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Die Köchin von Castamar Auf Liebe und Tod. Roman − Jetzt ...

Date post: 25-Nov-2021
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Leseprobe Fernando J. Múñez Die Köchin von Castamar Auf Liebe und Tod. Roman − Jetzt als Serie bei Netflix! Bestellen Sie mit einem Klick für 13,00 € Seiten: 336 Erscheinungstermin: 09. Juni 2020 Mehr Informationen zum Buch gibt es auf www.penguinrandomhouse.de
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Leseprobe

Fernando J Muacutentildeez

Die Koumlchin von Castamar Auf Liebe und Tod Roman minus Jetzt als Serie bei Netflix

Bestellen Sie mit einem Klick fuumlr 1300 euro

Seiten 336

Erscheinungstermin 09 Juni 2020

Mehr Informationen zum Buch gibt es auf

wwwpenguinrandomhousede

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Buch lesen

Mehr zum Autor

Zum Buch Jetzt als Serie bei Netflix Eine skandaloumlse Liebe boumlse Intrigen

und gefaumlhrliche Duelle am Hof von Castamar

Clara Chefkoumlchin am Hof von Castamar schwaumlrmt schon lange fuumlr den

Herzog Doch obwohl sie mehrere eindeutige Zeichen erhalten hat kann

sie immer noch kaum glauben dass der Herzog ihre Gefuumlhle erwidert Als

Clara bei einem groszligen Festessen den Gaumlsten des Herzogs vorgestellt

wird geraumlt die Situation auszliger Kontrolle Mehrere Adlige machen

anzuumlgliche Bemerkungen bis Clara - ihrer niedrigen Stellung zum Trotz -

ihrer Wut freien Lauf laumlsst Ein Skandal der sofort die Runde macht Doch

der Herzog gibt nicht auf um Clara zu werben Auch wenn er damit ins

Netz der Verschwoumlrung geraumlt die seine Feinde seit Langem sorgfaumlltig

inszeniert haben

raquoDie Koumlchin von Castamar Auf Liebe un Todlaquo ist der zweite Teil der

packenden historischen Saga jetzt grandios verfilmt als opulente Netflix-

Serie

Autor

Fernando J Muacutentildeez Fernando J Muacutentildeez geboren 1972 in Madrid

studierte Philosophie und Filmwissenschaften Er

verfasste Drehbuumlcher und Jugendliteratur bevor er

die historische Saga raquoDie Koumlchin von Castamarlaquo

schrieb die in Spanien sofort zum Bestseller wurde

Eine TV-Verfilmung ist bereits in Vorbereitung

FERNAND O J MUacuteNtildeEZ

Die Koumlchin von Castamar

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Erster Teil16 Oktober 1721 ndash 7 November 1721

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KAPITEL 1

16 Oktober 1721

Amelia Castro bereitete schon seit mehreren Tagen ihre Abreise vor nachdem sie das Fruumlhjahr und den Som-

mer uumlber die Gastfreundschaft und das Vertrauen der Bewohner von Castamar weidlich ausgenutzt hatte Nun da es bereits Herbst war genau an dem Tag an dem das jaumlhrliche Fest des Herzogs Don Diego von Castamar stattfinden wuumlrde hatte sie beschlos-sen sich auf den Weg nach El Escorial zu machen um ihre kranke Mutter zu besuchen Denn die einzigen Nachrichten die sie uumlber sie erhalten hatte waren Briefe von Dienstboten die sich um sie kuumlmmerten Auch der Marquis von Soto und Campomedina Don Enrique hatte ihr geschrieben und sie daruumlber informiert dass er erneut an dem traditionellen Essen im kleinen Kreis in Castamar teilnehmen wuumlrde wo er auch sie anzutreffen hoffe Nun war sie voller Panik Offensichtlich gab es keine Moumlglichkeit diesem Kerl klarzumachen dass er das was er nach dem geheimen Plan von ihr forderte nicht bekommen wuumlrde Denn es stand nicht mehr in ihrer Macht Don Diego zu verfuumlhren

Natuumlrlich war Dontildea Mercedes ndash Don Diegos Mutter ndash ihr durchaus gewogen und ihre Soumlhne waren es ebenfalls aber mehr auch nicht Und deshalb war Amelia zu dem Schluss gekommen dass der Widerling Don Enrique wenn er herausfinden wuumlrde

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dass Don Diego sich keineswegs verpflichtet fuumlhlte sie jemals zu ehelichen durchaus in der Lage sein wuumlrde sie und ihre Mutter durch einen Unfall verschwinden zu lassen

Daher hatte sie eine Strategie erdacht um dieser bedroh-lichen Lage zu entkommen Sie hatte vor ihre Mutter abzuho-len und von Madrid nach Caacutediz zu reisen um dann per Schiff in ein anderes europaumlisches Land moumlglicherweise Frankreich oder nach Amerika zu fliehen Sie hoffte den Majordomus oder einen anderen Dienstboten des Hauses mithilfe einer betraumlcht-lichen Summe Geldes dazu bewegen zu koumlnnen sie von hier fortzubringen Und wenn ihr das gelang wuumlrde sie Don Enrique fuumlr immer vergessen Bis dahin musste sie ihn jedoch glauben machen dass sie ihr Ziel erreichen koumlnne Auszligerdem durfte Don Gabriel der Adoptivbruder des Herzogs sosehr sie ihn auch in all den Monaten schaumltzen gelernt hatte auf keinen Fall erfahren dass sie an der Geschichte beteiligt war Sie hatte sogar daran ge-dacht Don Gabriel zu bitten sie zu begleiten und ihr zur Seite zu stehen falls die Dienerschaft in El Escorial sich als nicht ko-operativ erweisen sollte Spaumlter war sie jedoch zu dem Schluss gekommen ihn lieber nicht damit zu behelligen da sie nicht wollte dass Don Gabriel zum Ziel der Machenschaften des Mar-quis werden wuumlrde Deshalb hatte sie geschwiegen obwohl sie das Beduumlrfnis verspuumlrt hatte sich ihm anzuvertrauen Sie fuumlrch-tete um seine Sicherheit denn als Mitwisser wuumlrde er automa-tisch zu Don Enriques Feind

Seit Don Gabriel sie aus dem Schlamm und dem Unwetter ge-rettet und vor dem sicheren Tod bewahrt hatte hatten sich ihre Ansichten uumlber die dunkelhaumlutige Rasse sehr veraumlndert So in-tensiv wie er sich um ihr Wohl gesorgt hatte die medizinische Behandlung ihres Gesichts die er ihr auf Anweisung des Arz-tes hin hatte angedeihen lassen die gemeinsamen Spaziergaumlnge durch die Gaumlrten von Castamar und die Ausfluumlge nach Villacor die kurzen Nachrichten die er ihr geschrieben hatte die Lek-

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tuumlren mit denen er sie erfreut hatte und sein Cembalospiel fuumlr sie all das hatte dafuumlr gesorgt dass sie auf einmal nicht mehr auf seine Hautfarbe gesehen hatte sondern in sein Herz Und es gab keinen anderen Menschen der so gutmuumltig und hilfsbereit war wie er Don Gabriel wies all die Eigenschaften auf die eine Frau sich von einem Mann wuumlnschen konnte Er war gut aussehend selbstsicher vertrauenswuumlrdig und hingebungsvoll Daher war-tete sie nun mit ihrem fertigen Gepaumlck traurig auf ihn um sich zu verabschieden Die nie erklaumlrte Beziehung die sich zwischen ihnen entwickelt hatte wuumlrde uumlber sie beide nur Ungluumlck brin-gen wenn sie sie nicht beendeten Sie war eine unverheiratete Frau der man die Jungfraumlulichkeit genommen und das Gesicht gezeichnet hatte Und er ein Mann der nur innerhalb der engen Grenzen von Castamar respektiert wurde

Jemand klopfte an die Tuumlr und sie gewaumlhrte Einlass Wie sie es erwartet hatte erschien Don Gabriel untadelig gekleidet in einem Gehrock aus Taft und einer himmelblauen Weste mit sil-bernen Knoumlpfen Sie wandte sich ihm zu und machte einen klei-nen Knicks Daraufhin nahm er den Dreispitz ab gruumlszligte houmlflich und erklaumlrte seinen Wunsch zu erfahren ob sie die Absicht habe Castamar zu verlassen

raquoIch moumlchte Euch nicht noch mehr Unannehmlichkeiten be-reiten als es bereits der Fall ist und hellip wie Ihr seht sind meine Sachen die Ihr freundlicherweise aus Madrid habt herbringen lassen bereits gepackt Ich moumlchte meine Mutter besuchenlaquo

Er nickte verstaumlndnisvoll und presste die Lippen zusammen wie bereits mehrere Male zuvor wenn er sich gezwungen hatte das Thema des Uumlberfalls nicht anzusprechen Sie schwiegen eine Weile als koumlnne sich keiner von beiden dazu entschlieszligen sich zu verabschieden Bis er sie mit seinen glaumlnzenden dunklen Augen ansah und gestand

raquoIch wiederhole wie sehr ich mir wuumlnsche dass Ihr zum Abendessen bleibtlaquo

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Sie erschauderte wenn sie nur an Don Enrique dachte und senkte sofort den Blick

raquoDiese Einladung entspricht natuumlrlich auch dem Wunsch mei-nes Bruders und meiner Mutter die Euch wie Ihr wisst aufrich-tig schaumltzenlaquo fuumlgte Don Gabriel hinzu raquoWie ich Euch letztens beim Spaziergang sagte wuumlrde es mich sehr gluumlcklich machen wenn Ihr meine Begleiterin waumlretlaquo

Sie laumlchelte als ihr dieser Moment wieder ins Gedaumlchtnis kamraquoIch danke sehr fuumlr Euer Angebot aber heute Abend Eure Be-

gleiterin zu sein wuumlrde mich in eine unerquickliche Lage bringen und Euch helliplaquo

raquoIch verstehe Manchmal bedenke ich nicht was ich von anderen erbittelaquo unterbrach er sie sanft raquoKeine Angst meine Einladung bezieht sich nur auf das Essen unter Freunden das mein Bruder vor dem Fest zu geben pflegt Denn obwohl mein Bruder immer wieder darauf besteht nehme ich niemals am an-schlieszligenden Ball teil Meine Hautfarbe ist nicht angemessen fuumlr den Koumlnigshof und ich verstehe dass sie das auch fuumlr Euch nicht ist Ich fuumlrchte dass es zu staumlndigem Gerede fuumlhren wuumlrde und ich weiszlig dass das hellip unangenehme Folhelliplaquo

Amelia trat auf Gabriel zu und hob die Hand um ihn zu unter-brechen

raquoIhr habt mich falsch verstanden Don Gabriellaquo fluumlsterte sie raquoAuch wenn ich nicht abstreiten kann dass ich zu Anfang ge-wisse Vorbehalte Eurer Hautfarbe gegenuumlber hatte sind diese doch schon lange nicht mehr bei mir vorhanden Auf keinen Fall wuumlrde ich Euch derartig entehren und schon gar nicht nach-dem Ihr mir das Leben gerettet habt Ihr seid der beste Beglei-ter den ich mir fuumlr das Fest wuumlnschen koumlnnte und meine Absage hat nichts mit Eurer Hautfarbe zu tunlaquo fuhr sie fort raquoDass ich nicht daran teilnehmen moumlchte ist hellip wegen mir hellip meiner dum-men weiblichen Eitelkeit helliplaquo erklaumlrte sie und strich sich uumlber die laumlngst geschlossene Narbe auf ihrer Wange

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Gabriels Gesichtsausdruck veraumlnderte sich sofortraquoEntschuldigt meine Dummheitlaquo sagte er raquoDaran gewoumlhnt

dass meine Hautfarbe bei tumben Herzen auf Abneigung stoumlszligt habe ich nur an mich gedacht anstatt an Euer Wohllaquo

raquoDeshalb braucht Ihr Euch nicht schuldig zu fuumlhlen Nicht mir gegenuumlber die ich in Euer Herz geblickt habe und weiszlig wie Ihr seidlaquo sagte Amelia um der Angelegenheit an Bedeutung zu neh-men

Fuumlr ein paar Sekunden sahen sie sich in die Augen Dann trat er noch naumlher an sie heran

raquoErlaubt mir Euch zu beschuumltzenlaquo sagte er raquoIch schwoumlre dass ich nicht zulassen werde dass Euch noch einmal irgendjemand ein Leid antutlaquo

Diese Worte bewegten sie so sehr dass sie sich ihm endlich an-vertrauen wollte Mit den Fingerspitzen strich er uumlber ihre Narbe und sie hielt seine Hand zoumlgernd fuumlr einen Moment zuruumlck um dann zuzulassen dass er ihr Gesicht beruumlhrte Sie senkte den Kopf bis ihre Stirn an seiner Brust lehnte In dem Moment klopfte je-mand an die Tuumlr und beide traten sofort auseinander Don Diego kam herein in dem Glauben nur sie dort anzutreffen Als er sei-nen Bruder sah hielt er inne doch Gabriel bat ihn einzutreten Fuumlr einen Moment kehrte das befremdliche Gefuumlhl zuruumlck das Ame-lia jedes Mal verspuumlrte wenn sie die beiden Bruumlder zusammen sah raquoIch bin gekommen um Euch Sentildeorita Amelia zu bitten heute Abend noch am Essen teilzunehmen helliplaquo sagte Diego befangen

Don Gabriel beeilte sich zu sagen dass sie anderweitige Ver-pflichtungen habe doch bevor er den Satz beenden konnte er-klaumlrte Amelia durch einen Impuls geleitet dass diese Verpflich-tungen warten konnten und dass es ihr eine Freude sei den Abend mit ihnen gemeinsam zu verbringen Don Diego zog sich zuruumlck um der Dienerschaft mitzuteilen dass sie einen Gast mehr erwarteten und nachdem er den Raum verlassen hatte dankte Gabriel Amelia dafuumlr dass sie bleiben wollte

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raquoDas ist das Mindeste was ich tun kannlaquo entgegnete sieraquoNicht dass Ihr Euch genoumltigt fuumlhlt Ich weiszlig dass Ihr auf-

grund Eurer guten Erziehung helliplaquoraquoIch freue mich darauf Eure Begleitung zu seinlaquo unterbrach

sie ihnDaraufhin entschuldigte er sich laumlchelnd und folgte dem Her-

zog aus dem Zimmer Und sie blieb mit ihrer Angst allein zuruumlck Sie setzte sich und betrachtete ihre Haumlnde die sie nicht stillhal-ten konnte raquoSei stark Amelialaquo sagte sie sich raquoWas waumlhrend des Essens auch geschieht Don Gabriel wird an deiner Seite sein und wenn du die Freiheit willst musst du Don Enrique die Stirn bie-tenlaquo

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

Das Abendessen im kleinen Kreis war nach den Worten Andreacutes Moguers ein raquovoller Erfolglaquo Der Kammerherr der die servieren-den Dienstboten mit einer kurzen Beschreibung dessen was im Salon vor sich ging hineinschickte erklaumlrte dass sich allgemeine Stille ausgebreitet habe die lediglich von genuumlsslichen Seufzern beim Kosten der Bruumlhe und des Fleischs unterbrochen wurde

Der dem Ereignis vorausgehende Trubel hatte drei Tage zu-vor begonnen Zunaumlchst mit der Ankunft von Don Diegos Mut-ter Dontildea Mercedes und ihrem Gast Don Enrique von Arcona und spaumlter mit dem Erscheinen der beiden Freunde Seiner Exzel-lenz Don Francisco und Don Alfredo Clara Belmonte war nun bereits seit einem Jahr in Castamar im Dienst und inzwischen dirigierte sie die Kuumlche wie der beruumlhmte Haushofmeister und Koch Franccedilois Vatel So hatte sie es auch ihrer Mutter und ihrer Schwester in den Briefen geschrieben die sie an diesem Morgen abgeschickt hatte Clara hatte ihnen in ihrer klaren Schrift freu-dig beschrieben wie sie Jacinto Suaacuterez dem Fleischeinkaumlufer er-

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klaumlrt hatte dass sie ausschlieszliglich Ware von exzellenter Qualitaumlt akzeptiere wie sie Laacutezaro Molas dem zustaumlndigen Kuumlchenmeis-ter auseinandergesetzt hatte welche Art Dekoration sie fuumlr die Tische wuumlnschte und wie sie die Kuumlchenmeisterin Matilde Mar-roacuten persoumlnlich instruiert hatte welches besonders feine Olivenoumll sie benoumltigte welche Gelees Saucen und Fruumlchte sie zubereiten wuumlrde und was sie dafuumlr brauchte

Dann hatte sie mit der Choreografie der Fleisch- und Fisch-gerichte begonnen um festzulegen in welcher Reihenfolge sie serviert und wie sie praumlsentiert werden sollten Und schlieszlig-lich hatte sie die drei Kuumlchen dirigiert mit denselben Koumlchen die im Vorjahr so gute Arbeit geleistet hatten und dabei ver-sucht alles im Auge zu behalten damit es ihren Erwartungen entsprach Diesmal hatte sich der franzoumlsische Koch Jean- Pierre de Champfleury der sich im letzten Jahr ihren Anweisungen zunaumlchst widersetzt hatte jedem ihrer Befehle gefuumlgt Wie es schien war ihm das Lob des engen Kreises um die Koumlnigin zu Ohren gekommen in dem man der Meinung war dass Sentildeorita Belmonte eine Koumlchin mit auszligergewoumlhnlichen Faumlhigkeiten sei von der jeder Mann noch etwas lernen koumlnne In diesem Jahr hatte Clara fuumlr Ihre Majestaumlt ein paar kleine italienische Nudel-gerichte zubereitet mit Oregano Fleisch Basilikum und Tomaten sowie ein wenig Weiszligwein und einer Prise Zucker um den sauren Geschmack abzumildern

Don Pedro Benoist und Don Pedro Chatelain die beiden Leib-koumlche der Koumlnigin und des Koumlnigs waren auch diesmal gekom-men um auf Anweisung Ihrer Majestaumlten die Zubereitungen zu beaufsichtigen und die Gerichte zu probieren Und beide hat-ten Clara aufrichtig gratuliert und ihr ein paar Ratschlaumlge ge-geben wofuumlr sie ihnen gedankt hatte Auf dem Weg von Kuumlche zu Kuumlche hatte sie sich hin und wieder erlaubt an das Regal in ihrem Zimmer zu denken in dem inzwischen eine stolze Samm-lung von vierzehn auszligergewoumlhnlichen Kochbuumlchern stand Seit

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dem Besuch der Haushaumllterin Dontildea Uacutersula an Rosaliacuteas Todes-tag bedeckte sie die Buumlcher lieber mit einem Leinentuch damit sie niemandem beim Betreten des Raums ins Auge fielen Denn sollte Dontildea Uacutersula die Buumlcher entdecken konnte ihr dies Argu-mente liefern um sie bei der Dienerschaft schlechtzumachen Bisher hatte jedoch lediglich der ihr so gewogene Gaumlrtner Sentildeor Casona sie aufgesucht um ihr ein paar Zweige Jasmin zu brin-gen deren Duft schon bald das ganze Zimmer erfuumlllte

All die Zeit uumlber war die Beziehung zwischen Clara und der Haushaumllterin gleichbleibend kuumlhl und distanziert geblieben und vier Tage zuvor hatten sie sogar eines ihrer uumlblichen Scharmuumltzel ausgetragen Clara der Don Melquiacuteades ausgesprochen leidtat weil er seit Januar eingeschlossen in seinem Zimmer hauste hatte beschlossen mit dem Herzog zu reden damit er seinem ehemali-gen Majordomus verzieh Als Dontildea Uacutersula davon erfahren hatte war sie in der Kuumlche erschienen um Clara im Beisein des gesam-ten Kuumlchenpersonals zu befehlen raquosich nicht in Angelegenhei-ten einzumischen die nichts mit der Kuumlche zu tun habenlaquo Dies hatte sie allerdings nicht sonderlich beeindruckt umso mehr die Reaktion Don Diegos Ihre Bitte kam nicht so gut an wie sie ge-hofft hatte Der Herzog konnte nachdem er ihr zugehoumlrt hatte seinen Zorn kaum beherrschen schnaubte vor Wut und sagte deutlich angespannt kein Wort bis sie den Raum verlassen hatte Spaumlter hatte Clara dann von Elisa erfahren dass ihre Bitte in Don Melquiacuteadesrsquo Interesse nur die letzte auf einer langen Liste gewesen war Der Rest der Dienerschaft hatte sich ndash anders als sie ndash auf in-direkte Art fuumlr Don Melquiacuteades eingesetzt durch Anspielungen wenn der Herzog in der Naumlhe vorbeiging oder indem sie von der Vergebung von Suumlnden sprachen Tatsaumlchlich war dies so oft vor-gekommen dass Don Diego schon vor Monaten zu Dontildea Uacutersula gesagt hatte dass das mit Don Melquiacuteades eine private Angele-genheit sei und dass er seitens der Dienerschaft keine indirekten Kommentare mehr zu houmlren wuumlnsche da er die Botschaft erhal-

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ten habe Daraufhin hatte die Haushaumllterin in vollem Bewusstsein saumlmtliche Dienstboten daruumlber informiert auszliger Clara damit diese endlich in Ungnade falle und nach der barschen Reaktion des Herzogs hatte sie ihren Triumph voll ausgekostet

Clara war danach zutiefst niedergeschlagen gewesen und so verstimmt dass sie sich die Moumlglichkeit vor Augen Seine Exzel-lenz beleidigt zu haben kaum noch konzentrieren konnte Dabei hatte sie sich all die Monate zuvor so leicht und gluumlcklich gefuumlhlt und oft hatte sie am Morgen nach einem der Kochbuumlcher ge-griffen um sich beim Herzog zu bedanken indem sie eine neue Sauce oder eine Variante des Fasanen- oder des Lammbratens ausprobierte oder die Creme- oder Obstspeise auf andere Art zu-bereitete Und wenn sie schon der Anblick der Buumlcher in Hoch-stimmung versetzte so war ihre Freude noch groumlszliger wenn sie daran dachte dass sich in jedem eine versteckte Nachricht des Herzogs fuumlr sie befand Im Laufe des Fruumlhjahrs und des Som-mers hatten der Herzog und sie mehrmals die Gelegenheit ge-habt so korrekt wie zwischen einem Herzog und seiner Koumlchin moumlglich miteinander zu reden waumlhrend ihr geheimer Nachrich-tenaustausch haumlufiger wurde Daher fuumlgte sie jedem Schreiben das sie von Seiner Exzellenz erhalten hatte eine Kopie ihrer Ant-wort bei um sie hin und wieder lesen zu koumlnnen Und der Ge-danke daran brachte sie manchmal dazu mitten in der Nacht eines der Buumlcher aufzuschlagen und die darin liegenden Nach-richten zu lesen

Dieser Briefwechsel hatte eine Wandlung in ihrem Inneren be-wirkt Auf der einen Seite fuumlhlte sie sich Seiner Exzellenz auf eine bestimmte Weise nah Naumlher zumindest als jedes andere Mit-glied der Dienerschaft Und auf der anderen Seite hatte etwas in ihr an Staumlrke gewonnen Genuumlgend Staumlrke um sich ihrer Angst vor offenen Raumlumen zu stellen wie sie dem Herzog in einer ihrer kurzen Nachrichten anvertraut hatte

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Meine sehr geschaumltzte Exzellenzwie ich aus dem Munde Sentildeor Moguers erfahren habe waren die suumlszlige Eierspeise sowie der tranchierte Braten und die Lammhaxe durchaus zu Eurer Zufriedenheit da man mir mit gebuumlhrender Genauigkeit Eure Gluumlckwuumlnsche ausgerichshytet hat Obwohl ich manchmal ein wenig Angst habe Euch irgendwann einmal nicht zufriedenstellen zu koumlnnen bin ich nun auszligerordentlich gluumlcklich dass meine Gerichte Euch schmecken Zugleich hat Eure Groszligzuumlgigkeit mir gegenuumlber mich so sehr inspiriert dass ich mich bereit fuumlhle meine Angst vor offenen Raumlumen zu uumlberwinden

Don Diegos Antwort lieszlig nicht lange auf sich warten In seiner sorgfaumlltigen Schrift teilte er ihr mit

Eure Einstellung zeugt von einem starken Charakter und einem entschiedenen Geist Sentildeorita Belmonte Folgt diesem Weg und zweifellos werdet Ihr Eure Aumlngste schneller uumlberwinshyden als Ihr glaubt Ich befuumlrchte dass die Bestellung in dieser Woche nicht mehr eintreffen wird doch ich hoffe Euch das Buch bald uumlbergeben zu koumlnnen

Daraufhin hatte sie noch acht Tage warten muumlssen bevor sie end-lich das neue Buch erhielt ein Rezeptbuch des Kochs Pierre de Lune mit dem Titel Le nouveau cuisinier das im Jahr 1656 in Paris erschienen war Clara zoumlgerte nicht lange dem Herzog mit einer Nachricht zu antworten in der sie in wenigen Zeilen ihre Dank-barkeit dafuumlr ihm in Castamar als Koumlchin dienen zu duumlrfen zum Ausdruck brachte Schlieszliglich gewann der Austausch der Nach-richten fuumlr sie immer mehr an Bedeutung bis er nicht mehr aus-schlieszliglich mit den bestellten Buumlchern einherging Im Sommer hatte sie dann einmal eine Nachricht vorgefunden die sie gleich-zeitig erfreut und geaumlngstigt hatte Diese hatte sie nach einem rus-

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tikalen Mahl der Freunde des Herzogs drauszligen in Villacor be-kommen

Zweifellos war es ein hervorragender Einfall Euch diese Buumlcher zu schenken denn ich genieszlige die verschiedenen Geschmaumlcke Eurer Gerichte aufs Houmlchste Dennoch muss ich gestehen dass dieser Genuss nur ein schwacher Abglanz der Befriedigung ist die ich in dem Wissen verspuumlre wie sehr Ihr mir zugetan seid

Zwei Zeilen weiter unten hatte er noch hinzugefuumlgt

Daher ruumlhrt es dass jedes Mal wenn ich Eure Gerichte koste eine aufrichtige Zuneigung Euch gegenuumlber in mir erwaumlchst

Diese Worte hatten dafuumlr gesorgt dass ihr Herz schneller schlug und sich in ihrem Kopf alles zu drehen anfing Sie hatte sich ge-fragt wohin das Geheimnis das sie teilten fuumlhren wuumlrde Zu einem unschuldigen Spiel in dem eine Koumlchin und ein Herzog einen heimlichen Briefwechsel fuumlhrten oder zu etwas was mit sich bringen wuumlrde dass sie mit gebrochenem Herzen und ohne berufliche Perspektiven dieses Haus verlassen musste Ihre Angst war so groszlig gewesen dass sie ihn vier Tage auf ihre Antwort war-ten lieszlig Doch ihn immer wieder in den Keller gehen zu sehen wo er angeblich nach einem Wein suchte waumlhrend er in Wahr-heit sehnsuumlchtig auf ihre Nachricht wartete hatte ihr Herz erwei-chen lassen Der Arme war in dieser Zeit mit der Ausrede dass der Wein einen Essigstich haumltte ganze sechs Mal heruntergekom-men sodass er in jenen Tagen eine Menge guten Wein aus Valde-pentildeas geopfert hatte Schlieszliglich hatte Clara ihm dann doch ein paar Zeilen hinterlassen

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Eure Exzellenz ich muss Euch danken denn in diesen Monashyten bin ich so gluumlcklich wie ich es nach dem Tod meines Vaters nicht mehr war und hellip

Dem hatte sie einen Satz hinzugefuumlgt den sie mehrere Male neu geschrieben hatte sodass sie die Nachricht ganze vier Mal ins Reine schreiben musste

hellip und die Zeichen Eurer Zuneigung mir gegenuumlber Eure Hinshygabe und Freundlichkeit haben dafuumlr gesorgt dass ich Euch jeden Tag mehr schaumltze Exzellenz wie es anders nicht sein kann

Deshalb war sie so verbluumlfft von seiner veraumlrgerten Reaktion ge-wesen als sie die Sache mit Don Melquiacuteades angesprochen hatte Gleich am naumlchsten Tag hatte sie um eine Audienz gebeten und war ohne dass Dontildea Uacutersula es gemerkt hatte zu ihm in den Salon gegangen um sich fuumlr ihre gewagte Aumluszligerung zu entschuldigen

raquoBevor Ihr irgendetwas sagt nehmt bitte daslaquo hatte er laumlchelnd gemeint und ihr ein neues Buch uumlbergeben raquoDiesen Band wollte ich Euch lieber persoumlnlich uumlberreichenlaquo

Sie war erroumltet hatte sich mit einem Knicks bedankt und das Buch entgegengenommen Dabei hatten sich ihre Fingerspitzen beruumlhrt Er hatte das Buch noch in den Haumlnden und sie hatte sich gewuumlnscht dass er es niemals loslassen wuumlrde als sich unterhalb des Einbands jener wunderbare Moment ereignet hatte

raquoIch kann nur hoffen dass ich das Bild das Ihr Euch von dem muumlrrischen Charakter der mich hin und wieder uumlberfaumlllt ge-macht habt durch diese Geste ein wenig abmildern kannlaquo hatte Don Diego dabei mit seiner melodischen Stimme gesagt und das Buch schlieszliglich losgelassen

raquoExzellenz auf die Gefahr hin erneut Euer Missfallen zu erre-gen und in dem Bewusstsein dass ich mich in Dinge ein gemischt

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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Zum Buch Jetzt als Serie bei Netflix Eine skandaloumlse Liebe boumlse Intrigen

und gefaumlhrliche Duelle am Hof von Castamar

Clara Chefkoumlchin am Hof von Castamar schwaumlrmt schon lange fuumlr den

Herzog Doch obwohl sie mehrere eindeutige Zeichen erhalten hat kann

sie immer noch kaum glauben dass der Herzog ihre Gefuumlhle erwidert Als

Clara bei einem groszligen Festessen den Gaumlsten des Herzogs vorgestellt

wird geraumlt die Situation auszliger Kontrolle Mehrere Adlige machen

anzuumlgliche Bemerkungen bis Clara - ihrer niedrigen Stellung zum Trotz -

ihrer Wut freien Lauf laumlsst Ein Skandal der sofort die Runde macht Doch

der Herzog gibt nicht auf um Clara zu werben Auch wenn er damit ins

Netz der Verschwoumlrung geraumlt die seine Feinde seit Langem sorgfaumlltig

inszeniert haben

raquoDie Koumlchin von Castamar Auf Liebe un Todlaquo ist der zweite Teil der

packenden historischen Saga jetzt grandios verfilmt als opulente Netflix-

Serie

Autor

Fernando J Muacutentildeez Fernando J Muacutentildeez geboren 1972 in Madrid

studierte Philosophie und Filmwissenschaften Er

verfasste Drehbuumlcher und Jugendliteratur bevor er

die historische Saga raquoDie Koumlchin von Castamarlaquo

schrieb die in Spanien sofort zum Bestseller wurde

Eine TV-Verfilmung ist bereits in Vorbereitung

FERNAND O J MUacuteNtildeEZ

Die Koumlchin von Castamar

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Erster Teil16 Oktober 1721 ndash 7 November 1721

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KAPITEL 1

16 Oktober 1721

Amelia Castro bereitete schon seit mehreren Tagen ihre Abreise vor nachdem sie das Fruumlhjahr und den Som-

mer uumlber die Gastfreundschaft und das Vertrauen der Bewohner von Castamar weidlich ausgenutzt hatte Nun da es bereits Herbst war genau an dem Tag an dem das jaumlhrliche Fest des Herzogs Don Diego von Castamar stattfinden wuumlrde hatte sie beschlos-sen sich auf den Weg nach El Escorial zu machen um ihre kranke Mutter zu besuchen Denn die einzigen Nachrichten die sie uumlber sie erhalten hatte waren Briefe von Dienstboten die sich um sie kuumlmmerten Auch der Marquis von Soto und Campomedina Don Enrique hatte ihr geschrieben und sie daruumlber informiert dass er erneut an dem traditionellen Essen im kleinen Kreis in Castamar teilnehmen wuumlrde wo er auch sie anzutreffen hoffe Nun war sie voller Panik Offensichtlich gab es keine Moumlglichkeit diesem Kerl klarzumachen dass er das was er nach dem geheimen Plan von ihr forderte nicht bekommen wuumlrde Denn es stand nicht mehr in ihrer Macht Don Diego zu verfuumlhren

Natuumlrlich war Dontildea Mercedes ndash Don Diegos Mutter ndash ihr durchaus gewogen und ihre Soumlhne waren es ebenfalls aber mehr auch nicht Und deshalb war Amelia zu dem Schluss gekommen dass der Widerling Don Enrique wenn er herausfinden wuumlrde

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dass Don Diego sich keineswegs verpflichtet fuumlhlte sie jemals zu ehelichen durchaus in der Lage sein wuumlrde sie und ihre Mutter durch einen Unfall verschwinden zu lassen

Daher hatte sie eine Strategie erdacht um dieser bedroh-lichen Lage zu entkommen Sie hatte vor ihre Mutter abzuho-len und von Madrid nach Caacutediz zu reisen um dann per Schiff in ein anderes europaumlisches Land moumlglicherweise Frankreich oder nach Amerika zu fliehen Sie hoffte den Majordomus oder einen anderen Dienstboten des Hauses mithilfe einer betraumlcht-lichen Summe Geldes dazu bewegen zu koumlnnen sie von hier fortzubringen Und wenn ihr das gelang wuumlrde sie Don Enrique fuumlr immer vergessen Bis dahin musste sie ihn jedoch glauben machen dass sie ihr Ziel erreichen koumlnne Auszligerdem durfte Don Gabriel der Adoptivbruder des Herzogs sosehr sie ihn auch in all den Monaten schaumltzen gelernt hatte auf keinen Fall erfahren dass sie an der Geschichte beteiligt war Sie hatte sogar daran ge-dacht Don Gabriel zu bitten sie zu begleiten und ihr zur Seite zu stehen falls die Dienerschaft in El Escorial sich als nicht ko-operativ erweisen sollte Spaumlter war sie jedoch zu dem Schluss gekommen ihn lieber nicht damit zu behelligen da sie nicht wollte dass Don Gabriel zum Ziel der Machenschaften des Mar-quis werden wuumlrde Deshalb hatte sie geschwiegen obwohl sie das Beduumlrfnis verspuumlrt hatte sich ihm anzuvertrauen Sie fuumlrch-tete um seine Sicherheit denn als Mitwisser wuumlrde er automa-tisch zu Don Enriques Feind

Seit Don Gabriel sie aus dem Schlamm und dem Unwetter ge-rettet und vor dem sicheren Tod bewahrt hatte hatten sich ihre Ansichten uumlber die dunkelhaumlutige Rasse sehr veraumlndert So in-tensiv wie er sich um ihr Wohl gesorgt hatte die medizinische Behandlung ihres Gesichts die er ihr auf Anweisung des Arz-tes hin hatte angedeihen lassen die gemeinsamen Spaziergaumlnge durch die Gaumlrten von Castamar und die Ausfluumlge nach Villacor die kurzen Nachrichten die er ihr geschrieben hatte die Lek-

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tuumlren mit denen er sie erfreut hatte und sein Cembalospiel fuumlr sie all das hatte dafuumlr gesorgt dass sie auf einmal nicht mehr auf seine Hautfarbe gesehen hatte sondern in sein Herz Und es gab keinen anderen Menschen der so gutmuumltig und hilfsbereit war wie er Don Gabriel wies all die Eigenschaften auf die eine Frau sich von einem Mann wuumlnschen konnte Er war gut aussehend selbstsicher vertrauenswuumlrdig und hingebungsvoll Daher war-tete sie nun mit ihrem fertigen Gepaumlck traurig auf ihn um sich zu verabschieden Die nie erklaumlrte Beziehung die sich zwischen ihnen entwickelt hatte wuumlrde uumlber sie beide nur Ungluumlck brin-gen wenn sie sie nicht beendeten Sie war eine unverheiratete Frau der man die Jungfraumlulichkeit genommen und das Gesicht gezeichnet hatte Und er ein Mann der nur innerhalb der engen Grenzen von Castamar respektiert wurde

Jemand klopfte an die Tuumlr und sie gewaumlhrte Einlass Wie sie es erwartet hatte erschien Don Gabriel untadelig gekleidet in einem Gehrock aus Taft und einer himmelblauen Weste mit sil-bernen Knoumlpfen Sie wandte sich ihm zu und machte einen klei-nen Knicks Daraufhin nahm er den Dreispitz ab gruumlszligte houmlflich und erklaumlrte seinen Wunsch zu erfahren ob sie die Absicht habe Castamar zu verlassen

raquoIch moumlchte Euch nicht noch mehr Unannehmlichkeiten be-reiten als es bereits der Fall ist und hellip wie Ihr seht sind meine Sachen die Ihr freundlicherweise aus Madrid habt herbringen lassen bereits gepackt Ich moumlchte meine Mutter besuchenlaquo

Er nickte verstaumlndnisvoll und presste die Lippen zusammen wie bereits mehrere Male zuvor wenn er sich gezwungen hatte das Thema des Uumlberfalls nicht anzusprechen Sie schwiegen eine Weile als koumlnne sich keiner von beiden dazu entschlieszligen sich zu verabschieden Bis er sie mit seinen glaumlnzenden dunklen Augen ansah und gestand

raquoIch wiederhole wie sehr ich mir wuumlnsche dass Ihr zum Abendessen bleibtlaquo

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Sie erschauderte wenn sie nur an Don Enrique dachte und senkte sofort den Blick

raquoDiese Einladung entspricht natuumlrlich auch dem Wunsch mei-nes Bruders und meiner Mutter die Euch wie Ihr wisst aufrich-tig schaumltzenlaquo fuumlgte Don Gabriel hinzu raquoWie ich Euch letztens beim Spaziergang sagte wuumlrde es mich sehr gluumlcklich machen wenn Ihr meine Begleiterin waumlretlaquo

Sie laumlchelte als ihr dieser Moment wieder ins Gedaumlchtnis kamraquoIch danke sehr fuumlr Euer Angebot aber heute Abend Eure Be-

gleiterin zu sein wuumlrde mich in eine unerquickliche Lage bringen und Euch helliplaquo

raquoIch verstehe Manchmal bedenke ich nicht was ich von anderen erbittelaquo unterbrach er sie sanft raquoKeine Angst meine Einladung bezieht sich nur auf das Essen unter Freunden das mein Bruder vor dem Fest zu geben pflegt Denn obwohl mein Bruder immer wieder darauf besteht nehme ich niemals am an-schlieszligenden Ball teil Meine Hautfarbe ist nicht angemessen fuumlr den Koumlnigshof und ich verstehe dass sie das auch fuumlr Euch nicht ist Ich fuumlrchte dass es zu staumlndigem Gerede fuumlhren wuumlrde und ich weiszlig dass das hellip unangenehme Folhelliplaquo

Amelia trat auf Gabriel zu und hob die Hand um ihn zu unter-brechen

raquoIhr habt mich falsch verstanden Don Gabriellaquo fluumlsterte sie raquoAuch wenn ich nicht abstreiten kann dass ich zu Anfang ge-wisse Vorbehalte Eurer Hautfarbe gegenuumlber hatte sind diese doch schon lange nicht mehr bei mir vorhanden Auf keinen Fall wuumlrde ich Euch derartig entehren und schon gar nicht nach-dem Ihr mir das Leben gerettet habt Ihr seid der beste Beglei-ter den ich mir fuumlr das Fest wuumlnschen koumlnnte und meine Absage hat nichts mit Eurer Hautfarbe zu tunlaquo fuhr sie fort raquoDass ich nicht daran teilnehmen moumlchte ist hellip wegen mir hellip meiner dum-men weiblichen Eitelkeit helliplaquo erklaumlrte sie und strich sich uumlber die laumlngst geschlossene Narbe auf ihrer Wange

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Gabriels Gesichtsausdruck veraumlnderte sich sofortraquoEntschuldigt meine Dummheitlaquo sagte er raquoDaran gewoumlhnt

dass meine Hautfarbe bei tumben Herzen auf Abneigung stoumlszligt habe ich nur an mich gedacht anstatt an Euer Wohllaquo

raquoDeshalb braucht Ihr Euch nicht schuldig zu fuumlhlen Nicht mir gegenuumlber die ich in Euer Herz geblickt habe und weiszlig wie Ihr seidlaquo sagte Amelia um der Angelegenheit an Bedeutung zu neh-men

