Die Entwicklung des KörperbegriffsDie Entwicklung des Körperbegriffs
Präsentation erstellt von: Marina Müller
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Gliederung
Vorgeschichte Explizite Einführung des Körperbegriffs Axiomatisierung Bezug zur modernen Algebra
Biographien der Hauptakteure
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Vorgeschichte
großer Zusammenhang: Entwicklung der Galoistheorie im 19. Jahrhundert
Ausgangspunkt für Galois: Gaußsche Theorie der Kongruen-zen modulo p (p Primzahl) Gauß hatte nachgewiesen, dass die Restklassen mod p addiert und multipliziert werden können und sich bzgl. dieser Verknüpfungen genauso verhalten wie die rationalen Zahlen, also einen Körper bilden (ohne den Körperbegriff zu benutzen)
Kronecker beschäftigte sich mit Galoisschem Werk: Konzen-tration auf Aufklärung der körpertheoretischen Aspekte des Auflösungsproblems algebraischer Gleichungen mit Radikalen
Basis: Kummers Theorie der idealen Zahlen (Ideale)
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Vorgeschichte
Kronecker wollte arithmetische Studien mit algebraischen Untersuchungen zur Galoistheorie verbinden und vereinigte die in beiden Gebieten enthaltenen impliziten Vorstellungen zum Körperbegriff
erkannte dabei zentrale Rolle des Körperbegriffs für Algebra und Zahlentheorie
1856: 2. Abhandlung Kroneckers: Konzentration auf reelle Erweiterungskörper der rationalen Zahlen
deutliche Hervorhebung des (impliziten) Körperbegriffs Dedekind arbeitete am gleichen Untersuchungsgegenstand,
hatte aber völlig andere Grundauffassung
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Vorgeschichte- Grundauffassung Kronecker:
Anhänger einer konstruktiven Herangehensweise an die Begründung der Mathematik
mathematische Begriffsbildungen und Beweise sollten in endlich vielen Schritten nachvollziehbar sein und im Ergebnis zur Konstruktion des jeweiligen Objekts führen
unannehmbar: Definition von Begriffen mit Hilfe unendlicher Mengen ohne Angabe, wie man von einem Objekt entscheiden kann, ob es zur Menge gehört
Hauptziel: irrationale Zahlen zu vermeiden und die gesamte Mathematik auf ganze Zahlen und damit unmittelbar verknüpften Gesetzen/ Begriffen zu begründen (d.h. arithmetisieren)
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Vorgeschichte
- Grundauffassung Dedekind: einer der Schöpfer der modernen Mengenlehre hat mit seinen Vorstellungen, grundlegende Begriffe der
Mathematik als Mengen mit Struktur zu bestimmen und sie durch innere Eigenschaften zu charakterisieren, am strukturellen Wandel der Zeit mitgewirkt
hat frühzeitig erkannt, dass die Darlegung mathema-tischer Sachverhalte/ Zusammenhänge mit dem Über-gang zu abstrakteren Begriffen größere Klarheit und mathematische Strenge gewinnen kann
trotz Konkurrenz respektvoller Umgang von Dedekind und Kronecker miteinander
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Explizite Einführung des Körperbegriffs
1871: Herausgabe der zahlentheoretischen Vorlesungen von Dirichlet durch Dedekind, versehen mit eigenen Supplemen- ten (u. a. Untersuchungen über algebraische Zahlen)
Verbindung der Gaußschen Ideen mit modernen Denkweisen, Verallgemeinerung
X. Supplement der 2. Auflage enthält erste „Körperdefini-tion“, Überarbeitung bis zur 4. Auflage (dann XI. Supplement)
Dedekind präsentierte vollständige Theorie und eröffnete einen völlig neuen Blick auf die Dinge
Dedekind wollte „einen Begriff einführen, welcher wohl geeignet scheint, als Grundlage für die höhere Algebra und die mit ihr zusammenhängenden Teile der Zahlentheorie zu dienen“. (Dedekind, 21871, S. 424.)
