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DIE ENTWICKLUNG DES JAGDRECHTES - LandesverwaltungDIE ENTWICKLUNG DES JAGDRECHTES IM SÜDLICHEN TEIL...

Date post: 22-Oct-2020
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Abb. 1 - Zwei Jagdkarten aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg, die belegen, dass es bereits damals Gemeindereviere gab, und die ärarischen Flächen (=das heutige Domänengebiet) gänzlich getrennt bewirtschaftet wurden. DIE ENTWICKLUNG DES JAGDRECHTES IM SÜDLICHEN TEIL TIROLS VOM 19. BIS ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS von Dr. Heinrich Erhard JAGDRECHT IN DER GEFÜRSTETEN GRAFSCHAFT TIROL Die Jagd wurde und wird heute in ganz Mitteleuropa als eigener, selbständiger Rechtskreis eingestuft. Dies ließe vermuten, dass – etwa im Gegensatz zum neueren Naturschutzrecht – die Jagdgesetze bereits relativ früh entstanden sind. Tatsache ist aber, dass es in der gefürsteten Grafschaft Tirol – im Gegensatz zu anderen habsburgischen Kronländern – kein eigenes Jagdgesetz gegeben hat, obwohl seit 1867 das „Landesculturwesen“ und somit auch die Jagd Zuständigkeit der Länder war. Dennoch gab es bereits vor dem 1. Weltkrieg Bestimmungen, die teilweise – direkt oder indirekt – bis in die heutige Zeit nachwirken. Bereits das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 erwähnt nämlich das Jagdrecht und stuft es als eine unbewegliche, mit dem Grundeigentum verbundene Sache ein. Und das Kaiserliche Patent vom 7. März 1849, Nr. 154 R.G. Bl., bringt die Entlastung von Grund und Boden sowie die Koppelung des Jagdrechtes an das Eigentum von Grund und Boden. Gleichzeitig aber schränkt es auch das prinzipielle Jagdrecht des Grundeigentümers auf seinem Besitz ein und gestattet nur dem Besitzer eines zusammenhängenden Grundkomplexes von mindestens 200 Joch (= 115 ha) die Jagdausübung auf diesen Eigentumsflächen. Die Mindestgröße einiger der 51 heute in Südtirol weiterhin bestehenden Eigenjagdreviere hat also ihren Ursprung in dem Kaiserlichen Patent des fernen Jahres 1849. Desgleichen hat auch die bis in die 70-Jahre des vergangenen Jahrhunderts in weiten Landesteilen geforderte Kurzhaltung des Raubwildes und der Greifvögel ihre geistig-rechtlichen Wurzeln in einer Deklaration von 1907, wo die Bekämpfung eben dieser Beutegreifer als eine wichtige Hegemaßnahme zum Schutze des (Nutz)Wildes eingestuft wird. Wenngleich das alte Tirol kein Jagdgesetz hatte, war bereits um 1900 die Jagdausübung selbst außer durch das erwähnte Kaiserliche Patent von 1849 durch verschiedene behördliche Vorschriften bis ins Detail geregelt. Einmal gab es genau festgelegte Abschusszeiten für die verschiedenen Wildgattungen“, welche nicht wesentlich von den heute geltenden Jagdzeiten der einzelnen Arten abweichen. Daneben war die Jagdausübung an die Pachtung eines Eigenjagdrechtes oder einer Gemeindejagd sowie – gemäß Statth.-Kundmachung vom 5. März 1872, Zl 3656/L.- G.Bl. Nr. 19 – an die Lösung einer Jagd-Karte bei der jeweiligen k.k. Bezirkshauptmannschaft gekoppelt. Die Legitimation zum Wildabschuss bzw. zum Wildfang und die diesbezügliche Kontrolle – damals durch die k. k. Gendarmerie sowie das Forst-, Gemeinde- und Jagd-Aufsichtspersonal, in Südtirol heute durch die
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  • Abb. 1 - Zwei Jagdkarten aus der Zeit vor dem 1. Weltkrieg, die belegen, dass es bereits damals Gemeindereviere gab, und die ärarischen Flächen (=das heutige Domänengebiet) gänzlich getrennt bewirtschaftet wurden.

    DIE ENTWICKLUNG DES JAGDRECHTES IM SÜDLICHEN TEIL T IROLS VOM 19. BIS ANFANG DES 21. JAHRHUNDERTS

    von Dr. Heinrich Erhard JAGDRECHT IN DER GEFÜRSTETEN GRAFSCHAFT TIROL Die Jagd wurde und wird heute in ganz Mitteleuropa als eigener, selbständiger Rechtskreis eingestuft. Dies ließe vermuten, dass – etwa im Gegensatz zum neueren Naturschutzrecht – die Jagdgesetze bereits relativ früh entstanden sind. Tatsache ist aber, dass es in der gefürsteten Grafschaft Tirol – im Gegensatz zu anderen habsburgischen Kronländern – kein eigenes Jagdgesetz gegeben hat, obwohl seit 1867 das „Landesculturwesen“ und somit auch die Jagd Zuständigkeit der Länder war. Dennoch gab es bereits vor dem 1. Weltkrieg Bestimmungen, die teilweise – direkt oder indirekt – bis in die heutige Zeit nachwirken. Bereits das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch von 1811 erwähnt nämlich das Jagdrecht und stuft es als eine unbewegliche, mit dem Grundeigentum verbundene Sache ein. Und das Kaiserliche Patent vom 7. März 1849, Nr. 154 R.G. Bl., bringt die Entlastung von Grund und Boden sowie die Koppelung des Jagdrechtes an das Eigentum von Grund und Boden. Gleichzeitig aber schränkt es auch das prinzipielle Jagdrecht des Grundeigentümers auf seinem Besitz ein und gestattet nur dem Besitzer eines zusammenhängenden Grundkomplexes von mindestens 200 Joch (= 115 ha) die Jagdausübung auf diesen Eigentumsflächen. Die Mindestgröße einiger der 51 heute in Südtirol weiterhin bestehenden Eigenjagdreviere hat also ihren Ursprung in dem Kaiserlichen Patent des fernen Jahres 1849. Desgleichen hat auch die bis in die 70-Jahre des vergangenen Jahrhunderts in weiten Landesteilen geforderte Kurzhaltung des Raubwildes und der Greifvögel ihre geistig-rechtlichen Wurzeln in einer Deklaration von 1907, wo die Bekämpfung eben dieser Beutegreifer als eine wichtige Hegemaßnahme zum Schutze des (Nutz)Wildes eingestuft wird. Wenngleich das alte Tirol kein Jagdgesetz hatte, war bereits um 1900 die Jagdausübung selbst außer durch das erwähnte Kaiserliche Patent von 1849 durch verschiedene behördliche Vorschriften bis ins Detail geregelt. Einmal gab es genau festgelegte „Abschusszeiten für die verschiedenen Wildgattungen“, welche nicht wesentlich von den heute geltenden Jagdzeiten der einzelnen Arten abweichen. Daneben war die Jagdausübung an die Pachtung eines Eigenjagdrechtes oder einer Gemeindejagd sowie – gemäß Statth.-Kundmachung vom 5. März 1872, Zl 3656/L.- G.Bl. Nr. 19 – an die Lösung einer Jagd-Karte bei der jeweiligen k.k. Bezirkshauptmannschaft gekoppelt. Die Legitimation zum Wildabschuss bzw. zum Wildfang und die diesbezügliche Kontrolle – damals durch die k. k. Gendarmerie sowie das Forst-, Gemeinde- und Jagd-Aufsichtspersonal, in Südtirol heute durch die