Fuumlr ein paar Sekunden sahen sie sich in die Augen Dann trat er noch naumlher an sie heran

raquoErlaubt mir Euch zu beschuumltzenlaquo sagte er raquoIch schwoumlre dass ich nicht zulassen werde dass Euch noch einmal irgendjemand ein Leid antutlaquo

Diese Worte bewegten sie so sehr dass sie sich ihm endlich an-vertrauen wollte Mit den Fingerspitzen strich er uumlber ihre Narbe und sie hielt seine Hand zoumlgernd fuumlr einen Moment zuruumlck um dann zuzulassen dass er ihr Gesicht beruumlhrte Sie senkte den Kopf bis ihre Stirn an seiner Brust lehnte In dem Moment klopfte je-mand an die Tuumlr und beide traten sofort auseinander Don Diego kam herein in dem Glauben nur sie dort anzutreffen Als er sei-nen Bruder sah hielt er inne doch Gabriel bat ihn einzutreten Fuumlr einen Moment kehrte das befremdliche Gefuumlhl zuruumlck das Ame-lia jedes Mal verspuumlrte wenn sie die beiden Bruumlder zusammen sah raquoIch bin gekommen um Euch Sentildeorita Amelia zu bitten heute Abend noch am Essen teilzunehmen helliplaquo sagte Diego befangen

Don Gabriel beeilte sich zu sagen dass sie anderweitige Ver-pflichtungen habe doch bevor er den Satz beenden konnte er-klaumlrte Amelia durch einen Impuls geleitet dass diese Verpflich-tungen warten konnten und dass es ihr eine Freude sei den Abend mit ihnen gemeinsam zu verbringen Don Diego zog sich zuruumlck um der Dienerschaft mitzuteilen dass sie einen Gast mehr erwarteten und nachdem er den Raum verlassen hatte dankte Gabriel Amelia dafuumlr dass sie bleiben wollte

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raquoDas ist das Mindeste was ich tun kannlaquo entgegnete sieraquoNicht dass Ihr Euch genoumltigt fuumlhlt Ich weiszlig dass Ihr auf-

grund Eurer guten Erziehung helliplaquoraquoIch freue mich darauf Eure Begleitung zu seinlaquo unterbrach

sie ihnDaraufhin entschuldigte er sich laumlchelnd und folgte dem Her-

zog aus dem Zimmer Und sie blieb mit ihrer Angst allein zuruumlck Sie setzte sich und betrachtete ihre Haumlnde die sie nicht stillhal-ten konnte raquoSei stark Amelialaquo sagte sie sich raquoWas waumlhrend des Essens auch geschieht Don Gabriel wird an deiner Seite sein und wenn du die Freiheit willst musst du Don Enrique die Stirn bie-tenlaquo

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

Das Abendessen im kleinen Kreis war nach den Worten Andreacutes Moguers ein raquovoller Erfolglaquo Der Kammerherr der die servieren-den Dienstboten mit einer kurzen Beschreibung dessen was im Salon vor sich ging hineinschickte erklaumlrte dass sich allgemeine Stille ausgebreitet habe die lediglich von genuumlsslichen Seufzern beim Kosten der Bruumlhe und des Fleischs unterbrochen wurde

Der dem Ereignis vorausgehende Trubel hatte drei Tage zu-vor begonnen Zunaumlchst mit der Ankunft von Don Diegos Mut-ter Dontildea Mercedes und ihrem Gast Don Enrique von Arcona und spaumlter mit dem Erscheinen der beiden Freunde Seiner Exzel-lenz Don Francisco und Don Alfredo Clara Belmonte war nun bereits seit einem Jahr in Castamar im Dienst und inzwischen dirigierte sie die Kuumlche wie der beruumlhmte Haushofmeister und Koch Franccedilois Vatel So hatte sie es auch ihrer Mutter und ihrer Schwester in den Briefen geschrieben die sie an diesem Morgen abgeschickt hatte Clara hatte ihnen in ihrer klaren Schrift freu-dig beschrieben wie sie Jacinto Suaacuterez dem Fleischeinkaumlufer er-

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klaumlrt hatte dass sie ausschlieszliglich Ware von exzellenter Qualitaumlt akzeptiere wie sie Laacutezaro Molas dem zustaumlndigen Kuumlchenmeis-ter auseinandergesetzt hatte welche Art Dekoration sie fuumlr die Tische wuumlnschte und wie sie die Kuumlchenmeisterin Matilde Mar-roacuten persoumlnlich instruiert hatte welches besonders feine Olivenoumll sie benoumltigte welche Gelees Saucen und Fruumlchte sie zubereiten wuumlrde und was sie dafuumlr brauchte

Dann hatte sie mit der Choreografie der Fleisch- und Fisch-gerichte begonnen um festzulegen in welcher Reihenfolge sie serviert und wie sie praumlsentiert werden sollten Und schlieszlig-lich hatte sie die drei Kuumlchen dirigiert mit denselben Koumlchen die im Vorjahr so gute Arbeit geleistet hatten und dabei ver-sucht alles im Auge zu behalten damit es ihren Erwartungen entsprach Diesmal hatte sich der franzoumlsische Koch Jean- Pierre de Champfleury der sich im letzten Jahr ihren Anweisungen zunaumlchst widersetzt hatte jedem ihrer Befehle gefuumlgt Wie es schien war ihm das Lob des engen Kreises um die Koumlnigin zu Ohren gekommen in dem man der Meinung war dass Sentildeorita Belmonte eine Koumlchin mit auszligergewoumlhnlichen Faumlhigkeiten sei von der jeder Mann noch etwas lernen koumlnne In diesem Jahr hatte Clara fuumlr Ihre Majestaumlt ein paar kleine italienische Nudel-gerichte zubereitet mit Oregano Fleisch Basilikum und Tomaten sowie ein wenig Weiszligwein und einer Prise Zucker um den sauren Geschmack abzumildern

Don Pedro Benoist und Don Pedro Chatelain die beiden Leib-koumlche der Koumlnigin und des Koumlnigs waren auch diesmal gekom-men um auf Anweisung Ihrer Majestaumlten die Zubereitungen zu beaufsichtigen und die Gerichte zu probieren Und beide hat-ten Clara aufrichtig gratuliert und ihr ein paar Ratschlaumlge ge-geben wofuumlr sie ihnen gedankt hatte Auf dem Weg von Kuumlche zu Kuumlche hatte sie sich hin und wieder erlaubt an das Regal in ihrem Zimmer zu denken in dem inzwischen eine stolze Samm-lung von vierzehn auszligergewoumlhnlichen Kochbuumlchern stand Seit

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dem Besuch der Haushaumllterin Dontildea Uacutersula an Rosaliacuteas Todes-tag bedeckte sie die Buumlcher lieber mit einem Leinentuch damit sie niemandem beim Betreten des Raums ins Auge fielen Denn sollte Dontildea Uacutersula die Buumlcher entdecken konnte ihr dies Argu-mente liefern um sie bei der Dienerschaft schlechtzumachen Bisher hatte jedoch lediglich der ihr so gewogene Gaumlrtner Sentildeor Casona sie aufgesucht um ihr ein paar Zweige Jasmin zu brin-gen deren Duft schon bald das ganze Zimmer erfuumlllte

All die Zeit uumlber war die Beziehung zwischen Clara und der Haushaumllterin gleichbleibend kuumlhl und distanziert geblieben und vier Tage zuvor hatten sie sogar eines ihrer uumlblichen Scharmuumltzel ausgetragen Clara der Don Melquiacuteades ausgesprochen leidtat weil er seit Januar eingeschlossen in seinem Zimmer hauste hatte beschlossen mit dem Herzog zu reden damit er seinem ehemali-gen Majordomus verzieh Als Dontildea Uacutersula davon erfahren hatte war sie in der Kuumlche erschienen um Clara im Beisein des gesam-ten Kuumlchenpersonals zu befehlen raquosich nicht in Angelegenhei-ten einzumischen die nichts mit der Kuumlche zu tun habenlaquo Dies hatte sie allerdings nicht sonderlich beeindruckt umso mehr die Reaktion Don Diegos Ihre Bitte kam nicht so gut an wie sie ge-hofft hatte Der Herzog konnte nachdem er ihr zugehoumlrt hatte seinen Zorn kaum beherrschen schnaubte vor Wut und sagte deutlich angespannt kein Wort bis sie den Raum verlassen hatte Spaumlter hatte Clara dann von Elisa erfahren dass ihre Bitte in Don Melquiacuteadesrsquo Interesse nur die letzte auf einer langen Liste gewesen war Der Rest der Dienerschaft hatte sich ndash anders als sie ndash auf in-direkte Art fuumlr Don Melquiacuteades eingesetzt durch Anspielungen wenn der Herzog in der Naumlhe vorbeiging oder indem sie von der Vergebung von Suumlnden sprachen Tatsaumlchlich war dies so oft vor-gekommen dass Don Diego schon vor Monaten zu Dontildea Uacutersula gesagt hatte dass das mit Don Melquiacuteades eine private Angele-genheit sei und dass er seitens der Dienerschaft keine indirekten Kommentare mehr zu houmlren wuumlnsche da er die Botschaft erhal-

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ten habe Daraufhin hatte die Haushaumllterin in vollem Bewusstsein saumlmtliche Dienstboten daruumlber informiert auszliger Clara damit diese endlich in Ungnade falle und nach der barschen Reaktion des Herzogs hatte sie ihren Triumph voll ausgekostet

Clara war danach zutiefst niedergeschlagen gewesen und so verstimmt dass sie sich die Moumlglichkeit vor Augen Seine Exzel-lenz beleidigt zu haben kaum noch konzentrieren konnte Dabei hatte sie sich all die Monate zuvor so leicht und gluumlcklich gefuumlhlt und oft hatte sie am Morgen nach einem der Kochbuumlcher ge-griffen um sich beim Herzog zu bedanken indem sie eine neue Sauce oder eine Variante des Fasanen- oder des Lammbratens ausprobierte oder die Creme- oder Obstspeise auf andere Art zu-bereitete Und wenn sie schon der Anblick der Buumlcher in Hoch-stimmung versetzte so war ihre Freude noch groumlszliger wenn sie daran dachte dass sich in jedem eine versteckte Nachricht des Herzogs fuumlr sie befand Im Laufe des Fruumlhjahrs und des Som-mers hatten der Herzog und sie mehrmals die Gelegenheit ge-habt so korrekt wie zwischen einem Herzog und seiner Koumlchin moumlglich miteinander zu reden waumlhrend ihr geheimer Nachrich-tenaustausch haumlufiger wurde Daher fuumlgte sie jedem Schreiben das sie von Seiner Exzellenz erhalten hatte eine Kopie ihrer Ant-wort bei um sie hin und wieder lesen zu koumlnnen Und der Ge-danke daran brachte sie manchmal dazu mitten in der Nacht eines der Buumlcher aufzuschlagen und die darin liegenden Nach-richten zu lesen

Dieser Briefwechsel hatte eine Wandlung in ihrem Inneren be-wirkt Auf der einen Seite fuumlhlte sie sich Seiner Exzellenz auf eine bestimmte Weise nah Naumlher zumindest als jedes andere Mit-glied der Dienerschaft Und auf der anderen Seite hatte etwas in ihr an Staumlrke gewonnen Genuumlgend Staumlrke um sich ihrer Angst vor offenen Raumlumen zu stellen wie sie dem Herzog in einer ihrer kurzen Nachrichten anvertraut hatte

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Meine sehr geschaumltzte Exzellenzwie ich aus dem Munde Sentildeor Moguers erfahren habe waren die suumlszlige Eierspeise sowie der tranchierte Braten und die Lammhaxe durchaus zu Eurer Zufriedenheit da man mir mit gebuumlhrender Genauigkeit Eure Gluumlckwuumlnsche ausgerichshytet hat Obwohl ich manchmal ein wenig Angst habe Euch irgendwann einmal nicht zufriedenstellen zu koumlnnen bin ich nun auszligerordentlich gluumlcklich dass meine Gerichte Euch schmecken Zugleich hat Eure Groszligzuumlgigkeit mir gegenuumlber mich so sehr inspiriert dass ich mich bereit fuumlhle meine Angst vor offenen Raumlumen zu uumlberwinden

Don Diegos Antwort lieszlig nicht lange auf sich warten In seiner sorgfaumlltigen Schrift teilte er ihr mit

Eure Einstellung zeugt von einem starken Charakter und einem entschiedenen Geist Sentildeorita Belmonte Folgt diesem Weg und zweifellos werdet Ihr Eure Aumlngste schneller uumlberwinshyden als Ihr glaubt Ich befuumlrchte dass die Bestellung in dieser Woche nicht mehr eintreffen wird doch ich hoffe Euch das Buch bald uumlbergeben zu koumlnnen

Daraufhin hatte sie noch acht Tage warten muumlssen bevor sie end-lich das neue Buch erhielt ein Rezeptbuch des Kochs Pierre de Lune mit dem Titel Le nouveau cuisinier das im Jahr 1656 in Paris erschienen war Clara zoumlgerte nicht lange dem Herzog mit einer Nachricht zu antworten in der sie in wenigen Zeilen ihre Dank-barkeit dafuumlr ihm in Castamar als Koumlchin dienen zu duumlrfen zum Ausdruck brachte Schlieszliglich gewann der Austausch der Nach-richten fuumlr sie immer mehr an Bedeutung bis er nicht mehr aus-schlieszliglich mit den bestellten Buumlchern einherging Im Sommer hatte sie dann einmal eine Nachricht vorgefunden die sie gleich-zeitig erfreut und geaumlngstigt hatte Diese hatte sie nach einem rus-

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tikalen Mahl der Freunde des Herzogs drauszligen in Villacor be-kommen

Zweifellos war es ein hervorragender Einfall Euch diese Buumlcher zu schenken denn ich genieszlige die verschiedenen Geschmaumlcke Eurer Gerichte aufs Houmlchste Dennoch muss ich gestehen dass dieser Genuss nur ein schwacher Abglanz der Befriedigung ist die ich in dem Wissen verspuumlre wie sehr Ihr mir zugetan seid

Zwei Zeilen weiter unten hatte er noch hinzugefuumlgt

Daher ruumlhrt es dass jedes Mal wenn ich Eure Gerichte koste eine aufrichtige Zuneigung Euch gegenuumlber in mir erwaumlchst

Diese Worte hatten dafuumlr gesorgt dass ihr Herz schneller schlug und sich in ihrem Kopf alles zu drehen anfing Sie hatte sich ge-fragt wohin das Geheimnis das sie teilten fuumlhren wuumlrde Zu einem unschuldigen Spiel in dem eine Koumlchin und ein Herzog einen heimlichen Briefwechsel fuumlhrten oder zu etwas was mit sich bringen wuumlrde dass sie mit gebrochenem Herzen und ohne berufliche Perspektiven dieses Haus verlassen musste Ihre Angst war so groszlig gewesen dass sie ihn vier Tage auf ihre Antwort war-ten lieszlig Doch ihn immer wieder in den Keller gehen zu sehen wo er angeblich nach einem Wein suchte waumlhrend er in Wahr-heit sehnsuumlchtig auf ihre Nachricht wartete hatte ihr Herz erwei-chen lassen Der Arme war in dieser Zeit mit der Ausrede dass der Wein einen Essigstich haumltte ganze sechs Mal heruntergekom-men sodass er in jenen Tagen eine Menge guten Wein aus Valde-pentildeas geopfert hatte Schlieszliglich hatte Clara ihm dann doch ein paar Zeilen hinterlassen

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Eure Exzellenz ich muss Euch danken denn in diesen Monashyten bin ich so gluumlcklich wie ich es nach dem Tod meines Vaters nicht mehr war und hellip

Dem hatte sie einen Satz hinzugefuumlgt den sie mehrere Male neu geschrieben hatte sodass sie die Nachricht ganze vier Mal ins Reine schreiben musste

hellip und die Zeichen Eurer Zuneigung mir gegenuumlber Eure Hinshygabe und Freundlichkeit haben dafuumlr gesorgt dass ich Euch jeden Tag mehr schaumltze Exzellenz wie es anders nicht sein kann

Deshalb war sie so verbluumlfft von seiner veraumlrgerten Reaktion ge-wesen als sie die Sache mit Don Melquiacuteades angesprochen hatte Gleich am naumlchsten Tag hatte sie um eine Audienz gebeten und war ohne dass Dontildea Uacutersula es gemerkt hatte zu ihm in den Salon gegangen um sich fuumlr ihre gewagte Aumluszligerung zu entschuldigen

raquoBevor Ihr irgendetwas sagt nehmt bitte daslaquo hatte er laumlchelnd gemeint und ihr ein neues Buch uumlbergeben raquoDiesen Band wollte ich Euch lieber persoumlnlich uumlberreichenlaquo

Sie war erroumltet hatte sich mit einem Knicks bedankt und das Buch entgegengenommen Dabei hatten sich ihre Fingerspitzen beruumlhrt Er hatte das Buch noch in den Haumlnden und sie hatte sich gewuumlnscht dass er es niemals loslassen wuumlrde als sich unterhalb des Einbands jener wunderbare Moment ereignet hatte

raquoIch kann nur hoffen dass ich das Bild das Ihr Euch von dem muumlrrischen Charakter der mich hin und wieder uumlberfaumlllt ge-macht habt durch diese Geste ein wenig abmildern kannlaquo hatte Don Diego dabei mit seiner melodischen Stimme gesagt und das Buch schlieszliglich losgelassen

raquoExzellenz auf die Gefahr hin erneut Euer Missfallen zu erre-gen und in dem Bewusstsein dass ich mich in Dinge ein gemischt

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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FERNAND O J MUacuteNtildeEZ

Die Koumlchin von Castamar

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Erster Teil16 Oktober 1721 ndash 7 November 1721

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KAPITEL 1

16 Oktober 1721

Amelia Castro bereitete schon seit mehreren Tagen ihre Abreise vor nachdem sie das Fruumlhjahr und den Som-

mer uumlber die Gastfreundschaft und das Vertrauen der Bewohner von Castamar weidlich ausgenutzt hatte Nun da es bereits Herbst war genau an dem Tag an dem das jaumlhrliche Fest des Herzogs Don Diego von Castamar stattfinden wuumlrde hatte sie beschlos-sen sich auf den Weg nach El Escorial zu machen um ihre kranke Mutter zu besuchen Denn die einzigen Nachrichten die sie uumlber sie erhalten hatte waren Briefe von Dienstboten die sich um sie kuumlmmerten Auch der Marquis von Soto und Campomedina Don Enrique hatte ihr geschrieben und sie daruumlber informiert dass er erneut an dem traditionellen Essen im kleinen Kreis in Castamar teilnehmen wuumlrde wo er auch sie anzutreffen hoffe Nun war sie voller Panik Offensichtlich gab es keine Moumlglichkeit diesem Kerl klarzumachen dass er das was er nach dem geheimen Plan von ihr forderte nicht bekommen wuumlrde Denn es stand nicht mehr in ihrer Macht Don Diego zu verfuumlhren

Natuumlrlich war Dontildea Mercedes ndash Don Diegos Mutter ndash ihr durchaus gewogen und ihre Soumlhne waren es ebenfalls aber mehr auch nicht Und deshalb war Amelia zu dem Schluss gekommen dass der Widerling Don Enrique wenn er herausfinden wuumlrde

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dass Don Diego sich keineswegs verpflichtet fuumlhlte sie jemals zu ehelichen durchaus in der Lage sein wuumlrde sie und ihre Mutter durch einen Unfall verschwinden zu lassen

Daher hatte sie eine Strategie erdacht um dieser bedroh-lichen Lage zu entkommen Sie hatte vor ihre Mutter abzuho-len und von Madrid nach Caacutediz zu reisen um dann per Schiff in ein anderes europaumlisches Land moumlglicherweise Frankreich oder nach Amerika zu fliehen Sie hoffte den Majordomus oder einen anderen Dienstboten des Hauses mithilfe einer betraumlcht-lichen Summe Geldes dazu bewegen zu koumlnnen sie von hier fortzubringen Und wenn ihr das gelang wuumlrde sie Don Enrique fuumlr immer vergessen Bis dahin musste sie ihn jedoch glauben machen dass sie ihr Ziel erreichen koumlnne Auszligerdem durfte Don Gabriel der Adoptivbruder des Herzogs sosehr sie ihn auch in all den Monaten schaumltzen gelernt hatte auf keinen Fall erfahren dass sie an der Geschichte beteiligt war Sie hatte sogar daran ge-dacht Don Gabriel zu bitten sie zu begleiten und ihr zur Seite zu stehen falls die Dienerschaft in El Escorial sich als nicht ko-operativ erweisen sollte Spaumlter war sie jedoch zu dem Schluss gekommen ihn lieber nicht damit zu behelligen da sie nicht wollte dass Don Gabriel zum Ziel der Machenschaften des Mar-quis werden wuumlrde Deshalb hatte sie geschwiegen obwohl sie das Beduumlrfnis verspuumlrt hatte sich ihm anzuvertrauen Sie fuumlrch-tete um seine Sicherheit denn als Mitwisser wuumlrde er automa-tisch zu Don Enriques Feind

Seit Don Gabriel sie aus dem Schlamm und dem Unwetter ge-rettet und vor dem sicheren Tod bewahrt hatte hatten sich ihre Ansichten uumlber die dunkelhaumlutige Rasse sehr veraumlndert So in-tensiv wie er sich um ihr Wohl gesorgt hatte die medizinische Behandlung ihres Gesichts die er ihr auf Anweisung des Arz-tes hin hatte angedeihen lassen die gemeinsamen Spaziergaumlnge durch die Gaumlrten von Castamar und die Ausfluumlge nach Villacor die kurzen Nachrichten die er ihr geschrieben hatte die Lek-

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tuumlren mit denen er sie erfreut hatte und sein Cembalospiel fuumlr sie all das hatte dafuumlr gesorgt dass sie auf einmal nicht mehr auf seine Hautfarbe gesehen hatte sondern in sein Herz Und es gab keinen anderen Menschen der so gutmuumltig und hilfsbereit war wie er Don Gabriel wies all die Eigenschaften auf die eine Frau sich von einem Mann wuumlnschen konnte Er war gut aussehend selbstsicher vertrauenswuumlrdig und hingebungsvoll Daher war-tete sie nun mit ihrem fertigen Gepaumlck traurig auf ihn um sich zu verabschieden Die nie erklaumlrte Beziehung die sich zwischen ihnen entwickelt hatte wuumlrde uumlber sie beide nur Ungluumlck brin-gen wenn sie sie nicht beendeten Sie war eine unverheiratete Frau der man die Jungfraumlulichkeit genommen und das Gesicht gezeichnet hatte Und er ein Mann der nur innerhalb der engen Grenzen von Castamar respektiert wurde

Jemand klopfte an die Tuumlr und sie gewaumlhrte Einlass Wie sie es erwartet hatte erschien Don Gabriel untadelig gekleidet in einem Gehrock aus Taft und einer himmelblauen Weste mit sil-bernen Knoumlpfen Sie wandte sich ihm zu und machte einen klei-nen Knicks Daraufhin nahm er den Dreispitz ab gruumlszligte houmlflich und erklaumlrte seinen Wunsch zu erfahren ob sie die Absicht habe Castamar zu verlassen

raquoIch moumlchte Euch nicht noch mehr Unannehmlichkeiten be-reiten als es bereits der Fall ist und hellip wie Ihr seht sind meine Sachen die Ihr freundlicherweise aus Madrid habt herbringen lassen bereits gepackt Ich moumlchte meine Mutter besuchenlaquo

Er nickte verstaumlndnisvoll und presste die Lippen zusammen wie bereits mehrere Male zuvor wenn er sich gezwungen hatte das Thema des Uumlberfalls nicht anzusprechen Sie schwiegen eine Weile als koumlnne sich keiner von beiden dazu entschlieszligen sich zu verabschieden Bis er sie mit seinen glaumlnzenden dunklen Augen ansah und gestand

raquoIch wiederhole wie sehr ich mir wuumlnsche dass Ihr zum Abendessen bleibtlaquo

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Sie erschauderte wenn sie nur an Don Enrique dachte und senkte sofort den Blick

raquoDiese Einladung entspricht natuumlrlich auch dem Wunsch mei-nes Bruders und meiner Mutter die Euch wie Ihr wisst aufrich-tig schaumltzenlaquo fuumlgte Don Gabriel hinzu raquoWie ich Euch letztens beim Spaziergang sagte wuumlrde es mich sehr gluumlcklich machen wenn Ihr meine Begleiterin waumlretlaquo

Sie laumlchelte als ihr dieser Moment wieder ins Gedaumlchtnis kamraquoIch danke sehr fuumlr Euer Angebot aber heute Abend Eure Be-

gleiterin zu sein wuumlrde mich in eine unerquickliche Lage bringen und Euch helliplaquo

raquoIch verstehe Manchmal bedenke ich nicht was ich von anderen erbittelaquo unterbrach er sie sanft raquoKeine Angst meine Einladung bezieht sich nur auf das Essen unter Freunden das mein Bruder vor dem Fest zu geben pflegt Denn obwohl mein Bruder immer wieder darauf besteht nehme ich niemals am an-schlieszligenden Ball teil Meine Hautfarbe ist nicht angemessen fuumlr den Koumlnigshof und ich verstehe dass sie das auch fuumlr Euch nicht ist Ich fuumlrchte dass es zu staumlndigem Gerede fuumlhren wuumlrde und ich weiszlig dass das hellip unangenehme Folhelliplaquo

Amelia trat auf Gabriel zu und hob die Hand um ihn zu unter-brechen

raquoIhr habt mich falsch verstanden Don Gabriellaquo fluumlsterte sie raquoAuch wenn ich nicht abstreiten kann dass ich zu Anfang ge-wisse Vorbehalte Eurer Hautfarbe gegenuumlber hatte sind diese doch schon lange nicht mehr bei mir vorhanden Auf keinen Fall wuumlrde ich Euch derartig entehren und schon gar nicht nach-dem Ihr mir das Leben gerettet habt Ihr seid der beste Beglei-ter den ich mir fuumlr das Fest wuumlnschen koumlnnte und meine Absage hat nichts mit Eurer Hautfarbe zu tunlaquo fuhr sie fort raquoDass ich nicht daran teilnehmen moumlchte ist hellip wegen mir hellip meiner dum-men weiblichen Eitelkeit helliplaquo erklaumlrte sie und strich sich uumlber die laumlngst geschlossene Narbe auf ihrer Wange

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Gabriels Gesichtsausdruck veraumlnderte sich sofortraquoEntschuldigt meine Dummheitlaquo sagte er raquoDaran gewoumlhnt

dass meine Hautfarbe bei tumben Herzen auf Abneigung stoumlszligt habe ich nur an mich gedacht anstatt an Euer Wohllaquo

raquoDeshalb braucht Ihr Euch nicht schuldig zu fuumlhlen Nicht mir gegenuumlber die ich in Euer Herz geblickt habe und weiszlig wie Ihr seidlaquo sagte Amelia um der Angelegenheit an Bedeutung zu neh-men

Fuumlr ein paar Sekunden sahen sie sich in die Augen Dann trat er noch naumlher an sie heran

raquoErlaubt mir Euch zu beschuumltzenlaquo sagte er raquoIch schwoumlre dass ich nicht zulassen werde dass Euch noch einmal irgendjemand ein Leid antutlaquo

Diese Worte bewegten sie so sehr dass sie sich ihm endlich an-vertrauen wollte Mit den Fingerspitzen strich er uumlber ihre Narbe und sie hielt seine Hand zoumlgernd fuumlr einen Moment zuruumlck um dann zuzulassen dass er ihr Gesicht beruumlhrte Sie senkte den Kopf bis ihre Stirn an seiner Brust lehnte In dem Moment klopfte je-mand an die Tuumlr und beide traten sofort auseinander Don Diego kam herein in dem Glauben nur sie dort anzutreffen Als er sei-nen Bruder sah hielt er inne doch Gabriel bat ihn einzutreten Fuumlr einen Moment kehrte das befremdliche Gefuumlhl zuruumlck das Ame-lia jedes Mal verspuumlrte wenn sie die beiden Bruumlder zusammen sah raquoIch bin gekommen um Euch Sentildeorita Amelia zu bitten heute Abend noch am Essen teilzunehmen helliplaquo sagte Diego befangen

Don Gabriel beeilte sich zu sagen dass sie anderweitige Ver-pflichtungen habe doch bevor er den Satz beenden konnte er-klaumlrte Amelia durch einen Impuls geleitet dass diese Verpflich-tungen warten konnten und dass es ihr eine Freude sei den Abend mit ihnen gemeinsam zu verbringen Don Diego zog sich zuruumlck um der Dienerschaft mitzuteilen dass sie einen Gast mehr erwarteten und nachdem er den Raum verlassen hatte dankte Gabriel Amelia dafuumlr dass sie bleiben wollte

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raquoDas ist das Mindeste was ich tun kannlaquo entgegnete sieraquoNicht dass Ihr Euch genoumltigt fuumlhlt Ich weiszlig dass Ihr auf-

grund Eurer guten Erziehung helliplaquoraquoIch freue mich darauf Eure Begleitung zu seinlaquo unterbrach

sie ihnDaraufhin entschuldigte er sich laumlchelnd und folgte dem Her-

zog aus dem Zimmer Und sie blieb mit ihrer Angst allein zuruumlck Sie setzte sich und betrachtete ihre Haumlnde die sie nicht stillhal-ten konnte raquoSei stark Amelialaquo sagte sie sich raquoWas waumlhrend des Essens auch geschieht Don Gabriel wird an deiner Seite sein und wenn du die Freiheit willst musst du Don Enrique die Stirn bie-tenlaquo

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

Das Abendessen im kleinen Kreis war nach den Worten Andreacutes Moguers ein raquovoller Erfolglaquo Der Kammerherr der die servieren-den Dienstboten mit einer kurzen Beschreibung dessen was im Salon vor sich ging hineinschickte erklaumlrte dass sich allgemeine Stille ausgebreitet habe die lediglich von genuumlsslichen Seufzern beim Kosten der Bruumlhe und des Fleischs unterbrochen wurde

Der dem Ereignis vorausgehende Trubel hatte drei Tage zu-vor begonnen Zunaumlchst mit der Ankunft von Don Diegos Mut-ter Dontildea Mercedes und ihrem Gast Don Enrique von Arcona und spaumlter mit dem Erscheinen der beiden Freunde Seiner Exzel-lenz Don Francisco und Don Alfredo Clara Belmonte war nun bereits seit einem Jahr in Castamar im Dienst und inzwischen dirigierte sie die Kuumlche wie der beruumlhmte Haushofmeister und Koch Franccedilois Vatel So hatte sie es auch ihrer Mutter und ihrer Schwester in den Briefen geschrieben die sie an diesem Morgen abgeschickt hatte Clara hatte ihnen in ihrer klaren Schrift freu-dig beschrieben wie sie Jacinto Suaacuterez dem Fleischeinkaumlufer er-

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klaumlrt hatte dass sie ausschlieszliglich Ware von exzellenter Qualitaumlt akzeptiere wie sie Laacutezaro Molas dem zustaumlndigen Kuumlchenmeis-ter auseinandergesetzt hatte welche Art Dekoration sie fuumlr die Tische wuumlnschte und wie sie die Kuumlchenmeisterin Matilde Mar-roacuten persoumlnlich instruiert hatte welches besonders feine Olivenoumll sie benoumltigte welche Gelees Saucen und Fruumlchte sie zubereiten wuumlrde und was sie dafuumlr brauchte

Dann hatte sie mit der Choreografie der Fleisch- und Fisch-gerichte begonnen um festzulegen in welcher Reihenfolge sie serviert und wie sie praumlsentiert werden sollten Und schlieszlig-lich hatte sie die drei Kuumlchen dirigiert mit denselben Koumlchen die im Vorjahr so gute Arbeit geleistet hatten und dabei ver-sucht alles im Auge zu behalten damit es ihren Erwartungen entsprach Diesmal hatte sich der franzoumlsische Koch Jean- Pierre de Champfleury der sich im letzten Jahr ihren Anweisungen zunaumlchst widersetzt hatte jedem ihrer Befehle gefuumlgt Wie es schien war ihm das Lob des engen Kreises um die Koumlnigin zu Ohren gekommen in dem man der Meinung war dass Sentildeorita Belmonte eine Koumlchin mit auszligergewoumlhnlichen Faumlhigkeiten sei von der jeder Mann noch etwas lernen koumlnne In diesem Jahr hatte Clara fuumlr Ihre Majestaumlt ein paar kleine italienische Nudel-gerichte zubereitet mit Oregano Fleisch Basilikum und Tomaten sowie ein wenig Weiszligwein und einer Prise Zucker um den sauren Geschmack abzumildern

Don Pedro Benoist und Don Pedro Chatelain die beiden Leib-koumlche der Koumlnigin und des Koumlnigs waren auch diesmal gekom-men um auf Anweisung Ihrer Majestaumlten die Zubereitungen zu beaufsichtigen und die Gerichte zu probieren Und beide hat-ten Clara aufrichtig gratuliert und ihr ein paar Ratschlaumlge ge-geben wofuumlr sie ihnen gedankt hatte Auf dem Weg von Kuumlche zu Kuumlche hatte sie sich hin und wieder erlaubt an das Regal in ihrem Zimmer zu denken in dem inzwischen eine stolze Samm-lung von vierzehn auszligergewoumlhnlichen Kochbuumlchern stand Seit

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dem Besuch der Haushaumllterin Dontildea Uacutersula an Rosaliacuteas Todes-tag bedeckte sie die Buumlcher lieber mit einem Leinentuch damit sie niemandem beim Betreten des Raums ins Auge fielen Denn sollte Dontildea Uacutersula die Buumlcher entdecken konnte ihr dies Argu-mente liefern um sie bei der Dienerschaft schlechtzumachen Bisher hatte jedoch lediglich der ihr so gewogene Gaumlrtner Sentildeor Casona sie aufgesucht um ihr ein paar Zweige Jasmin zu brin-gen deren Duft schon bald das ganze Zimmer erfuumlllte

All die Zeit uumlber war die Beziehung zwischen Clara und der Haushaumllterin gleichbleibend kuumlhl und distanziert geblieben und vier Tage zuvor hatten sie sogar eines ihrer uumlblichen Scharmuumltzel ausgetragen Clara der Don Melquiacuteades ausgesprochen leidtat weil er seit Januar eingeschlossen in seinem Zimmer hauste hatte beschlossen mit dem Herzog zu reden damit er seinem ehemali-gen Majordomus verzieh Als Dontildea Uacutersula davon erfahren hatte war sie in der Kuumlche erschienen um Clara im Beisein des gesam-ten Kuumlchenpersonals zu befehlen raquosich nicht in Angelegenhei-ten einzumischen die nichts mit der Kuumlche zu tun habenlaquo Dies hatte sie allerdings nicht sonderlich beeindruckt umso mehr die Reaktion Don Diegos Ihre Bitte kam nicht so gut an wie sie ge-hofft hatte Der Herzog konnte nachdem er ihr zugehoumlrt hatte seinen Zorn kaum beherrschen schnaubte vor Wut und sagte deutlich angespannt kein Wort bis sie den Raum verlassen hatte Spaumlter hatte Clara dann von Elisa erfahren dass ihre Bitte in Don Melquiacuteadesrsquo Interesse nur die letzte auf einer langen Liste gewesen war Der Rest der Dienerschaft hatte sich ndash anders als sie ndash auf in-direkte Art fuumlr Don Melquiacuteades eingesetzt durch Anspielungen wenn der Herzog in der Naumlhe vorbeiging oder indem sie von der Vergebung von Suumlnden sprachen Tatsaumlchlich war dies so oft vor-gekommen dass Don Diego schon vor Monaten zu Dontildea Uacutersula gesagt hatte dass das mit Don Melquiacuteades eine private Angele-genheit sei und dass er seitens der Dienerschaft keine indirekten Kommentare mehr zu houmlren wuumlnsche da er die Botschaft erhal-

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ten habe Daraufhin hatte die Haushaumllterin in vollem Bewusstsein saumlmtliche Dienstboten daruumlber informiert auszliger Clara damit diese endlich in Ungnade falle und nach der barschen Reaktion des Herzogs hatte sie ihren Triumph voll ausgekostet

Clara war danach zutiefst niedergeschlagen gewesen und so verstimmt dass sie sich die Moumlglichkeit vor Augen Seine Exzel-lenz beleidigt zu haben kaum noch konzentrieren konnte Dabei hatte sie sich all die Monate zuvor so leicht und gluumlcklich gefuumlhlt und oft hatte sie am Morgen nach einem der Kochbuumlcher ge-griffen um sich beim Herzog zu bedanken indem sie eine neue Sauce oder eine Variante des Fasanen- oder des Lammbratens ausprobierte oder die Creme- oder Obstspeise auf andere Art zu-bereitete Und wenn sie schon der Anblick der Buumlcher in Hoch-stimmung versetzte so war ihre Freude noch groumlszliger wenn sie daran dachte dass sich in jedem eine versteckte Nachricht des Herzogs fuumlr sie befand Im Laufe des Fruumlhjahrs und des Som-mers hatten der Herzog und sie mehrmals die Gelegenheit ge-habt so korrekt wie zwischen einem Herzog und seiner Koumlchin moumlglich miteinander zu reden waumlhrend ihr geheimer Nachrich-tenaustausch haumlufiger wurde Daher fuumlgte sie jedem Schreiben das sie von Seiner Exzellenz erhalten hatte eine Kopie ihrer Ant-wort bei um sie hin und wieder lesen zu koumlnnen Und der Ge-danke daran brachte sie manchmal dazu mitten in der Nacht eines der Buumlcher aufzuschlagen und die darin liegenden Nach-richten zu lesen

Dieser Briefwechsel hatte eine Wandlung in ihrem Inneren be-wirkt Auf der einen Seite fuumlhlte sie sich Seiner Exzellenz auf eine bestimmte Weise nah Naumlher zumindest als jedes andere Mit-glied der Dienerschaft Und auf der anderen Seite hatte etwas in ihr an Staumlrke gewonnen Genuumlgend Staumlrke um sich ihrer Angst vor offenen Raumlumen zu stellen wie sie dem Herzog in einer ihrer kurzen Nachrichten anvertraut hatte

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Meine sehr geschaumltzte Exzellenzwie ich aus dem Munde Sentildeor Moguers erfahren habe waren die suumlszlige Eierspeise sowie der tranchierte Braten und die Lammhaxe durchaus zu Eurer Zufriedenheit da man mir mit gebuumlhrender Genauigkeit Eure Gluumlckwuumlnsche ausgerichshytet hat Obwohl ich manchmal ein wenig Angst habe Euch irgendwann einmal nicht zufriedenstellen zu koumlnnen bin ich nun auszligerordentlich gluumlcklich dass meine Gerichte Euch schmecken Zugleich hat Eure Groszligzuumlgigkeit mir gegenuumlber mich so sehr inspiriert dass ich mich bereit fuumlhle meine Angst vor offenen Raumlumen zu uumlberwinden

Don Diegos Antwort lieszlig nicht lange auf sich warten In seiner sorgfaumlltigen Schrift teilte er ihr mit

Eure Einstellung zeugt von einem starken Charakter und einem entschiedenen Geist Sentildeorita Belmonte Folgt diesem Weg und zweifellos werdet Ihr Eure Aumlngste schneller uumlberwinshyden als Ihr glaubt Ich befuumlrchte dass die Bestellung in dieser Woche nicht mehr eintreffen wird doch ich hoffe Euch das Buch bald uumlbergeben zu koumlnnen

Daraufhin hatte sie noch acht Tage warten muumlssen bevor sie end-lich das neue Buch erhielt ein Rezeptbuch des Kochs Pierre de Lune mit dem Titel Le nouveau cuisinier das im Jahr 1656 in Paris erschienen war Clara zoumlgerte nicht lange dem Herzog mit einer Nachricht zu antworten in der sie in wenigen Zeilen ihre Dank-barkeit dafuumlr ihm in Castamar als Koumlchin dienen zu duumlrfen zum Ausdruck brachte Schlieszliglich gewann der Austausch der Nach-richten fuumlr sie immer mehr an Bedeutung bis er nicht mehr aus-schlieszliglich mit den bestellten Buumlchern einherging Im Sommer hatte sie dann einmal eine Nachricht vorgefunden die sie gleich-zeitig erfreut und geaumlngstigt hatte Diese hatte sie nach einem rus-

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tikalen Mahl der Freunde des Herzogs drauszligen in Villacor be-kommen

