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Die Geburt eines Zebras (Equus quagga böhmi Matschie)

Date post: 01-Oct-2016
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Aus dern Mic~~ael-Grzimek-Gedac~3tnis-Instirut, Banagi, Serengeti, Tanzania Die Geburt eines Zebras (Eqzm quagga bohrni Matschie) Von HANS und UTE KLINGEL~) hlit 6 Abbildungen Eingegangen am 23. JitIi 1965 Am 29.1. 1965 konnten wir die Geburt beim wilden, freilebenden Steppen- zebra im Ngorongoro-Krater in Tanzania, Ostafrika, aus etwa 60 m Ent- fernung vom Gelandewagen aus beobachten. 4 Stuten, ein Hengst, ein einjahrigcs und 2 neugeborene Fohlen bildeten die Familie. Die fohlende Stute lag flach auf der Seite; die gestreckt ge- spreizten Beine schlugen verkrampft riicltwarts. Die anderen Stuten und die Fohlen wcideten in etwa 50 ni Entfernung; der Hengst stand dazwischen, 20 m von ihr entfernt, und lieii uns wahrend der ganzen Zeit nicht aus den Augen. Das Protolioll gibt iiber die wichtigsten Vorgange im einzelnen Aufschlufl: 11.10: 9 liegt flach auf der Site, schligt niit den Beinen. Kopf und Vorderbeine dcs 1:ohlcns sind schon ausgctreten, aber noch viillig von den Eiiibry onalhiuten umschlosscn. 11.12: Fohlen wird viillig nusgetriebcn und liegt qucr hinter der Mutter (Abb. 1 a); sic retzt sich auf, blcibt niit untcrgcschlagenen Beinen ruhig liegen, leckt sich das Maul. Das b'ohlen stranipelt niit den Beinen, hebt und schiirtclt den Kopf wid reilit dabci die Embryonal- hiillen vorne auf. Der Kopf bleibt, bis auf das Maul, noch bedeckt. 11.15: Fohlen versucht aufzusteheii, kommt aber nur halb hoch. 9 liegt ruhig, ledct sich das Maul, schaut sich gelegentlich nach dem Fohlen uni. Abb. 1: a) Stute mit soeben geborencni Fohlen. Im Hintergrund einc Stute mit einjahrigcm Fohlen der glcichen Familie. b) Fohlen hat Kopf freigeschiittelt. Im Hintcrgrund der Hcngst I) hlit Untcrstiitzuiig der Food and Agriculture 0rg.inisation der Vereinten Nationen, Jcr Fritz-Thyssen-StiTtung, der Michael-Grziniek-Stiltung, der Tanzania National Parks und dcr Ngorongoro Conscrvation Unit. Anschrift: Zoologisches Institut des T. H. Braunschweig.
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Aus dern Mic~~ael-Grzimek-Gedac~3tnis-Instirut, Banagi, Serengeti, Tanzania

Die Geburt eines Zebras (Eqzm quagga bohrni Matschie)

Von HANS und UTE K L I N G E L ~ )

hlit 6 Abbildungen

Eingegangen a m 23. J i t I i 1965

Am 29.1. 1965 konnten wir die Geburt beim wilden, freilebenden Steppen- zebra im Ngorongoro-Krater in Tanzania, Ostafrika, aus etwa 60 m Ent- fernung vom Gelandewagen aus beobachten.

4 Stuten, ein Hengst, ein einjahrigcs und 2 neugeborene Fohlen bildeten die Familie. Die fohlende Stute lag flach auf der Seite; die gestreckt ge- spreizten Beine schlugen verkrampft riicltwarts. Die anderen Stuten und die Fohlen wcideten in etwa 50 ni Entfernung; der Hengst stand dazwischen, 20 m von ihr entfernt, und lieii uns wahrend der ganzen Zeit nicht aus den Augen.

Das Protolioll gibt iiber die wichtigsten Vorgange im einzelnen Aufschlufl: 11.10: 9 liegt flach auf der S i t e , schligt niit den Beinen. Kopf und Vorderbeine dcs

1:ohlcns sind schon ausgctreten, aber noch viillig von den Eiiibry onalhiuten umschlosscn. 11.12: Fohlen wird viillig nusgetriebcn und liegt qucr hinter der Mutter (Abb. 1 a); sic

retzt sich auf, blcibt niit untcrgcschlagenen Beinen ruhig liegen, leckt sich das Maul. Das b'ohlen stranipelt niit den Beinen, hebt und schiirtclt den Kopf wid reilit dabci die Embryonal- hiillen vorne auf . Der Kopf bleibt, bis auf das Maul, noch bedeckt.