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Explizite Einführung des Körperbegriffs
Begriffsdefinition des Körpers inkl. seiner Eigenschaften steht am Anfang der Untersuchungen über algebraische Zahlen
1. Definition Dedekinds (2. Auflage): „Unter einem Körper wollen wir jedes System von unendlich
vielen reellen oder complexen Zahlen verstehen, welches in sich so abgeschlossen und vollständig ist, dass die Addition, Subtraction, Multiplication und Division von je zweien dieser Zahlen immer wieder eine Zahl desselben Systems hervorbringt. Der einfachste Körper wird durch alle rationalen, der größte Körper durch alle [komplexen] Zahlen gebildet.“ (Dedekind, 21871, S. 424.)
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Explizite Einführung des Körperbegriffs
Umformulierung bis zur Herausgabe der 4. Auflage: „Ein System A von reellen oder complexen Zahlen a soll ein
Körper heißen, wenn die Summen, Differenzen, Producte und Quotienten von je zwei dieser Zahlen a demselben System A angehören.
Dieselbe Eigenschaft sprechen wir auch so aus, dass die Zahlen eines Körpers sich durch die rationalen Operationen (Addition, Subtraction, Multiplication, Division) reproduciren. Hierbei sehen wir es als selbstverständlich an, dass die Zahl Null niemals den Nenner eines Quotienten bilden kann;
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Explizite Einführung des Körperbegriffs
wir setzen deshalb auch immer voraus, dass ein Körper mindestens eine von Null verschiedene Zahl enthält, weil sonst von einem Quotienten innerhalb dieses Systems gar nicht gesprochen werden könnte.
Offenbar bildet das System R aller rationalen Zahlen einen Körper, und dies ist der einfachste oder, wie man auch sagen kann, der kleinste Körper, weil er in jedem anderen Körper A vollständig enthalten ist.“ (Dedekind, 41871, S. 452f.)
erstmals explizite Körperdefinition, bei der der Körper selbst und nicht seine Elemente Gegenstand der Betrachtung waren
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Explizite Einführung des Körperbegriffs heutige Körperdefinition: „Ein Körper besteht aus einer Menge K von Elementen zusammen mit zwei
Verknüpfungen + und •, die je zwei Elementen x, y є K wieder ein Element x+y bzw. x•y von K zuordnen. Damit eine solche Struktur Körper genannt wird, müssen die folgenden drei Gruppen von Gesetzen für alle x, y, z є K erfüllt sein:
1. Gesetze der Addition: Assoziativität: (x + y) + z = x + (y + z) Existenz und Eindeutigkeit des neutralen Elements: Es gibt genau ein Element
von K, das wir 0 („Nullelement“) nennen, für das gilt: 0 + x = x. Existenz und Eindeutigkeit inverser Elemente: Zu jedem x gibt es genau ein
Element, das –x nennen, für das gilt: x + (-x) = 0. Kommutativität: x + y = y + x
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Explizite Einführung des Körperbegriffs
2. Gesetze der Multiplikation: Assoziativität: x•(y•z) = (x•y)•z Existenz und Eindeutigkeit des neutralen Elements: Es gibt genau ein vom
Nullelement verschiedenes Element, das wir 1 („Einselement“) nennen, für das gilt: 1•x = x•1 = x.
Existenz und Eindeutigkeit inverser Elemente: Zu jedem x ≠ 0 existiert genau ein Element, das wir x-1 nennen, für das gilt: x•x-1 = 1 = x-1•x.
Kommutativität: x•y = x•y 3. Distributivgesetz: x•(y + z) = x•y + x•z (Beutelspacher, 62003, S. 24f.)