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    staatliche Gerichtspolizei, die Angehörigen des Landesforstkorps und die Jagdaufseher – haben sich somit nicht wesentlich geändert. UND IM KÖNIGREICH ITALIEN? Die jagdrechtliche und gesellschaftliche Ausgangssituation auf der Apenninenhalbinsel war zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Wesentlichen dieselbe wie in der Donaumonarchie. Nicht nur, dass Angehörige beider Herrscherhäuser, Savoyer ebenso wie Habsburger, begeisterte Jäger waren und größere Leibreviere hielten. Wie im Kaiserreich gab es damals auch in Italien kein einheitliches Gesetz, sondern es kamen weiterhin die ursprünglichen Jagdrechtsordnungen der vor der Einigung bestehenden Staaten wie des Königreiches von Piemont, Ligurien, Sardinien und der Lombardei, des Großherzogtums Toskana, des Königreiches Neapel oder des ehemaligen Kirchenstaates zur Anwendung. Daneben wurde auch hier dem Zeitgeist entsprechend zwischen Nutzwild (uccelli ed animali utili) und Schadwild (uccelli ed animali nocivi) unterschieden. Die bereits damals häufig getrennte Erwähnung der frei lebenden Vögel und (Säuge)Tiere deutet aber auch an, dass im romanischen Kulturkreis der Wildbegriff seit jeher weitläufiger ist als in den germanisch beeinflussten Ländern. Gemeinsam wiederum ist beiden damaligen Staaten, dass das jeweilige Bürgerliche bzw. Zivil-Gesetzbuch die Aneignungsmöglichkeit für frei lebende, herrenlose Tiere durch die Jagd und Fischerei sowie die Regelung dieser beiden extensiven Zweige der Landeskultur durch Sonderbestimmungen vorsehen. Doch während in der Donaumonarchie die diesbezügliche Kompetenz bei den einzelnen Kronländern lag, waren bereits im damaligen Italien die Provinzen für die Festlegung der Schuss- und Angelzeiten zuständig. Der so genannte Jagdkalender, von dem noch ausführlicher die Rede sein wird, hat somit eine mehr als hundertjährige Geschichte. Während aber – so wie bereits erläutert – im Habsburgerreich das Jagdrecht als Ausfluss des Grundbesitzes den Zugang zur Jagd auf einen kleineren Personenkreis beschränkte und dadurch die frühere feudale Berechtigungsstruktur indirekt zum Teil beibehielt, galt auf der Apenninenhalbinsel die freie Jagdausübung auch auf fremdem Territorium. Dieses, auch heute noch geltende System gewährte einem größeren Personenkreis den Zugang zur Jagd, zumal zu deren Ausübung nur der Erwerb der entsprechenden Lizenz sowie die Zahlung einer Taxe bzw. Gebühr erforderlich war. Allerdings besaßen die Grundeigentümer ein Ausschlussrecht, wenn sie ihren Besitz umzäunten. AUSWIRKUNGEN DER ITALIENISCHEN BESATZUNG AM ENDE DE S 1.WELTGRIEGES Unmittelbar nach dem Waffenstillstand am 3. November 1918 begann das italienische Heer mit der Besetzung des südlichen Tirols bis zur Wasserscheide entlang des Alpenhauptkammes. Gleichzeitig wurde das Land der Militärverwaltung unterstellt, welche bis zum 31. Juli 1919 dauern sollte. Kurz vor Übergabe der Befugnisse an die Zivilbehörde erließ dabei das zuständige Kommando der 1. kgl. Italienischen Armee (Comando della Ia R. Armata Italiana) die Verfügung vom 26. Juni 1919, Prot. Nr. 17501, mit welcher „das Waffentragen außerhalb der eigenen Wohnung sowohl für Jagdzwecke als auch zur persönlichen Verteidigung vorläufig grundsätzlich verboten“ worden ist. Dagegen wurde umgehend ein zweisprachiger Vordruck für eine Eingabe an das gebietsmäßig zuständige italienische Zivilkommissariat erstellt und an die Jagdinteressierten verteilt. Im Wesentlichen versuchte man mit diesen Sammelanträgen, die Freigabe der Jagd ab dem 15. August 1919 zu erreichen. Begründet wurde das Ersuchen im Wesentlichen mit drei Argumenten:

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    Abb. 2 - Zweisprachiger, italienischer Jagderlaubnisschein aus dem Jahr 1923

    Abb. 3 - Inzwischen nur mehr italienischsprachiger Jagdgewehrschein aus dem Jahre 1927

    1) Gemäß dem kaiserlichen Patent von 1849 hätten verschiedene Gemeinden die ihnen zugewiesene Jagd verpachtet und die politischen Behörden 1. Instanz (Bezirkshauptmannschaften, Commissa-riati civili) die erforderlichen Jagdkarten ausgestellt. Ein Jagdverbot würde deshalb den Wegfall des Pachtschillings und für die Gemeinden einen wesentlichen Einnahmen-verlust bedeuten.

    2) „Die persönliche Vertrauenswürdigkeit“ der einzelnen Jagdkartenbesitzer sei bereits geprüft worden, sodass durch die Jagdausübung die öffentliche Ordnung überhaupt nicht gefährdet sei. Zudem hätten die Jagdaufsichtsorgane bisher die amtlichen Organe bei den unterschiedlichsten Überwachungstätigkeiten unterstützt.

    3) Eine geregelte Jagdausübung sei zur

    Unterbindung des Wildererunwesens sowie zur Eindämmung der Wildschäden auf den Feldern und Kulturen unerlässlich.

