+ All Categories
Home > Documents > Die Disko zum Grünen Tod

Die Disko zum Grünen Tod

Date post: 04-Jan-2017
Category:
Upload: phamliem
View: 215 times
Download: 0 times
Share this document with a friend

If you can't read please download the document

Transcript

Mac KinseyBand 4Carter FlynnDie Disko zum Grnen Tod

Wenn sich im Magic Flower der Plattenteller drehte, dann war er als unsichtbarer Gast zugegen.Die Disko war sein Hort.Der Platz war gut gewhlt, denn Londons Schickeria strmte allabendlich ins Magic Flower. Unter diesen Gsten fand er seine ersten Opfer.Er verbreitete Angst und Schrecken.Seine Taten waren von beispielloser Grausamkeit. Nichts konnte ihn aufhalten.Er hatte Macht ber die Lebenden.Denn er war der Grne Tod!Ein eigenartiges Gefhl berkam Edgar Conroy, als er sein Taxi um den Picadilly Circus herumschnurren lie. Gerade, als wrde ihm eine Armee von Spinnen ber den Rcken krabbeln.Er schob es auf seine Fahrgste. Mit denen stimmte etwas nicht.Es war ein Prchen, er um die Dreiig, so ein typischer Aufreier, und sie noch lngst keine Zwanzig.Vermutlich hatten ihre Eltern keinen blassen Schimmer, wo sie sich herumtrieb.So eine Tochter mte ich haben, dachte Edgar ergrimmt. Der wrde ich was husten! Lt sich einfach von so einer Teenager-Sptlese anmachen!Er fuhr seit zwanzig Jahren Taxi, er kannte sich in dem Geschft aus. Die tollsten Fuhren hatte er schon gemacht und die merkwrdigsten Fahrgste gehabt.So leicht brachte ihn nichts mehr aus dem seelischen Gleichgewicht.Diese zwei da hinten beunruhigten ihn jedoch.Er lenkte das Taxi in die Regent Street hinein. Der Mann hatte als Fahrtziel eine Adresse in Wembley drauen genannt. Seine Wohnung vermutlich.So eine Fahrt lohnte sich. Und Edgar war auch nicht als Moralapostel angestellt. Was seine Fahrgste trieben, ging ihn nichts an, sofern es nicht gerade im Taxi geschah.Er blickte in den Innenspiegel.Die zwei waren so dicht zusammen wie die Bltter eines Buches. Sie knutschten. Klar, andere taten's auch.Er hatte das Prchen vor der Disko Magic Flower aufgelesen. Der Schuppen war in. Da strmte derzeit alles hin, was etwas zu sehen kriegen oder gesehen werden wollte.Was an der Zauberblume jedoch zauberhaft sein sollte, ging Edgar ber das Verstndnis. Das war genau so ein Krachschuppen wie die anderen Lden auch. Vom Hinhren flogen einem schon die Ohren fort, und von den Lichtshows wurde einem ganz dmlich vor den Augen.Ein unheimliches Knirschen lie Edgar zusammenfahren.Ein Blick in den Spiegel die zwei waren immer noch hautnah beisammen. Sollte der Kerl ?He, Mister, wenn Sie das Mdchen ausziehen, schmeie ich Sie hochkant raus! Das gibt's bei mir nicht.Keine Antwort. Aber das Knirschen war wieder zu hren. Und dazu ein Gerusch, als wrde Stoff reien.He, was gibt das? Sind Sie schwerhrig?Edgar erhielt wieder keine Antwort, und das Prchen rhrte sich nicht. .Das kam ihm spanisch vor. Er schaltete die Innenbeleuchtung ein und drehte den Kopf nach hinten.Edgar stie einen markerschtternden Schrei aus.Auf der Rckbank sa nicht das Prchen, das er vor dem Magic Flower aufgenommen hatte.Dort kauerten zwei grne Skelette und hielten sich eng umschlungen.Und eine unsichtbare Hand hllte sie mit Spinnweben ein.