Zweifellos war es ein hervorragender Einfall Euch diese Buumlcher zu schenken denn ich genieszlige die verschiedenen Geschmaumlcke Eurer Gerichte aufs Houmlchste Dennoch muss ich gestehen dass dieser Genuss nur ein schwacher Abglanz der Befriedigung ist die ich in dem Wissen verspuumlre wie sehr Ihr mir zugetan seid

Zwei Zeilen weiter unten hatte er noch hinzugefuumlgt

Daher ruumlhrt es dass jedes Mal wenn ich Eure Gerichte koste eine aufrichtige Zuneigung Euch gegenuumlber in mir erwaumlchst

Diese Worte hatten dafuumlr gesorgt dass ihr Herz schneller schlug und sich in ihrem Kopf alles zu drehen anfing Sie hatte sich ge-fragt wohin das Geheimnis das sie teilten fuumlhren wuumlrde Zu einem unschuldigen Spiel in dem eine Koumlchin und ein Herzog einen heimlichen Briefwechsel fuumlhrten oder zu etwas was mit sich bringen wuumlrde dass sie mit gebrochenem Herzen und ohne berufliche Perspektiven dieses Haus verlassen musste Ihre Angst war so groszlig gewesen dass sie ihn vier Tage auf ihre Antwort war-ten lieszlig Doch ihn immer wieder in den Keller gehen zu sehen wo er angeblich nach einem Wein suchte waumlhrend er in Wahr-heit sehnsuumlchtig auf ihre Nachricht wartete hatte ihr Herz erwei-chen lassen Der Arme war in dieser Zeit mit der Ausrede dass der Wein einen Essigstich haumltte ganze sechs Mal heruntergekom-men sodass er in jenen Tagen eine Menge guten Wein aus Valde-pentildeas geopfert hatte Schlieszliglich hatte Clara ihm dann doch ein paar Zeilen hinterlassen

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Eure Exzellenz ich muss Euch danken denn in diesen Monashyten bin ich so gluumlcklich wie ich es nach dem Tod meines Vaters nicht mehr war und hellip

Dem hatte sie einen Satz hinzugefuumlgt den sie mehrere Male neu geschrieben hatte sodass sie die Nachricht ganze vier Mal ins Reine schreiben musste

hellip und die Zeichen Eurer Zuneigung mir gegenuumlber Eure Hinshygabe und Freundlichkeit haben dafuumlr gesorgt dass ich Euch jeden Tag mehr schaumltze Exzellenz wie es anders nicht sein kann

Deshalb war sie so verbluumlfft von seiner veraumlrgerten Reaktion ge-wesen als sie die Sache mit Don Melquiacuteades angesprochen hatte Gleich am naumlchsten Tag hatte sie um eine Audienz gebeten und war ohne dass Dontildea Uacutersula es gemerkt hatte zu ihm in den Salon gegangen um sich fuumlr ihre gewagte Aumluszligerung zu entschuldigen

raquoBevor Ihr irgendetwas sagt nehmt bitte daslaquo hatte er laumlchelnd gemeint und ihr ein neues Buch uumlbergeben raquoDiesen Band wollte ich Euch lieber persoumlnlich uumlberreichenlaquo

Sie war erroumltet hatte sich mit einem Knicks bedankt und das Buch entgegengenommen Dabei hatten sich ihre Fingerspitzen beruumlhrt Er hatte das Buch noch in den Haumlnden und sie hatte sich gewuumlnscht dass er es niemals loslassen wuumlrde als sich unterhalb des Einbands jener wunderbare Moment ereignet hatte

raquoIch kann nur hoffen dass ich das Bild das Ihr Euch von dem muumlrrischen Charakter der mich hin und wieder uumlberfaumlllt ge-macht habt durch diese Geste ein wenig abmildern kannlaquo hatte Don Diego dabei mit seiner melodischen Stimme gesagt und das Buch schlieszliglich losgelassen

raquoExzellenz auf die Gefahr hin erneut Euer Missfallen zu erre-gen und in dem Bewusstsein dass ich mich in Dinge ein gemischt

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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Erster Teil16 Oktober 1721 ndash 7 November 1721

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KAPITEL 1

16 Oktober 1721

Amelia Castro bereitete schon seit mehreren Tagen ihre Abreise vor nachdem sie das Fruumlhjahr und den Som-

mer uumlber die Gastfreundschaft und das Vertrauen der Bewohner von Castamar weidlich ausgenutzt hatte Nun da es bereits Herbst war genau an dem Tag an dem das jaumlhrliche Fest des Herzogs Don Diego von Castamar stattfinden wuumlrde hatte sie beschlos-sen sich auf den Weg nach El Escorial zu machen um ihre kranke Mutter zu besuchen Denn die einzigen Nachrichten die sie uumlber sie erhalten hatte waren Briefe von Dienstboten die sich um sie kuumlmmerten Auch der Marquis von Soto und Campomedina Don Enrique hatte ihr geschrieben und sie daruumlber informiert dass er erneut an dem traditionellen Essen im kleinen Kreis in Castamar teilnehmen wuumlrde wo er auch sie anzutreffen hoffe Nun war sie voller Panik Offensichtlich gab es keine Moumlglichkeit diesem Kerl klarzumachen dass er das was er nach dem geheimen Plan von ihr forderte nicht bekommen wuumlrde Denn es stand nicht mehr in ihrer Macht Don Diego zu verfuumlhren

Natuumlrlich war Dontildea Mercedes ndash Don Diegos Mutter ndash ihr durchaus gewogen und ihre Soumlhne waren es ebenfalls aber mehr auch nicht Und deshalb war Amelia zu dem Schluss gekommen dass der Widerling Don Enrique wenn er herausfinden wuumlrde

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dass Don Diego sich keineswegs verpflichtet fuumlhlte sie jemals zu ehelichen durchaus in der Lage sein wuumlrde sie und ihre Mutter durch einen Unfall verschwinden zu lassen

Daher hatte sie eine Strategie erdacht um dieser bedroh-lichen Lage zu entkommen Sie hatte vor ihre Mutter abzuho-len und von Madrid nach Caacutediz zu reisen um dann per Schiff in ein anderes europaumlisches Land moumlglicherweise Frankreich oder nach Amerika zu fliehen Sie hoffte den Majordomus oder einen anderen Dienstboten des Hauses mithilfe einer betraumlcht-lichen Summe Geldes dazu bewegen zu koumlnnen sie von hier fortzubringen Und wenn ihr das gelang wuumlrde sie Don Enrique fuumlr immer vergessen Bis dahin musste sie ihn jedoch glauben machen dass sie ihr Ziel erreichen koumlnne Auszligerdem durfte Don Gabriel der Adoptivbruder des Herzogs sosehr sie ihn auch in all den Monaten schaumltzen gelernt hatte auf keinen Fall erfahren dass sie an der Geschichte beteiligt war Sie hatte sogar daran ge-dacht Don Gabriel zu bitten sie zu begleiten und ihr zur Seite zu stehen falls die Dienerschaft in El Escorial sich als nicht ko-operativ erweisen sollte Spaumlter war sie jedoch zu dem Schluss gekommen ihn lieber nicht damit zu behelligen da sie nicht wollte dass Don Gabriel zum Ziel der Machenschaften des Mar-quis werden wuumlrde Deshalb hatte sie geschwiegen obwohl sie das Beduumlrfnis verspuumlrt hatte sich ihm anzuvertrauen Sie fuumlrch-tete um seine Sicherheit denn als Mitwisser wuumlrde er automa-tisch zu Don Enriques Feind

Seit Don Gabriel sie aus dem Schlamm und dem Unwetter ge-rettet und vor dem sicheren Tod bewahrt hatte hatten sich ihre Ansichten uumlber die dunkelhaumlutige Rasse sehr veraumlndert So in-tensiv wie er sich um ihr Wohl gesorgt hatte die medizinische Behandlung ihres Gesichts die er ihr auf Anweisung des Arz-tes hin hatte angedeihen lassen die gemeinsamen Spaziergaumlnge durch die Gaumlrten von Castamar und die Ausfluumlge nach Villacor die kurzen Nachrichten die er ihr geschrieben hatte die Lek-

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tuumlren mit denen er sie erfreut hatte und sein Cembalospiel fuumlr sie all das hatte dafuumlr gesorgt dass sie auf einmal nicht mehr auf seine Hautfarbe gesehen hatte sondern in sein Herz Und es gab keinen anderen Menschen der so gutmuumltig und hilfsbereit war wie er Don Gabriel wies all die Eigenschaften auf die eine Frau sich von einem Mann wuumlnschen konnte Er war gut aussehend selbstsicher vertrauenswuumlrdig und hingebungsvoll Daher war-tete sie nun mit ihrem fertigen Gepaumlck traurig auf ihn um sich zu verabschieden Die nie erklaumlrte Beziehung die sich zwischen ihnen entwickelt hatte wuumlrde uumlber sie beide nur Ungluumlck brin-gen wenn sie sie nicht beendeten Sie war eine unverheiratete Frau der man die Jungfraumlulichkeit genommen und das Gesicht gezeichnet hatte Und er ein Mann der nur innerhalb der engen Grenzen von Castamar respektiert wurde

Jemand klopfte an die Tuumlr und sie gewaumlhrte Einlass Wie sie es erwartet hatte erschien Don Gabriel untadelig gekleidet in einem Gehrock aus Taft und einer himmelblauen Weste mit sil-bernen Knoumlpfen Sie wandte sich ihm zu und machte einen klei-nen Knicks Daraufhin nahm er den Dreispitz ab gruumlszligte houmlflich und erklaumlrte seinen Wunsch zu erfahren ob sie die Absicht habe Castamar zu verlassen

raquoIch moumlchte Euch nicht noch mehr Unannehmlichkeiten be-reiten als es bereits der Fall ist und hellip wie Ihr seht sind meine Sachen die Ihr freundlicherweise aus Madrid habt herbringen lassen bereits gepackt Ich moumlchte meine Mutter besuchenlaquo

Er nickte verstaumlndnisvoll und presste die Lippen zusammen wie bereits mehrere Male zuvor wenn er sich gezwungen hatte das Thema des Uumlberfalls nicht anzusprechen Sie schwiegen eine Weile als koumlnne sich keiner von beiden dazu entschlieszligen sich zu verabschieden Bis er sie mit seinen glaumlnzenden dunklen Augen ansah und gestand

raquoIch wiederhole wie sehr ich mir wuumlnsche dass Ihr zum Abendessen bleibtlaquo

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Sie erschauderte wenn sie nur an Don Enrique dachte und senkte sofort den Blick

raquoDiese Einladung entspricht natuumlrlich auch dem Wunsch mei-nes Bruders und meiner Mutter die Euch wie Ihr wisst aufrich-tig schaumltzenlaquo fuumlgte Don Gabriel hinzu raquoWie ich Euch letztens beim Spaziergang sagte wuumlrde es mich sehr gluumlcklich machen wenn Ihr meine Begleiterin waumlretlaquo

Sie laumlchelte als ihr dieser Moment wieder ins Gedaumlchtnis kamraquoIch danke sehr fuumlr Euer Angebot aber heute Abend Eure Be-

gleiterin zu sein wuumlrde mich in eine unerquickliche Lage bringen und Euch helliplaquo

raquoIch verstehe Manchmal bedenke ich nicht was ich von anderen erbittelaquo unterbrach er sie sanft raquoKeine Angst meine Einladung bezieht sich nur auf das Essen unter Freunden das mein Bruder vor dem Fest zu geben pflegt Denn obwohl mein Bruder immer wieder darauf besteht nehme ich niemals am an-schlieszligenden Ball teil Meine Hautfarbe ist nicht angemessen fuumlr den Koumlnigshof und ich verstehe dass sie das auch fuumlr Euch nicht ist Ich fuumlrchte dass es zu staumlndigem Gerede fuumlhren wuumlrde und ich weiszlig dass das hellip unangenehme Folhelliplaquo

Amelia trat auf Gabriel zu und hob die Hand um ihn zu unter-brechen

raquoIhr habt mich falsch verstanden Don Gabriellaquo fluumlsterte sie raquoAuch wenn ich nicht abstreiten kann dass ich zu Anfang ge-wisse Vorbehalte Eurer Hautfarbe gegenuumlber hatte sind diese doch schon lange nicht mehr bei mir vorhanden Auf keinen Fall wuumlrde ich Euch derartig entehren und schon gar nicht nach-dem Ihr mir das Leben gerettet habt Ihr seid der beste Beglei-ter den ich mir fuumlr das Fest wuumlnschen koumlnnte und meine Absage hat nichts mit Eurer Hautfarbe zu tunlaquo fuhr sie fort raquoDass ich nicht daran teilnehmen moumlchte ist hellip wegen mir hellip meiner dum-men weiblichen Eitelkeit helliplaquo erklaumlrte sie und strich sich uumlber die laumlngst geschlossene Narbe auf ihrer Wange

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Gabriels Gesichtsausdruck veraumlnderte sich sofortraquoEntschuldigt meine Dummheitlaquo sagte er raquoDaran gewoumlhnt

dass meine Hautfarbe bei tumben Herzen auf Abneigung stoumlszligt habe ich nur an mich gedacht anstatt an Euer Wohllaquo

raquoDeshalb braucht Ihr Euch nicht schuldig zu fuumlhlen Nicht mir gegenuumlber die ich in Euer Herz geblickt habe und weiszlig wie Ihr seidlaquo sagte Amelia um der Angelegenheit an Bedeutung zu neh-men

Fuumlr ein paar Sekunden sahen sie sich in die Augen Dann trat er noch naumlher an sie heran

raquoErlaubt mir Euch zu beschuumltzenlaquo sagte er raquoIch schwoumlre dass ich nicht zulassen werde dass Euch noch einmal irgendjemand ein Leid antutlaquo

Diese Worte bewegten sie so sehr dass sie sich ihm endlich an-vertrauen wollte Mit den Fingerspitzen strich er uumlber ihre Narbe und sie hielt seine Hand zoumlgernd fuumlr einen Moment zuruumlck um dann zuzulassen dass er ihr Gesicht beruumlhrte Sie senkte den Kopf bis ihre Stirn an seiner Brust lehnte In dem Moment klopfte je-mand an die Tuumlr und beide traten sofort auseinander Don Diego kam herein in dem Glauben nur sie dort anzutreffen Als er sei-nen Bruder sah hielt er inne doch Gabriel bat ihn einzutreten Fuumlr einen Moment kehrte das befremdliche Gefuumlhl zuruumlck das Ame-lia jedes Mal verspuumlrte wenn sie die beiden Bruumlder zusammen sah raquoIch bin gekommen um Euch Sentildeorita Amelia zu bitten heute Abend noch am Essen teilzunehmen helliplaquo sagte Diego befangen

Don Gabriel beeilte sich zu sagen dass sie anderweitige Ver-pflichtungen habe doch bevor er den Satz beenden konnte er-klaumlrte Amelia durch einen Impuls geleitet dass diese Verpflich-tungen warten konnten und dass es ihr eine Freude sei den Abend mit ihnen gemeinsam zu verbringen Don Diego zog sich zuruumlck um der Dienerschaft mitzuteilen dass sie einen Gast mehr erwarteten und nachdem er den Raum verlassen hatte dankte Gabriel Amelia dafuumlr dass sie bleiben wollte

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raquoDas ist das Mindeste was ich tun kannlaquo entgegnete sieraquoNicht dass Ihr Euch genoumltigt fuumlhlt Ich weiszlig dass Ihr auf-

grund Eurer guten Erziehung helliplaquoraquoIch freue mich darauf Eure Begleitung zu seinlaquo unterbrach

sie ihnDaraufhin entschuldigte er sich laumlchelnd und folgte dem Her-

zog aus dem Zimmer Und sie blieb mit ihrer Angst allein zuruumlck Sie setzte sich und betrachtete ihre Haumlnde die sie nicht stillhal-ten konnte raquoSei stark Amelialaquo sagte sie sich raquoWas waumlhrend des Essens auch geschieht Don Gabriel wird an deiner Seite sein und wenn du die Freiheit willst musst du Don Enrique die Stirn bie-tenlaquo

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

Das Abendessen im kleinen Kreis war nach den Worten Andreacutes Moguers ein raquovoller Erfolglaquo Der Kammerherr der die servieren-den Dienstboten mit einer kurzen Beschreibung dessen was im Salon vor sich ging hineinschickte erklaumlrte dass sich allgemeine Stille ausgebreitet habe die lediglich von genuumlsslichen Seufzern beim Kosten der Bruumlhe und des Fleischs unterbrochen wurde

Der dem Ereignis vorausgehende Trubel hatte drei Tage zu-vor begonnen Zunaumlchst mit der Ankunft von Don Diegos Mut-ter Dontildea Mercedes und ihrem Gast Don Enrique von Arcona und spaumlter mit dem Erscheinen der beiden Freunde Seiner Exzel-lenz Don Francisco und Don Alfredo Clara Belmonte war nun bereits seit einem Jahr in Castamar im Dienst und inzwischen dirigierte sie die Kuumlche wie der beruumlhmte Haushofmeister und Koch Franccedilois Vatel So hatte sie es auch ihrer Mutter und ihrer Schwester in den Briefen geschrieben die sie an diesem Morgen abgeschickt hatte Clara hatte ihnen in ihrer klaren Schrift freu-dig beschrieben wie sie Jacinto Suaacuterez dem Fleischeinkaumlufer er-

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klaumlrt hatte dass sie ausschlieszliglich Ware von exzellenter Qualitaumlt akzeptiere wie sie Laacutezaro Molas dem zustaumlndigen Kuumlchenmeis-ter auseinandergesetzt hatte welche Art Dekoration sie fuumlr die Tische wuumlnschte und wie sie die Kuumlchenmeisterin Matilde Mar-roacuten persoumlnlich instruiert hatte welches besonders feine Olivenoumll sie benoumltigte welche Gelees Saucen und Fruumlchte sie zubereiten wuumlrde und was sie dafuumlr brauchte

Dann hatte sie mit der Choreografie der Fleisch- und Fisch-gerichte begonnen um festzulegen in welcher Reihenfolge sie serviert und wie sie praumlsentiert werden sollten Und schlieszlig-lich hatte sie die drei Kuumlchen dirigiert mit denselben Koumlchen die im Vorjahr so gute Arbeit geleistet hatten und dabei ver-sucht alles im Auge zu behalten damit es ihren Erwartungen entsprach Diesmal hatte sich der franzoumlsische Koch Jean- Pierre de Champfleury der sich im letzten Jahr ihren Anweisungen zunaumlchst widersetzt hatte jedem ihrer Befehle gefuumlgt Wie es schien war ihm das Lob des engen Kreises um die Koumlnigin zu Ohren gekommen in dem man der Meinung war dass Sentildeorita Belmonte eine Koumlchin mit auszligergewoumlhnlichen Faumlhigkeiten sei von der jeder Mann noch etwas lernen koumlnne In diesem Jahr hatte Clara fuumlr Ihre Majestaumlt ein paar kleine italienische Nudel-gerichte zubereitet mit Oregano Fleisch Basilikum und Tomaten sowie ein wenig Weiszligwein und einer Prise Zucker um den sauren Geschmack abzumildern

Don Pedro Benoist und Don Pedro Chatelain die beiden Leib-koumlche der Koumlnigin und des Koumlnigs waren auch diesmal gekom-men um auf Anweisung Ihrer Majestaumlten die Zubereitungen zu beaufsichtigen und die Gerichte zu probieren Und beide hat-ten Clara aufrichtig gratuliert und ihr ein paar Ratschlaumlge ge-geben wofuumlr sie ihnen gedankt hatte Auf dem Weg von Kuumlche zu Kuumlche hatte sie sich hin und wieder erlaubt an das Regal in ihrem Zimmer zu denken in dem inzwischen eine stolze Samm-lung von vierzehn auszligergewoumlhnlichen Kochbuumlchern stand Seit

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dem Besuch der Haushaumllterin Dontildea Uacutersula an Rosaliacuteas Todes-tag bedeckte sie die Buumlcher lieber mit einem Leinentuch damit sie niemandem beim Betreten des Raums ins Auge fielen Denn sollte Dontildea Uacutersula die Buumlcher entdecken konnte ihr dies Argu-mente liefern um sie bei der Dienerschaft schlechtzumachen Bisher hatte jedoch lediglich der ihr so gewogene Gaumlrtner Sentildeor Casona sie aufgesucht um ihr ein paar Zweige Jasmin zu brin-gen deren Duft schon bald das ganze Zimmer erfuumlllte

All die Zeit uumlber war die Beziehung zwischen Clara und der Haushaumllterin gleichbleibend kuumlhl und distanziert geblieben und vier Tage zuvor hatten sie sogar eines ihrer uumlblichen Scharmuumltzel ausgetragen Clara der Don Melquiacuteades ausgesprochen leidtat weil er seit Januar eingeschlossen in seinem Zimmer hauste hatte beschlossen mit dem Herzog zu reden damit er seinem ehemali-gen Majordomus verzieh Als Dontildea Uacutersula davon erfahren hatte war sie in der Kuumlche erschienen um Clara im Beisein des gesam-ten Kuumlchenpersonals zu befehlen raquosich nicht in Angelegenhei-ten einzumischen die nichts mit der Kuumlche zu tun habenlaquo Dies hatte sie allerdings nicht sonderlich beeindruckt umso mehr die Reaktion Don Diegos Ihre Bitte kam nicht so gut an wie sie ge-hofft hatte Der Herzog konnte nachdem er ihr zugehoumlrt hatte seinen Zorn kaum beherrschen schnaubte vor Wut und sagte deutlich angespannt kein Wort bis sie den Raum verlassen hatte Spaumlter hatte Clara dann von Elisa erfahren dass ihre Bitte in Don Melquiacuteadesrsquo Interesse nur die letzte auf einer langen Liste gewesen war Der Rest der Dienerschaft hatte sich ndash anders als sie ndash auf in-direkte Art fuumlr Don Melquiacuteades eingesetzt durch Anspielungen wenn der Herzog in der Naumlhe vorbeiging oder indem sie von der Vergebung von Suumlnden sprachen Tatsaumlchlich war dies so oft vor-gekommen dass Don Diego schon vor Monaten zu Dontildea Uacutersula gesagt hatte dass das mit Don Melquiacuteades eine private Angele-genheit sei und dass er seitens der Dienerschaft keine indirekten Kommentare mehr zu houmlren wuumlnsche da er die Botschaft erhal-

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ten habe Daraufhin hatte die Haushaumllterin in vollem Bewusstsein saumlmtliche Dienstboten daruumlber informiert auszliger Clara damit diese endlich in Ungnade falle und nach der barschen Reaktion des Herzogs hatte sie ihren Triumph voll ausgekostet

Clara war danach zutiefst niedergeschlagen gewesen und so verstimmt dass sie sich die Moumlglichkeit vor Augen Seine Exzel-lenz beleidigt zu haben kaum noch konzentrieren konnte Dabei hatte sie sich all die Monate zuvor so leicht und gluumlcklich gefuumlhlt und oft hatte sie am Morgen nach einem der Kochbuumlcher ge-griffen um sich beim Herzog zu bedanken indem sie eine neue Sauce oder eine Variante des Fasanen- oder des Lammbratens ausprobierte oder die Creme- oder Obstspeise auf andere Art zu-bereitete Und wenn sie schon der Anblick der Buumlcher in Hoch-stimmung versetzte so war ihre Freude noch groumlszliger wenn sie daran dachte dass sich in jedem eine versteckte Nachricht des Herzogs fuumlr sie befand Im Laufe des Fruumlhjahrs und des Som-mers hatten der Herzog und sie mehrmals die Gelegenheit ge-habt so korrekt wie zwischen einem Herzog und seiner Koumlchin moumlglich miteinander zu reden waumlhrend ihr geheimer Nachrich-tenaustausch haumlufiger wurde Daher fuumlgte sie jedem Schreiben das sie von Seiner Exzellenz erhalten hatte eine Kopie ihrer Ant-wort bei um sie hin und wieder lesen zu koumlnnen Und der Ge-danke daran brachte sie manchmal dazu mitten in der Nacht eines der Buumlcher aufzuschlagen und die darin liegenden Nach-richten zu lesen

Dieser Briefwechsel hatte eine Wandlung in ihrem Inneren be-wirkt Auf der einen Seite fuumlhlte sie sich Seiner Exzellenz auf eine bestimmte Weise nah Naumlher zumindest als jedes andere Mit-glied der Dienerschaft Und auf der anderen Seite hatte etwas in ihr an Staumlrke gewonnen Genuumlgend Staumlrke um sich ihrer Angst vor offenen Raumlumen zu stellen wie sie dem Herzog in einer ihrer kurzen Nachrichten anvertraut hatte

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Meine sehr geschaumltzte Exzellenzwie ich aus dem Munde Sentildeor Moguers erfahren habe waren die suumlszlige Eierspeise sowie der tranchierte Braten und die Lammhaxe durchaus zu Eurer Zufriedenheit da man mir mit gebuumlhrender Genauigkeit Eure Gluumlckwuumlnsche ausgerichshytet hat Obwohl ich manchmal ein wenig Angst habe Euch irgendwann einmal nicht zufriedenstellen zu koumlnnen bin ich nun auszligerordentlich gluumlcklich dass meine Gerichte Euch schmecken Zugleich hat Eure Groszligzuumlgigkeit mir gegenuumlber mich so sehr inspiriert dass ich mich bereit fuumlhle meine Angst vor offenen Raumlumen zu uumlberwinden

Don Diegos Antwort lieszlig nicht lange auf sich warten In seiner sorgfaumlltigen Schrift teilte er ihr mit

Eure Einstellung zeugt von einem starken Charakter und einem entschiedenen Geist Sentildeorita Belmonte Folgt diesem Weg und zweifellos werdet Ihr Eure Aumlngste schneller uumlberwinshyden als Ihr glaubt Ich befuumlrchte dass die Bestellung in dieser Woche nicht mehr eintreffen wird doch ich hoffe Euch das Buch bald uumlbergeben zu koumlnnen

Daraufhin hatte sie noch acht Tage warten muumlssen bevor sie end-lich das neue Buch erhielt ein Rezeptbuch des Kochs Pierre de Lune mit dem Titel Le nouveau cuisinier das im Jahr 1656 in Paris erschienen war Clara zoumlgerte nicht lange dem Herzog mit einer Nachricht zu antworten in der sie in wenigen Zeilen ihre Dank-barkeit dafuumlr ihm in Castamar als Koumlchin dienen zu duumlrfen zum Ausdruck brachte Schlieszliglich gewann der Austausch der Nach-richten fuumlr sie immer mehr an Bedeutung bis er nicht mehr aus-schlieszliglich mit den bestellten Buumlchern einherging Im Sommer hatte sie dann einmal eine Nachricht vorgefunden die sie gleich-zeitig erfreut und geaumlngstigt hatte Diese hatte sie nach einem rus-

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tikalen Mahl der Freunde des Herzogs drauszligen in Villacor be-kommen

Zweifellos war es ein hervorragender Einfall Euch diese Buumlcher zu schenken denn ich genieszlige die verschiedenen Geschmaumlcke Eurer Gerichte aufs Houmlchste Dennoch muss ich gestehen dass dieser Genuss nur ein schwacher Abglanz der Befriedigung ist die ich in dem Wissen verspuumlre wie sehr Ihr mir zugetan seid

Zwei Zeilen weiter unten hatte er noch hinzugefuumlgt

Daher ruumlhrt es dass jedes Mal wenn ich Eure Gerichte koste eine aufrichtige Zuneigung Euch gegenuumlber in mir erwaumlchst

Diese Worte hatten dafuumlr gesorgt dass ihr Herz schneller schlug und sich in ihrem Kopf alles zu drehen anfing Sie hatte sich ge-fragt wohin das Geheimnis das sie teilten fuumlhren wuumlrde Zu einem unschuldigen Spiel in dem eine Koumlchin und ein Herzog einen heimlichen Briefwechsel fuumlhrten oder zu etwas was mit sich bringen wuumlrde dass sie mit gebrochenem Herzen und ohne berufliche Perspektiven dieses Haus verlassen musste Ihre Angst war so groszlig gewesen dass sie ihn vier Tage auf ihre Antwort war-ten lieszlig Doch ihn immer wieder in den Keller gehen zu sehen wo er angeblich nach einem Wein suchte waumlhrend er in Wahr-heit sehnsuumlchtig auf ihre Nachricht wartete hatte ihr Herz erwei-chen lassen Der Arme war in dieser Zeit mit der Ausrede dass der Wein einen Essigstich haumltte ganze sechs Mal heruntergekom-men sodass er in jenen Tagen eine Menge guten Wein aus Valde-pentildeas geopfert hatte Schlieszliglich hatte Clara ihm dann doch ein paar Zeilen hinterlassen

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Eure Exzellenz ich muss Euch danken denn in diesen Monashyten bin ich so gluumlcklich wie ich es nach dem Tod meines Vaters nicht mehr war und hellip

Dem hatte sie einen Satz hinzugefuumlgt den sie mehrere Male neu geschrieben hatte sodass sie die Nachricht ganze vier Mal ins Reine schreiben musste

hellip und die Zeichen Eurer Zuneigung mir gegenuumlber Eure Hinshygabe und Freundlichkeit haben dafuumlr gesorgt dass ich Euch jeden Tag mehr schaumltze Exzellenz wie es anders nicht sein kann

Deshalb war sie so verbluumlfft von seiner veraumlrgerten Reaktion ge-wesen als sie die Sache mit Don Melquiacuteades angesprochen hatte Gleich am naumlchsten Tag hatte sie um eine Audienz gebeten und war ohne dass Dontildea Uacutersula es gemerkt hatte zu ihm in den Salon gegangen um sich fuumlr ihre gewagte Aumluszligerung zu entschuldigen

raquoBevor Ihr irgendetwas sagt nehmt bitte daslaquo hatte er laumlchelnd gemeint und ihr ein neues Buch uumlbergeben raquoDiesen Band wollte ich Euch lieber persoumlnlich uumlberreichenlaquo

Sie war erroumltet hatte sich mit einem Knicks bedankt und das Buch entgegengenommen Dabei hatten sich ihre Fingerspitzen beruumlhrt Er hatte das Buch noch in den Haumlnden und sie hatte sich gewuumlnscht dass er es niemals loslassen wuumlrde als sich unterhalb des Einbands jener wunderbare Moment ereignet hatte

raquoIch kann nur hoffen dass ich das Bild das Ihr Euch von dem muumlrrischen Charakter der mich hin und wieder uumlberfaumlllt ge-macht habt durch diese Geste ein wenig abmildern kannlaquo hatte Don Diego dabei mit seiner melodischen Stimme gesagt und das Buch schlieszliglich losgelassen

raquoExzellenz auf die Gefahr hin erneut Euer Missfallen zu erre-gen und in dem Bewusstsein dass ich mich in Dinge ein gemischt

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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KAPITEL 1

16 Oktober 1721

Amelia Castro bereitete schon seit mehreren Tagen ihre Abreise vor nachdem sie das Fruumlhjahr und den Som-

mer uumlber die Gastfreundschaft und das Vertrauen der Bewohner von Castamar weidlich ausgenutzt hatte Nun da es bereits Herbst war genau an dem Tag an dem das jaumlhrliche Fest des Herzogs Don Diego von Castamar stattfinden wuumlrde hatte sie beschlos-sen sich auf den Weg nach El Escorial zu machen um ihre kranke Mutter zu besuchen Denn die einzigen Nachrichten die sie uumlber sie erhalten hatte waren Briefe von Dienstboten die sich um sie kuumlmmerten Auch der Marquis von Soto und Campomedina Don Enrique hatte ihr geschrieben und sie daruumlber informiert dass er erneut an dem traditionellen Essen im kleinen Kreis in Castamar teilnehmen wuumlrde wo er auch sie anzutreffen hoffe Nun war sie voller Panik Offensichtlich gab es keine Moumlglichkeit diesem Kerl klarzumachen dass er das was er nach dem geheimen Plan von ihr forderte nicht bekommen wuumlrde Denn es stand nicht mehr in ihrer Macht Don Diego zu verfuumlhren

Natuumlrlich war Dontildea Mercedes ndash Don Diegos Mutter ndash ihr durchaus gewogen und ihre Soumlhne waren es ebenfalls aber mehr auch nicht Und deshalb war Amelia zu dem Schluss gekommen dass der Widerling Don Enrique wenn er herausfinden wuumlrde

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dass Don Diego sich keineswegs verpflichtet fuumlhlte sie jemals zu ehelichen durchaus in der Lage sein wuumlrde sie und ihre Mutter durch einen Unfall verschwinden zu lassen

Daher hatte sie eine Strategie erdacht um dieser bedroh-lichen Lage zu entkommen Sie hatte vor ihre Mutter abzuho-len und von Madrid nach Caacutediz zu reisen um dann per Schiff in ein anderes europaumlisches Land moumlglicherweise Frankreich oder nach Amerika zu fliehen Sie hoffte den Majordomus oder einen anderen Dienstboten des Hauses mithilfe einer betraumlcht-lichen Summe Geldes dazu bewegen zu koumlnnen sie von hier fortzubringen Und wenn ihr das gelang wuumlrde sie Don Enrique fuumlr immer vergessen Bis dahin musste sie ihn jedoch glauben machen dass sie ihr Ziel erreichen koumlnne Auszligerdem durfte Don Gabriel der Adoptivbruder des Herzogs sosehr sie ihn auch in all den Monaten schaumltzen gelernt hatte auf keinen Fall erfahren dass sie an der Geschichte beteiligt war Sie hatte sogar daran ge-dacht Don Gabriel zu bitten sie zu begleiten und ihr zur Seite zu stehen falls die Dienerschaft in El Escorial sich als nicht ko-operativ erweisen sollte Spaumlter war sie jedoch zu dem Schluss gekommen ihn lieber nicht damit zu behelligen da sie nicht wollte dass Don Gabriel zum Ziel der Machenschaften des Mar-quis werden wuumlrde Deshalb hatte sie geschwiegen obwohl sie das Beduumlrfnis verspuumlrt hatte sich ihm anzuvertrauen Sie fuumlrch-tete um seine Sicherheit denn als Mitwisser wuumlrde er automa-tisch zu Don Enriques Feind

Seit Don Gabriel sie aus dem Schlamm und dem Unwetter ge-rettet und vor dem sicheren Tod bewahrt hatte hatten sich ihre Ansichten uumlber die dunkelhaumlutige Rasse sehr veraumlndert So in-tensiv wie er sich um ihr Wohl gesorgt hatte die medizinische Behandlung ihres Gesichts die er ihr auf Anweisung des Arz-tes hin hatte angedeihen lassen die gemeinsamen Spaziergaumlnge durch die Gaumlrten von Castamar und die Ausfluumlge nach Villacor die kurzen Nachrichten die er ihr geschrieben hatte die Lek-

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tuumlren mit denen er sie erfreut hatte und sein Cembalospiel fuumlr sie all das hatte dafuumlr gesorgt dass sie auf einmal nicht mehr auf seine Hautfarbe gesehen hatte sondern in sein Herz Und es gab keinen anderen Menschen der so gutmuumltig und hilfsbereit war wie er Don Gabriel wies all die Eigenschaften auf die eine Frau sich von einem Mann wuumlnschen konnte Er war gut aussehend selbstsicher vertrauenswuumlrdig und hingebungsvoll Daher war-tete sie nun mit ihrem fertigen Gepaumlck traurig auf ihn um sich zu verabschieden Die nie erklaumlrte Beziehung die sich zwischen ihnen entwickelt hatte wuumlrde uumlber sie beide nur Ungluumlck brin-gen wenn sie sie nicht beendeten Sie war eine unverheiratete Frau der man die Jungfraumlulichkeit genommen und das Gesicht gezeichnet hatte Und er ein Mann der nur innerhalb der engen Grenzen von Castamar respektiert wurde

Jemand klopfte an die Tuumlr und sie gewaumlhrte Einlass Wie sie es erwartet hatte erschien Don Gabriel untadelig gekleidet in einem Gehrock aus Taft und einer himmelblauen Weste mit sil-bernen Knoumlpfen Sie wandte sich ihm zu und machte einen klei-nen Knicks Daraufhin nahm er den Dreispitz ab gruumlszligte houmlflich und erklaumlrte seinen Wunsch zu erfahren ob sie die Absicht habe Castamar zu verlassen

raquoIch moumlchte Euch nicht noch mehr Unannehmlichkeiten be-reiten als es bereits der Fall ist und hellip wie Ihr seht sind meine Sachen die Ihr freundlicherweise aus Madrid habt herbringen lassen bereits gepackt Ich moumlchte meine Mutter besuchenlaquo

Er nickte verstaumlndnisvoll und presste die Lippen zusammen wie bereits mehrere Male zuvor wenn er sich gezwungen hatte das Thema des Uumlberfalls nicht anzusprechen Sie schwiegen eine Weile als koumlnne sich keiner von beiden dazu entschlieszligen sich zu verabschieden Bis er sie mit seinen glaumlnzenden dunklen Augen ansah und gestand

raquoIch wiederhole wie sehr ich mir wuumlnsche dass Ihr zum Abendessen bleibtlaquo

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Sie erschauderte wenn sie nur an Don Enrique dachte und senkte sofort den Blick

raquoDiese Einladung entspricht natuumlrlich auch dem Wunsch mei-nes Bruders und meiner Mutter die Euch wie Ihr wisst aufrich-tig schaumltzenlaquo fuumlgte Don Gabriel hinzu raquoWie ich Euch letztens beim Spaziergang sagte wuumlrde es mich sehr gluumlcklich machen wenn Ihr meine Begleiterin waumlretlaquo

Sie laumlchelte als ihr dieser Moment wieder ins Gedaumlchtnis kamraquoIch danke sehr fuumlr Euer Angebot aber heute Abend Eure Be-

gleiterin zu sein wuumlrde mich in eine unerquickliche Lage bringen und Euch helliplaquo

raquoIch verstehe Manchmal bedenke ich nicht was ich von anderen erbittelaquo unterbrach er sie sanft raquoKeine Angst meine Einladung bezieht sich nur auf das Essen unter Freunden das mein Bruder vor dem Fest zu geben pflegt Denn obwohl mein Bruder immer wieder darauf besteht nehme ich niemals am an-schlieszligenden Ball teil Meine Hautfarbe ist nicht angemessen fuumlr den Koumlnigshof und ich verstehe dass sie das auch fuumlr Euch nicht ist Ich fuumlrchte dass es zu staumlndigem Gerede fuumlhren wuumlrde und ich weiszlig dass das hellip unangenehme Folhelliplaquo

Amelia trat auf Gabriel zu und hob die Hand um ihn zu unter-brechen

raquoIhr habt mich falsch verstanden Don Gabriellaquo fluumlsterte sie raquoAuch wenn ich nicht abstreiten kann dass ich zu Anfang ge-wisse Vorbehalte Eurer Hautfarbe gegenuumlber hatte sind diese doch schon lange nicht mehr bei mir vorhanden Auf keinen Fall wuumlrde ich Euch derartig entehren und schon gar nicht nach-dem Ihr mir das Leben gerettet habt Ihr seid der beste Beglei-ter den ich mir fuumlr das Fest wuumlnschen koumlnnte und meine Absage hat nichts mit Eurer Hautfarbe zu tunlaquo fuhr sie fort raquoDass ich nicht daran teilnehmen moumlchte ist hellip wegen mir hellip meiner dum-men weiblichen Eitelkeit helliplaquo erklaumlrte sie und strich sich uumlber die laumlngst geschlossene Narbe auf ihrer Wange

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Gabriels Gesichtsausdruck veraumlnderte sich sofortraquoEntschuldigt meine Dummheitlaquo sagte er raquoDaran gewoumlhnt

dass meine Hautfarbe bei tumben Herzen auf Abneigung stoumlszligt habe ich nur an mich gedacht anstatt an Euer Wohllaquo

raquoDeshalb braucht Ihr Euch nicht schuldig zu fuumlhlen Nicht mir gegenuumlber die ich in Euer Herz geblickt habe und weiszlig wie Ihr seidlaquo sagte Amelia um der Angelegenheit an Bedeutung zu neh-men

Fuumlr ein paar Sekunden sahen sie sich in die Augen Dann trat er noch naumlher an sie heran

raquoErlaubt mir Euch zu beschuumltzenlaquo sagte er raquoIch schwoumlre dass ich nicht zulassen werde dass Euch noch einmal irgendjemand ein Leid antutlaquo

