udsching, SGB XI, 2015, § 15 Rn. 2. 651 BT-Drs. 16/7439, v. 7.12.2007, S. 87; Leitherer, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar zum

Sozialversicherungsrecht, SGB XI, 2015, § 114 Rn. 2.

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118 Viertes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Pflegerecht

sind (§ 18 Abs. 7 Satz 1 SGB XI, § 275 Abs. 5 Satz 1 SGB V).652 Über § 18 Abs. 1 Satz 3 SGB XI gilt der Grundsatz des Vorrangs der medizinischen Rehabilitation, nach dem die Ärz-te auch begutachten müssen, in welchem Umfang Maßnahmen zur Beseitigung, Minderung oder Verhütung einer Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit geeignet, notwendig und zu-mutbar sind. Der Pflegebedürftige oder die Pflegeperson muss die tatsächliche Leistungser-bringung der Pflegetätigkeit auf Verlangen glaubhaft machen können (§ 44 Abs. 1 Satz 4 SGB XI).653 Je nach Begutachtung gewährt die Pflegekasse Geld- und Sachleistungen für häusliche oder stationäre Pflege.654 Zur Erfüllung dieser Aufgabe ist bis auf wenige Aus-nahmen eine medizinische Untersuchung am Patienten erforderlich.655 Durch diese regelmä-ßige Prüfung der Pflegebedürftigkeit sowie der Pflegequalität und die Beratung von Pflege-einrichtungen durch unabhängige, an dem konkreten Pflegefall bislang nicht beteiligte Ärzte, die im Auftrag einer eigenständigen Körperschaft des öffentlichen Rechts begutachten, liegt eine den Prüfungsmaßstab der Systemkohärenz erfüllende unabhängige Prüfinstanz und Bera-tungsstelle vor.

4 Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

Der Verfassungsgeber hat entschieden, ein Recht auf menschenwürdige Pflege im Staatsge-biet der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten.656 Dem Gesetzgeber kommt sodann die ständige Aufgabe zu, den unbestimmten Rechtsbegriff der Menschenwürde im konkreten Kontext zu fassen und über konkrete Regelungen aktuelle Sozialstandards zu setzen. Er hat ein System zu entwerfen, mit dem die flächendeckende Erreichung der gesetzten Standards gesichert ist. Dieses System muss Sozialstandards, individuelle Freiheitsrechte aller Beteilig-ten und die Lastentragung verfassungsrechtlich unbedenklich ausbalancieren.657

652 Pfitzner, in: BeckOK Sozialrecht, SGB XI, 2017, § 18 Rn. 3; Heberlein, in: BeckOK Sozialrecht, SGB V,

2017, § 275 Rn. 110-123; Maßstab des ärztlichen Gewissen ist § 1 Abs. 1 Bundesärzteordnung: „Der Arzt dient der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes“.

653 Philipp, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, SGB VI, 2015, § 44 Rn. 12. 654 Udsching, SGB XI, 2015, § 18 Rn. 3; Philipp, in: Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, SGB VI, 2015, § 28

Rn. 7. 655 Pfitzner, in: BeckOK Sozialrecht, SGB XI, 2017, § 18 Rn. 8; Gebhardt, in: Krauskopf, Soziale Krankenver-

sicherung, Pflegeversicherung, SGB XI, § 18 Rn. 9 f. 656 Hergeleitet wird das Grundrecht auf menschwürdige Pflege aus der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), den

Grundrechten auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG) und dem Sozial-staatsprinzip (Art 20 Abs. 1 GG); die Gewährleistung einer menschenwürdigen Pflegesituation gilt als Teil des staatlichen Schutzauftrages, Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein im Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland sicherzustellen. Vgl. BVerfG, v. 9.2.2010, 1 BvL 1, 3, 4/09, BVerfGE 125, 175; v. 18.7.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, BVerfGE 132, 134; v. 18.6.1975, 1 BvL 4/74, BVerfGE 40, 121; v. 25.2.1975, 1 BvF 1/74, BVerfGE 39, 1; v. 19.12.1951, 1 BvR 220/51, BVerfGE 1, 97.

657 Diese und weitere folgende, als Behauptungen anmutende Ausführungen rekurrieren auf den in der Einlei-tung angedeuteten eigenen Ansatz des Verfassers, die Gemeinnützigkeit als Instrument der Gemeinwohlför-derung im Rahmen eines abgestuften Konkretisierungsprozesses des Gemeinwohls zu verstehen und einzu-ordnen (Stufe 1: Verfassung, Stufe 2: verfassungskonformes Handeln des Staates, Stufe 3: rechtskonformes Handeln der Bürger).

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A Pflegepersonen und Pflegezeit 119

Nach dem derzeitigen Pflegesystem trägt die gemeinschaftlich finanzierte Pflegeversicherung einen Teil der Last über Leistungen an die Pflegebedürftigen.658 Abseits der Leistungen sind es zu einem Großteil die Familie und die Nachbarn, welche die Lasten der garantierten men-schenwürdigen Pflegesituation tragen. Durch die Entscheidung für ein bestimmtes System übernimmt der Gesetzgeber auch eine Verantwortung für eine grundsätzliche Systemfunktio-nalität, die er durch planvolles Handeln in festgelegten Strukturen sicherzustellen hat. Das System der Pflegeversicherung an sich ist ein recht einfacher Rechnungsvorgang, der Einzah-lungen und Auszahlungen nach bestimmten Regularien berücksichtigt. Dieses Teilsystem erlaubt es, Anpassungen vorzunehmen und die Funktionalität über eine Herabsetzung der Leistungen oder Beitragsänderungen sicherzustellen. Jedoch basiert das System auch auf dem freiwilligen Engagement von Familie, Nachbarn und ehrenamtlich Engagierten (Einzelperso-nen). Durch das Element der Freiwilligkeit als bewusste Schonung der Freiheitsrechte aller Bürger wird ein wenig abschätzbarer Graubereich geschaffen. Er basiert auf Hoffnung und Vertrauen, der Hoffnung und dem Vertrauen des Staates in individuelles gemeinnütziges En-gagement. Wenn das Engagement entfiele, wäre das System, ceteris paribus, unter gleichen Pflegestandards und gleichen Beiträgen auf Dauer finanziell überlastet und funktionsunfä-hig.659 Insofern ist fraglich, ob der Staat freiwilliges Engagement seiner Bürger überhaupt derart zentral in ein System zur Erfüllung seines Verfassungsauftrages einbeziehen darf. Denn das Engagement trägt seinem Wesen nach nicht planbare Risiken in sich, deren Eintreffen den Staat in die missliche Lage bringen kann, dass er durch ein funktionsunfähiges System seinen Verfassungsauftrag gefährdet. So wäre die Pflegekasse schon heute offensichtlich nicht in der Lage, allen Pflegebedürftigen Leistungen zur stationären Pflegeversorgung zu gewähren. Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass kein System eine umfassende Funktionsfähigkeit garan-tiert. Auch in einem rein staatlich organisierten Pflegesystem kann eine Leistungsunfähigkeit auftreten. Zudem wäre es kostenintensiver und würde für die nicht pflegebedürftigen Bürger weitere Einschränkungen ihrer Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) aufgrund höherer Bei-trags- und Steuerpflichten bedeuten. Das Dilemma des Staates ist sein Verfassungsauftrag. Er ist nicht nur damit beauftragt, eine flächendeckende menschenwürdige Pflegesituation herzu-stellen, sondern muss zugleich die Freiheitsrechte der Bürger möglichst wenig einschränken und weitgehend schützen.660 Er muss die Interessenkreise abwägen und eine Interessenaus- 658 Vorrang der häuslichen Pflege, erst wenn hier die Ressourcen erschöpft sind, Übergang in stationäre Pflege

(§ 3 SGB XI). Pfitzner, in: BeckOK Sozialrecht, SGB XI, 2017, § 3 Rn. 1; SG Dortmund, v. 12.3.2010, S 39 KN 98/08 P; Koch, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB XI, 2015, § 3 Rn. 2.

659 Neben den 760.000 Beschäftigten in Pflegediensten und Pflegeheimen gab es 2005 1,2 Millionen pflegende Angehörige, BT-Drs. 17/3815, v. 17.11.2010, Altenbericht, S. 190.

660 Dieser Verfassungsauftrag aus der Gewährleistung von bestimmten Sozialstandards bei gleichzeitig mög-lichst minimalen Einschränkungen bei den Grundrechtsträgern, stellt sich für den ausschließlich gemeinwohl-fördernden Staat als Dilemma dar. Vgl. BVerfG, v. 9.2.2010, 1 BvL 1, 3, 4/09, BVerfGE 125, 175; v.

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120 Viertes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Pflegerecht

gleichsentscheidung treffen. Insofern ist das freiwillige Engagement ein belastungsarmes In-strument der Konfliktlösung und Gemeinwohlförderung, das zudem von den Pflegebedürfti-gen selbst, auf deren Bedürfnisse es bei der Diskussion über eine menschwürdige Pflegesitua-tion maßgeblich ankommt, gewünscht wird.661 Der Staat konkretisiert die Menschenwürde über Pflegestandards in den Sozialgesetzbüchern und verteilt die Lasten auf die Gemein-schaft. Er kann die Lasten per Zwang einfordern oder Strukturen zur freiwilligen Lastentra-gung vorsehen, sodass ein System auch grundlegend auf freiwilliges Engagement ausgerichtet sein kann. Sofern es nicht funktioniert, hat der Staat die Möglichkeit, aus seiner „subsidiären Wächterrolle“ hervorzutreten, die Ausgabenseite zu kürzen oder die Einnahmenseite zu erhö-hen, also entweder Standards zu senken oder Pflichten zu erhöhen.

a Streitbare Verfassungswerte

Verfassungsrechtlich problematisch sind vor allem der Freistellungsanspruch und die Absi-cherung der Engagierten über die Sozialversicherung. Sie beeinträchtigen die Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) der Arbeitgeber und den Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Fraglich ist, ob diese staatlichen Grundrechtseingriffe durch das Ziel des Systems (Gewährleistung einer menschenwürdigen Pflegesituation) sachlich zu rechtfertigen sind.662 Die Bundesrepublik Deutschland versteht sich als sozialer Staat (Artikel 20 Abs. 1, 79 Abs. 3, 28 Abs. 1 GG). Diese alle Gewalten bindende Leitlinie beinhaltet die Pflicht, Staat und Ge-sellschaft in eine gerechte Sozialordnung zu entwickeln.663 Auch wenn für konkret zu bean-spruchende Handlungspflichten des Staates durch Spielräume und kollidierende Rechtsgüter wenig Platz bleibt, wird den Bürgern ein menschenwürdiges Dasein unbedingt verfassungs-rechtlich gewährleistet.664 Der Sozialstaatsbegriff hat insofern dynamischen Inhalt, eine ge-wisse Konturlosigkeit scheint gar inhärent, doch selbst bei restriktiver Auslegung fällt die Strukturvorsorge in den Kernbereich der hieraus abzuleitenden Staatsaufgaben. Strukturvor-

18.7.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, BVerfGE 132, 134; v. 18.6.1975, 1 BvL 4/74, BVerfGE 40, 121; v. 25.2.1975, 1 BvF 1/74, BVerfGE 39, 1; v. 19.12.1951, 1 BvR 220/51, BVerfGE 1, 97.

661 BT-Drs. 12/5262, v. 24.6.1993, S. 90; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversiche-rung, SGB XI, § 3 Rn. 3 f.

662 Der über Art 1 Abs. 1 GG garantierte Menschwürdegehalt ist weder disponibel noch einschränkbar; er ist keiner Abwägung zugänglich (BVerfG, v. 3.6.1987, 1 BvR 313/85, BVerfGE 75, 369. Vorliegend soll hin-gegen nicht die Menschwürde mit anderen Verfassungswerten abgewogen werden, sondern der Frage nach-gegangen werden, ob die vom Gesetzgeber zur Verfolgung des Ziels eines flächendeckenden menschenwür-digen Pflegestandards gesetzten Strukturen kohärent und verfassungsrechtlich unbedenklich sind. Hierzu be-darf es einer Diskussion aller betroffenen Verfassungsprinzipien.

663 BVerfG, v. 30.06.2009, 2BvE2/08, NJW 2009, 2267 (2275); v. 29.5.1990, 1 BvL 20/84, NJW 1990, 2869 (2870); v. 19.12.1951, 1 BvR 220/51, BVerfGE 1/97; Huster/Rux, in: BeckOK GG, 2017, Art. 20 Rn. 209.

664 BVerfG, v. 30.06.2009, 2BvE2/08, NJW 2009, 2267 (2275); v. 29.5.1990, 1 BvL 20/84, NJW 1990, 2869 (2870); v. 3.12.1969, 1 BvR 624/56, BVerfGE 27, 253; Huster/Rux, in: BeckOK GG, 2017, Art. 20 Rn. 209.

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A Pflegepersonen und Pflegezeit 121

sorge meint aktive Strukturpolitik, welche die Gesellschaft als Ganzes im Rahmen der Verfas-sung planvoll organisiert und kohärente Regelungssysteme (zur Zielerreichung) schafft. Aus-gangspunkt ist ein Bewusstsein dafür, dass die Gemeinschaft insgesamt (Allgemeinheit) von den gemeinwohlverpflichteten staatlichen Gewalten aktiv in die verfassungsrechtlich vorge-gebenen Zustände zu entwickeln ist. Die Gewährleistung einer menschenwürdigen Pflege ist einer dieser Zustände, verfassungsrechtlich wird sie jedem Pflegebedürftigen über die Grund-rechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG) in Verbin-dung mit der Menschwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) garantiert.665 Dem Staat kommt eine Schutz-pflicht666 zu, die er in Form von Leistungen und Ansprüchen der Pflegebedürftigen im Sozial-gesetzbuch (SGB) wahrnimmt. Aufgabe des Sozialgesetzbuches ist die Entwicklung von So-zialleistungen zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit (§ 1 Abs. 1 Satz 1 SGB I). Das Risiko der Pflegebedürftigkeit wird über die Pflegeversicherung aufgefan-gen. Sie hat die Funktion, Pflegebedürftigen zu helfen, die wegen der Schwere ihrer Pflege-bedürftigkeit auf solidarische Unterstützung angewiesen sind (§ 1 SGB XI). In diesem Kon-text formuliert das Sozialgesetzbuch XI, wie dargestellt, ein feines Netz an Förderbestimmun-gen für gemeinnütziges Engagement (von Einzelpersonen) im Pflegebereich samt Freistel-lungsanspruch und sozialversicherungsrechtlicher Gleichstellung. Diese Förderansätze be-schränken allerdings die Grundrechte anderer Beteiligter.

b Funktionsweise der Sozialsysteme

Mit der Gewährleistung von Sozialstandards zieht der Staat Lasten auf sich. Es ist dann seine Aufgabe, diese Lasten zwischen öffentlicher Gemeinschaft, privater Gemeinschaft und Indi-viduen, auch generationenübergreifend, zu verteilen. Die Lastentragung kann per Zwang ein-gefordert oder Strukturen zur freiwilligen Lastentragung vorgesehen werden. Per Zwang etwa durch Steuerpflicht oder Dienstpflicht, wodurch wiederum die individuelle Freiheit der Ver-pflichteten eingeschränkt wird, oder freiwillig durch Geld- oder Zeitspende. Das Pflegesystem

665 Vgl. BVerfG, v. 9.2.2010, 1 BvL 1, 3, 4/09, BVerfGE 125, 175; v. 18.7.2012, 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11,

BVerfGE 132, 134; v. 18.6.1975, 1 BvL 4/74, BVerfGE 40, 121; v. 25.2.1975, 1 BvF 1/74, BVerfGE 39, 1; v. 19.12.1951, 1 BvR 220/51, BVerGE 1, 97; Schlüter, Grundrechtsbeschränkung für Pflegebedürftige, ZRP 2004, S. 75 (77).

666 Diese Schutzpflicht erwächst dem Staat aus dem Untermaßverbot. Das verfassungsrechtliche Untermaßver-bot gibt dem Staat auf, einen wirksamen und angemessenen Mindeststandard von Grundrechtspositionen ins-besondere gegenüber anderen Bürgern zu gewährleisten; obwohl die Grundrechte primär Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat darstellen, darf sich der Staat bei zu intensiven Grundrechtsbeeinträchtigungen der Bürger untereinander nicht untätig bleiben, sondern er hat eine Schutzpflicht gegenüber den beeinträch-tigten Rechtspositionen. Diese Schutzpflicht erwächst ihm aus dem Rechtsstaatsprinzip, seiner Grundrechts-bindung (Art. 1 Abs. 3 GG) und den jeweiligen Rechtspositionen. BVerfG, v. 28.5.1993, 2 BvR 2/90, 4/92, 5/92, BVerfGE 88, 203; Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 410 ff.; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 20 VII. Rn. 126 ff.

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122 Viertes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Pflegerecht

basiert im Kern auf Beitragspflichten und freiwilligen Zeitspenden.667 Bliebe nun das freiwil-lige Engagement aus, könnte das systembedingt zu höherem Budgetbedarf der Pflegekassen führen, der wiederum über Rücklagen vorangegangener Generationen, höhere Beiträge der jetzigen Generation oder Erträge kommender Generationen (Schulden) auszugleichen wäre. Hier offenbart sich der Nukleus der auf breiten Schultern solidarisch getragenen, verfassungs-rechtlich verankerten Sozialsysteme. Dies nicht nur innerhalb der eigenen Generation, son-dern auch generationenübergreifend. An diesem Punkt werden die Weichen für das gewähr-leistete Maß an individueller Freiheit gestellt, wenn es darum geht, wer konkret die Belastung per Zwang oder freiwillig trägt. Ist ein System stark auf Freiwilligkeit und mehr individuelle Freiheit ausgerichtet, bedarf es belastbarer familiärer und gemeinnütziger (ehrenamtlicher) Strukturen. Sie vereinen freiwilliges Engagement zu hierfür definierten öffentlichen Aufgaben und sind vom Gesetzgeber im Rahmen seiner Strukturvorsorgepflicht aktiv zu stärken. Wenn die gemeinnützigen Kräfte den angestrebten Pflegestandard im Einzelfall oder allgemein nicht gewährleisten können, muss der Staat eingreifen und in Erfüllung seiner Schutzpflicht die Menschenwürde des Pflegebedürftigen (über die stationäre Pflege) sichern. Der Staat stellt sich bewusst im Sinne des Subsidiaritätsprinzips668 in die zweite Reihe, gibt Verantwortung ab und ruft die Realisierung einer menschenwürdigen Pflege als Gemeinschaftsaufgabe aus. Die Menschenwürde wird durch den Staat als nur dem Gemeinwohl verpflichtete Instanz ge-währleistet und konkretisiert, die Gemeinschaft oder das Volk als Souverän aber soll den Zu-stand primär selbst herstellen und Verantwortung übernehmen. Wenn der Gesetzgeber nun derartiges Engagement systematisch zulässt, um öffentliche Aufgaben zu erfüllen, dann kommt dem Bürger bei der Übernahme dieser Verantwortung eine Konkretisierungsmacht zu, welche er aber nur im Lichtkegel der staatlichen Konkretisierungsentscheidung (qualifizierter Gemeinwohlbezug)669 wahrnehmen darf. Mit der Verantwortung gehen ein Spielraum und eine Kompetenz zur Konkretisierung des Gemeinwohls einher. Beides ergibt sich bereits de lege lata daraus, dass der Gesetzgeber gemeinnütziges Engagement von seinen Bürgern im konkreten Fall anerkennt, selbst hingegen nur sehr weite Themenbereiche (beispielsweise gemeinnützige Zwecke des § 52 Abs. 2 AO) zur Konkretisierung durch gemeinnütziges En-gagement freigibt. Mit vorherigen konkret-individuellen Regeln für jede denkbare Engage-mentsituation wäre der Gesetzgeber in seiner Funktionsfähigkeit überfordert. Er muss daher den Engagierten Interpretationsspielräume überlassen und damit in diesen Bereichen auch die

667 Pfitzner, in: BeckOK Sozialrecht, SGB XI, 2017, § 3 Rn. 1; SG Dortmund, v. 12.3.2010, S 39 KN 98/08 P;

Koch, in: Körner/Leitherer/Mutschler, Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, SGB XI, 2015, § 3 Rn. 2.

668 „Das Subsidiaritätsprinzip ist damit selbst ein Gemeinwohlprinzip“ und an das Gemeinwohl ist der Staat gebunden. Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (21 ff.). Zum Sub-sidiaritätsprinzip Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 23 Rn. 102; Huster/Rux, in: BeckOK GG, 2017, Art. 20 Rn. 42 ff.

669 Siehe hierzu 2. Kapitel B.

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A Pflegepersonen und Pflegezeit 123

Kompetenz zur Konkretisierung des Gemeinwohls. So können zwischenmenschliche Gesten während der Pflege wohl nur schwer normiert werden, aber gerade sie können, ganz unjuris-tisch gedacht, den Unterschied für eine menschenwürdige Pflege ausmachen. In diesem Kontext stellt sich erneut die grundsätzliche Frage, ob der staatliche Lichtkegel der steuerlichen Gemeinnützigkeit zwingend rechtssubjektbezogen definiert werden muss, oder ob nicht auch eine tätigkeitsbezogene Betrachtung Vorteile in sich birgt. Den demografischen Wandel vor Augen wird das Maß an zu übernehmender Verantwortung bei gleichbleibenden Sozialstandards in der Bundesrepublik Deutschland steigen. Diese These wird tatsächlich und rechtlich relevant über den dynamischen Inhalt des Sozialstaatsbegriffes. Über diesen hat der vom Souverän legitimierte Gesetzgeber die Deutungshoheit, er setzt den Lichtkegel der ge-währleisteten Sozialstandards. Hohe Sozialstandards und hohe individuelle Freiheit wollen, heißt gesamtgesellschaftlich ein hohes Maß an Verantwortung tragen zu müssen. Die Stell-schrauben werden nun deutlich: Sozialstandards, individuelle Freiheit, zwanghafte oder frei-willige Lastentragung. Diese Variablen hat der Staat im Rahmen seiner verfassungsrechtli-chen Strukturvorsorgepflicht in einem kohärenten System aufeinander abzustimmen. Das Pflegesystem zielt auf eine menschenwürdige Pflege als verfassungsrechtlich verankerten Wert und das Sozialgesetzbuch XI konkretisiert einen Pflegestandard. Der Vorrang der häus-lichen Pflege und des freiwilligen Pflegeengagements gewährt nicht nur den Pflegenden den Vorteil einer größeren individuellen Freiheit, sondern ist auch im Sinne der Grundrechte Pfle-gebedürftiger, die zwischen häuslicher und stationärer Pflege wählen können.670 Das Kombi-nationssystem aus Beitragspflicht und freiwilligem Engagement ist außerdem gegenüber einer vollstationären Pflege kostengünstiger und gegenüber einer verpflichtenden vollhäuslichen Pflege grundrechtsfreundlicher.671

c Abwägung mit den Grundrechten Dritter

Diese Pflegestrukturen beeinflussen allerdings auch andere Rechtsträger, etwa die Arbeitge-ber und die Pflegeversicherten. Die Arbeitgeber müssen hinnehmen, dass Arbeitnehmer kurz-fristig eine bis zu sechsmonatige Pflegezeit beanspruchen können und die angelernte Arbeits-kraft in der Zeit entfällt. Sie sind in ihrer Privatautonomie (Art. 2 Abs. 1 GG) durch Ein-griffsmöglichkeit in laufende Arbeitsverträge betroffen. Allerdings schließen die Arbeitgeber die Verträge auf Grundlage des bereitgestellten Arbeitsmarktes, sie nutzen den Zugang zu gut ausgebildeten Arbeitskräften, (sozialem) Frieden, das staatliche Rechts-, Wirtschafts-, Wäh-

670 BT-Drs. 12/5262, v. 24.6.1993, S. 90; Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversiche-

rung, SGB XI, § 3 Rn. 3 f. 671 BR-Drs. 718/07, v. 19.10.2007, S. 217; BT-Drs. 12/5262, v. 24.6.1993, S. 90; Gallner, Erfurter Kommentar

zum Arbeitsrecht, PflegeZG, 2015, § 3 Rn. 1.

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124 Viertes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Pflegerecht

rungs-, und Bankensystem, kurz: die gesamtgesellschaftliche Infrastruktur.672 Um die Vorteile des Marktzugangs weiterhin gewährleisten zu können, muss der Staat den Rahmen der Marktwirtschaft an die Interessenlage der Gemeinschaft anpassen. Abzuwägen sind die ver-schiedenen Strukturmöglichkeiten zur Gewährleistung einer flächendeckenden menschen-würdigen Pflege. Die menschwürdige Pflege ist ein herausragend wichtiger und nicht ein-schränkbarer Sozial- und Verfassungsstandard. Während des Zustandes der Pflegebedürftig-keit interessiert eine Person vorrangig, in menschenwürdiger Weise gesund oder alt werden zu können. Diese Interessen setzen sich nach den derzeitigen Pflegestandards nicht ohne fremde Hilfe durch. Die Möglichkeit, diese fremde Hilfe für nahe Angehörige zu übernehmen, möch-te der Gesetzgeber Beschäftigten zugestehen. Dagegen streitet die Privatautonomie der Ar-beitgeber, deren wirtschaftliche Interessen im Rahmen ihres Unternehmens durch die Ver-tragsaussetzung den vorübergehenden Verlust von Arbeitskraft in Mitleidenschaft gezogen werden könnten. Eine Systemalternative wäre es, auch den Arbeitgeber zu höheren Versiche-rungsbeiträgen zu zwingen, um damit ein umfassendes stationäres Pflegesystem für alle Pfle-gebedürftigen staatlich zu organisieren. Das würde nicht nur insgesamt kostenintensiver wer-den, sondern auch die wirtschaftlichen (Eigentums-)Interessen des Arbeitgebers weiter ein-schränken. Die Pflegezeit ist folglich eine freiheitsschonende Variante, einen Sozialstandard im Rahmen des staatlichen Konzepts der vorrangigen häuslichen Pflege zu gewährleisten, sie ist begrenzt auf sechs Monate, kann auch in Teilzeit ausgeführt werden und gilt im Übrigen nur für Unternehmen mit in der Regel mehr als 15 Beschäftigten (§ 3 Abs. 1 Satz 2 PflegeZG), die einen Ausfall der Arbeitskraft meist kompensieren können. Darüber hinaus sind die Interessen der Pflegebedürftigen und der Familienmitglieder an der Organisa-tion, Strukturierung, Verarbeitung und Bewältigung der häuslichen Pflegesituation in Verbin-dung mit Effizienzinteressen der staatlichen Versorgungssysteme gewichtiger als die aufge-zeigten Interessen der Arbeitgeber. Der durch den Anspruch auf Pflegezeit kodifizierte staat-liche Eingriff in die Privatautonomie der Arbeitgeber kann im Ergebnis verfassungsrechtlich gerechtfertigt werden. Pflegeversicherte könnten es problematisch finden, dass die staatliche Pflegekasse nicht nur Pflegeleistungen an Bedürftige ausreicht, sondern kraft Gesetzes sozialversicherungsrechtli-che Beiträge für Einzelpersonen übernimmt, die nicht erwerbsmäßig tätig sind und damit streng genommen nicht in das System der Pflegeversicherung einzubeziehen sind. Allerdings erfolgt die Übernahme der Beiträge als Förderung der häuslichen Pflege und damit als aktive Strukturvorsorge (Leistungsverwaltung)673. Je mehr häusliche Pflege in Anspruch genommen wird, desto kostengünstiger wird es für die Pflegekasse insgesamt. Eine langfristig weniger 672 Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, Einleitung Rn. 5. 673 BFH, v. 24.5.2012, III R 68/11, BStBl. II 2013, 864, BFHE 238, 394; Selder, in: Blümich, EStG, 2017, § 32

Rn. 66; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 429.

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B Stellungnahme: Die Pflegeperson als Gemeinnützigkeitsstatus 125

belastete Pflegekasse und mögliche Beitragssenkungen sind gerade im Interesse der Versi-cherten. Als Alternative käme bei gleichbleibenden Standards nur die nicht minder belastende Übernahme der Beiträge oder späterer Sozialleistungen durch andere, steuerfinanzierte Staatskassen in Betracht. Folglich ist auch diese systembedingte Grundrechtsbeeinträchtigung in der Interessenabwägung zu rechtfertigen. Zusammenfassend bleibt festzuhalten, das Ziel der menschenwürdigen Pflege soll vorrangig durch Strukturen der häuslichen Pflege und der stationären Pflege erreicht werden. Finanziert wird das System solidarisch über die Pflegeversicherung und kontrolliert durch unabhängige Prüfer des MDK. Durch die Einbeziehung in die Sozialversicherung, durch den Anspruch auf Pflegezeit und durch die steuerfreie Weitergabe des Pflegegeldes sind Strukturen zur sozialen Absicherung und Versorgung der freiwillig Engagierten vorhanden. Das System der Pflege-versicherung ist in Bezug auf die Förderung von freiwilligem Engagement vor dem Maßstab der Systemkohärenz verfassungsgemäß.

B Stellungnahme: Die Pflegeperson als Gemeinnützigkeitsstatus

Über das Grundprinzip des Vorrangs der häuslichen Pflege ist die Einbeziehung von indivi-duellem gemeinnützigem Engagement in die Systematik der Pflegeversicherung kohärent gelungen. Auch die staatlichen Stellschrauben zur Gewährleistung einer menschwürdigen Pflegesituation sind funktionsfähig, etwa die Senkung oder Anhebung der Pflegestandards, die Senkung oder Anhebung der Versicherungsbeiträge/Steuerzuschüsse, der Förderkatalog für Pflegeengagement. Von dieser rechtssystematischen Aussage zu trennen sind rechtspoliti-sche Fragen, welchen sich die Abhandlung nicht widmet, beispielsweise die Frage danach, ob die Förderung von Pflegeengagement weitreichend genug ausgestaltet ist. Offensichtlich aus-baufähig ist das Schulungsprogramm, welches großes Potenzial zur Professionalisierung des häuslichen Pflegebereichs aufweist und sich am Konzept der individuellen pädagogischen Begleitung674 des Bundesfreiwilligendienstgesetzes, bestehend aus fachlicher Anleitung, indi-vidueller Begleitung und ständiger Seminararbeit anlehnen könnte. Anzudenken wäre zudem, Pflegepersonen einen schriftlichen Tätigkeitsnachweis auszustellen, ähnlich dem qualifizier-ten Zeugnis nach § 11 BFDG. Im Mittelpunkt der Diskussion über die Förderung von Pflege-personen steht die Frage danach, welche Verantwortlichkeiten bestehen, wenn nahe Angehö-rige pflegebedürftig werden. Der Gesetzgeber baut vorrangig auf häusliche Pflege und auf Engagement von Familie, Bekannten und Nachbarschaft, also auf das personelle Sozialgefüge um eine Person. Er will das Sozialgefüge stärken und in Pflegefällen leichten Zugang zu En-gagement gewährleisten. Erst, wenn das nicht greift, handelt der Staat selbst, unter Inkauf-nahme einer höheren Belastung für alle Pflegeversicherten. Dieselbe Frage stellt sich in grö- 674 Hierzu ausführlich 3. Kapitel A. II. 4.

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126 Viertes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Pflegerecht

ßerer Dimension und gesamtgesellschaftlich für die Gemeinnützigkeit. Der Gesetzgeber über-lässt bestimmte Themen den lokalen Sozialgefügen. Erst, wenn sie die Verfassungsstandards nicht gewährleisten, greift er unter Inkaufnahme einer höheren Belastung für alle ein. Gerade das Pflegerecht zeigt, wie bedeutend, grundrechtsschützend sowie grundrechtsschonend zu-gleich, einzelfallbezogen und zielgenau Engagement sein kann, das von unabhängigen Indivi-duen ausgeht und über spezielle, staatlich definierte, flexible Strukturen anerkannt und geför-dert wird. Es kann das Gemeinwohl zielgenau und bedarfsgerecht auf eine Weise fördern, die dem Gesetzgeber nicht zugänglich ist, denn seine Förderentscheidungen müssen sich an Art. 3 Abs. 1 GG messen lassen und können damit gerade nicht einzelfallbezogen sein. Das steuerli-che Gemeinnützigkeitsrecht kennt keine eigenständig anerkannte individuelle Gemeinnützig-keit einer partiell gemeinnützigen Einzelperson, allerdings das Pflegerecht über den Status der Pflegeperson. Zumindest die aufgezeigten Strukturen des Pflegerechts, die sich mit Pflegeen-gagement abseits der Familiensphäre und damit allgemeinheitsfördernd und zugangsoffen zeigen, erfassen Engagement in der Gemeinnützigkeitssphäre und bieten hierfür einen Rechts-rahmen. Der Förderansatz der Pflegeperson ist vor Art. 3 Abs. 1 GG unter verfassungskon-former Auslegung in Erweiterung des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts als Teil des Ge-meinnützigkeitsrecht zu qualifizieren.

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Fünftes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Steuer-recht

Der Gesetzgeber hat das Gemeinnützigkeitsrecht in den §§ 51–68 der Abgabenordnung und damit in einem Steuergesetz kodifiziert.675 Dieser als steuerliches Gemeinnützigkeitsrecht bezeichnete Normenkomplex repräsentiert de lege lata die primäre Rechtsquelle zur Erfas-sung und Anerkennung von gemeinnützigem Engagement. Doch auch abseits davon haben sich, wie bereits gezeigt, Ansätze zur Erfassung und Förderung von gemeinnütziger Tätigkeit entwickelt. Das Augenmerk dieses Kapitel liegt auf der Zusammenstellung der Normen zur Erfassung individueller Gemeinnützigkeit im geltenden Steuerrecht.676 Zu prüfen ist für jede Einzelnorm, inwieweit die durch sie gesetzten Strukturen zur Zielerreichung in sich schlüssig sind, ob eine unabhängige Prüfinstanz die konkrete Anerkennung und Förderung begleitet und ob die jeweilige Förderung in Abwägung mit anderen Verfassungswerten letztlich verfas-sungsrechtlich zu rechtfertigen ist.

A Ansätze im Einkommensteuergesetz

Das Einkommensteuergesetz bereitet der systematischen Erfassung individueller Gemeinnüt-zigkeit Schwierigkeiten. Die Einkommensteuer knüpft an die von natürlichen Personen durch entgeltlichen Einsatz ihrer Arbeitskraft und ihres Eigentums am Markt tatsächlich erworbene Steigerung der finanziellen Leistungsfähigkeit an.677 Weil der Staat strukturell auf eine profit-orientierte Marktbeteiligung als Anbieter verzichtet, rechtfertigt sich seine Teilhabe an dem marktwirtschaftlichen Erfolg des Einzelnen über die Einkommensteuer dadurch, dass er die Infrastruktur des Marktes aus Frieden, Sicherheit, gut ausgebildeten Arbeitskräften, Banksys-tem etc. bereitstellt.678 Der auf dem Markt erwirtschaftete private Erfolg des Individuums fin-det sich im materiellen Hinzugewinn, der finanziellen Leistungsfähigkeit und schließlich im zu versteuernden Einkommen wieder, von dem der Steuerstaat einen Teil für die Infrastruk-turvorsorge beansprucht. Die Steigerung der Leistungsfähigkeit wird dabei über sieben, in § 2 EStG enumerativ aufgezählte Einkunftsquellen (Zustandstatbestände) erfasst.679 Alle Ein-

675 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 4; Gersch, in: Klein, AO, 2014, Vor § 51 Rn. 1;

Kröger, Steuerrecht und Nächstenliebe, DStZ 1986, 419 (425). Für Leisner-Egensperger, handelt es sich nicht um ein eigenständiges Rechtsgebiet, sondern um eine weithin unsystematische Anhäufung von Steuer-vergünstigungen in einzelnen Abgabengesetzen, die auf steuerliche Abzugsmöglichkeiten bei Erbringung gemeinnütziger Leistungen abzielen. Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, § 52 Rn. 7.