*

Jessica! brllte Bill Salish so laut, da um ein Haar die Bilder an den Wnden wackelten.Wren sie heruntergefallen und zerbrochen, htte das keinen Verlust fr die Kunst bedeutet.Denn die Bilder waren geschmacklos und eindeutig. Etliche sogar obszn.Sie zeigten nackte Mdchen in ungesunden Verrenkungen und lasziven Posen.Eines konnte man den abgebildeten jungen Damen allerdings nicht absprechen sie waren durch die Bank hbsch und unverschmt gut gewachsen.Sie waren alle mal hier im Magic Flower aufgetreten. Mit allen hatte Bill Salish was gehabt.Diese Strip-Girl-Galerie schmeichelte seiner Eitelkeit und fhrte ihm immer wieder vor Augen, welcher tolle Hecht er doch war. London war voll mit hbschen jungen Mdchen. Er brauchte nur mit den Fingern zu schnalzen und hatte schon hundert von ihrer Sorte an der Hand hngen.Und wenn sie erst die Aussicht hatten, im Magic Flower auftreten zu drfen, taten sie alles.Das Magic Flower war fr einige Mdchen das Sprungbrett ins groe Geschft geworden.Denn zwei oder drei konnten wirklich singen. Inzwischen hatten sie ihren Plattenvertrag. Wenn sie ins Magic Flower kamen, dann als Gast. Kostenlose Auftritte waren nicht mehr drin.Einige andere Girls hatten ihren Weg als Titelbildmdchen gemacht.Das Ende vom Lied war, da viele Mdchen glaubten, sie brauchten nur im Magic Flower aufzutreten, und ihr Glck war gemacht.Es strte sie nicht, da sie fr ihre Darbietungen keinen Shilling gezahlt bekamen.Und da sie sich mit Bill Salish einlassen muten, das gehrte eben dazu.Vier Wochen muten sie mindestens im Magic Flower auftreten. So verlangte es der Vertrag, den jede unterschreiben mute.Vorausgesetzt, und das stand im Kleingedruckten, das Publikum pfiff sie nicht aus.Es war auch schon vorgekommen, da die Gste auf die Sthle stiegen und von der Geschftsleitung des Magic Flower im Chor verlangten, eine angehende Knstlerin rauszufeuern. Vielleicht, weil ihr Typ nicht ankam.Oder sie konnte vor lauter Lampenfieber nicht singen und machte berhaupt alles falsch, was nur falschzumachen war.Wenn sich das an zwei oder drei Abenden wiederholte, flog das Mdchen. In diesem Punkt verstand Bill Salish keinen Spa.Als Geschftsfhrer, Manager und Mitinhaber des Magic Flower mute er darauf sehen, da die Kasse stimmte. Schnaps war Schnaps, aber Geschft war Geschft. Wer kein Geld brachte, war drauen. Mitleidlos.So ein Diskobetrieb war schlielich keine Wohlttigkeitseinrichtung.Den Gsten mute etwas geboten werden. Frs Auge. Und frs Ohr. Dafr zahlten sie ja auch gesalzene Preise.Jessica versprach, solchen Erwartungen gerecht zu werden. Als sie sich vorstellte, hatte sie jedenfalls gute Figur gemacht und gut gesungen.Wie Milch und Honig sah sie aus mit ihrem schwarzen Haar.Bill Salish hatte sie sofort ganz oben auf seine intime Wunschliste gesetzt. Bisher hatte sich nur keine Gelegenheit geboten, der Kleinen nherzukommen.Sie hatte erst heute Premiere. Die Show um Mitternacht gehrte ihr.Eigentlich hatte Bill gedacht, da Jessica diese Chance mit beiden Hnden ergriff und etwas daraus machte. Statt dessen hatte sie eben einen entsetzten Blick auf das winzige Kostm geworfen, mit dem sie vor die gaffende Meute drauen hintreten sollte.Dann war sie knallrot geworden, hatte sich auf dem Absatz umgedreht und die Tr zugeschmettert.Mit einem dnnen schmierigen Grinsen betrachtete Bill das Kostm.Es war ein Glitzer-Tanga. Nicht mehr und nicht weniger. Und zwei knstliche Orchideen. Die Plastikblumen machten sich in Jessicas schwarzem Haar bestimmt hervorragend.Und der Glitzer-Tanga auf ihrem Krper erst recht. Die mnnlichen Gste wrden auf ihre Kosten kommen. Und bestimmt auch ein paar weibliche, wie Bill