    Wie schnell dieser Petition Erfolg beschieden war, konnte der Verfasser nicht herausfinden. Es ist aber anzunehmen, dass das vorübergehende Verbot des Schusswaffengebrauchs sehr bald wieder aufgehoben worden ist, zumal ja am 10. September 1919 der Friedensvertrag von Saint Germain unterzeichnet wurde. Dies bewirkte im Wesentlichen, dass – wie in den meisten anderen Bereichen – auch im Jagdsektor bis 1922 bzw. bis zur faschistischen Machtübernahme im heutigen Südtirol weiterhin das alttirolische juristisch-verwaltungstechnische System Geltung hatte. DIE FASCHISTISCHE WENDE Aufbauend auf die in Italien historisch entstandene freie Jagdausübung wurde unter dem Faschismus die Jagd ein wesentlicher Bestandteil der von der Partei gelenkten Freizeitpolitik. Die Jagd konnte sich somit zum Volkssport entwickeln; ein Umstand, der heute noch nachwirkt: Der italienische Jagdverband Federcaccia war nämlich lange und die so genannte FIDASC (Federazione Italiana Discipline con Armi Sportive da Caccia = Italienischer Verband der Sportdisziplinen mit Jagdwaffen) ist noch Mitglied des nationalen olympischen Komitees CONI bzw. dessen Aufsicht unterstellt. Andererseits maß das Mussolini-Regime dem korporativistischen Ausgleich zwischen den bestehenden Interessensgruppen große Bedeutung zu. Deshalb konnte es aufgrund seiner Machtfülle überfällige Reformen und Klassenkompromisse herbeiführen, die im

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    Bereich des Wildmanagement durchaus auch positive Folgen hatten. Die ersten italienischen Nationalparks entstanden nämlich in dieser Ära: 1922 als erster der Parco Nazionale del Gran Paradiso, 1923 der Parco Nazionale d’Abruzzo, 1934 jener des Circeo und 1935 der Stilfserjoch-Nationalpark. Vor allem aber wurde eine Neuregelung des Jagdwesens vorgenommen, welche längerfristige Auswirkungen haben sollte. Entgegen der nördlich der Alpen erkennbaren Tendenz zur sozialen Abkapselung der Jagd bzw. Öffnung derselben nur für eine erweiterte Mittelschicht war man in Italien bestrebt, kleinbäuerliche und bürgerliche Interessen am Waidwerk ebenso mit zu berücksichtigen. Als erster Schritt wurde dabei 1923 die “Legge unificatrice n. 1420 per la protezione della selvaggina e per l’esercizio della caccia“, gewissermaßen ein jagdrechtliches Vereinheitlichungsgesetz, geschaffen. Dieses allerdings beschränkte sich im Wesentlichen darauf, für die Jagdausübung die Lösung einer – praktisch an keine Voraussetzungen gebundenen – Lizenz vorzuschreiben sowie erstere auf umfriedeten Flächen an die Erlaubnis des Grundeigentümers zu knüpfen. Man verzichtet also weitgehend auf eine Regulierung und akzeptiert das überjagungsbedingte Verschwinden des Wildes in der Umgebung der Ballungszentren. Wegen der fehlenden Mobilität konnte nämlich das Jagdgebiet praktisch nur zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreicht werden, sodass im ländlichen Raum überwiegend nur Teile der dort ansässigen Bevölkerung auf die Pirsch gingen. Gleichzeitig konnten die Grundeigentümer durch Umfriedung ihrer Besitzungen und im Süden die Latifundienbesitzer durch Erhaltung der ungeschriebenen großagrarischen Vorrechte sich eine jagdlich bevorzugte Stellung schaffen bzw. sichern. Südtirol allerdings blieb wegen des weitgehend fehlenden adeligen oder kirchlichen Großgrundbesitzes von dieser Entwicklung ausgespart. Hier bestanden praktisch die bisherigen Gemeinde- und Eigenjagdreviere weiter. Der Einheitstext der Jagdgesetze des Jahres 1931 stärkte sogar das in unserem Lande bestehende Jagdsystem. Durch die Schaffung von Schongebieten (bandite) und Revieren (riserve) strebt man nämlich im gesamten Königreich Italien die längerfristige Erhaltung der jagdlich interessanten Wildbestände an und schränkte gleichzeitig erstmals die freie Jagdausübung ein: In den Schongebieten sollten sich nämlich die dort vorhandenen Wildbestände – durch einen völligen Schutz vor Bejagung – wieder erholen und dann auch die angrenzenden Gebiete wieder besiedeln. Aber auch die Reviere wurden der ursprünglichen freien Jagdausübung völlig entzogen; in ihnen durfte nur mehr mit Erlaubnis des Konzessionsinhabers dem Wild nachgestellt und dieses erlegt oder gefangen werden. Der davon ausgehende innovative Ansatz ist nicht zuletzt daran erkennbar, dass der 1935 geschaffene Nationalpark Stilfserjoch nicht als Schongebiet, sondern zum Revier erklärt worden ist. Die Jagd in diesem Schutzgebiet war also lange Zeit nicht verboten, sondern nur einer besonderen Regelung unterworfen. Dies galt jagdrechtlich bis zum Inkrafttreten des ersten staatlichen Rahmengesetzes vom 27. Dezember 1977, Nr. 968, und praktisch bis 1983, wo das Urteil der VI Sektion des Staatsrates Nr. 353/83 vom 18. März – 16. Mai 1983 das völlige Jagdverbot auch für den Südtiroler Anteil am Nationalpark bestätigte. Nach diesem zeitlichen Vorgriff wieder zurück zur Entwicklung des italienischen Jagdrechtes in der Zwischenkriegszeit: Mit kgl. Dekret vom 5. Juni 1939, Nr. 1016, wurde ein neuer Einheitstext der Jagdgesetze erlassen, welcher – mit geringfügigen Änderungen und Ergänzungen – bis zum Inkrafttreten des bereits genannten Rahmengesetzes Nr. 968/1978 gelten und in der Region Trentino-Südtirol sogar bis zur Regelung der gesamten Materie Wild – Jagd durch entsprechende organische Landesgesetze zur Anwendung kommen sollte. Dieser neue Einheitstext brachte unter Anderem eine Stärkung der faschistischen Jägervereinigung, da eine Zwangsmitgliedschaft bei dieser korporativistischen Organisation eingeführt wurde. Auch wurden in deren Interesse die ursprünglichen Wildzonen (zone faunistiche) mit Ausnahme jener im Alpengebiet wieder abgeschafft sowie die Dauer der Jagdlizenz von einem auf fünf Jahre erhöht. Da aber der Alpenbogen zu einer eigenen Wildzone (zona faunistica a sè stante) erklärt wurde, hielten sich die praktischen Auswirkungen auf das Südtiroler und Trentino Jagdsystem in Grenzen. Allerdings waren nunmehr italienweit verschiedene gefährdete oder für die Landwirtschaft nützliche

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    Abb. 4 - Jagdgewehrschein und Jagderlaubnisschein aus dem Jahre 1946 (ersterer nur italienisch, zweiter wieder zweisprachig)