676 Zum Maßstab der Systemkohärenz 2. Kapitel D. 677 BVerfG, v. 12.10.2010, 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224; BFH v. 25.6.1984, GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751;

BFHE 141, 405; Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, Vorbemerkung Rn. 5 ff.; ; Rauch, in: Blümich, EStG, 2017, § 1 Rn. 1; Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbedingungen bürgerschaftli-chen Engagements, 2002, S. 72.

678 Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, Vorbemerkung Rn. 5. 679 Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, Vorbemerkung Rn. 12; Ratschow, in: Blümich, EStG, 2017, § 2 Rn. 55.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018C. Alders, Die partiell gemeinnützige (natürliche) Person, Schriften zum Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20793-9_6

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128 Fünftes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Steuerrecht

kunftstatbestände setzen eine auf materiellen Hinzuerwerb (Einkünfte) gerichtete Tätigkeit voraus.680 Gemeinnütziges Engagement ist dagegen nicht auf Steigerung der eigenen Leis-tungsfähigkeit gerichtet, sondern auf eine besondere Gemeinwohlförderung. Es lässt sich un-ter keine derartige, die Einkommensteuer rechtfertigende, marktbezogene Einkunftsquelle subsumieren. Es erfolgt unentgeltlich, ohne Erwerbsabsicht, soll vom Gesetzgeber definierte Gemeinschaftsinteressen durchsetzen und darf nicht primär die Infrastruktur eines Marktes für den eigenen materiellen Hinzugewinn nutzen. Sofern die Erfassung und Förderung von individuellem gemeinnützigem Engagement über Steuerfreistellung der Zuflüsse aus dem Engagement erfolgen soll, tritt im Rahmen des Zu-standstatbestandes des § 2 Abs. 1 EStG das Qualifikationsproblem zu Tage. Steuerbefreiun-gen setzen systematisch voraus, dass die zu befreienden Einnahmen überhaupt steuerbar sind, also unter eine der sieben Einkunftsarten des § 2 EStG fallen.681 Andernfalls liegen keine Ein-künfte vor, die von der Steuer freigestellt werden können, so dass die Steuerbefreiung im Er-gebnis keine Wirkung entfaltet. Voraussetzung von steuerbaren Einkünften ist eine Erwerbs-gerichtetheit (Einkünfterzielungsabsicht) über die Totalperiode.682 Liegt diese Eigenschaft bei einer Tätigkeit nicht vor, ist sie einkommensteuerlich unbeachtlich.683 Ein Wesensmerkmal gemeinnütziger Tätigkeit ist es, dass sie nicht erwerbsgerichtet ist. Damit sind alle Vorteile, die für gemeinnütziges Engagement gewährt werden, nicht steuerbar.684 Ansätze, die gemein-nützige Tätigkeiten von Einzelpersonen über eine Steuerfreistellung von „Einnahmen“ aus der Tätigkeit fördern wollen, können ihr Förderziel nicht erreichen und sind zur Engagementför-derung strukturell ungeeignet. Etwas Anderes kann nur dann gelten, wenn gemeinnützige Tä-tigkeit als erwerbsgerichtete Einkunftsquelle im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG angesehen wird. Angenommen gemeinnütziges Engagement wäre eine solche Einkunftsquelle, dann könnte eine Förderung nach der Systematik des Einkommensteuergesetzes grundsätzlich an drei Stellschrauben anknüpfen, an der Bemessungsgrundlage, dem Steuersatz und der Steuerlast. Die Einkommensteuerzahllast errechnet sich für jeden Steuerpflichtigen aus der Bemessungs-grundlage (dem zu versteuernden Einkommen nach § 2 Abs. 5 Satz 1 EStG) multipliziert mit dem anzuwendenden Steuersatz des § 32a EStG. Zu beachten ist dabei die progressive Ausge-staltung der Einkommensteuer. Mit steigendem Einkommen steigt der Steuersatz und als Fol-

680 Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 2 Rn. 60; Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rah-

menbedingungen bürgerschaftlichen Engagements, 2002, S. 145. 681 Erhard, in Blümich, EStG, 2017, § 3 Rn. 1; Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Rn. 3. 682 Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 2 Rn. 60. 683 Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, Vorbemerkung Rn. 5; Ratschow, in Blümich, EStG, 2017, § 2 Rn. 110. 684 Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 2 Rn. 57. Als Beispiel einer gemeinnützigen Tätigkeit wird auf

§ 10b EStG, die Berücksichtigung einer Geldspende, hingewiesen.

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AAnsätze im Einkommensteuergesetz 129

ge die Steuerzahllast überproportional.685 Vergünstigungen, die sich an der Bemessungs-grundlage oder dem Steuersatz ausrichten, wirken sich demnach unterschiedlich stark auf die Engagierten aus. Das wird regelmäßig dazu führen, dass Engagierte, die ein hohes Einkom-men generieren, für ihr Engagement eine höhere Vergünstigung erhalten als Engagierte, die Einkommen im unteren- und mittleren Einkommenssegment erwirtschaften. Engagierte mit Einkommen unter dem steuerfreien existenznotwendigen Grundfreibetrag von 8820 Euro (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) erhalten in diesem Fall keine einkommensteuerliche Förde-rung.686 Soll dieses, vom Einkommen abhängige und damit unterschiedliche Förderformat umgangen werden, bliebe einkommensteuersystematisch die Senkung der Steuerzahllast als Stellschraube. Angerechnet würde ein absoluter Betrag für alle Engagierten in gleicher Höhe. Eine negative Zahllast würde einen Erstattungsanspruch des einzelnen Engagierten gegen den Staat hervorrufen. Dieser Förderansatz trüge die dargestellte Problemlage als Ausfluss der progressiven Ausgestaltung der Einkommensteuer nicht in sich.

I Steuerprivileg: Übungsleiterpauschale, §§ 3 Nr. 26-3 Nr. 26b EStG

Der Regelungskomplex der §§ 3 Nr. 26 bis 3 Nr. 26b EStG gewährt Personen, die sich ne-benberuflich für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke engagieren, Steuerfreibe-träge und staatliche Anerkennung.687 Anknüpfungspunkt ist dabei die durch ein Individuum ausgeführte Tätigkeit. So werden zum einen nur bestimmte Tätigkeiten gefördert und zum anderen muss die natürliche Person die Tätigkeit nebenberuflich (zeitlich begrenzt) ausü-ben.688 Auf diesem Wege sollen die Rahmenbedingungen für den ehrenamtlichen, selbstbe-stimmten und freiwilligen Einsatz in den mehreren hunderttausenden gemeinnützigen Verei-nen, Verbänden und Organisationen des Sports, der Kinder- und Jugendarbeit, der sozialen Arbeit, im Katastrophenschutz, im Umwelt- und Tierschutz, für Senioren, für Frauen, in den Kirchen, für Behinderte, der Kultur und für viele andere gesellschaftliche Zwecke bewusst verbessert werden.689 Normzweck ist in erster Linie die Förderung der Bereitschaft jedes Ein-zelnen, gemeinnützige Aufgaben freiwillig zu übernehmen.690 Der Staat möchte einen Anreiz schaffen und den Bürger für seine ehrenamtliche Tätigkeit belohnen.691

685 Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, Vorbemerkung Rn. 15. 686 Jochum, Privilegierung der Einnahmen aus nebenberuflicher Tätigkeit im Bereich der wissenschaftlichen

Ausbildung und Prüfung, NJW 2002, 1983 (1983). 687 Erhard, in Blümich, EStG, 2017, § 3 Nr. 26 Rn. 1; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26 Rn.

49; Schauhoff/Kirchhain, Das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements, DStR 2007, 1985 (1991).

688 Zur tätigkeitsbezogenen Auslegung der Tatbestandsmerkmale von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26 Rn. 50; Wagner, in: Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, 2010, § 16 Rn. 112 ff.

689 BT-Drs. 14/2070, v. 11.11.1999, S. 16. 690 BT-Drs. 14/2070, v. 11.11.1999, S. 16; BFH, v. 11.5.2005, VI R 25/04, BStBl. II 2005, 791, BFH/NV 2005,

1694; v. 30.3.1990, VI R 188/87, BFHE 160, 486. 691 Deutscher BT, 8. WP, 213. Sitzung, S. 1712 f.; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26 Rn. 51.

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130 Fünftes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Steuerrecht

1 Statusvoraussetzungen

a § 3 Nr. 26 EStG

Gemäß § 3 Nr. 26 EStG sind folgende Einnahmen bei den Engagierten steuerfrei. Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder ver-gleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten, aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten oder der nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts692 oder einer unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG fallenden Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwe-cke (§§ 52–54 AO) bis zur Höhe von insgesamt 2.400 Euro im Jahr (200 Euro monatlich).693

aa Tätigkeitsfelder

Eingeführt wurde § 3 Nr. 26 EStG im Jahr 1980694 mit dem ersten Tätigkeitsfeld der Übungs-leiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer und vergleichbarer Tätigkeiten. Während ein Übungslei-ter Veranstaltungen leitet, in denen Menschen ihre Fähigkeiten selbst entwickeln,695 vermittelt der Ausbilder aktiv geistige und leibliche Fähigkeiten an andere Menschen durch Herausbil-dung vorhandener Anlagen.696 Ein Erzieher wirkt auf Menschen ein, um sie geistig und kör-perlich auf ein Erziehungsziel hin zu formen,697 und beim Betreuer steht der pädagogisch aus-gerichtete persönliche Kontakt zu den betreuten Personen im Vordergrund.698 Hinter all die-sen Tätigkeiten steht der Gedanke, dass Personen durch persönlichen Kontakt pädagogisch auf andere Personen Einfluss nehmen, um auf diese Weise deren geistige oder körperliche Fähigkeiten zu entwickeln. An diesem Maßstab werden auch die vergleichbaren nebenberufli-chen Tätigkeiten gemessen.699

692 Die juristische Person des öffentlichen Rechts muss in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in

einem Staat belegen sein, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung fin-det (§ 3 Nr. 26 EStG).

693 Erhard, in Blümich, EStG, 2017, § 3 Nr. 26 Rn. 1; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26 Rn. 49; Schauhoff/Kirchhain, Das Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements, DStR 2007, 1985 (1991).

694 Mit dem Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einkommensteuergesetzes, v. 25.6.1980, BGBl. I 1980, 731.

695 BFH, v. 23.1.1986, IV R 24/84, BStBl. II 1986, 398, BFHE 146, 63; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26 Rn. 50.

696 BFH, v. 23.1.1986, IV R 24/84, BStBl. II 1986, 398, BFHE 146, 63; Erhard, in Blümich, EStG, 2017, § 3 Nr. 26 Rn. 15; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26 Rn. 50.

697 FG Sachsen, v. 20.8.2002, 1 K 145/02, EFG 2002, 1579 (1579); von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26 Rn. 50.

698 FG Sachsen, v. 20.8.2002, 1 K 145/02, EFG 2002, 1579 (1579); Erhard, in Blümich, EStG, 2017, § 3 Nr. 26 Rn. 15; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26 Rn. 50.

699 BFH, 17.10.1991, IV R 106/90, BStBl. II 1992, 176, BFHE 166, 476; v. 23.1.1986, IV R 24/84, BStBl. II 1986, 398, BFHE 146, 63; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26 Rn. 50.

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AAnsätze im Einkommensteuergesetz 131

Besonders beachtlich ist der Umstand, dass der Gesetzgeber eine Förderung nach § 3 Nr. 26 EStG nicht schon dann gewährt, wenn der Steuerpflichtige im Dienst oder im Auf-trag einer gemeinnützigen Körperschaft ganz generell deren gemeinnützige Zwecke fördert. Sondern gerade die konkrete Tätigkeit, für welche die Zuwendung erfolgt, muss ihrerseits einen konkreten Themenbezug aufweisen.700 Es wird eine Tätigkeitsbetrachtung vorgenom-men. Dies gilt auch für die später hinzugekommenen Bereiche.701 So wurden im Jahr 1989702 die Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen und im Jahr 1990 die künstlerischen Tä-tigkeiten als konkret zu erfassende und sodann durch § 3 Nr. 26 EStG geförderte Tätigkeiten von Einzelpersonen aufgenommen. Die Einschränkung erwirkte der Bundesrat, nachdem die Bundesregierung alle nebenberuflichen Tätigkeiten zur Förderung gemeinnütziger, mildtäti-ger und kirchlicher Zwecke einbeziehen wollte.703 Dies sei jedoch nicht sachgerecht, so der Bundesrat, und verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, da auf diese Weise Lohn für andere Arbeitsleistungen in den gemeinnützigen Einrichtungen befreit würde und somit Geldleistungen für gleiche Tätigkeiten in einigen Fällen besteuert würden und in ande-ren nicht.704 Begünstigte Tätigkeiten bedürften eines die Gemeinnützigkeit begründenden Inhalts.705 Die verfassungsrechtliche Problemlage ist durch die Einschränkung der Förderung auf nur bestimmte gemeinnützige Tätigkeiten (die in § 3 Nr. 26 EStG genannten) hingegen nicht ab-schließend gelöst. Durch § 3 Nr. 26 EStG wird nun innerhalb der gemeinnützigen Tätigkei-ten706 von Einzelpersonen unterschieden. So werden manche gemeinnützigen Tätigkeiten ge-fördert, andere hingegen nicht. Diese Ungleichbehandlung von wesentlich gleicher Tätigkeit engagierter Einzelpersonen (in der Gemeinnützigkeitssphäre) bedarf ebenfalls der sachlichen Rechtfertigung vor Art. 3 Abs. 1 GG. Sie tritt nun durch den Förderansatz des § 3 Nr. 26 EStG zu der vom Bundesrat aufgezeigten Gleichheitsproblematik hinzu. Der Lösungsansatz der Bundesregierung hilft zumindest insoweit, als dass Zuflüsse aus gemeinnützigen Tätigkei-ten bei natürlichen Personen aufgrund ihres gemeinnützigen Charakters steuerlich anders be-handelt werden dürfen als beispielsweise entgeltliche Arbeitsleistungen. Das gilt gerade dann, wenn die konkrete Tätigkeit beispielsweise im Rahmen der Altenpflege identisch ist. Der ent-scheidende Unterschied ist der Gemeinnützigkeitscharakter der Tätigkeit. Erfüllt die Tätigkeit

700 Von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26 Rn. 50. 701 Erhard, in Blümich, EStG, 2017, § 3 Nr. 26 Rn. 2; Wagner, Aufwandsentschädigungen an ehrenamtliche

Helfer, FR 1991, 683. 702 Mit dem Gesetz zur Verbesserung und Vereinfachung der Vereinsbesteuerung, v. 18.12.1989, BGBl. I 1989,

2212. Sauer, Das Vereinsförderungsgesetz, NJW 1990, 1028 (1028). 703 BT-Drs. 8/3688, v. 21.2.1980, S. 27. 704 BT-Drs. 8/3688, v. 21.2.1980, S. 27. 705 BT-Drs. 8/3688, v. 21.2.1980, S. 27. 706 Beziehungsweise der Tätigkeiten, die von Einzelpersonen im Dienst oder Auftrag von gemeinnützigen Kör-

perschaften im Sinne des § 51 AO zur jeweiligen gemeinnützigen Zweckverwirklichung ausgeführt werden.

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132 Fünftes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Steuerrecht

die Abgrenzungsmerkmale der Freiwilligkeit, der Unentgeltlichkeit und des besonderen Ge-meinwohlbezugs, dann gilt sie als gemeinnützig.707 Dogmatisch schwieriger zu lösen ist die andere Gleichheitsproblematik. Warum werden bestimmte gemeinnützige Tätigkeiten von Einzelpersonen über § 3 Nr. 26 EStG begünstigt und andere gemeinnützige Tätigkeiten von Einzelpersonen nicht. Hier könnte mit einem weiten Ermessensspielraum des Gesetzgebers bei der Leistungsverwaltung argumentiert werden.708 Das führt allerdings zu den Folgefragen, wie sich dann diese Entscheidung zur besonderen Förderung bestimmter gemeinnütziger Tä-tigkeiten innerhalb der gemeinnützigen Tätigkeiten sachlich rechtfertigt und ob diese Förder-entscheidung nicht auch systematisch kohärent im übrigen Gemeinnützigkeitsrecht verankert sein müsste. Auf dem Weg zu einem strukturell kohärenteren Förderprogramm könnte der Gedanke helfen, dass die Gemeinnützigkeit tätigkeitsbezogen definiert wird und die Erfassung der Tätigkeiten über einen rechtsformunabhängigen Grundbaustein eines Rechtsstatus namens partiell ge-meinnützige Person erfolgt. Darauf aufbauend könnten bestimmte gemeinnützige Tätigkeiten als besonders gemeinnützig unter besonderer sachlicher Rechtfertigung besonders gefördert werden.

bb Nebenberuflichkeit

Für eine Begünstigung nach § 3 Nr. 26 EStG muss die Tätigkeit nebenberuflich ausgeübt werden. Die Nebenberuflichkeit bedarf als unbestimmter Rechtsbegriff weiterer Auslegung. Sie könnte voraussetzen, dass bereits eine hauptberufliche Tätigkeit ausgeführt wird und der Lebensunterhalt aus dieser Haupttätigkeit bestritten wird.709 Denkbar wäre zudem eine Einzel-fallabwägung nach der allgemeinen Verkehrsauffassung aufgrund von Indikatoren wie Zeit-aufwand, Höhe der Vergütung, Beitrag zum Lebensunterhalt.710 Der Bundesfinanzhof hat hierzu allerdings überzeugend entschieden, dass es zum einen nur auf die Tätigkeit selbst an-kommt, und dass zum anderen der zeitliche Umfang der Tätigkeit maßgebliches Kriterium für die Beurteilung der Nebenberuflichkeit darstellt. Diese liegt vor, wenn die Tätigkeit nicht mehr als ein Drittel der Arbeitszeit im Verhältnis zum Vollzeiterwerb einnimmt.711 Ausge-hend von einer regelmäßigen Arbeitszeit von 40 Stunden pro Woche bei Vollzeiterwerb wird 707 Zur den Wesensmerkmalen von gemeinnütziger Tätigkeit: 2. Kapitel. 708 BFH, v. 24.5.2012, III R 68/11, BStBl. II 2013, 864, BFHE 238, 394; Selder, in: Blümich, EStG, 2017, § 32

Rn. 66; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 429. 709 BT-Drs. 8/3688, v. 21.2.1980, S. 16; BFH, v 13.11. 1987, VI R 154/84, BFH/NV 1988, 150; Richter, Auf-

wandsentschädigung für nebenberufliche Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher und vergleichbar Tätige, FR 1980, 425 (426).

710 BMF, v. 9.6.1981, BStBl. I 1981, 502. 711 BFH, v. 30.3.1990, VI R 188/87, BStBl. II 1990, 854, BFHE 160, 486; v. 10.8.1990, VI R 48/ 89, BFH/NV

1991, 296; v. 14.6.1991, VI R 69/89, BFH/NV 1991, 811; v. 29.1.1987, IV R 189/85, BStBl. II 1987, 783, BFHE 149, 45; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26 Rn. 51.

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AAnsätze im Einkommensteuergesetz 133

eine Tätigkeit noch nebenberuflich ausgeführt, wenn sie aufgerundet 14 Stunden pro Woche nicht überschreitet.

cc Im Dienst oder Auftrag

Darüber hinaus ist die Tätigkeit im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öf-fentlichen Rechts712 oder einer unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG fallenden Einrichtung zur Förde-rung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke im Sinne der §§ 52–54 AO auszu-führen.713 Die rechtliche Beziehung zwischen der Einrichtung und der natürlichen Person könnte zivilrechtlich als Dienstverhältnis im Sinne von § 611 BGB oder als Auftrag im Sinne von § 662 BGB einzuordnen sein. Durch einen Dienstvertrag wird der Dienstleistende zur Leistung der versprochenen Dienste und der Dienstleistungsempfänger zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet (§ 611 Abs. 1 BGB). Es ist grundsätzlich das passende Rechtsinstitut zur Erfassung von Rechtsverhältnissen über die Erbringung von menschlicher Arbeit.714 Allerdings ist der Begriff der Vergütung hierbei als Arbeitsentgelt auszulegen, so-dass es sich bei einem Dienstvertrag um einen entgeltlichen Vertrag handelt, bei dem das Merkmal der Entgeltlichkeit wesentlich ist.715 Dieser Vertragstypus passt folglich nicht für die privatrechtliche Einordnung des unentgeltlichen nebenberuflichen Engagements nach § 3 Nr. 26 EStG, sondern bezieht sich vorrangig auf marktwirtschaftlich vermittelte Arbeits-verhältnisse, deren Entgelte beim Arbeitnehmer nach §§ 2 Abs. 1 Nr. 4, 19 EStG zu versteu-ern sind.716 Ausgehend vom Zweck des § 3 Nr. 26 EStG, der Förderung von gemeinnützigem Engagement,717 ist ein Auftragsverhältnis im Sinne von § 662 BGB anzunehmen. Dabei ver-pflichtet sich der Beauftragte durch die Annahme eines Auftrages, ein ihm von dem Auftrag-geber übertragenes Geschäft für diesen unentgeltlich zu besorgen.718 Zivilrechtlich treffen den Beauftragten beispielsweise Auskunfts-, Rechenschafts- sowie Herausgabepflichten (§§ 665 f. BGB) und der Auftraggeber ist zum Ersatz der erforderlichen Aufwendungen ver-

712 Die Körperschaft des öffentlichen Rechts muss in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem

Staat belegen sein, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet (§ 3 Nr. 26 EStG).

713 Erhard, in Blümich, EStG, 2017, § 3 Nr. 26 Rn. 5, 7; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26 Rn. 49.

714 Joussen, in: BeckOK Arbeitsrecht, 2017, § 611 Rn. 37; Müller-Glöge, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 4, 2016, § 611 Rn. 5; Richardi/Fischinger, in: Staudinger, BGB, 2011, § 611 Rn. 2.

715 Joussen, in: BeckOK Arbeitsrecht, 2017, § 611 Rn. 37; Müller-Glöge, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 4, 2016, § 611 Rn. 695.

716 Geserich, in Blümich, EStG, 2017, § 19 Rn. 10; Arbeitslohn sind dabei alle Einnahmen, die dem Arbeitneh-mer aus dem Dienstverhältnis zufließen (§ 2 Abs. 1 LStDV).

717 BT-Drs. 14/2070, v. 11.11.1999, S. 16; BFH, v. 11.5.2005, VI R 25/04, BStBl. II 2005, 791, BFH/NV 2005, 1694; v. 30.3.1990, VI R 188/87, BFHE 160, 486.

718 Riesenhuber, in: BeckOGK BGB, 2015, § 662 Rn. 1; Mansel, in: Jauernig, BGB, 2015, § 662 Rn. 8-11; Töt-ter, in: Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützigkeit, § 17 Rn. 5.

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134 Fünftes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Steuerrecht

pflichtet (§ 670 BGB), ohne damit die Unentgeltlichkeit des Auftrages zu gefährden.719 Zu-dem kann der Auftraggeber zur Anerkennung eine finanzielle Belohnung zuwenden, ohne den Entgeltcharakter hervorzurufen.720

dd Höhe des Freibetrages

Ursprünglich befreite § 3 Nr. 26 EStG Aufwandsentschädigungen für nebenberufliche Tätig-keiten als Übungsleiter.721 Der Gesetzgeber vermutete unwiderleglich, dass die Zuwendungen einen Aufwand ausglichen.722 Aktuell befreit § 3 Nr. 26 EStG hingegen Einnahmen aus ne-benberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter.723 Sofern steuerbare Einkünfte unter den be-schriebenen Voraussetzungen vorliegen, befreit § 3 Nr. 26 Satz 1 EStG diese bis zur Höhe von insgesamt 2.400 Euro im Jahr. Der Freibetrag kann bei mehreren Tätigkeiten nur einmal beansprucht werden.724 Überschreitende Einkünfte sind steuerpflichtig, aber dann können etwaige Ausgaben, die mit der Tätigkeit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen als Wer-bungskosten (§ 9 EStG) Berücksichtigung finden. Zwar bestimmt § 3c EStG, dass Ausgaben, soweit sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang ste-hen, nicht als Betriebsausgaben/Werbungskosten abgezogen werden dürfen.725 Eine Beson-derheit formuliert dagegen § 3 Nr. 26 Satz 2 EStG, wonach die Ausgaben, abweichend von § 3c EStG, zu berücksichtigen sind, soweit sie den Betrag der steuerfreien Einnahmen über-steigen.726

b § 3 Nr. 26a EStG

Mit § 3 Nr. 26a EStG wurde im Jahr 2007727 ein weiterer Freibetrag unter nahezu identischem Wortlaut728 geschaffen. Ziel war es, einen allgemeinen Freibetrag für Einnahmen aus neben-

719 Riesenhuber, in: BeckOGK BGB, 2015, § 662 Rn. 1; Seiler, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 5,

2017, § 662 Rn. 9, 18-22; Mansel, in: Jauernig, BGB, 2015, § 662 Rn. 12-14. 720 Seiler, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 5, 2017, § 662 Rn. 9, 18-22; Mansel, in: Jauernig, BGB,

2015, § 662 Rn. 12-14. 721 Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einkommensteuergesetzes, v. 25.6.1980, BGBl. I 1980,

731; Erhard, in Blümich, EStG, 2017, § 3 Nr. 26 Rn. 2. 722 BT-Drs. 8/3688, v. 21.2.1980, S. 16. 723 Seit dem Steuerbereinigungsgesetz 1999, v. 22.12.1999, BGBl. I 1999, 2601. 724 BFH, v. 30.3.1990, VI R 188/87, BStBl. II 1990, 854, BFHE 160, 486; R 3.26 Abs. 8 S. 2 LStR 2015, Steu-

erbefreiung für nebenberufliche Tätigkeiten; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26 Rn. 51; Er-hard, in Blümich, EStG, 2017, § 3 Nr. 26 Rn. 12, 20.

725 Erhard, in Blümich, EStG, 2017, § 3 Nr. 26 Rn. 21. 726 von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26 Rn. 51; FG Berlin-Brandenburg, v. 5.12.2007, 7 K

3121/05 B, EFG 2008, 1535 (1536); FG Rheinland-Pfalz, v. 25.5.2011, 2 k 1996/10, EFG 2011, 1596; FG Schleswig-Holstein, v. 9.12.2002, 3 K 172/01, EFG 2005, 342; BFH, v. 6.7.2005, XI R 61/04, BStBl. II 2006, 163, BFHE 210, 443; Wüllenkemper, Abzug vorweggenommener Betriebsausgaben bei Steuerfreiheit der Einnahmen nach § 3 Nr. 26 EStG, EFG 2005, 343 (343).

727 Mit dem Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10.10.2007, BGBl. I 2007, 2332.

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AAnsätze im Einkommensteuergesetz 135

beruflichen Tätigkeiten im gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Bereich zu schaf-fen.729 Maßgeblicher Unterschied zu § 3 Nr. 26 EStG ist deswegen, dass Einnahmen aus sämtlichen nebenberuflichen Tätigkeiten im Dienst oder Auftrag einer gemeinnützigen Ein-richtung730 zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52–54 AO) bis zur Höhe von insgesamt 720 Euro im Jahr steuerfrei sind. Eine Einschränkung der geförderten Tätigkeiten auf solche mit einem die Gemeinnützigkeit begründenden Inhalt er-folgt nicht.731 Durch diese breite Förderbasis erhält der Freibetrag den Charakter eines Auf-fangtatbestandes. Dies bestätigt § 3 Nr. 26a Satz 2 EStG, indem er § 3 Nr. 26a neben den Steuerbefreiungen nach § 3 Nr. 12732, § 3 Nr. 26 und § 3 Nr. 26b EStG für ausgeschlossen und subsidiär erklärt.

c § 3 Nr. 26b EStG

§ 3 Nr. 26b EStG ergänzt das Förderprogramm seit dem Jahr 2010733 und befreit die pauscha-lierten Aufwandsentschädigungen des Vormunds nach § 1835a BGB von der Steuer, soweit sie zusammen mit den steuerfreien Einnahmen des § 3 Nr. 26 EStG den Freibetrag des § 3 Nr. 26 Satz 1 EStG nicht überschreiten. Die Höhe des Freibetrages ist durch einen dyna-mischen Verweis an jenen des § 3 Nr. 26 geknüpft.734 Die Zuwendungen aus beiden Tätig-keitsfeldern werden kumuliert und der Freibetrag von 2.400 Euro wird nur einmal im Jahr für beide Tätigkeitsfelder zusammen gewährt.735 Aufwandsentschädigungen nach § 1835a BGB entstehen aus einer Vormundschaft (§§ 1773, 1793 ff. BGB). Ein Vormund ist die vertre-tungsberechtigte Person für einen Mündel, einen nicht geschäftsfähigen Minderjährigen, für den keine elterliche Sorge besteht oder dessen Eltern die Vertretungsbefugnis nicht haben.736 Die Vormundschaft kann berufsmäßig oder ehrenamtlich ausgeführt werden, wobei die letzte-

728 Die Elemente der nebenberuflichen Tätigkeit im Dienst oder Auftrag sind wie die Sonderreglungen zum

Ausgabenabzug inhaltsgleich zu § 3 Nr. 26 EStG. 729 BT-Drs. 16/5926, v. 4.7.2007, S. 2. 730 Identisch zur Regelung des § 3 Nr. 26 EStG benennt § 3 Nr. 26a EStG hier juristische Personen des öffentli-

chen Rechts, die in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat belegen sind, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, oder unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG fallende Einrichtungen.

731 Von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26a Rn. 53. 732 Freibetrag für bestimmte aus einer Bundeskasse oder Landeskasse gezahlte Bezüge und andere Bezüge, die

als Aufwandsentschädigung aus öffentlichen Kassen an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt wer-den, soweit nicht festgestellt wird, dass sie für Verdienstausfall oder Zeitverlust gewährt werden oder den tat-sächlichen Aufwand übersteigen (§ 3 Nr. 12 EStG).

733 Seit dem Jahressteuergesetz 2010, v. 8.12.2010, BGBl I 2010, 1768. 734 Erhard, in: Blümich, EStG, 2017, § 3 Nr. 26b Rn. 6; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26b

Rn. 55f. 735 Erhard, in: Blümich, EStG, 2017, § 3 Nr. 26b Rn. 2, 6; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26b

Rn. 55f.; Tegelkamp/Krüger, Der Fiskus und das Ehrenamt, ZErb 2011, 125. 736 Bettin, in: BeckOK BGB, 2017, § 1793 Rn. 1-3; Berger/Mansel, in: Jauernig, BGB, 2015, § 1773 Rn. 1-3;

Kerscher, in BeckOGK BGB, 2015, § 1793 Rn. 1.

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re Variante unentgeltlich erfolgt und den Staat weniger belastet.737 Nur der ehrenamtliche Vormund kann eine pauschale Aufwandsentschädigung in Höhe von 399 Euro im Jahr (§ 1835a BGB Satz 1, § 22 Satz 1 JVEG, das 19fache des Tageshöchstsatzes von 21 Euro) beantragen. Auf diese Weise sollen Dokumentation und Abrechnung vereinfacht werden.738 Die Möglichkeit, einen höheren Aufwand nachzuweisen, besteht daneben weiterhin, aller-dings unter den besonderen Voraussetzungen des § 3 Nr. 26 Satz 2 EStG.739 Die Tätigkeit als ehrenamtlicher Vormund fällt nicht unter § 3 Nr. 26 EStG, denn die Betreuungsleistung wird nicht im Dienst oder Auftrag des Vormundschaftsgerichts ausgeführt, sondern unmittelbar gegenüber dem Mündel.740 Deswegen sah sich der Gesetzgeber zu dieser separaten Regelung veranlasst.

2 Konkrete Förderung

Die Einnahmen natürlicher Personen aus nebenberuflichen Tätigkeiten nach §§ 3 Nr. 26 ff. EStG sind bis zu einem Betrag von jährlich 2.400 Euro beziehungsweise 720 Euro nicht zu versteuern. Der Steuerfreibetrag wirkt sodann wie folgt. In Höhe des Frei-betrages wird das zu versteuernde Einkommen als steuerliche Bemessungsgrundlage gemin-dert, sodass der progressive Tarif (§ 32a EStG) auf ein geringeres zu versteuerndes Einkom-men im Sinne des § 2 Abs. 5 Satz 1 EStG erhoben wird, wodurch sich die Steuerlast je nach individuellem Steuersatz anteilig mindert. Die höchste Ersparnis wäre demnach 2.400 Euro multipliziert mit dem Spitzensteuersatz von 45 %, also eine jährlich um 1.080 Euro reduzierte Steuerlast. Hierfür müsste der Steuerpflichtige ein zu versteuerndes Einkommen von über 256.304 Euro haben. Bei einem Einkommen von 40.000 Euro und einem Steuersatz von circa 24 % wären es dagegen bei voll ausgeschöpftem Freibetrag 576 Euro Steuerersparnis. Hat ein Steuerpflichtiger ein zu versteuerndes Einkommen von bis zu 8.820 Euro, führt der Freibetrag nach § 3 Nr. 26 EStG zu keiner Ersparnis, da keine Steuern zu zahlen sind (Grundfreibetrag, § 32a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG). Festzuhalten bleibt, dass der Freibetrag aufgrund des pro-gressiven Tarifs in unterschiedlichen Einkommensklassen unterschiedlich große Wirkung entfaltet. Seine größte Wirkung zeigt er bei Engagierten mit hohen zu versteuernden Ein-kommen. Die Vergünstigung greift im Übrigen nur dann, wenn die Einrichtung überhaupt eine Zuwendung leisten kann. Viele gemeinnützig Engagierte können mangels finanzieller Ressourcen der Einrichtungen nicht materiell entschädigt werden, sie profitieren dann auch

737 Wagenitz, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 8, 2017, § 1835a Rn. 2, § 1836 Rn. 5; Bettin, in:

BeckOK BGB, 2017, § 1836 Rn. 1. 738 Wagenitz, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 8, 2017, § 1835a Rn. 1; Bettin, in: BeckOK BGB,

2017, § 1836 Rn. 1. 739 Erhard, in: Blümich, EStG, 2017, § 3 Nr. 26b Rn. 7. Zu den Voraussetzungen des § 3 Nr. 26 S. 2:

Von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26b Rn. 51. 740 BT-Drs. 16/6739, v. 18.10.2007, S. 3.