Salish sein Publikum inzwischen kannte.Da eines der Mdchen zickig werden knnte, kam in Bills Plnen erst gar nicht vor. Alle, die hier mal aufgetreten waren, hatten getan, was er verlangte. Auf der Bhne oder im Wasserbassin drauen und auch sonst.Zum Teufel, was war denn schon gro dabei?An einem heien Sommernachmittag bekam man im Hyde-Park und am Themse-Ufer wahrlich mehr zu sehen und brauchte noch nicht einmal dafr zu bezahlen.Jessica sollte nichts anderes tun, als in das durchsichtige Wasserbassin zu steigen, ein paar langsame Runden zu drehen, damit man sie von allen Seiten und ausgiebig betrachten konnte, und sie sollte dabei zwei Songs vortragen.Frs Playback sorgte der Diskjockey.Zusammen mit der Lichtorgel, der Lager-Show und dem Fontnenspiel waren diese Badeeinlagen mit Gesang der groe Mitternachtsknller.Aber was tat die dumme Gans?Weigerte sich, den Fummel anzuziehen! Schmi den Job einfach hin! Haute ab!Das war Bill Salish noch nicht passiert. Entsprechend gro war seine Wut.Jessica? Seine Stimme klang wie die Posaune zum Jngsten Gericht.Das Haus hatte sie nicht verlassen. Er hatte schon mit dem Eingang telefoniert.Also steckte sie in einem der hinteren Rume. Vielleicht in der Umkleide. Oder sie hatte sich unter die Gste gemischt.Mit James und dessen gegenwrtiger Puppe konnte sie nicht fortgegangen sein. James Gardiner war schon vor einer halben Stunde mit Marjorie aufgebrochen.Diese Marjorie stammte aus schwerreichem Haus und war ein Luder, wo die Haut sie anrhrte. Mit ihren siebzehn Lenzen hatte sie bereits mehr Mnner verbraucht als andere Frauen im ganzen Leben nicht schafften.Nach Bills Einschtzung zhlte sie zum Kundenkreis von James und brauchte mindestens einmal am Tag einen Druck.Sie hatte Jessica mitgebracht und im Magic Flower eingefhrt. Von ihr stammte die Idee, Jessica sollte hier auftreten. Ziemlich energisch sogar hatte sie davon gesprochen.Sie, die um Jahre jngere, hatte ber die ltere bestimmt. Jessica hatte keine Einwnde erhoben. Er, Bill, hatte ihr nur den Vertrag hingelegt, und sie hatte ohne zu zgern unterschrieben. Fast blind.Die Proben an den vergangenen drei Tagen hatten reibungslos geklappt. Da hatte sich Jessica allerdings auch im einteiligen Badeanzug getummelt.Ausgeflippt war sie eben erst. Als sie das glitzernde Nichts sah, das sie tragen sollte.Bill Salish ri wutentbrannt die Tr auf.Der Flur lag in gedmpftem Licht.Schritte waren keine zu hren. Der fingerdicke Teppichboden schluckte jedes Gerusch.Diese blde Gans konnte etwas erleben! Bills Doppelkinn geriet in Wallung. In sptestens zehn Minuten mute das Mdchen raus, sonst tobte die Meute.Unzufriedene Gste konnte sich nicht einmal das Magic Flower leisten. Der Konkurrenzkampf war hart. War eine Disko erst mal nicht mehr gefragt, dann war sie schnell aus dem Geschft.Wenn man Glck hatte, konnte man die Einrichtung noch zu einem vernnftigen Preis verhkern und jemand finden, der in den Mietvertrag einstieg.Jessica? Die Strnge an Bill Salishs Hals traten dick hervor.Wo hatte sich die Kleine versteckt? In Gardiners Bro?Es sah James hnlich, wenn er wieder den Schlssel auf der Tr gelassen hatte!Bestimmt brachte ihn das eines Tages vor den Richter. Und dann fr zwanzig Jahre hinter Gitter.Es war berhaupt ein Wahnsinn von ihm, seine Kundschaft hier mit Stoff zu versorgen.Aber er lie sich nichts sagen und wute alles besser. Vorlufig gab ihm der Erfolg auch recht. Er scheffelte ein Schweinegeld mit seinem Drogenhandel.Bare zwanzigtausend Pfund hatte er ins Magic Flower eingebracht. Offiziell. Und dreiigtausend Pfund heies Geld, von dem sein Finanzamt kein Sterbenswort erfahren durfte.Sein Drogenhandel