Diese Worte bewegten sie so sehr dass sie sich ihm endlich an-vertrauen wollte Mit den Fingerspitzen strich er uumlber ihre Narbe und sie hielt seine Hand zoumlgernd fuumlr einen Moment zuruumlck um dann zuzulassen dass er ihr Gesicht beruumlhrte Sie senkte den Kopf bis ihre Stirn an seiner Brust lehnte In dem Moment klopfte je-mand an die Tuumlr und beide traten sofort auseinander Don Diego kam herein in dem Glauben nur sie dort anzutreffen Als er sei-nen Bruder sah hielt er inne doch Gabriel bat ihn einzutreten Fuumlr einen Moment kehrte das befremdliche Gefuumlhl zuruumlck das Ame-lia jedes Mal verspuumlrte wenn sie die beiden Bruumlder zusammen sah raquoIch bin gekommen um Euch Sentildeorita Amelia zu bitten heute Abend noch am Essen teilzunehmen helliplaquo sagte Diego befangen

Don Gabriel beeilte sich zu sagen dass sie anderweitige Ver-pflichtungen habe doch bevor er den Satz beenden konnte er-klaumlrte Amelia durch einen Impuls geleitet dass diese Verpflich-tungen warten konnten und dass es ihr eine Freude sei den Abend mit ihnen gemeinsam zu verbringen Don Diego zog sich zuruumlck um der Dienerschaft mitzuteilen dass sie einen Gast mehr erwarteten und nachdem er den Raum verlassen hatte dankte Gabriel Amelia dafuumlr dass sie bleiben wollte

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raquoDas ist das Mindeste was ich tun kannlaquo entgegnete sieraquoNicht dass Ihr Euch genoumltigt fuumlhlt Ich weiszlig dass Ihr auf-

grund Eurer guten Erziehung helliplaquoraquoIch freue mich darauf Eure Begleitung zu seinlaquo unterbrach

sie ihnDaraufhin entschuldigte er sich laumlchelnd und folgte dem Her-

zog aus dem Zimmer Und sie blieb mit ihrer Angst allein zuruumlck Sie setzte sich und betrachtete ihre Haumlnde die sie nicht stillhal-ten konnte raquoSei stark Amelialaquo sagte sie sich raquoWas waumlhrend des Essens auch geschieht Don Gabriel wird an deiner Seite sein und wenn du die Freiheit willst musst du Don Enrique die Stirn bie-tenlaquo

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

Das Abendessen im kleinen Kreis war nach den Worten Andreacutes Moguers ein raquovoller Erfolglaquo Der Kammerherr der die servieren-den Dienstboten mit einer kurzen Beschreibung dessen was im Salon vor sich ging hineinschickte erklaumlrte dass sich allgemeine Stille ausgebreitet habe die lediglich von genuumlsslichen Seufzern beim Kosten der Bruumlhe und des Fleischs unterbrochen wurde

Der dem Ereignis vorausgehende Trubel hatte drei Tage zu-vor begonnen Zunaumlchst mit der Ankunft von Don Diegos Mut-ter Dontildea Mercedes und ihrem Gast Don Enrique von Arcona und spaumlter mit dem Erscheinen der beiden Freunde Seiner Exzel-lenz Don Francisco und Don Alfredo Clara Belmonte war nun bereits seit einem Jahr in Castamar im Dienst und inzwischen dirigierte sie die Kuumlche wie der beruumlhmte Haushofmeister und Koch Franccedilois Vatel So hatte sie es auch ihrer Mutter und ihrer Schwester in den Briefen geschrieben die sie an diesem Morgen abgeschickt hatte Clara hatte ihnen in ihrer klaren Schrift freu-dig beschrieben wie sie Jacinto Suaacuterez dem Fleischeinkaumlufer er-

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klaumlrt hatte dass sie ausschlieszliglich Ware von exzellenter Qualitaumlt akzeptiere wie sie Laacutezaro Molas dem zustaumlndigen Kuumlchenmeis-ter auseinandergesetzt hatte welche Art Dekoration sie fuumlr die Tische wuumlnschte und wie sie die Kuumlchenmeisterin Matilde Mar-roacuten persoumlnlich instruiert hatte welches besonders feine Olivenoumll sie benoumltigte welche Gelees Saucen und Fruumlchte sie zubereiten wuumlrde und was sie dafuumlr brauchte

Dann hatte sie mit der Choreografie der Fleisch- und Fisch-gerichte begonnen um festzulegen in welcher Reihenfolge sie serviert und wie sie praumlsentiert werden sollten Und schlieszlig-lich hatte sie die drei Kuumlchen dirigiert mit denselben Koumlchen die im Vorjahr so gute Arbeit geleistet hatten und dabei ver-sucht alles im Auge zu behalten damit es ihren Erwartungen entsprach Diesmal hatte sich der franzoumlsische Koch Jean- Pierre de Champfleury der sich im letzten Jahr ihren Anweisungen zunaumlchst widersetzt hatte jedem ihrer Befehle gefuumlgt Wie es schien war ihm das Lob des engen Kreises um die Koumlnigin zu Ohren gekommen in dem man der Meinung war dass Sentildeorita Belmonte eine Koumlchin mit auszligergewoumlhnlichen Faumlhigkeiten sei von der jeder Mann noch etwas lernen koumlnne In diesem Jahr hatte Clara fuumlr Ihre Majestaumlt ein paar kleine italienische Nudel-gerichte zubereitet mit Oregano Fleisch Basilikum und Tomaten sowie ein wenig Weiszligwein und einer Prise Zucker um den sauren Geschmack abzumildern

Don Pedro Benoist und Don Pedro Chatelain die beiden Leib-koumlche der Koumlnigin und des Koumlnigs waren auch diesmal gekom-men um auf Anweisung Ihrer Majestaumlten die Zubereitungen zu beaufsichtigen und die Gerichte zu probieren Und beide hat-ten Clara aufrichtig gratuliert und ihr ein paar Ratschlaumlge ge-geben wofuumlr sie ihnen gedankt hatte Auf dem Weg von Kuumlche zu Kuumlche hatte sie sich hin und wieder erlaubt an das Regal in ihrem Zimmer zu denken in dem inzwischen eine stolze Samm-lung von vierzehn auszligergewoumlhnlichen Kochbuumlchern stand Seit

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dem Besuch der Haushaumllterin Dontildea Uacutersula an Rosaliacuteas Todes-tag bedeckte sie die Buumlcher lieber mit einem Leinentuch damit sie niemandem beim Betreten des Raums ins Auge fielen Denn sollte Dontildea Uacutersula die Buumlcher entdecken konnte ihr dies Argu-mente liefern um sie bei der Dienerschaft schlechtzumachen Bisher hatte jedoch lediglich der ihr so gewogene Gaumlrtner Sentildeor Casona sie aufgesucht um ihr ein paar Zweige Jasmin zu brin-gen deren Duft schon bald das ganze Zimmer erfuumlllte

All die Zeit uumlber war die Beziehung zwischen Clara und der Haushaumllterin gleichbleibend kuumlhl und distanziert geblieben und vier Tage zuvor hatten sie sogar eines ihrer uumlblichen Scharmuumltzel ausgetragen Clara der Don Melquiacuteades ausgesprochen leidtat weil er seit Januar eingeschlossen in seinem Zimmer hauste hatte beschlossen mit dem Herzog zu reden damit er seinem ehemali-gen Majordomus verzieh Als Dontildea Uacutersula davon erfahren hatte war sie in der Kuumlche erschienen um Clara im Beisein des gesam-ten Kuumlchenpersonals zu befehlen raquosich nicht in Angelegenhei-ten einzumischen die nichts mit der Kuumlche zu tun habenlaquo Dies hatte sie allerdings nicht sonderlich beeindruckt umso mehr die Reaktion Don Diegos Ihre Bitte kam nicht so gut an wie sie ge-hofft hatte Der Herzog konnte nachdem er ihr zugehoumlrt hatte seinen Zorn kaum beherrschen schnaubte vor Wut und sagte deutlich angespannt kein Wort bis sie den Raum verlassen hatte Spaumlter hatte Clara dann von Elisa erfahren dass ihre Bitte in Don Melquiacuteadesrsquo Interesse nur die letzte auf einer langen Liste gewesen war Der Rest der Dienerschaft hatte sich ndash anders als sie ndash auf in-direkte Art fuumlr Don Melquiacuteades eingesetzt durch Anspielungen wenn der Herzog in der Naumlhe vorbeiging oder indem sie von der Vergebung von Suumlnden sprachen Tatsaumlchlich war dies so oft vor-gekommen dass Don Diego schon vor Monaten zu Dontildea Uacutersula gesagt hatte dass das mit Don Melquiacuteades eine private Angele-genheit sei und dass er seitens der Dienerschaft keine indirekten Kommentare mehr zu houmlren wuumlnsche da er die Botschaft erhal-

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ten habe Daraufhin hatte die Haushaumllterin in vollem Bewusstsein saumlmtliche Dienstboten daruumlber informiert auszliger Clara damit diese endlich in Ungnade falle und nach der barschen Reaktion des Herzogs hatte sie ihren Triumph voll ausgekostet

Clara war danach zutiefst niedergeschlagen gewesen und so verstimmt dass sie sich die Moumlglichkeit vor Augen Seine Exzel-lenz beleidigt zu haben kaum noch konzentrieren konnte Dabei hatte sie sich all die Monate zuvor so leicht und gluumlcklich gefuumlhlt und oft hatte sie am Morgen nach einem der Kochbuumlcher ge-griffen um sich beim Herzog zu bedanken indem sie eine neue Sauce oder eine Variante des Fasanen- oder des Lammbratens ausprobierte oder die Creme- oder Obstspeise auf andere Art zu-bereitete Und wenn sie schon der Anblick der Buumlcher in Hoch-stimmung versetzte so war ihre Freude noch groumlszliger wenn sie daran dachte dass sich in jedem eine versteckte Nachricht des Herzogs fuumlr sie befand Im Laufe des Fruumlhjahrs und des Som-mers hatten der Herzog und sie mehrmals die Gelegenheit ge-habt so korrekt wie zwischen einem Herzog und seiner Koumlchin moumlglich miteinander zu reden waumlhrend ihr geheimer Nachrich-tenaustausch haumlufiger wurde Daher fuumlgte sie jedem Schreiben das sie von Seiner Exzellenz erhalten hatte eine Kopie ihrer Ant-wort bei um sie hin und wieder lesen zu koumlnnen Und der Ge-danke daran brachte sie manchmal dazu mitten in der Nacht eines der Buumlcher aufzuschlagen und die darin liegenden Nach-richten zu lesen

Dieser Briefwechsel hatte eine Wandlung in ihrem Inneren be-wirkt Auf der einen Seite fuumlhlte sie sich Seiner Exzellenz auf eine bestimmte Weise nah Naumlher zumindest als jedes andere Mit-glied der Dienerschaft Und auf der anderen Seite hatte etwas in ihr an Staumlrke gewonnen Genuumlgend Staumlrke um sich ihrer Angst vor offenen Raumlumen zu stellen wie sie dem Herzog in einer ihrer kurzen Nachrichten anvertraut hatte

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Meine sehr geschaumltzte Exzellenzwie ich aus dem Munde Sentildeor Moguers erfahren habe waren die suumlszlige Eierspeise sowie der tranchierte Braten und die Lammhaxe durchaus zu Eurer Zufriedenheit da man mir mit gebuumlhrender Genauigkeit Eure Gluumlckwuumlnsche ausgerichshytet hat Obwohl ich manchmal ein wenig Angst habe Euch irgendwann einmal nicht zufriedenstellen zu koumlnnen bin ich nun auszligerordentlich gluumlcklich dass meine Gerichte Euch schmecken Zugleich hat Eure Groszligzuumlgigkeit mir gegenuumlber mich so sehr inspiriert dass ich mich bereit fuumlhle meine Angst vor offenen Raumlumen zu uumlberwinden

Don Diegos Antwort lieszlig nicht lange auf sich warten In seiner sorgfaumlltigen Schrift teilte er ihr mit

Eure Einstellung zeugt von einem starken Charakter und einem entschiedenen Geist Sentildeorita Belmonte Folgt diesem Weg und zweifellos werdet Ihr Eure Aumlngste schneller uumlberwinshyden als Ihr glaubt Ich befuumlrchte dass die Bestellung in dieser Woche nicht mehr eintreffen wird doch ich hoffe Euch das Buch bald uumlbergeben zu koumlnnen

Daraufhin hatte sie noch acht Tage warten muumlssen bevor sie end-lich das neue Buch erhielt ein Rezeptbuch des Kochs Pierre de Lune mit dem Titel Le nouveau cuisinier das im Jahr 1656 in Paris erschienen war Clara zoumlgerte nicht lange dem Herzog mit einer Nachricht zu antworten in der sie in wenigen Zeilen ihre Dank-barkeit dafuumlr ihm in Castamar als Koumlchin dienen zu duumlrfen zum Ausdruck brachte Schlieszliglich gewann der Austausch der Nach-richten fuumlr sie immer mehr an Bedeutung bis er nicht mehr aus-schlieszliglich mit den bestellten Buumlchern einherging Im Sommer hatte sie dann einmal eine Nachricht vorgefunden die sie gleich-zeitig erfreut und geaumlngstigt hatte Diese hatte sie nach einem rus-

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tikalen Mahl der Freunde des Herzogs drauszligen in Villacor be-kommen

Zweifellos war es ein hervorragender Einfall Euch diese Buumlcher zu schenken denn ich genieszlige die verschiedenen Geschmaumlcke Eurer Gerichte aufs Houmlchste Dennoch muss ich gestehen dass dieser Genuss nur ein schwacher Abglanz der Befriedigung ist die ich in dem Wissen verspuumlre wie sehr Ihr mir zugetan seid

Zwei Zeilen weiter unten hatte er noch hinzugefuumlgt

Daher ruumlhrt es dass jedes Mal wenn ich Eure Gerichte koste eine aufrichtige Zuneigung Euch gegenuumlber in mir erwaumlchst

Diese Worte hatten dafuumlr gesorgt dass ihr Herz schneller schlug und sich in ihrem Kopf alles zu drehen anfing Sie hatte sich ge-fragt wohin das Geheimnis das sie teilten fuumlhren wuumlrde Zu einem unschuldigen Spiel in dem eine Koumlchin und ein Herzog einen heimlichen Briefwechsel fuumlhrten oder zu etwas was mit sich bringen wuumlrde dass sie mit gebrochenem Herzen und ohne berufliche Perspektiven dieses Haus verlassen musste Ihre Angst war so groszlig gewesen dass sie ihn vier Tage auf ihre Antwort war-ten lieszlig Doch ihn immer wieder in den Keller gehen zu sehen wo er angeblich nach einem Wein suchte waumlhrend er in Wahr-heit sehnsuumlchtig auf ihre Nachricht wartete hatte ihr Herz erwei-chen lassen Der Arme war in dieser Zeit mit der Ausrede dass der Wein einen Essigstich haumltte ganze sechs Mal heruntergekom-men sodass er in jenen Tagen eine Menge guten Wein aus Valde-pentildeas geopfert hatte Schlieszliglich hatte Clara ihm dann doch ein paar Zeilen hinterlassen

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Eure Exzellenz ich muss Euch danken denn in diesen Monashyten bin ich so gluumlcklich wie ich es nach dem Tod meines Vaters nicht mehr war und hellip

Dem hatte sie einen Satz hinzugefuumlgt den sie mehrere Male neu geschrieben hatte sodass sie die Nachricht ganze vier Mal ins Reine schreiben musste

hellip und die Zeichen Eurer Zuneigung mir gegenuumlber Eure Hinshygabe und Freundlichkeit haben dafuumlr gesorgt dass ich Euch jeden Tag mehr schaumltze Exzellenz wie es anders nicht sein kann

Deshalb war sie so verbluumlfft von seiner veraumlrgerten Reaktion ge-wesen als sie die Sache mit Don Melquiacuteades angesprochen hatte Gleich am naumlchsten Tag hatte sie um eine Audienz gebeten und war ohne dass Dontildea Uacutersula es gemerkt hatte zu ihm in den Salon gegangen um sich fuumlr ihre gewagte Aumluszligerung zu entschuldigen

raquoBevor Ihr irgendetwas sagt nehmt bitte daslaquo hatte er laumlchelnd gemeint und ihr ein neues Buch uumlbergeben raquoDiesen Band wollte ich Euch lieber persoumlnlich uumlberreichenlaquo

Sie war erroumltet hatte sich mit einem Knicks bedankt und das Buch entgegengenommen Dabei hatten sich ihre Fingerspitzen beruumlhrt Er hatte das Buch noch in den Haumlnden und sie hatte sich gewuumlnscht dass er es niemals loslassen wuumlrde als sich unterhalb des Einbands jener wunderbare Moment ereignet hatte

raquoIch kann nur hoffen dass ich das Bild das Ihr Euch von dem muumlrrischen Charakter der mich hin und wieder uumlberfaumlllt ge-macht habt durch diese Geste ein wenig abmildern kannlaquo hatte Don Diego dabei mit seiner melodischen Stimme gesagt und das Buch schlieszliglich losgelassen

raquoExzellenz auf die Gefahr hin erneut Euer Missfallen zu erre-gen und in dem Bewusstsein dass ich mich in Dinge ein gemischt

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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dass Don Diego sich keineswegs verpflichtet fuumlhlte sie jemals zu ehelichen durchaus in der Lage sein wuumlrde sie und ihre Mutter durch einen Unfall verschwinden zu lassen

Daher hatte sie eine Strategie erdacht um dieser bedroh-lichen Lage zu entkommen Sie hatte vor ihre Mutter abzuho-len und von Madrid nach Caacutediz zu reisen um dann per Schiff in ein anderes europaumlisches Land moumlglicherweise Frankreich oder nach Amerika zu fliehen Sie hoffte den Majordomus oder einen anderen Dienstboten des Hauses mithilfe einer betraumlcht-lichen Summe Geldes dazu bewegen zu koumlnnen sie von hier fortzubringen Und wenn ihr das gelang wuumlrde sie Don Enrique fuumlr immer vergessen Bis dahin musste sie ihn jedoch glauben machen dass sie ihr Ziel erreichen koumlnne Auszligerdem durfte Don Gabriel der Adoptivbruder des Herzogs sosehr sie ihn auch in all den Monaten schaumltzen gelernt hatte auf keinen Fall erfahren dass sie an der Geschichte beteiligt war Sie hatte sogar daran ge-dacht Don Gabriel zu bitten sie zu begleiten und ihr zur Seite zu stehen falls die Dienerschaft in El Escorial sich als nicht ko-operativ erweisen sollte Spaumlter war sie jedoch zu dem Schluss gekommen ihn lieber nicht damit zu behelligen da sie nicht wollte dass Don Gabriel zum Ziel der Machenschaften des Mar-quis werden wuumlrde Deshalb hatte sie geschwiegen obwohl sie das Beduumlrfnis verspuumlrt hatte sich ihm anzuvertrauen Sie fuumlrch-tete um seine Sicherheit denn als Mitwisser wuumlrde er automa-tisch zu Don Enriques Feind

Seit Don Gabriel sie aus dem Schlamm und dem Unwetter ge-rettet und vor dem sicheren Tod bewahrt hatte hatten sich ihre Ansichten uumlber die dunkelhaumlutige Rasse sehr veraumlndert So in-tensiv wie er sich um ihr Wohl gesorgt hatte die medizinische Behandlung ihres Gesichts die er ihr auf Anweisung des Arz-tes hin hatte angedeihen lassen die gemeinsamen Spaziergaumlnge durch die Gaumlrten von Castamar und die Ausfluumlge nach Villacor die kurzen Nachrichten die er ihr geschrieben hatte die Lek-

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tuumlren mit denen er sie erfreut hatte und sein Cembalospiel fuumlr sie all das hatte dafuumlr gesorgt dass sie auf einmal nicht mehr auf seine Hautfarbe gesehen hatte sondern in sein Herz Und es gab keinen anderen Menschen der so gutmuumltig und hilfsbereit war wie er Don Gabriel wies all die Eigenschaften auf die eine Frau sich von einem Mann wuumlnschen konnte Er war gut aussehend selbstsicher vertrauenswuumlrdig und hingebungsvoll Daher war-tete sie nun mit ihrem fertigen Gepaumlck traurig auf ihn um sich zu verabschieden Die nie erklaumlrte Beziehung die sich zwischen ihnen entwickelt hatte wuumlrde uumlber sie beide nur Ungluumlck brin-gen wenn sie sie nicht beendeten Sie war eine unverheiratete Frau der man die Jungfraumlulichkeit genommen und das Gesicht gezeichnet hatte Und er ein Mann der nur innerhalb der engen Grenzen von Castamar respektiert wurde

Jemand klopfte an die Tuumlr und sie gewaumlhrte Einlass Wie sie es erwartet hatte erschien Don Gabriel untadelig gekleidet in einem Gehrock aus Taft und einer himmelblauen Weste mit sil-bernen Knoumlpfen Sie wandte sich ihm zu und machte einen klei-nen Knicks Daraufhin nahm er den Dreispitz ab gruumlszligte houmlflich und erklaumlrte seinen Wunsch zu erfahren ob sie die Absicht habe Castamar zu verlassen

raquoIch moumlchte Euch nicht noch mehr Unannehmlichkeiten be-reiten als es bereits der Fall ist und hellip wie Ihr seht sind meine Sachen die Ihr freundlicherweise aus Madrid habt herbringen lassen bereits gepackt Ich moumlchte meine Mutter besuchenlaquo

Er nickte verstaumlndnisvoll und presste die Lippen zusammen wie bereits mehrere Male zuvor wenn er sich gezwungen hatte das Thema des Uumlberfalls nicht anzusprechen Sie schwiegen eine Weile als koumlnne sich keiner von beiden dazu entschlieszligen sich zu verabschieden Bis er sie mit seinen glaumlnzenden dunklen Augen ansah und gestand

raquoIch wiederhole wie sehr ich mir wuumlnsche dass Ihr zum Abendessen bleibtlaquo

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Sie erschauderte wenn sie nur an Don Enrique dachte und senkte sofort den Blick

raquoDiese Einladung entspricht natuumlrlich auch dem Wunsch mei-nes Bruders und meiner Mutter die Euch wie Ihr wisst aufrich-tig schaumltzenlaquo fuumlgte Don Gabriel hinzu raquoWie ich Euch letztens beim Spaziergang sagte wuumlrde es mich sehr gluumlcklich machen wenn Ihr meine Begleiterin waumlretlaquo

Sie laumlchelte als ihr dieser Moment wieder ins Gedaumlchtnis kamraquoIch danke sehr fuumlr Euer Angebot aber heute Abend Eure Be-

gleiterin zu sein wuumlrde mich in eine unerquickliche Lage bringen und Euch helliplaquo

raquoIch verstehe Manchmal bedenke ich nicht was ich von anderen erbittelaquo unterbrach er sie sanft raquoKeine Angst meine Einladung bezieht sich nur auf das Essen unter Freunden das mein Bruder vor dem Fest zu geben pflegt Denn obwohl mein Bruder immer wieder darauf besteht nehme ich niemals am an-schlieszligenden Ball teil Meine Hautfarbe ist nicht angemessen fuumlr den Koumlnigshof und ich verstehe dass sie das auch fuumlr Euch nicht ist Ich fuumlrchte dass es zu staumlndigem Gerede fuumlhren wuumlrde und ich weiszlig dass das hellip unangenehme Folhelliplaquo

Amelia trat auf Gabriel zu und hob die Hand um ihn zu unter-brechen

raquoIhr habt mich falsch verstanden Don Gabriellaquo fluumlsterte sie raquoAuch wenn ich nicht abstreiten kann dass ich zu Anfang ge-wisse Vorbehalte Eurer Hautfarbe gegenuumlber hatte sind diese doch schon lange nicht mehr bei mir vorhanden Auf keinen Fall wuumlrde ich Euch derartig entehren und schon gar nicht nach-dem Ihr mir das Leben gerettet habt Ihr seid der beste Beglei-ter den ich mir fuumlr das Fest wuumlnschen koumlnnte und meine Absage hat nichts mit Eurer Hautfarbe zu tunlaquo fuhr sie fort raquoDass ich nicht daran teilnehmen moumlchte ist hellip wegen mir hellip meiner dum-men weiblichen Eitelkeit helliplaquo erklaumlrte sie und strich sich uumlber die laumlngst geschlossene Narbe auf ihrer Wange

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Gabriels Gesichtsausdruck veraumlnderte sich sofortraquoEntschuldigt meine Dummheitlaquo sagte er raquoDaran gewoumlhnt

dass meine Hautfarbe bei tumben Herzen auf Abneigung stoumlszligt habe ich nur an mich gedacht anstatt an Euer Wohllaquo

raquoDeshalb braucht Ihr Euch nicht schuldig zu fuumlhlen Nicht mir gegenuumlber die ich in Euer Herz geblickt habe und weiszlig wie Ihr seidlaquo sagte Amelia um der Angelegenheit an Bedeutung zu neh-men

Fuumlr ein paar Sekunden sahen sie sich in die Augen Dann trat er noch naumlher an sie heran

raquoErlaubt mir Euch zu beschuumltzenlaquo sagte er raquoIch schwoumlre dass ich nicht zulassen werde dass Euch noch einmal irgendjemand ein Leid antutlaquo

Diese Worte bewegten sie so sehr dass sie sich ihm endlich an-vertrauen wollte Mit den Fingerspitzen strich er uumlber ihre Narbe und sie hielt seine Hand zoumlgernd fuumlr einen Moment zuruumlck um dann zuzulassen dass er ihr Gesicht beruumlhrte Sie senkte den Kopf bis ihre Stirn an seiner Brust lehnte In dem Moment klopfte je-mand an die Tuumlr und beide traten sofort auseinander Don Diego kam herein in dem Glauben nur sie dort anzutreffen Als er sei-nen Bruder sah hielt er inne doch Gabriel bat ihn einzutreten Fuumlr einen Moment kehrte das befremdliche Gefuumlhl zuruumlck das Ame-lia jedes Mal verspuumlrte wenn sie die beiden Bruumlder zusammen sah raquoIch bin gekommen um Euch Sentildeorita Amelia zu bitten heute Abend noch am Essen teilzunehmen helliplaquo sagte Diego befangen

Don Gabriel beeilte sich zu sagen dass sie anderweitige Ver-pflichtungen habe doch bevor er den Satz beenden konnte er-klaumlrte Amelia durch einen Impuls geleitet dass diese Verpflich-tungen warten konnten und dass es ihr eine Freude sei den Abend mit ihnen gemeinsam zu verbringen Don Diego zog sich zuruumlck um der Dienerschaft mitzuteilen dass sie einen Gast mehr erwarteten und nachdem er den Raum verlassen hatte dankte Gabriel Amelia dafuumlr dass sie bleiben wollte

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raquoDas ist das Mindeste was ich tun kannlaquo entgegnete sieraquoNicht dass Ihr Euch genoumltigt fuumlhlt Ich weiszlig dass Ihr auf-

grund Eurer guten Erziehung helliplaquoraquoIch freue mich darauf Eure Begleitung zu seinlaquo unterbrach

sie ihnDaraufhin entschuldigte er sich laumlchelnd und folgte dem Her-

zog aus dem Zimmer Und sie blieb mit ihrer Angst allein zuruumlck Sie setzte sich und betrachtete ihre Haumlnde die sie nicht stillhal-ten konnte raquoSei stark Amelialaquo sagte sie sich raquoWas waumlhrend des Essens auch geschieht Don Gabriel wird an deiner Seite sein und wenn du die Freiheit willst musst du Don Enrique die Stirn bie-tenlaquo

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

Das Abendessen im kleinen Kreis war nach den Worten Andreacutes Moguers ein raquovoller Erfolglaquo Der Kammerherr der die servieren-den Dienstboten mit einer kurzen Beschreibung dessen was im Salon vor sich ging hineinschickte erklaumlrte dass sich allgemeine Stille ausgebreitet habe die lediglich von genuumlsslichen Seufzern beim Kosten der Bruumlhe und des Fleischs unterbrochen wurde

Der dem Ereignis vorausgehende Trubel hatte drei Tage zu-vor begonnen Zunaumlchst mit der Ankunft von Don Diegos Mut-ter Dontildea Mercedes und ihrem Gast Don Enrique von Arcona und spaumlter mit dem Erscheinen der beiden Freunde Seiner Exzel-lenz Don Francisco und Don Alfredo Clara Belmonte war nun bereits seit einem Jahr in Castamar im Dienst und inzwischen dirigierte sie die Kuumlche wie der beruumlhmte Haushofmeister und Koch Franccedilois Vatel So hatte sie es auch ihrer Mutter und ihrer Schwester in den Briefen geschrieben die sie an diesem Morgen abgeschickt hatte Clara hatte ihnen in ihrer klaren Schrift freu-dig beschrieben wie sie Jacinto Suaacuterez dem Fleischeinkaumlufer er-

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klaumlrt hatte dass sie ausschlieszliglich Ware von exzellenter Qualitaumlt akzeptiere wie sie Laacutezaro Molas dem zustaumlndigen Kuumlchenmeis-ter auseinandergesetzt hatte welche Art Dekoration sie fuumlr die Tische wuumlnschte und wie sie die Kuumlchenmeisterin Matilde Mar-roacuten persoumlnlich instruiert hatte welches besonders feine Olivenoumll sie benoumltigte welche Gelees Saucen und Fruumlchte sie zubereiten wuumlrde und was sie dafuumlr brauchte

Dann hatte sie mit der Choreografie der Fleisch- und Fisch-gerichte begonnen um festzulegen in welcher Reihenfolge sie serviert und wie sie praumlsentiert werden sollten Und schlieszlig-lich hatte sie die drei Kuumlchen dirigiert mit denselben Koumlchen die im Vorjahr so gute Arbeit geleistet hatten und dabei ver-sucht alles im Auge zu behalten damit es ihren Erwartungen entsprach Diesmal hatte sich der franzoumlsische Koch Jean- Pierre de Champfleury der sich im letzten Jahr ihren Anweisungen zunaumlchst widersetzt hatte jedem ihrer Befehle gefuumlgt Wie es schien war ihm das Lob des engen Kreises um die Koumlnigin zu Ohren gekommen in dem man der Meinung war dass Sentildeorita Belmonte eine Koumlchin mit auszligergewoumlhnlichen Faumlhigkeiten sei von der jeder Mann noch etwas lernen koumlnne In diesem Jahr hatte Clara fuumlr Ihre Majestaumlt ein paar kleine italienische Nudel-gerichte zubereitet mit Oregano Fleisch Basilikum und Tomaten sowie ein wenig Weiszligwein und einer Prise Zucker um den sauren Geschmack abzumildern

Don Pedro Benoist und Don Pedro Chatelain die beiden Leib-koumlche der Koumlnigin und des Koumlnigs waren auch diesmal gekom-men um auf Anweisung Ihrer Majestaumlten die Zubereitungen zu beaufsichtigen und die Gerichte zu probieren Und beide hat-ten Clara aufrichtig gratuliert und ihr ein paar Ratschlaumlge ge-geben wofuumlr sie ihnen gedankt hatte Auf dem Weg von Kuumlche zu Kuumlche hatte sie sich hin und wieder erlaubt an das Regal in ihrem Zimmer zu denken in dem inzwischen eine stolze Samm-lung von vierzehn auszligergewoumlhnlichen Kochbuumlchern stand Seit

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dem Besuch der Haushaumllterin Dontildea Uacutersula an Rosaliacuteas Todes-tag bedeckte sie die Buumlcher lieber mit einem Leinentuch damit sie niemandem beim Betreten des Raums ins Auge fielen Denn sollte Dontildea Uacutersula die Buumlcher entdecken konnte ihr dies Argu-mente liefern um sie bei der Dienerschaft schlechtzumachen Bisher hatte jedoch lediglich der ihr so gewogene Gaumlrtner Sentildeor Casona sie aufgesucht um ihr ein paar Zweige Jasmin zu brin-gen deren Duft schon bald das ganze Zimmer erfuumlllte

All die Zeit uumlber war die Beziehung zwischen Clara und der Haushaumllterin gleichbleibend kuumlhl und distanziert geblieben und vier Tage zuvor hatten sie sogar eines ihrer uumlblichen Scharmuumltzel ausgetragen Clara der Don Melquiacuteades ausgesprochen leidtat weil er seit Januar eingeschlossen in seinem Zimmer hauste hatte beschlossen mit dem Herzog zu reden damit er seinem ehemali-gen Majordomus verzieh Als Dontildea Uacutersula davon erfahren hatte war sie in der Kuumlche erschienen um Clara im Beisein des gesam-ten Kuumlchenpersonals zu befehlen raquosich nicht in Angelegenhei-ten einzumischen die nichts mit der Kuumlche zu tun habenlaquo Dies hatte sie allerdings nicht sonderlich beeindruckt umso mehr die Reaktion Don Diegos Ihre Bitte kam nicht so gut an wie sie ge-hofft hatte Der Herzog konnte nachdem er ihr zugehoumlrt hatte seinen Zorn kaum beherrschen schnaubte vor Wut und sagte deutlich angespannt kein Wort bis sie den Raum verlassen hatte Spaumlter hatte Clara dann von Elisa erfahren dass ihre Bitte in Don Melquiacuteadesrsquo Interesse nur die letzte auf einer langen Liste gewesen war Der Rest der Dienerschaft hatte sich ndash anders als sie ndash auf in-direkte Art fuumlr Don Melquiacuteades eingesetzt durch Anspielungen wenn der Herzog in der Naumlhe vorbeiging oder indem sie von der Vergebung von Suumlnden sprachen Tatsaumlchlich war dies so oft vor-gekommen dass Don Diego schon vor Monaten zu Dontildea Uacutersula gesagt hatte dass das mit Don Melquiacuteades eine private Angele-genheit sei und dass er seitens der Dienerschaft keine indirekten Kommentare mehr zu houmlren wuumlnsche da er die Botschaft erhal-

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ten habe Daraufhin hatte die Haushaumllterin in vollem Bewusstsein saumlmtliche Dienstboten daruumlber informiert auszliger Clara damit diese endlich in Ungnade falle und nach der barschen Reaktion des Herzogs hatte sie ihren Triumph voll ausgekostet

Clara war danach zutiefst niedergeschlagen gewesen und so verstimmt dass sie sich die Moumlglichkeit vor Augen Seine Exzel-lenz beleidigt zu haben kaum noch konzentrieren konnte Dabei hatte sie sich all die Monate zuvor so leicht und gluumlcklich gefuumlhlt und oft hatte sie am Morgen nach einem der Kochbuumlcher ge-griffen um sich beim Herzog zu bedanken indem sie eine neue Sauce oder eine Variante des Fasanen- oder des Lammbratens ausprobierte oder die Creme- oder Obstspeise auf andere Art zu-bereitete Und wenn sie schon der Anblick der Buumlcher in Hoch-stimmung versetzte so war ihre Freude noch groumlszliger wenn sie daran dachte dass sich in jedem eine versteckte Nachricht des Herzogs fuumlr sie befand Im Laufe des Fruumlhjahrs und des Som-mers hatten der Herzog und sie mehrmals die Gelegenheit ge-habt so korrekt wie zwischen einem Herzog und seiner Koumlchin moumlglich miteinander zu reden waumlhrend ihr geheimer Nachrich-tenaustausch haumlufiger wurde Daher fuumlgte sie jedem Schreiben das sie von Seiner Exzellenz erhalten hatte eine Kopie ihrer Ant-wort bei um sie hin und wieder lesen zu koumlnnen Und der Ge-danke daran brachte sie manchmal dazu mitten in der Nacht eines der Buumlcher aufzuschlagen und die darin liegenden Nach-richten zu lesen

Dieser Briefwechsel hatte eine Wandlung in ihrem Inneren be-wirkt Auf der einen Seite fuumlhlte sie sich Seiner Exzellenz auf eine bestimmte Weise nah Naumlher zumindest als jedes andere Mit-glied der Dienerschaft Und auf der anderen Seite hatte etwas in ihr an Staumlrke gewonnen Genuumlgend Staumlrke um sich ihrer Angst vor offenen Raumlumen zu stellen wie sie dem Herzog in einer ihrer kurzen Nachrichten anvertraut hatte

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Meine sehr geschaumltzte Exzellenzwie ich aus dem Munde Sentildeor Moguers erfahren habe waren die suumlszlige Eierspeise sowie der tranchierte Braten und die Lammhaxe durchaus zu Eurer Zufriedenheit da man mir mit gebuumlhrender Genauigkeit Eure Gluumlckwuumlnsche ausgerichshytet hat Obwohl ich manchmal ein wenig Angst habe Euch irgendwann einmal nicht zufriedenstellen zu koumlnnen bin ich nun auszligerordentlich gluumlcklich dass meine Gerichte Euch schmecken Zugleich hat Eure Groszligzuumlgigkeit mir gegenuumlber mich so sehr inspiriert dass ich mich bereit fuumlhle meine Angst vor offenen Raumlumen zu uumlberwinden

Don Diegos Antwort lieszlig nicht lange auf sich warten In seiner sorgfaumlltigen Schrift teilte er ihr mit

Eure Einstellung zeugt von einem starken Charakter und einem entschiedenen Geist Sentildeorita Belmonte Folgt diesem Weg und zweifellos werdet Ihr Eure Aumlngste schneller uumlberwinshyden als Ihr glaubt Ich befuumlrchte dass die Bestellung in dieser Woche nicht mehr eintreffen wird doch ich hoffe Euch das Buch bald uumlbergeben zu koumlnnen

Daraufhin hatte sie noch acht Tage warten muumlssen bevor sie end-lich das neue Buch erhielt ein Rezeptbuch des Kochs Pierre de Lune mit dem Titel Le nouveau cuisinier das im Jahr 1656 in Paris erschienen war Clara zoumlgerte nicht lange dem Herzog mit einer Nachricht zu antworten in der sie in wenigen Zeilen ihre Dank-barkeit dafuumlr ihm in Castamar als Koumlchin dienen zu duumlrfen zum Ausdruck brachte Schlieszliglich gewann der Austausch der Nach-richten fuumlr sie immer mehr an Bedeutung bis er nicht mehr aus-schlieszliglich mit den bestellten Buumlchern einherging Im Sommer hatte sie dann einmal eine Nachricht vorgefunden die sie gleich-zeitig erfreut und geaumlngstigt hatte Diese hatte sie nach einem rus-

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tikalen Mahl der Freunde des Herzogs drauszligen in Villacor be-kommen

Zweifellos war es ein hervorragender Einfall Euch diese Buumlcher zu schenken denn ich genieszlige die verschiedenen Geschmaumlcke Eurer Gerichte aufs Houmlchste Dennoch muss ich gestehen dass dieser Genuss nur ein schwacher Abglanz der Befriedigung ist die ich in dem Wissen verspuumlre wie sehr Ihr mir zugetan seid

Zwei Zeilen weiter unten hatte er noch hinzugefuumlgt

Daher ruumlhrt es dass jedes Mal wenn ich Eure Gerichte koste eine aufrichtige Zuneigung Euch gegenuumlber in mir erwaumlchst

Diese Worte hatten dafuumlr gesorgt dass ihr Herz schneller schlug und sich in ihrem Kopf alles zu drehen anfing Sie hatte sich ge-fragt wohin das Geheimnis das sie teilten fuumlhren wuumlrde Zu einem unschuldigen Spiel in dem eine Koumlchin und ein Herzog einen heimlichen Briefwechsel fuumlhrten oder zu etwas was mit sich bringen wuumlrde dass sie mit gebrochenem Herzen und ohne berufliche Perspektiven dieses Haus verlassen musste Ihre Angst war so groszlig gewesen dass sie ihn vier Tage auf ihre Antwort war-ten lieszlig Doch ihn immer wieder in den Keller gehen zu sehen wo er angeblich nach einem Wein suchte waumlhrend er in Wahr-heit sehnsuumlchtig auf ihre Nachricht wartete hatte ihr Herz erwei-chen lassen Der Arme war in dieser Zeit mit der Ausrede dass der Wein einen Essigstich haumltte ganze sechs Mal heruntergekom-men sodass er in jenen Tagen eine Menge guten Wein aus Valde-pentildeas geopfert hatte Schlieszliglich hatte Clara ihm dann doch ein paar Zeilen hinterlassen

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Eure Exzellenz ich muss Euch danken denn in diesen Monashyten bin ich so gluumlcklich wie ich es nach dem Tod meines Vaters nicht mehr war und hellip