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nicht von der „Belohnung“741 und „steuerlichen Anerkennung“742, die der Regelungskomplex der §§ 3 Nr.26 bis 3 Nr. 26b EStG für die Engagierten darstellen soll. Zudem gelten die „Beschäftigungsverhältnisse“ zwischen Engagierten und Einrichtung re-gelmäßig als geringfügige Beschäftigung nach § 8 SGB IV und sind sozialversicherungs-frei.743 Mit diesen Privilegierungen beabsichtigt der Gesetzgeber, die Zuwendung eines Aner-kennungsbetrages durch die Einrichtungen an die ehrenamtlich tätigen Personen in der steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Abwicklung zu vereinfachen und bürokratische Hemm-nisse abzubauen. Es könne insofern von einer an den Regeln der Behandlung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse orientierten Lösung im Bereich der gemeinnützigen Organisatio-nen und ihrer ehrenamtlichen Kräfte gesprochen werden.744

3 Systemkohärenz

Zu prüfen ist, ob die aufgezeigten Strukturen der §§ 3 Nr. 26 bis 3 Nr. 26b EStG vor dem Maßstab der Systemkohärenz in sich schlüssig sind, ob eine unabhängige Prüfinstanz die konkrete Anerkennung und Förderung begleitet und ob die jeweilige Förderung in Abwägung mit anderen Verfassungswerten verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist. Ehrenamtlich tätigen Personen werden als steuerliche Anerkennung Freibeträge bei der Ein-kommensteuerveranlagung angeboten (§§ 3 Nr. 26 bis 3 Nr. 26b EStG).745 Die Einkommens-teuer erfasst und besteuert als Marktzuwachsteuer die am Markt erzielte Zahlungs- und tat-sächliche Leistungsfähigkeit natürlicher Personen.746 Für die Steuerbarkeit einzelner Einkünf-te bedarf es jeweils einer Erwerbsgerichtetheit (Einkünfteerzielungsabsicht).747 Diese Er-werbsgerichtetheit liegt hingegen bei rein privat motiviertem Einsatz der Arbeitskraft (Lieb-haberei) und bei gemeinnütziger Tätigkeit nicht vor.748 Dies gelte ebenso, wenn bei ehrenamt-

741 Deutscher BT, 8. WP, 213. Sitzung, S. 1712 f.; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26 Rn. B

26/1. 742 BT-Drs. 17/11316, v. 6.11.2012, S. 15; Krebbers, Stärkt das Ehrenamtsstärkungsgesetz das Ehrenamt?, BB

2013, 2071 (2075); BT-Drs. 11/5582, v. 7.11.1989, S. 27. 743 Für die Krankenversicherung § 7 Abs. 1 S. 1 SGB V; für die Pflegeversicherung § 20 Abs. 1 S. 1 in Verbin-

dung mit § 7 Abs. 1 S. 1 SGB V; für die Arbeitsförderung § 27 Abs. 2 S. 1 SGB III; für die Rentenversiche-rung auf Antrag § 6 Abs. 1b SGB VI.

744 BT-Drs. 14/2070, v. 11.11.1999, S. 16. 745 BT-Drs. 11/5582, v. 7.11.1989, S. 27. 746 BFH, v. 17.12.2007, GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608, BFHE 220/129; Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015,

Vorbemerkung Rn. 5; Ratschow, in: Blümich, EStG, 2017, § 2 Rn. 70 f. 747 BFH, v. 25.6.1984, GrS 4/82, BStBl. 1984, 751, BFH 141, 405; Ratschow, in: Blümich, EStG, 2017, § 2 Rn.

73 f.; Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, Vorbemerkung Rn. 12. 748 Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 2 Rn. 57. Als Beispiel einer gemeinnützigen Tätigkeit wird auf § 10

b EStG, die Berücksichtigung einer Geldspende, hingewiesen. Zudem Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2008, S. 327 f.

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138 Fünftes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Steuerrecht

licher Tätigkeit nur der Ersatz von Aufwendungen angestrebt wird.749 Sofern bereits die Steu-erbarkeit der Zuflüsse aus der Tätigkeit abgelehnt wird, erscheint zweifelhaft, dass die Steuer-freistellung systematisch der richtige Weg für eine finanzielle Anerkennung von gemeinnüt-zigem Engagement ist. Bei fehlender Steuerbarkeit der „Einnahmen“ kann die Steuerfreistel-lung keine Wirkung entfalten. Doch das Problem ist vielschichtiger, wirft Fragen der Abgren-zung zwischen Privat-, Erwerbs- und Gemeinnützigkeitssphäre auf und bedarf umfassender Aufarbeitung. Interessiert sich ein Bürger nicht nur für sein individuelles Fortkommen, son-dern engagiert sich auch vorrangig fremdnützig, beispielsweise nebenberuflich und ehrenamt-lich als Jugendtrainer in einem gemeinnützigen Sportverein oder als Pfleger bei einem ge-meinnützigen Wohlfahrtsverband, stellen sich unter systematischen Gesichtspunkten folgende Fragen: Warum engagiert sich ein Bürger fremdnützig (Motive)? Wem nutzt sein Engagement (Erträge)? Will der Staat dieses Engagement rechtlich fassen und fördern? Wenn ja, welche Rechtsstatus bietet er hierfür an? Die jeweilige Fördernorm muss sich insofern an dem Maß-stab der Systemkohärenz750 messen lassen, dass sie einem Ziel folgt, das aus der Verfassung herzuleiten ist, dass sie kohärente Strukturen vorweist, mit denen sie dieses Ziel fördert, dass sie eine unabhängige Prüfungsinstanz zur staatlichen Begleitung der Förderung vorsieht und dass die Auswirkungen der Förderung letztlich im Kontext der anderen Verfassungswerte verfassungsrechtlich zu rechtfertigen sind.

a Ziel

Das Ziel der §§ 3 Nr. 26 bis 3 Nr. 26b EStG ist die Förderung von individuellem gemeinnüt-zigem Engagement.751 Es sollen Anreize geschaffen, ehrenamtlich engagierte Bürger be-lohnt752 und die Rahmenbedingungen für ehrenamtliches Engagement verbessert werden.753

b Unabhängige Prüfinstanz

Bevor ein Bürger eine der genannten ehrenamtlichen Tätigkeiten aufnimmt, muss er der ge-meinnützigen Organisation anzeigen, ob und in welcher Höhe er die Steuerbefreiungen nach §§ 3 Nr. 26 bis 3 Nr. 26b EStG bereits in Anspruch nimmt.754 Eine Bestätigung des Engagier-ten, dass Steuerbefreiungen nach §§ 3 Nr. 26 bis 3 Nr. 26b EStG bisher nicht genutzt werden, ist bei nichtselbstständiger Tätigkeit dem Lohnkonto des Arbeitnehmers beizufügen und im Lohnsteuerverfahren von der Organisation dahin gehend zu berücksichtigen, dass die Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit der Einnahmen bis 2.400 Euro bzw. 720 Euro mit eingerech-

749 Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 2015, S. 327 f. 750 Zum Maßstab der Systemkohärenz 2. Kapitel D. 751 BT-Drs. 14/2070, v. 11.11.1999, S. 16; BFH, v. 30.3.1990, VI R 188/87, BFHE 160, 486. 752 Deutscher BT, 8. WP, 213. Sitzung, S. 1712 f.; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 26 Rn. 51. 753 BT-Drs. 14/2070, v. 11.11.1999, S. 16. 754 R 3.26 Abs. 10 S. 2 LStR 2015, Steuerbefreiung für nebenberufliche Tätigkeiten.

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AAnsätze im Einkommensteuergesetz 139

net wird.755 Bei selbstständiger Tätigkeit für gemeinnützige Organisationen sind die steuer-freien Einnahmen in der Steuererklärung im Rahmen der Anlage S anzugeben (Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in den Zeilen 36 und 37 als Einnahmen aus der nebenberuflichen Tätigkeit). Zum Nachweis bedarf es einer Bescheinigung der Auftrag gebenden Organisation, welche die Angaben bestätigt. Das zuständige Finanzamt prüft sodann die Voraussetzungen des Gemeinnützigkeitsstatus (§§ 51–68 AO) bei der gemeinnützigen Einrichtung sowie deren finanzielle Zu- und Abflüsse und gleicht die Angaben und Beträge beim einzelnen Steuer-pflichtigen ab. Werden alle Voraussetzungen erfüllt und greift ein Steuerfreibetrag der §§ 3 Nr. 26 bis 3 Nr. 26b EStG, senkt sich im Idealfall die Steuerlast des nebenberuflich En-gagierten. Finanziert wird dieses Weniger an Steuern über das allgemeine Steueraufkommen (Bund und Länder, Art. 106 Abs. 3 Satz 1 GG).

c Strukturen zur Zielerreichung

Da der Gemeinnützigkeitsstatus der §§ 51-68 AO für natürliche Personen nicht zugänglich ist und somit dem Einkommensteuergesetz ein Anknüpfungspunkt für individuelles gemeinnüt-ziges Engagement im Rahmen der Abgabenordnung fehlt, wurde durch die §§ 3 Nr. 26 bis 3 Nr. 26b EStG eine Art eigener Rechtsstatus mit eigenen Voraussetzungen zur Erfassung von individuellem gemeinnützigem Engagement definiert. An diesen Status knüpfen die genann-ten Steuerfreibeträge an. Aufgrund des Einkommensteuergesetzes als Regelungsort handelt es sich dabei um ein eigenständiges, paralleles Förderinstrument, das gezielt nebenberufliches gemeinnütziges Engagement von Individuen fördern soll.756 Einkommensteuersystematisch müssten die Einnahmen aus der gemeinnützigen Tätigkeit einer Einkunftsart des § 2 Abs. 1 EStG zuzuordnen sein, um sie dann in einem zweiten Schritt nach §§ 3 Nr. 26 bis 3 Nr. 26b EStG für begrenzt steuerfrei zu erklären.757 Problematisch ist nun, dass gemeinnütziges Engagement strukturell unentgeltlich erfolgt und damit grundsätzlich keine steuerbaren Einkünfte erwirtschaften kann. Es kann keiner Ein-kunftsart des § 2 Abs. 1 EStG zugeordnet werden, da es nicht zuletzt an der zwingend erfor-derlichen Erwerbsgerichtetheit der Tätigkeit und der Einkünfteerzielungsabsicht des Enga-gierten fehlt.758 Würden hingegen Erwerbsgerichtetheit und Zuflüsse aus der Engagementtä-tigkeit angenommen, die über eine Aufwandsentschädigung hinausgehen und materiellen Hinzugewinn ermöglichen, ändert sich die Einkünftequalifikation. In diesem Fall wären die Zuflüsse als Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit (§§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, 19 EStG) steuerbar und die Steuerbefreiung könnte tatsächlich Rechtswirkung entfalten. Die Tätigkeit 755 R 3.26 Abs. 10 S. 2 LStR 2015, Steuerbefreiung für nebenberufliche Tätigkeiten. 756 BT-Drs. 14/2070, v. 11.11.1999, S. 16; BFH, v. 30.3.1990, VI R 188/87, BFHE 160, 486. 757 Erhard, in Blümich, EStG, 2017, § 3 Rn. 1; Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Rn. 3. 758 Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 2 Rn. 57, 60.

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140 Fünftes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Steuerrecht

wäre dann hingegen nicht der Gemeinnützigkeitssphäre zuzuordnen, sondern der Marktsphäre als (teil)entgeltliche Tätigkeit beispielsweise im Rahmen eines nebenberuflichen geringfügi-gen Beschäftigungsverhältnisses. Das Ziel der Förderung von individuellem gemeinnützigem Engagement schiene dann allerdings durch die §§ 3 Nr. 26 bis 3 Nr. 26b EStG strukturell nicht erreichbar. Denn für die Steuerbefreiung bedarf es nicht nur einer expliziten Tätigkeits-betrachtung, sondern die begünstigten Tätigkeiten müssen ihrerseits einen konkreten, die Ge-meinnützigkeit begründenden Inhalt haben.759 Zwar ist es unproblematisch zulässig, dass ge-meinnützige Körperschaften Arbeitskraft entgeltlich am Markt einkaufen, allerdings hat die Tätigkeit dann keinen die Gemeinnützigkeit begründenden Inhalt, denn die Individuen als ausführende Rechtssubjekte würden erwerbsgerichtet und vorrangig eigennützig handeln. Die steuerrechtliche Einordnung der von den §§ 3 Nr. 26 bis 3 Nr. 26b EStG erfassten Tätigkeiten als entgeltlich und die damit verbundene Steuerbarkeit der Zuflüsse aus der Tätigkeit weisen insofern deutliche Kohärenzschwächen auf und sind keine passenden Strukturen zur Zieler-reichung. Im Ergebnis weisen die §§ 3 Nr. 26 bis 3 Nr. 26b EStG unter keiner Auslegungsvariante ko-härente Strukturen zur Zielerreichung auf. Ihre Systematik genügt damit nicht dem Maßstab der Systemkohärenz. Die Förderung von individuellem gemeinnützigem Engagement kann durch sie nicht hinreichend effektiv gestaltet werden. Das Normgefüge der §§ 3 Nr. 26 bis 3 Nr. 26b EStG stellt keinen kohärenten Ansatz zur Förderung von gemeinnützigem Engage-ment von Individuen dar.

II Steuerprivileg: Freistellung nach § 3 Nr. 5 EStG

Von der Einkommensteuer befreit sind nach § 3 Nr. 5 EStG die Geld- und Sachbezüge sowie die Heilfürsorge von Wehr- und Zivildienstleistenden (Buchstaben a, b, e), der an Soldaten gezahlte Wehrsold (Buchstabe c), an Reservisten der Bundeswehr gezahlte Bezüge (Buchsta-be d) sowie das an Freiwilligendienstleistende gezahlte Taschengeld oder vergleichbare Geld-leistungen (Buchstabe f). Für die Förderung von individuellem gemeinnützigem Engagement kann derzeit lediglich die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 5f EStG relevant werden. Dem Wehr- und Zivildienstformat fehlt es für die Zuordnung zur Gemeinnützigkeitssphäre nicht zuletzt am Element der Freiwil-ligkeit. Beide sind beziehungsweise waren bis zur Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht zum 1.7.2011760, und damit zugleich der Zivildienstpflicht für Kriegsdienstverweigerer761,

759 BT-Drs. 8/3688, v. 21.2.1980, S. 27. 760 Seit dem 1.07.2011, Wehrrechtsänderungsgesetz 2011, v. 28.4.2011, BGBl. I S. 678. 761 § 3 Abs. 1 Wehrpflichtgesetz; Gesetz über den Zivildienst der Kriegsverweigerer.

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AAnsätze im Einkommensteuergesetz 141

Pflichtdienste. Die Tätigkeit der Soldaten im Sinne des § 1 Abs. 1 WSG erfolgt entgeltlich und ist folglich ebenfalls nicht der Gemeinnützigkeitssphäre zuzuordnen.762 Etwas Anderes könnte dagegen für Reservisten der Bundeswehr gelten. Sie verpflichten sich freiwillig, eine Funktion in der Reserveorganisation der Bundeswehr ehrenamtlich zu übernehmen (§ 4 Satz 1 ResG). Außerdem können die erforderlichen Sachmittel sowie Dienstkleidung unentgeltlich bereitgestellt und eine Entschädigung des tatsächlichen materiellen Aufwands sowie eine Ent-schädigung für den zeitlichen Aufwand bis zur Höhe von 160 Euro pro Monat gewährt wer-den (§ 7 Abs. 1 und Abs. 2 ResG). Diese Sachmittel und Entschädigungen sind vergleichbar oder sogar unterhalb derjenigen, die in den Freiwilligendienstformaten gewährt werden,763 und auch vergleichbar mit den Regelbedarfen des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes (399 Euro, ohne Verpflegung 258,93 Euro)764. Die Tätigkeit als Reservist der Bundeswehr wird also grundsätzlich freiwillig und unentgeltlich (nicht erwerbsgerichtet) ausgeführt. Al-lerdings bestehen Zweifel, ob jene Tätigkeit den für die Gemeinnützigkeit zwingend erforder-lichen qualifizierten Gemeinwohlbezug aufweist und damit dem der Gemeinnützigkeit inhä-renten Zusammenspiel aus staatlicher Themenvorgabe und in kreativer Eigenverantwortung ausgelebter, privater Engagementbereitschaft folgt. Die Reservisten sind während ihrer Re-servistentätigkeit in erster Linie Soldaten765 und Soldaten stehen in einem besonderen Treue-pflicht- und Dienstverhältnis zum Staat (§ 1 Abs. 1 SG). Das Verhältnis ist geprägt durch eine militärische Tradition der Hierarchie und der Befehlsgewalt von Vorgesetzten gegenüber den Soldaten (§ 11 SG). Dadurch sind die Reservisten vorrangig in das staatliche Subsystem der Bundeswehr und der Verteidigung (Art 87a GG) eingegliedert. Dieses System ist im Grunde als separate Sphäre und als eigenständiges Instrument der Gemeinwohlförderung zu betrach-ten. Es soll die Sicherheit sowie Friedens- und Grenzsicherung im Staatsgebiet als elementare Gemeinwohlziele des Grundgesetzes gewährleisten.766 „Die Sicherheitspolitik Deutschlands wird von den Werten des Grundgesetzes und mit dem Ziel geleitet, die Interessen unseres Landes zu wahren, insbesondere Recht und Freiheit, Demokratie, Sicherheit und Wohlfahrt für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu bewahren und sie vor Gefährdungen zu schützen, die Souveränität und die Unversehrtheit des deutschen Staatsgebiets zu sichern

762 Zu den Wesensmerkmalen der Gemeinnützigkeitssphäre, insbesondere zum Merkmal der Unentgeltlichkeit,

2. Kapitel B. 763 Beispielsweise 363 Euro als Höchstbetrag des angemessenen Taschengeldes im Bundesfreiwilligendienst (§

2 NR. 4 BFDG). 764 Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Regelbedarf bei Arbeitslosengeld II/Sozialgeld ab 1.1.2015,

http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Grundsicherung/Leistungen-zur-Sicherung-des-Lebensunterhaltes.html, abgerufen am 26.8.2015; § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II; zum Inhalt des Regelbedarfs Breitkreuz, in: BeckOK Sozialrecht, SGB II, 2017, § 20 Rn. 2-5.

765 Exemplarisch hierfür stehen § 6 ResG und § 8 Abs. 1 S. 1 ResG. 766 Epping, in: BeckOK GG, 2017, Art. 87a GG Rn. 2; Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 87a Rn.

14.

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[…].“767 Können jene Werte nicht gewährleistet werden, ist die freiheitlich demokratische Grundordnung gefährdet. Die Bundeswehr und ihre Soldaten sind nun Instrumente einer Si-cherheits- und Verteidigungspolitik, die sich vor allem äußeren Gefahren widmet (Art. 87a GG).768 Jeder Soldat hat die Pflicht, der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht sowie die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen (§ 7 SG). Er muss die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anerkennen und für ihre Erhaltung eintreten (§ 8 SG). Insofern wird deutlich: Die Tätigkeit der Reservis-ten ist in erster Linie dem System der Bundeswehr zuzuordnen und verfolgt mit ihr das Ziel der Verteidigung. Entsprechend ist auch das Ziel der Steuervergünstigung des § 3 Nr. 5d EStG die Stärkung der Sicherheitslage und Verteidigungsbereitschaft in der Bun-desrepublik Deutschland. In Anbetracht der politischen Herleitung und Grundzüge der Ge-meinnützigkeit erscheint es als dem Kohärenzgedanken widersprechend, diese in das tradier-te, ein anderes primäres Ziel verfolgende und rein auf Funktionsfähigkeit ausgerichtete Sys-tem der Bundeswehr integrieren zu wollen. Deswegen scheint es sinnvoll, die durchaus Kern-elemente der Gemeinnützigkeit in sich tragende ehrenamtliche Tätigkeit der Reservisten nicht als gemeinnützig einzuordnen, sondern sie im staatlichen System der Bundeswehr als beson-ders gemeinwohlförderliche Tätigkeit gesondert anzuerkennen. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Steuervergünstigung des § 3 Nr. 5d EStG ist damit nicht über den Recht-fertigungsansatz der Gemeinnützigkeit abzuleiten, sondern über jenen der Förderung der Bundeswehr und des Verteidigungssystems, welche nicht Gegenstand dieser Abhandlung sind. Dessen ungeachtet knüpft § 3 Nr. 5f EStG an die in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2d EStG genannten sowie in separaten Gesetzen ausgestalteten Freiwilligendienstprogramme an und befreit das im Rahmen der Dienste gewährte Taschengeld und sonstige Geldleistungen von der Einkom-mensteuer.769 Engagement in Dienstformaten wie dem Bundesfreiwilligendienst oder Jugend-freiwilligendiensten ist der Gemeinnützigkeitssphäre zuzuordnen, und so beabsichtigt § 3 Nr. 5f EStG grundsätzlich auch die Förderung von individuellem gemeinnützigem Enga-gement (aus der Verfassung hergeleitetes Ziel).770 Doch erneut treten die Kohärenzschwächen bei der rechtssystematischen Einordnung von gemeinnützigem Engagement im System der Einkommensteuer auf. Entweder wird das Enga-gement als entgeltlich und steuerbar qualifiziert, dann könnte die Steuerbefreiung greifen, 767 Bundesministerium der Verteidigung; Weißbuch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der

Bundeswehr, 2006, S. 4. 768 Epping, in: BeckOK GG, 2017, Art. 87a GG Rn. 5; Depenheuer, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 87a Rn.

12. 769 Erhard, in Blümich, EStG, 2017, § 3 Nr. 5 Rn. 5. 770 Von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 5 Rn. 16f.

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AAnsätze im Einkommensteuergesetz 143

oder es wird als unentgeltlich und nichtsteuerbar qualifiziert, dann würde die Steuerbefreiung keine Wirkung entfalten. An der Qualifikation als entgeltlich bliebe problematisch, dass die Tätigkeit dann nicht den erforderlichen, die Gemeinnützigkeit begründenden Inhalt hätte, sondern als vorrangig erwerbsgerichtet und eigennützig eingestuft werden müsste. Im Ergeb-nis stellt § 3 Nr. 5 EStG daher keinen kohärenten Ansatz zur Förderung von gemeinnützigem Engagement von Individuen dar.

III Steuerprivileg: Freistellung nach § 3 Nr. 36 EStG

Gemäß § 3 Nr. 36 EStG werden Einnahmen steuerfrei gestellt, die für Leistungen zur Grund-pflege oder hauswirtschaftlichen Versorgung bis zur Höhe des Pflegegeldes nach § 37 SGB XI erbracht werden.771 Dies gilt nur dann, wenn diese Leistungen von Angehörigen des Pflegebedürftigen geleistet werden oder von anderen Personen, die damit eine sittliche Pflicht im Sinne des § 33 Abs. 2 EStG gegenüber dem Pflegebedürftigen erfüllen. Auf diese Weise soll die steuerfreie Weiterreichung des Pflegegeldes an die Pflegenden sichergestellt werden.772 Dies gilt sowohl für den Fall, dass jenes Pflegegeld dem Pflegebedürftigen aus der Pflegeversicherung geleistet wird, als auch dann, wenn es der Pflegebedürftige selbst oder Dritte zahlen.773 Die beschriebene Problematik der Einkünftequalifikation von Zuflüssen aus gemeinnütziger Tätigkeit wirkt sich hingegen auch hier aus. Sofern die Pflegeleistung als ent-geltlich und erwerbsgerichtet qualifiziert werden, sind die Zuflüsse zwar steuerbar und die Steuerbefreiung könnte greifen, allerdings wäre eine Zuordnung zur Gemeinnützigkeitssphäre dann nicht vertretbar. Sofern jene konkrete Pflegeleistung jedoch als gemeinnützig qualifiziert und anerkannt werden soll, müsste sie als grundsätzlich unentgeltlich774 ausgeführt gelten und damit verlöre auch die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 36 EStG mangels Steuerbarkeit der Zu-flüsse aus der Tätigkeit ihren Anwendungsbereich.775 Für den Bundesfinanzhof sind für die Pflege von Angehörigen empfangene Beträge grundsätzlich nicht zu versteuern.776 Im Ergeb-nis stellt daher auch § 3 Nr. 36 EStG keinen kohärenten Ansatz zur Förderung von gemein-nützigem Engagement von Individuen dar.

771 Erhard, in Blümich, EStG, 2017, § 3 Nr. 36 Rn. 2; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 36 Rn.

69; Kanzler, Pflegeleistungen, Sittenpflicht und Steuerfreiheit – zur Auslegung einer neuen Steuerbefreiung, FR 1996, 189 (190).

772 Hierzu ausführlich 4. Kapitel A. II. 6. 773 Von Beckerath, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 3 Nr. 36 Rn. 69. 774 In gewissen Grenzen sind Zuflüsse denkbar, aber die Tätigkeit darf nicht erwerbsgerichtet sein und keinen

materiellen Hinzuerwerb hervorrufen. Siehe hierzu 2. Kapitel C. 775 Zur Diskussion bei der Einführung des § 3 Nr. 36 EStG: Kanzler, Pflegeleistungen, Sittenpflicht und Steuer-

freiheit – zur Auslegung einer neuen Steuerbefreiung, FR 1996, 189 (189). 776 BFH, v. 14.9.1999, IX R 88/95, BStBl. II 1999, 776, BFHE 189, 424.

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144 Fünftes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Steuerrecht

IV Steuerprivileg: Anrechnung des Pflege-Pauschbetrages nach § 33b Abs. 6 EStG

Nach § 33b Abs. 6 EStG kann ein Steuerpflichtiger, der eine nicht nur vorübergehend hilflose Person pflegt, wegen seiner außergewöhnlichen Pflegebelastungen ein Pflege-Pauschbetrag in Höhe von jährlich 924 Euro in Anspruch nehmen, sofern er für die Übernahme der Pflegetä-tigkeit keine Einnahmen erhält.777 Dieser sogenannte Pflege-Pauschbetrag wird alternativ („anstatt“) zu der Möglichkeit gewährt, die außergewöhnlichen Belastungen im Rahmen des § 33 EStG in vollem Umfang konkret zu beziffern und dem Finanzamt nachzuweisen.778 Ein an den Pflegenden für seine Pflegeleistung weitergereichtes Pflegegeld nach § 37 SGB XI wird dabei als Einnahme gewertet, so dass sich die Vergünstigungen nach § 3 Nr. 36 EStG und § 33b Abs. 6 EStG gegenseitig ausschließen. 779 Hilflos im Sinne von § 33b Abs. 6 EStG sind nach § 35 Abs. 1 S. 2 BVG alle Beschädigten, wenn sie für eine Reihe von häufig und regel-mäßig wiederkehrenden Verrichtungen zur Sicherung ihrer persönlichen Existenz im Ablauf eines jeden Tages fremder Hilfe dauernd bedürfen.780 Ziel des § 33b Abs. 6 EStG ist im Gleichklang mit den aufgezeigten Ansätzen im Pflegerecht eine Stärkung der häuslichen Pflege und die steuerliche Anerkennung der Belastungen durch die persönliche Pflege eines Schwerpflegebedürftigen.781 Dadurch sollen die Pflegebedürfti-gen möglichst weitgehend in der gewohnten Umgebung verbleiben und von vertrauten Perso-nen wie den Angehörigen betreut werden. Häufig ist das ihr ausdrücklicher Wunsch und zu-dem ist die häusliche Pflege gesamtgesellschaftlich gesehen kostengünstiger.782 Das Grundge-setz fordert über das Menschwürdegebot (Art 1 Abs. 1 GG), die Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit und Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG) sowie das Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1 GG) eine menschenwürdige Pflegesituation ein. Die flächendeckende Durch-setzung dieses Pflegeniveaus ist das Ziel des Pflegepauschbetrages nach § 33b Abs. 6 EStG, es lässt sich aus verschiedenen Verfassungsgütern herleiten und kann unter die gemeinnützi-gen Zwecke des § 52 Abs. 2 Nr. 3 (Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens) und Nr. 4 (Förderung der Jugend- und Altenhilfe) als besonders gemeinwohlförderlich subsumiert wer-den.

777 BT-Drs. 13/1558, v. 31.5.1995, S. 157; Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 33b Rn. 14; K. Heger, in:

Blümich, EStG, 2017, § 33b Rn. 117. 778 BT-Drs. 13/1558, v. 31.5.1995, S. 157; Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 33b Rn. 14. 779 BFH, v. 21.3.2002, III R 42/00, BStBl. II 2002, 417; Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 33b Rn. 14. 780 Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 33b Rn. 16; K. Heger, in: Blümich, EStG, 2017, § 33b Rn. 52. 781 BT-Drs. 11/2157, v. 19.4.1988, S. 151 f.; K. Heger, in: Blümich, EStG, 2017, § 33b Rn. 108; Nolde, Die

Pflegebedürftigkeit und ihre Auswirkungen im Steuerrecht, DStR 1988, 572 (572). 782 BR-Drs. 718/07, v. 19.10.2007, S. 217; BT-Drs. 12/5262, v. 24.6.1993, S. 90; Gallner, Erfurter Kommentar

zum Arbeitsrecht, PflegeZG, 2015, § 3 Rn. 1.

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AAnsätze im Einkommensteuergesetz 145

Strukturell wirkt sich die bei den Steuerbefreiungstatbeständen nach § 3 EStG beschriebene Problematik der Einkünftequalifikation von gemeinnütziger Tätigkeit nicht auf den Förderan-satz des § 33b EStG aus. Der Pflege-Pauschbetrag wird nach § 2 Abs. 4 EStG vom Gesamtbe-trag der Einkünfte abgezogen. Der Gesamtbetrag der Einkünfte ist die Summe der Einkünfte aller Erwerbstatbestände des § 2 Abs. 1 EStG. Obwohl die Pflegetätigkeit nicht als Erwerbs-tatbestand gilt, denn sie muss nach § 33b Abs. 6 EStG unentgeltlich ausgeführt werden, kön-nen die pauschalierten Pflegeausgaben gegenüber den Einkünfte aus den Erwerbstatbeständen des § 2 Abs. 1 EStG angerechnet werden. Einkommensteuersystematisch erfolgt die Anrech-nung über das Instrument der außergewöhnlichen Belastungen nach §§ 33 ff. EStG. Darüber wird ein erhöhter existenzieller Grundbedarf erfasst, der aufgrund persönlicher, nicht dispo-nibler Umstände vorliegt.783 Nach dem Bundesfinanzhof soll die Einkommensbesteuerung erst jenseits des Existenzminimums beginnen, was durch den Grundfreibetrag des § 32a Abs.1 Nr. 1 EStG und auch durch § 12 Nr. 1 EStG zum Ausdruck kommt.784 § 33 EStG und folglich auch § 32b Abs. 6 EStG dienten dazu, den existenzieller Grundbedarf genauer zu ermitteln, so dass sich bei Vorliegen der Voraussetzungen in der Regel der Betrag der Bemessungsgrund-lage verringert (zu versteuernde Einkommen, § 2 Abs. 5 Satz 1 EStG). Dadurch besteht mit § 32b Abs. 6 EStG ein grundsätzlich kohärenter Förderbaustein für gemeinnütziges Pflegeenga-gement, der auch mit dem Medizinischen Dienst der Krankenkassen für die Pflegeaspekte und der lokalen Finanzverwaltung für die steuerlichen Aspekte von unabhängigen Prüfungsinstan-zen bei der Erfassung und Anerkennung begleitet wird. Durch die konkrete Förderung der Anrechnung eines Pflege-Pauschbetrages in Höhe von jährlich 924 Euro wird weniger inten-siv in andere Verfassungsgüter eingegriffen als im Rahmen des § 19 SGB XI (Pflegeperson) und des § 1 Pflegezeitgesetzes (Anspruch auf Pflegezeit), so dass der dort aufgezeigte verfas-sungsrechtliche Rechtfertigungsansatz übernommen werden kann.785 Im Ergebnis liegt mit § 33b Abs. 6 EStG ein kohärenter Ansatz zur Förderung von gemeinnützigem Engagement von Individuen vor. Durch die Anknüpfung an die Senkung der Bemessungsgrundlage wirkt sich die Förderung durch den progressiven Einkommensteuertarif des § 32a EStG allerdings unter-schiedlich aus. Pflegende mit einem zu versteuernden Einkommen unterhalb des Grundfreibe-trages von jährlich 8.820 Euro (§ 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG) werden gar nicht gefördert, während darüber hinaus der Förderbetrag (die steuerliche Anerkennung786) mit zu versteuerndem Ein-kommen des steuerpflichtigen Pflegenden steigt.

783 Mellinghoff, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 33 Rn. 1; K. Heger, in: Blümich, EStG, 2017, § 33 Rn. 4. 784 BFH, v. 21.6.2007, III R 48/04, BStBl. II 2007, 880, BFH/NV 2007, 2176; v. 18.3.2004, III R 31/02, BStBl.

II 2004, 867, BFH/NV 2004, 880; v. 19.5.1995, III R 12/92, BStBl. II 1995, 774, BFHE 178, 207. 785 Siehe 4. Kapitel A. III. 4. 786 BT-Drs. 11/5582, v. 7.11.1989, S. 27.

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146 Fünftes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Steuerrecht

V Steuerprivileg: Anrechnung nach § 10b EStG

§ 10b EStG kodifiziert drei Fälle des Sonderausgabenabzugs: den Abzug von Zuwendungen zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke (Abs. 1), den Abzug von Spenden in den Vermö-gensstock einer Stiftung (Abs. 1a) und den Abzug von Zuwendungen an politische Parteien (Abs. 2). Exemplarisch wird die Abhandlung nur den ersten Ansatz besprechen. Steuerpflich-tig im Sinne der §§ 1, 1a EStG sind natürliche Personen, so dass in erster Linie Zuwendungen (Geldspenden, Mitgliedsbeiträge) von natürlichen Personen an gemeinnützige Körperschaften erfasst werden, die bei der Steuererklärung steuervergünstigend geltend gemacht werden kön-nen. Durch den nahezu inhaltsgleichen § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG können auch Körperschaften im Sinne von § 1 Abs. 1 KStG dieses Steuerprivileg nutzen. Gemäß § 10b Abs. 1 EStG können Zuwendungen (Spenden und Mitgliedsbeiträge) zur Förde-rung steuerbegünstigter Zwecke im Sinne der §§ 52–54 AO als Sonderausgaben abgezogen werden.787 Sonderausgaben sind die in §§ 10-10i EStG abschließend aufgezählten privaten Aufwendungen, wenn sie weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind und auch nicht als solche behandelt werden (§ 10 Abs. 1 Satz 1 EStG). Betriebsausgaben sind durch den Betrieb (Einkunftsquelle) veranlasst (§ 4 Abs. 4 EStG). Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnah-men (§ 9 Abs.1 Satz 1 EStG). Je nach Einkunftsart des § 2 Abs. 1 EStG werden diese Positio-nen im Rahmen der einheitlichen Feststellung der Einkünfte (§ 2 Abs. 2 EStG) als Erwerbs-aufwendungen abgezogen (objektives Nettoprinzip).788 Sonderausgaben weisen dagegen kei-nen derartigen Bezug zu den sieben Einkunftsquellen auf, sondern sind privat veranlasst.789 Nach dem ebenfalls im Einkommensteuerrecht geltenden subjektiven Nettoprinzip werden diese privaten existenzsichernden Aufwendungen nun vom Gesamtbetrag der Einkünfte abge-zogen (§ 2 Abs. 4 EStG).790 Der Sonderausgabenabzug nach § 10b EStG lässt sich hingegen nicht durch die Zwangsläu-figkeit der Aufwendungen zur Existenzsicherung rechtfertigen, denn die Zuwendungen erfol-

787 Brandl, in: Blümich, EStG, 2017, § 10b Rn. 1. 788 BVerfG, v. 4.12.2002, 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BStBl. II 2003, 534, BVerfGE 107, 27; BFH, v.

17.12.2008, GrS 2/04, BStBl. II 08, 608, BFHE 220, 129; v. 23.8.1999, GrS 2/97, BStBl. II 1999, 782, BFHE 189, 160; Ratschow, in: Blümich, EStG, 2017, § 2 Rn. 100; Kischel, in: BeckOK GG, 2017, Art. 3 Rn. 149; Wernsmann, Die Neuregelung der Entfernungspauschale ist verfassungsgemäß, DStR 2007, 1149 (1150).

789 BFH, v. 6.7.1966, VI 124/65, BStBl. III 66/584; Hutter, in: Blümich, EStG, 2017, § 10 Rn. 25. 790 Fischer, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 10 Rn. 1; Hutter, in: Blümich, EStG, 2017, § 10 Rn. 25; Jachmann, in:

Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements, 2002, S. 70.