und die Weiber, dachte Bill Salish, die schaffen ihn eines Tages! Das kann auf Dauer gar nicht gutgehen!Auer James Gardiner hatten auch noch Thomas Furlong, Sam Medway und George Wynter Geld in das Unternehmen eingebracht.Bill selber hatte am wenigsten beigesteuert. Dafr mute er die Geschfte fhren. Abgesehen davon verstand er etwas von dem Job. Seine Partner konnten sich nicht beklagen. Das Magic Flower warf einen satten Profit ab.Bill bemerkte eine undeutliche Bewegung. Hoffentlich hatte Jessica es sich anders berlegt und machte ihren Auftritt.Aber da kam niemand.Verblfft machte Bill ein paar Schritte in den Gang hinein.Teufel, das sah ja fast wie Rauch aus!Etwas kruselte sich aus der Wandverkleidung und drehte sich in rasendem Wirbel wie ein kleiner Tornado.Dabei rhrte sich im Gang kein Lftchen.Bill war dies nicht geheuer. Er brachte seinen untersetzten Krper in Schwung.Woher kam dieser Rauch? Oder war es Nebel?Etwa ein Kurzschlu?Das fehlte noch! Der Laden war voll bis zum letzten Stehplatz an den drei Mahagonitheken. Und wie blich drckten sich auch auf den Treppen Prchen herum. Das Geld rollte.Fast hatte Bill das Ende des Ganges erreicht. In der Wand verliefen jede Menge elektrische Leitungen. Wenn da was schmorte, dann gute Nacht!Er blieb stehen wie angewurzelt, als der Rauch eine grne Frbung annahm. Verblfft wischte er sich die Augen.Grnen Rauch hatte er sein Lebtag noch nicht gesehen.Wo kam der her? Warum drehte er sich in einem rasenden Wirbel? Was bedeutete das?Bill schnupperte. Es roch nach Moder. Nach Fulnis. Es stank wie aus einem alten Grab.Der Rauch verdichtete sich. Strukturen wurden erkennbar. Gerade wie allerfeinste Spinnweben. Genauso glitzerten sie auch im Schein der gedmpften Beleuchtung.Bill hatte den Eindruck, einen kreiselnden festen Krper vor sich zu haben.Er stie mit dem Zeigefinger dagegen.Der Rauchkreisel rotierte langsamer und kam zum Stillstand. Der auf der Spitze stehende Kegel begann sich zu verformen. Die Konturen wurden rund, bauchig. Da und dort erschienen Auswchse.Eine Gestalt entstand.Eine grauenhafte Erscheinung.Ein grnes Skelett.Ein Gespinst wie von Spinngewebe umschwebte es.Die Fden spannten sich auch durch die Hohlrume und den Brustkorb.Mit einem Schrei prallte Bill Salish zurck und knallte gegen die Wand in seinem Rcken.Was was soll das? stie er keuchend und vom Grauen gepackt hervor.Der grne Totenschdel neigte sich vorwrts, bis er fast Bills kreidebleiches schweinasses Gesicht berhrte.Der Unterkiefer klappte herunter. Ging wieder hoch. Der Totenschdel machte Sprechbungen.Bill schob sich an der Wand entlang.Fort, nur fort! Dieses Knochengespenst war ja grauenhaft!Pltzlich redete das Skelett. Bill erstarrte.Ich bin der Grne Tod, ich verfolge euer Treiben. Es gefllt mir nicht.Was was?Bill war zwei Schritte weit gekommen und rechnete sich eine Chance aus, im Spurt sein Bro zu erreichen.Der Grne Tod schien es zu ahnen. Er streckte die grnen Knochenarme aus, packte mit der rechten Skeletthand Bill vorne am Herd und drehte den Stoff zusammen.Eine mrderische Kraft steckte dahinter. Bill wurde die Luft knapp. Rchelnd rang er nach Atem.Ihr zwingt die Mdchen, Sachen zu tun, die sie freiwillig nicht tun wrden du, deine Partner. Gardiner habe ich schon dafr bestraft. Du bist der nchste Salish. Das ist eine Warnung. Die einzige. Da ist ein Mdchen, das gleich auftreten soll.Jessica? rchelte Bill. Er verging fast vor Angst.Richtig, so ist ihr Name. La sie in Ruhe, la die Finger von ihr.Das grne Skelett schlo den Mund. Es knackte vernehmlich.Dann lie es Bills zusammengedrehtes Hemd los und versetzte dem Geschftsfhrer einen harten Sto vor die Brust.Fr