Take Home MessagesZwei neue Verfahren zur Beurteilung der DünndarmschleimhautKapsel-Enteroskopie als rein diagnostisches InstrumentDoppelballon-Enteroskopie für Diagnose und Therapie
Bis vor kurzem galt der Dünndarm als «Black Box» des Verdauungskanals. Wegen seiner Länge von fünf bis sechs Metern und seinemwindungsreichen Verlauf stiessen herkömmliche Endoskopieverfahren an ihre Grenzen. Mit der bisherigen Dünndarmendoskopiekonnten im Mittel nur 50-100cm Dünndarm inspiziert werden. Auch radiologische Verfahren sind nur beschränkt aussagekräftig. Mit derEinführung von zwei neuen Untersuchungsmethoden - der Kapsel- und der Doppelballon- Enteroskopie - wurden viel versprechendeTechniken verfügbar, die die Dünndarmdiagnostik revolutionieren werden.
Abb. 1Die Videokapsel nimmt etwa 50000 hochauflösende Bilder des gesamten Dünndarms auf. Die Bildinformationen werden von
Hautelektroden registriert und mittels einer speziellen Software als Videofilm dargestellt.
Kapsel-Enteroskopie (Abb. 1)
Dank der Kapsel-Enteroskopie wurde es erstmals möglich, auf nicht operativem Weg den ganzen Dünndarm zu beurteilen. Dabeiwerden mit Hilfe einer schluckbaren Videokapsel (Abb. 2) hochauflösende Bilder des gesamten Dünndarms aufgenommen. Die Kapsel- etwa so gross wie eine Antibiotikumtablette (26 x11mm) und nur 3,7g schwer - enthält neben der Mikrochip-Kamera mitWeitwinkelobjektiv eine Batterie, eine Lichtquelle und einen Sender. Die Kamera schiesst während sechs bis acht Stunden zwei Bilderpro Sekunde, so dass insgesamt etwa 50 000 Bilder entstehen. Diese Bildinformationen werden über mehrere auf der Hautangebrachte Elektroden an ein Aufnahmegerät übermittelt, das dem Patienten um die Hüfte geschnallt wird. Mittels einer speziellenSoftware lassen sich die Bilder dann als Videofilm darstellen. Aufgrund der unterschiedlichen Signalstärken, die von den einzelnenElektroden registriert werden, kann die Kapsel im Darm ungefähr lokalisiert werden.
Die Kapsel-Enteroskopie wird ambulant durchgeführt und beeinträchtigt die Patienten nicht stärker als eine 24Stunden-EKGMessung.Vor der Untersuchung muss der Patient mindestens acht Stunden nüchtern sein. Eine Darmentleerung ist nicht unbedingt erforderlich,wird aber von uns zur Verbesserung der Sicht bevorzugt. Normalerweise wird die Kapsel innerhalb von 72 Stunden ausgeschieden; siewird nicht wieder verwendet. Zu einer relevanten Kapselretention aufgrund einer unerwarteten Obstruktion oder Striktur kommt esgemäss publizierten Daten in weniger als einem Prozent aller Untersuchungen. In Verdachtsfällen kann die Durchgängigkeit vorab miteiner sich selbst auflösenden «Patency-Kapsel » überprüft werden. Die Kapsel-Enteroskopie ist eine rein diagnostische Untersuchungohne die Möglichkeit der Gewebegewinnung oder gar einer Behandlung.