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AAnsätze im Einkommensteuergesetz 147

gen freiwillig.791 Für Kirchhof handelt es sich hierbei um altruistische Vermögensopfer, die zur selbstlosen Finanzierung öffentlicher Aufgaben verwendet werden.792 Sie erreichten ähn-liche Gemeinnützigkeitswirkungen wie die Verwendung des Staatsaufkommens im Staats-haushalt, weswegen der Staat sie auch von der Einkommensbesteuerung verschone.793 Der Sonderausgabenabzug nach § 10b Abs. 1 EStG ist in der Höhe begrenzt auf insgesamt 20 Prozent des Gesamtbetrages der Einkünfte oder 4 Promille des Gesamtumsatzes und der im Kalenderjahr aufgewendeten Löhne und Gehälter. Als weitere Voraussetzung nach § 10b Abs. 1 Satz 2 EStG müssen die Zuwendungen an eine juristische Person des öffentlichen Rechts (Nr. 1)794 oder eine gemeinnützige Körperschaft im Sinne der §§ 51 Abs. 1 AO, 1 Abs. 1, 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG (Nr. 2) erfolgen.795 Nicht abziehbar sind hingegen Mitgliedsbeiträge an Körperschaften, die den Sport796, in erster Linie der Freizeitgestaltung dienende kulturelle Betätigungen, die Heimatpflege und Heimatkunde oder gemeinnützigen Zwecken nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 AO (unter anderem Tierzucht, Pflanzenzucht, Kleingärtnerei) fördern (§ 10b Abs. 1 Satz 8 EStG). Als Zuwendungen gelten auch Sachzuwendungen. Ausdrücklich ausgeschlossen ist dagegen die Berücksichtigung von Nutzungen und Leistungen (§ 10b Abs. 3 S. 1 EStG), so dass von natürlichen Personen gegenüber gemeinnützigen Einrichtungen erbrachte Zeitspenden nicht von § 10b EStG erfasst werden.797 Über die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden und Mitgliedsbeiträgen für steuerbegüns-tigte Zwecke nach §§ 52-54 AO ist als Ziel von § 10b Abs. 1-2 EStG die Förderung des ge-meinnützigen Engagements von Einzelpersonen festzuhalten. Die Strukturen zur Zielerrei-chung sind durch den Sonderausgabenabzug des § 10b EStG, der unabhängig von der Steuer-barkeit der Zuflüsse aus der Tätigkeit greift und die Bemessungsgrundlage des steuerpflichti-gen Engagierten senkt, kohärent ausgestaltet. Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 EStDV dürfen Zu-wendungen nach § 10b EStG nur dann abgezogen werden, wenn sie durch eine vom Empfän-ger ausgestellte Zuwendungsbestätigung nach amtlichem Vordruck (§ 63 Abs. 5 AO) nach-

791 Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 10b Rn. 1; Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rah-

menbedingungen bürgerschaftlichen Engagements, 2002, S. 264. 792 Geserich, Gemeinnützigkeit, in: FS Kirchhof, Leitgedanken des Rechts, 2013, 1755 (1756 ff.); Kirchhof, in:

Kirchhof, EStG, 2015, § 10b Rn. 1. 793 Geserich, Gemeinnützigkeit, in: FS Kirchhof, Leitgedanken des Rechts, 2013, 1755 (1756 ff.); Kirchhof, in:

Kirchhof, EStG, 2015, § 10b Rn. 1. 794 „Oder eine öffentliche Dienststelle, die in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union oder in einem Staat

belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) Anwendung findet“ (§ 10b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG).

795 Oder an eine durch das EWR-Abkommen gleich zu behandelnde Körperschaft (§ 10b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 EStG).

796 Eigentlich ein gemeinnütziger Zweck nach § 52 Abs. 1 S. 1 Nr. 21 AO. 797 Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements,

2002, S. 263.

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148 Fünftes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Steuerrecht

gewiesen werden.798 Korrespondierend dazu hat die Empfängerkörperschaft nach § 50 Abs. 4 Satz 1 EStDV die Vereinnahmung der Zuwendung und die zweckentsprechende Verwendung ordnungsgemäß zu dokumentieren sowie ein Doppel der Zuwendungsbestätigung aufzube-wahren.799 Engagierte haben jährliche eine Einkommensteuererklärung abzugeben, so dass mit der Finanzverwaltung eine unabhängige Prüfinstanz besteht, die jede konkrete Förderung anhand der Aufzeichnungen nachvollziehen und begleiten kann. Der Sonderausgabenabzug nach § 10b EStG ist ein systematisch kohärenter Ansatz zur Förderung von gemeinnützigem Engagement von Individuen in Form der Berücksichtigung von Geldspenden und Mitglieds-beiträgen. Vergleichbar mit dem Ansatz des § 33b Abs. 6 EStG wirkt sich die Förderung nach § 10b EStG durch die Anknüpfung an eine Senkung der Bemessungsgrundlage und den pro-gressiven Einkommensteuertarif des § 32a EStG bei den Engagierten hingegen in unterschied-licher Höhe aus.

VI Steuerprivileg: Senkung der Steuerlast nach § 34h EStG (nicht umgesetzt)

Die Bundesregierung wollte 2007 mit der Kodifizierung von § 34h EStG die Förderung von Zeitspenden natürlicher Personen ausweiten.800 Die Regelung sah vor, dass Steuerpflichtige, die monatlich mindestens 20 Zeitstunden freiwillig unentgeltlich alte, kranke oder behinderte Menschen betreuen, eine unmittelbare Senkung der Steuerlast um 300 Euro beanspruchen können. Das Instrument der direkten Steuerlastsenkung, das eine steuerlich gleiche Förderung aller Engagierten erreichen kann, ist politisch also bereits einmal angedacht worden. Der Vor-schlag wurde hingegen ohne konsensfähigen Alternativvorschlag im Finanzausschuss stark kritisiert und später verworfen.801

B Ansätze im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz

Auch das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz kennt mit § 13 Abs. 1 Nr. 16 und Nr. 17 ErbStG Steuervergünstigungen zur Förderung einer Gemeinnützigkeit. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer folgt in Deutschland dem System der Anfallsteuer, besteuert wird daher die konkrete Bereicherung jedes Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist (§ 10 Abs. 1 ErbStG).802 Steuerfrei sind beispielsweise Zuwendungen an inländische Körperschaften, Per- 798 BR-Drs. 418/99, v. 9.7.1999, S. 13; Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbedingun-

gen bürgerschaftlichen Engagements, 2002, S. 76; Thiel, die Neuordnung des Spendenrechts, DB 2000, 392 (393); Kümpel, Die Änderungen des Spendenrechts ab dem 1.1.2000, FR 2000, 91 (93).

799 BR-Drs. 418/99, v. 9.7.1999, S. 13; Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbedingun-gen bürgerschaftlichen Engagements, 2002, S. 76; Thiel, die Neuordnung des Spendenrechts, DB 2000, 392 (393); Kümpel, Die Änderungen des Spendenrechts ab dem 1.1.2000, FR 2000, 91 (93).

800 Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements, BT-Drs. 16/5200, v. 3.5.2007, S. 8.

801 Deutscher Bundestag, Wortprotokoll zur 62. Sitzung des Finanzausschusses am 11.6.2007, BT 16/62, S. 12, 17, 18, 23.

802 Meincke, in: Meincke, ErbStG, 2012, § 10 Rn. 7; Gebel, Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 2017, § 10 Rn. 1.

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BAnsätze im Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz 149

sonenvereinigungen und Vermögensmassen, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken dienen (§ 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG).803 Diese Regelung stellt sicher, dass Spenden im Sin-ne von §§ 10b EStG, 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG, 9 Nr. 5 GewStG an gemeinnützige Körperschaf-ten zwar als freigebige Zuwendungen nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbar sind, aber im zweiten Prüfungsschritt von der Steuer befreit werden.804 § 13 Abs. 1 Nr. 16 Buchst. b ErbStG knüpft aus einem Einzelsteuergesetz heraus an den Gemeinnützigkeitsstatus des § 51 Abs. 1 AO an,805 so dass die Norm zwar nicht auf Zuwendungen an Einzelpersonen anwendbar ist, aber dennoch die Geldspende zu gemeinnützigen Zwecken und damit gemein-nütziges Engagement fördert. Dessen ungeachtet sind nach § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG Zuwendungen steuerfrei, die aus-schließlich kirchlichen, gemeinnützigen oder mildtätigen Zwecken gewidmet sind, sofern die Verwendung zu dem bestimmten Zweck gesichert ist. Für Jülicher grenzt sich § 13 Abs. 1 Nr. 17 von Nr. 16 dadurch ab, dass der Zuwendende den konkreten Verwendungszweck festlegen muss.806 Nach dem Bundesfinanzhof muss die Verwendung zu steuerbegünstigten Zwecken lediglich vom Zuwendenden verfügt und im Übrigen gesichert sein.807 Die Steuerbefreiung wird für Halaczinsky unabhängig von der Rechtsnatur des Empfängers gewährt808 und findet ihren Anwendungsbereich im Verhältnis zu Nr. 16 (lex specialis) vor allem abseits der status-fähigen Rechtssubjekte des § 51 Abs. 1 AO, also insbesondere bei Personengesellschaften und Individuen.809 Für Geck fallen unmittelbare Zuwendungen an Einzelpersonen nicht unter § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG, derartige Zuwendungen seien Eigennutzen bei den Empfängern und damit keine Zweckzuwendung, die zur Förderung der Allgemeinheit dienen würden.810 Die Norm verlange die Förderung eines unbestimmten Personenkreises.811 Dagegen wendet Jülicher § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG auch auf „gewöhnliche Privatpersonen“812 an, das Finanz-amt müsse dann aber einen Nachweis für die zweckgerechte Verwendung verlangen.813 Auch

803 Meincke, in: Meincke, ErbStG, 2012, § 13 Rn. 60 f.; Jülicher, Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 2017, § 13 Rn.

187. 804 Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements,

2002, S. 178; 805 Meincke, in: Meincke, ErbStG, 2012, § 13 Rn. 60 f.; Jülicher, Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 2017, § 13 Rn.

187. 806 Jülicher, Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 2017, § 13 Rn. 222. 807 BFH, v. 24.11.1976, II R 99/67, BStBl. II 1977, 21, BFHE 120, 553; Jülicher, Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG,

2017, § 13 Rn. 222. 808 Halaczinsky, Unentgeltliche Zuwendungen von Vereinen, ErbStB 2004, S. 92. 809 Halaczinsky, Unentgeltliche Zuwendungen von Vereinen, ErbStB 2004, S. 94. 810 Geck, in: Kapp/Ebeling, ErbStG, 2017, § 13 Rn. 165. 811 Geck, in: Kapp/Ebeling, ErbStG, 2017, § 13 Rn. 165. 812 Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 2017, § 13 Rn. 223. 813 Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 2017, § 13 Rn. 223.

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150 Fünftes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Steuerrecht

für Böttcher greift die Steuerfreistellung bei gemeinnützig gebundenen Zuwendungen an „je-dermann“814, wodurch die Norm allerdings in Konflikt zur Organisationsorientierung des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts gerate.815 Würde Halaczinsky, Jülicher und Böttcher mit dem Wortlautargument gefolgt, könnten auch Einzelpersonen in ihrer Eigenschaft als Rechtsträger zweckgebundene Zuwendungen emp-fangen und sicherstellen, dass die Mittel für die bestimmten Zwecke verwendet werden. Rich-tig ist zwar, dass die Zuwendung einem „unpersönlichen Zweck“816 und einem „vagen Perso-nenkreis“817 zugutekommen muss und deswegen die Bereicherungs- und Interessenlage von entscheidender Bedeutung ist.818 Dennoch können Individuen grundsätzlich die Verwendung einer Zuwendung zu bestimmten Zwecken sicherstellen, etwa über die Bildung eines zweck-gebundenen Sondervermögens819 in ihrer eigenen Vermögenssphäre. Die Nachweispflichten könnten ähnlich zu denen gemeinnütziger Körperschaften sein.820 Die Erbschaftsteuerrichtli-nien verlangen lediglich die Bildung eines selbständigen Zweckvermögens in Abgrenzung zu einem zweckfreien Eigenvermögen (RE 13.10 Abs. 2 ErbStR 2011). Insofern sieht § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG eine Möglichkeit vor, gemeinnützig gebundene Mittel zur Zweck-verwirklichung steuerfrei an Individuen weiterzureichen und somit Individuen selbstständig und unabhängig in staatlich anerkannte gemeinnützige Engagementaktivitäten einzubeziehen. § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG erkennt de lege lata eine gemeinnützig gebundene Sondervermö-genssphäre innerhalb der natürlichen Person an, innerhalb der sie nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbare freigebige Zuwendungen als an gemeinnützige Zwecke (§§ 52-54 AO) gebundene „Spenden“ steuerfrei empfangen kann. Dieser Umstand ist deswegen so bedeutsam, weil das geltende Recht die Einzelperson neben der gemeinnützigen Körper-schaft als Rechtsträger (Spendenempfänger) einer gemeinnützig gebundenen Zuwendung ak-zeptiert und einsetzt. Die hierzu bei gemeinnützigen Körperschaften korrespondierende Rege-lung in § 10b Abs. 1 EStG und die Förderung in Form der steuerlichen Abzugsmöglichkeit beim Zuwendenden aber fehlt, wodurch zumindest Zweifel entstehen, ob diese Ungleichbe-handlung vor Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist. Im Ergebnis verfolgt § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG das Ziel, gemeinnützige Zweckverwirklichung zu fördern und

814 Böttcher, Transnationale Strukturen unternehmerisch tätiger NPO, 2017, S. 8. 815 Böttcher, Transnationale Strukturen unternehmerisch tätiger NPO, 2017, S. 8. 816 BFH, v. 20.12.1957, III 250/56 U, BStBl. III 1958, 79. 817 BFH, v. 20.12.1957, III 250/56 U, BStBl. III 1958, 79. 818 BFH, v. 5.11.1992, II R 62/89, BStBl. II 1993, 161. 819 Die Bildung eines Sondervermögens bei einer natürlichen Person ist aus dem Treuhandrecht bekannt. Rie-

senhuber, in: BeckOGK BGB, 2015, § 662 Rn. 71; Schubert, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 2015, § 164 Rn. 51 f. Zur Diskussion, ob § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG die Bildung eines selbstständigen Zweckvermögens voraussetzt: Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, 2017, § 13 Rn. 232.

820 Beispielsweise als ordnungsgemäße Aufzeichnungen über die Einnahmen und Ausgaben, in Anlehnung an § 63 Abs. 3 AO.

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C Ansätze im Umsatzsteuergesetz 151

sieht mit der steuerfreien Zuwendung gemeinnützig gebundener Mittel systematisch kohären-te Förderstrukturen vor, um eine Besteuerung dieser freigebigen Zuwendungen zu vermeiden. Die lokale Finanzverwaltung prüft die erforderlichen Nachweise als unabhängige Prüfinstanz. Die Norm stellt damit einen wichtigen Baustein für den Fall dar, dass ein grundlegender Ge-meinnützigkeitsstatus für Individuen geschaffen werden soll. Es bedürfte insoweit jedenfalls keiner Anpassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes.

C Ansätze im Umsatzsteuergesetz

Das Umsatzsteuergesetz entwickelt unter anderem in § 4 Nrn. 16, 21, 23, 25 UStG verschie-dene Ansätze von Steuervergünstigungen, die gemeinnütziges Engagement fördern können. So stellt beispielsweise § 4 Nr. 16 Buchst. f UStG die Umsätze von Leistungen einer nach § 142 SGB IX anerkannten Einrichtung steuerfrei, wenn sie mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung oder Pflege körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng ver-bunden sind.821 Oder nach § 4 Nr. 25 UStG sind Leistungen der Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 SGB XIII umsatzsteuerfrei, wenn sie von Trägern der öffentlichen Jugendhilfe oder anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter erbracht werden.822 Keine der Steuerbefreiungen ist dabei ausdrücklich auf Körperschaften im Sinne des § 51 Abs. 1 AO beschränkt, sodass diese grundsätzlich auch Individuen zugänglich wären, die von der im Umsatzsteuerrecht üblichen Formulierung „Einrichtungen“823 jedenfalls nicht von vorneherein ausgeschlossen sind.824 Allerdings können über § 4 UStG nur Umsätze aus Lieferungen und Leistungen von der Um-satzsteuer befreit werden, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Mangels Entgeltlichkeit der gemeinnützigen Tätigkeit und mangels einer Unternehmereigenschaft der ausführenden Rechtssubjekte bei der konkreten gemeinnützigen Handlung scheinen weder Individuen noch andere Rechtssubjekte im Rahmen ihres gemeinnützigen Engagements umsatzsteuerpflichtig. Die Umsatzsteuer setzt insbesondere durch die Entgeltlichkeit der Lieferungen und Leistungen außerhalb der Ge-meinnützigkeitssphäre an. Nichts Anderes kann letztlich für § 4 Nr. 26 UStG gelten. Hiernach sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen diejenigen steuerfrei, die auf ehrenamtliche Tätig-keiten entfallen, wenn die Tätigkeit für juristische Personen des öffentlichen Rechts ausgeübt wird (Buchst. a) oder wenn das Entgelt für diese Tätigkeit nur in Auslagenersatz und einer 821 Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, 2015, § 4 Nr. 16 Rn. 63-65; Heidner, in: Bunjes, UStG, 2015, § 4 Nr. 16

Rn. 15. 822 Oelmaier, in: Sölch/Ringleb, UStG, 2015, § 4 Nr. 25 Rn. 64, 65, 68; Heidner, in: Bunjes, UStG, 2015, § 4

Nr. 25 Rn. 3, 4. 823 So etwa in § 4 Nr. 16 „Einrichtungen zur Betreuung und Pflege“; in Nr. 21 „berufsbildender Einrichtungen“;

in Nr. 23 „durch Einrichtungen“; in Nr. 25 „anderen Einrichtungen mit sozialem Charakter“; in Nr. 27 824 Korn, in: Bunjes, UStG, 2015, § 2 Rn. 10; Klenk, in: Sölch/Ringleb, UStG, 2015, § 2 Rn. 68.

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152 Fünftes Kapitel: Gemeinnütziges Engagement von Individuen im Steuerrecht

angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht (Buchst. b). Umsatzsteuerpflichtig nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG ist ein Unternehmer, der eine Leistung entgeltlich am Markt zum Zwecke des materiellen Hinzuerwerbs anbietet und damit einen Umsatz realisiert. Gemein-nützige Tätigkeit ist hingegen nicht auf materiellen Hinzuerwerb gerichtet und kann steuer-systematisch nicht durch eine Umsatzsteuerbefreiung gefördert werden. Jedenfalls dann nicht, wenn dem Gedanken der zunächst groben Zuordnung der Tätigkeiten eines Rechtssubjektes in die Privat-, Markt-, Staats- oder Gemeinnützigkeitssphäre gefolgt wird und darauf aufbauend eine Tätigkeit gegen Auslagenersatz und angemessene Entschädigung in begrenzter Höhe825 als unentgeltlich angesehen wird.826 Sofern die Förderung von gemeinnützigem Engagement nicht rechtssubjektbezogen, sondern tätigkeitsbezogen erfolgen soll, dann scheint der Rege-lungskomplex der Umsatzsteuer hierzu grundsätzlich ungeeignet, auch wenn dadurch der Zu-gang zum Vorsteuerabzug (wie beim Ansatz der Steuerfreistellung auch) versperrt ist.

D Ansätze im Grundsteuergesetz

Das Grundsteuergesetz befreit Grundbesitz dann von der Grundsteuer, wenn er für die Zwe-cke eines Krankenhauses benutzt wird und wenn das Krankenhaus in dem Kalenderjahr, das dem Veranlagungszeitraum vorangeht, die Voraussetzungen des § 67 AO als Zweckbetrieb erfüllt hat (§ 4 Nr. 6 GrStG). Zudem muss eine Rechtsträgeridentität zwischen dem Rechts-träger bestehen, der das Grundstück zum Betrieb eines Krankenhauses nutzt, und demjenigen Rechtsträger, dem das Grundstück privatrechtlich als Eigentümer zuzurechnen ist (§ 4 Abs. 6 Satz 2 GrStG).827 Zwar enthält § 4 Abs. 6 Satz 1 GrStG einen ausdrücklichen Verweis auf das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht (§ 67 AO), und das Betreiben eines Krankenhauses im Sinne von § 67 AO ist als Förderung gemeinnütziger Zwecke über § 52 Abs. 2 Nr. 3 aner-kannt. Die Steuervergünstigung wird allerdings rechtsformunabhängig gewährt, sodass auch Individuen von ihr profitieren können. Dennoch ist die Tätigkeit des Betreibens eines Kran-kenhauses im Sinne von § 67 AO durch die Prägung als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb auf materiellen Hinzuerwerb gerichtet und demnach mangels Unentgeltlichkeit nicht der Gemein-nützigkeitssphäre zuzuordnen. Aus diesem Grund kann § 4 Nr. 6 GrStG gemeinnütziges En-gagement nicht systemkohärent fördern und ist nicht in den Katalog der Förderansätze einer individuellen Gemeinnützigkeit im geltenden Recht aufzunehmen. 825 In Höhe des sozioökonomischen Existenzminimums, das sich beispielsweise andeutet in den Regelbedarfen

des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes (399 Euro). Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Re-gelbedarf bei Arbeitlosengeld II, http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Grundsicherung/Leistungen-zur-Sicherung-des-Lebensunterhaltes.html, abgerufen am 26.8.2015; § 20 Abs. 2 S. 1 SGB II; zum Inhalt des Regelbedarfs Breitkreuz, in: BeckOK Sozialrecht, SGB II, 2017, § 20 Rn. 2 ff.). Das Bundesfreiwilligen-dienstgesetz qualifiziert eine Tätigkeit als nicht erwerbsgerichtet (unentgeltlich) ein, die gegen ein Taschen-geld von monatlich 363 Euro und zusätzlich freie Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung erbracht wird (§ 2 Nr. 4 BFDG). Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 2 Rn. 44.

826 Dieser Ansatz wird durch die Abhandlung vertreten. Siehe hierzu 2. Kapitel, insbesondere C. 827 BFH, v. 9.10.1970, III R 2/69, BStBl. II 1971, 63; Hessisches FG, v. 3.9.2008, 3 K 3934/03, RDG 2009, 123.

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E Ansätze im Kraftfahrzeugsteuergesetz 153

E Ansätze im Kraftfahrzeugsteuergesetz

Gemäß § 1 Nr. 1 KraftStG unterliegt das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen der Kraftfahrzeugsteuer. Von der Steuerpflicht befreit sind nach § 3 Nr. 5 KraftStG Fahrzeuge, solange sie ausschließlich im Feuerwehrdienst, im Katastrophen-schutz, für Zwecke des zivilen Luftschutzes, bei Unglücksfällen, im Rettungsdienst oder zur Krankenbeförderung verwendet werden. Das Fahrzeug muss hierfür äußerlich für die genann-ten Zwecke bestimmt erkennbar und nach Bauart sowie Einrichtung an die Zwecke angepasst sein. Die Befreiung wird rechtsformunabhängig gewährt und die genannten Zwecke können unter die gemeinnützigen Zwecke des § 52 Abs. 2 Nrn. 3, 11 und 12 AO subsumiert werden. So stellt § 3 Nr. 5 KraftStG einen systemkohärenten Ansatz zur Förderung von gemeinnützi-gem Engagement dar. Dies gilt ebenso für § 3 Nr. 5a KraftStG, der die Fahrzeuge von ge-meinnützigen oder mildtätigen Organisationen für die Zeit von der Kraftfahrzeugsteuer be-freit, in der sie ausschließlich für humanitäre Hilfsgütertransporte in das Ausland oder für zeitlich damit zusammenhängende Vorbereitungsfahrten verwendet werden. Zwar kann die Förderung nur von bestimmten Organisationen in Anspruch genommen werden und ist daher nicht rechtsformneutral ausgestaltet. Dennoch kann das Erbringen von Hilfsgütertransporten in das Ausland beispielsweise unter den gemeinnützigen Zweck der Entwicklungszusammen-arbeit nach § 52 Abs. 2 Nr. 15 AO subsummiert werden, so dass die Steuerbefreiung im Er-gebnis gemeinnütziges Engagement fördert.828

F Zusammenfassung der Ansätze im Steuerrecht

Vor dem Maßstab der Systemkohärenz fördern folgende Normen des geltenden Steuerrecht gemeinnütziges Engagement: § 33b Abs. 6 EStG durch die Möglichkeit der Anrechnung Pflege-Pauschbetrages in Höhe von 924 Euro auf den Gesamtbetrag der Einkünfte (als außer-gewöhnliche Belastungen); § 10b EStG durch die Möglichkeit der Anrechnung von Zuwen-dungen an unter anderem gemeinnützige Organisationen in begrenzter Höhe auf den Gesamt-betrag der Einkünfte (als Sonderausgaben); § 13 Abs. 1 Nr. 16 ErbStG durch die Möglichkeit, die nach § 10b Abs. 1 EStG abzugsfähigen Spenden auch bei der gemeinnützigen Empfän-gerkörperschaft zu vereinnahmen; § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG durch die Möglichkeit, alle von einem Zuwendenden unter Bestimmung eines gemeinnützigen Zwecks zugewendeten Zu-wendungen bei jedem Rechtssubjekt steuerfrei vereinnahmen zu können; § 3 Nr. 5, 5a KrafStG durch die Möglichkeit, Fahrzeuge, die ausschließlich zur Förderung bestimmter ge-meinnütziger Zwecke eingesetzt werden, von der Kraftfahrzeugsteuer befreien zu lassen.

828 Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 52 Rn. 34.

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Sechstes Kapitel: Gleichbehandlungsgebot und Statusbeschränkung

In der Bundesrepublik Deutschland ist die Gemeinnützigkeit ein Instrument zur Gemeinwohl-förderung, dessen Berücksichtigung für den Gesetzgeber verfassungsrechtlich geboten ist („ob“).829 Die konkreten Maßnahmen zur Förderung von gemeinnützigem Engagement sind sodann der Leistungsverwaltung zuzuordnen.830 Dadurch steht dem Gesetzgeber ein weiter Ermessensspielraum bei der Ausgestaltung des Fördersystem zu („wie“), dessen Grenzen durch den verfassungsrechtlichen Maßstab der Systemkohärenz gesetzt werden.831 Der Maß-stab erfordert, dass einzelne Fördermaßnahmen sowie insbesondere das Fördersystem in der Gesamtschau einem aus der Verfassung ableitbaren Ziel folgen, kohärente Zielerreichungs-strukturen vorweisen, eine unabhängige Prüfungsinstanz integrieren und letztlich jede Förder-leistung im Sinne der praktischen Konkordanz ausgeglichen sowie verfassungsrechtlich ge-rechtfertigt ist. Das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht der §§ 51-68 AO folgt dem Ziel, ge-meinnütziges Engagement zu erfassen, anzuerkennen und zu fördern.832 Das Ziel ist aus der Verfassung ableitbar, die Berücksichtigung einer Gemeinnützigkeitssphäre ist gar verfas-sungsrechtlich geboten.833 Werden sodann die konkreten Förderstrukturen des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts („wie“) untersucht, tritt erneut die Beschränkung des persönlichen Anwendungsbereichs der §§ 51-68 AO auf Körperschaften im Sinne des Körperschaftssteuer-gesetzes in den Vordergrund.834 Fraglich ist daher, ob § 51 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 1 Abs. 1 KStG gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Dies ist der Fall, wenn eine rechtlich relevante Ungleichbehandlung vorliegt und die Ungleichbehand-lung verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt werden kann.835 Denn Steuervergünstigungen, auch jene zur Förderung einer Gemeinnützigkeit, sind rechtsformneutral auszugestalten.836

829 Zum Gebot der Berücksichtigung einer Gemeinnützigkeit als Instrument der Gemeinwohlförderung Einlei-

tung A. 830 Vgl. BFH, v. 24.5.2012, III R 68/11, BStBl. II 2013, 864, BFHE 238, 394; Selder, in: Blümich, EStG, 2017,

§ 32 Rn. 66; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 429. Zur Leistungsverwaltung: Hill, Rechtsverhältnisse in der Leistungsverwaltung, NJW 1986, 2602 (2604).

831 Zum Maßstab der Systemkohärenz 2. Kapitel D. 832 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 9; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuer-

staat, 2010, S. 316; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des Grundgesetzes – Gemeinnützig-keit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 35; Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (11); Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, Vor § 51-68 Rn. 35.

833 Zum Gebot der Berücksichtigung einer Gemeinnützigkeit als Instrument der Gemeinwohlförderung Einlei-tung A.

834 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 20; Hüttemann, Gemeinnützig-keits- und Spendenrecht, 2012, § 2 Rn. 1 ff.; van Randenborgh, in: Schauhoff, Handbuch der Gemeinnützig-keit, 2010, § 1 Rn. 2.

835 BVerfG, v. 23.10.1951, 2 BvG 1/51, NJW 1951, 877, Leitsatz 18; v. 16.3.1955, 2 BvK 1/54, BVerfGE 4, 144; v. 21.2.1957, 1 BvR 241/56, BVerfGE 6, 273; v. 9.2.1990, 1 BvR 717/87, NJW 1990, 2053 (2053); Ki-schel, in: BeckOK, GG, 2017, Art. 3 Rn. 15.

836 BVerfG, v. 10.11.1999, 2 BvR 2861-93, DStR 1999, 1984 (1985); Hüttemann, Grundprinzipien des steuerli-chen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (53).

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018C. Alders, Die partiell gemeinnützige (natürliche) Person, Schriften zum Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20793-9_7

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156 Sechstes Kapitel: Gleichbehandlungsgebot und Statusbeschränkung

A Rechtlich relevante Ungleichbehandlung

Für eine rechtlich relevante Ungleichbehandlung müsste zunächst eine ungleiche Behandlung trotz wesentlicher Gleichheit vorliegen.837 Der Gemeinnützigkeitsstatus wird zur Anerken-nung und Förderung von gemeinnützigem Engagement verliehen, sofern eine Körperschaft ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke verfolgt (§ 51 Abs. 1 Satz 1 AO).838 Körperschaften im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes können den Status der Gemeinnüt-zigkeit erlangen, Individuen dagegen nicht. § 51 Abs. 1 AO behandelt insoweit ungleich. Hinzukommen müsste eine wesentliche Gleichheit von Körperschaften und Individuen in ihren Eigenschaften.839 Im Mittelpunkt der Anerkennung als gemeinnützig steht die freiwillige, unentgeltliche Enga-gementätigkeit mit einem qualifizierten Gemeinwohlbezug als konkrete, unmittelbare Zweck-verfolgung samt Erträgen für die Allgemeinheit, beispielsweise das Nachhilfeengagement einer pensionierten Lehrerin.840 Gewiss agieren Körperschaften in ihren rechtlichen und tat-sächlichen Strukturen anders als Individuen, dennoch werden die konkreten gemeinnützigen Tätigkeiten auch in Körperschaften von Individuen ausgeführt, und diese Tätigkeit, als An-knüpfungspunkt der Anerkennung und Förderung, kann bei Körperschaften und Individuen vergleichbar und wesentlich gleich sein. Dennoch erkennt das steuerliche Gemeinnützigkeits-recht die gemeinnützige Tätigkeit von Individuen nicht unmittelbar als gemeinnützig an. An-erkannt wird individuelles gemeinnütziges Engagement lediglich mittelbar in folgendem Mo-dell. Die Körperschaft erfüllt die Voraussetzungen der §§ 51 ff. AO und wird als gemeinnüt-zig anerkannt, die engagierte Einzelperson wird in ihrem Auftrag tätig und erhält eine mittel-bare gemeinnützigkeitsrechtliche Anerkennung durch den abgeleiteten Status der Körper-schaft. Laut Finanzausschuss soll damit dieser für das Gemeinwesen wichtigen Tätigkeit steu-erliche Anerkennung gewährt werden.841 Konstitutive Voraussetzung ist, dass Einzelpersonen die Tätigkeit als Hilfsperson der Körperschaft erbringen,842 andernfalls erhalten sie keine An-erkennung – trotz wesensgleicher Tätigkeit. Das Vergleichspaar im Rahmen der Prüfung des Gleichheitssatzes besteht daher im Grunde aus zwei Einzelpersonen, von denen sich eine im Auftrag einer gemeinnützigen Körperschaft engagiert und eine andere die identische Tätigkeit ohne Auftrag einer gemeinnützigen Körperschaft ausführt. Sie üben eine wesensgleiche Tä-

837 BVerfG, Urteil v. 23.10.1951, 2 BvG 1/51, NJW 1951, 877, Leitsatz 18. 838 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 9, 83; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen

Steuerstaat, 2010, S. 316; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des Grundgesetzes – Gemein-nützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundge-setz, 1990, S. 35; Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (11).

839 Alexy, Theorie der Grundrechte, 1985, S. 362. 840 Hierzu ausführlich 1. Kapitel B. I., II. 841 BT-Drs. 11/5582, v. 7.11.1989, S. 27. 842 BMF, v. 17.01.2012, IV A 3, Anwendungserlass zur Abgabenordnung, Nr. 1.2.5. zu § 52 AO.

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B Rechtsfertigungsansätze 157

tigkeit aus, werden aber ungleich behandelt. Hier tritt die Grundentscheidung des Gesetzge-bers für eine Beschränkung des Gemeinnützigkeitsstatus auf Körperschaften hervor, nur von diesen kann anerkanntes gemeinnütziges Engagement im Sinne der Abgabenordnung ausge-hen. Individuen sollen nach dem organisationsgebundenen Förderkonzept843 nur über Körper-schaften, also in fremdem Gewand, den Lichtkegel der staatlichen Gemeinnützigkeitssphäre betreten dürfen. Durch diese Ungleichbehandlung samt anknüpfender staatlicher Anerken-nung und Förderung bei wesentlich gleicher Tätigkeit liegt eine rechtlich relevante und damit vor Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich problematische Ungleichbehandlung vor.

B Rechtsfertigungsansätze

Die Statusbeschränkung ist dennoch mit dem Gleichheitssatz vereinbar, wenn die aufgezeigte Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt ist. Über das Sphärenmodell wird ein tätigkeits-bezogener und rechtsformunabhängiger Blick auf die Gemeinnützigkeit gewagt. Dieser hat den Vorteil, Engagement in seiner ganzen Vielfalt erfassen und zielgenau fördern zu können. Als gemeinnützig wäre dann jede Tätigkeit zu qualifizieren, die freiwillig und unentgeltlich ausgeführt wird und dabei einen qualifizierten Gemeinwohlbezug aufweist. Im Kontext der bisherigen Erfassung der Gemeinnützigkeit (vorrangig über die §§ 51-68 AO) würde die Öff-nung des Blickwinkels auch dem Umstand Rechnung tragen, dass letztlich jedes Engagement in der Gemeinnützigkeitssphäre von natürlichen Personen ausgeht. Sie initiieren Projekte, leisten Dienste, vereinigen sich mit anderen Personen und gründen weitere Rechtssubjekte als Vehikel für gemeinnütziges Engagement. Der für die Gemeinnützigkeit essenzielle Aktivi-tätspunkt ist das Individuum, der einzelne Bürger. Er entwickelt seinem gemeinnützigen Ide-albild nach Gemeinsinn,844 fühlt sich für Allgemeininteressen verantwortlich, entdeckt prob-lematische Interessenkonflikte und löst diese durch kreative Impulse sowie konkrete Engage-mentbereitschaft. Bei der Bewältigung der Aufgabe, das Engagementpotential in der Gemein-schaft zu realisieren, spielt das Gemeinnützigkeitsrecht eine wichtige Rolle. Es setzt Struktu-ren, in denen Engagement erfasst, anerkannt und gefördert werden kann. Die sachliche Recht-fertigung der Statusbeschränkung des § 51 Abs. 1 AO könnte hingegen in den Grundstruktu-ren des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht zu finden sein, wenn diese, wie im Folgenden zu prüfen sein wird, bereits grundsätzlich nicht auf Individuen übertragbar wären.

843 Hüttemann, Grundprinzipien des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (51); Dro-

ege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 165; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuer-staat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 33.