    Säugetiere sowie Vögel völlig geschützt und gab es Schonzeiten für die meisten jagdbaren Arten. Daneben hatte das - für jede Provinz zu ernennende - Landesjagdkomitee alljährlich den so genannten Jagdkalender zu genehmigen, in welchem im Wesentlichen die jagdbaren Arten mit der jeweiligen Schusszeit, die erlaubten Mittel sowie die Verbote und Einschränkungen anzuführen sind. Außerhalb von Südtirol werden diese alljährlichen Jagdbetriebsvorschriften heute noch erlassen. JAGD IM ZUSTÄNDIGKEITSBEREICH DER REGION Nach dem zweiten Weltkrieg wurde mit dem 1. Autonomiestatut der Region Trentino-Südtirol unter anderem auch die Zuständigkeit im Bereich Wild und Jagd übertragen. In den ersten Jahren der Selbstverwaltung konzentrierte sich dabei die Tätigkeit auf die Reaktivierung des - damals noch

    von den Leitern der Landeslandwirtschaftsinspektorate abhängigen - Landesjagdkomitees in den beiden Provinzen. Als Anekdote sei auf die Sprach- bzw. Übersetzungsschwierigkeiten in den fünfziger Jahren hingewiesen: In den damaligen Jagdkalendern scheint das männliche Rotwild nicht mit der – in der deutschen Weidmannssprache üblichen – Bezeichnung Hirsch sondern mit dem Namen „Hirschbock“ auf. Doch bald nach Überwindung dieser anfänglichen Schwierigkeiten wurden die ersten Initiativen gestartet, um das großteils noch aus altösterreichischer Zeit stammende Reviersystem mit den wichtigsten Vorgaben des E.T. der Jagdgesetze Nr. 1016/1939 in Einklang zu bringen und dadurch besser abzusichern. Dieses Bemühen führte schließlich zur Verabschiedung des Regionalgesetzes vom 7. September 1964, Nr. 30, welches zwei wesentliche, in den Grundzügen auch heute noch geltende Neuerungen brachte nämlich:

    a) Die Unterteilung der gesamten Jagdfläche der Provinzen Bozen und Trient in so genannte Reviere von Rechts wegen (ursprünglich insgesamt 131 in Südtirol), welche grundsätzlich das Gebiet der jeweiligen politischen Gemeinde umfassten. Lediglich die Flächen der regionalen Forst- und Domänenverwaltung (= in Südtirol die Liegenschaften, welche heute zum Landesbetrieb für Forst- und Domänenverwaltung gehören) sowie die Kerngebiete des Nationalparkes Stilfserjoch wurden keinem der neu geschaffenen Reviere von Rechts wegen angegliedert. Es wurde also unter anderem auch ein Revier von Rechts wegen Martell (8.200 ha) sowie Prad und Stilfs (4.150 ha) errichtet, welch beide völlig innerhalb des Nationalparkes lagen. Außerdem wurden in dem Verzeichnis der Reviere von Rechts wegen, welches dem Regionalgesetz als Anhang beiliegt, neben den Domänenflächen auch sämtliche – zum damaligen Zeitpunkt bestehenden - Eigenjagdreviere aufgelistet.

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    Abb. 5 - Jagdreviere und Eigenjagden der Provinz Bozen. Die heutige Jagdgebiets-einteilung baut auf die Reviere von Rechts wegen des Jahres 1964 auf.

    b) Übertragung der Verwaltung sämtlicher Reviere von Rechts wegen an die jeweilige

    Landessektion des italienischen Jagdverbandes, wobei dieser für die Überlassung der Jagdflächen keinen Pacht mehr an die Gemeinden entrichten musste.

    Die Durchführungsverordnung zu diesem R.G. Nr. 30/64 regelte die Details der übertragenen Revierverwaltung und räumte der Landessektion sowie den Gemeindesektionen des italienischen Jagdverbandes die Befugnis ein, südtirolweite (= Landesjagdordnung) bzw. auf Revierebene (Revierjagdordnung) Jagdbetriebsvorschriften zu erlassen, welche allerdings erst nach der Gesetzmäßigkeitskontrolle durch die Landesregierung wirksam werden konnten. Zudem erhielten die Landessektionen des italienischen Jagdverbandes – jene von Bozen nahm bereits damals die deutsche Benennung „Landesjagdverband“ an – die Zuständigkeit, bei Gesetzesübertretungen und bei Verstößen gegen die Landes- oder Revierjagdordnungen so genannte Disziplinarstrafen d. h. ein vorübergehendes Jagdverbot auf eine oder mehrere Schalenwildarten bzw. auf sämtliches Wild zu erlassen. Gegen diese verbandsinternen Sanktionen war jedoch Aufsichtsbeschwerde an die Landesregierung möglich. Außerdem knüpfte die Durchführungsverordnung zum R.G. Nr. 30/64 erstmals das Anrecht auf die Jagdausübung in einem Revier von Rechts wegen an eine dreijährige bzw. an eine historische fünfjährige Ansässigkeit in dem entsprechenden Jagdgebiet. In diesem Zusammenhang ist zu präzisieren, dass die Südtiroler Jahres- oder Gastkarte die schriftliche Erlaubnis des Revierverwalters bzw. –Pächters darstellt, in einem bestimmten Jagdgebiet zu jagen. Nördlich der Alpen wird diese Erlaubnis meist nur mündlich erteilt. Die Jagdkarte eines österreichischen Bundeslandes (z.B. Tiroler Jagdkarte) oder der Deutsche Jagdschein hingegen werden von der jeweils zuständigen Behörde ausgestellt und entsprechen dem italienischen Jagdgewehrschein (=Jagdlizenz). Mit der Befugnis zum Erlass von Disziplinarmaßnahmen wurden der Landessektion Bozen des italienischen Jagdverbandes zwar beschränkte hoheitliche Aufgaben übertragen. Die eigentliche Jagdbehörde blieb aber weiterhin das Landesjagdkomitee, welches nicht nur den alljährlichen Jagdkalender verabschiedete, sondern unter anderem auch die Konzessionen für die Eigenjagdreviere und deren Pachtverträge genehmigte, Beiträge für Maßnahmen zur Wildschadensverhütung gewährte oder Initiativen zu Gunsten des Wildes ergriff. Daneben wurde innerhalb der Regionalverwaltung ein Inspektorat für Jagd, Fischerei und Naturschutz mit Sitz in