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Explizite Einführung des Körperbegriffs
im Vergleich zur heutigen Körperdefinition fehlen Dedekinds Version z. B. Existenz und Eindeutigkeit des inversen Elementes für Addition bzw. Multiplikation
begründet durch die Tatsache, dass Dedekind sich nur mit Zahlkörpern (Unterkörper der komplexen Zahlen, also z. B. der Körper der reellen Zahlen) beschäftigte, diese Bedingungen also sowieso erfüllt waren
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Explizite Einführung des Körperbegriffs
Begründung des Namens: „Dieser Name soll, ähnlich wie in den Naturwissenschaften, in der Geometrie und in der menschlichen Gesellschaft, auch hier ein System bezeichnen, das eine gewisse Vollständigkeit, Vollkommenheit, Abgeschlossenheit besitzt, wodurch es als ein organisches Ganzes, als eine natürliche Einheit erscheint.“ (Dedekind, 41893, S. 452.)
Dedekind behandelte – wie bereits gesagt – nur Zahlkörper und definierte in diesem Zusammenhang weitere wichtige Begriffe für die Teilbarkeitslehre (wie Divisor, Multiplum (Vielfaches), größter gemeinschaftlicher Divisor und kleinstes gemeinschaftliches Multiplum)
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Explizite Einführung des Körperbegriffs
Bsp.: Definition ,Divisor eines Körpers‘: Ein Körper A wird Divisor des Körpers B genannt, wenn alle in A enthaltenen Zahlen auch in B liegen, d. h. der Divisor A ist ein Unterkörper von B.
Dedekind betrachtete endliche algebraische Erweiterungen des Körpers der rationalen Zahlen und beschäftigte sich in diesem Zusammenhang auf abstrakter Ebene wieder mit Problemen der Gleichungslösbarkeit in Radikalen (Galoistheorie)
Körpererweiterungen sind (nach Dedekind) Körper, die nur eine endliche Anzahl von Divisoren haben, Bezeichnung: endliche Körper
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Explizite Einführung des Körperbegriffs
Konzept algebraischer Zahlenkörper in Dedekinds Arbeit lediglich Durchgangspunkt auf dem Weg zur Einführung und Diskussion der zugehörigen Ringe ganzer algebraischer Zahlen und ihrer Ideale und Primideale
Konzept des algebraischen Zahlenkörpers 10 Jahre später von Paul Bachmann in die Galoistheorie übernommen
Dedekind vertrat Minderheitenposition innerhalb der zeitge-nössischen Algebra, da seine Auffassung sehr strukturorien-tiert war
1881: Kronecker veröffentlichte eigene Darstellung der Galoistheorie, die in Umrissen eine großangelegte Theorie algebraischer Funktionenkörper (Körper, der nur aus Funktionen besteht, Zahlkörper als Spezialfall) enthält
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Explizite Einführung des Körperbegriffs
gilt bis heute als sehr schwer lesbar, auch Dedekind hatte große Probleme und forderte systematische Ausarbeitung
Kronecker lehnte Begriff „Körper“ ab, da seiner Meinung nach dadurch für die Zahlengröße eine Vorstellung assoziiert werden können, die stärker auf die Anordnung als Maßgröße Bezug nimmt als auf die algebraischen Eigenschaften
Kronecker definierte für seine Arbeiten „Rationalitäts-bereich“ als Grundbegriff:
„Der Rationalitäts-Bereich (R´, R´´, R´´´, ...) enthält, wie schon die Bezeichnung deutlich erkennen lässt, alle diejenigen Größen, welche rationale Functionen der Grössen R´, R´´, R´´´, ... mit ganzzahligen Coefficienten sind.“
(Alten u. a., 2003, S. 509.)
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Explizite Einführung des Körperbegriffs
Dedekind selbst sagte in der 4. Auflage der Dirichlet-Vorle-sungen dazu: „Der [Körper-] Begriff fällt im Wesentlichen zusammen mit dem, was Kronecker einen Rationalitätsbereich genannt hat.“ (Dedekind, 41893, S. 452.)