11.15: Fohlen versucht aufzusteheii, kommt aber nur halb hoch. 9 liegt ruhig, ledct sich das Maul, schaut sich gelegentlich nach dem Fohlen uni.

Abb. 1: a) Stute mit soeben geborencni Fohlen. Im Hintergrund einc Stute mit einjahrigcm Fohlen der glcichen Familie. b) Fohlen hat Kopf freigeschiittelt. Im Hintcrgrund der Hcngst

I ) hlit Untcrstiitzuiig der Food and Agriculture 0rg.inisation der Vereinten Nationen, J c r Fritz-Thyssen-StiTtung, der Michael-Grziniek-Stiltung, der Tanzania National Parks und dcr Ngorongoro Conscrvation Unit. Anschrift: Zoologisches Institut des T. H. Braunschweig.

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Abb. 2: Erstcs Stchen. Die Em- bryonalhullcn bedeckcn noch Riik- ken iind Minterhand

11.19: Fohlen hat den Kopt' ireigeschuttelt (b). Familie hat sich auf 80 m entfcrnt, aber der Hcngst ist noch in dcr Nlhc.

11.20: Fohlcn versucht, wie- der vcrgcblidi, sich aufzurichten, kriecht dabei niit nach vornc ge- richtctcn Vordcrbeinen rudtartig vorwiirts.

11 2 3 : Folilen, hinten noch cingehiillt, stcht e twa 30 Sck. lang brcitbeinig und zitrcrnd (Abb. 2 ) und legt sich wieder hin.

11.24: Vergcblichcr Aufstch- versuch.

11.25: Stute sreht auf ; sic ist vijllig sauber, keiiic Zeichen vo:i I~r~ichtwasscr an den Hinterbeinen. Ilie Nachgeburt i.;t tchon aus- gesyoihi. Sie gcht zuni Folilcn, l~crreclir (Abb. 3 a) unJ beleckt es obcrflichlich 1 Min. lang anal, da- i:ach am Maul u n d am Bauch. Als cia5 Fohlen aufzustehcn versucht, rutschen die Ilmbryonalhiiute wci- icr nnch hintcn.

11.28: Fohlen stcht auf , voii linibryonalhiuten frei; Q beleckt cs aria1 und dorsal. 9 bclcckt die .:m Lhdcn licgcnden H i u t e .

11.30: 9 bck.iut die Hiiute (h ) , nininit aber offenbar nichts davon auf.

11.31: Erstc Schritte des I~ohlcns; Q belcckr cs an After, Schwanz, Vordcrbeinen und Ruk- 1 en. Fohlen stelit quc r unter dein Iiopf de r Stutc, geht breitbcinig iriid schwankcnd wiedcrholr einige khr i t tc .

11.34: (2 hijrt auf, sich dau- crnd das Maul zu lecken.

11.37: Fohlen \ucht ani Uauch il-r Stutc, wird voti ihr niit den1 I<opf gcschobcn. bcriihrt mit den1 Mnul das Euter, t r inkt aber nicht. 1,:s ;;z!!t nichrmnls i:n Kreis urn die 5tu:e herum (c).

11.38: \Vcitcrcs Umlireisen, jet2.t .chon sichcre Schritte.

tI..:O: Q bclcckr FohIen dor- \.11.

Abb. 3 : Stutc a) beriecht das Foh- len, b) kaut an den Enibryonal- h u t e n , c) Fohlen uinkreist die Stutc

74 HANS und UTF KLINGEL

Abb. 4: Fohlen a) findet das Euter, b) setzt Darni- pcch ab

11.41: Fohlen geht vtjllig ge- ordnet, umlircist die Mutter, blcibt hinten und v c m c bci ihr stehen, oh ii c s ieh ~ i i xu Ich n en.

11.43: 9 beleckt Fohlen anal. 1 1.44: Zwci Geier (Pseudogyps

ufricanus) landen 5 ni voii Stute und Fohlen entfernt und verschlingen Nachgcburt und Enibryonalhautc. 9 geht 100 m weiter, Fohlen an ihrer Schulter oder etwas von ihr.