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    Trient und einem Amt in Bozen errichtet, welches - neben den Sekretariatsaufgaben des Landesjagdkomitees und der ab 1967 italienweit errichteten Jägerprüfungskommissionen - die verschiedenen Gesetzesentwürfe vorbereitete und auch die Verwaltungsstrafen verhängte. In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zeigte sich aber auch immer stärker, dass der Stellenwert der Jagd, die Entwicklung des Jagdrechtes und die Form der Wildbewirtschaftung unzertrennbar mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verknüpft sind. Dabei war die italienische Jagdgesetzgebung mit einem für Europa innovativen globalen Lösungsansatz gestartet. Einmal zählten laut E.T. der Jagdgesetze des Jahres 1939 sämtliche frei lebenden Säugetiere mit Ausnahme der Maulwürfe, Spitzmäuse, Bilche, Langschwänzmäuse und Wühlmäuse sowie alle frei lebenden Vögel zum Wild. Und diese Wilddefinition gilt auch heute noch mit der einzigen Änderung, dass nunmehr auch die Spitzmäuse und Bilche oder Schlafmäuse dem Jagdrecht unterliegen. Diskussionen wie in Deutschland um die Überführung einzelner frei lebender Warmblüter vom Jagd- in das Naturschutzrecht konnten und können bei uns somit nicht aufkommen. Daneben waren seit den 30-Jahren des vergangenen Jahrhunderts im 14-köpfigen Landesjagdkomitee die verschiedenen Interessensgruppen präsent. Den 6 Jägern standen 2 Bauernvertreter sowie je 3 Mitglieder der Provinzialverwaltung und des Natur- bzw. Tierschutzes gegenüber. Dennoch bedarf es legistischer Maßnahmen, um den geänderten Erfordernissen Rechnung zu tragen: 1970 wurde mit einem Regionalgesetz jeder Vogelfang mit Netzen verboten. Gleichzeitig wurde in den alljährlichen Jagdkalendern die Anzahl der jagdbaren Arten immer stärker eingeschränkt und ein Erlegungs- und Fangverbot für sämtliche Nacht- und Taggreifvögel sowie für Singvögel mit Ausnahme der Drosseln und Rabenvögel verfügt. ÜBERGANG DER ZUSTÄNDIGKEITEN AN DAS LAND SÜDTIROL In dieser Zeit des gesellschaftlichen Umbruchs, der generellen Infragestellung der bisherigen Regelungen ging 1972 mit dem zweiten Autonomiestatut bzw. mit der entsprechenden Durchführungsverordnung vom 22. März 1974, Nr. 279, die primäre Zuständigkeit für die gesamte Landeskultur und somit auch über deren beiden extensiven Zweige Jagd und Fischerei auf die Autonome Provinz Bozen über. In einer ersten euphorischen Phase glaubten viele Jäger sowie manche Vertreter derselben und Politiker, nun das Waidwerk völlig nach ihren Vorstellungen gestalten zu können. Doch bald mussten sie ihre Grenzen erkennen. Nicht nur, dass die allmählich erstarkenden Natur- und Tierschutzvereinigungen verschiedene Jagdarten wie die Balzjagd auf Auer- und Birkhahn zuerst innerhalb des Nationalparkes Stilfserjoch (bis einschließlich 1977 gab die Landesregierung solche Abschüsse frei!) und dann allgemein beanstandeten sowie später den jährlichen Jagdkalender z. T. mit Erfolg anfochten bzw. vorübergehend ein Jagdverbot erzwingen konnten. Es begannen auch immer stärker neue nationale und internationale Bestimmungen auf unser Reviersystem einzuwirken. Einmal war es das erste staatliche Rahmengesetz vom 27. Dezember 1977, Nr. 968, welches nicht nur in juridischer Hinsicht zwei wesentliche Neuerungen brachte: 1) Das Wild galt fortan nicht mehr als eine res nullius, eine herrenlose Sache, sondern es wurde

    zum unverfügbaren und geschützten Vermögen des Staates erklärt. Dies bedingte, dass eine unerlaubte Aneignung von Wild den Straftatbestand des Diebstahls unter erschwerten Bedingungen beinhalten konnte.

    2) Die bisher geltende Regelung, dass grundsätzlich alles Wild jagdbar ist, das nicht durch Gesetz

    oder den Jagdkalender völlige Schonung genießt, wurde umgekehrt. Fortan war alles Wild völlig geschützt und nur den taxativ aufgezählten 56 Vogelarten (darunter den Lerchen und

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    Finken!) und 12 Säugetieren mit Ausschluss aller Marderartigen bis auf das Mauswiesel sowie des Murmeltieres konnte nachgestellt werden.

    Konflikte und langwierige Rechtsstreitigkeiten waren somit vorprogrammiert. Doch damit nicht genug: 1978 trat Italien dem internationalen Pariser Vertrag über den Vogelschutz bei, welcher jedwede Jagd auf die Zugvögel während des Frühjahrzuges verbietet. 1979 kam dann die EWG-Vogelrichtlinie 79/409, welche grundsätzlich die Jagd während der Reproduktionszeit untersagt. (Diese Richtlinie ist inzwischen durch die Richtlinie 2009/147/EG vom 30. November 2009 ersetzt). Die Balzjagd auf die beiden Hahnen war plötzlich nur mehr als Ausnahmeregelung möglich. Und schließlich erwirkten zu Beginn der 80-Jahre des vergangenen Jahrhunderts gesamtstaatliche Naturschutzvereinigungen nicht nur das Jagdverbot im Nationalpark und die Aussetzung der Murmeltier – sondern auch der Auslesejagd auf Reh- und Rotwild. Als einziger Ausweg bot sich plötzlich nur mehr eine völlige Abkoppelung von den staatlichen Bestimmungen und die Verabschiedung eines organischen Landesjagdgesetzes an. Doch dieser Initiative stand die damalige Führung der Landessektion des italienischen Jagdverbandes teilweise skeptisch gegenüber, da sie eine Beschneidung ihrer bisherigen Befugnisse befürchtete. Den damaligen Landesrat Durnwalder allerdings konnte auch die erste Rückverweisung des Gesetzes durch die römische Regierung nicht von seinem Weg abbringen, sodass schließlich durch das L.G. vom 17. Juli 1987, Nr. 14, die gesamte Materie allumfassend geregelt wurde. Die erstmals als gleichwertig verankerte Doppelzielsetzung nämlich einerseits Erreichung bzw. Erhaltung eines artenreichen und gesunden Wildbestandes sowie andererseits Schutz der land- und forstwirtschaftlichen Kulturen vor Wildschäden sollten dabei gewährleisten: 1) Verschiedene Begriffsbestimmungen: Neben Wild und Jagd bzw. Jagdausübung - bei diesen

    beiden Begriffen war man an die staatlichen Vorgaben gebunden – wurde erstmals der Begriff Hege definiert, welche im Unterschied zu den meisten deutschen und österreichischen Landesjagdgesetzen weder ein Fütterungsverbot noch ein Fütterungsgebot in der so genannten Notzeit kennt.

    2) Festlegung der jagdbaren Tiere, wobei insgesamt 15 Vögel und 15 Wildsäuger – darunter

    auch die auf Staatsebene geschonten Arten Murmeltier, Dachs, Baum- und Steinmarder sowie Hermelin – als solche erklärt wurden. Die Schusszeiten allerdings musste das Jagdkomitee in seiner neuen Zusammensetzung weiterhin mit einem jährlichen Jagdkalender festlegen.