nach Kenntnissen der modernen Algebra lassen sich bestimmte Analogien zwischen beiden Theorien erkennen, die allerdings auf den Dedekindschen mengentheoretischen Begriffen (wie z. B. Ideal) beruhen, welche Kronecker ablehnte
Dedekinds Theorie steht der Entwicklung der modernen Algebra als Lehre von den algebraischen Strukturen wesentlich näher als die Kroneckers
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Explizite Einführung des Körperbegriffs
Kroneckers Ideen verbreiteten sich trotz der schweren Lesbarkeit durch seine Vorträge und Vorlesungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts genoss Kroneckers Entwurf stärkere Beachtung und Verbreitung als die abstrakten Begriffe Dedekinds
auch Dedekind untersuchte nicht nur Zahlkörper, sondern stieß auch auf analoge Aussagen in Funktionenkörpern
1882: Veröffentlichung einer von Dedekind und Heinrich Weber gemeinsam ausgearbeiteten Arbeit über die „Theorie der algebraischen Functionen einer Veränderlichen“
bahnbrechende Arbeit, mit der der Körperbegriff in weitere algebraische Gebiete außer der Zahlentheorie einzog
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Explizite Einführung des Körperbegriffs
Untersuchungen zu algebraischen Strukturen (wie Ideal und Körper) vereinten zentrale Fragestellungen der Zahlentheorie und der Algebra
Kronecker lieferte durch weitere Betrachtungen wesentlichen Beitrag bei Herausbildung des abstrakten Körperbegriffs, da er damit die Reihe der Beispiele, die einen Anreiz zum abstrakten Körperbegriff boten, erweiterte
verwendete dabei aber seinen Begriff des Rationalitäts-bereichs
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Axiomatisierung
1873: Weber veröffentlichte Arbeit, die zunehmende Vertrautheit mit den körpertheoretischen Begriffen zeigte
1893: Weber veröffentlichte „Die allgemeinen Grundlagen der Galoisschen Gleichungstheorie“ - Ziel: möglichst allgemeine Begründung der Galoistheorie:
„Im Folgenden ist der Versuch gemacht, die Galois´sche Theorie der algebraischen Gleichungen in einer Weise zu begründen, die soweit möglich alle Fälle umfasst, in denen diese Theorie angewandt ist. Sie ergiebt sich hier als eine unmittelbare Consequenz des zum Körperbegriff erweiter-ten Gruppenbegriffs, als ein formales Gesetz ganz ohne Rücksicht auf die Zahlenbedeutung der verwendeten Elemente. [...]
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Axiomatisierung
Ich beginne, um vollständig klar zu sein, mit einer genauen Begriffsbestimmung des Gruppen- und Körperbegriffs, wobei besonders der Körperbegriff so gefasst ist, dass er auch auf Gebilde anwendbar ist, die bisher unter diesem Namen nicht mitbezeichnet waren, die aber doch alle für unsere Frage entscheidenden Merkmale besitzen, nämlich die endlichen Körper, im eigentlichen Sinn, d. h. Körper die nur aus einer endlichen Anzahl von Elementen bestehen.“
(Weber, Mathematische Annalen 43, S. 526.)
- zuerst axiomatische Definitionen von Gruppe und Körper
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Axiomatisierung
Körperbegriff ist dem der Gruppe untergeordnet: „Eine Gruppe wird zum Körper, wenn ihr zwei Arten der
Composition möglich sind, von denen die erste Addition, die zweite Multiplication genannt wird.
Diese allgemeine Bestimmung müssen wir aber noch etwas einschränken:
1. Wir setzen voraus, dass beide Arten der Composition commutativ seien.
2. Die Addition soll den Bedingungen 1., 2., 3. und 4. allgemein genügen. Das Einheitselement für diese Art der Composition wird Null genannt und mit 0 bezeichnet. Das aus a und b durch Addition zusammengesetzte Element wird mit a + b bezeichnet.
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Axiomatisierung
Ist a irgendein Element, so wird das nach der ersten Com-positionsart entgegengesetzte Element mit –a bezeichnet, und für a + (-b) wird a – b geschrieben. Die dadurch ausge-drückte Verknüpfung der Elemente a und b heisst Subtrac-tion.
3. Die zweite Art der Composition, ist die Multiplication, die durch einfaches Nebeneinandersetzen der Componenten ab, oder auch durch a . b oder a x b bezeichnet wird. Wir brauchen auch die Ausdrücke Product, Factoren in üblicher Weise.