Anschlieiiend wandern Stutc uiid Fohlen zur iibrigen Familie, die das Neugeborcne anschcincnd nichc beachtet. Es sucht zwischen den Vor- derbeiiien und an1 Bauch der Mutter, findet schlicl3lich das Euter und be- lcckt es (Abb. 4 a). 67 Min. nach der Austreibung trinkt es etwa 30 Sck., 6 Min. spi tcr schon anderthalb Min. lang. 90 Min. nach dcr Austreibung fril3t die Stutc wiedcr und gibt etwas Urin ab. Sie bclcckt das Fohlen anal, das daraufhin 92 Min. nach dcr Gc- hurt mit erhobenem Schwanz das Darmpech (Meconiuni) abgibt (b). Die Stute beachtet das Darmpech nicht; sie fril3t einige Meter neben den1 Fohlen. Nach 2 Std. legt sich das Fohlen mit untergeschlagenen Bcincn neben die Stute. Wihrend dcr ersten 4 Std. trinkt es 12mal 30 Sek. bis zweieinhalb Miii. lang, zusani- men 14 Min. Es unikrcist die Stute

immer wieder. Die Stutc fril3t odcr ruht, gelegentlich hcriecht und beleckt sie das Fohlen 311

vcr5chiedenen Stellcn. Nach 4 Stunden zog dic Paniilic langsani weiter ab.

I n 3 anderen Fallen standen Stute und Fohlen schon, als wir sie zu sehen bekamen; die Nachgeburten waren noch nicht ausgestoiXen, und die Embryonal- haute hingen den Stuten aus der Vulva heraus auf die Hinterbeine (Abb. 5). Die Nachgeburtcn fielen zu Boden und blieben unbcachtet liegen. Sie durften, geschatzt nach der Standfestigkeit und dem ersten Tr inken des Fohlens, spatestens anderthalb Std. nach der Geburt ausgestol3en wortleii sein. Bei der erstbeschriebenen Gcburt t r a t sie schoii innerhalb der ersten 13 Min. aus. I n einem weiteren Fall lag cine vollstandige Nacheeburt niit Embrvonalhauten

Abb. 5 : Stute mit neugeborenem Fohlcn; Nachgeburt noch nicht ausgestolien

" einige m neben einer Stutc mit neugeborenem Fohlen. Demnach hat keine Stute die Nachgeburt gefressen, meist blieb sie ga in unbeachtet.

Die kurzcn Berichte WACKEKNAGELS (1965) und WALTHEKS (1961) von Zc- brageburten in Gefangen- schaft stimmen mit diescn ~reilandbeobachtuiigen im w esen t 1 ichen nu r frail die Stute im Zoo den Kot des Fohlens (WACKER-

ube r ei n ,

Die Geburt cines Zebrac (Eqcrus quugga bohrnr Marrchie) 75

NAGEL 1965), in freier N a t u r beachtete sie ihn nicht. Auch die Angriffe cks Hengstes gegen das Fohlen (HEDIGER 1954, PA-- scheinen (;efangenschaftserscheiiiungen zu sein. Weder den Hengst noch anderc 1;aniifienmitgliedcr hahen wir im Freiland ein Fohlcn angreifen, meist schienen \ie es gar nicht zu beachtcn. Aber wenn sie sich &in Fohlen naherten, drangte sich die Stute drohend dazwischen und verjagte sic. So erging ec einein ein- jahrigcn Stiefgeschwistcr, dds rnit vorgestrecktem Hals in typischer Begru- llungshaltung auf' das cine Std. alte Fohlen zuging (Abb. 6) und dem Familien- hengst, als er beim Weiden den1 Folilen nahekam.

rlbb. 6: Stu tc v e r j a q ein einjihriges Faniil ienmitglied, das ihr cine-Stunde-nltcs Fohlen bcgriilkn nrolltc

So verhalteii sich offenbar alle Stuten, aber nur in den ersten Tagen nach der Geburt. Fohlcn folgen in der ersten Lebenswoche dem ersten besten Objekt, das sich in ihrer unmittelbaren Nahe bewegt. Drei neugeborene Fohlcn, die wi r zur Feststellung des Zahnzustandes und des Gewichts (KLINGEL 1965) irn Schlaf fingen, blieben anschlieflend ruhig beim Wagen stehen, liei3en sich streicheln und nahmen lieine Not iz von ihren Muttern, die in 30 m Entfernung laut rufend auf sie warteten. Sie folgten den1 weglahrenden Wagen mehrere 100 m weit"), bis ihncn ihre Mutter schliefilich den Weg abschnitten, worauf sie ebenso bercitwillig diescn folgten.