    3) Unterteilung der gesamten Landesfläche in vier verschiedene Kategorien von so genannten

    Jagdgebieten und zwar in:

    a) ursprünglich 143 und – wegen späterer Unterteilung des ehemaligen Großreviers Mals bzw. wegen der Neuabgrenzung des Nationalparks u. Wiedererrichtung des Reviers Prad – heute 145 Reviere kraft Gesetzes. Die Erhöhung der Revieranzahl von seinerzeit 131 Revieren von Rechts wegen laut Regionalgesetz Nr. 30/64 ist auf verschiedene Revierteilungen vor allem im Puster- und Wipptal zurückzuführen. Gleichzeitig musste – in Durchführung des bereits erwähnten Urteils des Staatrates – das ehemalige Revier Martell endgültig gestrichen werden. Das ursprünglich ebenfalls aufgelöste Revier Prad und Stilfs konnte hingegen später, wie bereits dargelegt, beschränkt auf die Etschtalsohle teilweise wieder geschaffen werden.

    b) 51 Eigenjagdreviere mit der Einschränkung, dass nur diese bei Inkrafttreten des

    Landesjagdgesetzes bestehenden „Privatreviere“ erneuert, aber keine neuen mehr geschaffen werden können. Dadurch wurde einerseits der Fortbestand von zehn großteils noch aus der Donaumonarchie stammenden kleineren Eigenjagden von über 115 ha, welche

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    Abb. 6 - Offizielle Erkennungsmarke der hauptberuflichen Jagdaufseher

    das Mindestausmaß von 150 ha nach den italienischen Bestimmungen nicht erreichten, endgültig anerkannt, andererseits aber auch unser – auf die Reviere kraft Gesetzes aufbauendes – soziales Jagdsystem weiter abgesichert. Jedes etwaige neue Eigenjagdrevier würde nämlich notgedrungen eine Verkleinerung eines oder mehrerer Reviere kraft Gesetzes bedingen. Diese Regelung d. h. das Verbot zur Errichtung neuer Eigenjagdreviere ist inzwischen auch mit Urteil des Staatsrates Nr. 843/2012 bestätigt.

    c) Erklärung des gesamten Besitzes, welcher zum Landesbetrieb für Forst- und Domänenbesitz

    gehört und außerhalb des Nationalparkes liegt (2011 rund 65.016 ha), sowie aller durch das Landschaftsschutz – oder Faunagesetz geschützten Biotope (2011: 226 Biotope von insgesamt 2.963 ha) zu Wildschutzgebieten mit grundsätzlichem Jagdverbot. Davon ausgenommen ist gemäß einer 2010 vorgenommenen Gesetzesänderung der Abschuss des jagdbaren Schalenwildes und des Fuchses in den geschützten Biotopen mit einer Ausdehnung von über 10 ha..

    d) Einstufung des gesamten Nationalparks Stilfser Joch als Schongebiet mit völligem

    Jagdverbot. 4) Übertragung der Verwaltung aller Reviere kraft Gesetzes an die in Südtirol am stärksten

    vertretene Jägervereinigung unter der Bedingung, dass diese eigene Rechtspersönlichkeit besitzt und auf Landesebene tätig ist. Wie im rechtlichen Bereich wird also auch im Verwaltungsbereich die größtmögliche Abkoppelung von den staatlichen Bestimmungen und konkret von der gesamtstaatlichen Jägervereinigung Federcaccia verlangt. Der Landeshauptmann überträgt deshalb mit Dekret vom 20. Dezember 1988, Nr. 24/VI/91, die Verwaltung der Reviere kraft Gesetzes dem neu gegründeten Südtiroler Jagdverband (SJV) - Associazione cacciatori Alto Adige (ACAA), welcher aus der ehemaligen Landessektion des italienischen Jagdverbandes hervorgegangen ist.

    5) Koppelung des Jagdausübungsrechtes in einem Revier kraft Gesetzes an den Besitz des

    Jagdgewehrscheines sowie an eine – weiterhin fortdauernde – Mindestansässigkeit von 5 Jahren oder an eine ehemalige Ansässigkeit von wenigstens 10 Jahren bzw. an das Eigentum einer landwirtschaftlichen Mindestkultureinheit oder einer Wald- bzw. Weidefläche von mindestens 50 ha.

    6) In den Revieren kraft Gesetzes Bestellpflicht von mindestens einem

    hauptberuflichen Jagdaufseher je 10.000 ha Jagdfläche sowie obligatorischer sechsmonatiger Ausbildungskurs und Eignungsprüfung für diese Jagdschutzorgane.

    7) Verpflichtung für die Verwalter der Reviere kraft Gesetzes, den

    von jagdbaren Tieren und insbesondere vom Schalenwild verursachten Schaden an landwirtschaftlichen Kulturen und in Privatwäldern zu vergüten. Die Ausklammerung der relativ großen öffentlichen Wälder von der Verpflichtung zum Wildschadensersatz ist im Hinblick auf unser soziales Reviersystem erfolgt, wo grundsätzlich durch eine gezielte Regulierung der Bestände Schäden an der Landeskultur vermieden und nur in Ausnahmefällen vergütet werden sollen. Aus den selben Überlegungen sind seit 1988 – in diesem Jahr trat die erste Durchführungsbestimmung zum Landesjagdgesetz in Kraft - neben zwei Mitgliedern des Südtiroler Jagdverbandes je ein Vertreter des Bauernbundes sowie der Forst- und Jagdbehörde in der ursprünglich fünfköpfigen Abschussplankommission mit Stimmrecht vertreten. 2010

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    wurde dieses Gremium durch ein zusätzliches Mitglied, und zwar mit einem Vertreter der Landesabteilung Landwirtschaft ergänzt. Diese heutige Zusammensetzung sollte/müsste beim jagdbaren Schalenwild sowohl eine Übernutzung als auch eine Überhege mit all ihren möglichen negativen Auswirkungen auf die Landeskultur sowie auf das Wohlbefinden bzw. die Gesundheit des Wildbestandes verhindern.

    8) Möglichkeit der Landesregierung, von nicht jagdbaren Arten verursachte Schäden an land- und

    forstwirtschaftlichen Kulturen oder an Viehbeständen zu vergüten sowie Maßnahmen zur Wildschadensverhütung zu fördern. Nicht vorhersehbar war zum damaligen Zeitpunkt die Rückkehr des Großraubwildes. Der Schadenersatz für etwaige Bär-, Wolf- u. Luchsrisse wurde deshalb mit einer späteren Novellierung des Landesjagdgesetzes geregelt.