844 Kraft, Die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit, Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht 1932, 315 (362 ff.); RFH, v. 27.4.1932, III A 929/31, RStBl. 1932, 970 (971); Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spenden-recht, 2015, S. 285.

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158 Sechstes Kapitel: Gleichbehandlungsgebot und Statusbeschränkung

I Individuen und der Zwecksetzungsakt

Verfolgt eine Körperschaft steuerbegünstigte Zwecke im Sinne der §§ 52-54 AO, kommt eine Anerkennung als gemeinnützig in Betracht. Körperschaften setzen ihre Zwecke in ihrer Sat-zung oder satzungsähnlichen Grundstatuten fest.845 Fraglich ist nun, ob sich auch Individuen auf bestimmte Zwecke festlegen können. Jedenfalls sind sie nach dem Menschenbild des Grundgesetzes selbstbestimmt und können rechtsverbindliche Willenserklärungen abgeben (§§ 116 ff. BGB).846 Sie können sich grundsätzlich auf eine bestimmte Zweckverfolgung und konkrete Angaben der Zweckverwirklichung festlegen. Nichts Anderes machen Freiwillige in den Vereinbarungen über einen Jugendfreiwilligendienst (§ 11 Abs. 1 Satz 1 JFDG) oder ei-nen Bundesfreiwilligendienst (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BFDG).847 Die Einzelperson kann sich ent-weder durch einseitige Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde oder auch durch beid-seitige Vereinbarung auf eine, eventuell auch nur partielle Zweckverfolgung und eine be-stimmte Art der Zweckverwirklichung festlegen. Die zuständige Behörde könnte die gemein-nützigkeitsrechtlichen Voraussetzungen anhand der Erklärung oder Vereinbarung wie bei Körperschaften ex ante (vergleichbar § 60a EStG) und ex post prüfen. Ob Zweck und konkre-te Zweckverfolgung in einer Satzung oder einer verbindlichen Erklärung stehen, kann für den Aussagegehalt der Zwecksetzung keinen Unterschied machen. Zwar ist ein Willensentschluss zur Zweckänderung und die tatsächliche Zweckänderung bei Körperschaften an höhere Hür-den gebunden als bei Individuen, aber beiden Rechtssubjekten ist es möglich und beiden dro-hen dieselben Konsequenzen, wenn sie verbindliche Erklärungen nicht einhalten. Das Argu-ment, die Voraussetzungen des Status, insbesondere die Beachtung des Satzungsgebotes (§§ 59 ff. AO), sind bei Einzelpersonen nicht in derselben Weise feststellbar wie bei Körper-schaften,848 ist zwar formell richtig, denn Einzelpersonen haben keine Satzung oder Grundsta-tuten. Dennoch greift es im Ergebnis zu kurz. Im Mittelpunkt steht der Zwecksetzungsakt, und den nehmen natürliche Personen qua Rechtsordnung anders vor als Körperschaften. Letz-tere binden sich über Grundstatuten, Individuen dagegen über Willenserklärungen.849 Proble-matisch ist eher die umfassende Bindung natürlicher Personen an bestimmte Zwecke und auch die Bezugnahme vieler Regelungen des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts auf die Satzung, aber grundsätzlich können sich Individuen über Willenserklärungen auf die gemein-nützigkeitsrechtlich geforderte Verfolgung steuerbegünstigter Zwecke und die konkrete Art der Zweckverwirklichung festlegen. 845 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, § 4 II. S. 61 und § 5 I. S. 75. 846 Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 2015, § 116 Rn. 1; Wendtland, in: BeckOK, BGB,

2017, § 104 Rn. 1, § 116 Rn. 2. 847 Hübner/Mansfeld, Bundesfreiwilligendienstgesetz, 2014, § 8 Rn. 2, 8-9, 26. 848 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 26; Ullrich, Gesellschaftsrecht

und steuerliche Gemeinnützigkeit, 2011, S. 83. 849 Armbrüster, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 2015, § 116 Rn. 3; Wendtland, in: BeckOK, BGB,

2017, § 116 Rn. 1.

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B Rechtsfertigungsansätze 159

II Individuen und Ausschließlichkeit nach § 56 AO

Jede Körperschaft muss in ihrer Satzung den Zweck ihrer Existenz niederlegen.850 Körper-schaften sind nur dann vergünstigungsfähig, wenn sie ausschließlich steuerbegünstigte sat-zungsmäßige Zwecke verfolgen (§ 56 AO). Sie dürfen nur steuerbegünstigte Zwecke in der Satzung aufführen und nur diese Zwecke verfolgen.851 Das Kriterium bezieht sich sowohl auf die formelle Satzungsgestaltung als auch auf die Zweckverfolgung im Sinne der tatsächlichen Geschäftsführung (§§ 60, 63 AO).852 Folgerichtig führt die Ausschließlichkeit dazu, dass im Falle der Auflösung oder Aufhebung der Körperschaft oder bei Wegfall des satzungsmäßigen Zweckes das Vermögen zwingend steuerbegünstigten Zwecken zuzuführen ist (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 AO).853 Die Satzung muss hierzu konkrete Bestimmungen enthalten, die eine umfassende Bindung an steuerbegünstigte Verwendungszwecke sicherstellen (§ 60 Abs. 1 AO).854 Jene ausschließliche Zweckverfolgung ist für Individuen problematisch. Sie können sich nicht ausschließlich in den Dienst der Gemeinnützigkeit stellen, denn menschliches Handeln ist immer eigennützig und fremd-/gemeinnützig zugleich.855 Aufgrund jenes partiellen Eigennut-zens856 können natürliche Personen den Anforderungen des Grundsatzes der Ausschließlich-keit nach § 56 AO grundsätzlich nicht gerecht werden. Sofern Individuen die Möglichkeit zu einer ausschließlichen und dauerhaft nicht lösbaren Bindung an Gemeinwohlzwecke erhiel-ten, stünde gar eine Verfassungswidrigkeit dieser Möglichkeit vor dem Menschenwürdegebot des Art. 1 Abs. 1 GG infrage, weil dadurch das Individuum zum Objekt der Gemeinwohlför-derung und letztlich zum Objekt des Staates gemacht werden könnte. Der Selbstbestimmung wären zu enge Grenzen gesetzt und damit verstieße wohl schon die Möglichkeit einer aus-schließlichen Zweckbindung gegen fundamentale Prinzipien des Grundgesetzes. Eine partielle Zweckbindung von Individuen ist hingegen verfassungsrechtlich unproblematisch möglich. Beachtlich ist nun, dass sich gemeinnützige Körperschaften zwar formell ausschließlich an steuerbegünstigte Zwecke binden müssen, letztlich aber im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes (§ 64 AO) Erwerbszwecke verfolgen können. Der Grundsatz der Aus-schließlichkeit kann sich nun entweder auf die Gesamttätigkeit der gemeinnützigen Körper-

850 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2002, § 4 II. S. 61 und § 5 I. S. 75. 851 BFH, v. 23.2.2012, V R 59/09, BStBl. II 2012, 544, BFH/NV 2012, 1289; Koenig, in: Koenig, AO, 2014,

§ 56 Rn. 1; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2009, 56 Rn. 5. 852 BFH, v. 23.2.2012, V R 59/09, BStBl. II 2012, 544, BFH/NV 2012, 1289; Koenig, in: Koenig, AO, 2014,

§ 56 Rn. 1; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2009, 56 Rn. 6. 853 Gersch, in Klein, AO, 2014, § 55 Rn. 20; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2009,

55 Rn. 205 f. 854 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2009, 60 Rn. 3. 855 Then/Kehl, in: Anheier/Schröer/Then, Soziale Investitionen, 2012, S. 117 ff. Hierzu zudem 2. Kapitel A. II. 856 Hüttemann, Grundprinzipien des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (50).

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160 Sechstes Kapitel: Gleichbehandlungsgebot und Statusbeschränkung

schaft beziehen oder nur auf die konkrete Förderaktivität. In beiden Fällen aber ist ein er-werbsgerichtetes Verhalten über wirtschaftliche Geschäftsbetriebe (§ 64 AO) unter dem Dach und innerhalb der gemeinnützigen Körperschaft zulässig.857 Dieser Umstand verändert die Argumentationslinie hinsichtlich der grundsätzlichen Ablehnung einer ausschließlichen Bin-dung von Individuen an steuerbegünstigte Zwecke. Solange ein Erwerbsstreben bei gemein-nützigen Körperschaften akzeptiert wird, kann das Individuen inhärente (partielle) Existenz- und Erwerbsstreben (Eigennutzstreben) jedenfalls nicht der Grund sein, warum der Gemein-nützigkeitsstatus Individuen versagt wird.858 Denn beides kann auch bei gemeinnützigen Kör-perschaften vorliegen und wird dort akzeptiert. Auch sie haben einen Verwaltungsapparat aus Mitarbeitern, Büros und Arbeitsmitteln - ein Selbst. Ohne ihr Selbst sind sie nicht handlungs-fähig und streben daher regelmäßig nach dauerhafter Existenz. Zudem toleriert das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht eine Teilnahme am Markt samt partieller Erwerbsgerichtetheit. Die Erträge daraus sind zwar gemeinnützig gebunden, müssen also zur Förderung steuerbegüns-tigter Zwecke verwendet werden. Sie können aber auch für die Verwaltungskosten der ge-meinnützigen Körperschaft (Selbstkosten) eingesetzt werden. Die Selbstkosten werden folg-lich aus gemeinnützig gebundenen Mitteln bezahlt. Unabhängig davon wie die Literatur das Gebot der Ausschließlichkeit nach § 56 AO auslegt, steht dieses Gebot einer Einbeziehung von natürlichen Personen in das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht nicht entgegen. Daran kann auch der Grundsatz der Vermögensbindung (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 AO) nichts ändern. Gemeinnützige Körperschaften ziehen erst ihren Existenzaufwand ab und setzen nur übrig-bleibendes Vermögen und Gewinne zu steuerbegünstigten Zwecken ein. Das können Indivi-duen grundsätzlich ebenso, nur das Vermögen - konkret das bei einer angemessenen Exis-tenz859 übrigbleibende Vermögen - wäre gebunden. Die Möglichkeit einer solch vereinbarten Vermögensbindung könnte für Einzelpersonen allerdings durch § 311b Abs. 2 BGB ausge-schlossen sein.860 Hiernach ist ein Vertrag nichtig, durch den sich der eine Teil verpflichtet, sein künftiges Vermögen abzutreten. Das Telos der Norm richtet sich darauf, den sozial Schwächeren vor der Tyrannei des Vertrages zu bewahren. 861 Niemand soll den Antrieb zum Erwerb verlieren und erbrechtliche Vorschriften sollen nicht umgangen werden.862 Ange-

857 BFH, v. 1.7.2009, I R 6/08, BFH/NV 2009, 1837; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO,

2009, 56 Rn. 13; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 442.. 858 Ebenso Ullrich, Gesellschaftsrecht und steuerliche Gemeinnützigkeit, Dissertation, 2011, S. 83. 859 Beispielsweise das sozioökonomische Existenzminimum als Richtwert. Gemäß Art. 1 Abs. 1 GG in Verbin-

dung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG besteht ein Grundrecht jedes Bürgers auf Gewähr-leistung eines menschwürdigen Existenzminimums. Dieses sichert ihm die materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und poli-tischen Leben unerlässlich sind. BVerfG, v. 9.2.2010, 1/BvL 1/09,3/09, 4/09, BVerfGE 125, 175; v. 23.7.2014, 1/BvL 10/12, 12/12, 1 BvR 1691/13, NJW 2014, 3425 (3425 f.).

860 A. A. Ullrich, Gesellschaftsrecht und steuerliche Gemeinnützigkeit, Dissertation, 2011, S. 84. 861 Grziwotz, in: Erman, BGB, § 311b, Rn. 83. 862 Grziwotz, in: Erman, BGB, § 311b, Rn. 83.

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B Rechtsfertigungsansätze 161

nommen, eine Einzelperson schlösse eine Vereinbarung mit der zuständigen Behörde über die Einhaltung der Gemeinnützigkeitsvoraussetzung und über den Grundsatz der Vermögensbin-dung, dann wäre sie dennoch nicht lebenslang strikt an die Einhaltung der Voraussetzungen gebunden. Wie Körperschaften stünde es ihr frei, den Gemeinnützigkeitsstatus jederzeit auf-zugeben. Das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht erwähnt diese Möglichkeit ausdrücklich in § 61 Abs. 2 AO. Die zu tragenden Konsequenzen wären der Verlust des Gemeinnützigkeits-status und eine etwaige Nachversteuerung von steuerfrei vereinnahmten Mitteln. Der Verein-barung wäre jedenfalls jederzeit einseitig auflösbar. Dem Individuum blieben unter dem Sta-tus eine angemessene Existenz und die Selbstbestimmung. Im Ergebnis schließt der Grund-satz der Vermögensbindung in Verbindung mit § 311b Abs. 2 BGB einen Gemeinnützigkeits-status für Individuen nicht konsequent aus. Dennoch wäre bei einer Statusöffnung oder bei einem zusätzlichen Status für Individuen darauf zu achten, dass Individuen aufgrund ihres Eigennutzstrebens nur partiell gemeinnützig sein können. Deswegen böte sich ein Status als partiell gemeinnützige Person an. Um die Probleme einer, meines Erachtens für die Gemein-nützigkeit nicht zwingend erforderlichen, strikten Bindung des gesamten Vermögens an steu-erbegünstigte Zwecke zu umgehen, könnte innerhalb der Vermögensverhältnisse des Indivi-duums eine Sondervermögenssphäre geschaffen werden, die dann ausschließlich gemeinnüt-zig gebunden wäre. Die Gemeinnützigkeit würde dann nicht mehr rechtssubjektbezogen er-fasst, sondern bezogen auf die Tätigkeit und gemeinnützig gebundenes Vermögen.

III Individuen und Selbstlosigkeit

Die Zweckverfolgung von gemeinnützigen Körperschaften muss darüber hinaus selbstlos er-folgen (§§ 52–54 AO). Selbstlos fördert oder unterstützt insbesondere, wer nicht in erster Li-nie eigenwirtschaftliche Zwecke, zum Beispiel gewerbliche Zwecke oder sonstige Erwerbs-zwecke, verfolgt (§ 55 Abs. 1 Satz 1 AO).863 Das stimmige Argument, dass Einzelpersonen nicht selbstlos im engeren Sinne handeln kön-nen und ihnen deshalb der Gemeinnützigkeitsstatus versagt bleibt,864 wird durch die weite Deutung des Gebotes der Selbstlosigkeit selbst entkräftet. Denn auch gemeinnützige Körper-schaften können nach derzeitigem steuerlichem Gemeinnützigkeitsrecht erwerbsgerichtet am Markt teilnehmen und aus den Erträgen zunächst ihr Selbst aus Mitarbeitern, Büros und Ar-

863 Gersch, in Klein, AO, 2014, § 55 Rn. 1; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2009,

55 Rn. 19 f., 25 f. 864 „Individuen müssen zur Sicherung ihrer Existenz immer auch eigennützig handeln, sie können also immer

nur partiell gemeinnützig‘ sein.“ Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 11. Zudem: Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 169; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 51 Rn. 15; Scholtz, in: Koch, AO, 1977, Vor § 51 Rn. 8; Buchna/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 2010, S. 13; Hammer, Die Gemeinnützigkeitsregelungen des Steuerrechts im Spiegel der dt. Staats- und Verfas-sungsentwicklung, StuW 1/2001, 19.

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162 Sechstes Kapitel: Gleichbehandlungsgebot und Statusbeschränkung

beitsmitteln finanzieren. Zwar ist ihr Selbst satzungsmäßig (ausschließlich) auf steuerbegüns-tigte Zwecke gerichtet, ein Existenz- und Erwerbsstreben wird dennoch toleriert. Die gemein-nützige Körperschaft nimmt über den Geschäftsbetrieb gewinnorientiert am Marktgeschehen teil, sie verkauft Leistungen am Markt zu marktüblichen Konditionen und tritt in Konkurrenz zu anderen Marktteilnehmern, die ihrerseits Freiheits- und insbesondere Wettbewerbsrechte genießen.865 Vertragspartnern wird suggeriert, dass sie zusätzlich zum marktwirtschaftlichen Leistungsaustausch mittelbar über die Gewinnverwendung steuerbegünstigte Zwecke fördern. Das ist zwar grundsätzlich möglich, muss aber nicht sein. Wenn am Ende beispielsweise auf-grund hoher Kosten gar kein Gewinn erzielt wird, kann auch keine Förderung steuerbegüns-tigter Zwecke erfolgen. Teilweise wurde zumindest in der Vergangenheit sogar ein Ausgleich der Verluste wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe aus gemeinnützig gebundenen Mitteln für zulässig erachtet.866 Diese Informationen haben aber weder Vertragspartner noch Wettbewer-ber der Geschäftsbetriebe, wodurch sich eine intransparente und wettbewerbsrechtlich prob-lematische Situation ergibt. Über gewisse Bewertungswahlrechte in den handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Bilanzierungsvorschriften kann die gemeinnützige Körperschaft darüber hinaus Gewinne beim wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterschiedlich aufdecken und damit auch den Zufluss der Erträge als Mittel der ideele Sphäre steuern.867 Sie entwickelt ein ganz natürliches Interesse daran, dass der Geschäftsbetrieb erfolgreich und dauerhaft existiert. Selbst wenn Stimmrechte und Einfluss auf die Geschäftsführung beschränkt werden, verfolgt sie mit der konkreten Tätigkeit der Unterhaltung, Anschaffung oder Beteiligung an einem solchen Betrieb primär und unmittelbar die Interessen des Geschäftsbetriebes und erst sekun-där die steuerbegünstigten Zwecke. Es bleibt festzuhalten, dass die gemeinnützige Körper-schaft bei der konkreten Gewinnerzielungstätigkeit nicht an die steuerbegünstigten Zwecke gebunden ist. Sie nutzt den Markt, um als anbietender Akteur im gemeinnützigen Rechtskleid selbstständig Mittel zu generieren. Von diesen Mitteln kann sie zunächst ihr Selbst finanzie-ren. Der Umfang des Selbst ist nur durch das Gebot der Angemessenheit begrenzt. Hinzu kommt, dass beispielweise gemeinnützige Stiftungen unter gewissen Umständen ein Drittel ihres (marktwirtschaftlich erzielten) Einkommens in die Privatsphäre der Stifter verschieben können (§ 58 Nr. 6 AO). Solange die Selbstlosigkeit im Gemeinnützigkeitsrecht in derart wei-tem Sinne ausgelegt wird, kann die Individuen fehlende Fähigkeit zur Selbstlosigkeit im en-geren Sinne nicht der Grund sein, warum der Gemeinnützigkeitsstatus Individuen versagt

865 Mit Verweis auf § 65 Nr. 3 AO, vgl. Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützig-

keit, 1991, S. 103; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 441. 866 BMF-Schreiben, v. 19.10.1998, BStBl. I 1998, S. 1423. Zur Diskussion Hüttemann, Grundprinzipien des

steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (72 f.). 867 Als Beispiel derartiger Bilanzpolitik dienen §§ 250 Abs. 3, 253 Abs. 3 S. 6, 255 Abs. 3 S. 2 HGB („kön-

nen/dürfen angesetzt werden“). Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 2016, § 252 Rn. 28; Priester, in: Münche-ner Kommentar zum HGB, Bd. 2, 2016, § 120 Rn. 26-27.

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B Rechtsfertigungsansätze 163

wird.868 Sie handeln zwar zur Sicherung ihrer Existenz auch originär eigennützig und können somit streng genommen nur partiell gemeinnützig sein,869 wird dieser strenge Maßstab hinge-gen zugleich bei gemeinnützigen Körperschaften angelegt, handeln auch sie tatsächlich nur partiell gemeinnützig. Alternativ könnte ein System mit konsequenter Tätigkeitsbetrachtung angedacht werden, in dem es verschiedene Strukturen gibt. Eine Struktur würde tatsächlich ausschließlich gemein-nütziges Engagement rechtlich erfassen und jedes Verhalten mit primärer Gewinnorientierung streng verbieten. Dieser Status (gemeinnützige Organisation) wäre aus genannten Gründen nur Körperschaften zugänglich. Sie dürften nicht als Anbieter, sondern nur als Nachfrager am Markt teilnehmen. Eine andere Struktur würde partielles gemeinnütziges Engagement recht-lich erfassen und die Verfolgung eigener Zwecke (Freizeit-, Erwerbs-, Gewinninteressen) grundsätzlich akzeptieren. Dieser Status (partiell gemeinnützige Person) wäre allen Rechts-subjekten zugänglich. Hinter dem Gebot der Selbstlosigkeit scheint sich hingegen eine tiefer greifende Problemstel-lung zu verbergen. Es handelt sich dabei um die Erfassung und die Verteilung der Erträge, die in einer gemeinnützigen Körperschaft, häufig steuervergünstigt, anfallen. Besondere Relevanz erhält dieser Gedanke dadurch, dass Einkünfte aus Vermögensverwaltung bei der gemeinnüt-zigen Körperschaft steuerfrei sind.870 Das Gebot der Selbstlosigkeit soll verhindern, dass eine Körperschaft zwar überwiegend steuerbegünstigte Zwecke verfolgt, aber unter dem Deck-mantel der Gemeinnützigkeit während der Zweckverfolgung Mittel oder sonstige Erträge an-häuft, die vor allem der Körperschaft selbst, den eigenen Mitgliedern oder nahestehenden Personen zugutekommen.871 Deswegen formuliert § 55 AO weitere Voraussetzungen, die im Grunde aber nur den ausgeführten Gedanken konkretisieren. So sind die Mittel der Körper-schaft nur für satzungsmäßige Zwecke zu verwenden (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 AO), so dürfen die Mitglieder beispielsweise keine Gewinnanteile aus Mitteln der Körperschaft erhalten (Nr. 1), so dürfen Mitglieder nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile oder den gemeinen Wert ihrer geleisteten Sacheinlagen zurückerhalten (Nr. 2), so soll keine Person durch zweckfremde Ausgaben oder unverhältnismäßige hohe Vergütungen begünstigt werden (Nr. 3) und so darf das Vermögen der Körperschaft, soweit es die Kapitalanteile der Mitglieder und den gemei-

868 Ebenso Ullrich, Gesellschaftsrecht und steuerliche Gemeinnützigkeit, Dissertation, 2011, S. 83. 869 „Individuen müssen zur Sicherung ihrer Existenz immer auch eigennützig handeln, sie können also immer

nur partiell gemeinnützig‘ sein.“ Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 11. Zudem: Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 51 Rn. 15; Scholtz, in: Koch, AO, 1977, vor § 51 Rn. 8; Buch-na/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 2010, S. 13; Hammer, Die Gemeinnützigkeitsregelungen des Steuerrechts im Spiegel der dt. Staats- und Verfassungsentwicklung, StuW 1/2001, 19.

870 Heger, in: Gosch, KStG, 2009, § 5 Rn. 234; Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 441. 871 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 290.

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164 Sechstes Kapitel: Gleichbehandlungsgebot und Statusbeschränkung

nen Wert ihrer geleisteten Sacheinlagen übersteigt, bei Auflösung oder Zweckentfall nur für steuerbegünstigte Zwecke verwendet werden (Nr. 4). Die Selbstlosigkeit ist im Grunde ein Gebot zur Missbrauchsvermeidung. Körperschaften sollen nicht für ein vorrangig eigennützi-ges Verhalten die Anerkennung als gemeinnützig samt Steuervergünstigungen erhalten. Die-selbe Zielrichtung verfolgt die Förderung der Allgemeinheit als Tatbestandsmerkmal der ge-meinnützigen Zwecke (§ 52 Abs. 1 AO). De lege ferenda könnte das Merkmal als Bezugs-punkt dienen, etwaigen Missbrauch dadurch einzudämmen, dass unter Betrachtung der Erträ-ge einer Tätigkeit nur die Allgemeinheit förderndes Handeln mit einem qualifizierten Ge-meinwohlbezug als gemeinnützig anerkannt wird.872

IV Individuen und Überprüfbarkeit des Gemeinnützigkeitsstatus

In der Literatur wird die Versagung des Gemeinnützigkeitsstatus für Individuen zudem damit begründet, dass es bei Individuen an hinreichenden Möglichkeiten fehle, die Verfolgung steu-erbegünstigter Zwecke zu überprüfen.873 Grundsätzlich erfolgt die Ertragsbesteuerung von Aktivitäten, die steuerbare Einkünfte generieren, bei natürlichen Personen durch die Ein-kommensteuer und bei Körperschaften durch die Körperschaftsteuer.874 Für beide Steuerarten prüfen Finanzbehörden im Sinne von § 6 Abs. 2 AO die jährlich verpflichtend abzugebenden Angaben jedes Steuerpflichtigen über seine Einkünfte.875 Je nach Prüfergebnis erlassen die Finanzbehörden einen Steuerbescheid in Form eines Verwaltungsaktes (§ 155 Abs. 1 Satz 1-2 AO, § 35 VwVfG). Auch die teilweise oder vollständige Freistellung von einer Steuer erfolgt durch einen Verwaltungsakt der Finanzbehörden, den sogenannten Freistellungbescheid.876 Dieser bezieht sich, wie ein Steuerbescheid auch, auf eine bestimmte Steuerart und bestimmte Steuerperioden.877 Die Festsetzung des Gemeinnützigkeitsstatus erfolgt ebenfalls durch die Finanzverwaltung in Form eines Freistellungsbescheides als Anlage zum Körperschaftsteuer-bescheid.878 Sie gewährt die Steuervergünstigungen, wenn sich aus der Satzung ergibt, dass die Körperschaft ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke verfolgt und die tatsächliche Geschäftsführung den Satzungsbestimmungen entspricht (§ 59 AO).879 Aktivitä-ten von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben sind dabei aus Gründen der staatlichen Wettbe-

872 Hierzu 2. Kapitel C. 873 Ullrich, Gesellschaftsrecht und steuerliche Gemeinnützigkeit, Dissertation, 2011, S. 84. 874 Rauch, in: Blümich, EStG, 2017, § 1 Rn. 1; Hummel, in: Gosch, KStG, 2015, § 1 Rn. 1. 875 Die Erklärungspflicht erwächst Steuerpflichtigen für die Einkommensteuer nach § 149 Abs. 1 S. 1 AO in

Verbindung mit § 25 Abs. 3 S. 1 EStG und für die Körperschaftsteuer nach § 149 Abs. 1 S. 1 AO in Verbin-dung mit § 31 Abs. 1 S: 1 KStG, § 25 Abs. 3 S. 1 EStG.

876 Rüsken, in: Klein, AO, 2016, § 155 Rn. 30; Cöster, in: Koenig, AO, 2014, § 155 Rn. 29. 877 BFH, v. 22.7.2008, II B 18/08, BFH/NV 2008, 1866; v. 16.10.1991, I R 65/90, BStBl. II 1992, 322, BFHE

166, 142. 878 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, Vor 51–68 Rn. 50. 879 § 52 Abs. 2 S. 3 AO; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, Vor 51–68 Rn. 50.

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B Rechtsfertigungsansätze 165

werbsneutralität zu Steuerzwecken separat zu erfassen.880 Beurteilung, Zuordnung und Ge-währung erfolgen ex post. Auf Antrag stellt die Finanzverwaltung indes die Einhaltung der satzungsmäßigen Voraussetzungen der §§ 51, 59, 60 und 61 AO mittlerweile auch ex ante verbindlich fest (§ 60a AO).881 Für steuerbefreite Körperschaften entfällt die jährliche Steuer-erklärungspflicht, er sei denn, sie werden gemäß § 149 Abs. 1 Satz 2 AO zur Erklärung ge-sondert aufgefordert. In letzterem Fall hat die Körperschaft dann eine den §§ 51-68 AO genü-gende Geschäftsführung anhand ordnungsgemäßer Aufzeichnungen über Einnahmen und Ausgaben nachzuweisen (§ 63 Abs. 3 AO).882 Individuen könnten statt der Satzung eine Willenserklärung gegenüber dem Staat abgeben samt partieller Zweckbindung und konkret beabsichtigter Tätigkeiten zur Zweckverwirkli-chung. Sie sind wie gemeinnützige Körperschaften auch in der Lage ordnungsgemäße Auf-zeichnungen über Einnahmen und Ausgaben als Nachweis zu erbringen. Da das Gemeinnüt-zigkeitsrecht eine eigene Nachweis- und Aufzeichnungspflicht definiert, benötigt es hierfür weder das Gesellschaftsrecht noch das Handels- oder das übrige Steuerrecht. Die Prüfung und die Einhaltung der Gemeinnützigkeitsvoraussetzungen können durchaus im Zusammenspiel aus Gemeinnützigkeitsrecht und für alle privaten Rechtssubjekte geltendem Zivilrecht sicher-gestellt werden. Hinsichtlich der Art und Weise lässt § 63 Abs. 3 AO durchaus Spielraum. Nachzuweisen ist nach allgemeinen Beweislastregeln, dass die tatsächliche Geschäftsführung auf die ausschließliche und unmittelbare Erfüllung der gesetzten Zwecke gerichtet ist.883 Die tatsächliche Geschäftsführung beinhaltet dabei alle Handlungen und Tätigkeiten, die der Kör-perschaft zuzurechnen sind.884 Häufige Nachweismittel sind Geschäfts- und Tätigkeitsberich-te, der Nachweis kann aber auch durch andere Unterlagen wie Schriftverkehr, und Auskünfte Dritter erbracht werden.885 Die Finanzverwaltung hätte die Erklärung der natürlichen Person und die späteren Aufzeichnungen inhaltlich in derselben Weise zu prüfen wie die Satzung und Aufzeichnungen einer Körperschaft. Der Bescheid zur partiellen Freistellung würde dem Ein-kommensteuerbescheid angefügt. Nicht ersichtlich ist daher, warum nur ein organisationsge-bundenes Förderkonzept886 eine Überwachung mit vertretbarem Aufwand erlauben soll.887

880 BFH, v. 13.8.1986, II R 246/81, BStBl. II 1986, 831, BFHE 147, 299; v. 26.4.1995, I R 35/93, BStBl. II

1995, 767, BFHE 177, 339. 881 Gersch, in Klein, AO, 2016, § 60a Rn. 2. 882 Gersch, in Klein, AO, 2016, § 63 Rn. 1; Koenig, in Koenig, AO, 2014, § 63 Rn. 2. 883 Vgl. BFH, v. 19.1.1994, I R 40/92, BFH/NV 1995, 181; v. 17.8.1954, I 119/52 U, BStBl. III 1954, 324,

BFHE 59, 294; 884 Gersch, in Klein, AO, 2016, § 63 Rn. 1; Koenig, in Koenig, AO, 2014, § 63 Rn. 2. 885 BFH, v. 23.7.2003, I R 29/02, BStBl. II 2003, 930, BFHE 203, 251; 886 Hüttemann, Grundprinzipien des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (51); Dro-

ege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 165; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuer-staat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 33.

887 Ullrich, Gesellschaftsrecht und steuerliche Gemeinnützigkeit, Dissertation, 2011, S. 84.

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166 Sechstes Kapitel: Gleichbehandlungsgebot und Statusbeschränkung

Sofern dabei Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen Privat- und Gemeinnützigkeitssphäre beim Individuum angesprochen werden, und damit indirekt auch Missbrauchsrisiken, so be-stehen diese auch bei gemeinnützigen Körperschaften und insbesondere bei einer gemeinnüt-zigen Ein-Mann-GmbH. Insgesamt können Missbrauchsrisiken nur sehr schwer und mit viel Regelungsaufwand ausgeschlossen werden. Zudem gilt auch: je komplexer die Organisations-struktur, desto aufwendiger die Prüfung. Deswegen können Abgrenzungsschwierigkeiten, Missbrauchsrisiken und unzureichende Möglichkeiten die Voraussetzungen der Gemeinnüt-zigkeit bei Individuen zu überprüfen jedenfalls nicht der Grunde sein, Individuen den Zugang zum Gemeinnützigkeitsstatus zu versagen.

V Zwischenfazit

Tiefgreifende Argumente, Individuen den Status zu versagen, konnten systemintern nicht ge-funden werden. Zwar ist es richtig, dass natürliche Personen sich nicht umfassend ausschließ-lich an Gemeinwohlzwecke binden und auch nicht selbstlos im engeren Sinne handeln kön-nen, allerdings ist beides für den derzeitigen Gemeinnützigkeitsstatus tatsächlich nicht erfor-derlich. Die Beschränkung der §§ 51-68 AO auf das organisationsgebundenen Förderkon-zept888 bedarf weiterer Begründung. Problematisch ist dabei, dass es Engagement geben kann, das inhaltlich identisch ist, allerdings das eine Mal als gemeinnützig anerkannt wird und ein anderes Mal nicht. So etwa, wenn eine Person einmal mit und einmal ohne Auftrag einer ge-meinnützigen Körperschaft handelt. Selbst unter Berücksichtigung eines Ermessensspiel-raums bei der Ausgestaltung staatlicher Systeme sind solche Konstellationen vor dem Gleich-heitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich sachlich nur schwer zu begründen. Eine Begründung könnte in den überindividuellen Verbandsstrukturen liegen, die Körperschaften bieten können, natürliche Personen hingegen nicht. In einer Körperschaft wirken zumeist mehrere Personen kollektiv zusammen, über gewisse Organisationsvorgaben erfolgt die Wil-lensbildung im Innenverhältnis, bevor sich der gemeinsame Wille im Außenverhältnis als einheitliches Verhalten des überindividuellen Verbandes (Körperschaft) präsentiert.889 Hinter der Statusbeschränkung könnte die Idee stehen, vor allem kollektives Engagement zu fördern. Dann wäre allerdings zu diskutieren, warum eine Ein-Mann-GmbH als gemeinnützig aner-kannt wird, eine Personengesellschaft dagegen nicht, die nur unter Personenmehrheiten ent-stehen und Verbandsstrukturen nachbilden kann. Die Statusbeschränkung des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts ruft daher strukturelle Kohärenzschwächen hervor.

888 Hüttemann, Grundprinzipien des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (51); Dro-

ege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 165; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuer-staat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 33.

889 Reuter, in: Münchener Kommentar zum BGB, Bd. 1, 2015, Vor § 21 Rn. 2, 50-51.

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C Verfassungskonforme Auslegung des Gemeinnützigkeitsbegriffes 167

Daran kann auch ein genereller gefasstes Ziel, beispielsweise die Förderung von freiwilligem Engagement für das Gemeinwohl, nichts ändern. Im Vordergrund stünden dann Freiwilligkeit und Themenbezug des Engagements. Wenn allerdings die themenbezogene Aufgabenerledi-gung das Ziel ist, erscheint eine Beschränkung der ausführenden Rechtssubjekte als wenig zielführend. Das Engagement wird auch in Körperschaften letztlich von Einzelpersonen aus-geführt, sodass themenbezogenes Engagement mit dem gleichen Wirkungsgrad von natürli-chen Personen unmittelbar oder im Auftrag einer Körperschaft (mittelbar) ausgehen kann. Die Statusbeschränkung scheint eine gewachsene Struktur des steuerlichen Gemeinnützigkeits-rechts zu sein, die den neueren Anforderungen an die Gemeinnützigkeit als Instrument der Gemeinwohlförderung, insbesondere nach Aussetzung der Wehr- und Zivildienstpflicht,890 nicht mehr gerecht wird. Die Ansätze einer individuellen Gemeinnützigkeit in den Freiwilli-gendiensten sowie im Sozial- und Steuerrecht könnten allerdings unter verfassungskonformer Auslegung des Rechtsbegriffs der Gemeinnützigkeit als gemeinnütziges Engagement unter eigenen Gemeinnützigkeitsstatus für Individuen qualifiziert werden. Es entstünde eine zusätz-liche Anerkennung auf Ebene der engagierten Bürger. Eine Tätigkeit könnte zeitgleich über beide Engagementformen erfasst und anerkannt werden. Angenommen ein Bürger engagiert sich unentgeltlich und freiwillig im Rahmen eines gemeinnützigen Vereins. Dann wäre es denkbar, dieses Engagement nicht nur auf der Vereinsebene als gemeinnützig anzuerkennen, sondern auch und zwar zusätzlich zur Vereinsebene auf Ebene des einzelnen Bürgers. Diese zusätzliche Würdigung von individuellem Engagement über einen eigenen Rechtstatus ist derzeit im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht nicht möglich.