Dem hatte sie einen Satz hinzugefuumlgt den sie mehrere Male neu geschrieben hatte sodass sie die Nachricht ganze vier Mal ins Reine schreiben musste

hellip und die Zeichen Eurer Zuneigung mir gegenuumlber Eure Hinshygabe und Freundlichkeit haben dafuumlr gesorgt dass ich Euch jeden Tag mehr schaumltze Exzellenz wie es anders nicht sein kann

Deshalb war sie so verbluumlfft von seiner veraumlrgerten Reaktion ge-wesen als sie die Sache mit Don Melquiacuteades angesprochen hatte Gleich am naumlchsten Tag hatte sie um eine Audienz gebeten und war ohne dass Dontildea Uacutersula es gemerkt hatte zu ihm in den Salon gegangen um sich fuumlr ihre gewagte Aumluszligerung zu entschuldigen

raquoBevor Ihr irgendetwas sagt nehmt bitte daslaquo hatte er laumlchelnd gemeint und ihr ein neues Buch uumlbergeben raquoDiesen Band wollte ich Euch lieber persoumlnlich uumlberreichenlaquo

Sie war erroumltet hatte sich mit einem Knicks bedankt und das Buch entgegengenommen Dabei hatten sich ihre Fingerspitzen beruumlhrt Er hatte das Buch noch in den Haumlnden und sie hatte sich gewuumlnscht dass er es niemals loslassen wuumlrde als sich unterhalb des Einbands jener wunderbare Moment ereignet hatte

raquoIch kann nur hoffen dass ich das Bild das Ihr Euch von dem muumlrrischen Charakter der mich hin und wieder uumlberfaumlllt ge-macht habt durch diese Geste ein wenig abmildern kannlaquo hatte Don Diego dabei mit seiner melodischen Stimme gesagt und das Buch schlieszliglich losgelassen

raquoExzellenz auf die Gefahr hin erneut Euer Missfallen zu erre-gen und in dem Bewusstsein dass ich mich in Dinge ein gemischt

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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tuumlren mit denen er sie erfreut hatte und sein Cembalospiel fuumlr sie all das hatte dafuumlr gesorgt dass sie auf einmal nicht mehr auf seine Hautfarbe gesehen hatte sondern in sein Herz Und es gab keinen anderen Menschen der so gutmuumltig und hilfsbereit war wie er Don Gabriel wies all die Eigenschaften auf die eine Frau sich von einem Mann wuumlnschen konnte Er war gut aussehend selbstsicher vertrauenswuumlrdig und hingebungsvoll Daher war-tete sie nun mit ihrem fertigen Gepaumlck traurig auf ihn um sich zu verabschieden Die nie erklaumlrte Beziehung die sich zwischen ihnen entwickelt hatte wuumlrde uumlber sie beide nur Ungluumlck brin-gen wenn sie sie nicht beendeten Sie war eine unverheiratete Frau der man die Jungfraumlulichkeit genommen und das Gesicht gezeichnet hatte Und er ein Mann der nur innerhalb der engen Grenzen von Castamar respektiert wurde

Jemand klopfte an die Tuumlr und sie gewaumlhrte Einlass Wie sie es erwartet hatte erschien Don Gabriel untadelig gekleidet in einem Gehrock aus Taft und einer himmelblauen Weste mit sil-bernen Knoumlpfen Sie wandte sich ihm zu und machte einen klei-nen Knicks Daraufhin nahm er den Dreispitz ab gruumlszligte houmlflich und erklaumlrte seinen Wunsch zu erfahren ob sie die Absicht habe Castamar zu verlassen

raquoIch moumlchte Euch nicht noch mehr Unannehmlichkeiten be-reiten als es bereits der Fall ist und hellip wie Ihr seht sind meine Sachen die Ihr freundlicherweise aus Madrid habt herbringen lassen bereits gepackt Ich moumlchte meine Mutter besuchenlaquo

Er nickte verstaumlndnisvoll und presste die Lippen zusammen wie bereits mehrere Male zuvor wenn er sich gezwungen hatte das Thema des Uumlberfalls nicht anzusprechen Sie schwiegen eine Weile als koumlnne sich keiner von beiden dazu entschlieszligen sich zu verabschieden Bis er sie mit seinen glaumlnzenden dunklen Augen ansah und gestand

raquoIch wiederhole wie sehr ich mir wuumlnsche dass Ihr zum Abendessen bleibtlaquo

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Sie erschauderte wenn sie nur an Don Enrique dachte und senkte sofort den Blick

raquoDiese Einladung entspricht natuumlrlich auch dem Wunsch mei-nes Bruders und meiner Mutter die Euch wie Ihr wisst aufrich-tig schaumltzenlaquo fuumlgte Don Gabriel hinzu raquoWie ich Euch letztens beim Spaziergang sagte wuumlrde es mich sehr gluumlcklich machen wenn Ihr meine Begleiterin waumlretlaquo

Sie laumlchelte als ihr dieser Moment wieder ins Gedaumlchtnis kamraquoIch danke sehr fuumlr Euer Angebot aber heute Abend Eure Be-

gleiterin zu sein wuumlrde mich in eine unerquickliche Lage bringen und Euch helliplaquo

raquoIch verstehe Manchmal bedenke ich nicht was ich von anderen erbittelaquo unterbrach er sie sanft raquoKeine Angst meine Einladung bezieht sich nur auf das Essen unter Freunden das mein Bruder vor dem Fest zu geben pflegt Denn obwohl mein Bruder immer wieder darauf besteht nehme ich niemals am an-schlieszligenden Ball teil Meine Hautfarbe ist nicht angemessen fuumlr den Koumlnigshof und ich verstehe dass sie das auch fuumlr Euch nicht ist Ich fuumlrchte dass es zu staumlndigem Gerede fuumlhren wuumlrde und ich weiszlig dass das hellip unangenehme Folhelliplaquo

Amelia trat auf Gabriel zu und hob die Hand um ihn zu unter-brechen

raquoIhr habt mich falsch verstanden Don Gabriellaquo fluumlsterte sie raquoAuch wenn ich nicht abstreiten kann dass ich zu Anfang ge-wisse Vorbehalte Eurer Hautfarbe gegenuumlber hatte sind diese doch schon lange nicht mehr bei mir vorhanden Auf keinen Fall wuumlrde ich Euch derartig entehren und schon gar nicht nach-dem Ihr mir das Leben gerettet habt Ihr seid der beste Beglei-ter den ich mir fuumlr das Fest wuumlnschen koumlnnte und meine Absage hat nichts mit Eurer Hautfarbe zu tunlaquo fuhr sie fort raquoDass ich nicht daran teilnehmen moumlchte ist hellip wegen mir hellip meiner dum-men weiblichen Eitelkeit helliplaquo erklaumlrte sie und strich sich uumlber die laumlngst geschlossene Narbe auf ihrer Wange

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Gabriels Gesichtsausdruck veraumlnderte sich sofortraquoEntschuldigt meine Dummheitlaquo sagte er raquoDaran gewoumlhnt

dass meine Hautfarbe bei tumben Herzen auf Abneigung stoumlszligt habe ich nur an mich gedacht anstatt an Euer Wohllaquo

raquoDeshalb braucht Ihr Euch nicht schuldig zu fuumlhlen Nicht mir gegenuumlber die ich in Euer Herz geblickt habe und weiszlig wie Ihr seidlaquo sagte Amelia um der Angelegenheit an Bedeutung zu neh-men

Fuumlr ein paar Sekunden sahen sie sich in die Augen Dann trat er noch naumlher an sie heran

raquoErlaubt mir Euch zu beschuumltzenlaquo sagte er raquoIch schwoumlre dass ich nicht zulassen werde dass Euch noch einmal irgendjemand ein Leid antutlaquo

Diese Worte bewegten sie so sehr dass sie sich ihm endlich an-vertrauen wollte Mit den Fingerspitzen strich er uumlber ihre Narbe und sie hielt seine Hand zoumlgernd fuumlr einen Moment zuruumlck um dann zuzulassen dass er ihr Gesicht beruumlhrte Sie senkte den Kopf bis ihre Stirn an seiner Brust lehnte In dem Moment klopfte je-mand an die Tuumlr und beide traten sofort auseinander Don Diego kam herein in dem Glauben nur sie dort anzutreffen Als er sei-nen Bruder sah hielt er inne doch Gabriel bat ihn einzutreten Fuumlr einen Moment kehrte das befremdliche Gefuumlhl zuruumlck das Ame-lia jedes Mal verspuumlrte wenn sie die beiden Bruumlder zusammen sah raquoIch bin gekommen um Euch Sentildeorita Amelia zu bitten heute Abend noch am Essen teilzunehmen helliplaquo sagte Diego befangen

Don Gabriel beeilte sich zu sagen dass sie anderweitige Ver-pflichtungen habe doch bevor er den Satz beenden konnte er-klaumlrte Amelia durch einen Impuls geleitet dass diese Verpflich-tungen warten konnten und dass es ihr eine Freude sei den Abend mit ihnen gemeinsam zu verbringen Don Diego zog sich zuruumlck um der Dienerschaft mitzuteilen dass sie einen Gast mehr erwarteten und nachdem er den Raum verlassen hatte dankte Gabriel Amelia dafuumlr dass sie bleiben wollte

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raquoDas ist das Mindeste was ich tun kannlaquo entgegnete sieraquoNicht dass Ihr Euch genoumltigt fuumlhlt Ich weiszlig dass Ihr auf-

grund Eurer guten Erziehung helliplaquoraquoIch freue mich darauf Eure Begleitung zu seinlaquo unterbrach

sie ihnDaraufhin entschuldigte er sich laumlchelnd und folgte dem Her-

zog aus dem Zimmer Und sie blieb mit ihrer Angst allein zuruumlck Sie setzte sich und betrachtete ihre Haumlnde die sie nicht stillhal-ten konnte raquoSei stark Amelialaquo sagte sie sich raquoWas waumlhrend des Essens auch geschieht Don Gabriel wird an deiner Seite sein und wenn du die Freiheit willst musst du Don Enrique die Stirn bie-tenlaquo

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

Das Abendessen im kleinen Kreis war nach den Worten Andreacutes Moguers ein raquovoller Erfolglaquo Der Kammerherr der die servieren-den Dienstboten mit einer kurzen Beschreibung dessen was im Salon vor sich ging hineinschickte erklaumlrte dass sich allgemeine Stille ausgebreitet habe die lediglich von genuumlsslichen Seufzern beim Kosten der Bruumlhe und des Fleischs unterbrochen wurde

Der dem Ereignis vorausgehende Trubel hatte drei Tage zu-vor begonnen Zunaumlchst mit der Ankunft von Don Diegos Mut-ter Dontildea Mercedes und ihrem Gast Don Enrique von Arcona und spaumlter mit dem Erscheinen der beiden Freunde Seiner Exzel-lenz Don Francisco und Don Alfredo Clara Belmonte war nun bereits seit einem Jahr in Castamar im Dienst und inzwischen dirigierte sie die Kuumlche wie der beruumlhmte Haushofmeister und Koch Franccedilois Vatel So hatte sie es auch ihrer Mutter und ihrer Schwester in den Briefen geschrieben die sie an diesem Morgen abgeschickt hatte Clara hatte ihnen in ihrer klaren Schrift freu-dig beschrieben wie sie Jacinto Suaacuterez dem Fleischeinkaumlufer er-

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klaumlrt hatte dass sie ausschlieszliglich Ware von exzellenter Qualitaumlt akzeptiere wie sie Laacutezaro Molas dem zustaumlndigen Kuumlchenmeis-ter auseinandergesetzt hatte welche Art Dekoration sie fuumlr die Tische wuumlnschte und wie sie die Kuumlchenmeisterin Matilde Mar-roacuten persoumlnlich instruiert hatte welches besonders feine Olivenoumll sie benoumltigte welche Gelees Saucen und Fruumlchte sie zubereiten wuumlrde und was sie dafuumlr brauchte

Dann hatte sie mit der Choreografie der Fleisch- und Fisch-gerichte begonnen um festzulegen in welcher Reihenfolge sie serviert und wie sie praumlsentiert werden sollten Und schlieszlig-lich hatte sie die drei Kuumlchen dirigiert mit denselben Koumlchen die im Vorjahr so gute Arbeit geleistet hatten und dabei ver-sucht alles im Auge zu behalten damit es ihren Erwartungen entsprach Diesmal hatte sich der franzoumlsische Koch Jean- Pierre de Champfleury der sich im letzten Jahr ihren Anweisungen zunaumlchst widersetzt hatte jedem ihrer Befehle gefuumlgt Wie es schien war ihm das Lob des engen Kreises um die Koumlnigin zu Ohren gekommen in dem man der Meinung war dass Sentildeorita Belmonte eine Koumlchin mit auszligergewoumlhnlichen Faumlhigkeiten sei von der jeder Mann noch etwas lernen koumlnne In diesem Jahr hatte Clara fuumlr Ihre Majestaumlt ein paar kleine italienische Nudel-gerichte zubereitet mit Oregano Fleisch Basilikum und Tomaten sowie ein wenig Weiszligwein und einer Prise Zucker um den sauren Geschmack abzumildern

Don Pedro Benoist und Don Pedro Chatelain die beiden Leib-koumlche der Koumlnigin und des Koumlnigs waren auch diesmal gekom-men um auf Anweisung Ihrer Majestaumlten die Zubereitungen zu beaufsichtigen und die Gerichte zu probieren Und beide hat-ten Clara aufrichtig gratuliert und ihr ein paar Ratschlaumlge ge-geben wofuumlr sie ihnen gedankt hatte Auf dem Weg von Kuumlche zu Kuumlche hatte sie sich hin und wieder erlaubt an das Regal in ihrem Zimmer zu denken in dem inzwischen eine stolze Samm-lung von vierzehn auszligergewoumlhnlichen Kochbuumlchern stand Seit

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dem Besuch der Haushaumllterin Dontildea Uacutersula an Rosaliacuteas Todes-tag bedeckte sie die Buumlcher lieber mit einem Leinentuch damit sie niemandem beim Betreten des Raums ins Auge fielen Denn sollte Dontildea Uacutersula die Buumlcher entdecken konnte ihr dies Argu-mente liefern um sie bei der Dienerschaft schlechtzumachen Bisher hatte jedoch lediglich der ihr so gewogene Gaumlrtner Sentildeor Casona sie aufgesucht um ihr ein paar Zweige Jasmin zu brin-gen deren Duft schon bald das ganze Zimmer erfuumlllte

All die Zeit uumlber war die Beziehung zwischen Clara und der Haushaumllterin gleichbleibend kuumlhl und distanziert geblieben und vier Tage zuvor hatten sie sogar eines ihrer uumlblichen Scharmuumltzel ausgetragen Clara der Don Melquiacuteades ausgesprochen leidtat weil er seit Januar eingeschlossen in seinem Zimmer hauste hatte beschlossen mit dem Herzog zu reden damit er seinem ehemali-gen Majordomus verzieh Als Dontildea Uacutersula davon erfahren hatte war sie in der Kuumlche erschienen um Clara im Beisein des gesam-ten Kuumlchenpersonals zu befehlen raquosich nicht in Angelegenhei-ten einzumischen die nichts mit der Kuumlche zu tun habenlaquo Dies hatte sie allerdings nicht sonderlich beeindruckt umso mehr die Reaktion Don Diegos Ihre Bitte kam nicht so gut an wie sie ge-hofft hatte Der Herzog konnte nachdem er ihr zugehoumlrt hatte seinen Zorn kaum beherrschen schnaubte vor Wut und sagte deutlich angespannt kein Wort bis sie den Raum verlassen hatte Spaumlter hatte Clara dann von Elisa erfahren dass ihre Bitte in Don Melquiacuteadesrsquo Interesse nur die letzte auf einer langen Liste gewesen war Der Rest der Dienerschaft hatte sich ndash anders als sie ndash auf in-direkte Art fuumlr Don Melquiacuteades eingesetzt durch Anspielungen wenn der Herzog in der Naumlhe vorbeiging oder indem sie von der Vergebung von Suumlnden sprachen Tatsaumlchlich war dies so oft vor-gekommen dass Don Diego schon vor Monaten zu Dontildea Uacutersula gesagt hatte dass das mit Don Melquiacuteades eine private Angele-genheit sei und dass er seitens der Dienerschaft keine indirekten Kommentare mehr zu houmlren wuumlnsche da er die Botschaft erhal-

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ten habe Daraufhin hatte die Haushaumllterin in vollem Bewusstsein saumlmtliche Dienstboten daruumlber informiert auszliger Clara damit diese endlich in Ungnade falle und nach der barschen Reaktion des Herzogs hatte sie ihren Triumph voll ausgekostet

Clara war danach zutiefst niedergeschlagen gewesen und so verstimmt dass sie sich die Moumlglichkeit vor Augen Seine Exzel-lenz beleidigt zu haben kaum noch konzentrieren konnte Dabei hatte sie sich all die Monate zuvor so leicht und gluumlcklich gefuumlhlt und oft hatte sie am Morgen nach einem der Kochbuumlcher ge-griffen um sich beim Herzog zu bedanken indem sie eine neue Sauce oder eine Variante des Fasanen- oder des Lammbratens ausprobierte oder die Creme- oder Obstspeise auf andere Art zu-bereitete Und wenn sie schon der Anblick der Buumlcher in Hoch-stimmung versetzte so war ihre Freude noch groumlszliger wenn sie daran dachte dass sich in jedem eine versteckte Nachricht des Herzogs fuumlr sie befand Im Laufe des Fruumlhjahrs und des Som-mers hatten der Herzog und sie mehrmals die Gelegenheit ge-habt so korrekt wie zwischen einem Herzog und seiner Koumlchin moumlglich miteinander zu reden waumlhrend ihr geheimer Nachrich-tenaustausch haumlufiger wurde Daher fuumlgte sie jedem Schreiben das sie von Seiner Exzellenz erhalten hatte eine Kopie ihrer Ant-wort bei um sie hin und wieder lesen zu koumlnnen Und der Ge-danke daran brachte sie manchmal dazu mitten in der Nacht eines der Buumlcher aufzuschlagen und die darin liegenden Nach-richten zu lesen

Dieser Briefwechsel hatte eine Wandlung in ihrem Inneren be-wirkt Auf der einen Seite fuumlhlte sie sich Seiner Exzellenz auf eine bestimmte Weise nah Naumlher zumindest als jedes andere Mit-glied der Dienerschaft Und auf der anderen Seite hatte etwas in ihr an Staumlrke gewonnen Genuumlgend Staumlrke um sich ihrer Angst vor offenen Raumlumen zu stellen wie sie dem Herzog in einer ihrer kurzen Nachrichten anvertraut hatte

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Meine sehr geschaumltzte Exzellenzwie ich aus dem Munde Sentildeor Moguers erfahren habe waren die suumlszlige Eierspeise sowie der tranchierte Braten und die Lammhaxe durchaus zu Eurer Zufriedenheit da man mir mit gebuumlhrender Genauigkeit Eure Gluumlckwuumlnsche ausgerichshytet hat Obwohl ich manchmal ein wenig Angst habe Euch irgendwann einmal nicht zufriedenstellen zu koumlnnen bin ich nun auszligerordentlich gluumlcklich dass meine Gerichte Euch schmecken Zugleich hat Eure Groszligzuumlgigkeit mir gegenuumlber mich so sehr inspiriert dass ich mich bereit fuumlhle meine Angst vor offenen Raumlumen zu uumlberwinden

Don Diegos Antwort lieszlig nicht lange auf sich warten In seiner sorgfaumlltigen Schrift teilte er ihr mit

Eure Einstellung zeugt von einem starken Charakter und einem entschiedenen Geist Sentildeorita Belmonte Folgt diesem Weg und zweifellos werdet Ihr Eure Aumlngste schneller uumlberwinshyden als Ihr glaubt Ich befuumlrchte dass die Bestellung in dieser Woche nicht mehr eintreffen wird doch ich hoffe Euch das Buch bald uumlbergeben zu koumlnnen

Daraufhin hatte sie noch acht Tage warten muumlssen bevor sie end-lich das neue Buch erhielt ein Rezeptbuch des Kochs Pierre de Lune mit dem Titel Le nouveau cuisinier das im Jahr 1656 in Paris erschienen war Clara zoumlgerte nicht lange dem Herzog mit einer Nachricht zu antworten in der sie in wenigen Zeilen ihre Dank-barkeit dafuumlr ihm in Castamar als Koumlchin dienen zu duumlrfen zum Ausdruck brachte Schlieszliglich gewann der Austausch der Nach-richten fuumlr sie immer mehr an Bedeutung bis er nicht mehr aus-schlieszliglich mit den bestellten Buumlchern einherging Im Sommer hatte sie dann einmal eine Nachricht vorgefunden die sie gleich-zeitig erfreut und geaumlngstigt hatte Diese hatte sie nach einem rus-

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tikalen Mahl der Freunde des Herzogs drauszligen in Villacor be-kommen

Zweifellos war es ein hervorragender Einfall Euch diese Buumlcher zu schenken denn ich genieszlige die verschiedenen Geschmaumlcke Eurer Gerichte aufs Houmlchste Dennoch muss ich gestehen dass dieser Genuss nur ein schwacher Abglanz der Befriedigung ist die ich in dem Wissen verspuumlre wie sehr Ihr mir zugetan seid

Zwei Zeilen weiter unten hatte er noch hinzugefuumlgt

Daher ruumlhrt es dass jedes Mal wenn ich Eure Gerichte koste eine aufrichtige Zuneigung Euch gegenuumlber in mir erwaumlchst

Diese Worte hatten dafuumlr gesorgt dass ihr Herz schneller schlug und sich in ihrem Kopf alles zu drehen anfing Sie hatte sich ge-fragt wohin das Geheimnis das sie teilten fuumlhren wuumlrde Zu einem unschuldigen Spiel in dem eine Koumlchin und ein Herzog einen heimlichen Briefwechsel fuumlhrten oder zu etwas was mit sich bringen wuumlrde dass sie mit gebrochenem Herzen und ohne berufliche Perspektiven dieses Haus verlassen musste Ihre Angst war so groszlig gewesen dass sie ihn vier Tage auf ihre Antwort war-ten lieszlig Doch ihn immer wieder in den Keller gehen zu sehen wo er angeblich nach einem Wein suchte waumlhrend er in Wahr-heit sehnsuumlchtig auf ihre Nachricht wartete hatte ihr Herz erwei-chen lassen Der Arme war in dieser Zeit mit der Ausrede dass der Wein einen Essigstich haumltte ganze sechs Mal heruntergekom-men sodass er in jenen Tagen eine Menge guten Wein aus Valde-pentildeas geopfert hatte Schlieszliglich hatte Clara ihm dann doch ein paar Zeilen hinterlassen

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Eure Exzellenz ich muss Euch danken denn in diesen Monashyten bin ich so gluumlcklich wie ich es nach dem Tod meines Vaters nicht mehr war und hellip

Dem hatte sie einen Satz hinzugefuumlgt den sie mehrere Male neu geschrieben hatte sodass sie die Nachricht ganze vier Mal ins Reine schreiben musste

hellip und die Zeichen Eurer Zuneigung mir gegenuumlber Eure Hinshygabe und Freundlichkeit haben dafuumlr gesorgt dass ich Euch jeden Tag mehr schaumltze Exzellenz wie es anders nicht sein kann

Deshalb war sie so verbluumlfft von seiner veraumlrgerten Reaktion ge-wesen als sie die Sache mit Don Melquiacuteades angesprochen hatte Gleich am naumlchsten Tag hatte sie um eine Audienz gebeten und war ohne dass Dontildea Uacutersula es gemerkt hatte zu ihm in den Salon gegangen um sich fuumlr ihre gewagte Aumluszligerung zu entschuldigen

raquoBevor Ihr irgendetwas sagt nehmt bitte daslaquo hatte er laumlchelnd gemeint und ihr ein neues Buch uumlbergeben raquoDiesen Band wollte ich Euch lieber persoumlnlich uumlberreichenlaquo

Sie war erroumltet hatte sich mit einem Knicks bedankt und das Buch entgegengenommen Dabei hatten sich ihre Fingerspitzen beruumlhrt Er hatte das Buch noch in den Haumlnden und sie hatte sich gewuumlnscht dass er es niemals loslassen wuumlrde als sich unterhalb des Einbands jener wunderbare Moment ereignet hatte

raquoIch kann nur hoffen dass ich das Bild das Ihr Euch von dem muumlrrischen Charakter der mich hin und wieder uumlberfaumlllt ge-macht habt durch diese Geste ein wenig abmildern kannlaquo hatte Don Diego dabei mit seiner melodischen Stimme gesagt und das Buch schlieszliglich losgelassen

raquoExzellenz auf die Gefahr hin erneut Euer Missfallen zu erre-gen und in dem Bewusstsein dass ich mich in Dinge ein gemischt

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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Sie erschauderte wenn sie nur an Don Enrique dachte und senkte sofort den Blick

raquoDiese Einladung entspricht natuumlrlich auch dem Wunsch mei-nes Bruders und meiner Mutter die Euch wie Ihr wisst aufrich-tig schaumltzenlaquo fuumlgte Don Gabriel hinzu raquoWie ich Euch letztens beim Spaziergang sagte wuumlrde es mich sehr gluumlcklich machen wenn Ihr meine Begleiterin waumlretlaquo

Sie laumlchelte als ihr dieser Moment wieder ins Gedaumlchtnis kamraquoIch danke sehr fuumlr Euer Angebot aber heute Abend Eure Be-

gleiterin zu sein wuumlrde mich in eine unerquickliche Lage bringen und Euch helliplaquo

raquoIch verstehe Manchmal bedenke ich nicht was ich von anderen erbittelaquo unterbrach er sie sanft raquoKeine Angst meine Einladung bezieht sich nur auf das Essen unter Freunden das mein Bruder vor dem Fest zu geben pflegt Denn obwohl mein Bruder immer wieder darauf besteht nehme ich niemals am an-schlieszligenden Ball teil Meine Hautfarbe ist nicht angemessen fuumlr den Koumlnigshof und ich verstehe dass sie das auch fuumlr Euch nicht ist Ich fuumlrchte dass es zu staumlndigem Gerede fuumlhren wuumlrde und ich weiszlig dass das hellip unangenehme Folhelliplaquo

Amelia trat auf Gabriel zu und hob die Hand um ihn zu unter-brechen

raquoIhr habt mich falsch verstanden Don Gabriellaquo fluumlsterte sie raquoAuch wenn ich nicht abstreiten kann dass ich zu Anfang ge-wisse Vorbehalte Eurer Hautfarbe gegenuumlber hatte sind diese doch schon lange nicht mehr bei mir vorhanden Auf keinen Fall wuumlrde ich Euch derartig entehren und schon gar nicht nach-dem Ihr mir das Leben gerettet habt Ihr seid der beste Beglei-ter den ich mir fuumlr das Fest wuumlnschen koumlnnte und meine Absage hat nichts mit Eurer Hautfarbe zu tunlaquo fuhr sie fort raquoDass ich nicht daran teilnehmen moumlchte ist hellip wegen mir hellip meiner dum-men weiblichen Eitelkeit helliplaquo erklaumlrte sie und strich sich uumlber die laumlngst geschlossene Narbe auf ihrer Wange

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Gabriels Gesichtsausdruck veraumlnderte sich sofortraquoEntschuldigt meine Dummheitlaquo sagte er raquoDaran gewoumlhnt

dass meine Hautfarbe bei tumben Herzen auf Abneigung stoumlszligt habe ich nur an mich gedacht anstatt an Euer Wohllaquo

raquoDeshalb braucht Ihr Euch nicht schuldig zu fuumlhlen Nicht mir gegenuumlber die ich in Euer Herz geblickt habe und weiszlig wie Ihr seidlaquo sagte Amelia um der Angelegenheit an Bedeutung zu neh-men

Fuumlr ein paar Sekunden sahen sie sich in die Augen Dann trat er noch naumlher an sie heran

raquoErlaubt mir Euch zu beschuumltzenlaquo sagte er raquoIch schwoumlre dass ich nicht zulassen werde dass Euch noch einmal irgendjemand ein Leid antutlaquo

Diese Worte bewegten sie so sehr dass sie sich ihm endlich an-vertrauen wollte Mit den Fingerspitzen strich er uumlber ihre Narbe und sie hielt seine Hand zoumlgernd fuumlr einen Moment zuruumlck um dann zuzulassen dass er ihr Gesicht beruumlhrte Sie senkte den Kopf bis ihre Stirn an seiner Brust lehnte In dem Moment klopfte je-mand an die Tuumlr und beide traten sofort auseinander Don Diego kam herein in dem Glauben nur sie dort anzutreffen Als er sei-nen Bruder sah hielt er inne doch Gabriel bat ihn einzutreten Fuumlr einen Moment kehrte das befremdliche Gefuumlhl zuruumlck das Ame-lia jedes Mal verspuumlrte wenn sie die beiden Bruumlder zusammen sah raquoIch bin gekommen um Euch Sentildeorita Amelia zu bitten heute Abend noch am Essen teilzunehmen helliplaquo sagte Diego befangen

Don Gabriel beeilte sich zu sagen dass sie anderweitige Ver-pflichtungen habe doch bevor er den Satz beenden konnte er-klaumlrte Amelia durch einen Impuls geleitet dass diese Verpflich-tungen warten konnten und dass es ihr eine Freude sei den Abend mit ihnen gemeinsam zu verbringen Don Diego zog sich zuruumlck um der Dienerschaft mitzuteilen dass sie einen Gast mehr erwarteten und nachdem er den Raum verlassen hatte dankte Gabriel Amelia dafuumlr dass sie bleiben wollte

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raquoDas ist das Mindeste was ich tun kannlaquo entgegnete sieraquoNicht dass Ihr Euch genoumltigt fuumlhlt Ich weiszlig dass Ihr auf-

grund Eurer guten Erziehung helliplaquoraquoIch freue mich darauf Eure Begleitung zu seinlaquo unterbrach

sie ihnDaraufhin entschuldigte er sich laumlchelnd und folgte dem Her-

zog aus dem Zimmer Und sie blieb mit ihrer Angst allein zuruumlck Sie setzte sich und betrachtete ihre Haumlnde die sie nicht stillhal-ten konnte raquoSei stark Amelialaquo sagte sie sich raquoWas waumlhrend des Essens auch geschieht Don Gabriel wird an deiner Seite sein und wenn du die Freiheit willst musst du Don Enrique die Stirn bie-tenlaquo

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

Das Abendessen im kleinen Kreis war nach den Worten Andreacutes Moguers ein raquovoller Erfolglaquo Der Kammerherr der die servieren-den Dienstboten mit einer kurzen Beschreibung dessen was im Salon vor sich ging hineinschickte erklaumlrte dass sich allgemeine Stille ausgebreitet habe die lediglich von genuumlsslichen Seufzern beim Kosten der Bruumlhe und des Fleischs unterbrochen wurde

Der dem Ereignis vorausgehende Trubel hatte drei Tage zu-vor begonnen Zunaumlchst mit der Ankunft von Don Diegos Mut-ter Dontildea Mercedes und ihrem Gast Don Enrique von Arcona und spaumlter mit dem Erscheinen der beiden Freunde Seiner Exzel-lenz Don Francisco und Don Alfredo Clara Belmonte war nun bereits seit einem Jahr in Castamar im Dienst und inzwischen dirigierte sie die Kuumlche wie der beruumlhmte Haushofmeister und Koch Franccedilois Vatel So hatte sie es auch ihrer Mutter und ihrer Schwester in den Briefen geschrieben die sie an diesem Morgen abgeschickt hatte Clara hatte ihnen in ihrer klaren Schrift freu-dig beschrieben wie sie Jacinto Suaacuterez dem Fleischeinkaumlufer er-

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klaumlrt hatte dass sie ausschlieszliglich Ware von exzellenter Qualitaumlt akzeptiere wie sie Laacutezaro Molas dem zustaumlndigen Kuumlchenmeis-ter auseinandergesetzt hatte welche Art Dekoration sie fuumlr die Tische wuumlnschte und wie sie die Kuumlchenmeisterin Matilde Mar-roacuten persoumlnlich instruiert hatte welches besonders feine Olivenoumll sie benoumltigte welche Gelees Saucen und Fruumlchte sie zubereiten wuumlrde und was sie dafuumlr brauchte

Dann hatte sie mit der Choreografie der Fleisch- und Fisch-gerichte begonnen um festzulegen in welcher Reihenfolge sie serviert und wie sie praumlsentiert werden sollten Und schlieszlig-lich hatte sie die drei Kuumlchen dirigiert mit denselben Koumlchen die im Vorjahr so gute Arbeit geleistet hatten und dabei ver-sucht alles im Auge zu behalten damit es ihren Erwartungen entsprach Diesmal hatte sich der franzoumlsische Koch Jean- Pierre de Champfleury der sich im letzten Jahr ihren Anweisungen zunaumlchst widersetzt hatte jedem ihrer Befehle gefuumlgt Wie es schien war ihm das Lob des engen Kreises um die Koumlnigin zu Ohren gekommen in dem man der Meinung war dass Sentildeorita Belmonte eine Koumlchin mit auszligergewoumlhnlichen Faumlhigkeiten sei von der jeder Mann noch etwas lernen koumlnne In diesem Jahr hatte Clara fuumlr Ihre Majestaumlt ein paar kleine italienische Nudel-gerichte zubereitet mit Oregano Fleisch Basilikum und Tomaten sowie ein wenig Weiszligwein und einer Prise Zucker um den sauren Geschmack abzumildern

Don Pedro Benoist und Don Pedro Chatelain die beiden Leib-koumlche der Koumlnigin und des Koumlnigs waren auch diesmal gekom-men um auf Anweisung Ihrer Majestaumlten die Zubereitungen zu beaufsichtigen und die Gerichte zu probieren Und beide hat-ten Clara aufrichtig gratuliert und ihr ein paar Ratschlaumlge ge-geben wofuumlr sie ihnen gedankt hatte Auf dem Weg von Kuumlche zu Kuumlche hatte sie sich hin und wieder erlaubt an das Regal in ihrem Zimmer zu denken in dem inzwischen eine stolze Samm-lung von vierzehn auszligergewoumlhnlichen Kochbuumlchern stand Seit

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dem Besuch der Haushaumllterin Dontildea Uacutersula an Rosaliacuteas Todes-tag bedeckte sie die Buumlcher lieber mit einem Leinentuch damit sie niemandem beim Betreten des Raums ins Auge fielen Denn sollte Dontildea Uacutersula die Buumlcher entdecken konnte ihr dies Argu-mente liefern um sie bei der Dienerschaft schlechtzumachen Bisher hatte jedoch lediglich der ihr so gewogene Gaumlrtner Sentildeor Casona sie aufgesucht um ihr ein paar Zweige Jasmin zu brin-gen deren Duft schon bald das ganze Zimmer erfuumlllte

All die Zeit uumlber war die Beziehung zwischen Clara und der Haushaumllterin gleichbleibend kuumlhl und distanziert geblieben und vier Tage zuvor hatten sie sogar eines ihrer uumlblichen Scharmuumltzel ausgetragen Clara der Don Melquiacuteades ausgesprochen leidtat weil er seit Januar eingeschlossen in seinem Zimmer hauste hatte beschlossen mit dem Herzog zu reden damit er seinem ehemali-gen Majordomus verzieh Als Dontildea Uacutersula davon erfahren hatte war sie in der Kuumlche erschienen um Clara im Beisein des gesam-ten Kuumlchenpersonals zu befehlen raquosich nicht in Angelegenhei-ten einzumischen die nichts mit der Kuumlche zu tun habenlaquo Dies hatte sie allerdings nicht sonderlich beeindruckt umso mehr die Reaktion Don Diegos Ihre Bitte kam nicht so gut an wie sie ge-hofft hatte Der Herzog konnte nachdem er ihr zugehoumlrt hatte seinen Zorn kaum beherrschen schnaubte vor Wut und sagte deutlich angespannt kein Wort bis sie den Raum verlassen hatte Spaumlter hatte Clara dann von Elisa erfahren dass ihre Bitte in Don Melquiacuteadesrsquo Interesse nur die letzte auf einer langen Liste gewesen war Der Rest der Dienerschaft hatte sich ndash anders als sie ndash auf in-direkte Art fuumlr Don Melquiacuteades eingesetzt durch Anspielungen wenn der Herzog in der Naumlhe vorbeiging oder indem sie von der Vergebung von Suumlnden sprachen Tatsaumlchlich war dies so oft vor-gekommen dass Don Diego schon vor Monaten zu Dontildea Uacutersula gesagt hatte dass das mit Don Melquiacuteades eine private Angele-genheit sei und dass er seitens der Dienerschaft keine indirekten Kommentare mehr zu houmlren wuumlnsche da er die Botschaft erhal-

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ten habe Daraufhin hatte die Haushaumllterin in vollem Bewusstsein saumlmtliche Dienstboten daruumlber informiert auszliger Clara damit diese endlich in Ungnade falle und nach der barschen Reaktion des Herzogs hatte sie ihren Triumph voll ausgekostet

Clara war danach zutiefst niedergeschlagen gewesen und so verstimmt dass sie sich die Moumlglichkeit vor Augen Seine Exzel-lenz beleidigt zu haben kaum noch konzentrieren konnte Dabei hatte sie sich all die Monate zuvor so leicht und gluumlcklich gefuumlhlt und oft hatte sie am Morgen nach einem der Kochbuumlcher ge-griffen um sich beim Herzog zu bedanken indem sie eine neue Sauce oder eine Variante des Fasanen- oder des Lammbratens ausprobierte oder die Creme- oder Obstspeise auf andere Art zu-bereitete Und wenn sie schon der Anblick der Buumlcher in Hoch-stimmung versetzte so war ihre Freude noch groumlszliger wenn sie daran dachte dass sich in jedem eine versteckte Nachricht des Herzogs fuumlr sie befand Im Laufe des Fruumlhjahrs und des Som-mers hatten der Herzog und sie mehrmals die Gelegenheit ge-habt so korrekt wie zwischen einem Herzog und seiner Koumlchin moumlglich miteinander zu reden waumlhrend ihr geheimer Nachrich-tenaustausch haumlufiger wurde Daher fuumlgte sie jedem Schreiben das sie von Seiner Exzellenz erhalten hatte eine Kopie ihrer Ant-wort bei um sie hin und wieder lesen zu koumlnnen Und der Ge-danke daran brachte sie manchmal dazu mitten in der Nacht eines der Buumlcher aufzuschlagen und die darin liegenden Nach-richten zu lesen

Dieser Briefwechsel hatte eine Wandlung in ihrem Inneren be-wirkt Auf der einen Seite fuumlhlte sie sich Seiner Exzellenz auf eine bestimmte Weise nah Naumlher zumindest als jedes andere Mit-glied der Dienerschaft Und auf der anderen Seite hatte etwas in ihr an Staumlrke gewonnen Genuumlgend Staumlrke um sich ihrer Angst vor offenen Raumlumen zu stellen wie sie dem Herzog in einer ihrer kurzen Nachrichten anvertraut hatte

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Meine sehr geschaumltzte Exzellenzwie ich aus dem Munde Sentildeor Moguers erfahren habe waren die suumlszlige Eierspeise sowie der tranchierte Braten und die Lammhaxe durchaus zu Eurer Zufriedenheit da man mir mit gebuumlhrender Genauigkeit Eure Gluumlckwuumlnsche ausgerichshytet hat Obwohl ich manchmal ein wenig Angst habe Euch irgendwann einmal nicht zufriedenstellen zu koumlnnen bin ich nun auszligerordentlich gluumlcklich dass meine Gerichte Euch schmecken Zugleich hat Eure Groszligzuumlgigkeit mir gegenuumlber mich so sehr inspiriert dass ich mich bereit fuumlhle meine Angst vor offenen Raumlumen zu uumlberwinden

Don Diegos Antwort lieszlig nicht lange auf sich warten In seiner sorgfaumlltigen Schrift teilte er ihr mit

Eure Einstellung zeugt von einem starken Charakter und einem entschiedenen Geist Sentildeorita Belmonte Folgt diesem Weg und zweifellos werdet Ihr Eure Aumlngste schneller uumlberwinshyden als Ihr glaubt Ich befuumlrchte dass die Bestellung in dieser Woche nicht mehr eintreffen wird doch ich hoffe Euch das Buch bald uumlbergeben zu koumlnnen