4. Die beiden Arten der Composition sollen durch folgende Gesetze miteinander verknüpft sein:
α) a (-b) = -ab β) a(b + c) = ab + ac [...]“ (Weber, Mathematische Annalen 43, S. 526.)
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Axiomatisierung
- Beispiele für Körper: rationale Zahlen, algebraische Zahlkörper, endliche Körper
Weber rückte Theorie einer bestimmten Klasse von Körpererweiterungen in den Mittelpunkt der Galoistheorie (ebenso wie Dedekind in der 4. Auflage der Dirichletschen Vorlesungen)
noch kein Studium der Körper an sich als algebraische Objekte, die körpertheoretischen Untersuchungen blieben dem Ziel untergeordnet, die Galoistheorie möglichst allgemein zu formulieren
1895/96 erschien Webers „Lehrbuch der Algebra“, das deutlichen Einfluss auf Verbreitung der abstrakten Definitionen und Auffassungen der algebraischen Objekte ausübte
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Axiomatisierung
beeinflusste mehr als eine Generation von Mathematikern 1910: Ernst Steinitz vollzog mit der Arbeit „Algebraische
Theorie der Körper“ einen wichtigen Schritt in Richtung der abstrakten Algebra- Buch mit 4 Kapiteln: Grundlagen, dann algebraische,
unendlich algebraische und transzendente Erweiterungen- knüpft begrifflich an Arbeit Webers zur Galoistheorie an- hat Körperbegriff selbst als abstrakte algebraische Struktur
zum Untersuchungsgegenstand: „Während aber bei Weber das Ziel eine allgemeine, von der
Zahlenbedeutung der Elemente unabhängige Behandlung
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Axiomatisierung
der Galoisschen Theorie ist, steht für uns der Körperbegriff selbst im Mittelpunkt des Interesses. Eine Übersicht über alle möglichen Körpertypen zu gewinnen, und ihre Beziehungen untereinander in ihren Grundzügen festzustellen, kann als Programm dieser Arbeit gelten.“ (Steinitz, 1950, S. 5.)
- Körperdefinition Steinitz: „Bisher haben wir die beiden Kompositionsgesetze keiner weiteren
Bedingung als der der Eindeutigkeit unterworfen. Führen wir weitere Bedingungen ein, so gelangen wir zu besonderen Arten von Systemen mit doppelter Komposition. Unter diesen sind von besonderer Wichtigkeit die Rationali-tätsbereiche (Kronecker) oder Körper (Dedekind), Systeme, welche die nachstehenden 7 Bedingungen erfüllen:
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Axiomatisierung
1) Das assoziative Gesetz der Addition: (a+b)+ c = a +(b+c) 2) das kommutative Gesetz der Addition: a+b = b+a 3) das assoziative Gesetz der Multiplikation: (a•b)•c = a•(b•c)
4) das kommutative Gesetz der Multiplikation: a•b = b•a 5) das distributive Gesetz: a(b+c) = ab + ac 6) das Gesetz der unbeschränkten und eindeutigen Sub-
traktion: Sind a, b Elemente des Systems, so gibt es in demselben ein und nur ein Element x, für welches a+x = b wird. – Dieses Element sei mit b-a bezeichnet und die Differenz von a und b genannt, so daß allgemein a +(b-a) = b wird.“
Folgerung: Existenz und Eindeutigkeit des neutralen Elements bzw. inverser Elemente (bzgl. Addition)
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Axiomatisierung
7) „das Gesetz der unbeschränkten und eindeutigen Division: Das System enthält außer 0 noch wenigstens ein Element, und wenn a ein von 0 verschiedenes, b ein beliebiges Element des Systems ist, so gibt es in demselben ein und nur ein Element x, für welches a•x = b wird. – Wir nennen x den Quotienten von b und a, in Zeichen x = b:a.“
Folgerung: Existenz und Eindeutigkeit des neutralen Elements bzw. inverser Elemente (bzgl. Multiplikation)
(Steinitz, 1950, S. 9f.)