Kapsel vs. Doppelballon (Tab. 3)Indikationen sowohl für die Kapsel- als auch für die Doppelballon-Untersuchung sind okkulte Darmblutungen nach vorausgegangenerergebnisloser Koloskopie und Gastroskopie, ein allfälliger Morbus Crohn des Dünndarms und Polyposis-Syndrome. DieKapsel-Enteroskopie hat auf der diagnostischen Seite den Vorteil, dass üblicherweise die ganze Länge der Dünndarmschleimhaut ohnewesentliche Belastung des Patienten eingesehen werden kann. Bei der Doppelballon-Enteroskopie gelingt die Inspektion des ganzenDünndarms in etwa drei Viertel der Fälle. In der Regel wird deshalb vor der Doppelballon-Untersuchung eine Kapsel-Enteroskopiedurchgeführt, um zu entscheiden, ob die Untersuchung oral oder ab ano erfolgen muss. Eine Doppelballon- Enteroskopie erweitert diediagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten wesentlich, indem sie neben Gewebeentnahmen, Blutstillung undPolypenresektionen auch Dilatationen von Stenosen und Fremdkörperentfernungen erlaubt. Auch die präoperative Markierung einesBefundes ist möglich.
Als Kontraindikationen für die Kapsel- Enteroskopie gelten Darmobstruktion, Schluckstörungen und Schwangerschaft. Ebenso ist beiPatienten mit Herzschrittmachern und implantierten Defibrillatoren Vorsicht geboten. Die Kontraindikationen bei derDoppelballon-Enteroskopie sind Darmobstruktion und eine drohende Perforation.
Die Kapsel- und die Doppelballon- Enteroskopie ergänzen sich aus mehreren Gründen. Ergibt die Kapsel-Enteroskopie einen Befund,lässt sich die Doppelballon- Enteroskopie gezielt zur Behandlung von Schleimhautveränderungen oder zur Gewebeentnahmeeinsetzen. In der Mehrzahl der Fälle geht es um die Abklärung okkulter Darmblutungen, deren frühzeitige Diagnose und Behandlungfür den therapeutischen Erfolg ausschlaggebend ist. Eisenmangelanämien oder intermittierende Blutungen werden am besten zuerst mitder Kapsel ergründet. Bei allen übrigen Indikationen (Polypen, Morbus Crohn) hat die Kapsel-Enteroskopie einen rein diagnostischenAussagewert. Zur Gewebeentnahme oder bei interventionellen Indikationen ist die Doppelballon-Enteroskopie vorzuziehen.
Die erste Kapsel-Enteroskopie in der Schweiz wurde im März 2002 an der Klinik Hirslanden in Zürich durchgeführt, wo seitherErfahrungen mit über 800 Untersuchungen gesammelt werden konnten (Tab. 1). Seit 2004 wird die Kapsel-Enteroskopie auch an denHirslanden-Kliniken in Bern angeboten. Die noch junge Technik der Doppelballon- Enteroskopie erlebte ihre Schweizer Premiere Ende2005 an den Hirslandenkliniken in Bern und Zürich. Erste vielversprechende Resultate liegen vor (Tab. 2).
Ausblick
Sowohl die Kapsel-Enteroskopie wie auch die Doppelballon-Enteroskopie haben den Einblick in den Dünndarm revolutioniert. Weltweitsind schon mehr als 150 000 Kapsel-Enteroskopien durchgeführt worden. Auch die Doppelballon-Enteroskopie wird in Europa bereitsan vielen Zentren angeboten. Wissenschaftlich liegen allerdings erst wenige kontrollierte Studien vor, so dass der Stellenwert dieserneuen Verfahren erst noch definiert werden muss. Beide Methoden haben aber ein grosses Potenzial bei Patienten mitDünndarmproblemen. Sie sind zeitintensiv, und wie bei vielen anderen spezialisierten Untersuchungstechniken verbessert sich ihreAussagekraft mit der Erfahrung der Untersucher.
Dr. med. Beat BurckhardtHirslanden BernDr. med. Philipp Bertschinger
Dr. med. Andreas MüllerGastrozentrumKlinik Hirslanden, Zürich
![eineOpen-Access-Publikation ... der Gefahr der Kapselretention aufgrundvonStrikturenihreLimitation [29]. Der Morbus Crohn und die Colitis ulcerosa stellen die beiden wichtigsten Subtypen](https://static.unterlagen.site/doc/80x56/5ba0a76509d3f2da5b8da742/eineopen-access-publikation-der-gefahr-der-kapselretention-aufgrundvonstrikturenihrelimitation.jpg)