Das Bemuhen der Stuten, kein anderes Tier an das neugeborene Fohlen heranzulassen, dur f te mit der kritixhen Periode der Pragung des Fohlens auf die Mutter zusamnicnhangen. Es verhindert, dal's das Fohlen mit einem anderen Tier der gleichen oder g,ar einer fremden Familie mitlauft. Wenige Tage nach der Geburt kennt es seine Mutter pcrsonlich; wohl entfernt es sich oft auch stundenlang von ihr, uin niit anderen Iamilienmitgliedern zu spielen, findet sich danach aber miihelos zur Mutter zut-iick (KLINGEL 1961).

Als einzigcs Tier dcr Familie beacliret der Hengst die Geburt: er bewacht die fohlende Stute und verteidigt sie gegen Hyanen (Crocuta cvocuta). Eiiic Stute mit eineni 2 Std. alten €ohlei1 lief beim Nahen einer H y a n e zu den iibrigen Familieiimitgliedern, die in 50 m Entfernuiig weideten, und versteckte sich hinter ihnen. Es wurde auch mehrfach beobachtet, dai3 Stuten mit kleinen Fohlen Hyanen aiigrifl'cn und in die Flucht schlugen.

dcn Veildwnrtcn uiid tliologen i i i der Serengeti bcobnchtet wurde. *) Entsprechend verli.iltcn sich iicugeborenc verlassene Fohlen, w a jihrlich mehmmnls von

76 HANS und UTE. KLINGEL

Zusammenf assung

Das Fohlen wurde von der auf der Seite liegenden Stute ausgetrieben und war zunachst vollig von den Embryonalhauten umschlossen. Es befreite sich selbstandig daraus, stand nach 11 Min. und tat 19 Min. nach der Geburt die ersten Schritte. Nach 32 Min. legte es gr6fiere Entfernungen zuruck, und nach 44 Min. machte es erste Galoppspriinge. 67 Min. nach der Geburt trank es zum erstenmal, und nach 92 Min. gab es das Darmpech ab.

Die Stute beleckte das Fohlen oberflachlich an verschiedenen Korper- stellen. Die Nachgeburt wurde in einem Falle gleich nach der Geburt, in drci anderen Fallen nach spatestens anderthalb Std. ausgestoflen. Die Stute bekaute Embryonalhullen und Nachgeburt, frafl sie aber nicht.

Der Hengst bleibt wahrend der Geburt in der Nfhe und beobachtet auf- merksam. Er treibt die Stute nicht und greift das Fohlen nicht an. Die ubrigen Familienmitglieder sind wahrend und nach der Geburt kaum interessiert; sie werden, wie auch der Hengst, bei Annaherung an das Fohlen von der Stute vertrieben. Stute und Fohlen verstecken sich vor Hyanen hinter den anderen F am il ienmi t g liede rn .

Summary

Birth takes place with the Zebra mare lying flat on her side. The foal is at first completely enclosed by the embryonic membranes. I t extricates itself from these without help. Eleven min. after birth the foal stands, and after 19 min. makes its first steps. After 32 min. it can walk a reasonable distance and after 44 min. it is able to canter. It suckles 67min. after birth and drops the meconium after 97 min. The mare licks different parts of the foal's body superficially. The afterbirth is dropped in the time from directly after parturition up to 1' /2 hours afterwards. The mare chews the embryonic membranes and the afterbirth, but does not eat any of it.

The stallion stays near the mare during birth and watches closely. H e does not chase the mare nor attack the foal. The other members of the family are not interested during or after the birth. O n approach they, and the stallion as well, are chased away by the mare. Mare and foal hide behind the other members of the family when hyenas approach.

Literaturverzeidrnis HEDIGER, H. (1954): Skizzcn zu einer Tierpsychologie im Zoo und im Zirkus, Bucher-

gilde Gutenberg. Zurich . KLINGEL, H. (1964): Zur Sozialstruktur des Steppenzebras (Equus quagga bohmi Matschie). Naturwiss. 14, 347 Ders. (1965): Notes 01: tooth development and ageing criteria in the Plains Zcbra Equus quagga boehmi Matschie. E. Afr. Wildl. J. 3, 127-129 . WACKERNAGEL, H. (1964): Grants Zebra, Equus burchelli boehmi, at Bade Zoo, a Contribution to breeding biology. International Zoo Yearbook 5, 38-41 WALTHER, F. (1961): Beobachtungen uber die Mutter-Kind-Beziehungen und die Rolle des Hengstes bei der Aufzucht eines Fohlens von Equus quagga boehmi. Georg von Ope1 - Freigehege fur Tierforschung e. V. Jahrbuch, 3, 44-52.


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