- Ziel, die aus den Axiomen abgeleitete algebraische Struktur logisch zu untersuchen (nicht das Axiomensystem selbst)
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Axiomatisierung
- Primkörper als grundlegende Bausteine beim Aufbau der verschiedenen Körper erkannt und erstmals in dieser Eigenschaft hervorgehoben: In jedem Körper existiert ein eindeutig bestimmter Primkörper als kleinster Unterkörper.
erstes Kriterium zur Klassifikation von Körpern ist die Unterscheidung nach dem in ihm enthaltenen Primkörper
- Unterscheidung zwischen algebraischen und transzendenten Erweiterungen
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Axiomatisierung
Steinitz entwickelte alle nötigen Begriffe und Sätze, um die Galoistheorie (ohne sie explizit aufzubauen) als Theorie der endlichen, normalen, separablen (alle Elemente der Körper-erweiterung sind separabel, d. h. ihre Minimalpolynome sind teilerfremd zu ihrer formalen Ableitung) Körpererweiterungen darzustellen
Zusammenfassung der Ergebnisse ergibt vollständige Klassifikation der endlichen Erweiterungskörper beliebiger Grundkörper und systematische Übersicht für unendliche Erweiterungen (Herleitung abstrakt auf Basis der Körperaxiome)
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Bezug zur modernen Algebra
Entwicklung der modernen Algebra (verknüpft mit Namen wie z. B. E. Noether, B. L.van der Waerden) hat sich weitgehend Dedekind angeschlossen
B L. van der Waerden äußert sich im Geleitwort zu Dedekinds „Über die Theorie der ganzen algebraischen Zahlen“ folgendermaßen:
„Evariste Galois und Richard Dedekind sind es, die der modernen Algebra ihre Struktur gegeben haben. Das tragende Skelett dieser Struktur stammt von ihnen.“
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Biographien der Hauptakteure
1) Leopold Kronecker
2) Richard Dedekind
3) Heinrich Weber
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1) Leopold Kronecker geboren am 7. Dezember 1823 im
preußischen Liegnitz gestorben am 29. Dezember 1891 in Berlin
an Lungenentzündung Sohn vermögender jüdischer Eltern Kindheit und Jugend:
- anfangs Privatlehrer- in der Schule durch Lehrer Werner für
liberale Form der christlichen Theologie begeistert
- weiterer Lehrer am Gymnasium: Ernst Eduard Kummer, der ihn ebenfalls stark beeinflusste
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1) Leopold Kronecker
- die drei Männer (Vater, Werner, Kummer) förderten ihn und planten geschickt sein zukünftiges Leben
- hervorragender, sehr vielseitiger Schüler (besondere Begabung in Mathematik, konzentrierte sich aber nicht darauf: Beschäftigung mit griechischen und römischen Klassikern, mit dem Hebräischen und der Philosophie)
1841: Studium an der Universität Berlin Vertiefung seiner philosophischen Kenntnisse, besuchte
unterschiedlichste Vorlesungen 1845: Dissertation „Über komplexe Einheiten“ zwischendurch auch Studium in Bonn
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1) Leopold Kronecker
1845 – 1853: übernimmt mit finanziellem Erfolg Güterverwaltung für seinen toten reichen Onkel
weitere Beschäftigung mit der Mathematik 1848: Hochzeit mit seiner Cousine Fanny Prausnitzer
glückliche Ehe, 6 Kinder 1861 – 1883: Mitglied der Berliner Akademie der Wissen-
schaften (hält z. B. unvergütete Vorlesungen, in denen er seine Entdeckungen vorstellt)
1883: Kronecker wird anstelle von Kummer Ordinarius in Berlin reist viel, gern gesehener Gast auf internationalen
Kongressen
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1) Leopold Kronecker