Daraufhin hatte sie noch acht Tage warten muumlssen bevor sie end-lich das neue Buch erhielt ein Rezeptbuch des Kochs Pierre de Lune mit dem Titel Le nouveau cuisinier das im Jahr 1656 in Paris erschienen war Clara zoumlgerte nicht lange dem Herzog mit einer Nachricht zu antworten in der sie in wenigen Zeilen ihre Dank-barkeit dafuumlr ihm in Castamar als Koumlchin dienen zu duumlrfen zum Ausdruck brachte Schlieszliglich gewann der Austausch der Nach-richten fuumlr sie immer mehr an Bedeutung bis er nicht mehr aus-schlieszliglich mit den bestellten Buumlchern einherging Im Sommer hatte sie dann einmal eine Nachricht vorgefunden die sie gleich-zeitig erfreut und geaumlngstigt hatte Diese hatte sie nach einem rus-

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tikalen Mahl der Freunde des Herzogs drauszligen in Villacor be-kommen

Zweifellos war es ein hervorragender Einfall Euch diese Buumlcher zu schenken denn ich genieszlige die verschiedenen Geschmaumlcke Eurer Gerichte aufs Houmlchste Dennoch muss ich gestehen dass dieser Genuss nur ein schwacher Abglanz der Befriedigung ist die ich in dem Wissen verspuumlre wie sehr Ihr mir zugetan seid

Zwei Zeilen weiter unten hatte er noch hinzugefuumlgt

Daher ruumlhrt es dass jedes Mal wenn ich Eure Gerichte koste eine aufrichtige Zuneigung Euch gegenuumlber in mir erwaumlchst

Diese Worte hatten dafuumlr gesorgt dass ihr Herz schneller schlug und sich in ihrem Kopf alles zu drehen anfing Sie hatte sich ge-fragt wohin das Geheimnis das sie teilten fuumlhren wuumlrde Zu einem unschuldigen Spiel in dem eine Koumlchin und ein Herzog einen heimlichen Briefwechsel fuumlhrten oder zu etwas was mit sich bringen wuumlrde dass sie mit gebrochenem Herzen und ohne berufliche Perspektiven dieses Haus verlassen musste Ihre Angst war so groszlig gewesen dass sie ihn vier Tage auf ihre Antwort war-ten lieszlig Doch ihn immer wieder in den Keller gehen zu sehen wo er angeblich nach einem Wein suchte waumlhrend er in Wahr-heit sehnsuumlchtig auf ihre Nachricht wartete hatte ihr Herz erwei-chen lassen Der Arme war in dieser Zeit mit der Ausrede dass der Wein einen Essigstich haumltte ganze sechs Mal heruntergekom-men sodass er in jenen Tagen eine Menge guten Wein aus Valde-pentildeas geopfert hatte Schlieszliglich hatte Clara ihm dann doch ein paar Zeilen hinterlassen

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Eure Exzellenz ich muss Euch danken denn in diesen Monashyten bin ich so gluumlcklich wie ich es nach dem Tod meines Vaters nicht mehr war und hellip

Dem hatte sie einen Satz hinzugefuumlgt den sie mehrere Male neu geschrieben hatte sodass sie die Nachricht ganze vier Mal ins Reine schreiben musste

hellip und die Zeichen Eurer Zuneigung mir gegenuumlber Eure Hinshygabe und Freundlichkeit haben dafuumlr gesorgt dass ich Euch jeden Tag mehr schaumltze Exzellenz wie es anders nicht sein kann

Deshalb war sie so verbluumlfft von seiner veraumlrgerten Reaktion ge-wesen als sie die Sache mit Don Melquiacuteades angesprochen hatte Gleich am naumlchsten Tag hatte sie um eine Audienz gebeten und war ohne dass Dontildea Uacutersula es gemerkt hatte zu ihm in den Salon gegangen um sich fuumlr ihre gewagte Aumluszligerung zu entschuldigen

raquoBevor Ihr irgendetwas sagt nehmt bitte daslaquo hatte er laumlchelnd gemeint und ihr ein neues Buch uumlbergeben raquoDiesen Band wollte ich Euch lieber persoumlnlich uumlberreichenlaquo

Sie war erroumltet hatte sich mit einem Knicks bedankt und das Buch entgegengenommen Dabei hatten sich ihre Fingerspitzen beruumlhrt Er hatte das Buch noch in den Haumlnden und sie hatte sich gewuumlnscht dass er es niemals loslassen wuumlrde als sich unterhalb des Einbands jener wunderbare Moment ereignet hatte

raquoIch kann nur hoffen dass ich das Bild das Ihr Euch von dem muumlrrischen Charakter der mich hin und wieder uumlberfaumlllt ge-macht habt durch diese Geste ein wenig abmildern kannlaquo hatte Don Diego dabei mit seiner melodischen Stimme gesagt und das Buch schlieszliglich losgelassen

raquoExzellenz auf die Gefahr hin erneut Euer Missfallen zu erre-gen und in dem Bewusstsein dass ich mich in Dinge ein gemischt

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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Gabriels Gesichtsausdruck veraumlnderte sich sofortraquoEntschuldigt meine Dummheitlaquo sagte er raquoDaran gewoumlhnt

dass meine Hautfarbe bei tumben Herzen auf Abneigung stoumlszligt habe ich nur an mich gedacht anstatt an Euer Wohllaquo

raquoDeshalb braucht Ihr Euch nicht schuldig zu fuumlhlen Nicht mir gegenuumlber die ich in Euer Herz geblickt habe und weiszlig wie Ihr seidlaquo sagte Amelia um der Angelegenheit an Bedeutung zu neh-men

Fuumlr ein paar Sekunden sahen sie sich in die Augen Dann trat er noch naumlher an sie heran

raquoErlaubt mir Euch zu beschuumltzenlaquo sagte er raquoIch schwoumlre dass ich nicht zulassen werde dass Euch noch einmal irgendjemand ein Leid antutlaquo

Diese Worte bewegten sie so sehr dass sie sich ihm endlich an-vertrauen wollte Mit den Fingerspitzen strich er uumlber ihre Narbe und sie hielt seine Hand zoumlgernd fuumlr einen Moment zuruumlck um dann zuzulassen dass er ihr Gesicht beruumlhrte Sie senkte den Kopf bis ihre Stirn an seiner Brust lehnte In dem Moment klopfte je-mand an die Tuumlr und beide traten sofort auseinander Don Diego kam herein in dem Glauben nur sie dort anzutreffen Als er sei-nen Bruder sah hielt er inne doch Gabriel bat ihn einzutreten Fuumlr einen Moment kehrte das befremdliche Gefuumlhl zuruumlck das Ame-lia jedes Mal verspuumlrte wenn sie die beiden Bruumlder zusammen sah raquoIch bin gekommen um Euch Sentildeorita Amelia zu bitten heute Abend noch am Essen teilzunehmen helliplaquo sagte Diego befangen

Don Gabriel beeilte sich zu sagen dass sie anderweitige Ver-pflichtungen habe doch bevor er den Satz beenden konnte er-klaumlrte Amelia durch einen Impuls geleitet dass diese Verpflich-tungen warten konnten und dass es ihr eine Freude sei den Abend mit ihnen gemeinsam zu verbringen Don Diego zog sich zuruumlck um der Dienerschaft mitzuteilen dass sie einen Gast mehr erwarteten und nachdem er den Raum verlassen hatte dankte Gabriel Amelia dafuumlr dass sie bleiben wollte

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raquoDas ist das Mindeste was ich tun kannlaquo entgegnete sieraquoNicht dass Ihr Euch genoumltigt fuumlhlt Ich weiszlig dass Ihr auf-

grund Eurer guten Erziehung helliplaquoraquoIch freue mich darauf Eure Begleitung zu seinlaquo unterbrach

sie ihnDaraufhin entschuldigte er sich laumlchelnd und folgte dem Her-

zog aus dem Zimmer Und sie blieb mit ihrer Angst allein zuruumlck Sie setzte sich und betrachtete ihre Haumlnde die sie nicht stillhal-ten konnte raquoSei stark Amelialaquo sagte sie sich raquoWas waumlhrend des Essens auch geschieht Don Gabriel wird an deiner Seite sein und wenn du die Freiheit willst musst du Don Enrique die Stirn bie-tenlaquo

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

Das Abendessen im kleinen Kreis war nach den Worten Andreacutes Moguers ein raquovoller Erfolglaquo Der Kammerherr der die servieren-den Dienstboten mit einer kurzen Beschreibung dessen was im Salon vor sich ging hineinschickte erklaumlrte dass sich allgemeine Stille ausgebreitet habe die lediglich von genuumlsslichen Seufzern beim Kosten der Bruumlhe und des Fleischs unterbrochen wurde

Der dem Ereignis vorausgehende Trubel hatte drei Tage zu-vor begonnen Zunaumlchst mit der Ankunft von Don Diegos Mut-ter Dontildea Mercedes und ihrem Gast Don Enrique von Arcona und spaumlter mit dem Erscheinen der beiden Freunde Seiner Exzel-lenz Don Francisco und Don Alfredo Clara Belmonte war nun bereits seit einem Jahr in Castamar im Dienst und inzwischen dirigierte sie die Kuumlche wie der beruumlhmte Haushofmeister und Koch Franccedilois Vatel So hatte sie es auch ihrer Mutter und ihrer Schwester in den Briefen geschrieben die sie an diesem Morgen abgeschickt hatte Clara hatte ihnen in ihrer klaren Schrift freu-dig beschrieben wie sie Jacinto Suaacuterez dem Fleischeinkaumlufer er-

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klaumlrt hatte dass sie ausschlieszliglich Ware von exzellenter Qualitaumlt akzeptiere wie sie Laacutezaro Molas dem zustaumlndigen Kuumlchenmeis-ter auseinandergesetzt hatte welche Art Dekoration sie fuumlr die Tische wuumlnschte und wie sie die Kuumlchenmeisterin Matilde Mar-roacuten persoumlnlich instruiert hatte welches besonders feine Olivenoumll sie benoumltigte welche Gelees Saucen und Fruumlchte sie zubereiten wuumlrde und was sie dafuumlr brauchte

Dann hatte sie mit der Choreografie der Fleisch- und Fisch-gerichte begonnen um festzulegen in welcher Reihenfolge sie serviert und wie sie praumlsentiert werden sollten Und schlieszlig-lich hatte sie die drei Kuumlchen dirigiert mit denselben Koumlchen die im Vorjahr so gute Arbeit geleistet hatten und dabei ver-sucht alles im Auge zu behalten damit es ihren Erwartungen entsprach Diesmal hatte sich der franzoumlsische Koch Jean- Pierre de Champfleury der sich im letzten Jahr ihren Anweisungen zunaumlchst widersetzt hatte jedem ihrer Befehle gefuumlgt Wie es schien war ihm das Lob des engen Kreises um die Koumlnigin zu Ohren gekommen in dem man der Meinung war dass Sentildeorita Belmonte eine Koumlchin mit auszligergewoumlhnlichen Faumlhigkeiten sei von der jeder Mann noch etwas lernen koumlnne In diesem Jahr hatte Clara fuumlr Ihre Majestaumlt ein paar kleine italienische Nudel-gerichte zubereitet mit Oregano Fleisch Basilikum und Tomaten sowie ein wenig Weiszligwein und einer Prise Zucker um den sauren Geschmack abzumildern

Don Pedro Benoist und Don Pedro Chatelain die beiden Leib-koumlche der Koumlnigin und des Koumlnigs waren auch diesmal gekom-men um auf Anweisung Ihrer Majestaumlten die Zubereitungen zu beaufsichtigen und die Gerichte zu probieren Und beide hat-ten Clara aufrichtig gratuliert und ihr ein paar Ratschlaumlge ge-geben wofuumlr sie ihnen gedankt hatte Auf dem Weg von Kuumlche zu Kuumlche hatte sie sich hin und wieder erlaubt an das Regal in ihrem Zimmer zu denken in dem inzwischen eine stolze Samm-lung von vierzehn auszligergewoumlhnlichen Kochbuumlchern stand Seit

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dem Besuch der Haushaumllterin Dontildea Uacutersula an Rosaliacuteas Todes-tag bedeckte sie die Buumlcher lieber mit einem Leinentuch damit sie niemandem beim Betreten des Raums ins Auge fielen Denn sollte Dontildea Uacutersula die Buumlcher entdecken konnte ihr dies Argu-mente liefern um sie bei der Dienerschaft schlechtzumachen Bisher hatte jedoch lediglich der ihr so gewogene Gaumlrtner Sentildeor Casona sie aufgesucht um ihr ein paar Zweige Jasmin zu brin-gen deren Duft schon bald das ganze Zimmer erfuumlllte

All die Zeit uumlber war die Beziehung zwischen Clara und der Haushaumllterin gleichbleibend kuumlhl und distanziert geblieben und vier Tage zuvor hatten sie sogar eines ihrer uumlblichen Scharmuumltzel ausgetragen Clara der Don Melquiacuteades ausgesprochen leidtat weil er seit Januar eingeschlossen in seinem Zimmer hauste hatte beschlossen mit dem Herzog zu reden damit er seinem ehemali-gen Majordomus verzieh Als Dontildea Uacutersula davon erfahren hatte war sie in der Kuumlche erschienen um Clara im Beisein des gesam-ten Kuumlchenpersonals zu befehlen raquosich nicht in Angelegenhei-ten einzumischen die nichts mit der Kuumlche zu tun habenlaquo Dies hatte sie allerdings nicht sonderlich beeindruckt umso mehr die Reaktion Don Diegos Ihre Bitte kam nicht so gut an wie sie ge-hofft hatte Der Herzog konnte nachdem er ihr zugehoumlrt hatte seinen Zorn kaum beherrschen schnaubte vor Wut und sagte deutlich angespannt kein Wort bis sie den Raum verlassen hatte Spaumlter hatte Clara dann von Elisa erfahren dass ihre Bitte in Don Melquiacuteadesrsquo Interesse nur die letzte auf einer langen Liste gewesen war Der Rest der Dienerschaft hatte sich ndash anders als sie ndash auf in-direkte Art fuumlr Don Melquiacuteades eingesetzt durch Anspielungen wenn der Herzog in der Naumlhe vorbeiging oder indem sie von der Vergebung von Suumlnden sprachen Tatsaumlchlich war dies so oft vor-gekommen dass Don Diego schon vor Monaten zu Dontildea Uacutersula gesagt hatte dass das mit Don Melquiacuteades eine private Angele-genheit sei und dass er seitens der Dienerschaft keine indirekten Kommentare mehr zu houmlren wuumlnsche da er die Botschaft erhal-

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ten habe Daraufhin hatte die Haushaumllterin in vollem Bewusstsein saumlmtliche Dienstboten daruumlber informiert auszliger Clara damit diese endlich in Ungnade falle und nach der barschen Reaktion des Herzogs hatte sie ihren Triumph voll ausgekostet

Clara war danach zutiefst niedergeschlagen gewesen und so verstimmt dass sie sich die Moumlglichkeit vor Augen Seine Exzel-lenz beleidigt zu haben kaum noch konzentrieren konnte Dabei hatte sie sich all die Monate zuvor so leicht und gluumlcklich gefuumlhlt und oft hatte sie am Morgen nach einem der Kochbuumlcher ge-griffen um sich beim Herzog zu bedanken indem sie eine neue Sauce oder eine Variante des Fasanen- oder des Lammbratens ausprobierte oder die Creme- oder Obstspeise auf andere Art zu-bereitete Und wenn sie schon der Anblick der Buumlcher in Hoch-stimmung versetzte so war ihre Freude noch groumlszliger wenn sie daran dachte dass sich in jedem eine versteckte Nachricht des Herzogs fuumlr sie befand Im Laufe des Fruumlhjahrs und des Som-mers hatten der Herzog und sie mehrmals die Gelegenheit ge-habt so korrekt wie zwischen einem Herzog und seiner Koumlchin moumlglich miteinander zu reden waumlhrend ihr geheimer Nachrich-tenaustausch haumlufiger wurde Daher fuumlgte sie jedem Schreiben das sie von Seiner Exzellenz erhalten hatte eine Kopie ihrer Ant-wort bei um sie hin und wieder lesen zu koumlnnen Und der Ge-danke daran brachte sie manchmal dazu mitten in der Nacht eines der Buumlcher aufzuschlagen und die darin liegenden Nach-richten zu lesen

Dieser Briefwechsel hatte eine Wandlung in ihrem Inneren be-wirkt Auf der einen Seite fuumlhlte sie sich Seiner Exzellenz auf eine bestimmte Weise nah Naumlher zumindest als jedes andere Mit-glied der Dienerschaft Und auf der anderen Seite hatte etwas in ihr an Staumlrke gewonnen Genuumlgend Staumlrke um sich ihrer Angst vor offenen Raumlumen zu stellen wie sie dem Herzog in einer ihrer kurzen Nachrichten anvertraut hatte

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Meine sehr geschaumltzte Exzellenzwie ich aus dem Munde Sentildeor Moguers erfahren habe waren die suumlszlige Eierspeise sowie der tranchierte Braten und die Lammhaxe durchaus zu Eurer Zufriedenheit da man mir mit gebuumlhrender Genauigkeit Eure Gluumlckwuumlnsche ausgerichshytet hat Obwohl ich manchmal ein wenig Angst habe Euch irgendwann einmal nicht zufriedenstellen zu koumlnnen bin ich nun auszligerordentlich gluumlcklich dass meine Gerichte Euch schmecken Zugleich hat Eure Groszligzuumlgigkeit mir gegenuumlber mich so sehr inspiriert dass ich mich bereit fuumlhle meine Angst vor offenen Raumlumen zu uumlberwinden

Don Diegos Antwort lieszlig nicht lange auf sich warten In seiner sorgfaumlltigen Schrift teilte er ihr mit

Eure Einstellung zeugt von einem starken Charakter und einem entschiedenen Geist Sentildeorita Belmonte Folgt diesem Weg und zweifellos werdet Ihr Eure Aumlngste schneller uumlberwinshyden als Ihr glaubt Ich befuumlrchte dass die Bestellung in dieser Woche nicht mehr eintreffen wird doch ich hoffe Euch das Buch bald uumlbergeben zu koumlnnen

Daraufhin hatte sie noch acht Tage warten muumlssen bevor sie end-lich das neue Buch erhielt ein Rezeptbuch des Kochs Pierre de Lune mit dem Titel Le nouveau cuisinier das im Jahr 1656 in Paris erschienen war Clara zoumlgerte nicht lange dem Herzog mit einer Nachricht zu antworten in der sie in wenigen Zeilen ihre Dank-barkeit dafuumlr ihm in Castamar als Koumlchin dienen zu duumlrfen zum Ausdruck brachte Schlieszliglich gewann der Austausch der Nach-richten fuumlr sie immer mehr an Bedeutung bis er nicht mehr aus-schlieszliglich mit den bestellten Buumlchern einherging Im Sommer hatte sie dann einmal eine Nachricht vorgefunden die sie gleich-zeitig erfreut und geaumlngstigt hatte Diese hatte sie nach einem rus-

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tikalen Mahl der Freunde des Herzogs drauszligen in Villacor be-kommen

Zweifellos war es ein hervorragender Einfall Euch diese Buumlcher zu schenken denn ich genieszlige die verschiedenen Geschmaumlcke Eurer Gerichte aufs Houmlchste Dennoch muss ich gestehen dass dieser Genuss nur ein schwacher Abglanz der Befriedigung ist die ich in dem Wissen verspuumlre wie sehr Ihr mir zugetan seid

Zwei Zeilen weiter unten hatte er noch hinzugefuumlgt

Daher ruumlhrt es dass jedes Mal wenn ich Eure Gerichte koste eine aufrichtige Zuneigung Euch gegenuumlber in mir erwaumlchst

Diese Worte hatten dafuumlr gesorgt dass ihr Herz schneller schlug und sich in ihrem Kopf alles zu drehen anfing Sie hatte sich ge-fragt wohin das Geheimnis das sie teilten fuumlhren wuumlrde Zu einem unschuldigen Spiel in dem eine Koumlchin und ein Herzog einen heimlichen Briefwechsel fuumlhrten oder zu etwas was mit sich bringen wuumlrde dass sie mit gebrochenem Herzen und ohne berufliche Perspektiven dieses Haus verlassen musste Ihre Angst war so groszlig gewesen dass sie ihn vier Tage auf ihre Antwort war-ten lieszlig Doch ihn immer wieder in den Keller gehen zu sehen wo er angeblich nach einem Wein suchte waumlhrend er in Wahr-heit sehnsuumlchtig auf ihre Nachricht wartete hatte ihr Herz erwei-chen lassen Der Arme war in dieser Zeit mit der Ausrede dass der Wein einen Essigstich haumltte ganze sechs Mal heruntergekom-men sodass er in jenen Tagen eine Menge guten Wein aus Valde-pentildeas geopfert hatte Schlieszliglich hatte Clara ihm dann doch ein paar Zeilen hinterlassen

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Eure Exzellenz ich muss Euch danken denn in diesen Monashyten bin ich so gluumlcklich wie ich es nach dem Tod meines Vaters nicht mehr war und hellip

Dem hatte sie einen Satz hinzugefuumlgt den sie mehrere Male neu geschrieben hatte sodass sie die Nachricht ganze vier Mal ins Reine schreiben musste

hellip und die Zeichen Eurer Zuneigung mir gegenuumlber Eure Hinshygabe und Freundlichkeit haben dafuumlr gesorgt dass ich Euch jeden Tag mehr schaumltze Exzellenz wie es anders nicht sein kann

Deshalb war sie so verbluumlfft von seiner veraumlrgerten Reaktion ge-wesen als sie die Sache mit Don Melquiacuteades angesprochen hatte Gleich am naumlchsten Tag hatte sie um eine Audienz gebeten und war ohne dass Dontildea Uacutersula es gemerkt hatte zu ihm in den Salon gegangen um sich fuumlr ihre gewagte Aumluszligerung zu entschuldigen

raquoBevor Ihr irgendetwas sagt nehmt bitte daslaquo hatte er laumlchelnd gemeint und ihr ein neues Buch uumlbergeben raquoDiesen Band wollte ich Euch lieber persoumlnlich uumlberreichenlaquo

Sie war erroumltet hatte sich mit einem Knicks bedankt und das Buch entgegengenommen Dabei hatten sich ihre Fingerspitzen beruumlhrt Er hatte das Buch noch in den Haumlnden und sie hatte sich gewuumlnscht dass er es niemals loslassen wuumlrde als sich unterhalb des Einbands jener wunderbare Moment ereignet hatte

raquoIch kann nur hoffen dass ich das Bild das Ihr Euch von dem muumlrrischen Charakter der mich hin und wieder uumlberfaumlllt ge-macht habt durch diese Geste ein wenig abmildern kannlaquo hatte Don Diego dabei mit seiner melodischen Stimme gesagt und das Buch schlieszliglich losgelassen

raquoExzellenz auf die Gefahr hin erneut Euer Missfallen zu erre-gen und in dem Bewusstsein dass ich mich in Dinge ein gemischt

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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raquoDas ist das Mindeste was ich tun kannlaquo entgegnete sieraquoNicht dass Ihr Euch genoumltigt fuumlhlt Ich weiszlig dass Ihr auf-

grund Eurer guten Erziehung helliplaquoraquoIch freue mich darauf Eure Begleitung zu seinlaquo unterbrach

sie ihnDaraufhin entschuldigte er sich laumlchelnd und folgte dem Her-

zog aus dem Zimmer Und sie blieb mit ihrer Angst allein zuruumlck Sie setzte sich und betrachtete ihre Haumlnde die sie nicht stillhal-ten konnte raquoSei stark Amelialaquo sagte sie sich raquoWas waumlhrend des Essens auch geschieht Don Gabriel wird an deiner Seite sein und wenn du die Freiheit willst musst du Don Enrique die Stirn bie-tenlaquo

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

Das Abendessen im kleinen Kreis war nach den Worten Andreacutes Moguers ein raquovoller Erfolglaquo Der Kammerherr der die servieren-den Dienstboten mit einer kurzen Beschreibung dessen was im Salon vor sich ging hineinschickte erklaumlrte dass sich allgemeine Stille ausgebreitet habe die lediglich von genuumlsslichen Seufzern beim Kosten der Bruumlhe und des Fleischs unterbrochen wurde

Der dem Ereignis vorausgehende Trubel hatte drei Tage zu-vor begonnen Zunaumlchst mit der Ankunft von Don Diegos Mut-ter Dontildea Mercedes und ihrem Gast Don Enrique von Arcona und spaumlter mit dem Erscheinen der beiden Freunde Seiner Exzel-lenz Don Francisco und Don Alfredo Clara Belmonte war nun bereits seit einem Jahr in Castamar im Dienst und inzwischen dirigierte sie die Kuumlche wie der beruumlhmte Haushofmeister und Koch Franccedilois Vatel So hatte sie es auch ihrer Mutter und ihrer Schwester in den Briefen geschrieben die sie an diesem Morgen abgeschickt hatte Clara hatte ihnen in ihrer klaren Schrift freu-dig beschrieben wie sie Jacinto Suaacuterez dem Fleischeinkaumlufer er-

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klaumlrt hatte dass sie ausschlieszliglich Ware von exzellenter Qualitaumlt akzeptiere wie sie Laacutezaro Molas dem zustaumlndigen Kuumlchenmeis-ter auseinandergesetzt hatte welche Art Dekoration sie fuumlr die Tische wuumlnschte und wie sie die Kuumlchenmeisterin Matilde Mar-roacuten persoumlnlich instruiert hatte welches besonders feine Olivenoumll sie benoumltigte welche Gelees Saucen und Fruumlchte sie zubereiten wuumlrde und was sie dafuumlr brauchte

Dann hatte sie mit der Choreografie der Fleisch- und Fisch-gerichte begonnen um festzulegen in welcher Reihenfolge sie serviert und wie sie praumlsentiert werden sollten Und schlieszlig-lich hatte sie die drei Kuumlchen dirigiert mit denselben Koumlchen die im Vorjahr so gute Arbeit geleistet hatten und dabei ver-sucht alles im Auge zu behalten damit es ihren Erwartungen entsprach Diesmal hatte sich der franzoumlsische Koch Jean- Pierre de Champfleury der sich im letzten Jahr ihren Anweisungen zunaumlchst widersetzt hatte jedem ihrer Befehle gefuumlgt Wie es schien war ihm das Lob des engen Kreises um die Koumlnigin zu Ohren gekommen in dem man der Meinung war dass Sentildeorita Belmonte eine Koumlchin mit auszligergewoumlhnlichen Faumlhigkeiten sei von der jeder Mann noch etwas lernen koumlnne In diesem Jahr hatte Clara fuumlr Ihre Majestaumlt ein paar kleine italienische Nudel-gerichte zubereitet mit Oregano Fleisch Basilikum und Tomaten sowie ein wenig Weiszligwein und einer Prise Zucker um den sauren Geschmack abzumildern

Don Pedro Benoist und Don Pedro Chatelain die beiden Leib-koumlche der Koumlnigin und des Koumlnigs waren auch diesmal gekom-men um auf Anweisung Ihrer Majestaumlten die Zubereitungen zu beaufsichtigen und die Gerichte zu probieren Und beide hat-ten Clara aufrichtig gratuliert und ihr ein paar Ratschlaumlge ge-geben wofuumlr sie ihnen gedankt hatte Auf dem Weg von Kuumlche zu Kuumlche hatte sie sich hin und wieder erlaubt an das Regal in ihrem Zimmer zu denken in dem inzwischen eine stolze Samm-lung von vierzehn auszligergewoumlhnlichen Kochbuumlchern stand Seit

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dem Besuch der Haushaumllterin Dontildea Uacutersula an Rosaliacuteas Todes-tag bedeckte sie die Buumlcher lieber mit einem Leinentuch damit sie niemandem beim Betreten des Raums ins Auge fielen Denn sollte Dontildea Uacutersula die Buumlcher entdecken konnte ihr dies Argu-mente liefern um sie bei der Dienerschaft schlechtzumachen Bisher hatte jedoch lediglich der ihr so gewogene Gaumlrtner Sentildeor Casona sie aufgesucht um ihr ein paar Zweige Jasmin zu brin-gen deren Duft schon bald das ganze Zimmer erfuumlllte

All die Zeit uumlber war die Beziehung zwischen Clara und der Haushaumllterin gleichbleibend kuumlhl und distanziert geblieben und vier Tage zuvor hatten sie sogar eines ihrer uumlblichen Scharmuumltzel ausgetragen Clara der Don Melquiacuteades ausgesprochen leidtat weil er seit Januar eingeschlossen in seinem Zimmer hauste hatte beschlossen mit dem Herzog zu reden damit er seinem ehemali-gen Majordomus verzieh Als Dontildea Uacutersula davon erfahren hatte war sie in der Kuumlche erschienen um Clara im Beisein des gesam-ten Kuumlchenpersonals zu befehlen raquosich nicht in Angelegenhei-ten einzumischen die nichts mit der Kuumlche zu tun habenlaquo Dies hatte sie allerdings nicht sonderlich beeindruckt umso mehr die Reaktion Don Diegos Ihre Bitte kam nicht so gut an wie sie ge-hofft hatte Der Herzog konnte nachdem er ihr zugehoumlrt hatte seinen Zorn kaum beherrschen schnaubte vor Wut und sagte deutlich angespannt kein Wort bis sie den Raum verlassen hatte Spaumlter hatte Clara dann von Elisa erfahren dass ihre Bitte in Don Melquiacuteadesrsquo Interesse nur die letzte auf einer langen Liste gewesen war Der Rest der Dienerschaft hatte sich ndash anders als sie ndash auf in-direkte Art fuumlr Don Melquiacuteades eingesetzt durch Anspielungen wenn der Herzog in der Naumlhe vorbeiging oder indem sie von der Vergebung von Suumlnden sprachen Tatsaumlchlich war dies so oft vor-gekommen dass Don Diego schon vor Monaten zu Dontildea Uacutersula gesagt hatte dass das mit Don Melquiacuteades eine private Angele-genheit sei und dass er seitens der Dienerschaft keine indirekten Kommentare mehr zu houmlren wuumlnsche da er die Botschaft erhal-

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ten habe Daraufhin hatte die Haushaumllterin in vollem Bewusstsein saumlmtliche Dienstboten daruumlber informiert auszliger Clara damit diese endlich in Ungnade falle und nach der barschen Reaktion des Herzogs hatte sie ihren Triumph voll ausgekostet

Clara war danach zutiefst niedergeschlagen gewesen und so verstimmt dass sie sich die Moumlglichkeit vor Augen Seine Exzel-lenz beleidigt zu haben kaum noch konzentrieren konnte Dabei hatte sie sich all die Monate zuvor so leicht und gluumlcklich gefuumlhlt und oft hatte sie am Morgen nach einem der Kochbuumlcher ge-griffen um sich beim Herzog zu bedanken indem sie eine neue Sauce oder eine Variante des Fasanen- oder des Lammbratens ausprobierte oder die Creme- oder Obstspeise auf andere Art zu-bereitete Und wenn sie schon der Anblick der Buumlcher in Hoch-stimmung versetzte so war ihre Freude noch groumlszliger wenn sie daran dachte dass sich in jedem eine versteckte Nachricht des Herzogs fuumlr sie befand Im Laufe des Fruumlhjahrs und des Som-mers hatten der Herzog und sie mehrmals die Gelegenheit ge-habt so korrekt wie zwischen einem Herzog und seiner Koumlchin moumlglich miteinander zu reden waumlhrend ihr geheimer Nachrich-tenaustausch haumlufiger wurde Daher fuumlgte sie jedem Schreiben das sie von Seiner Exzellenz erhalten hatte eine Kopie ihrer Ant-wort bei um sie hin und wieder lesen zu koumlnnen Und der Ge-danke daran brachte sie manchmal dazu mitten in der Nacht eines der Buumlcher aufzuschlagen und die darin liegenden Nach-richten zu lesen

Dieser Briefwechsel hatte eine Wandlung in ihrem Inneren be-wirkt Auf der einen Seite fuumlhlte sie sich Seiner Exzellenz auf eine bestimmte Weise nah Naumlher zumindest als jedes andere Mit-glied der Dienerschaft Und auf der anderen Seite hatte etwas in ihr an Staumlrke gewonnen Genuumlgend Staumlrke um sich ihrer Angst vor offenen Raumlumen zu stellen wie sie dem Herzog in einer ihrer kurzen Nachrichten anvertraut hatte

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Meine sehr geschaumltzte Exzellenzwie ich aus dem Munde Sentildeor Moguers erfahren habe waren die suumlszlige Eierspeise sowie der tranchierte Braten und die Lammhaxe durchaus zu Eurer Zufriedenheit da man mir mit gebuumlhrender Genauigkeit Eure Gluumlckwuumlnsche ausgerichshytet hat Obwohl ich manchmal ein wenig Angst habe Euch irgendwann einmal nicht zufriedenstellen zu koumlnnen bin ich nun auszligerordentlich gluumlcklich dass meine Gerichte Euch schmecken Zugleich hat Eure Groszligzuumlgigkeit mir gegenuumlber mich so sehr inspiriert dass ich mich bereit fuumlhle meine Angst vor offenen Raumlumen zu uumlberwinden

Don Diegos Antwort lieszlig nicht lange auf sich warten In seiner sorgfaumlltigen Schrift teilte er ihr mit

Eure Einstellung zeugt von einem starken Charakter und einem entschiedenen Geist Sentildeorita Belmonte Folgt diesem Weg und zweifellos werdet Ihr Eure Aumlngste schneller uumlberwinshyden als Ihr glaubt Ich befuumlrchte dass die Bestellung in dieser Woche nicht mehr eintreffen wird doch ich hoffe Euch das Buch bald uumlbergeben zu koumlnnen

Daraufhin hatte sie noch acht Tage warten muumlssen bevor sie end-lich das neue Buch erhielt ein Rezeptbuch des Kochs Pierre de Lune mit dem Titel Le nouveau cuisinier das im Jahr 1656 in Paris erschienen war Clara zoumlgerte nicht lange dem Herzog mit einer Nachricht zu antworten in der sie in wenigen Zeilen ihre Dank-barkeit dafuumlr ihm in Castamar als Koumlchin dienen zu duumlrfen zum Ausdruck brachte Schlieszliglich gewann der Austausch der Nach-richten fuumlr sie immer mehr an Bedeutung bis er nicht mehr aus-schlieszliglich mit den bestellten Buumlchern einherging Im Sommer hatte sie dann einmal eine Nachricht vorgefunden die sie gleich-zeitig erfreut und geaumlngstigt hatte Diese hatte sie nach einem rus-

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tikalen Mahl der Freunde des Herzogs drauszligen in Villacor be-kommen

Zweifellos war es ein hervorragender Einfall Euch diese Buumlcher zu schenken denn ich genieszlige die verschiedenen Geschmaumlcke Eurer Gerichte aufs Houmlchste Dennoch muss ich gestehen dass dieser Genuss nur ein schwacher Abglanz der Befriedigung ist die ich in dem Wissen verspuumlre wie sehr Ihr mir zugetan seid

Zwei Zeilen weiter unten hatte er noch hinzugefuumlgt

Daher ruumlhrt es dass jedes Mal wenn ich Eure Gerichte koste eine aufrichtige Zuneigung Euch gegenuumlber in mir erwaumlchst

Diese Worte hatten dafuumlr gesorgt dass ihr Herz schneller schlug und sich in ihrem Kopf alles zu drehen anfing Sie hatte sich ge-fragt wohin das Geheimnis das sie teilten fuumlhren wuumlrde Zu einem unschuldigen Spiel in dem eine Koumlchin und ein Herzog einen heimlichen Briefwechsel fuumlhrten oder zu etwas was mit sich bringen wuumlrde dass sie mit gebrochenem Herzen und ohne berufliche Perspektiven dieses Haus verlassen musste Ihre Angst war so groszlig gewesen dass sie ihn vier Tage auf ihre Antwort war-ten lieszlig Doch ihn immer wieder in den Keller gehen zu sehen wo er angeblich nach einem Wein suchte waumlhrend er in Wahr-heit sehnsuumlchtig auf ihre Nachricht wartete hatte ihr Herz erwei-chen lassen Der Arme war in dieser Zeit mit der Ausrede dass der Wein einen Essigstich haumltte ganze sechs Mal heruntergekom-men sodass er in jenen Tagen eine Menge guten Wein aus Valde-pentildeas geopfert hatte Schlieszliglich hatte Clara ihm dann doch ein paar Zeilen hinterlassen

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Eure Exzellenz ich muss Euch danken denn in diesen Monashyten bin ich so gluumlcklich wie ich es nach dem Tod meines Vaters nicht mehr war und hellip

Dem hatte sie einen Satz hinzugefuumlgt den sie mehrere Male neu geschrieben hatte sodass sie die Nachricht ganze vier Mal ins Reine schreiben musste

hellip und die Zeichen Eurer Zuneigung mir gegenuumlber Eure Hinshygabe und Freundlichkeit haben dafuumlr gesorgt dass ich Euch jeden Tag mehr schaumltze Exzellenz wie es anders nicht sein kann

Deshalb war sie so verbluumlfft von seiner veraumlrgerten Reaktion ge-wesen als sie die Sache mit Don Melquiacuteades angesprochen hatte Gleich am naumlchsten Tag hatte sie um eine Audienz gebeten und war ohne dass Dontildea Uacutersula es gemerkt hatte zu ihm in den Salon gegangen um sich fuumlr ihre gewagte Aumluszligerung zu entschuldigen

raquoBevor Ihr irgendetwas sagt nehmt bitte daslaquo hatte er laumlchelnd gemeint und ihr ein neues Buch uumlbergeben raquoDiesen Band wollte ich Euch lieber persoumlnlich uumlberreichenlaquo

Sie war erroumltet hatte sich mit einem Knicks bedankt und das Buch entgegengenommen Dabei hatten sich ihre Fingerspitzen beruumlhrt Er hatte das Buch noch in den Haumlnden und sie hatte sich gewuumlnscht dass er es niemals loslassen wuumlrde als sich unterhalb des Einbands jener wunderbare Moment ereignet hatte

raquoIch kann nur hoffen dass ich das Bild das Ihr Euch von dem muumlrrischen Charakter der mich hin und wieder uumlberfaumlllt ge-macht habt durch diese Geste ein wenig abmildern kannlaquo hatte Don Diego dabei mit seiner melodischen Stimme gesagt und das Buch schlieszliglich losgelassen

raquoExzellenz auf die Gefahr hin erneut Euer Missfallen zu erre-gen und in dem Bewusstsein dass ich mich in Dinge ein gemischt

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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klaumlrt hatte dass sie ausschlieszliglich Ware von exzellenter Qualitaumlt akzeptiere wie sie Laacutezaro Molas dem zustaumlndigen Kuumlchenmeis-ter auseinandergesetzt hatte welche Art Dekoration sie fuumlr die Tische wuumlnschte und wie sie die Kuumlchenmeisterin Matilde Mar-roacuten persoumlnlich instruiert hatte welches besonders feine Olivenoumll sie benoumltigte welche Gelees Saucen und Fruumlchte sie zubereiten wuumlrde und was sie dafuumlr brauchte

Dann hatte sie mit der Choreografie der Fleisch- und Fisch-gerichte begonnen um festzulegen in welcher Reihenfolge sie serviert und wie sie praumlsentiert werden sollten Und schlieszlig-lich hatte sie die drei Kuumlchen dirigiert mit denselben Koumlchen die im Vorjahr so gute Arbeit geleistet hatten und dabei ver-sucht alles im Auge zu behalten damit es ihren Erwartungen entsprach Diesmal hatte sich der franzoumlsische Koch Jean- Pierre de Champfleury der sich im letzten Jahr ihren Anweisungen zunaumlchst widersetzt hatte jedem ihrer Befehle gefuumlgt Wie es schien war ihm das Lob des engen Kreises um die Koumlnigin zu Ohren gekommen in dem man der Meinung war dass Sentildeorita Belmonte eine Koumlchin mit auszligergewoumlhnlichen Faumlhigkeiten sei von der jeder Mann noch etwas lernen koumlnne In diesem Jahr hatte Clara fuumlr Ihre Majestaumlt ein paar kleine italienische Nudel-gerichte zubereitet mit Oregano Fleisch Basilikum und Tomaten sowie ein wenig Weiszligwein und einer Prise Zucker um den sauren Geschmack abzumildern

Don Pedro Benoist und Don Pedro Chatelain die beiden Leib-koumlche der Koumlnigin und des Koumlnigs waren auch diesmal gekom-men um auf Anweisung Ihrer Majestaumlten die Zubereitungen zu beaufsichtigen und die Gerichte zu probieren Und beide hat-ten Clara aufrichtig gratuliert und ihr ein paar Ratschlaumlge ge-geben wofuumlr sie ihnen gedankt hatte Auf dem Weg von Kuumlche zu Kuumlche hatte sie sich hin und wieder erlaubt an das Regal in ihrem Zimmer zu denken in dem inzwischen eine stolze Samm-lung von vierzehn auszligergewoumlhnlichen Kochbuumlchern stand Seit