C Verfassungskonforme Auslegung des Gemeinnützigkeitsbegriffes

Der Gesetzgeber hat durch die Entwicklung der Ansätze einer individuellen Gemeinnützigkeit im Freiwilligendienstrecht, im Pflegerecht und im Steuerrecht die Statusbeschränkung des § 51 Abs. 1 AO zumindest systematisch ausgeglichen, ohne das System der steuerlichen Ge-meinnützigkeit grundlegend zu ändern. Hierdurch wurde Individuen ein rechtssicherer und anerkannter Zugang zur Gemeinnützigkeitssphäre gewährt.891 Der Rechtsbegriff der Gemein-nützigkeit wird demnach nicht exklusiv von den §§ 51–68 AO ausgefüllt, sondern auch die genannten Förderansätze erfassen gemeinnütziges Engagement. Folglich ist der Begriff der Gemeinnützigkeit im Lichte von Art. 3 Abs. 1 GG insoweit verfassungskonform auszulegen, als dass die §§ 51–68 AO als steuerliches Gemeinnützigkeitsrecht das körperschaftlich orga-nisierte Engagement erfassen und daneben die dargestellten Förderansätze im Bundesfreiwil-ligendienstgesetz, Jugendfreiwilligendienstgesetz, in den Sozialgesetzbüchern und im Steuer-

890 Wehrrechtsänderungsgesetz 2011, v. 28.4.2011, BGBl. I S. 678. Bundesfreiwilligendienstgesetz,

v. 28.4.2011, BGBl. I S. 687. 891 Die Wesensmerkmale der Gemeinnützigkeitssphäre werden in 2. Kapitel A.-C. definiert.

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168 Sechstes Kapitel: Gleichbehandlungsgebot und Statusbeschränkung

recht das individuelle gemeinnützige Engagement rechtlich abbilden. Damit wächst das Ge-

meinnützigkeitsrecht über den Regelungskomplex der Abgabenordnung hinaus. Die Statusbe-

schränkung gilt letztlich nur für das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht als ein Bestandteil.

Individuelles gemeinnütziges Engagement wird in anderen, teils an das steuerliche Gemein-

nützigkeitsrecht anknüpfenden Ansätzen erfasst, die den Engagierten für ihr partielles ge-

meinnütziges Engagement separate Status zuerkennen. Festzuhalten bleibt, dass Individuen

derzeit für Tätigkeiten, die der Gemeinnützigkeitssphäre zuzuordnen sind, eine Anerkennung

und Förderung erhalten. Nur der Status der Gemeinnützigkeit im Sinne der Abgabenordnung

ist ihnen nicht zugänglich. Die Gründe dieser Statusbeschränkung finden sich in der Historie,

in der Steuersystematik und mit Einschränkungen im Telos des steuerlichen Gemeinnützig-

keitsrechts.

Eine systematische, tiefgreifende Ungleichbehandlung von Körperschaften und Nichtkörper-

schaften können diese Gründe allerdings nicht sachlich rechtfertigen. Deswegen stellt sich

auch nach der verfassungskonformen Auslegung des Rechtsbegriffes der Gemeinnützigkeit

und der damit verbundenen vorläufigen Abwendung der verfassungsrechtlichen Problemlage

rund um die Statusbeschränkung des § 51 Abs. 1 AO weiterhin die Frage nach einem Gesamt-

rechtskonzept der Gemeinnützigkeit, das in der Lage ist, den Förderwillen der Nationalen

Engagementstrategie umzusetzen. Die diskutierten Ansätze zur Erfassung einer individuellen

Gemeinnützigkeit weisen weder einheitliche Statusvoraussetzungen noch einheitliche konkre-

te Förderungen auf. Mit der Ausweitung des Gemeinnützigkeitsbegriffes ist auch eine Zu-

nahme der Heterogenität des gemeinnützigen Engagements insgesamt verbunden. Um eine

effektive Umsetzung des politischen Förderwillens zu erreichen, ist als nächster Schritt die

Erstellung eines Gesamtförderkonzeptes der Gemeinnützigkeit und eines Gemeinnützigkeits-

gesetzes mit einheitlichen Strukturen für individuelles und kollektives Engagement anzuden-

ken.

Die verfassungskonforme Auslegung wendet hingegen nur die verfassungsrechtliche Prob-

lemlage rund um den Ausschluss von Individuen aus dem persönlichen Anwendungsbereich

der §§ 51-68 AO ab. Andere Nichtkörperschaften, beispielsweise Personengesellschaften,

können weder den Status als Bundesfreiwilligendienstleistende noch den Status als Pflegeper-

son einnehmen. Ihnen wird der Zugang zur Gemeinnützigkeitssphäre jedenfalls nicht über

diese Ansätze gewährt. Teilweise wird die Möglichkeit diskutiert, die Gesellschaft bürgerli-

chen Rechts als anderes Zweckvermögen des privaten Rechts892 nach §§ 51 Abs. 1 AO, 1

Abs. 1 Nr. 5 KStG oder als sonstige juristische Person des privaten Rechts893 nach § 51 Abs. 1

892 Böttcher, Transnationale Strukturen unternehmerisch tätiger NPO, 2017, S. 96. 893 Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 174.

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C Verfassungskonforme Auslegung des Gemeinnützigkeitsbegriffes 169

AO, 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG zu qualifizieren und über diesen Weg den Gemeinnützigkeitsstatus

für Personengesellschaften zu öffnen. Insofern wird ein Weg aufgezeigt, wie die verfassungs-

rechtliche Problemlage der Ungleichbehandlung von Personengesellschaften durch § 51 Abs.

1 AO de lege lata gelöst werden kann.

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Siebtes Kapitel: De lege ferenda-Skizze des Gemeinnützigkeitsrechts

Das derzeitige Gemeinnützigkeitsrecht setzt sich zusammen aus dem steuerlichen Gemeinnüt-zigkeitsrecht und den Ansätzen zur Förderung einer Gemeinnützigkeit von Nichtkörperschaf-ten im geltenden Recht. Formell betrachtet bestehen kein Gemeinnützigkeitsgesetz und auch kein Gemeinnützigkeitsrecht, das einheitliche Grundstandards der Gemeinnützigkeitssphäre samt flexiblen Statusstrukturen für individuelles und kollektives Engagement aus der Ge-meinwohlperspektive festlegt. Der jetzige Zustand führt dazu, dass Statusstrukturen unkoor-diniert wachsen und sich themenbezogen entwickeln. Die separate gesetzliche Modellierung von Förderansätzen wie dem Status der Pflegeperson894 im Sozialgesetzbuch XI deutet an, dass einheitliche Förderinstrumente für individuelles gemeinnütziges Engagement fehlen. Im Ergebnis zeigt sich bereits hier, dass die Gemeinnützigkeitssphäre895 nicht hinreichend recht-lich erfasst und ausgeleuchtet ist. Es mangelt insbesondere an einem einheitlichen Rechtsrah-men, der Grundelemente sowie Strukturen rechtssicher definiert und an den verschiedene An-sätze zur gezielten Förderung von bestimmtem gemeinnützigem Engagement kurzfristig und flexibel anknüpfbar sind. Das Verständnis dafür, dass sich der Gesetzgeber bisher zu einem ganzheitlichen Ansatz der Gemeinnützigkeit aus der Gemeinwohlperspektive nicht durchrin-gen konnte, erhöht sich bei Betrachtung der historischen Entwicklung des steuerlichen Ge-meinnützigkeitsrechts. Es entstammt einer Durchführungsverordnung896 aus dem Jahr 1953 und wurde nahezu gleichlautend 1977 in die Abgabenordnung übernommen – seitdem ist das Gemeinnützigkeitsrecht allen voran Steuerrecht. Es ist davon auszugehen, dass die damalige Verordnung eine Neuausrichtung der Gemeinnützigkeit bedeutete, wenn auch in gesell-schaftspolitisch anderen Zeiten. Zuvor waren es lediglich einzelne Regelungen, die sich mit der Förderung einer Gemeinnützigkeit beschäftigten. Die Gemeinneinnützigkeitsverordnung fasste diese zusammen und schuf ein erstes Gemeinnützigkeitsrecht. Die Statusbeschränkung ist eines ihrer Grundelemente und besiegelt mit dem organisationsgebundenen Förderkon-zept897 eine erste Einschränkung der Sichtweise auf gemeinnütziges Engagement. Sie ist rest-riktiv und verhindert Flexibilität. Die tatsächlichen Hauptakteure der Sphäre sind durch sie nur „Hilfspersonen“ im Sinne des § 57 Abs. 1 S. 2 AO und damit Nebenakteure bei der staat-lichen Anerkennung. Gefördert werden sollte offensichtlich kollektives Engagement. Dieser Blickwinkel hat sich im Laufe der Jahrzehnte in und abseits der Rechtswissenschaft auf die

894 § 19 SGB XI, hierzu 4. Kapitel A. 895 Hierzu ausführlich 2. Kapitel A.-C. 896 Verordnung zur Durchführung der §§ 17–19 des Steueranpassungsgesetzes (Gemeinnützigkeitsverordnung),

v. 24.12.1953, BGBl. I, S. 1592. 897 Hüttemann, Grundprinzipien des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts, DStJG Bd. 26, 2003, 49 (51); Dro-

ege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuerstaat, 2010, S. 165; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuer-staat des Grundgesetzes – Gemeinnützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 33.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2018C. Alders, Die partiell gemeinnützige (natürliche) Person, Schriften zum Stiftungs- und Gemeinnützigkeitsrecht, https://doi.org/10.1007/978-3-658-20793-9_8

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172 Siebtes Kapitel: De lege ferenda-Skizze des Gemeinnützigkeitsrechts

Einbeziehung aller Rechtssubjekte erweitert.898 So bahnen sich die Ansätze zur Förderung einer individuellen Gemeinnützigkeit abseits des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts ihre Wege und so trägt auch die Nationale Engagementstrategie den politischen Willen und den Geist in sich, kollektives und individuelles Engagement zugleich fördern zu wollen.899 Dem steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht aber fehlen für eine gezielte, die Sphäre ausfüllende För-derung flexible Instrumente. Wie die Abhandlung darstellt, können die unkoordiniert gewach-senen Regelungskomplexe des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts einerseits und der An-sätze einer individuellen Gemeinnützigkeit andererseits nicht als derart einheitliches Gemein-nützigkeitsrecht gelten, wie es die Nationale Engagementstrategie fordert. Es fehlt ein Rechtskonzept der Gemeinnützigkeit mit einheitlichen Grundstatus- und Förderstrukturen für individuelles und kollektives Engagement. Sofern diesen Grundgedanken gefolgt wird, weist das geltende Gemeinnützigkeitsrecht vor dem Maßstab der Systemkohärenz ein Umsetzungsdefizit bei der Kodifizierung des politi-schen Förderwillens auf. Die Rechtswissenschaft ist nun aufgefordert, Lösungsansätze zur Abmilderung und Beseitigung des Umsetzungsdefizits zu präsentieren. Vor dem Hintergrund der Verortung der Gemeinnützigkeit im staatlichen System der Gemeinwohlförderung (A.) stellte sich die Frage, ob und wie die Neuentwicklung eines Gemeinnützigkeitsgesetzes mit einheitlichem Förderkonzept für individuelles und kollektives Engagement unter den beiden Gemeinnützigkeitsstatus der gemeinnützigen Organisation und der partiell gemeinnützigen Person (B.) gelingen kann.

A Verortung der Gemeinnützigkeit im System der Gemeinwohlförderung

Um sich den von Geibel aufgeworfenen Fragen zu nähern, inwieweit das Gemeinnützigkeits-recht mit der Gemeinwohlidee verknüpft ist,900 wird folgend ein Herleitungsversuch der Ge-meinnützigkeit aus dem Gemeinwohl versucht. Jede Person hat Individualinteressen, die sie durchsetzen will. Im gemeinschaftlichen Zusammenleben mit anderen Personen können sich Interessenkonflikte ergeben, insbesondere im Hinblick auf knappe Ressourcen. Zur Lösung dieser Interessenkonflikte haben sich politische Systeme herausgebildet, die hierfür Regeln und Handlungsrahmen festlegen und eine Gemeinschaft auf verschiedene Art und Weise or-ganisieren. Zur Klassifikation der politischen Systeme sind insbesondere das Ziel der Ge-meinschaft und die konkreten Instrumente zur Konfliktlösung entscheidende Faktoren. Dabei

898 Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements,

2002, S. 48. 899 BMFSFJ, Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung, 6.10.2010, S. 5. 900 Geibel, Gemeinnützigkeit als Gemeinwohlförderung: eine Skizze, GS Brugger, Verfassungsvoraussetzungen,

2013, S. 429 ff.

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A Verortung der Gemeinnützigkeit im System der Gemeinwohlförderung 173

kann das Gemeinwohl einer Gemeinschaft als abstrakte Idee und Zielvorgabe dienen.901 Es bildet dann Zustände ab, in denen sich alle in der Gemeinschaft herrschenden Interessen op-timal entfalten. Da in Konflikt stehende Interessen sich nicht gleichzeitig entfalten können, muss das politische System Entscheidungen der Konfliktlösung treffen, die manchen Interes-sen zur Entfaltung verhelfen und andere zurücksetzen. Damit diese Entscheidungen systema-tisch kohärent erfolgen,902 ist es wichtig, dass in Konflikt stehende Interessen auf einer abs-trakten Ebene (Interessenebene) sachlich abgewogen werden und die Durchsetzung der Inte-ressen unabhängig vom jeweiligen Interessenträger erfolgt (Personenebene). Auf Grundlage dieser Systematik kann ein Optimalzustand der Interessenentfaltung innerhalb einer Gemein-schaft angestrebt werden. Das Streben nach einem Maximalzustand, in dem sich jedes in einer Gemeinschaft vorherrschende Individualinteresse durchsetzt, wäre durch die Naturgesetze und die Gesetze der Logik aussichtslos. Möglicherweise bestehen weitere Voraussetzungen für gemeinwohlförderliche politische Systeme. Da auch das politische System der Bundesre-publik Deutschland der Gemeinwohlidee folgt,903 ist fraglich, welche Rolle die Gemeinnüt-zigkeit einnimmt.

I Abstrakter Gemeinwohlbegriff und Konkretisierungsprozess

In der Ausprägung als abstrakte Idee ist das Gemeinwohl strukturell zu definieren als ein Bündel von vielen möglichen Zuständen der optimalen Entfaltung aller Interessen in einer Gemeinschaft. Um diese Idee realpolitisch umzusetzen, bedarf es eines gemeinwohlorientier-ten politischen Systems. Darin kann sich die abstrakte Idee für die Gemeinschaft konkretisie-ren. Sie stellt dann die angestrebte Zielgröße, das „allgemeinste Leitbild“904 des Systems dar.905 Sofern das Gemeinwohl in einer Gemeinschaft als derartig hoher Wert ausgegeben wird, müssen sich die Konfliktlösungsstrukturen daraus ableiten und fortwährend das realpo-litische Ergebnis zur abstrakten Idee hin entwickeln. Das Gemeinwohl trägt die Interessen jedes einzelnen Gemeinschaftsmitgliedes als gleichwertig in sich und das System muss Wege des Interessenausgleichs finden, sodass sich am Ende möglichst viele der Interessen optimal entfalten. Das Dilemma sind Interessenkonflikte, d. h. Situationen, in denen das eine Interesse nur dann verwirklicht werden kann, wenn ein anderes Interesse eingeschränkt wird. Es kann keinen Zustand geben, in dem sämtliche Interessen aller Mitglieder verwirklicht werden.

901 Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staats-

rechts, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 57 Rn. 1-7. 902 Zum Maßstab der Systemkohärenz 2. Kapitel D. 903 Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staats-

rechts, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 57 Rn. 109. 904 Isensee, Gemeinwohl und Staatsaufgaben im Verfassungsstaat, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staats-

rechts, Bd. III, Das Handeln des Staates, 1988, § 57 Rn. 2. 905 Gallus/Jesse (Hrsg.): Staatsformen. Modelle politischer Ordnung von der Antike bis zur Gegenwart,

Köln/Weimar/Wien 2007.

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174 Siebtes Kapitel: De lege ferenda-Skizze des Gemeinnützigkeitsrechts

Deswegen ist die Idee des Gemeinwohls auf die Optimierung der Interessenentfaltung gerich-tet. Diese erfolgt durch abwägende Priorisierung der Interessen. Die Gemeinwohlförderung vereint dabei jedes systemkonforme Verhalten, alle Maßnahmen zur Konkretisierung der Idee im Rahmen des politischen Systems. Politische Systeme sind die elementaren Instrumente der Gemeinwohlförderung, sie steuern die Interessenentfaltung und bilden eine politische Wirklichkeit ab. Sofern gemeinwohlorientiert, streben sie nach einer Optimierung der Individualinteressenentfaltung und, durch die abwägende Priorisierung der Interessen auf einer abstrakten Ebene, nach gleicher Behandlung aller Gemeinschaftsmitglie-der. Weitere Instrumente der Gemeinwohlförderung sind beispielsweise für alle Mitglieder gleichermaßen geltende Regeln sowie überindividuelle und selbstlose Entscheidungsinstan-zen. Das Streben nach der Gemeinwohlidee erfordert ein politisches Gesamtsystem der Ge-meinwohlförderung, das den Konkretisierungsprozess von der abstrakten Idee bis zur politi-schen Wirklichkeit strukturiert steuert und sich selbstlernend nachhaltig weiterentwickelt.

II Anforderungen an gemeinwohlorientierte politische Systeme

Die Kombination aus abstrakter Gemeinwohlidee und politischem System führt zu der Frage, ob ein System zur Gemeinwohlförderung bestimmte Kriterien erfüllen muss, um die abstrakte Idee widerspruchsfrei konkretisieren zu können. Im Mittelpunkt des Gemeinwohls stehen die Interessen der einzelnen Menschen. Durch das Dickicht der Verschiedenheit aller Menschen und ihrer Interessen schimmert ein gemeinsames Merkmal: das Menschsein. Dieses wohnt nur den Menschen als „inherent dignity“906 tatsächlich inne,907 es ist unabhängig von Willen und Verhalten. Hier findet sich die natürliche Gegebenheit der bei allen Menschen gleich aus-geprägten Zuordnung zur Menschheit, der Ursprung des menschlichen Gleichheitsgedan-kens.908 Zugleich aber sind die Menschen verschieden und jeder Mensch entwickelt individu-elle Interessen. Wesen dieser Individualinteressen ist es, sich entfalten zu wollen. In einer Gemeinschaft ergeben sich auf diese Weise übereinstimmende und widerstreitende Interessen. Wenn die bei widerstreitenden Interessen auftretenden Konflikte mit dem Instrument der Ge-walt gelöst oder personenbezogen Interessen durchgesetzt werden, steht der Träger des Inte-resses im Mittelpunkt der Konfliktlösung. Es ist dann unbeachtlich, welches Interesse über- 906 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, v. 10.12.1948, Präambel, Generalversammlung der Vereinten

Nationen. 907 Isensee, Menschenwürde: die säkulare Gesellschaft auf der Suche nach dem Absoluten, Archiv des öffentli-

chen Rechts 131, 2006, S. 177. 908 Isensee, Menschenwürde: die säkulare Gesellschaft auf der Suche nach dem Absoluten, Archiv des öffentli-

chen Rechts 131, 2006, S. 177; Hilgendorf, Recht und Moral, Aufklärung und Kritik 1/2001, S. 89, 3. These: „Moralische wie rechtliche Normen lassen sich als Mittel ansehen, um Werte zu verwirklichen, und es scheint Werte zu geben, die nicht bloß individuell oder innerhalb einer bestimmten Kultur gelten, sondern weltweit anerkannt sind. Ein Grund hierfür könnte sein, dass bestimmte Interessen und Werte auf der biolo-gischen Grundausstattung des Menschen beruhen.“

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A Verortung der Gemeinnützigkeit im System der Gemeinwohlförderung 175

wiegt, entscheidend ist, wer es verfolgt. Werden dagegen die Interesseninhalte unabhängig von ihrem Träger, auf einer eigenen Sachebene abgewogen und priorisiert, rückt die Gleich-behandlung aller Gemeinschaftsmitglieder in den Vordergrund. Die Gemeinwohlidee verzich-tet auf personelle Bezüge und betrachtet Interessen. Sie setzt eine Abstraktionsebene voraus, auf der die sachliche Abwägung von Interesseninhalten ohne Berücksichtigung der konkreten Interessenträger möglich ist. Interessen können sachlich gegeneinander abgewogen werden, Menschen dagegen aufgrund ihrer Menschenwürde nicht.909 Gemeinwohlorientierte politische Systeme müssen daher Wege finden, Entscheidungen über einen Interessenausgleich herbei-zuführen (Interessenebene) und diese gegenüber allen Mitgliedern der Gemeinschaft in glei-cher Weise durchzusetzen (Personenebene). Wird ein Mitglied ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt, heißt das, dass ein Interessenkonflikt abhängig vom Interessenträger auf der Personenebene gelöst worden ist. Dieses Vorgehen widerspricht elementaren Grundge-danken der Gemeinwohlidee. Sie bildet Optimalzustände ab und setzt eine abwägende Priori-sierung von Interessen auf der abstrakten Interessenebene voraus. Durch eine Bevorzugung bestimmter Mitglieder auf der Personenebene hätte das System von vorne herein Kohärenz-schwächen. Es müsste dann versuchen, die Entfaltung der Interessen der übrigen Mitglieder zu optimieren, wodurch sich nicht nur ein der menschlichen Gleichheit widersprechender per-soneller Bezug bei der Konfliktlösung ergäbe, sondern auch eine Zwei-Klassen-Perspektive des Gemeinwohlgedankens. Ein solches System steht nicht im Einklang mit der Gemein-wohlidee und ist vor ihr nicht zu rechtfertigen. Die effektiv durchgesetzte Gleichbehandlung aller Mitglieder ist demzufolge ein zwingend vorausgesetztes Kriterium für politische Syste-me, um das Gemeinwohl widerspruchsfrei konkretisieren zu können. Zwar dürfen die Interes-sen der Mitglieder abgewogen und priorisiert werden, aber die Abwägungsentscheidung ist gegenüber allen Mitgliedern gleichermaßen durchzusetzen. Zu den schwierigen Aufgaben gemeinwohlorientierter politischer Systeme gehört es, dem einzelnen Mitglied die Gleichheit unter Menschen zu garantieren (Personenebene) und zugleich die Verschiedenartigkeit der Interessen möglichst weitgehend und optimal zu berücksichtigen (Interessenebene). Beides verlangt die Gemeinwohlidee. Auf welche Weise diese Abstraktionsleistung systematisch zu erbringen ist, lässt die Ge-meinwohlidee offen. Grundsätzlich besitzen Einzelpersonen die Fähigkeit, jene Abstraktions-leistung zu erbringen. Es ist denkbar, in einer Gemeinschaft eine oder mehrere Personen hier-für auszuwählen. Diese Personen müssten allerdings die eigenen Interessen und konkrete Inte-ressenkonflikte nahestehender Personen in exakt derselben Art und Weise behandeln wie die aller anderen auch. Diese spezielle Fähigkeit ist bei Einzelpersonen zumindest disputabel.

909 BVerfG, v. 3.6.1987, 1 BvR 313/85, BVerfGE 75, 369; Geddert-Steinacher, Menschenwürde als Verfas-

sungsbegriff, 1990, S. 83; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 1 Rn. 73.

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176 Siebtes Kapitel: De lege ferenda-Skizze des Gemeinnützigkeitsrechts

Hinzu kommt, dass politische Systeme in größeren Gemeinschaften eine enorme Anzahl an Interessenausgleichsentscheidungen zu treffen haben. Um die Bewältigung der Aufgabe sys-tematisch abzusichern, wendet sich der Blick auf überindividuelle Regulationsmechanismen und Instanzen, d.h. auf einen Rechtsstaat, dessen einziger Zweck die Gemeinwohlförderung ist,910 und auf Regeln, die für alle gleich gelten.911 Der Rechtsstaat in seiner jeweiligen Aus-prägung entsteht durch eine Verfassung.912 Sie definiert den Auftrag und die Instrumente des Staates, Strukturen zu schaffen, um die Gemeinwohlidee in der Gemeinschaft weitergehend zu konkretisieren. Die Instrumente zur Organisation der Gemeinschaft sind in einem Rechts-staat allen voran das Recht und der Staat.913 Das Recht ist perpetuierter Staatswille und er-möglicht es den Bürgern, die staatliche Meinung zur Lösung eines Interessenkonfliktes vo-rauszusehen. Vielfach täglich auftretende Konfliktsituationen, in denen die Interessenentfal-tung eindeutig durch das Recht geregelt ist, bedürfen somit idealerweise keiner weiteren staat-lichen Einmischung. Das entlastet den Staat bei seiner Aufgabe, Interessenkonflikte zu lösen und über den Staatshaushalt auch die Bürger. Zugleich wird der gemeinschaftliche Selbstver-waltungsgedanke gestärkt. Der Rechtsstaat schafft das Recht im Rahmen der formellen und materiellen verfassungsrechtlichen Vorgaben und Kompetenzen. Er kann weitere Subsysteme des Interessenausgleichs wie etwa einen Subrechtsrahmen für ein Wirtschafts- oder Sozialsys-tem schaffen. In den Fällen, in denen das Recht nicht eindeutig ist oder das Recht selber eine weitere staatliche Einzelfallentscheidung vorsieht, bedarf es einer weiteren Einmischung des Staates. Für die Frage, ob auch andere Strukturen das Gemeinwohl fördern können, ist entscheidend, ob diese die Fähigkeit zur aufgezeigten Abstraktionsleistung haben. Unabhängig davon tole-riert die Gemeinwohlidee verschiedene Ergebnisse einer sachlich fundierten Interessenabwä-gung. Deswegen beinhaltet die abstrakte Gemeinwohlidee auch nicht nur einen Zustand der optimalen Interessenentfaltung in einer Gemeinschaft, sondern viele mögliche. Festzuhalten bleibt, dass die Struktur Rechtsstaat die Abstraktionsleistung zur Gemeinwohlförderung erfül-len kann. Bürger erschaffen mit dem Instrument des Rechts eine Verfassung und einen Staat (Rechtsstaat). Der Staat erhält den Auftrag, ein System der Gemeinwohlförderung für die

910 Zur Gemeinwohlbindung des grundgesetzlichen Staates: BVerfG, v. 22.2.2011, 1 BvR 699/06, Fraport,

BVerfGE 128, 266. Ebenso Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des Grundgesetzes – Ge-meinnützigkeit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 57 f.; Isensee/Knobbe-Keuk, Gutachten der Unabhängigen Sachverständigenkommis-sion zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, 1988, 331, Sondervotum, S. 404 ff.; Hütte-mann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, 1991, S. 171; Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2011, § 51 Rn. 23.

911 Vgl. BVerfG, v. 20.2.1957, 1 BvR 441/53, BVerfGE 6, 257; v. 7.10.1980, 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79, NJW 1981, 271 (271 f.); Kischel, in: BeckOK, GG, 2017, Art. 3 Rn. 14.

912 Vgl. Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 146 Rn. 55; Huster/Rux, in: BeckOK GG, 2017, Art. 20 Rn. 140-142.

913 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 20 VII. Rn. 22-30.

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A Verortung der Gemeinnützigkeit im System der Gemeinwohlförderung 177

Gemeinschaft zu entwickeln. Er muss sich mit der politischen Wirklichkeit vor der abstrakten Gemeinwohlidee verantworten. Mit der Entscheidung für ein bestimmtes System zur Aufga-benbewältigung erwächst dem Staat die verfassungsrechtliche Pflicht zur Folgerichtigkeit914 und zur Systemkohärenz. Subsysteme sind nach dem Maßstab der Systemkohärenz in das System der Gemeinwohlförderung zu implementieren. Zunächst ist ein aus der Verfassung hergeleitetes Ziel zu formulieren, sodann sind die Strukturen zur Zielerreichung logisch und rechtssicher aufzubauen. Es muss finanzierbar sein und die Lasten gemeinwohlgerecht vertei-len. Es bedarf einer unabhängigen Kontrollinstanz.915

III Gemeinwohlförderung in der Bundesrepublik Deutschland

Im Kontext dieser Ausführungen ist nun das politische System der Bundesrepublik Deutsch-land auf seine Gemeinwohlorientierung hin zu überprüfen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Frage, welche Akteure auf welche Weise das Gemeinwohl konkretisieren (dürfen). Das Interessenausgleichssystem in Deutschland beruht seit dem 23.5.1949 auf dem der Ge-meinwohlidee folgenden Grundgesetz.916 Mit der Bundesrepublik Deutschland wird ein über-individueller rechtsstaatlicher Verband geschaffen (Art. 20 Abs. 1 GG),917 dessen drei unab-hängige Gewalten in ihrer Entscheidung über Recht und Gesetz an die Grundrechte (Art. 1 Abs. 3 GG) und damit an den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebunden sind.918 Recht und Gesetz gelten für alle Menschen gleichermaßen: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“ (Art. 3 Abs. 1 GG).919 Der Staat muss demnach die Interessenausgleichsent-scheidungen auf einer abstrakten Sachebene treffen und diese sodann gegenüber allen Mit-gliedern gleich durchsetzen. Die Gemeinwohlidee konkretisiert sich damit im Grundgesetz widerspruchsfrei auf einer ersten Stufe. Darüber hinaus weist das Grundgesetz dem Staat die Aufgabe zu, das Gemeinwohl in einem gesetzten Rahmen zu fördern und das Recht als Instrument der Aufgabenbewältigung einzu-setzen. Folgerichtig ist ausschließlich der Staat für die Einheitlichkeit der Rechtsordnung und die Gemeinwohlförderung im Rahmen der Verfassung zuständig. Mit der Zuständigkeit geht die Verantwortung für die Gemeinwohlförderung einher. So haben alleine die drei Gewalten, allen voran der Gesetzgeber als unmittelbar demokratisch legitimiertes Staatsorgan,920 den 914 BVerG, v. 27.6.1991, 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239; v. 25.9.1992, 2 BvL 5, 8 14/91, BVerfGE 87, 153;

Kischel, in: BeckOK, GG, 2015, Art. 3 Rn. 153-157. 915 Zum Maßstab der Systemkohärenz 2. Kapitel D. 916 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, v. 23.5.1949. 917 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 20 I. Rn. 1-5. 918 Hillgruber, in: BeckOK, GG, 2015, Art. 1 Rn. 61 f.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 1 Abs. 3 I.

Rn. 1-3. 919 Vgl. BVerfG, v. 20.2.1957, 1 BvR 441/53, BVerfGE 6, 257; v. 7.10.1980, 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79,

NJW 1981, 271 (271 f.); Kischel, in: BeckOK, GG, 2015, Art. 3 Rn. 14. 920 Huster/Rux, in: BeckOK GG, 2015, Art. 20 Rn. 106.

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Auftrag und die Kompetenz, das Gemeinwohl durch ihr verfassungskonformes Handeln auf einer zweiten Stufe bis in die Einzelfallentscheidung hinein zu konkretisieren. Gemäß Art. 20 Abs. 2 GG geht zwar alle Staatsgewalt vom Volke aus, die Herrschaftsgewalt wird hingegen auf zwei Ebenen ausgeübt. Auf der ersten Ebene übt das Volk seine Herrschafts-macht über Sachabstimmungen und die Wahl von Repräsentanten in den Staatsapparat aus (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG).921 Die hierzu legitimierten Staatsorgane üben die Herrschafts-macht dann gegenüber der Gemeinschaft auf der zweiten Ebene aus. Der Staat ist an Verfas-sung und Recht gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG, Art. 1 Abs. 3 GG).922 So dass jedes grundge-setzkonforme Verhalten der Staatsorgane das Gemeinwohl in der Bundesrepublik Deutsch-land daher auf einer zweiten Stufe konkretisiert. Jedes staatsferne rechtskonforme Verhalten in der Gemeinschaft konkretisiert das Gemein-wohl dann auf einer dritten Stufe. Private Akteure leiten die hierfür erforderliche Konkretisie-rungskompetenz insoweit aus dem Rechtstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG ab. Entweder sie verfügen über eine ausdrückliche gesetzliche und damit staatliche Konkretisierungserlaubnis oder die Kompetenz wird ganz generell über ein fehlendes staatliches Konkretisierungsverbot hergeleitet. Hier wird deutlich, dass die Entwicklung einer eigenen konkreten Gemeinwohli-dee Aufgabe des Staates ist. Er hat ein Gesamtsystem der Gemeinwohlförderung zu entwi-ckeln und dessen Umsetzung in die Rechtsordnung als ständigen Fortentwicklungsprozess zu begleiten. Über den Rechtsrahmen steuern Verfassung und Staat die Interessenentfaltung. Der Bürger steht in der Verantwortung, das Recht zu achten und damit die Gemeinwohlidee seiner Staatsgewalten zu fördern. Er hat keine Deutungshoheit darüber, was in der Gemeinschaft als gemeinwohlförderlich gilt. Diese Deutungshoheit überträgt der Bürger im System des Grund-gesetzes auf den Staat als überindividuelle und selbstlose Instanz. Aber er hat Einflussmög-lichkeiten, zum einen durch Wahlen und Abstimmungen und zum anderen durch tagtägliches Verhalten, insbesondere durch gemeinnütziges Engagement. Denn in der Gemeinnützigkeitssphäre wird diese Deutungshoheit zumindest partiell wieder auf die Bürger zurückübertragen. Der Staat definiert Themenbereiche, denen sich die Bürger unter bestimmten Voraussetzungen, aber in kreativer Eigenverantwortung annehmen können, um so den Staat bei seiner generellen Aufgabe der Gemeinwohlförderung freiwillig zu unter-stützen. Dabei können die Bürger innerhalb der Themenbereiche durchaus eigene Akzente setzen, müssen nicht zwingend Staatshandeln substituieren923 und erhalten so Einfluss auf gemeinwohlprägende Entscheidungen. Die Gemeinnützigkeitssphäre ist folglich demokratie-erweiternd. Das Besondere an ihr ist, dass sie Interessenkonflikte lösen kann ohne dabei zu- 921 Huster/Rux, in: BeckOK GG, 2015, Art. 20 Rn. 69-71. 922 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 20 VI. Rn. 17-19. 923 Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (24).