Charakter/ Leben: liebte Gesellschaft; sein Haus in Berlin wurde zu Treffpunkt für Musiker; philosophischer Zweifler; Fähigkeit, mit erfolgreichen, ihm nützlichen, Menschen Freundschaften zu schließen; guter Sportler; vorzüglicher Klavierspieler und Sänger
Statur: klein (kaum 1,60m groß) und kräftig Mathematik:
- wissenschaftlicher Gegner: Weierstraß Höhepunkt seiner Laufbahn: ausgedehnter mathema-tischer Krieg gegen ihn
- gehörte zu den wenigen, die Galois´ Theorie der Glei-chungen verstanden
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1) Leopold Kronecker
- mathematisches Ziel: Entwicklung eines Problems in genauen, prägnanten Formeln darstellen und es Schritt für Schritt zu entwickeln Künstler, der mathematische Formeln als Mittel ge-brauchte, um das Hauptthema ohne unnötige Einzelheiten darzustellen
- viele seiner fachlichen Entdeckungen haben gemeinsamen Zug: geschickte Art, in der er seine größten Interessen-gebiete zu einem schönen Gebäude zusammenfasste Bausteine der Gebäude: Theorie der Zahlen, der Gleichungen und der elliptischen Funktionen
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1) Leopold Kronecker
- Algebra eher unpopulär (im Gegensatz zu Analysis), aber Kronecker hatte immer ausreichend Zuhörer
- Kroneckers „Revolution“: Angriff auf die Analysis, versucht, bis auf die positiven ganzen Zahlen alles aus der Mathema-tik zu entfernen
- Werke: z. B. „Über die Lösung der allgemeinen Gleichung fünften Grades“ (1858)
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2) (Julius Wilhelm) Richard Dedekind
geboren am 6. Oktober 1831 in Braunschweig
gestorben am 12. Februar 1916 Vater: Julius Levin Ulrich Dedekind,
sehr vielseitiger Professor am Colle-gium Carolinum in Braunschweig
3 ältere Geschwister: Julie, Mathilde und Adolf
Kindheit und Jugend: - bestimmendes Moment der At-
mosphäre ist der christliche Geist
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2) (Julius Wilhelm) Richard Dedekind
- mit Hausmusik aufgewachsen, beschäftigte sich außer mit der Mathematik mit hauptsächlich klassischer Musik ausgezeichneter Cello- und Klavierspieler
1850: Studium in Göttingen 1852: Doktorarbeit über die Elemente der Theorie der
Eulerschen Integrale bei Gauß 1854: anerkannter, aber mittelloser Privatdozent an der
Universität in Göttingen - hat in Göttingen schnell Zugang zu den Mittelpunkten des
gesellschaftlichen Lebens gefunden- seine Vorlesungen in Göttingen hatten kaum Zuhörer
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2) (Julius Wilhelm) Richard Dedekind
- auf finanzielle Unterstützung des Vaters angewiesen 1858: Professur in Zürich am Eidgenössischen Technikum 1862: Ruf an die technische Hochschule in Braunschweig,
blieb dort bis zu seinem Tod - lebte eher zurückgezogen, um in Ruhe forschen zu können- bekam oft Besuch von namhaften Mathematikern, die ein
wissenschaftliches Gespräch mit ihm führen wollten- beteiligte sich auch am kulturellen Leben (z. B. als
Vorsitzender der Kammer der literarischen Sachver-ständigen)
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2) (Julis Wilhelm) Richard Dedekind
Familienmensch:- lebte mit seiner Schwester Julie bis zu ihrem Tod im Jahre
1924 zusammen- traf sich jeden Morgen mit seinen Geschwistern und deren
Familien (Adolf hat 3 Kinder) zum Frühstück Treffen bedeuteten ihm laut seinem Tagebuch sehr viel und ließen ihn eigene Familie nicht vermissen
- Mittelpunkt des Familienlebens: Haus in Bad Harzburg Charakter: bescheiden, anspruchslos, hohe Anforderungen an
sich selbst, nachsichtig mit anderen, verständnisvoll, gütig, nüchterner Realist, dichtete gern