    9) Eindeutige Zuordnung der verschiedenen Kompetenzen an:

    a) das nunmehr fünfzehnköpfige Jagdkomitee, in welches unter anderem die Jägerschaft fünf, die Landesverwaltung vier sowie der Südtiroler Bauernbund und der Dachverband für Natur- und Umweltschutz je zwei Vertreter entsandten. In den Zuständigkeitsbereich dieses Kollegialorgans fiel die Genehmigung des alljährlichen Jagdkalenders, die Erneuerung der Eigenjagderlaubnis sowie die Bewilligung der Wildgehege, während sein Präsident (= der zuständige Landesrat) Sonderabschussermächtigungen erteilen konnte.

    b) das Landesamt für Jagd und Fischerei, welchem unter anderem die Überwachung des

    Jagdschutzes, die Kontrolle über die Eigenjagden sowie die Ahndung der Verwaltungsübertretungen im Wild- und Jagdbereich übertragen wurde.

    c) die Wildbeobachtungsstelle als beratendes Organ, welches zu den meisten möglichen

    Ausnahmeermächtigungen ein wissenschaftlich-technisches Gutachten abzugeben hat. ABSICHERUNG UNSERES SOZIALEN REVIERSYSTEMS Mit der Verabschiedung des Landesjagdgesetzes sowie mit dem Erlass der entsprechenden Durchführungsverordnung war zwar die gesamte Materie erstmals umfassend geregelt worden, dennoch gab es bei dessen Vollzug bald schon Interpretationsschwierigkeiten bzw. Probleme. Bald trat auch der erste Rückschlag ein, als im Zuge der Anfechtung des Jagdkalenders mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtes vom 12. – 28. Dezember 1990, Nr. 577, die Jagd auf Murmeltiere, Dachs sowie Stein- und Baummarder als verfassungswidrig erklärt wurde. Daneben begannen auch gesamtstaatliche Bestimmungen sich erneut auf unser Reviersystem auszuwirken. Teilweise als Reaktion auf das erste Referendum zur Abschaffung des freien Betretungsrechtes für Jagdzwecke bzw. von Artikel 842 des italienischen Zivilgesetzbuches wurde das Jagdrahmengesetz Nr. 968/1977 durch das Gesetz vom 11. Februar 1992, Nr. 157, ersetzt. Und dieses, heute noch geltende neue Rahmengesetz enthält einige Reformgrundsätze nämlich:

    a) die Verpflichtung zu einer jagdlichen Gebietseinteilung, wobei im Alpenbereich 10 bis 20 Prozent der Wald-, Weide- und landwirtschaftlichen Gründe (territorio agro-silvo-pastorale) als Jagdverbotszonen auszuweisen sind,

    b) die Vorschreibung von Planungsinstrumenten für die Wildbewirtschaftung (regime di

    gestione programmata della caccia) und Koppelung des Betretungsrechtes von fremden Grundstücken gemäß Artikel 842 des Zivilgesetzbuches an die Umsetzung dieser neuen Bestimmungen,

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    c) Einführung – neben der bisherigen obligaten Jagdhaftversicherung – einer Pflicht-Jagdunfallversicherung,

    d) erneute Kriminalisierung einzelner Verstöße gegen die Jagdbestimmungen: Das Erlegen

    oder Fangen von nicht jagdbaren Wildarten, der Abschuss von jagdbaren Tieren in der Jahresschonzeit, die Jagdausübung in den Wildschutz- und Schongebieten sowie der Einsatz von verbotenen Tötungs- oder Fangmitteln wird erneut als Straftat eingestuft. Gleichzeitig wird aber der Tatbestand des Wilddiebstahls abgeschafft, da in den vorhin genannten Fällen die Artikel 624 bis 626 des Strafgesetzbuches nicht weiter zur Anwendung kommen.

    ERSTE NOVELLIERUNG DES LANDESJAGDGESETZES Das Jahr 1992 brachte aber nicht nur ein neues staatliches Jagd- Rahmengesetz, sondern durch das so genannte Omnibusdekret vom 15. Mai 1992, Nr. 267, auch eine Ergänzung an den Durchführungsbestimmungen zum Sonderstatut für die Region Trentino-Südtirol. Im Einzelnen wurde festgelegt, dass - unter Beachtung der internationalen Abmachungen sowie der gemeinschaftlichen Bestimmungen – die Standards zum Schutz der Fauna mit Landesgesetz zu regeln sind. Als erstes wurden dabei mit einem Dekret des Landeshauptmannes die Wildsäuger Murmeltier, Steinmarder und Dachs wieder in das Verzeichnis der jagdbaren Tiere aufgenommen. Der Jagdkalender der folgenden Jahre wurde aber erneut wegen der Abschussfreigabe dieser drei – auf gesamtstaatlicher Ebene geschonten – Haarwildarten angefochten. Es reifte deshalb der Entschluss zu einer ersten Novellierung des Landesjagdgesetzes, welche mit L.G. vom 28. November 1996, Nr. 23, erfolgte. Als wesentliche Neuerungen gegenüber der bis dahin geltenden Regelung wurden folgende Änderungen vorgenommen: 1) Nicht nur die jagdbaren Tiere sondern auch die jeweiligen artspezifischen Schusszeiten

    werden mit Gesetz festgelegt. Dabei wurde das Murmeltier, der Dachs, der Baum- und Steinmarder, das Hermelin, der Auerhahn sowie die Rotdrossel aus dem Verzeichnis der jagdbaren Tiere gestrichen und – nicht zuletzt wegen der Änderung der EWG-Vogelrichtlinie – die Rabenvögel Aaskrähe, Eichelhäher und Elster in dieses Verzeichnis aufgenommen.

    2) Es wurde festgeschrieben, dass die bereits vorgenommene Aufteilung der Landesfläche in die

    vier verschiedenen Kategorien von Jagdgebieten sowie die bisherige Regelung der Jagdausübung und der Wildentnahmen „die staatlichen Vorschriften über die Planung, die Wildbewirtschaftung, die Gebietseinteilung und die Jägerdichte“ ersetzen.

    3) Den hauptberuflichen Jagdaufsehern wurde - beschränkt auf die im staatlichen Rahmengesetz

    vorgesehenen jagdlichen – Straftaten die Befugnis eines einfachen Amtsträgers der Gerichtspolizei zuerkannt.

    4) Wegen der nunmehr gesetzlichen Verankerung der Schusszeiten wurden sowohl der

    Jagdkalender als auch das Jagdkomitee abgeschafft, gleichzeitig die Zuständigkeiten des Landesrates sowie des Amtes für Jagd und Fischerei erweitert. In die Kompetenz des ersteren fällt seitdem die Ermächtigungsbefugnis zur Regulierung der nicht jagdbaren Arten und zur – im Interesse der Landeskultur oder der Sicherheit erforderlichen – Abschussfreigabe des jagdbaren Wildes während der Schonzeit. Die bisherigen Verwaltungsaufgaben des Jagdkomitees wie Erneuerung der Eigenjagderlaubnis und Bewilligung der Gehege, aber auch die zusätzliche Ahndung der Jagdvergehen durch eine zeitweilige Jagdsperre (= die früheren Disziplinar-maßnahmen des Südtiroler Jagdverbandes) wurden dem Amt für Jagd und Fischerei bzw. dessen Direktor übertragen.