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A Verortung der Gemeinnützigkeit im System der Gemeinwohlförderung 179

gleich die Freiheits- und Gleichheitsrechte aller Bürger einzuschränken. Der Staat kann das nicht. Um Interessenkonflikte zu lösen, muss er sich der Arbeitskraft von Bürgern bedienen, die er entweder steuerfinanziert auf dem Markt einkauft oder per Zwang verpflichtet. In bei-den Fällen werden die Freiheitsrechte von Bürgern unfreiwillig eingeschränkt. Das Dilemma seines Verfassungsauftrages aus Gemeinwohlförderung durch Interessenkonfliktlösung einer-seits und größtmöglichem Schutz der Bürgerrechte andererseits verpflichtet den Staat dazu, ein belastungsarmes Instrument der Gemeinwohlförderung wie das Subsystem der Gemein-nützigkeit zumindest zu versuchen und in sein Gesamtsystem der Gemeinwohlförderung auf-zunehmen. Sofern der Staat das Instrument gar nicht einsetzt, muss er zur Interessenkonflikt-lösung stärker in Bürgerrechte eingreifen oder aber auf die Steigerung des Gemeinwohlni-veaus verzichten. Beides ist nicht mit dem Staatsauftrag des Grundgesetzes vereinbar, denn mit der Gemeinnützigkeit steht ein freiheitsschonendes alternatives Instrument der Gemein-wohlförderung zur Verfügung, dessen Anwendung im Hinblick auf eine optimalere Interes-senentfaltung innerhalb der Gemeinschaft zumindest zu versuchen ist. Zwar dürfe bürgerschaftliches Engagement nicht als Ersatz für notwendige, staatliche Leis-tungen dienen, es sei aber eine tragende Säule jedes freiheitlichen, demokratischen und sozia-len Gemeinwesens, so das Bundesamt für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.924 Auch wenn der Staat also einen weiten Ermessenspielraum bei der Auswahl der für die Gemeinnüt-zigkeit zugänglichen Themenbereiche hat, gänzlich außer Acht lassen darf er das Instrument der Gemeinnützigkeit in seinem System der Gemeinwohlförderung nicht. Es reicht auch nicht aus, wenn er als Rechtsstaat gemeinnütziges Engagement nur duldet, also nicht verbietet, weil dann die Deutungshoheit über das Gemeinwohl nicht über die staatliche Themenvorgabe wei-tergegeben werden kann.

IV Die Gemeinnützigkeit als Instrument der Gemeinwohlförderung

Besteht eine widerstreitende Interessenlage, die der Staat in Ausgleich bringen müsste,925 wird die Interessenlage durch gemeinnütziges Engagement verändert. Wenn eine pensionierte Leh-rerin Schülern unentgeltlich Nachhilfestunden gibt, die der Staat nicht anbietet, weil er dafür die Freiheitsinteressen aller durch höhere Steuern einschränken müsste, dann verändert sich die Interessenlage durch einen externen Effekt, durch das Hinzutreten von gemeinnützigem Engagement. Die Schüler erhalten Nachhilfe und die Freiheit aller wird nicht weiter einge-schränkt. Gemeinnütziges Engagement ist darauf ausgerichtet, konkrete Interessenkonflikte zu lösen. Diese Aufgabe liegt grundsätzlich in der Verantwortung des Staates. Sofern eine dritte Person einen Konflikt löst, in den sie nicht unmittelbar involviert ist, wird der Staat bei

924 BMFSFJ, Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung, 6.10.2010, S. 3, 5. 925 Hierzu Einleitung A.

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seiner Aufgabe unterstützt. Er selbst kann nicht derart flexibel, einzelfallbezogen und be-darfsgerecht agieren. Für ihn stellt sich die Nachhilfestunde als generelle Interessenaus-gleichsfrage. Wenn Nachhilfe, dann für alle (nachhilfebedürftigen) Schüler. Deswegen ist gemeinnütziges Engagement ein dem Staat verwehrter alternativer Weg, Interessenkonflikte zu lösen. Wenn der Staat sich nach einer sachlichen Interessenabwägung gegen eine Nachhilfemög-lichkeit entscheiden würde und sozusagen für die Freiheitsinteressen aller, dann würde das Engagement der oben genannten Lehrerin die Staatsfinanzen zwar nicht entlasten, aber die Wirkung der Unterstützung des Staates bei seinen Aufgaben bliebe. Wer die Förderung von gemeinnützigem Engagement ausschließlich dadurch zu rechtfertigen versucht, dass es finan-ziell staatsentlastende Wirkung habe oder konkretes Staatshandeln substituiere,926 gerät an dieser Stelle argumentativ an eine Grenze. Naheliegend scheint, sich auf den konkreten Inte-ressenkonflikt zu konzentrieren. Der wird durch Engagement in jedem Fall gelöst und das hat konkrete Auswirkungen auf das Gemeinwohlniveau. Ganz unabhängig davon, welche Abwä-gungsentscheidung der Staat trifft. Gemeinnütziges Engagement steigert das Gemeinwohlni-veau und zwar ohne Belastung der Freiheitsrechte aller. Diese Art der Konfliktlösung im Ein-zelfall ist die Besonderheit der Gemeinnützigkeit, denn sie ist nur Privaten, nicht aber dem Staat zugänglich. Die Freiheitsinteressen aller und das Nachhilfeinteresse einiger können sich durch das Engagement der Nachhilfelehrerin gleichzeitig entfalten. Möglicherweise könnte sich daran ein Rechtfertigungsansatz ausrichten, der etwas tiefer greift. Die Erfassung der Gemeinnützigkeitssphäre samt Fördersystem für gemeinnütziges Engagement ist sachlich gerechtfertigt, weil das Engagement Interessenkonflikte löst, den Staat dadurch bei seinen Aufgaben zu von ihm definierten Themenbereichen unterstützt und weil es diese Konflikte auf eine Art löst, die dem Staat nicht zugänglich ist. Vor diesem Hintergrund ist die Gemeinnützigkeitssphäre als Instrument und Subsystem der staatlichen Gemeinwohlförderung zu verstehen. Zwar darf der Staat die Interessenkonflikte nicht selbst einzelfallbezogen lösen, er kann aber gemeinnütziges Engagement fördern und so vermehrt die positive Wirkung einer Gemeinnützigkeitssphäre für die Gemeinwohlförderung nutzen. Seitens der Bundesregierung besteht dieser Förderwille seit Jahren. Sie hat eine Nati-onale Engagementstrategie entwickelt, die eine stärkere Förderung innovativer Lösungen für gesellschaftliche Probleme durch Akteure vor Ort und eine gemeinsame Anstrengung des Staates, der Wirtschaft und der Bürgergesellschaft in den Blick nimmt. Ziel ist es, durch ge-eignete Rahmenbedingungen einen Nährboden zu schaffen, auf dem freiwilliges Engagement

926 Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (24).

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B Änderungsmöglichkeiten bei Perspektivwechsel 181

in seiner ganzen Vielfalt gedeihen kann.927 Grundlage eines solchen Förderkonzeptes für ge-meinnütziges Engagement ist ein Rechtsrahmen, der verschiedene Engagementformen vor-sieht und eine flexible sowie zielgenaue Förderung ermöglicht.

B Änderungsmöglichkeiten bei Perspektivwechsel

I Systematische Eingliederung des Rechtsgebietes

Zwar erwähnt das Grundgesetz die anfangs als Sphäre beschriebene Gemeinnützigkeit nicht ausdrücklich und gewährt somit dem Gesetzgeber Ermessenspielräume im Umgang mit dem Themenbereich, dennoch ist zumindest die Berücksichtigung eines Gemeinnützigkeitsrechts als Instrument der Gemeinwohlförderung aufgrund seiner grundrechtsschonenden Wirkungs-weise verfassungsrechtlich geboten.928 Die Frage nach der Beteiligung staatsferner Akteure an der Gemeinwohlförderung unter eigenverantwortlichem Konkretisierungsauftrag ist derart grundlegend, dass ihr eine verfassungsrechtliche Dimension zukommt. Dieser Dimension wird nur schwer gerecht, dass der Steuergesetzgeber die Gemeinnützigkeit in seiner Besteue-rungssystematik „mitdefiniert“. Auch rechtssystematisch scheint das Steuerrecht nicht der ideale Regelungsstandort für die Gemeinnützigkeit, denn es erfasst und bewertet insbesondere Vermögenszuwächse929, Güterverbräuche930 oder Vermögen in der Privatsphäre.931 Aber eben nicht die Anerkennung und Anregung von gemeinnützigem Engagement als Ziel des Gemein-nützigkeitsrechts.932 Im Kontext der gesellschaftspolitischen Realität ist der Gemeinnützig-keitssektor aus seinen „steuerrechtlichen Kinderschuhen“ herausgewachsen und zwingt örtli-che Finanzbeamte im Anerkennungsverfahren zu ausufernden fachfremden Erwägungen wie der Einbeziehung von sozialwissenschaftlichen, psychologischen sowie theologischen Ge-sichtspunkten. Zudem scheint eine gleichmäßige Rechtsanwendung durch die Finanzämter

927 BMFSFJ, Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung, 6.10.2010, S. 5. 928 Zum Gebot der Berücksichtigung einer Gemeinnützigkeit als Instrument der Gemeinwohlförderung Einlei-

tung A. 929 Beispielsweise die Steigerung der Leistungsfähigkeit über die Ertragssteuern (§ 2 Abs. 1 Einkommensteuer-

gesetz, § 7 Abs. 1 Körperschaftsteuergesetz) oder einen unentgeltlichen Vermögenserwerb ( § 10 Abs. 1 Erb-schaft- und Schenkungsteuergesetz).

930 Beispielsweise der Verbrauch von 1000 kg Flüssiggas, wenn es zum Verheizen oder zum Antrieb von Gas-turbinen und Verbrennungsmotoren in begünstigten Anlagen nach den §§ 3 und 3a verwendet oder zu diesen Zwecken abgegeben werden (§ 2 Abs. 3 Nr. 5 EnergieStG).

931 Beispielsweise das Gesamtvermögen von natürlichen Personen gemäß § 9 VStG; die Erhebung der Vermö-genssteuer ist seit 1997 ausgesetzt.

932 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 9; Droege, Gemeinnützigkeit im offenen Steuer-staat, 2010, S. 316; Isensee, Gemeinwohl und Bürgersinn im Steuerstaat des Grundgesetzes – Gemeinnützig-keit als Bewährungsprobe des Steuerrechts vor der Verfassung, in: FS Dürig, Das akzeptierte Grundgesetz, 1990, S. 35; Seer, Gemeinwohlzwecke und steuerliche Entlastung, DStJG Bd. 26, 2003, 11 (11); Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, Vor § 51-68 Rn. 35.

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182 Siebtes Kapitel: De lege ferenda-Skizze des Gemeinnützigkeitsrechts

derzeit nicht hinreichend gewährleistet.933 Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzmi-nisteriums empfiehlt daher ein zentralisiertes Anerkennungsverfahren.934 Zugleich verstärkt die Bundesregierung durch ihre Forderung nach einer Stärkung des ehrenamtlichen Engage-ments den Druck auf den Rechtsrahmen der Gemeinnützigkeit, hierfür entsprechende Instru-mente bereitzustellen.935 Die steuerrechtliche Perspektive kann insofern allenfalls weiterge-hende Steuervergünstigungen anbieten, ihr Fundus an zielgenauen flexiblen Förderinstrumen-ten ist systembedingt begrenzt.936 Ohnehin scheinen monetäre Anreize der Entschädigung auf eine flankierende Rolle verwiesen, denn durch gemeinnütziges Engagement soll gerade kein materieller Hinzuerwerb erfolgen.937 Ein Grundelement des Steuerrechts ist die Bewertung in Zahlen, um letztlich konkrete Steuerlasten zu errechnen.938 Die Gemeinnützigkeitssphäre da-gegen kennt und braucht den Bewertungszwang nicht derart grundlegend. Sie erfasst freiwil-liges, unentgeltliches Engagement mit qualifiziertem Gemeinwohlbezug. Möglicherweise entwickelten sich aus diesem Grund die Ansätze zur Förderung einer individuellen Gemein-nützigkeit auch außerhalb des Steuerrechts, beispielsweise in den Sozialgesetzbüchern oder in neu geschaffenen Gesetzen wie dem Bundesfreiwilligendienstgesetz. Möglicherweise kann abseits des Steuerrechts, der Grundbaustein eines Gemeinnützigkeitsstatus für Individuen mit mehr Gestaltungsfreiheit definiert werden. Die Abhandlung erwägt daher nun eine grundsätz-liche Perspektivänderung und zwar die Erfassung der Gemeinnützigkeit aus der Gemeinwohl-perspektive in einem separaten Gemeinnützigkeitsgesetz. Hierfür ist zunächst von folgender Interessenlage in der Gemeinschaft auszugehen, in die ein solcher Regelungskomplex eingrei-fen würde. Die Bürger haben private Individualinteressen und wollen möglichst weitgehende Freiheiten, also viel Freiwilligkeit, wenig Zwang, bei gewährleisteten Standards. Dagegen ist der Staat in einem rechtstaatlichen System Sachwalter aller Bürgerinteressen und Autorität zugleich, sein Auftrag und ausschließliches Interesse ist die Förderung des Gemeinwohls durch Herstellung eines sachlichen Interessenausgleichs für jeden Bürger in jeder konkret vorstellbaren Situati-on. Hierfür definiert die Verfassung Mittel, Wege und Grundstandards. Zur Erfüllung des Staatsauftrages und zur Gewährleistung von Standards sind Belastungen der Bürger erforder-

933 Gutachten des Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, in: Monatsbericht des BMF,

Die abgabenrechtliche Privilegierung gemeinnütziger Zwecke auf dem Prüfstand, Stand September 2006, S. 54.

934 Gutachten des Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen, in: Monatsbericht des BMF, Die abgabenrechtliche Privilegierung gemeinnütziger Zwecke auf dem Prüfstand, Stand September 2006, S. 54.

935 BMF, AEAO, 17.1.2012, DStR 2012, 298 (300); BT-Drs. 16/5200, v. 3.5.2007, § 34h EStG. 936 Hierzu 5. Kapitel. 937 Hierzu ausführlich 2. Kapitel B. 938 Beispielsweise Bestimmung der Einnahmen (und des zu versteuernden Einkommen nach § 2 Abs. 5 S. 1

EStG sowie der letztlich zu errechnenden Steuerlast) anhand des Prinzips der finanziellen Leistungsfähigkeit in Geld oder Geldeswert, vgl. Kirchhof, in: Kirchhof, EStG, 2015, § 8 Rn. 3-4.

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B Änderungsmöglichkeiten bei Perspektivwechsel 183

lich, die der Gesetzgeber entweder freiwillig oder zwanghaft einfordern kann. Art und Weise jener Verantwortungs- und Belastungsübernahme stehen im Ermessen des Gesetzgebers. Ho-he Standards ziehen dabei hohe Belastungen nach sich. Die Stellschrauben, die der Gesetzge-ber bedienen kann, sind die zu interpretierenden verfassungsrechtlichen Standards und die Belastungsübernahme durch die Bürger (Freiwilligkeit/Zwang). Das Gemeinnützigkeitsrecht ist dabei ein staatliches Instrument, die Freiheiten zu erhöhen. Der Bürger soll sich freiwillig und in kreativer Eigenverantwortung den vom Gesetzgeber in Konkretisierung des Gemein-wohls definierten Themen widmen können. Funktioniert es nicht, weil sich zu wenig Bürger engagieren, muss er Standards heruntersetzen oder Zwangsmittel einsetzen. Dieser Mecha-nismus zur Lösung von Konflikten zwischen privaten und öffentlichen Interessen ist Hinter-grund der Überlegungen zur Gemeinnützigkeit. Er kann angereichert werden durch basisde-mokratische Aspekte, die fordern, dass dem Bürger auch abseits von Wahlen und Abstim-mungen mehr Verantwortung übertragen werden sollte,939 beispielsweise indem er sich frei-willig an der Bearbeitung von staatlich definierten Themen beteiligt. Die Gemeinwohlperspektive filtert demnach als Essenz der Gemeinnützigkeit eine Tätigkeit heraus, die freiwillig, unentgeltlich und in kreativer Eigenverantwortung von Bürgern zur Unterstützung der staatlichen Gemeinwohlvorstellungen ausgeführt wird, die der Staat durch Hoheit über die Themenbereiche und den Rechtsrahmen steuern kann und die er aufgrund der von den Engagierten übernommenen gesellschaftlichen Verantwortung besonders anerkennt. Vor diesem Hintergrund ist der Gesetzgeber nicht zuletzt durch die Nationale Engagement-strategie aufgerufen, ein Gesamtkonzept der Gemeinnützigkeit mit umfassender Engage-mentförderung zu entwickeln. Diese, vom einzelnen Bürger ausgehenden Überlegungen müssten das gleichbedeutende, in und von gemeinnützigen Organisationen ausgehende kol-lektive Engagement in sich aufnehmen. Der dieses Gesamtkonzept umsetzende Rechtsrahmen könnte verschiedene Rechtsstatus vorsehen und dabei zwischen ausschließlich gemeinnützi-gen Rechtssubjekten und partiell gemeinnützigen Rechtssubjekten unterscheiden. Der Status als ausschließlich gemeinnützig wäre nur überindividuellen Rechtssubjekten zugänglich und diese wären auf eine reine Fördertätigkeit verwiesen. Eine Tätigkeit außerhalb der Gemein-nützigkeitssphäre wäre ihnen nur als Nachfrager am Markt möglich, aber nicht als Anbieter. Dadurch würden die tatsächlich ausschließlich „gemeinnützigen Organisationen“ noch einmal gesondert gewürdigt. Allen anderen Rechtssubjekten, die auch andere gemeinnützigkeits-fremde Zwecke und Interessen (gleich welcher Art) verfolgen, wird der Status der „partiell gemeinnützigen Person“ geöffnet. Dieser Status gäbe Privatpersonen wie Wirtschaftsunter-nehmen die Möglichkeit, innerhalb des Rechtssubjektes eine Sondersphäre der Gemeinnüt-zigkeit abzugrenzen und staatlich anerkennen zu lassen. Dies wäre nicht nur für nebenberufli-

939 Huster/Rux, in: BeckOK GG, 2015, Art. 20 Rn. 134 ff.

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ches individuelles Engagement, Engagement im Alter oder in Lebensumbruchphasen interes-sant, sondern auch für die rechtliche Einkleidung von Corporate-Social-Responsibility-Aktivitäten der Wirtschaftsunternehmen oder alternative Formen des Sozialunternehmertums. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, wie die partielle gemeinnützige Tätigkeit eines jeden Rechtssubjektes rechtssicher erfasst, abgegrenzt und staatlich anerkannt werden kann. Dieser Gedanke ist entscheidend für die Flexibilisierung des Gemeinnützigkeitssektors, ein kohären-tes System der Förderung von gemeinnützigem Engagement und die Umsetzung des politi-schen Förderwillens der Engagementstrategie.940

II Ideenskizze zur Neufassung des Rechtsrahmens der Gemeinnützigkeit

Die Nationale Engagementstrategie zeigt den politischen Willen zur Förderung von (individu-ellem) gemeinnützigem Engagement an. Ziel ist es, durch geeignete Rahmenbedingungen einen Nährboden zu schaffen, auf dem freiwilliges Engagement in seiner ganzen Vielfalt ge-deihen kann.941 Übergeordnetes Ziel des Gemeinnützigkeitsrechts ist es, die Sphäre der Ge-meinnützigkeit und ihre Besonderheiten rechtlich zu erfassen.942 Es besteht ein Defizit bei der Umsetzung des Ziels durch das jetzige Gemeinnützigkeitsrecht, weil es die Sphäre nicht in ihrer ganzen Vielfalt erfasst. Dabei ist auch an eine Neufassung der Gemeinnützigkeit in ei-nem separaten Gemeinnützigkeitsgesetz zu denken, die einer Systemänderung insoweit gleichkäme, als ein umfassendes Gesamtkonzept der Gemeinnützigkeit für individuelles und kollektives Engagement erstmals einheitlich vorläge. Eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes wird unterstellt.943 In diesem Gesetz könnten Grundsätze der Gemeinnützigkeit ver-ankert werden und verschiedene abgestufte Rechtsstatus auf die jeweiligen Formen von ge-meinnützigem Engagement spezifisch angepasst werden. Verschiedene Status eröffnen die Möglichkeit, zielgenauer zu fördern. Die Prüfung und Anerkennung sollte aus Gründen der einheitlichen Rechtsanwendung auf Bundesebene erfolgen, eine Aufgabenzuweisung an das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben bietet sich mit entsprechendem Strukturaufbau an.

1 Rechtsvergleichende Perspektive des US-Nonprofit-Laws

Bevor die Erfassung der Gemeinnützigkeit im Rechtssystem der Bundesrepublik Deutschland aus der Gemeinwohlperspektive neu gedacht und skizziert wird, bietet sich zur Ideenfindung die rechtsvergleichende Betrachtung des US-Nonprofit-Laws an. Müsste das US-Nonprofit-

940 BMFSFJ, Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung, 6.10.2010, S. 5. 941 BMFSFJ, Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung, 6.10.2010, S. 5. 942 Hierzu ausführlich 7. Kapitel A. 943 Igl, Engagementförderung durch den Bund, Rechtsgutachten im Auftrag des BMFSFJ, 2009, S. 22 ff.

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B Änderungsmöglichkeiten bei Perspektivwechsel 185

Law in das Sphärenmodell944 eingeordnet werden, wäre es wohl als Rechtsrahmen einer Art amerikanischer Gemeinnützigkeitssphäre zu bezeichnen. Zunächst fällt dabei auf, dass die Gesetzgebungskompetenz für den Nonprofit-Status in den USA bei den Bundesstaaten liegt und es deswegen kein einheitliches amerikanisches Nonprofit-Law gibt.945 Die einzelnen bundesstaatlichen Nonprofit Corporation Acts basieren zwar auf Mustertexten der nationalen American Bar Association wie dem Model Nonprofit Corporation Act (1952), dessen überar-beiteter Fassung (1964) oder dem Revised Model Nonprofit Corporation Act (1984). Dennoch haben die Bundesstaaten unabhängig voneinander eigene Regelungswerke erarbeitet. Allen Nonprofit Corporation Acts liegt hingegen die Idee zugrunde, dass die Nonprofit-Tätigkeiten nicht auf den monetär messbaren, privaten Profit der Akteure gerichtet sind, sondern auf die Abschöpfung von gemeinschaftlichem Nutzen.946 Frumkin macht drei Kernelemente des US-Nonprofit-Sektors aus: freiwillige Bürgerbeteiligung, ein Tätigwerden, ohne anfallenden Pro-fit an Stakeholder auszureichen (nondistribution constraint947), und ein Existieren unter ver-änderter Zuordnung von Eigentumsrechten und Haftungsregeln.948 Durch das Merkmal der Freiwilligkeit grenze sich der Nonprofit-Sektor vom Staat ab,949 durch die zweckbezogene Gewinnverwendung vom Markt und durch die spezielle Zuordnung von Eigentumsrechten und Haftungsregimen von beiden Sektoren zugleich.950 Wie das steuerliche Gemeinnützig-keitsrecht beschränkt sich das Nonprofit-Law einheitlich auf die unmittelbare Anerkennung organisierter Personenmehrheiten. Individuen können den Nonprofit-Status nicht erlangen und sind für eine solche Anerkennung ihres Engagements auf die Volunteer-Programme951 verwiesen.952

a Nondistribution constraint

Der Nondistribution-Constraint-Grundsatz besagt, dass der Gewinn einer Nonprofit-Organisation nicht an Mitglieder, Eigentümer oder Organe verteilt werden darf. Eine Gewinn-erzielung ist unter dem Nonprofit-Status grundsätzlich erlaubt, das Gewinnverteilungsverbot ist hingegen strikt zu beachten.953 Vergleichbar mit dem Nondistribution-Constraint-Grundsatz des Nonprofit-Laws ist im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht das Zusammen-

944 Hierzu 2. Kapitel A.-C. 945 Phelan, Nonprofit Enterprises: corporations, trusts, and associations, 2000, § 1:11, S. 32. 946 Phelan, Nonprofit Enterprises: corporations, trusts, and associations, 2000, § 1:11, S. 32. 947 Phelan, Nonprofit Enterprises: corporations, trusts, and associations, 2000, Section 1:01, S. 2; Schmidt, Non-

profit Law, 2011, S. 6. 948 Frumkin, On being Nonprofit: The bigger picture, Working Knowledge, Harvard University Press, 2002. 949 Hierzu 2. Kapitel C. 950 Frumkin, On being Nonprofit: The bigger picture, Working Knowledge, Harvard University Press, 2002. 951 Um nur einige zu nennen: AmeriCorps, PeaceCorps, SeniorCorps, CitizensCorps. Hierzu ausführlich Einlei-

tung D. 952 IRC § 501 (c) (3); Phelan, Nonprofit Enterprises, 2000, § 8:01, S. 2. 953 Model Nonprofit Corp Act, 1964, §§ 2(c), 26; Phelan, Nonprofit Enterprises: corporations, trusts, and

associations, 2000, § 1:01, S. 2; Schmidt, Nonprofit Law, 2011, S. 6.

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spiel aus den Grundsätzen der Ausschließlichkeit, der Selbstlosigkeit und den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben (§§ 55, 56, 64 AO). Obwohl eine gemeinnützige Körperschaft grundsätz-lich nur ihre satzungsmäßigen gemeinnützigen Zwecke verfolgen darf (Ausschließlichkeit, § 56 AO) und damit gewinnorientierte Tätigkeiten nur im Rahmen dieser Zweckverfolgung ausgeführt werden dürften, löst § 55 AO das Tätigkeitsfeld vom Themenbezug ab und erlaubt der Körperschaft sämtliche Tätigkeiten zur Gewinnerzielung, sofern die Erträge daraus zur Förderung steuerbegünstigter satzungsmäßiger Zwecke eingesetzt werden.954 In einem zwei-ten Schritt werden unter anderem folgende Regeln für die Fördertätigkeit der gemeinnützigen Körperschaft festgelegt (§ 55 Abs. 1 AO). Sie darf nicht in erster Linie eigenwirtschaftlichen Zwecken (der Mitglieder) dienen, die Mittel der Körperschaft dürfen nur für satzungsmäßige Zwecke verwendet werden und die Mitglieder oder Gesellschafter dürfen keine Gewinnantei-le und in ihrer Eigenschaft als Mitglieder auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft erhalten.955 Diese Interpretation der Gebote der Ausschließlichkeit (§ 56 AO) und der Selbstlosigkeit (§ 55 AO) ist durchaus vergleichbar mit dem Nondistribution-Constraint-Grundsatz des US-Nonprofit-Laws. Eine Gewinnerzielung ist erlaubt, die Ge-winnverwendung muss hingegen strikt selbstlos erfolgen. Die Sphärentheorie956, die gemeinnützige Tätigkeit motiv- und ertragsbezogen definiert, geht über den Nondistribution-Constraint-Grundsatz hinaus. Dabei gilt, dass die Erfassung der Gemeinnützigkeit in einer abgrenzbaren Sphäre erfolgt. Die Sphäre setzt eine umfassende Gemeinnützigkeit bei der Gewinnerzielung und der Gewinnverwendung voraus. Die Abgren-zung der Sphäre wird möglich und administrierbar, indem die Gemeinnützigkeit nicht mehr subjektbezogen definiert und kontrolliert wird, sondern tätigkeitsbezogen. Die Abgrenzung würde anders strukturiert, bliebe aber administrierbar. Umfassend gemeinnützige Rechtssub-jekte wären als umfassend gemeinnützig anzuerkennen und partiell gemeinnützige Rechtssub-jekte als partiell gemeinnützig. Die Sphärentheorie ist darauf bedacht, die konkreten Hand-lungen eines Rechtssubjektes jeweils einer Sphäre zuzuweisen. Sie beabsichtigt, gemeinnützi-ge Handlungen akzentuiert herauszuarbeiten und von privaten Handlungen sowie marktwirt-schaftlichen Handlungen abzugrenzen. Auf diese Weise könnten staatliche Anerkennung und Förderung zielgenauer erfolgen und die Missbrauchsgefahren minimiert werden.

b Verlagerung von Eigentumsrechten und Haftungsrisiken

Während die Teilhaber von gewinnorientierten Unternehmen grundsätzlich alleine über die Unternehmensgeschicke entscheiden und hierfür im Rahmen ihrer Vermögens- und Gewinn- 954 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 283 f., 442; Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 55

Rn. 6. 955 Koenig, in: Koenig, AO, 2014, § 55 Rn. 15-31; Gersch, in: Klein, AO, 2014, § 55 Rn. 1. 956 Hierzu 2. Kapitel A.-C.

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beteiligungen die Verantwortung tragen, ist das bei Nonprofit-Organisationen anders.957 Bei ihnen gilt für Einnahmen der Nondistribution-Constraint-Grundsatz. Einnahmen sind nicht nur an die Verwendung zu Organisationszwecken gebunden, sondern dürfen auch nicht an Mitglieder, Eigentümer oder Organe ausgereicht werden.958 Die Zweckbindung und der Aus-schluss eines monetären Nutzens der Akteure schaffen das Vertrauen, das die erweiterten Möglichkeiten der Einnahmenerzielung (Spenden, staatliche Zuschüsse) erfordern. Da Non-profit-Organisationen nicht den Gewinninteressen einzelner Teilhaber verpflichtet sind, son-dern ihre Zwecke auf gemeinschaftliche Wertschöpfung richten, erheben viele Akteure An-spruch auf die Interpretationshoheit über die einmal gesetzten Zwecke: staatliche Institutio-nen, verschiedene Spender, freiwillig Engagierte, Mitglieder, Vorstände und einige mehr. Durch die Veränderung der Gewinnbezugs- und Vermögensrechte passen sich nun Abhängig-keiten, faktische Einflüsse und Haftungsregime in einer Weise an, die jedenfalls von klaren Strukturen zwischen Eigentumsrechten und Haftungsrisiken abweicht.959 Diese Verschiebung der Systematik aus Eigentumsrechten und Haftungsrisiken ist auch für das deutsche steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht der §§ 51-68 AO festzustellen. Durch den Grundsatz der Vermögensbindung (§ 55 Abs. 1 Nr. 4 AO) und die Einschränkungen bei der Mittelverwendung auf satzungsmäßige Zweckverfolgung sowie ausgeschlossene Mitglieder- oder Gesellschafterbegünstigung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 AO) sind Vermögen und Gewinne an eine bestimmte Zweckverfolgung gebunden.960 Die primär eigennützige Interessenverfolgung der „Eigentümer“ ist ausgeschlossen.961 Der Gesellschaftergeschäftsführer einer gemeinnützigen Ein-Mann-GmbH hat nur eine begrenzte Freiheit bei etwaigen Entscheidungen der Gewinn-verwendung, haftet aber im Zweifel als Gesellschafter mit dem gesamten eingezahlten Stammkapital (§§ 1, 5 Abs. 1 GmbHG) und als Geschäftsführer mit seinem Privatvermögen (§ 43 Abs. 1 GmbHG). Es bietet sich an, die Zusammenhänge aus Eigentumsrechten, Haf-tungsrisiken und Einflussfaktoren für die Gemeinnützigkeitssphäre differenziert herauszuar-beiten, innerhalb des Gesamtsystems der Gemeinwohlförderung eine eigene Systematik der geteilten Konkretisierungsfreiheiten und Konkretisierungsrisiken zu entwickeln und fest im Gemeinnützigkeitsrecht zu verankern. Die Abhandlung versteht die Gemeinnützigkeit als System der geteilten Konkretisierungskompetenzen, Eigentumsrechte und Haftungsrisiken. Der Gesetzgeber definiert weitläufige Themenbereiche, die private Einzelpersonen oder Per-sonengemeinschaften in kreativer Eigenverantwortung ausdifferenzieren können. Eigentums-rechte stehen grundsätzlich den handelnden Rechtssubjekten zu, sind allerdings eingeschränkt 957 Frumkin, On being Nonprofit: The bigger picture, Working Knowledge, Harvard University Press, 2002. 958 Frumkin, On being Nonprofit: The bigger picture, Working Knowledge, Harvard University Press, 2002. 959 Frumkin, On being Nonprofit: The bigger picture, Working Knowledge, Harvard University Press, 2002. 960 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2012, § 55 Rn. 120, 136; Gersch, in: Klein, AO,

2014, § 55 Rn. 25. 961 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2015, S. 287, 290.

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durch den Grundsatz der Vermögensbindung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 AO). Auf diese eingeschränk-te Gestaltungsmacht und beschränkte Eigentumsposition der gemeinnützig engagierten Rechtssubjekte, könnte eine Einschränkung der Haftung auf die in der Sondervermögenssphä-re der Gemeinnützigkeit liegenden Vermögenswerte eine das Ungleichgeweicht lösende Re-gelung sein.

2 Grundsätze der Gemeinnützigkeit

Die Gemeinnützigkeitssphäre beruht auf den Grundsätzen der Unentgeltlichkeit, der Freiwil-ligkeit und des qualifizierten Gemeinwohlbezuges.962 Werden alle Tätigkeiten in einer Ge-meinschaft nach diesen Merkmalen gefiltert, ergibt sich eine Schnittmenge als Gesamtheit aller Tätigkeiten, die als gemeinnützig anerkannt werden können. Das Gemeinnützigkeitsrecht hat nach dem verfassungsrechtlichen Gebot der Berücksichtigung einer Gemeinnützigkeit963 im System der Gemeinwohlförderung und dem sich anschließenden Maßstab der Systemko-härenz964 die Aufgabe, jene Schnittmenge mit den Instrumenten des Rechts zielgenau zu er-fassen und den politischen Förderwillen in gemeinschaftlich gelebte Wirklichkeit umzusetzen.

a Grundsatz der unentgeltlichen Wertschöpfung

Eine Tätigkeit wird unentgeltlich ausgeführt, wenn der handelnde Akteur kein materiellen Hinzuerwerb auslösendes Entgelt für seine wertschöpfende Leistung erhält. Dies schließt nicht generell aus, dass ein Entgelt als Gegenleistung vereinbart wird.965 Diese darf hingegen nur maximal den Wert annehmen, den der Akteur selbst für Waren oder Leistungen aufge-wendet hat plus eine „Entschädigung“ in Höhe des anteiligen Existenzminimums. Die Unent-geltlichkeit bezieht sich auf die eigene Wertschöpfung beim Akteur, diese Wertschöpfung muss ohne marktübliches Entgelt weitergegeben werden. Dem Akteur darf kein materieller Hinzuerwerb aus der konkreten Tätigkeit verbleiben. Steuerrechtlich würden diese Leistungen ohnehin kaum Abgaben hervorrufen. Einkommenssteuer, Körperschaftssteuer und Gewerbe-steuerpflicht entfielen, da mangels Einkünfte-/Gewinnerzielungsabsicht keine steuerbaren Einkünfte/Gewinne vorlägen.966 Auch eine Umsatzsteuerpflicht liegt für die konkrete Tätig-keit nicht vor, handeln die Akteure bei der gemeinnützigen Tätigkeit doch unentgeltlich und gerade nicht als Unternehmer.967

962 Die Grundsätze wurden in Anlehnung an Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbe-

dingungen bürgerschaftlichen Engagements, 2002, S. 48-55 entwickelt. 963 Frage nach dem „ob“ eines Gemeinnützigkeitsrechts im System der Gemeinwohlförderung. 964 Frage nach dem „wie“ eines Gemeinnützigkeitsrechts im System der Gemeinwohlförderung. 965 Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements,

2002, S. 53. 966 Vergleichbar hierzu die Ausführungen im 5. Kapitel A. 967 Siehe hierzu 5. Kapitel C.