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dem Besuch der Haushaumllterin Dontildea Uacutersula an Rosaliacuteas Todes-tag bedeckte sie die Buumlcher lieber mit einem Leinentuch damit sie niemandem beim Betreten des Raums ins Auge fielen Denn sollte Dontildea Uacutersula die Buumlcher entdecken konnte ihr dies Argu-mente liefern um sie bei der Dienerschaft schlechtzumachen Bisher hatte jedoch lediglich der ihr so gewogene Gaumlrtner Sentildeor Casona sie aufgesucht um ihr ein paar Zweige Jasmin zu brin-gen deren Duft schon bald das ganze Zimmer erfuumlllte

All die Zeit uumlber war die Beziehung zwischen Clara und der Haushaumllterin gleichbleibend kuumlhl und distanziert geblieben und vier Tage zuvor hatten sie sogar eines ihrer uumlblichen Scharmuumltzel ausgetragen Clara der Don Melquiacuteades ausgesprochen leidtat weil er seit Januar eingeschlossen in seinem Zimmer hauste hatte beschlossen mit dem Herzog zu reden damit er seinem ehemali-gen Majordomus verzieh Als Dontildea Uacutersula davon erfahren hatte war sie in der Kuumlche erschienen um Clara im Beisein des gesam-ten Kuumlchenpersonals zu befehlen raquosich nicht in Angelegenhei-ten einzumischen die nichts mit der Kuumlche zu tun habenlaquo Dies hatte sie allerdings nicht sonderlich beeindruckt umso mehr die Reaktion Don Diegos Ihre Bitte kam nicht so gut an wie sie ge-hofft hatte Der Herzog konnte nachdem er ihr zugehoumlrt hatte seinen Zorn kaum beherrschen schnaubte vor Wut und sagte deutlich angespannt kein Wort bis sie den Raum verlassen hatte Spaumlter hatte Clara dann von Elisa erfahren dass ihre Bitte in Don Melquiacuteadesrsquo Interesse nur die letzte auf einer langen Liste gewesen war Der Rest der Dienerschaft hatte sich ndash anders als sie ndash auf in-direkte Art fuumlr Don Melquiacuteades eingesetzt durch Anspielungen wenn der Herzog in der Naumlhe vorbeiging oder indem sie von der Vergebung von Suumlnden sprachen Tatsaumlchlich war dies so oft vor-gekommen dass Don Diego schon vor Monaten zu Dontildea Uacutersula gesagt hatte dass das mit Don Melquiacuteades eine private Angele-genheit sei und dass er seitens der Dienerschaft keine indirekten Kommentare mehr zu houmlren wuumlnsche da er die Botschaft erhal-

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ten habe Daraufhin hatte die Haushaumllterin in vollem Bewusstsein saumlmtliche Dienstboten daruumlber informiert auszliger Clara damit diese endlich in Ungnade falle und nach der barschen Reaktion des Herzogs hatte sie ihren Triumph voll ausgekostet

Clara war danach zutiefst niedergeschlagen gewesen und so verstimmt dass sie sich die Moumlglichkeit vor Augen Seine Exzel-lenz beleidigt zu haben kaum noch konzentrieren konnte Dabei hatte sie sich all die Monate zuvor so leicht und gluumlcklich gefuumlhlt und oft hatte sie am Morgen nach einem der Kochbuumlcher ge-griffen um sich beim Herzog zu bedanken indem sie eine neue Sauce oder eine Variante des Fasanen- oder des Lammbratens ausprobierte oder die Creme- oder Obstspeise auf andere Art zu-bereitete Und wenn sie schon der Anblick der Buumlcher in Hoch-stimmung versetzte so war ihre Freude noch groumlszliger wenn sie daran dachte dass sich in jedem eine versteckte Nachricht des Herzogs fuumlr sie befand Im Laufe des Fruumlhjahrs und des Som-mers hatten der Herzog und sie mehrmals die Gelegenheit ge-habt so korrekt wie zwischen einem Herzog und seiner Koumlchin moumlglich miteinander zu reden waumlhrend ihr geheimer Nachrich-tenaustausch haumlufiger wurde Daher fuumlgte sie jedem Schreiben das sie von Seiner Exzellenz erhalten hatte eine Kopie ihrer Ant-wort bei um sie hin und wieder lesen zu koumlnnen Und der Ge-danke daran brachte sie manchmal dazu mitten in der Nacht eines der Buumlcher aufzuschlagen und die darin liegenden Nach-richten zu lesen

Dieser Briefwechsel hatte eine Wandlung in ihrem Inneren be-wirkt Auf der einen Seite fuumlhlte sie sich Seiner Exzellenz auf eine bestimmte Weise nah Naumlher zumindest als jedes andere Mit-glied der Dienerschaft Und auf der anderen Seite hatte etwas in ihr an Staumlrke gewonnen Genuumlgend Staumlrke um sich ihrer Angst vor offenen Raumlumen zu stellen wie sie dem Herzog in einer ihrer kurzen Nachrichten anvertraut hatte

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Meine sehr geschaumltzte Exzellenzwie ich aus dem Munde Sentildeor Moguers erfahren habe waren die suumlszlige Eierspeise sowie der tranchierte Braten und die Lammhaxe durchaus zu Eurer Zufriedenheit da man mir mit gebuumlhrender Genauigkeit Eure Gluumlckwuumlnsche ausgerichshytet hat Obwohl ich manchmal ein wenig Angst habe Euch irgendwann einmal nicht zufriedenstellen zu koumlnnen bin ich nun auszligerordentlich gluumlcklich dass meine Gerichte Euch schmecken Zugleich hat Eure Groszligzuumlgigkeit mir gegenuumlber mich so sehr inspiriert dass ich mich bereit fuumlhle meine Angst vor offenen Raumlumen zu uumlberwinden

Don Diegos Antwort lieszlig nicht lange auf sich warten In seiner sorgfaumlltigen Schrift teilte er ihr mit

Eure Einstellung zeugt von einem starken Charakter und einem entschiedenen Geist Sentildeorita Belmonte Folgt diesem Weg und zweifellos werdet Ihr Eure Aumlngste schneller uumlberwinshyden als Ihr glaubt Ich befuumlrchte dass die Bestellung in dieser Woche nicht mehr eintreffen wird doch ich hoffe Euch das Buch bald uumlbergeben zu koumlnnen

Daraufhin hatte sie noch acht Tage warten muumlssen bevor sie end-lich das neue Buch erhielt ein Rezeptbuch des Kochs Pierre de Lune mit dem Titel Le nouveau cuisinier das im Jahr 1656 in Paris erschienen war Clara zoumlgerte nicht lange dem Herzog mit einer Nachricht zu antworten in der sie in wenigen Zeilen ihre Dank-barkeit dafuumlr ihm in Castamar als Koumlchin dienen zu duumlrfen zum Ausdruck brachte Schlieszliglich gewann der Austausch der Nach-richten fuumlr sie immer mehr an Bedeutung bis er nicht mehr aus-schlieszliglich mit den bestellten Buumlchern einherging Im Sommer hatte sie dann einmal eine Nachricht vorgefunden die sie gleich-zeitig erfreut und geaumlngstigt hatte Diese hatte sie nach einem rus-

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tikalen Mahl der Freunde des Herzogs drauszligen in Villacor be-kommen

Zweifellos war es ein hervorragender Einfall Euch diese Buumlcher zu schenken denn ich genieszlige die verschiedenen Geschmaumlcke Eurer Gerichte aufs Houmlchste Dennoch muss ich gestehen dass dieser Genuss nur ein schwacher Abglanz der Befriedigung ist die ich in dem Wissen verspuumlre wie sehr Ihr mir zugetan seid

Zwei Zeilen weiter unten hatte er noch hinzugefuumlgt

Daher ruumlhrt es dass jedes Mal wenn ich Eure Gerichte koste eine aufrichtige Zuneigung Euch gegenuumlber in mir erwaumlchst

Diese Worte hatten dafuumlr gesorgt dass ihr Herz schneller schlug und sich in ihrem Kopf alles zu drehen anfing Sie hatte sich ge-fragt wohin das Geheimnis das sie teilten fuumlhren wuumlrde Zu einem unschuldigen Spiel in dem eine Koumlchin und ein Herzog einen heimlichen Briefwechsel fuumlhrten oder zu etwas was mit sich bringen wuumlrde dass sie mit gebrochenem Herzen und ohne berufliche Perspektiven dieses Haus verlassen musste Ihre Angst war so groszlig gewesen dass sie ihn vier Tage auf ihre Antwort war-ten lieszlig Doch ihn immer wieder in den Keller gehen zu sehen wo er angeblich nach einem Wein suchte waumlhrend er in Wahr-heit sehnsuumlchtig auf ihre Nachricht wartete hatte ihr Herz erwei-chen lassen Der Arme war in dieser Zeit mit der Ausrede dass der Wein einen Essigstich haumltte ganze sechs Mal heruntergekom-men sodass er in jenen Tagen eine Menge guten Wein aus Valde-pentildeas geopfert hatte Schlieszliglich hatte Clara ihm dann doch ein paar Zeilen hinterlassen

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Eure Exzellenz ich muss Euch danken denn in diesen Monashyten bin ich so gluumlcklich wie ich es nach dem Tod meines Vaters nicht mehr war und hellip

Dem hatte sie einen Satz hinzugefuumlgt den sie mehrere Male neu geschrieben hatte sodass sie die Nachricht ganze vier Mal ins Reine schreiben musste

hellip und die Zeichen Eurer Zuneigung mir gegenuumlber Eure Hinshygabe und Freundlichkeit haben dafuumlr gesorgt dass ich Euch jeden Tag mehr schaumltze Exzellenz wie es anders nicht sein kann

Deshalb war sie so verbluumlfft von seiner veraumlrgerten Reaktion ge-wesen als sie die Sache mit Don Melquiacuteades angesprochen hatte Gleich am naumlchsten Tag hatte sie um eine Audienz gebeten und war ohne dass Dontildea Uacutersula es gemerkt hatte zu ihm in den Salon gegangen um sich fuumlr ihre gewagte Aumluszligerung zu entschuldigen

raquoBevor Ihr irgendetwas sagt nehmt bitte daslaquo hatte er laumlchelnd gemeint und ihr ein neues Buch uumlbergeben raquoDiesen Band wollte ich Euch lieber persoumlnlich uumlberreichenlaquo

Sie war erroumltet hatte sich mit einem Knicks bedankt und das Buch entgegengenommen Dabei hatten sich ihre Fingerspitzen beruumlhrt Er hatte das Buch noch in den Haumlnden und sie hatte sich gewuumlnscht dass er es niemals loslassen wuumlrde als sich unterhalb des Einbands jener wunderbare Moment ereignet hatte

raquoIch kann nur hoffen dass ich das Bild das Ihr Euch von dem muumlrrischen Charakter der mich hin und wieder uumlberfaumlllt ge-macht habt durch diese Geste ein wenig abmildern kannlaquo hatte Don Diego dabei mit seiner melodischen Stimme gesagt und das Buch schlieszliglich losgelassen

raquoExzellenz auf die Gefahr hin erneut Euer Missfallen zu erre-gen und in dem Bewusstsein dass ich mich in Dinge ein gemischt

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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dem Besuch der Haushaumllterin Dontildea Uacutersula an Rosaliacuteas Todes-tag bedeckte sie die Buumlcher lieber mit einem Leinentuch damit sie niemandem beim Betreten des Raums ins Auge fielen Denn sollte Dontildea Uacutersula die Buumlcher entdecken konnte ihr dies Argu-mente liefern um sie bei der Dienerschaft schlechtzumachen Bisher hatte jedoch lediglich der ihr so gewogene Gaumlrtner Sentildeor Casona sie aufgesucht um ihr ein paar Zweige Jasmin zu brin-gen deren Duft schon bald das ganze Zimmer erfuumlllte

All die Zeit uumlber war die Beziehung zwischen Clara und der Haushaumllterin gleichbleibend kuumlhl und distanziert geblieben und vier Tage zuvor hatten sie sogar eines ihrer uumlblichen Scharmuumltzel ausgetragen Clara der Don Melquiacuteades ausgesprochen leidtat weil er seit Januar eingeschlossen in seinem Zimmer hauste hatte beschlossen mit dem Herzog zu reden damit er seinem ehemali-gen Majordomus verzieh Als Dontildea Uacutersula davon erfahren hatte war sie in der Kuumlche erschienen um Clara im Beisein des gesam-ten Kuumlchenpersonals zu befehlen raquosich nicht in Angelegenhei-ten einzumischen die nichts mit der Kuumlche zu tun habenlaquo Dies hatte sie allerdings nicht sonderlich beeindruckt umso mehr die Reaktion Don Diegos Ihre Bitte kam nicht so gut an wie sie ge-hofft hatte Der Herzog konnte nachdem er ihr zugehoumlrt hatte seinen Zorn kaum beherrschen schnaubte vor Wut und sagte deutlich angespannt kein Wort bis sie den Raum verlassen hatte Spaumlter hatte Clara dann von Elisa erfahren dass ihre Bitte in Don Melquiacuteadesrsquo Interesse nur die letzte auf einer langen Liste gewesen war Der Rest der Dienerschaft hatte sich ndash anders als sie ndash auf in-direkte Art fuumlr Don Melquiacuteades eingesetzt durch Anspielungen wenn der Herzog in der Naumlhe vorbeiging oder indem sie von der Vergebung von Suumlnden sprachen Tatsaumlchlich war dies so oft vor-gekommen dass Don Diego schon vor Monaten zu Dontildea Uacutersula gesagt hatte dass das mit Don Melquiacuteades eine private Angele-genheit sei und dass er seitens der Dienerschaft keine indirekten Kommentare mehr zu houmlren wuumlnsche da er die Botschaft erhal-

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ten habe Daraufhin hatte die Haushaumllterin in vollem Bewusstsein saumlmtliche Dienstboten daruumlber informiert auszliger Clara damit diese endlich in Ungnade falle und nach der barschen Reaktion des Herzogs hatte sie ihren Triumph voll ausgekostet

Clara war danach zutiefst niedergeschlagen gewesen und so verstimmt dass sie sich die Moumlglichkeit vor Augen Seine Exzel-lenz beleidigt zu haben kaum noch konzentrieren konnte Dabei hatte sie sich all die Monate zuvor so leicht und gluumlcklich gefuumlhlt und oft hatte sie am Morgen nach einem der Kochbuumlcher ge-griffen um sich beim Herzog zu bedanken indem sie eine neue Sauce oder eine Variante des Fasanen- oder des Lammbratens ausprobierte oder die Creme- oder Obstspeise auf andere Art zu-bereitete Und wenn sie schon der Anblick der Buumlcher in Hoch-stimmung versetzte so war ihre Freude noch groumlszliger wenn sie daran dachte dass sich in jedem eine versteckte Nachricht des Herzogs fuumlr sie befand Im Laufe des Fruumlhjahrs und des Som-mers hatten der Herzog und sie mehrmals die Gelegenheit ge-habt so korrekt wie zwischen einem Herzog und seiner Koumlchin moumlglich miteinander zu reden waumlhrend ihr geheimer Nachrich-tenaustausch haumlufiger wurde Daher fuumlgte sie jedem Schreiben das sie von Seiner Exzellenz erhalten hatte eine Kopie ihrer Ant-wort bei um sie hin und wieder lesen zu koumlnnen Und der Ge-danke daran brachte sie manchmal dazu mitten in der Nacht eines der Buumlcher aufzuschlagen und die darin liegenden Nach-richten zu lesen

Dieser Briefwechsel hatte eine Wandlung in ihrem Inneren be-wirkt Auf der einen Seite fuumlhlte sie sich Seiner Exzellenz auf eine bestimmte Weise nah Naumlher zumindest als jedes andere Mit-glied der Dienerschaft Und auf der anderen Seite hatte etwas in ihr an Staumlrke gewonnen Genuumlgend Staumlrke um sich ihrer Angst vor offenen Raumlumen zu stellen wie sie dem Herzog in einer ihrer kurzen Nachrichten anvertraut hatte

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Meine sehr geschaumltzte Exzellenzwie ich aus dem Munde Sentildeor Moguers erfahren habe waren die suumlszlige Eierspeise sowie der tranchierte Braten und die Lammhaxe durchaus zu Eurer Zufriedenheit da man mir mit gebuumlhrender Genauigkeit Eure Gluumlckwuumlnsche ausgerichshytet hat Obwohl ich manchmal ein wenig Angst habe Euch irgendwann einmal nicht zufriedenstellen zu koumlnnen bin ich nun auszligerordentlich gluumlcklich dass meine Gerichte Euch schmecken Zugleich hat Eure Groszligzuumlgigkeit mir gegenuumlber mich so sehr inspiriert dass ich mich bereit fuumlhle meine Angst vor offenen Raumlumen zu uumlberwinden

Don Diegos Antwort lieszlig nicht lange auf sich warten In seiner sorgfaumlltigen Schrift teilte er ihr mit

Eure Einstellung zeugt von einem starken Charakter und einem entschiedenen Geist Sentildeorita Belmonte Folgt diesem Weg und zweifellos werdet Ihr Eure Aumlngste schneller uumlberwinshyden als Ihr glaubt Ich befuumlrchte dass die Bestellung in dieser Woche nicht mehr eintreffen wird doch ich hoffe Euch das Buch bald uumlbergeben zu koumlnnen

Daraufhin hatte sie noch acht Tage warten muumlssen bevor sie end-lich das neue Buch erhielt ein Rezeptbuch des Kochs Pierre de Lune mit dem Titel Le nouveau cuisinier das im Jahr 1656 in Paris erschienen war Clara zoumlgerte nicht lange dem Herzog mit einer Nachricht zu antworten in der sie in wenigen Zeilen ihre Dank-barkeit dafuumlr ihm in Castamar als Koumlchin dienen zu duumlrfen zum Ausdruck brachte Schlieszliglich gewann der Austausch der Nach-richten fuumlr sie immer mehr an Bedeutung bis er nicht mehr aus-schlieszliglich mit den bestellten Buumlchern einherging Im Sommer hatte sie dann einmal eine Nachricht vorgefunden die sie gleich-zeitig erfreut und geaumlngstigt hatte Diese hatte sie nach einem rus-

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tikalen Mahl der Freunde des Herzogs drauszligen in Villacor be-kommen

Zweifellos war es ein hervorragender Einfall Euch diese Buumlcher zu schenken denn ich genieszlige die verschiedenen Geschmaumlcke Eurer Gerichte aufs Houmlchste Dennoch muss ich gestehen dass dieser Genuss nur ein schwacher Abglanz der Befriedigung ist die ich in dem Wissen verspuumlre wie sehr Ihr mir zugetan seid

Zwei Zeilen weiter unten hatte er noch hinzugefuumlgt

Daher ruumlhrt es dass jedes Mal wenn ich Eure Gerichte koste eine aufrichtige Zuneigung Euch gegenuumlber in mir erwaumlchst

Diese Worte hatten dafuumlr gesorgt dass ihr Herz schneller schlug und sich in ihrem Kopf alles zu drehen anfing Sie hatte sich ge-fragt wohin das Geheimnis das sie teilten fuumlhren wuumlrde Zu einem unschuldigen Spiel in dem eine Koumlchin und ein Herzog einen heimlichen Briefwechsel fuumlhrten oder zu etwas was mit sich bringen wuumlrde dass sie mit gebrochenem Herzen und ohne berufliche Perspektiven dieses Haus verlassen musste Ihre Angst war so groszlig gewesen dass sie ihn vier Tage auf ihre Antwort war-ten lieszlig Doch ihn immer wieder in den Keller gehen zu sehen wo er angeblich nach einem Wein suchte waumlhrend er in Wahr-heit sehnsuumlchtig auf ihre Nachricht wartete hatte ihr Herz erwei-chen lassen Der Arme war in dieser Zeit mit der Ausrede dass der Wein einen Essigstich haumltte ganze sechs Mal heruntergekom-men sodass er in jenen Tagen eine Menge guten Wein aus Valde-pentildeas geopfert hatte Schlieszliglich hatte Clara ihm dann doch ein paar Zeilen hinterlassen

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Eure Exzellenz ich muss Euch danken denn in diesen Monashyten bin ich so gluumlcklich wie ich es nach dem Tod meines Vaters nicht mehr war und hellip

Dem hatte sie einen Satz hinzugefuumlgt den sie mehrere Male neu geschrieben hatte sodass sie die Nachricht ganze vier Mal ins Reine schreiben musste

hellip und die Zeichen Eurer Zuneigung mir gegenuumlber Eure Hinshygabe und Freundlichkeit haben dafuumlr gesorgt dass ich Euch jeden Tag mehr schaumltze Exzellenz wie es anders nicht sein kann

Deshalb war sie so verbluumlfft von seiner veraumlrgerten Reaktion ge-wesen als sie die Sache mit Don Melquiacuteades angesprochen hatte Gleich am naumlchsten Tag hatte sie um eine Audienz gebeten und war ohne dass Dontildea Uacutersula es gemerkt hatte zu ihm in den Salon gegangen um sich fuumlr ihre gewagte Aumluszligerung zu entschuldigen

raquoBevor Ihr irgendetwas sagt nehmt bitte daslaquo hatte er laumlchelnd gemeint und ihr ein neues Buch uumlbergeben raquoDiesen Band wollte ich Euch lieber persoumlnlich uumlberreichenlaquo

Sie war erroumltet hatte sich mit einem Knicks bedankt und das Buch entgegengenommen Dabei hatten sich ihre Fingerspitzen beruumlhrt Er hatte das Buch noch in den Haumlnden und sie hatte sich gewuumlnscht dass er es niemals loslassen wuumlrde als sich unterhalb des Einbands jener wunderbare Moment ereignet hatte

raquoIch kann nur hoffen dass ich das Bild das Ihr Euch von dem muumlrrischen Charakter der mich hin und wieder uumlberfaumlllt ge-macht habt durch diese Geste ein wenig abmildern kannlaquo hatte Don Diego dabei mit seiner melodischen Stimme gesagt und das Buch schlieszliglich losgelassen

raquoExzellenz auf die Gefahr hin erneut Euer Missfallen zu erre-gen und in dem Bewusstsein dass ich mich in Dinge ein gemischt

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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ten habe Daraufhin hatte die Haushaumllterin in vollem Bewusstsein saumlmtliche Dienstboten daruumlber informiert auszliger Clara damit diese endlich in Ungnade falle und nach der barschen Reaktion des Herzogs hatte sie ihren Triumph voll ausgekostet

Clara war danach zutiefst niedergeschlagen gewesen und so verstimmt dass sie sich die Moumlglichkeit vor Augen Seine Exzel-lenz beleidigt zu haben kaum noch konzentrieren konnte Dabei hatte sie sich all die Monate zuvor so leicht und gluumlcklich gefuumlhlt und oft hatte sie am Morgen nach einem der Kochbuumlcher ge-griffen um sich beim Herzog zu bedanken indem sie eine neue Sauce oder eine Variante des Fasanen- oder des Lammbratens ausprobierte oder die Creme- oder Obstspeise auf andere Art zu-bereitete Und wenn sie schon der Anblick der Buumlcher in Hoch-stimmung versetzte so war ihre Freude noch groumlszliger wenn sie daran dachte dass sich in jedem eine versteckte Nachricht des Herzogs fuumlr sie befand Im Laufe des Fruumlhjahrs und des Som-mers hatten der Herzog und sie mehrmals die Gelegenheit ge-habt so korrekt wie zwischen einem Herzog und seiner Koumlchin moumlglich miteinander zu reden waumlhrend ihr geheimer Nachrich-tenaustausch haumlufiger wurde Daher fuumlgte sie jedem Schreiben das sie von Seiner Exzellenz erhalten hatte eine Kopie ihrer Ant-wort bei um sie hin und wieder lesen zu koumlnnen Und der Ge-danke daran brachte sie manchmal dazu mitten in der Nacht eines der Buumlcher aufzuschlagen und die darin liegenden Nach-richten zu lesen

Dieser Briefwechsel hatte eine Wandlung in ihrem Inneren be-wirkt Auf der einen Seite fuumlhlte sie sich Seiner Exzellenz auf eine bestimmte Weise nah Naumlher zumindest als jedes andere Mit-glied der Dienerschaft Und auf der anderen Seite hatte etwas in ihr an Staumlrke gewonnen Genuumlgend Staumlrke um sich ihrer Angst vor offenen Raumlumen zu stellen wie sie dem Herzog in einer ihrer kurzen Nachrichten anvertraut hatte

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Meine sehr geschaumltzte Exzellenzwie ich aus dem Munde Sentildeor Moguers erfahren habe waren die suumlszlige Eierspeise sowie der tranchierte Braten und die Lammhaxe durchaus zu Eurer Zufriedenheit da man mir mit gebuumlhrender Genauigkeit Eure Gluumlckwuumlnsche ausgerichshytet hat Obwohl ich manchmal ein wenig Angst habe Euch irgendwann einmal nicht zufriedenstellen zu koumlnnen bin ich nun auszligerordentlich gluumlcklich dass meine Gerichte Euch schmecken Zugleich hat Eure Groszligzuumlgigkeit mir gegenuumlber mich so sehr inspiriert dass ich mich bereit fuumlhle meine Angst vor offenen Raumlumen zu uumlberwinden

Don Diegos Antwort lieszlig nicht lange auf sich warten In seiner sorgfaumlltigen Schrift teilte er ihr mit

Eure Einstellung zeugt von einem starken Charakter und einem entschiedenen Geist Sentildeorita Belmonte Folgt diesem Weg und zweifellos werdet Ihr Eure Aumlngste schneller uumlberwinshyden als Ihr glaubt Ich befuumlrchte dass die Bestellung in dieser Woche nicht mehr eintreffen wird doch ich hoffe Euch das Buch bald uumlbergeben zu koumlnnen

Daraufhin hatte sie noch acht Tage warten muumlssen bevor sie end-lich das neue Buch erhielt ein Rezeptbuch des Kochs Pierre de Lune mit dem Titel Le nouveau cuisinier das im Jahr 1656 in Paris erschienen war Clara zoumlgerte nicht lange dem Herzog mit einer Nachricht zu antworten in der sie in wenigen Zeilen ihre Dank-barkeit dafuumlr ihm in Castamar als Koumlchin dienen zu duumlrfen zum Ausdruck brachte Schlieszliglich gewann der Austausch der Nach-richten fuumlr sie immer mehr an Bedeutung bis er nicht mehr aus-schlieszliglich mit den bestellten Buumlchern einherging Im Sommer hatte sie dann einmal eine Nachricht vorgefunden die sie gleich-zeitig erfreut und geaumlngstigt hatte Diese hatte sie nach einem rus-

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tikalen Mahl der Freunde des Herzogs drauszligen in Villacor be-kommen

Zweifellos war es ein hervorragender Einfall Euch diese Buumlcher zu schenken denn ich genieszlige die verschiedenen Geschmaumlcke Eurer Gerichte aufs Houmlchste Dennoch muss ich gestehen dass dieser Genuss nur ein schwacher Abglanz der Befriedigung ist die ich in dem Wissen verspuumlre wie sehr Ihr mir zugetan seid

Zwei Zeilen weiter unten hatte er noch hinzugefuumlgt

Daher ruumlhrt es dass jedes Mal wenn ich Eure Gerichte koste eine aufrichtige Zuneigung Euch gegenuumlber in mir erwaumlchst

Diese Worte hatten dafuumlr gesorgt dass ihr Herz schneller schlug und sich in ihrem Kopf alles zu drehen anfing Sie hatte sich ge-fragt wohin das Geheimnis das sie teilten fuumlhren wuumlrde Zu einem unschuldigen Spiel in dem eine Koumlchin und ein Herzog einen heimlichen Briefwechsel fuumlhrten oder zu etwas was mit sich bringen wuumlrde dass sie mit gebrochenem Herzen und ohne berufliche Perspektiven dieses Haus verlassen musste Ihre Angst war so groszlig gewesen dass sie ihn vier Tage auf ihre Antwort war-ten lieszlig Doch ihn immer wieder in den Keller gehen zu sehen wo er angeblich nach einem Wein suchte waumlhrend er in Wahr-heit sehnsuumlchtig auf ihre Nachricht wartete hatte ihr Herz erwei-chen lassen Der Arme war in dieser Zeit mit der Ausrede dass der Wein einen Essigstich haumltte ganze sechs Mal heruntergekom-men sodass er in jenen Tagen eine Menge guten Wein aus Valde-pentildeas geopfert hatte Schlieszliglich hatte Clara ihm dann doch ein paar Zeilen hinterlassen

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Eure Exzellenz ich muss Euch danken denn in diesen Monashyten bin ich so gluumlcklich wie ich es nach dem Tod meines Vaters nicht mehr war und hellip

Dem hatte sie einen Satz hinzugefuumlgt den sie mehrere Male neu geschrieben hatte sodass sie die Nachricht ganze vier Mal ins Reine schreiben musste

hellip und die Zeichen Eurer Zuneigung mir gegenuumlber Eure Hinshygabe und Freundlichkeit haben dafuumlr gesorgt dass ich Euch jeden Tag mehr schaumltze Exzellenz wie es anders nicht sein kann

Deshalb war sie so verbluumlfft von seiner veraumlrgerten Reaktion ge-wesen als sie die Sache mit Don Melquiacuteades angesprochen hatte Gleich am naumlchsten Tag hatte sie um eine Audienz gebeten und war ohne dass Dontildea Uacutersula es gemerkt hatte zu ihm in den Salon gegangen um sich fuumlr ihre gewagte Aumluszligerung zu entschuldigen

raquoBevor Ihr irgendetwas sagt nehmt bitte daslaquo hatte er laumlchelnd gemeint und ihr ein neues Buch uumlbergeben raquoDiesen Band wollte ich Euch lieber persoumlnlich uumlberreichenlaquo

Sie war erroumltet hatte sich mit einem Knicks bedankt und das Buch entgegengenommen Dabei hatten sich ihre Fingerspitzen beruumlhrt Er hatte das Buch noch in den Haumlnden und sie hatte sich gewuumlnscht dass er es niemals loslassen wuumlrde als sich unterhalb des Einbands jener wunderbare Moment ereignet hatte

raquoIch kann nur hoffen dass ich das Bild das Ihr Euch von dem muumlrrischen Charakter der mich hin und wieder uumlberfaumlllt ge-macht habt durch diese Geste ein wenig abmildern kannlaquo hatte Don Diego dabei mit seiner melodischen Stimme gesagt und das Buch schlieszliglich losgelassen

raquoExzellenz auf die Gefahr hin erneut Euer Missfallen zu erre-gen und in dem Bewusstsein dass ich mich in Dinge ein gemischt

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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Meine sehr geschaumltzte Exzellenzwie ich aus dem Munde Sentildeor Moguers erfahren habe waren die suumlszlige Eierspeise sowie der tranchierte Braten und die Lammhaxe durchaus zu Eurer Zufriedenheit da man mir mit gebuumlhrender Genauigkeit Eure Gluumlckwuumlnsche ausgerichshytet hat Obwohl ich manchmal ein wenig Angst habe Euch irgendwann einmal nicht zufriedenstellen zu koumlnnen bin ich nun auszligerordentlich gluumlcklich dass meine Gerichte Euch schmecken Zugleich hat Eure Groszligzuumlgigkeit mir gegenuumlber mich so sehr inspiriert dass ich mich bereit fuumlhle meine Angst vor offenen Raumlumen zu uumlberwinden

Don Diegos Antwort lieszlig nicht lange auf sich warten In seiner sorgfaumlltigen Schrift teilte er ihr mit

Eure Einstellung zeugt von einem starken Charakter und einem entschiedenen Geist Sentildeorita Belmonte Folgt diesem Weg und zweifellos werdet Ihr Eure Aumlngste schneller uumlberwinshyden als Ihr glaubt Ich befuumlrchte dass die Bestellung in dieser Woche nicht mehr eintreffen wird doch ich hoffe Euch das Buch bald uumlbergeben zu koumlnnen

Daraufhin hatte sie noch acht Tage warten muumlssen bevor sie end-lich das neue Buch erhielt ein Rezeptbuch des Kochs Pierre de Lune mit dem Titel Le nouveau cuisinier das im Jahr 1656 in Paris erschienen war Clara zoumlgerte nicht lange dem Herzog mit einer Nachricht zu antworten in der sie in wenigen Zeilen ihre Dank-barkeit dafuumlr ihm in Castamar als Koumlchin dienen zu duumlrfen zum Ausdruck brachte Schlieszliglich gewann der Austausch der Nach-richten fuumlr sie immer mehr an Bedeutung bis er nicht mehr aus-schlieszliglich mit den bestellten Buumlchern einherging Im Sommer hatte sie dann einmal eine Nachricht vorgefunden die sie gleich-zeitig erfreut und geaumlngstigt hatte Diese hatte sie nach einem rus-

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tikalen Mahl der Freunde des Herzogs drauszligen in Villacor be-kommen

Zweifellos war es ein hervorragender Einfall Euch diese Buumlcher zu schenken denn ich genieszlige die verschiedenen Geschmaumlcke Eurer Gerichte aufs Houmlchste Dennoch muss ich gestehen dass dieser Genuss nur ein schwacher Abglanz der Befriedigung ist die ich in dem Wissen verspuumlre wie sehr Ihr mir zugetan seid

Zwei Zeilen weiter unten hatte er noch hinzugefuumlgt

Daher ruumlhrt es dass jedes Mal wenn ich Eure Gerichte koste eine aufrichtige Zuneigung Euch gegenuumlber in mir erwaumlchst

Diese Worte hatten dafuumlr gesorgt dass ihr Herz schneller schlug und sich in ihrem Kopf alles zu drehen anfing Sie hatte sich ge-fragt wohin das Geheimnis das sie teilten fuumlhren wuumlrde Zu einem unschuldigen Spiel in dem eine Koumlchin und ein Herzog einen heimlichen Briefwechsel fuumlhrten oder zu etwas was mit sich bringen wuumlrde dass sie mit gebrochenem Herzen und ohne berufliche Perspektiven dieses Haus verlassen musste Ihre Angst war so groszlig gewesen dass sie ihn vier Tage auf ihre Antwort war-ten lieszlig Doch ihn immer wieder in den Keller gehen zu sehen wo er angeblich nach einem Wein suchte waumlhrend er in Wahr-heit sehnsuumlchtig auf ihre Nachricht wartete hatte ihr Herz erwei-chen lassen Der Arme war in dieser Zeit mit der Ausrede dass der Wein einen Essigstich haumltte ganze sechs Mal heruntergekom-men sodass er in jenen Tagen eine Menge guten Wein aus Valde-pentildeas geopfert hatte Schlieszliglich hatte Clara ihm dann doch ein paar Zeilen hinterlassen

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Eure Exzellenz ich muss Euch danken denn in diesen Monashyten bin ich so gluumlcklich wie ich es nach dem Tod meines Vaters nicht mehr war und hellip

Dem hatte sie einen Satz hinzugefuumlgt den sie mehrere Male neu geschrieben hatte sodass sie die Nachricht ganze vier Mal ins Reine schreiben musste

hellip und die Zeichen Eurer Zuneigung mir gegenuumlber Eure Hinshygabe und Freundlichkeit haben dafuumlr gesorgt dass ich Euch jeden Tag mehr schaumltze Exzellenz wie es anders nicht sein kann

Deshalb war sie so verbluumlfft von seiner veraumlrgerten Reaktion ge-wesen als sie die Sache mit Don Melquiacuteades angesprochen hatte Gleich am naumlchsten Tag hatte sie um eine Audienz gebeten und war ohne dass Dontildea Uacutersula es gemerkt hatte zu ihm in den Salon gegangen um sich fuumlr ihre gewagte Aumluszligerung zu entschuldigen

raquoBevor Ihr irgendetwas sagt nehmt bitte daslaquo hatte er laumlchelnd gemeint und ihr ein neues Buch uumlbergeben raquoDiesen Band wollte ich Euch lieber persoumlnlich uumlberreichenlaquo

Sie war erroumltet hatte sich mit einem Knicks bedankt und das Buch entgegengenommen Dabei hatten sich ihre Fingerspitzen beruumlhrt Er hatte das Buch noch in den Haumlnden und sie hatte sich gewuumlnscht dass er es niemals loslassen wuumlrde als sich unterhalb des Einbands jener wunderbare Moment ereignet hatte

raquoIch kann nur hoffen dass ich das Bild das Ihr Euch von dem muumlrrischen Charakter der mich hin und wieder uumlberfaumlllt ge-macht habt durch diese Geste ein wenig abmildern kannlaquo hatte Don Diego dabei mit seiner melodischen Stimme gesagt und das Buch schlieszliglich losgelassen

raquoExzellenz auf die Gefahr hin erneut Euer Missfallen zu erre-gen und in dem Bewusstsein dass ich mich in Dinge ein gemischt

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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tikalen Mahl der Freunde des Herzogs drauszligen in Villacor be-kommen

Zweifellos war es ein hervorragender Einfall Euch diese Buumlcher zu schenken denn ich genieszlige die verschiedenen Geschmaumlcke Eurer Gerichte aufs Houmlchste Dennoch muss ich gestehen dass dieser Genuss nur ein schwacher Abglanz der Befriedigung ist die ich in dem Wissen verspuumlre wie sehr Ihr mir zugetan seid

Zwei Zeilen weiter unten hatte er noch hinzugefuumlgt

Daher ruumlhrt es dass jedes Mal wenn ich Eure Gerichte koste eine aufrichtige Zuneigung Euch gegenuumlber in mir erwaumlchst

Diese Worte hatten dafuumlr gesorgt dass ihr Herz schneller schlug und sich in ihrem Kopf alles zu drehen anfing Sie hatte sich ge-fragt wohin das Geheimnis das sie teilten fuumlhren wuumlrde Zu einem unschuldigen Spiel in dem eine Koumlchin und ein Herzog einen heimlichen Briefwechsel fuumlhrten oder zu etwas was mit sich bringen wuumlrde dass sie mit gebrochenem Herzen und ohne berufliche Perspektiven dieses Haus verlassen musste Ihre Angst war so groszlig gewesen dass sie ihn vier Tage auf ihre Antwort war-ten lieszlig Doch ihn immer wieder in den Keller gehen zu sehen wo er angeblich nach einem Wein suchte waumlhrend er in Wahr-heit sehnsuumlchtig auf ihre Nachricht wartete hatte ihr Herz erwei-chen lassen Der Arme war in dieser Zeit mit der Ausrede dass der Wein einen Essigstich haumltte ganze sechs Mal heruntergekom-men sodass er in jenen Tagen eine Menge guten Wein aus Valde-pentildeas geopfert hatte Schlieszliglich hatte Clara ihm dann doch ein paar Zeilen hinterlassen

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Eure Exzellenz ich muss Euch danken denn in diesen Monashyten bin ich so gluumlcklich wie ich es nach dem Tod meines Vaters nicht mehr war und hellip

Dem hatte sie einen Satz hinzugefuumlgt den sie mehrere Male neu geschrieben hatte sodass sie die Nachricht ganze vier Mal ins Reine schreiben musste

hellip und die Zeichen Eurer Zuneigung mir gegenuumlber Eure Hinshygabe und Freundlichkeit haben dafuumlr gesorgt dass ich Euch jeden Tag mehr schaumltze Exzellenz wie es anders nicht sein kann

Deshalb war sie so verbluumlfft von seiner veraumlrgerten Reaktion ge-wesen als sie die Sache mit Don Melquiacuteades angesprochen hatte Gleich am naumlchsten Tag hatte sie um eine Audienz gebeten und war ohne dass Dontildea Uacutersula es gemerkt hatte zu ihm in den Salon gegangen um sich fuumlr ihre gewagte Aumluszligerung zu entschuldigen

raquoBevor Ihr irgendetwas sagt nehmt bitte daslaquo hatte er laumlchelnd gemeint und ihr ein neues Buch uumlbergeben raquoDiesen Band wollte ich Euch lieber persoumlnlich uumlberreichenlaquo