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2) (Julis Wilhelm) Richard Dedekind
Mathematik:- mathematische Hauptarbeiten galten besonders der Theorie
der algebraischen Zahlen- besondere Bedeutung hatte für Dedekind die Freundschaft
mit Georg Cantor Cantor berichtete ihm über seine Probleme mit dem Aufbau der Mengenlehre, Dedekind war ein kritischer und anregender Briefpartner
- ihm und Kronecker kommt der Verdienst zu, die Grundbe-griffe der gegenwärtigen Körpertheorie algebraischer Zahlen aufgestellt zu haben
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2) (Julis Wilhelm) Richard Dedekind
- leistete grundlegenden Beitrag zur Theorie der irrationalen Zahlen, den Dedekindschen Schnitt (Konstruktionsmethode, um die reellen Zahlen als Dedekindsche Schnitte rationaler Zahlen darzustellen)
- Werke: u. a. „Stetigkeit und irrationale Zahlen“ (1858) und „Was sind und was sollen die Zahlen?“ (1888)
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3) Heinrich Weber
geboren am 05. März 1842 in Heidelberg gestorben am 17. Mai 1913 1860: Studium in Heidelberg, zeitweise
in Leipzig 1863: Dissertation 1866: Privatdozent in Heidelberg
(Habilitation) 1869: Professor in Heidelberg 1869/ 70: Professor am Eidgenössischen
Polytechnikum in Zürich 1870: Hochzeit mit Emilie Ditten-berger
mind. 1 Sohn: Rudolf
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3) Heinrich Weber 1875: Professor in Königsberg 1883: Technische Hochschule in Charlottenburg (Berlin) 1884: Professor an der Universität in Marburg 1892: Professor in Göttingen 1895: Professor in Straßburg Mitglied der Akademie der Wissenschaften: 1875 Göttingen, 1896 Berlin,
1903 München 1904: Präsident des internationalen Mathematikerkongresses in Heidelberg Mathematik:
- Arbeiten auf dem Gebiet der Algebra, der Zahlentheorie und der mathematischen Physik
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3) Heinrich Weber
- Mitarbeiter an umfassenden Lehrbüchern wichtigstes Lehrbuch: Lehrbuch der Algebra (1895)
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Quellenverzeichnis
Dedekind, Richard [Hrsg.]: Vorlesungen über Zahlentheorie von P. G. Lejeune Dirichlet, Braunschweig 21871.
Dedekind, Richard [Hrsg.]: Vorlesungen über Zahlentheorie von P. G. Lejeune Dirichlet, New York 41893 (ND New York 1968).
Dedekind, Richard: Über die Theorie der ganzen algebraischen Zahlen, Braunschweig 1964.
Steinitz, Ernst: Algebraische Theorie der Körper, New York 1950. Weber, Heinrich: Die allgemeinen Grundlagen der Galoisschen
Gleichungstheorie, in: Mathematische Annalen 43, S. 521 – 549; abgerufen unter: http://www.digizeitschriften.de/no_cache/home [Abgerufen am 05.06.06]
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Literaturverzeichnis
Alten, H. W. u.a.: 4000 Jahre Algebra. Geschichte, Kulturen, Menschen (Vom Zählstein zum Computer, Band 2), Berlin u. a. 2003.
Beutelspacher, Albrecht: Lineare Algebra. Eine Einführung in die Wissenschaft der Vektoren, Abbildungen und Matrizen, Wiesbaden 62003.
Bell, Eric T.: Die großen Mathematiker, Düsseldorf/ Wien 1967. Meschowski, Herbert: Mathematiker-Lexikon, Mannheim u. a. 31980. Scharlau, Winfried [Hrsg.]: Richard Dedekind 1831 – 1981. Eine
Würdigung zu seinem 150. Geburtstag, Braunschweig 1981. Scholz, Erhard [Hrsg.]: Geschichte der Algebra. Eine Einführung
(Lehrbücher und Monographien zur Didaktik der Mathematik, Band 16), Mannheim 1990.
Wußing, Hans/ Arnold, Wolfgang [Hrsg.]: Biographien bedeutender Mathematiker. Eine Sammlung von Biographien, Köln 1978.