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b Grundsatz der Freiwilligkeit

Freiwillig im gemeinnützigkeitsrechtlichen Sinne handelt, wem es tatsächlich freisteht, ob er sich überhaupt gemeinnützig engagiert. Der Begriff der Freiwilligkeit ist philosophischen Interpretationen zugänglich, soll vorliegend allerdings lediglich im staatsrechtlichen Sinne und in Abgrenzung zu staatlichem Zwang relevant werden.968 Der Staat interpretiert die Ver-fassungswerte und stellt ihre flächendeckende Geltung sicher. Die hierfür erforderlichen Be-lastungen der Bürger kann er durch Zwang oder auf freiwilliger Basis einfordern. Die Ge-meinnützigkeitssphäre spiegelt in besonderer Weise die Belastungs- und Verantwortungs-übernahme der Bürger auf freiwilliger Basis wider. Zu der grundsätzlichen Freiwilligkeit, sich zu engagieren (Ob), treten dann in einem zweiten Schritt weitere Freiheiten bei der Themen-wahl, der Mitgestaltung sowie der konkreten Engagementform (Wie).

c Grundsatz des qualifizierten Gemeinwohlbezuges

Die Tätigkeit eines Rechtssubjektes weist einen qualifizierten Gemeinwohlbezug auf, wenn die Tätigkeit primär Gemeinschaftsinteressen durchsetzt (Ertragslage) und jene Gemein-schaftsinteressen zuvor vom Staat über die Themenbereiche der Gemeinnützigkeit als Interes-sen der Allgemeinheit qualifiziert wurden. Dabei setzt eine Tätigkeit primär Gemeinschaftsin-teressen durch, wenn der handelnde Akteur eigene Freizeit- und Erwerbsinteressen zurück-setzt, um Gemeinschaftsinteressen vorrangig zu behandeln. Aufgrund des Umstandes, dass menschliches Verhalten in einer Gemeinschaft immer eigen- und fremdnützig zugleich ist969, sind die Voraussetzungen bereits dann gegeben, wenn der Akteur sich im Vergleich zur vol-len Erwerbstätigkeit (Beruf)970 oder eigenen Freizeitgestaltung nicht vorrangig eigennützig verhält und nicht erst dann, wenn er gar keinen eigenen Nutzen aus der Tätigkeit zieht. Die Themenbereiche, zu denen gemeinnütziges Engagement erfolgen kann, gibt der Staat vor. Er trägt die Verantwortung für die Gemeinwohlförderung. Deswegen bestimmt er nicht nur, wel-che Instrumente der Gemeinwohlförderung eingesetzt werden, sondern auch deren inhaltliche Ausprägung. Er hat die Deutungshoheit über relevante Gemeinwohlbelange und Gemein-schaftsinteressen. Die Verfassung schafft den Staat als überindividuelle Instanz zur Organisa-tion der Gemeinwohlförderung und bindet ihn an Gemeinwohl, Recht und Gesetz (Art. 1 Abs.

968 Jachmann verweist in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Enga-

gements, 2002, S. 49 ebenfalls auf das Merkmal der Freiwilligkeit, setzt es hingegen in Abgrenzung zur Hauptberuflichkeit. Für sie dient freiwilliges Handeln nicht zur Schaffung einer Lebensgrundlage, so dass zumindest implizit vorausgesetzt würde, dass sich freiwillig handelnde Personen ihre Lebensgrundlage an-derweitig beschaffen können. Anders als Jachmann versteht die Abhandlung die Freiwilligkeit als Abgren-zungskriterium zu staatlichem Zwang. Es ist durchaus vorstellbar, dass freiwilliges Engagement zur Schaf-fung einer Lebengrundlage (Existenzminimum) dienen kann.

969 Then/Kehl, in: Anheier/Schröer/Then, Soziale Investitionen, 2012, S. 117 ff. 970 Jachmann, in: Igl/Jachmann/Eichenhofer, Rechtliche Rahmenbedingungen bürgerschaftlichen Engagements,

2002, S. 49.

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3 GG).971 Er soll Mechanismen des Interessenausgleichs für die Gemeinschaft entwickeln. Die Gemeinnützigkeit ist ein Instrument zur Lösung von Interessenkonflikten und damit ein Instrument der Gemeinwohlförderung. Besondere Gemeinwohlbelange und Gemeinschaftsin-teressen gibt der Staat kraft seiner Deutungshoheit als der Gemeinnützigkeit zugängliche Themenbereiche vor, zu denen dann Engagement in kreativer Eigenverantwortung unter be-sonderer staatlicher Anerkennung erfolgen kann.

3 Zentrale Fachaufsicht vgl. der englischen Charity Commission

Die derzeitige Anerkennung des Gemeinnützigkeitsstatus durch die lokalen Finanzämter kann die unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten erforderliche einheitliche Rechtsanwendung des Gemeinnützigkeitsrechts im gesamten Bundesgebiet nur eingeschränkt gewährleisten.972 Aus diesem Grunde ist anzudenken, die Zuständigkeit einer zentralen Bundesbehörde zuzuweisen. Dies hätte neben einer einheitlichen Rechtsanwendung die Vorteile der besseren Erfassung, zielgenaueren Förderung und einer effektiveren Auswertung sowie Steuerung von gemeinnüt-zigem Engagement insgesamt. Anders als bei der Stiftungsaufsicht, die im Rahmen der §§ 80 ff. BGB in Verbindung mit den jeweiligen Landesstiftungsgesetzen als reine Rechtsaufsicht ausgestaltet ist und damit zwar Rechtmäßigkeits- aber keine allgemeinen Zweckmäßigkeits-erwägungen in die Aufsichtstätigkeit einbezieht,973 böte sich für die Gemeinnützigkeitssphäre eine Fachaufsicht an. Diese beinhaltet eine Administration und Steuerung auch und gerade nach Zweckmäßigkeitsüberlegungen. Als Anregung zur konkreten Ausgestaltung der Aufsicht könnte das Modell der englischen Charity Commission als rechtsformunabhängige Fachaufsicht herangezogen werden.974 Zwar soll aufgrund der vorherrschenden systematischen Unterschiede und Zweifel an der rechtssys-tematischen Vergleichbarkeit weder ein umfassender Rechtsvergleich des deutschen Gemein-nützigkeitsrechts und des englischen Charity Law noch die Übernahme von Grundgedanken in das jeweils andere System vorgenommen werden. Dennoch kann das englische Charity Law in dem isoliert zu betrachtenden Element der Aufsichtsgestaltung als ergiebige Ideen-quelle für einen neu anzudenkenden Rechtsrahmen der Gemeinnützigkeit dienen, weil der

971 Hillgruber, in: BeckOK, GG, 2015, Art. 1 Rn. 61 f.; Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, 2016, Art. 1 Abs. 3 I.

Rn. 1-3. 972 Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates beim Bundesministerium der Finanzen, Die abgabenrechtliche

Privilegierung gemeinnütziger Zwecke auf dem Prüfstand, Monatsbericht des BMF, September 2006, S. 54. 973 Exemplarisch § 8 StiftG Baden-Württemberg; aus der Literatur Schulte, in: Hüttemann/Richter/Weitemeyer,

Landesstiftungsrecht, 2011, S. 774; Hof, in: Seifart/von Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch, 2014, § 10 Rn. 3; Böttcher, Transnationale Strukturen unternehmerisch tätiger NPO, 2017, S. 119; aus der Rechtsprechung BVerwG, 40, 437.

974 Böttcher, Transnationale Strukturen unternehmerisch tätiger NPO, 2017, S. 119.

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englische Charity-Status weitgehend rechtsformunabhängig vergeben wird.975 Die Charity Commission informiert die Charities über sie betreffende Entwicklungen, sie berät in Finanz- und Strukturfragen und unterstützt unter anderem bei der Gründung und in der Krise.976 Sie nimmt eine aktive Rolle ein bei der Entwicklung und Steuerung des Charity Sektors und geht damit über die eher passive Kontroll- und Überwachungsfunktion beispielsweise der deut-schen Finanzbehörden hinaus, die „lediglich“ für die Vergabe des Gemeinnützigkeitsstatus zuständig sind. In Deutschland prüft das zuständige Finanzamt auf Antrag die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 51-68 AO und wenn diese vorliegen, erteilt es der antragstellenden Körperschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 KStG einen Freistellungsbescheid. Dieser Freistellungsbescheid gilt für die Steuerart, für welche die konkrete Behörde zuständig ist. Es ist kein Grundlagenbescheid, der die für andere Steuerarten zuständigen Finanzbehörden binden kann.977 An dieser Stelle wird erneut deutlich, wie sehr sich das Gemeinnützigkeitsrecht an die Strukturen des Steuer-rechts anpassen muss, obgleich es aus sich heraus nicht zwingend dessen Strukturen folgen müsste. Eine bundesweite Fachaufsicht könnte an diesem Punkt strukturelle Vereinfachungen herbeiführen, in dem sie die Gemeinnützigkeitsstatus abschließend prüft und mit Bindungs-wirkung für alle beteiligten Behörden (auch die Finanzbehörden, die ihre steuerlichen Prüfun-gen daran anknüpfen) feststellt. Der entstehende konzentrierte Erfahrungsschatz in der Bun-desbehörde brächte die Möglichkeit hervor, eine professionelle Begleitung des Gemeinnüt-zigkeitssektors mit wissenschaftlichen Untersuchungen und Beratungsservice aufzubauen. Als zentrale Bundesbehörde zur Steuerung und Administration des gemeinnützigkeitsrechtli-chen Förderkonzeptes kommt das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) in Betracht. Es ist dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Ju-gend unterstellt und ist bereits mit der Steuerung und Durchführung des Bundesfreiwilligen-dienstgesetzes beauftragt.978 Es versteht sich als „zentrale Adresse für koordinierte Zusam-menarbeit von Staat und Bürgern sowie Vereinen, Verbänden und Stiftungen“979 und böte sich daher für diese Aufgabenzuweisung an.

975 Natürliche Personen können den Charity-Status nicht erlangen, es bedarf zumindest einer Organisation im

Rechtskleid einer anerkannten Rechtsform. Böttcher, Transnationale Strukturen unternehmerisch tätiger NPO, 2017, S. 96.

976 Böttcher, Transnationale Strukturen unternehmerisch tätiger NPO, 2017, S. 119. 977 Leisner-Egensperger, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 2008, Vor §§ 51–68, Rn. 50 f. 978 Bibisidis/Eichhorn/Klein/Perabo/Rindt, Zivil-Gesellschaft-Staat, 2015, S. 33. 979 Www.bafza.de/das-bundesamt.html, abgerufen am 16.5.2014.

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192 Siebtes Kapitel: De lege ferenda-Skizze des Gemeinnützigkeitsrechts

4 Verschiedene Rechtsstatus

In der Gemeinnützigkeitssphäre engagieren sich unterschiedliche Rechtssubjekte auf unter-schiedliche Art und Weise. Das Gemeinnützigkeitsrecht sollte möglichst viele dieser Enga-gementformen ausdifferenzieren und auf diese Weise eine zielgenaue Förderung sowie eine umfassende Anerkennung von gemeinnützigem Engagement ermöglichen. Diese Ausdiffe-renzierung kann anhand von verschiedenen Rechtsstatus für das jeweilige Engagement erfol-gen. Dabei erscheint es sinnvoll, eine erste große Unterscheidung zwischen den Rechtssubjek-ten zu treffen, die sich ausschließlich für gemeinnützige Themen einsetzen wollen und kön-nen, und jenen, die sich partiell für gemeinnützige Themen einsetzen wollen und/oder kön-nen. Es entwickeln sich zwei grundsätzliche Statusgruppen: Die „gemeinnützige Organisati-on“ und die „partiell gemeinnützige Person“. Diese Status können sodann bedarfsgerecht wei-ter ausdifferenziert werden.

a Status gemeinnützige Organisation

Der Status gemeinnützige Organisation könnte einen ersten Subrechtsrahmen darstellen, der Engagement in der Gemeinnützigkeitssphäre würdigt. Die Statusvoraussetzungen würden an jene des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts (§§ 51-68 AO) angelehnt und enthielten die Grundsätze der Gemeinnützigkeit sowie die Gebote der Ausschließlichkeit und der zeitnahen Mittelverwendung. Dabei wäre die Ausschließlichkeit (§ 56 AO) streng restriktiv auszulegen und jede gewinnorientierte Aktivität unzulässig. Der Status könnte nur Rechtssubjekten ver-liehen werden, denen es verfassungsrechtlich möglich ist, sich umfassend und ausschließ-lich980 in den Dienst der Gemeinnützigkeit zu stellen. Das Verbot, im Rahmen der gesamten Geschäftstätigkeit Erwerbsziele gleich welcher Art zu verfolgen, beträfe auch jede erwerbsge-richtete Vermögensverwaltung.

aa Statusfähigkeit

Der Status wäre nur Rechtssubjekten zugänglich, die juristisch in der Lage sind, ihr Handeln in einer Satzung oder in satzungsähnlichen Grundstatuten ausschließlich und umfassend auf gemeinnütziges Engagement festzulegen. In Betracht kommen daher primär juristische Perso-nen, aber auch andere Rechtssubjekte, sofern die Einhaltung der Statusvoraussetzungen si-chergestellt ist und die besondere Rechtsformwahl sachlich begründet werden kann. Einzel-personen bliebe der Status dagegen generell versagt, denn sie können sich nicht ausschließlich in den Dienst der Gemeinnützigkeit stellen.981 Die strengen Anforderungen der Ausschließ-lichkeit (vgl. § 56 AO) würden bereits im Grundsatz zwingend durch das verfassungsrechtlich

980 Hierzu 1. Kapitel A. II. 4. sowie 6. Kapitel B. II. 981 Hierzu 1. Kapitel A. II. 4. sowie 6. Kapitel B. II.

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B Änderungsmöglichkeiten bei Perspektivwechsel 193

geschützte (partielle) menschliche Eigennutzstreben missachtet. Der Status bliebe Individuen auch deswegen versagt, weil sie damit den Zugang zu anderen Sphären verlieren würden und beispielsweise auf ihre Rechte in der Privatsphäre verzichten müssten. Gemeinnützige Orga-nisationen agierten nur in der Gemeinnützigkeitssphäre und lediglich als Nachfrager in der Marktsphäre. Der Staat wäre insofern verfassungsrechtlich verpflichtet, Individuen davor zu bewahren, sich dauerhaft und umfassend in den ausschließlichen Dienst der Gemeinnützigkeit zu stellen und ihre Selbstbestimmung aufzugeben. Sie würden zum Objekt des Staates. Eine umfassende Anwendung des Ausschließlichkeitsgrundsatzes auf Einzelpersonen verstößt fun-damental gegen das Menschenbild des Grundgesetzes und gegen die Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). Kein Mensch kann auf seine Menschenwürde verzichten, kein Mensch darf zum Objekt des Staates gemacht werden.982 Ein ausschließlich an die Gemeinnützig-keitssphäre gebundener Mensch wäre allerdings ein Objekt des Staates und nicht mehr selbst-bestimmt. Damit diese Möglichkeit systematisch verhindert wird, zugleich aber andere Rechtssubjekte ausschließlich gemeinnützig sein können, ist es verfassungsrechtlich gerecht-fertigt, Einzelpersonen den Status als gemeinnützige Organisation zu versagen.

bb Gebot der Ausschließlichkeit

Entscheidendes Wesensmerkmal einer gemeinnützigen Organisation wäre die uneinge-schränkte Festlegung, ausschließlich gemeinnützige Zwecke zu verfolgen. Ausschließlichkeit läge vor, wenn nur solche Zwecke verfolgt würden, die mit den staatlich vorgegebenen ge-meinnützigen Themenbereichen übereinstimmen. Jedes Engagement der Organisation wäre an die satzungsmäßigen gemeinnützigen Zwecke gebunden und jedes Verhalten zu anderen Zwecken gefährdete den Gemeinnützigkeitsstatus. Jene strengen Maßstäbe wäre Resultat ei-ner restriktiven Auslegung der Ausschließlichkeit. Sie verhindert, dass gemeinnützige Orga-nisationen Gewinninteressen entwickeln, welche im Innenverhältnis mit den Gemeinnutzinte-ressen und im Außenverhältnis mit den Gewinninteressen von konkurrierenden Marktteil-nehmern in Konflikt geraten können. Letztgenannte Konfliktfälle treten derzeit im steuerli-chen Gemeinnützigkeitsrecht auf, rufen Abgrenzungsprobleme hervor und bedürfen in jedem Einzelfall einer besonderen sachlichen Rechtfertigung der gemeinnützigen Förderung. Die Beurteilung des Einzelfalles übernehmen die lokalen Finanzämter als Teil der steuerlichen Finanzverwaltung.983 Im Sinne einheitlicher Rechtsanwendung und effizienter Administration der Gemeinnützigkeitsstatus erscheint es vorteilhaft, die Statusprüfung durch eine rechtsklare Sphärenabgrenzung zu systematisieren, die Anerkennung auf die tatsächlich fördernden Or-

982 BVerfGE 115, 118. 983 Gutachten der Unabhängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spen-

denrechts, BMF-Schriftenreihe, Heft 40, 1988, S. 49 ff.

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194 Siebtes Kapitel: De lege ferenda-Skizze des Gemeinnützigkeitsrechts

ganisations- und Tätigkeitsbereiche zu beschränken und durch eine zentrale Bundesbehörde durchführen zu lassen. Ferner führt eine restriktive Auslegung der Ausschließlichkeit dazu, dass eine Gewinn- oder Eigennutzorientierung der die Organisation prägenden Akteure nicht auf die Ebene der ge-meinnützigen Organisation übertragen werden kann. Sie ist folglich auch ein Instrument zur Missbrauchsvorbeugung. Das Gebot der Selbstlosigkeit (§ 55 AO) würde dadurch weite Teile seiner Bedeutung verlieren, denn die Verfolgung eigenwirtschaftlicher Zwecke (gewerbliche Zwecke, Erwerbszwecke) wäre bereits systematisch ausgeschlossen. Auf diese Weise würde unter dem Status der gemeinnützigen Organisation ein erstes Idealbild für gemeinnütziges Engagement herausgefiltert. Es würde einen Teil der derzeitigen gemeinnützigen Körper-schaften in sich aufnehmen. Aussortiert würden hingegen diejenigen gemeinnützigen Körper-schaften, die weiterhin eine Gewinnorientierung in sich tragen. Diese Rechtssubjekte würden dem Status der partiell gemeinnützigen Person zugeordnet, der die gleichzeitige Gewinn- und Gemeinnutzorientierung innerhalb eines Rechtssubjektes toleriert.

cc Vorrang der zeitnahen Mittelverwendung

Sämtliche Mittel der gemeinnützigen Organisation wären gemeinnützig gebunden und dürften ausschließlich zu gemeinnützigen Zwecken verwendet werden. Die Verwendung der Mittel hat jedoch weiterhin zeitnah zu erfolgen. In Anlehnung an §§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO käme fol-gende zeitliche Dimension in Betracht. Die Verwendung ist als zeitnah anzusehen, „wenn die Mittel spätestens in den auf den Zufluss folgenden zwei Kalender- oder Wirtschaftsjahren für die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden“. Dieser Vorrang der zeitnahen Mittelverwendung wird in Anlehnung an § 62 AO ergänzt um die Möglichkeit be-gründeter Rücklagen. Über die Rücklagemöglichkeit stellt sich die Frage der Verwaltung des Vermögens der gemeinnützigen Organisation. Grundsätzlich dürfte das Vermögen nicht zu Erwerbszwecken eingesetzt werden, selbst das Deponieren eines Geldbetrages auf einem ver-zinsten Bankkonto wäre systematisch nicht zulässig, denn dieses Verhalten wäre streng ge-nommen gewinnorientiert. Geldbeträge müssten auf einem zinslosen Bankkonto deponiert werden, jedenfalls dürften die Zinsen die Kontoführungsgebühren nicht überschreiten. Ande-rerseits hätte eine strenge Auslegung des Grundsatzes der unentgeltlichen Wertschöpfung an dieser Stelle zur Folge, dass jedes Vermögen der gemeinnützigen Organisation langfristig durch die Inflation an Wert verliert. Nukleus des Grundsatzes der Unentgeltlichkeit ist es aber, dass kein materieller Hinzuerwerb erfolgt. Es scheint vertretbar, den reinen Werterhalt des Vermögens (Inflationsausgleich) nicht als materiellen Hinzugewinn anzusehen. Sodass, um im Beispiel zu bleiben, die Zinsen eines Bankkontos nicht nur die (angemessene) Höhe der Bankgebühren erreichen dürften, sondern zusätzlich die amtliche Inflationsrate, ohne dass jene Vermögensverwaltung als entgeltlich einzustufen wäre. Ein wertmäßiger Vermögenser-

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halt sollte auch gemeinnützigen Organisationen aus eigenen Kräften möglich sein. Die Fi-nanzwirtschaft und das Bankensystem müssten sich insoweit auf die Anforderungen der Ge-meinnützigkeit einstellen. Entscheidend ist letztlich, dass ein Vermögensaufbau nicht auf Zin-seszins- oder Renditeeffekten des Vermögens der gemeinnützigen Organisation beruht, son-dern auf Drittzuflüssen.

dd Staatliche Anerkennung und Statusprüfung

Bei der Förderung von gemeinnützigen Organisationen stehen drei Prüfungsschritte im Vor-dergrund: die Erfüllung der zivilrechtlichen Gründungsvoraussetzungen der Rechtsformen, die Erfüllung der gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen und die Erfüllung der Voraus-setzungen des jeweiligen Förderansatzes. Für die ersten beiden Prüfungsschritte wäre zentral das Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben zuständig und bei Bestehen der Prüfung würde dem Rechtssubjekt der Rechtsstatus als gemeinnützige Organisation ver-liehen.984 An diesen Rechtsstatus, der in der Fortentwicklung des Gesamtkonzeptes der Ge-meinnützigkeit in weitere Unterstatus ausdifferenziert werden könnte, würden die einzelnen Förderansätze entweder direkt oder unter zusätzlichen Voraussetzungen anknüpfen. Die Zu-ständigkeit des dritten Prüfungsschritts läge bei der die Förderung gewährenden Behörde, beispielsweise beim Finanzamt im Falle einer Steuervergünstigung.

b Status partiell gemeinnützige Person

Der Status der partiell gemeinnützigen Person könnte einen weiteren Subrechtsrahmen dar-stellen, der gemeinnütziges Engagement würdigt. Anders als gemeinnützige Organisationen wären partiell gemeinnützige Personen gerade nicht angehalten, ausschließlich gemeinnützig zu sein, sondern könnten auch andere Zwecke verfolgen. Dabei eröffnete die dem Status zu-grundeliegende Tätigkeitsbetrachtung die Möglichkeit, gemeinnütziges Engagement flexibel zu erfassen und beispielsweise von einer Erwerbstätigkeit abzugrenzen. Auch wenn dieser Status weitreichende Ausdifferenzierungen erfahren müsste, kann die Gemeinnützigkeitssphä-re auf diese Weise nahezu punktgenau ausgeleuchtet und Engagement je nach politischem Willen anerkannt und gefördert werden. Für das partielle Engagement könnte eine Sonder-vermögenssphäre der Gemeinnützigkeit innerhalb des jeweiligen Rechtssubjektes definiert werden. Es besteht die Möglichkeit, eine Gemeinnützigkeitssphäre innerhalb eines jeden Rechtssubjektes unter Aufteilung der Tätigkeits- und Vermögenssphären zu bilden. Hierbei wären die bereits beschriebenen Grundsätze der Gemeinnützigkeit und das Gebot des Vor-rangs der zeitnahen Mittelverwendung zu beachten.

aa Statusfähigkeit und Trägerschaft 984 Zur zentralen Zuständigkeit 7. Kapitel II. 3.

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Statusfähig wären grundsätzlich alle Personen, die Träger von Rechten und Pflichten sein können und in der Lage sind, sich über Willenserklärungen rechtlich zu binden. Je nach Rechtssubjekt könnte der Zwecksetzungsakt als partielle Bindung an gemeinnützige Zwecke über die Satzung, sonstige Grundstatuten oder eine Willenserklärung erfolgen.985 Die Status-fähigkeit wäre dabei von einer Trägerschaft zu unterscheiden. Es wäre gerade die Besonder-heit, dass beispielsweise eine natürliche Person einen eigenen Status als partiell gemeinnützi-ge Person erlangen könnte, unabhängig davon, ob sie im Auftrag einer gemeinnützigen (Trä-ger-)Organisation tätig wird oder ob sie sich ihre Engagementmöglichkeit in eigener Träger-schaft selbst organisiert. Durch die Anerkennung jedes engagierten Rechtssubjektes mit sei-nem konkreten gemeinnützigen Engagement könnte Engagement in der Gemeinnützig-keitssphäre flexibel erfassen sowie zielgenau gefördert werden. Eine weitere Ausdifferenzierung könnte beispielsweise bei der Eigen- und Fremdträgerschaft der partiell gemeinnützigen Person anknüpfen oder sich auch auf die Unterscheidung von Geld- und Zeitspenden beziehen.

bb Staatliche Anerkennung und Statusprüfung

Zur Erfassung und Förderung von partiell gemeinnützigen Personen sind grundsätzlich drei Prüfungsschritte zu beachten: die Erfüllung der zivilrechtlichen Voraussetzungen der Perso-nen, sich rechtlich wirksam binden zu können, die Erfüllung der gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen und die Erfüllung der Voraussetzungen des jeweiligen Förderansatzes. Für die ersten beiden Prüfungsschritte bietet sich eine zentrale Zuständigkeit des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben an. Die Personen müssten den Rechtsstatus der partiellen Gemeinnützigkeit beantragen und bei Bestehen der Prüfung würde der Rechtsstatus als partiell gemeinnützige Person verliehen. Engagementfreudigen Personen sollte es dabei in Anlehnung an § 60a AO möglich sein, verbindliche Aussagen darüber ex ante einzuholen, ob ein bestimmtes Engagement die Voraussetzungen erfüllt. Darüber hinaus könnte die damit beauftragte Behörde Beratungen, Schulungen und die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Engagementförderung koordinieren. An den Rechtsstatus der partiell ge-meinnützigen Person würden konkrete Förderansätze entweder direkt oder unter weiteren Voraussetzungen anknüpfen. Die Zuständigkeit des dritten Prüfungsschritts läge bei der für die Förderung zuständigen Behörde, beispielsweise für Steuervergünstigungen beim Finanz-amt.

985 Hierzu 6. Kapitel B. I.

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Zusammenfassung

Die Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung aus dem Jahr 2010 hat das Ziel aus-gegeben, „durch geeignete Rahmenbedingungen einen Nährboden zu schaffen, auf dem frei-williges Engagement in seiner ganzen Vielfalt (…) gedeihen kann“986. Es sind einige gute Rahmenbedingungen der Engagementförderung im geltenden Recht vorhanden, gemessen an dem Gebot der Berücksichtigung einer Gemeinnützigkeitssphäre987 und dem Maßstab der Systemkohärenz988 und den aufgezeigten Zielen der Nationalen Engagementstrategie fehlt es hingegen an einer einheitlichen rechtlichen Erfassung von gemeinnützigem Engagement und damit an einem einheitlichen Rechtskonzept zur Förderung der Gemeinnützigkeit. Das Um-setzungsdefizit des geltenden Rechts bezieht sich insoweit darauf, dass es freiwilliges Enga-gement nicht in seiner ganzen Vielfalt erfassen und fördern kann. Die Abhandlung möchte einen Beitrag leisten auf dem Weg zur Erstellung eines Gesamtkon-zeptes der Engagementförderung und zur Lösung des Umsetzungsdefizits. Hierfür wird zu-nächst der Normbestand der §§ 51-68 AO anhand der juristischen Auslegungsmethodik zur Frage der Statusbeschränkung des steuerlichen Gemeinnützigkeitsrechts auf Körperschaften im Sinne des § 1 Abs. 1 KStG untersucht. Sodann wird der Rechtsbegriff der Gemeinnützig-keit in seine Wesensmerkmale aufgeteilt, inhaltlich gefasst und über die Gebote der Berück-sichtigung einer Gemeinnützigkeit sowie der Systemkohärenz in ein Gesamtsystem der Ge-meinwohlförderung rechtssystematisch eingeordnet. Durch die erforderliche Abgrenzung der Engagementtätigkeit zu anderen Tätigkeiten wird auf diesem Weg eine Sphäre des gemein-nützigen Handelns herausgearbeitet: die Gemeinnützigkeitssphäre. Sie ist ein politisches In-strument der Gemeinwohlförderung, das über rechtliche Strukturen zu erfassen ist, um mög-lichst weitgehend und effizient eingesetzt werden zu können. Die Abhandlung stellt fest, dass die lebhafte Gemeinnützigkeitssphäre der Bundesrepublik Deutschland derzeit rechtlich nur teilweise erfasst wird und das Recht hierzu durch die Beschränkung des Gemeinnützigkeits-status auf Körperschaften seinen Teil dazu beiträgt. Selbst unter verfassungskonformer Aus-legung des Rechtsbegriffes der Gemeinnützigkeit und der Einbeziehung von Ansätzen einer individuellen Gemeinnützigkeit im geltenden Recht wird vor dem Maßstab der Systemkohä-renz hinsichtlich der Umsetzung des politischen Willens in die rechtliche Erfassung der Ge-meinnützigkeitssphäre ein Defizit deutlich. Für eine weiterreichende rechtliche Erfassung und einen weitreichenderen Einsatz des In-strumentes ist der Blick auf den Rechtsbegriff der Gemeinnützigkeit zu öffnen. Weg von der 986 BMFSFJ, Nationale Engagementstrategie der Bundesregierung, 6.10.2010, S. 5. 987 Hierzu Einleitung A. 988 Hierzu 2. Kapitel D.

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einschränkenden steuerrechtlichen Perspektive und hin zu einer öffnenden Perspektive samt Herleitung der Gemeinnützigkeit aus dem Gemeinwohlbegriff. Die Gemeinnützigkeitssphäre ist kein Instrument des Steuerrechts, sie ist ein Instrument der Gemeinwohlförderung und die-se hohe Bedeutung sollte sich in den sie erfassenden und fördernden Gesetzen wiederfinden. Ein Blick auf die scheinbaren Stellschrauben der Engagementpolitik (beispielsweise §§ 3 Nr. 26-3 Nr. 26b EStG) genügt, um zu erkennen, dass der Gesetzgeber diese Bedeutung der Ge-meinnützigkeit noch nicht verinnerlicht hat. Abschließend trägt die Abhandlung skizzenartig Ideen zu einigen möglichen de lege ferenda-Entwicklungen des Gemeinnützigkeitsrechts zu-sammen, um Denkanstöße zu geben und zu einem bislang fernliegenden Perspektivwechsel zu ermutigen.

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Thesen

1. Das Gemeinwohl beschreibt einen Zustand der optimalen Entfaltung aller Individualinte-ressen in einer Gemeinschaft. Zunächst abstrakte Idee, konkretisiert es sich ständig neu über gemeinwohlorientierte politische Systeme als das eine Gemeinwohl der so organi-sierten Gemeinschaft.

2. Gemeinwohlorientierte politische Systeme setzen Abstraktionsebenen voraus, die eine

sachliche Abwägung von Interesseninhalten ohne Berücksichtigung der konkreten Inte-ressenträger ermöglichen (Interessenebene) und zugleich in der Lage sind, die getroffe-nen Interessenausgleichsentscheidungen gegenüber allen Mitgliedern der Gemeinschaft gleich durchzusetzen (Personenebene).

3. In einem gemeinwohlorientierten Verfassungs-/Rechtsstaat konkretisiert die Verfassung

das Gemeinwohl auf einer ersten Stufe, das verfassungskonforme staatliche Handeln konkretisiert das Gemeinwohl auf einer zweiten Stufe und das gesamte rechtmäßige Ver-halten der Bürger konkretisiert das Gemeinwohl der Staatsgemeinschaft auf einer dritten Stufe. Das politische System muss sich mit dem realpolitischen Ergebnis in der Gemein-schaft (konkretes Gemeinwohl) vor der abstrakten Gemeinwohlidee (These 1.) verant-worten.

4. Die Gemeinwohlförderung umfasst jedes Verhalten zur Etablierung eines gemeinwohl-

orientierten politischen Systems und jedes systemkonforme Verhalten im Rahmen eines etablierten gemeinwohlorientierten politischen Systems.

5. Die Gemeinnützigkeitssphäre ist ein Instrument der Gemeinwohlförderung und insoweit

politisch gleichwertig zur Markt-, Staats- und Privatsphäre. Sie beinhaltet unentgeltliches, freiwilliges Verhalten mit qualifiziertem Gemeinwohlbezug.

6. Die Erstellung eines Gesamtkonzeptes der Gemeinnützigkeit und die rechtliche Erfas-

sung, Anerkennung und Förderung von gemeinnützigem Engagement sind in einem ge-meinwohlorientierten Verfassungs-/Rechtsstaat geboten (Gebot der Berücksichtigung ei-ner Gemeinnützigkeit). Sie sind sachlich gerechtfertigt, weil gemeinnütziges Engagement Interessenkonflikte löst, den Staat dadurch bei seinen Aufgaben unterstützt und weil sie die Konflikte auf eine Art lösen, die dem Staat nicht zugänglich ist.

7. Vom Gesetzgeber geschaffene Subsysteme müssen den Anforderungen des verfassungs-

rechtlichen „Maßstabs der Systemkohärenz“ standhalten. Hierfür muss das Subsystem ein

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200 Thesen

Ziel in sich tragen, das aus der Verfassung hergeleitet werden kann. Diese Voraussetzung ergibt sich aus der Bindung der Legislative an die verfassungsmäßige Ordnung (Art. 20 Abs. 3 GG). Darüber hinaus müssen die kodifizierten Strukturen zur Zielerreichung kohä-rent sein, weil der Gesetzgeber vor der Grundrechtsbindung des Art. 1 Abs. 3 GG und dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gegenüber den Bürgern möglichst systema-tisch, effizient und nicht willkürlich agieren muss/darf. Etwaige Entscheidungen inner-halb des Systems in einem Über-Unterordnungsverhältnis zwischen Staat und Bürger sind aus Gründen der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 S. 2 Halbs. 2 GG) durch eine vom Gesetzgeber unabhängige Prüfungsinstanz vorzunehmen. Abschließend muss das Subsys-tem auch insgesamt verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein, in dem es durch seinen Re-gelungscharakter nicht unverhältnismäßig in Grundrechte der Bürger oder in anderweitig zu schützende Verfassungswerte eingreift.

8. Das Gesamtkonzept der Gemeinnützigkeit kann zwischen individuellem und kollektivem

gemeinnützigem Engagement unterscheiden. Individuelles gemeinnütziges Engagement ist jede freiwillige und unentgeltliche Tätigkeit einer Einzelperson mit qualifiziertem Gemeinwohlbezug. Kollektives gemeinnütziges Engagement ist jede freiwillige und un-entgeltliche Tätigkeit mit qualifiziertem Gemeinwohlbezug, die von mindestens zwei Personen gemeinschaftlich ausgeführt wird. Beide Engagementformen können in einer Tätigkeit zeitgleich vorliegen, sind dennoch zu unterscheiden.

9. Das Gemeinnützigkeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland umfasst nicht nur das steu-

erliche Gemeinnützigkeitsrecht, sondern auch die Ansätze einer individuellen Gemein-nützigkeit in den Freiwilligendienstgesetzen (BFDG, JFDG), in § 19 Sozialgesetzbuch XI und in den Steuergesetzen gemäß § 33b Abs. 6 EStG, § 10b EStG, § 13 Abs. 1 Nr. 16, 17 ErbStG sowie § 3 Nr. 5, 5a GrStG. Der Begriff der Gemeinnützigkeit ist insofern verfas-sungskonform auszulegen.

10. Das Konzept der Erfassung, Anerkennung und Förderung einer Gemeinnützigkeit im

deutschen Recht kann trotz verfassungskonformer Auslegung allenfalls vorübergehend der politischen Dimension und den rechtssystematischen Anforderungen der Gemeinnüt-zigkeit standhalten. Das Gemeinnützigkeitsrecht ist aus seinen steuerrechtlichen Fesseln zu lösen. Das Steuerrecht erfasst und besteuert Geschehnisse in der Markt- und Pri-vatsphäre, die unter Nutzung der gesellschaftlichen Infrastruktur erfolgen. Gemeinnützi-ges Engagement stärkt diese Infrastruktur hingegen direkt, es löst Interessenkonflikte, unentgeltlich und unter staatlicher Anleitung. Ein Steuerzugriff in der Gemeinnützig-keitssphäre erscheint daher abwegig. Das Steuerrecht sollte der Engagementförderung einzelne Förderbausteine bereitstellen, aber sie nicht durch eigene Strukturen begrenzen.

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