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    ERNEUTE ÜBERARBEITUNG DES SÜDTIROLER JAGDRECHTES Die seit Ende 1996 geltende Regelung hat sich grundsätzlich zwar bewährt, gleichzeitig aber, bedingt durch Schwierigkeiten beim praktischen Vollzug sowie durch das Inkrafttreten neuer gemeinschaftlicher Richtlinien, eine erneute Anpassung für zweckmäßig erscheinen lassen. Deshalb wurden mit dem L.G. Nr. 10/2003 sowie 14/2011 weitere Änderungen und Ergänzungen am Landesjagdgesetz vorgenommen. Die wesentlichen Neuerungen betreffen: 1) die Liste der jagdbaren Tiere und die Jagdzeiten: Zur Einschränkung der Schäden in der

    Landwirtschaft wurde einmal die Singdrossel für jagdbar erklärt und zudem, ausschließlich für das Obst- u. Weinbaugebiet, die Schusszeit für die nunmehr 3 jagdbaren Drosseln (Amsel sowie Wacholder- u. Singdrossel) bis zum 10. Jänner erlaubt. Aus denselben Gründen wird die Jagdzeit auf den Fuchs und das Schwarzwild auf den Zeitraum 1. Juli bis 31. Jänner verlängert sowie für das Wildschwein der früher vorgeschriebene Abschussplan abgeschafft.

    2) die Verträglichkeitsprüfung für die Entnahme von Spielhahn sowie von Schnee- u. Steinhuhn als Vorstufe der jährlichen Abschussplanung für diese drei Hühnervögelarten

    3) die Aufnahme der Zonen des europäischen Schutzgebietsnetzes (= Natura 2000-Zonen) als fünfte Art von Wildbewirtschaftungs- u. Wildhegegebiet bzw. Wildbezirk. Die beiden letztgenannten Begriffe ersetzen den früheren Terminus „Jagdgebiet“

    4) Regelung der Wildhaltung in Zoos in Anwendung der diesbezüglichen Richtlinie 1999/22/E6 des Rates der Europäischen Union

    5) Einrichtung eines Garantiefonds beim Südtiroler Jagdverband als Verwalter sämtlicher Reviere kraft Gesetzes, um die Vergütung der Wildschäden, vor allem jene des jagdbaren Schalenwildes, zu gewährleisten. Zwecks Absicherung des sozialen Südtiroler Reviersystems kann die Landesregierung diesen Garantiefond mit Beiträgen aufstocken. Aus denselben Gründen wurden die Verhütung und der Ersatz von Schäden durch Großraubwild als Managementkosten für diese, in unsere Kulturlandschaft zurückgekehrten Beutegreifer anerkannt. Etwaige Bären-, Wolf- u. Luchsrisse an Nutztieren werden deshalb direkt mit öffentlichen Mitteln ersetzt.

    6) Die Zuständigkeit für Zusatzstrafen (= Aussetzung der Jagderlaubnis für die Reviere kraft Gesetzes) wird von der Jagdbehörde an den Südtiroler Jagdverband übertragen.

    SCHLUSSBEMERKUNGEN Der vorliegende kurze Abriss über die Jagdrechtsentwicklung in den letzten beiden Jahrhunderten verdeutlicht, dass die Wildbewirtschaftung und die Jagd stark von den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen abhängen und - zumindest indirekt - an das jeweilige Naturverständnis gebunden sind. Er dokumentiert aber auch, dass in den letzten Jahrzehnten – neben Urteilen des Verfassungsgerichtshofes – vor allem gemeinschaftliche Richtlinien wiederholt eine Anpassung unseres Jagdgesetzes erforderlich machten. Das Entstehen des sozialen Südtiroler Reviersystems in seiner heutigen Form ist deshalb auch eine Geschichte von Versuchen, Erfolgen und Rückschlägen, wobei die nötige legistische Absicherung mitunter dem historischen Wandel und der Praxis in der freien Wildbahn nachhinkte. Auch konnten nicht an allen Fronten die Interessenskonflikte zwischen den wildtierbezogenen Jägern, den an der land- und forstwirtschaftlichen Produktion orientierten Grundbesitzern sowie den teilweise ökologisch ausgerichteten Naturschützern und Fachbehörden ausgeräumt werden. Die Weidmänner haben sich deshalb notgedrungen von Teilen der historisch gewachsenen Mentalität von Hege und Wildtiermanagement zu verabschieden. Und die Naturschutzorganisationen, vor allem jene auf gesamtstaatlicher Ebene, werden anerkennen müssen, dass eine Integration von Artenschutz und Jagd nicht nur möglich, sondern für den Wildbestand durchaus auch vorteilhaft sein kann.

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    Es wird deshalb stärker noch als in der Vergangenheit erforderlich sein, dass die Jäger mit den Bauern ein gutes Verhältnis pflegen, sämtliche Klagen über Wildschäden ernst nehmen bzw. die vorhandenen Möglichkeiten zur Schadensabwehr voll nutzen. Desgleichen wird man auch gegenüber den Natur- u. Tierschützern ein gewisses Verständnis aufbringen müssen. Dies vor allem im Zusammenhang mit den so genannten Kulturflüchtern wie etwa den Rauhfußhühnern und dem Schneehasen. Bei diesen Wildarten ist nämlich eine jagdliche Regulierung zum Schutze der Landeskultur nicht erforderlich. Maßhalten ist deshalb nicht nur zwecks Bewahrung der Schöpfung oder aus jagdethischen Überlegungen, sondern durchaus auch aus kulturellen Gründen angebracht. Nur dadurch dürfte nämlich eine schonende Bejagungsmöglichkeit bei diesem typischen Standwild der Alpen als Teil der Tiroler Tradition auch für zukünftige Generationen gesichert sein. (Bei der vorliegenden Abhandlung handelt es sich um eine ergänzte Wiedergabe des – in der Monatszeitschrift „Der Schlern, Heft 7 – 2006, veröffentlichten – Artikels.) Verwendete Literatur: − Abart/Lang/Obholzer: „Tiroler Jagdrecht – Kommentar“ – Innsbruck (Univ. Verl. Wagner),

    1987 − Corsini, Umberto/Lill, Rudolf: „Südtirol 1918 – 1946” – Bozen (Athesiadruck G.m.b.H.), 1988 − Erhard, Heinrich „Das Südtiroler Jagdsystem“ in der Zeitschrift Bündner Wald Nr. 2/94 − Lavoratti, Raffaello ”Caccia, Uccelli, Agricoltura e Colombi viaggiatori” – Pescia/Toscana,

    1900 − Sämtliche im Artikel zitierte Gesetze, Verordnungen und Urteile − Sforza Fogliani, Corrado/Baglioni, Alberto: ”Il codice depenalizzato della caccia e della pesca

    nelle acque interne“ – Piacenza (Casa editrice La Tribuna), 1977 − Spehr, Christoph: „Die Jagd nach Natur“ – Frankfurt/Main (IKO-Verl. für Interkulturelle

    Kommunikation), 1994


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