Sie war erroumltet hatte sich mit einem Knicks bedankt und das Buch entgegengenommen Dabei hatten sich ihre Fingerspitzen beruumlhrt Er hatte das Buch noch in den Haumlnden und sie hatte sich gewuumlnscht dass er es niemals loslassen wuumlrde als sich unterhalb des Einbands jener wunderbare Moment ereignet hatte

raquoIch kann nur hoffen dass ich das Bild das Ihr Euch von dem muumlrrischen Charakter der mich hin und wieder uumlberfaumlllt ge-macht habt durch diese Geste ein wenig abmildern kannlaquo hatte Don Diego dabei mit seiner melodischen Stimme gesagt und das Buch schlieszliglich losgelassen

raquoExzellenz auf die Gefahr hin erneut Euer Missfallen zu erre-gen und in dem Bewusstsein dass ich mich in Dinge ein gemischt

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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Eure Exzellenz ich muss Euch danken denn in diesen Monashyten bin ich so gluumlcklich wie ich es nach dem Tod meines Vaters nicht mehr war und hellip

Dem hatte sie einen Satz hinzugefuumlgt den sie mehrere Male neu geschrieben hatte sodass sie die Nachricht ganze vier Mal ins Reine schreiben musste

hellip und die Zeichen Eurer Zuneigung mir gegenuumlber Eure Hinshygabe und Freundlichkeit haben dafuumlr gesorgt dass ich Euch jeden Tag mehr schaumltze Exzellenz wie es anders nicht sein kann

Deshalb war sie so verbluumlfft von seiner veraumlrgerten Reaktion ge-wesen als sie die Sache mit Don Melquiacuteades angesprochen hatte Gleich am naumlchsten Tag hatte sie um eine Audienz gebeten und war ohne dass Dontildea Uacutersula es gemerkt hatte zu ihm in den Salon gegangen um sich fuumlr ihre gewagte Aumluszligerung zu entschuldigen

raquoBevor Ihr irgendetwas sagt nehmt bitte daslaquo hatte er laumlchelnd gemeint und ihr ein neues Buch uumlbergeben raquoDiesen Band wollte ich Euch lieber persoumlnlich uumlberreichenlaquo

Sie war erroumltet hatte sich mit einem Knicks bedankt und das Buch entgegengenommen Dabei hatten sich ihre Fingerspitzen beruumlhrt Er hatte das Buch noch in den Haumlnden und sie hatte sich gewuumlnscht dass er es niemals loslassen wuumlrde als sich unterhalb des Einbands jener wunderbare Moment ereignet hatte

raquoIch kann nur hoffen dass ich das Bild das Ihr Euch von dem muumlrrischen Charakter der mich hin und wieder uumlberfaumlllt ge-macht habt durch diese Geste ein wenig abmildern kannlaquo hatte Don Diego dabei mit seiner melodischen Stimme gesagt und das Buch schlieszliglich losgelassen

raquoExzellenz auf die Gefahr hin erneut Euer Missfallen zu erre-gen und in dem Bewusstsein dass ich mich in Dinge ein gemischt

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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habe die mich nichts angehen moumlchte ich Euch wissen lassen hellip dass ich mich entschuldige hellip Verzeiht meine Offenheit und meine Kuumlhnheit von gestern als ich versucht habe helliplaquo

Daraufhin hatte Don Diego sie mit seinen leuchtenden Augen angesehen und sie lachend unterbrochen

raquoSentildeorita Belmonte Ihr seid unglaublich Zweifellos hat Sentildeor Elquiza in Euch eine exzellente Verteidigerinlaquo hatte er gesagt raquoIch bin es der sich fuumlr seine Reaktion bei dieser Gelegenheit ent-schuldigen muss Ihr habt Euch nur fuumlr einen Freund eingesetzt und das ist Euer gutes Rechtlaquo

Angesichts des Respekts den er ihr damit entgegengebracht hatte war sie noch mehr erroumltet

raquoEs lag nur in meiner Absicht eine Bitte an Euch zu richten und ich wollte dabei auf keinen Fall mit der Zuneigung spielen die Ihr mir moumlglicherweise entgegenbringtlaquo hatte sie erklaumlrt raquoUnd natuumlrlich erlaube ich mir kein Urteil gegenuumlber Eurer Per-son wenn Ihr der Ansicht seid dass Don Melquiacuteades es nicht verdient hat dass ihm verziehen wirdlaquo

Er hatte genickt und noch einmal froumlhlich aufgelachtraquoLasst mich Euch eines sagenlaquo hatte er dann erklaumlrt raquoTrotz

meiner Enttaumluschung uumlber Don Melquiacuteades habe ich nie gewollt dass er Castamar verlaumlsst Ich habe nur genuumlgend Zeit vergehen lassen damit die Wunde nicht mehr ganz so wehtut Es lag nie in meiner Absicht ihn des Hauses zu verweisen und schon gar nicht dass er in die Verbannung geschickt wird und nun da ich weiszlig dass Ihr es auch nicht wuumlnscht umso mehr Ich verspreche dass ich diese Angelegenheit noch in dieser Woche regeln werdelaquo

Vollkommen beseelt von dieser Freundlichkeit hatte Clara sich erneut bedankt und sich unter seinem stets so klaren Blick der nichts verbarg verabschiedet So hatte sie die beiden folgenden Tage in der Erinnerung an seine Beruumlhrung und an seine Worte verbracht und dabei freudig das erlesenste Mahl vorbereitet mit dem Castamar seine Gaumlste empfangen konnte Nun nachdem

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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das Abendessen serviert worden war und sie wusste dass es her-vorragend angekommen war sagte sie sich dass der Herzog mit ihrer Arbeit sicher vollauf zufrieden war Sie war gluumlcklich als drehte sich ihr ganzes Leben nur um diesen einen konkreten Mo-ment als haumltte ihre schmerzvolle Vergangenheit ndash der Tod ihres Vaters der Niedergang ihres Lebens ihre ersten Erfahrungen mit der Arbeit in der Kuumlche ndash auf einmal einen Sinn bekommen Ihre Stellung als Chefkoumlchin in Castamar war gefestigt und wenn der Herzog von dem Abendessen bereits angetan gewesen war wuumlrde er vor Stolz platzen wenn er erst kosten wuumlrde was sie fuumlr das Bankett vorbereitet hatte Ohne weiter ihren Gedanken nachzu-haumlngen machte sie sich an die Arbeit und behielt alles im Auge was in ihrer Kuumlche zubereitet wurde und diese verlieszlig

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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KAPITEL 2

Derselbe Tag 16 Oktober 1721

All die Zeit uumlber hatte Diegos Bruder Gabriel weitere Er- kundungen uumlber Don Enrique eingezogen da er nach

wie vor den Verdacht hatte dass sich hinter dessen vornehmen Manieren duumlstere Interessen verbargen Dennoch war es ihm ab-gesehen von der Entdeckung des Freudenhauses in Lavapieacutes wo Don Enriques Handlanger geheime Gespraumlche fuumlhrten nicht ge-lungen einen einzigen Beweis zutage zu bringen Gabriel hatte zwar darauf bestanden dorthin zu gehen doch Diego hatte es ihm rundweg verboten Es sei zu gefaumlhrlich fuumlr ihn Angesichts dieser Lage hatte er seiner Mutter zugestanden den Marquis er-neut nach Castamar einzuladen erstens um sich nicht mit ihr streiten zu muumlssen und zweitens weil er die gerissene Hyaumlne in seiner Naumlhe haben wollte

Vor ein paar Tagen war Don Enrique schlieszliglich in Castamar eingetroffen Nach der Begruumlszligung und den uumlblichen Houmlflich-keitsfloskeln hatte er als Erstes angeregt Sentildeorita Amelia nicht am Abendessen teilnehmen zu lassen da die anderen Gaumlste an-sonsten gezwungen seien ihr entstelltes Gesicht anzusehen was ihr sicherlich unangenehm sei Diego hatte gewusst dass Ga-briel der in all den Monaten eine tiefe Zuneigung zu der jungen Frau entwickelt hatte sich angesichts dieses Kommentars kaum

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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im Zaum halten konnte Doch ein Blick Diegos hatte ausgereicht dass sein Bruder lediglich ein wuumltendes Schnauben von sich gab waumlhrend er selbst erklaumlrte dass Sentildeorita Amelia Gast des Hau-ses sei und dass er wenn er ihren Anblick nicht ertragen koumlnne selbst von der Teilnahme absehen muumlsse Daraufhin hatte Don Enrique der wohl nicht auf das Essen verzichten wollte lachend erklaumlrt dass er nur an das Wohl der jungen Frau gedacht habe

Amelia hatte beim Essen ihren Platz neben Gabriel Diego als Gastgeber begruumlszligte als Erstes alle Gaumlste seine Mutter Don Enrique den er seit dem letzten Fest auf dem Anwesen nicht mehr gesehen hatte Sentildeorita Amelia die die ganze Zeit uumlber dem Blick des Marquis auswich Francisco der von ihrer gemein-samen Freundin Leonor de Bazaacuten begleitet wurde die gerade aus Valencia eingetroffen war und zuletzt seinen geschaumltzten Freund Alfredo der wie immer ohne Begleitung gekommen war

Als Diego seine kurze Eroumlffnungsansprache gehalten hatte applau dierten saumlmtliche Gaumlste und Francisco stand auf um ebenfalls etwas zu sagen

raquoLiebe Freunde wie ich zugeben muss bin ich in Wahrheit nicht wegen irgendeines Festes nach Castamar gekommen son-dern wegen der exzellenten Speisen der Koumlchin an die sich gewiss alle noch gut erinnern Wenn ihre Schoumlnheit auch nur annaumlhernd ihren Kochkuumlnsten entspricht sollte der Koumlnig ihr einen Adels-titel verleihenlaquo

Alle lachten uumlber diesen Einfall Franciscos der bereits wieder Platz genommen hatte

raquoIst sie eine schoumlne Frau Diegolaquo fragte Alfredo nachraquoO ja eine sehr schoumlne Fraulaquo antwortete der Herzog raquowobei

dies nur einer ihrer vielen Vorzuumlge istlaquoraquoEs ist aumluszligerst ungewoumlhnlich dass es im einfachen Volk eine

solche Frau geben kannlaquo fuumlgte Alfredo hinzuraquoDaruumlber haben wir bereits gesprochen erinnert Ihr Euch

Ihr habt wirklich eine seltsame Koumlchin eine ledige gebildete und

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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dazu noch schoumlne Fraulaquo sagte Don Enrique im uumlblichen hoch-muumltigen Ton

Diego dem der Verlauf des Gespraumlchs nicht besonders gefiel gab die Anweisung mit dem Servieren zu beginnen

raquoEs koumlnnte natuumlrlich auch sein dass wir wenn wir uns ent-schlieszligen sollten hinunter in die Kuumlche zu gehen feststellen dass alles eine Luumlge ist und wir dort anstatt einer schoumlnen Koumlchin einen dicken Kuumlchenchef mit plumpen Haumlnden antref-fenlaquo scherzte Diego und alle lachten waumlhrend er dem Marquis einen eisigen Blick zuwarf raquoLasst uns mit dem Essen begin-nen Denkt Ihr nicht dass wir wirklich Gluumlck mit dem Wetter habenlaquo

Don Enrique der so tat als verstuumlnde er nicht dass er das Thema wechseln sollte gab ein Laumlcheln zuruumlck als er houmlrte wie Diegos Mutter erklaumlrte dass die junge Frau waumlre sie adlig eine perfekte Ehefrau waumlre abgesehen von ihrer Neigung zu kochen raquowas bei einer Frau von Stand nicht angemessen waumlrelaquo

Diego warf Francisco einen komplizenhaften Blick zu damit er das Gespraumlch auf ein anderes Thema lenke und dieser beeilte sich einzugreifen

raquoLiebe Dontildea Mercedes meiner Meinung nach ndash und ich ver-stehe einiges von Frauenlaquo sagte er scherzhaft was bei allen ein Laumlcheln hervorrief raquosind sie unter der Kleidung alle gleichlaquo

raquoWelch zuumlgelloser Menschlaquo rief Dontildea Mercedes scheinbar entsetzt aus raquoFrancisco Ihr seid schamloslaquo

Die Maumlnner brachen in Gelaumlchter aus und die Frauen blick-ten sich angesichts Franciscos Kommentars verstoumlrt an Don Enrique verteidigte die Damen laumlchelnd und erklaumlrte dass eine adlige Herkunft unzweifelhaft eine gewisse Klasse mit sich bringe Als er anschlieszligend erneut die Schoumlnheit Sentildeorita Belmontes zur Sprache brachte und erklaumlrte dass diese sicher nicht an die einer Aristokratin heranreiche der die Schoumlnheit in die Wiege gelegt wurde wurde Diego allmaumlhlich wuumltend

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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raquoDenkt Ihr das nicht auch Don Diegolaquo sprach Don Enrique den Herzog anschlieszligend direkt an

Dieser waumlhlte seine naumlchsten Worte mit Bedacht um nicht voreingenommen zu wirken

raquoDa bin ich nicht Eurer Meinung Marquis Wenn eine adlige Herkunft auch zweifellos gewisse Vorteile mit sich bringt wie eine entsprechende Erziehung zum Beispiel so hat ein Titel mit der Schoumlnheit doch wenig zu tunlaquo

raquoMein lieber Don Diego welch eine Vehemenzlaquo sagte Don Enrique waumlhrend er sein Likoumlrglas hob raquosolltet Ihr eines Tages einen derartigen Gedanken laut bei Hofe aumluszligern koumlnnte es sein dass man Euch fuumlr eine Art Revolutionaumlr haumlltlaquo

raquoEs tut mir leid wenn meine Form mich auszudruumlcken Euch missfaumllltlaquo entgegnete der Herzog raquoIch habe den Ruf kein Blatt vor den Mund zu nehmenlaquo

Der Marquis lachte um dem Wortwechsel an Bedeutung zu nehmen und Diego dachte dass Don Enrique eine als Pfau ver-kleidete gefaumlhrliche Hyaumlne war Alfredo dem dieser Heuchler auf die Nerven ging forderte den Marquis mit einem provozierenden Laumlcheln direkt heraus

raquoWenn Eure Zweifel so groszlig sind Marquis wird die beste Art und Weise Euch zu uumlberzeugen wohl eine Wette sein Sollte das Essen das die Koumlchin uns bietet Eurer Meinung nach exzellent sein bitten wir sie herauf um ihre Schoumlnheit zu betrachten wenn es da etwas zu betrachten gibt und Ihr koumlnnt pruumlfen ob sie tat-saumlchlich gebildet ist und die Etikette beherrscht Und wenn dies der Fall ist muumlsst Ihr oumlffentlich zugeben dass Ihr von den The-men die hier zur Sprache kommen keine Ahnung habtlaquo

Als Diego seinem Freund zuhoumlrte verspuumlrte er das drin-gende Beduumlrfnis den Marquis an seinen Worten ersticken zu sehen Clara Belmonte war ein entzuumlckendes Wesen und eine der schoumlnsten Frauen die er je gesehen hatte Sie war gebildet hatte exzellente Umgangsformen war eine begnadete Koumlchin und von

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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bezaubernder Wesensart Dennoch warnte ihn eine Stimme in seinem Inneren dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war das moumlg-licherweise die Zuneigung die er fuumlr sie empfand erkennen las-sen wuumlrde Doch gerade als er widersprechen und diesem trivi-alen Spiel Einhalt gebieten wollte kam ihm Don Enrique zuvor

raquoDarauf wette ichlaquo sagte er die Herausforderung annehmendDiego warf Alfredo einen veraumlrgerten Blick zu um ihm zu ver-

stehen zu geben dass ihm sein Einfall uumlberhaupt nicht gefiel Doch sein Freund beachtete ihn nicht weil er nur daran dachte wie er den Marquis dazu zwingen konnte seine Niederlage ein-zugestehen

raquoUnd wenn es nicht so ist wird Don Diegos Koumlchin in Zukunft fuumlr mich arbeitenlaquo sagte der Marquis auf einmal kategorisch

In diesem Moment wurde der Zweikampf zum wahren Duell Don Enrique betrachtete seinen Gegner mit zusammengekniffe-nen Augen als wolle er so deutlich machen dass er wenn er die Herausforderung nicht annahm als Luumlgner dastehe der nicht in der Lage war die Schoumlnheit die Bildung und die bezaubernde Wesensart Sentildeorita Belmontes zu beweisen Dabei wusste Don Diego immer noch nicht warum der Marquis ihn staumlndig provo-zierte Ploumltzlich fluumlsterte ihm sein Stolz ein dass seine Koumlchin mit ihrem Auftreten und ihrer Umsicht diesem arroganten Kerl den Mund stopfen wuumlrde

raquoDas scheint mir angemessenlaquo meinte er schlieszliglichAls kurz darauf die Suppe vor ihnen stand ndash eine schmackhafte

Gefluumlgelbruumlhe angereichert mit gekochtem Ei geroumlstetem Wei-zenbrot und kleinen Stuumlcken gebratener Leber ndash sagte er sich dass der Marquis auf jeden Fall gezwungen sein wuumlrde anzuer-kennen dass Clara Belmonte eine exzellente Koumlchin war denn seit einigen Minuten hatten saumlmtliche Anwesenden kein Wort mehr gesagt Lediglich ein Chor an zufriedenen Seufzern war zu houmlren auch aus dem Munde des Marquis Spaumlter als der zweite Gang serviert worden war genossen sie erst einmal den Anblick

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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der wunderbaren Dekoration die hauptsaumlchlich florale Motive bildete die aus essbaren Bluumlten und anderen Elementen bestan-den darunter Eigelb Sirup geriebene Schokolade und Zimt Das Ganze setzte sich in Form von schmackhaften Speisen fort gefuumlll-ten Zucchini gegrillter Zunge Schmorfleisch in schwarzer Sauce kleinen Kalbfleischkloumlszligen Zuckerquitten bis hin zu gegrillten und gebratenen Fleischstuumlcken Als die Gaumlste beim Nachtisch angelangt waren fielen ihnen allmaumlhlich keine lobenden Adjek-tive mehr ein Tortelettes Reispudding Honigtoumlrtchen und eine Frischkaumlsecreme mit Brombeeren waren nur einige der Koumlstlich-keiten die Sentildeorita Belmonte fuumlr sie zubereitet hatte

Die Beurteilung der Speisen war einhellige Bewunderung so-dass alle wuumlnschten dass die Koumlchin heraufkam um ihre Gluumlck-wuumlnsche entgegenzunehmen Diego sagte sich stolz dass niemand auch nur den kleinsten negativen Kommentar wuumlrde anbringen koumlnnen ohne sich laumlcherlich zu machen

raquoWenn Ihr mich entschuldigen wollt werde ich selbst gehen um sie zu holenlaquo erklaumlrte Diego daraufhin unter den erstaunten Blicken seiner Mutter und der Gaumlste

Er betrat die Kuumlche jedoch nicht durch den Haupteingang son-dern nahm den gewinkelten Gang der von der Kuumlche zum Wein-keller und den anderen Vorratsraumlumen fuumlhrte An der Kuumlchen tuumlr angekommen wartete er einen Moment bevor er eintrat Er lieszlig den Blick durch den Raum schweifen und versuchte in dem un-aufhoumlrlichen Hin und Her all der Menschen Sentildeorita Belmonte zu entdecken Es dauerte eine Weile bis er zwischen dem Dampf und dem klappernden Metall dem Feuer dem Oumll und dem Ge-ruch nach Butter ihre zierliche energisch agierende Gestalt aus-machte Er laumlchelte als er sah wie sie einer Orchesterdirigentin gleich Befehle gab und dank ihres wunderbaren Geruchssinns genau wusste wann die Pfanne vom Herd genommen werden musste oder wie das Rinderfilet mit genau der richtigen Panade uumlberzogen sowie anschlieszligend auf den Punkt gebraten und mit

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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Salz und Pfeffer gewuumlrzt werden musste hellip Diego empfand eine diebische Freude als er sich so heimlich in die Welt der Clara Belmonte einschlich

Er genoss das Privileg die Welt seiner Koumlchin zu betrachten eine Realitaumlt die von der seinen so weit entfernt war dass er nie gedacht haumltte dass sie ihn derart faszinieren koumlnnte Er war voumlllig gefangen von ihren Bewegungen sie erschien ihm wie eine Nixe in einem tobenden Ozean aus Kruumlgen Oumllkaumlnnchen Flaschen mit Wasser toumlnernen Suppenschalen und metallenen Dreibeinen Ihm kamen die Worte in den Sinn die sie ihm in all den Monaten geschrieben hatte und er fuumlhlte sich zu dem Moment zuruumlck-versetzt als er ihr auf der Schwelle zu ihrem Zimmer gegenuumlber-stand und sie sich in seine Umarmung gefluumlchtet hatte um dann ihrer Trauer um Rosaliacuteas Tod freien Lauf zu lassen Damals war er kurz davor gewesen ihre Lippen mit den seinen zu beruumlhren Sie war ihm als ein zerbrechliches aber mutiges Wesen erschie-nen das derart unter der Haumlrte des Lebens litt dass dies eine dau-erhafte schmerzliche Spur in ihr hinterlassen hatte Der Beweis dafuumlr war ihr nervoumlses Leiden das sie in offenen Raumlumen uumlber-kam Hin und wieder hatte er hinter den schweren Vorhaumlngen verborgen durch das Fenster im oberen Stock zugesehen wie sie sich ihrer Krankheit entschieden gestellt hatte und in den Hof getreten war Laut Sentildeor Casona hatte sie bereits gewisse Fort-schritte gemacht und mit der noumltigen Geduld war sie in der Lage wenigstens ein paar Schritte im Freien zu gehen oder sich fuumlr eine Weile neben die Tuumlr zu setzen Ploumltzlich wurde er aus seinen Ge-danken gerissen als einer der Kuumlchenjungen laut verkuumlndete dass Castamar wieder wie zu Dontildea Albas Zeiten im Glanz er-strahle Doch diesmal loumlste die Erwaumlhnung seiner verstorbenen Frau keine Trauer bei ihm aus da dies sicher in irgendeiner Form auch Albas Wunsch entsprach Er laumlchelte genau wie Clara als in der Tuumlr zur Kuumlche die gebieterische Gestalt von Sentildeora Beren-guer erschien

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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raquoIch weiszlig nicht was es da zu lachen gibtlaquo houmlrte er sie zu Clara sagen raquoDenn so wie die Kuumlche aussieht muss man sich Sorgen machen dass alles zur rechten Zeit fertig ist Darf ich Euch daran erinnern dass in wenigen Minuten die Ballgaumlste eintreffenlaquo

raquoIch glaube dass das noch einen Moment warten kann Sentildeora Berenguerlaquo mischte Diego sich ein Alle hielten in dem was sie gerade taten inne und verbeugten sich raquoMeine Gaumlste sind houmlchst zufrieden mit dem Essen von heute Abend und wuumlnschen Euch kennenzulernen Sentildeorita Belmonte Wuumlrdet Ihr mir den Gefal-len tun mich zu begleitenlaquo

Clara saumluberte sich die Haumlnde und nickte Um Gerede zu ver-meiden ging Diego vorneweg und hielt ihr mit Ruumlcksicht auf ihr weibliches Geschlecht lediglich die Tuumlr auf Waumlhrend sie in Rich-tung des Salons unterwegs waren fiel ihm Don Enriques Heraus-forderung wieder ein Natuumlrlich sagte er Sentildeorita Belmonte nichts davon da er beabsichtigte sie nachdem sie die Gluumlckwuumlnsche entgegengenommen hatte gleich wieder zuruumlck in die Kuumlche zu schicken Es wuumlrde vollkommen ausreichen dass sie sich so gab wie sie war um den Marquis diesen dreisten Kerl eines Besse-ren zu belehren Einer der Diener hielt ihnen die Tuumlr auf und sie traten in den Salon Der Kammerherr Sentildeor Moguer stand mit ernstem Gesicht kerzengerade auf der anderen Seite des Raumes Dennoch bemerkte der Herzog dass er sich erlaubte die Koumlchin unauffaumlllig mit einem Laumlcheln zu begruumlszligen Dann war es selbst-verstaumlndlich an ihm dem Gastgeber sie allen Gaumlsten mit der ge-buumlhrenden Umsicht vorzustellen woraufhin sie sich der Etikette gemaumlszlig verbeugte Francisco stand auf und applaudierte gefolgt von Alfredo der ihr aufrichtig gratulierte und in den Applaus einstimmte Clara machte schuumlchtern einen Knicks und hielt den Kopf gesenkt

raquoEs ist mir eine groszlige Ehrelaquo sagte sie mit schamgeroumlteten Wangen raquoIch weiszlig nicht wie ich ausdruumlcken soll wie sehr ich mich geehrt fuumlhlelaquo

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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Francisco mit seiner natuumlrlichen Grazie winkte abraquoHoumlrt auf meine Liebe wir sind es die sich dadurch geehrt

fuumlhlen wie sehr wir jedes Gericht genossen habenlaquoClara sah zu Diego hinuumlber der ihr Laumlcheln bezaubernd fand

wie das einer Sentildeorita die gerade der Gesellschaft vorgestellt wurde Er zog sich zu seinem Platz zuruumlck und setzte sich Clara bedankte sich mehrfach mit vorbildlicher Korrektheit und Diego war stolz auf seine Koumlchin und ihr Talent Gleich darauf wies er einen der Diener an Sentildeorita Belmonte zuruumlck in die Kuumlche zu begleiten Doch gerade als sie sich formvollendet von allen ver-abschiedete spuumlrte sie ploumltzlich den beunruhigenden Blick des Marquis auf sich

raquoZweifellos ist Eure Koumlchin eine anmutige junge Frau Don Diego Doch bevor sie uns wieder verlaumlsst wuumlrde ich sie gern ein-mal aus der Naumlhe bewundern um mich davon zu uumlberzeugen dass sie nicht doch wie Ihr gesagt habt ein verkleideter dicker Koch mit plumpen Haumlnden istlaquo

Clara sah ihn mit leicht gerunzelten Brauen an ohne zu ver-stehen was er damit sagen wollte Unterdessen warf Diego der sich bemuumlhte Ruhe zu bewahren Don Enrique einen warnen-den Blick zu Der jedoch stand auf und stolzierte seinen Stock schwingend wie ein Pfau auf die Koumlchin zu Diego wurde unru-hig als er das verhasste Subjekt in Claras Naumlhe sah und sagte sich dass wenn er sie der Laumlcherlichkeit preisgab er ihn in Stuumlcke reiszligen wuumlrde

raquoIhre Schoumlnheit steht wohl auszliger Frage Don Enriquelaquo meinte Alfredo

Diego merkte dass Claras Verwunderung noch zunahm wo-bei ihm bewusst wurde dass es ein groszliger Fehler gewesen war die Wette anzunehmen Ein Fehler den er noch bedauern wuumlrde und der seinem dummen Beduumlrfnis dem Marquis zu bewei-sen dass er unrecht hatte entwachsen war Er wandte den Blick ab und nahm zu seiner Erleichterung wahr dass Sentildeor Moguer

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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der Sentildeorita mit einer fluumlchtigen Geste ein Zeichen machte den Raum so schnell wie moumlglich zu verlassen Sie nickte ohne die Bedeutung dieses Zeichens zu erfassen

raquoIch fuumlrchte Ihr habt die Wette verloren Marquislaquo meinte Dontildea Leonor laumlchelnd und hob ihr Glas

Als Clara dieses Wort houmlrte begriff sie dass der Herzog sie nicht nur wegen der Gluumlckwuumlnsche in den Salon gefuumlhrt hatte Diego kam sich auf einmal ausgesprochen dumm vor Naiver-weise hatte er gedacht dass seine Koumlchin ohne irgendwelche Kon-sequenzen hier herein- und wieder hinausspazieren koumlnnte und dass der Marquis der Laumlcherlichkeit preisgegeben waumlre nachdem er festgestellt hatte dass sie genau so war wie er sie beschrieben hatte Don Enrique hatte ihn derart wuumltend gemacht dass er nur noch daran gedacht hatte ihm eine beschaumlmende Niederlage bei-zubringen Diego schloss die Haumlnde fest um die Armlehnen sei-nes Stuhls und schalt sich selbst als toumlricht nachdem er Don En-riques wahre Absichten erkannt hatte Auf irgendeine Art war dem listigen Marquis aufgefallen dass er fuumlr seine Koumlchin eine gewisse Zuneigung empfand und er hatte versucht ihn bloszligzu-stellen

Sein Bruder warf ihm einen Blick zu um ihm zu verstehen zu geben dass dies ein gefaumlhrliches Spiel war und dass er es gar nicht gut fand dass der Marquis so nah an Sentildeorita Belmonte heran-getreten war um ihre Zuumlge zu bewundern und sie zu bitten ihr Haar zu loumlsen damit er sie besser betrachten koumlnne

raquoWeiszligt du meine liebe Koumlchinlaquo sagte Don Enrique nun spoumlt-tisch raquoder Herzog glaubt dass eine Frau unabhaumlngig von ihrer Herkunft erhaben und tugendhaft sein kann waumlhrend ich der Meinung bin dass sie wenn sie dazu noch von adliger Abstam-mung ist uumlber all den anderen steht da die adlige Herkunft ein unverzichtbares erhoumlhendes Element ist das die weiblichen Tugen den auf eine aumluszligerst kultivierte und herausragende Art und Weise zur Geltung bringt Was glaubst dulaquo

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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raquoPasst auf was Ihr antwortet Sentildeorita Belmontelaquo erklaumlrte Alfredo der sich schon auf die Niederlage des Marquis freute raquodenn falls Euer Herr die Wette verliert werdet Ihr in Zukunft in Don Enriques Diensten stehen und Castamar verlassen muumlssenlaquo

Diego betrachtete seine Gaumlste und stellte fest dass mit Aus-nahme seines Bruders und Sentildeorita Amelias die sich beide eher unwohl zu fuumlhlen schienen alle diese Angelegenheit nur als einen naiven leicht pikanten Zeitvertreib ansahen Er wurde wuumltend und waumlre am liebsten aufgesprungen um Don Enrique diesen Widerling auf der Stelle herauszufordern doch er wusste dass er wenn er auf diese Art und Weise eingriff gerade wegen der Oberflaumlchlichkeit mit der die anderen die Szene betrachteten sein persoumlnliches Interesse fuumlr Sentildeorita Belmonte noch offener zur Schau stellen wuumlrde als es ohnehin schon der Fall war Damit wuumlrde er Don Enrique seine Schwachstelle enthuumlllen und wenn er wirklich sein Feind war wuumlrde Sentildeorita Belmonte genauso in seinen Faumlngen landen wie es Sentildeorita Amelia wahrscheinlich er-gangen war Diego wollte lieber nicht daran denken wozu der Marquis imstande waumlre um seine Ziele zu erreichen wenn er wuumlsste welch enge Beziehung ihn mit seiner Koumlchin verband

Angespannt sah er zu seinem Bruder hinuumlber damit der etwas unternahm um dieses Pantomimentheater zu beenden Ga-briel erhob sich sogleich von seinem Stuhl um einzugreifen als Sentildeorita Belmonte ploumltzlich das Wort ergriff

raquoWenn Eure Exzellenzen wirklich an meiner Meinung zu die-ser Frage interessiert sind beantworte ich sie gernlaquo

Gabriel schaute fragend zu Diego hinuumlber und dieser machte ihm ein Zeichen sich zuruumlckzuhalten da sie trotz ihrer Verwir-rung bereits reagiert hatte Diego betrachtete sie wie sie diesem Schuft mutig gegenuumlbertrat und dabei seinen Blick hielt als waumlre sie seinesgleichen und er war stolz auf sie und auf die Beharrlich-keit mit der sie sich der Unbill des Lebens stellte

raquoIch glaube nicht dass eine adlige Geburt eine Frau oder einen

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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Mann zu einem vornehmeren erhabeneren Menschen machtlaquo entgegnete seine Koumlchin

Don Enrique stolzierte wichtigtuerisch um sie herum waumlh-rend Diego seine Nervositaumlt kaum verbergen konnte Er sah dass sie erstarrte und hatte fuumlr einen Moment den Eindruck dass der Marquis seinen Stock ihrem Hinterteil angenaumlhert hatte um sie aus der Ruhe zu bringen allerdings war er sich nicht sicher Den-noch schwor er sich dass er ihn in der Luft zerreiszligen wuumlrde sollte sie auch nur ansatzweise deutlich machen dass diese un-anstaumlndige Geste tatsaumlchlich stattgefunden hatte Aber Sentildeorita Belmonte sagte nichts sondern blieb weiterhin reglos stehen weshalb auch Diego nichts unternahm Obgleich das sarkastische Laumlcheln das sich auf Don Enriques Lippen abzeichnete derart seinen Zorn schuumlrte dass seine Wangen zu gluumlhen begannen Er versuchte sich zu entspannen und beschloss nie mehr zuzu-lassen dass dieser Mann sein Anwesen betrat und wenn seine Mutter aus diesem Grund nicht mehr kommen wollte dann sollte es so sein

raquoUnd welche Beweise hast du die dich zu diesem Schluss be-wegen Koumlchinlaquo fragte der Marquis hochmuumltig

raquoBrauchen Eure Exzellenz noch andere Beweise als die Tat-sache dass die meisten Menschen die die Wissenschaft die Musik oder die anderen Kuumlnste mit ihrem Beitrag bereichert haben nicht von Adel warenlaquo

Diese Aumluszligerung lieszlig das Lachen verstummenraquoWerd nicht anmaszligend Maumldchenlaquo sagte Dontildea MercedesDiego ertappte sich dabei wie er es genoss dass Don Enrique

seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen der Spaszlig vergangen war Es war offensichtlich dass er sich von Sentildeorita Belmontes Worten angegriffen fuumlhlte

raquoFuumlr eine einfache Koumlchin druumlckst du dich sehr praumlzise und ge-waumlhlt auslaquo sagte der Marquis in der eindeutigen Absicht sie zu beleidigen

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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Ohne den Blick abzuwenden reagierte Sentildeorita Belmonte mit einer herausfordernden aber untadeligen Verbeugung

raquoGing es denn bei der Wette nicht darum ebendies unter Be-weis zu stellenlaquo

Don Alfredo applaudierte und Don Francisco hob zur Feier dieses Satzes sein Glas Don Enrique starrte sie an als wuumlrde er ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen doch als geuumlbter Intri-gant wandte er sich lediglich laumlchelnd von ihr ab und beachtete sie nicht weiter Dann erklaumlrte er mit einer houmlflichen Verbeugung

raquoNach dieser Demonstration gestehe ich dass ich von Themen die die Weiblichkeit betreffen keine Ahnung habelaquo sagte er

raquoDas heiszligt Ihr nehmt das Gesagte zuruumlcklaquo drang Diego in ihn

Fuumlr einen Moment erstarrten die Gesichtszuumlge des Marquis bis er sich erneut hinter seinem Laumlcheln versteckte

raquoIch nehme meine Worte zuruumlck ExzellenzlaquoAlle applaudierten amuumlsiert Der Marquis und Diego tausch-

ten einen Blick in dem Wissen dass sie in dieser Schlacht beide Schaden davongetragen und Truppen verloren hatten Und ange-sichts der Art und Weise wie sich Sentildeorita Belmonte verabschie-dete wurde Diego klar dass der groumlszligte Verlust den er erlitten hatte sich erst noch zeigen wuumlrde Daher entschuldigte er sich kurz und eilte seiner Koumlchin hinterher um sie um Verzeihung zu bitten waumlhrend die Unterhaltung am Tisch wieder ihren norma-len Verlauf nahm

Er entdeckte sie im Gang wo sie rasch voranschritt als wolle sie sich so schnell wie moumlglich in der Kuumlche in Sicherheit bringen Er rief ihren Namen um sie aufzuhalten doch erst nachdem er ein zweites Mal gerufen hatte blieb sie stehen

raquoSentildeorita Belmonte ich moumlchte mich fuumlr das was geschehen ist entschuldigen Ich habe nicht helliplaquo

raquoExzellenz ich kann mich in meinem ganzen Leben nicht an einen Moment erinnern an dem ich mich derart erniedrigt

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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gefuumlhlt habe wie heute Abendlaquo sagte sie mit vor Zorn blitzen-den Augen

raquoSentildeorita Belmonte das war eine unentschuldbare Dummheit meinerseits und es tut mir furchtbar leid helliplaquo

raquoVergesst eslaquo sagte sie und erhob fuumlr einen Moment die Stimme raquoVergesst es Exzellenz Ihr seid mein Herr aber nicht mein Besitzer Ich bin keine Trophaumle die man bei einer Wette gewinnt Jeder anstaumlndige Mensch sollte das wissenlaquo

Ihre Worte trafen ihn in seinem tiefsten Inneren Denn er war vor allem anderen ein anstaumlndiger Mensch ungeschickt vielleicht aber houmlchstanstaumlndig Doch er zwang sich zur Ruhe und sagte sich dass der Zorn und die Wehrlosigkeit ihr die Worte diktiert hatten Dann versuchte er ihr deutlich zu machen dass es abso-lut nicht in seiner Absicht gelegen hatte sie auf diese Art vorzu-fuumlhren Sie houmlrte ihm am ganzen Koumlrper zitternd und noch unter dem Eindruck der erlittenen Erniedrigung stehend zu und trat dann mit dem Blick eines verletzten Tiers an ihn heran

raquoIch werde weder jetzt noch in der Zukunft dulden dass Ihr oder jemand anderes mich behandelt als waumlre ich ein Preis den man durch eine Wette gewinntlaquo sagte sie herausfordernd raquoJeder anstaumlndige Mensch duumlrfte wissen dass man so etwas nicht tutlaquo wiederholte sie

raquoSentildeorita Belmonte ich glaube dass Ihr ein wenig uumlber-treibt helliplaquo sagte er mit inzwischen vor Wut angespanntem Kiefer raquoIch bin ein anstaumlndiger Mensch helliplaquo

raquoNeinlaquo schnitt sie ihm kategorisch das Wort ab raquoEs mag sein dass ich nur eine Koumlchin bin und Ihr Exzellenz uumlber die Macht verfuumlgt uumlber alles zu bestimmen aber ich werde niemals zulas-sen dass helliplaquo

raquoSeid stilllaquo schrie er auszliger sich vor ZornraquoIch bin Euer Herr und der Herr in Castamar und ich befehle

dass Ihr jetzt still sein sollt Ich versuche mich zu entschuldigenlaquoraquoAber diese einfache Koumlchin nimmt Eure Entschuldigung

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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nicht an Exzellenz Ich wuumlnsche dieses Haus zu verlassenlaquo sagte sie mit vor Zorn geroumlteten Wangen

raquoNein Ich wuumlnsche nicht dass Ihr gehtlaquo sagte er kategorischraquoDann muss ich wohl annehmen dass ich hier in Castamar

ausharren muss wie Sentildeor MelquiacuteadeslaquoraquoNatuumlrlich nichtlaquo bruumlllte erDaraufhin blieb es still und sie senkte den Kopf um sich die

Traumlnen abzuwischen Er strich sich uumlber den Gehrock und ging zwei Schritte weil er keine Ahnung hatte wie er weiter verfah-ren sollte Ploumltzlich wallten so viele Gefuumlhle in ihm auf dass er nicht wusste ob er sich gehen lassen und sie kuumlssen oder sie in die Kuumlche schicken sollte Er bemuumlhte sich die Kontrolle wieder-zugewinnen spuumlrte jedoch nur dass sie ihm immer mehr entglitt In diesem Moment erschien Alfredo in der Tuumlr und teilte ihm mit dass die koumlnigliche Kutsche mit dem Gefolge Ihrer Majes-taumlten in Sichtweite sei

Sie hatte sich abgewandt als sein Freund aufgetaucht war weil sie nicht wollte dass man sie weinen sah waumlhrend er sich vor sie stellte um sie zu verdecken und nickend so tat als waumlre alles in Ordnung Als Alfredo wieder verschwunden war drehte Diego sich erneut zu ihr um Er betrachtete sie wie sie zitternd wie ein verwundetes Tier vor ihm stand Daraufhin versuchte er ruhi-ger mit ihr zu reden bis sie ihn um Erlaubnis bat in die Kuumlche zuruumlckkehren zu duumlrfen und er nicht mehr wusste was er noch sagen sollte Er sehnte sich danach sie zu umarmen ihr zu ge-stehen dass er einen Fehler gemacht habe dass er ein Dumm-kopf gewesen sei dass er sich von seinem Stolz habe verleiten lassen hellip als er die Stimme seiner Mutter houmlrte die ihn rief da die Ankunft des Koumlnigs unmittelbar bevorstand

raquoIhr koumlnnt Euch zuruumlckziehenlaquo erklaumlrte er ergebenEr sah ihr nach waumlhrend sie durch den Gang verschwand und

warf sich vor sich wie ein Idiot verhalten zu haben Er als Gastge-ber hatte zugelassen dass Don Enrique die Situation kontrollierte

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