zwei Sekunden klebte Bill an der Wand wie eine viel zu fett gewordene Fliege. Danach rutschte er zu Boden und stierte auf die grausige Erscheinung.Der Grne Tod zog sich zwei Schritte zurck.Er verwandelte sich zurck, nahm wieder die Gestalt des rotierenden Kreisels an und drang als grner Rauch in die Wand ein.Ein grnes Wlkchen kruselte sich dort noch. Dann war auch das verschwunden.Zhneklappernd hockte Bill Salish auf dem Boden.Der Grabgeruch, der den Grnen Tod umschwebt hatte, wehte wie eine tdliche Drohung durch den Gang.Es dauerte Minuten, bis Bill seine Todesfurcht berwand.Endlich rappelte er sich auf und lehnte schwer atmend an der Wand. Was war das gewesen? Ein Spuk?Oder hatte ihn eine Halluzination genarrt?Was hatte die Erscheinung gesagt? Grner Tod?Bill atmete langsam aus. Das war doch Spinnerei. Das gab's einfach nicht. Keine grnen Skelette. Auch keine, die redeten wie ein richtiger Mensch.Unheimlich war ihm die Sache doch.Was hatte das grausige Gespenst ber James Gardiner gesagt? Den htte es schon bestraft?Quatsch war das! James war schon vor einer Weile mit seiner Puppe Marjorie abgehauen.Bluff! Alles Bluff!Und er solle geflligst die Finger von Jessica lassen! Auftreten brauchte sie auch nicht!Bill kam erstaunlich schnell ber seinen Schrecken hinweg. Jemand hatte sich einen verdammten Scherz mit ihm erlaubt. Irgendein Trick! Um ein Haar war er darauf hereingefallen.Krzlich hatten sie einen Magier auf der Bhne gehabt. Der Kerl hatte die tollsten Kunststcke gezeigt und drei Leute verschwinden lassen.Natrlich waren die hinterher wieder dagewesen. Im Zuschauerraum hatten sie gesessen. Mucksmuschenstill. Angeblich hatten sie keine blasse Ahnung, was mit ihnen passiert war.Je lnger er nachdachte, desto berzeugter war Bill, da ihn jemand zum Narren hielt.Das werden wir ja sehen! knurrte er und zog seinen Bauch ein. Dem Kerl breche ich smtliche Knochen, wenn ich ihn erwische!Ein letzter Rest Unsicherheit blieb.Deshalb tappte er in sein Bro zurck, angelte das Telefon heran und whlte die Nummer seiner Aufpassertruppe vorne in der Disko.Eine breite Stimme meldete sich.Schickt Motley her! sagte Bill gereizt. Sofort!Ein paar Minuten spter schob sich ein Kerl wie ein Kleiderschrank durch die Tr. Wenn je der Ausdruck Gorilla auf einen Menschen zugetroffen hatte, dann auf diesen Mann.Motley Babington sah aus wie ein briggebliebener Neandertaler, der sich zufllig in einen dunklen Anzug verirrt hat.Ja, Bo?Ein dnnes Lcheln huschte um Bill Salishs Mund und verbarg seine listigen Absichten. Falls das grne Klappergestell doch keine Halluzination war, falls etwas dran war an der Drohung, dann war es besser, wenn es Motley erwischte.Verschiedene Gste graulten sich vor ihm und bezeichneten ihn als Resultat von Frankensteins erstem Versuch. Ein schmerzlicher Verlust war er also nicht.Diese Jessica ist getrmt. Hlt sich irgendwo hier versteckt. Sie will nicht raus, verstehst du?Motley grinste wie der Satan selber. Ich berrede sie, machen Sie sich deswegen nur keine Sorgen, Bo.Ohne Aufsehen, klar? Sie schwimmt. Und zwar in zehn Minuten.Motley nickte wie ein Roboter. Klar schwimmt sie, Bo. Und sie singt auch. Er stapfte hinaus.Bill starrte auf die Tr. Motley war zwar etwas lahm im Gehirn, aber wenn er etwas begriffen hatte, hielt ihn nichts mehr auf.Zufrieden fingerte der Geschftsfhrer eine Zigarette aus der Packung. Dabei fiel sein Blick auf den Glitzer-Tanga und die knstlichen Blumen.Ein heiserer Schrei qulte sich aus seiner Kehle.Der silberne Tanga war jetzt grn, und die Plastikorchideen waren zusammengefallen, als seien sie echte Blten.Er wollte Motley zurckrufen.Auer einem Krchzen kam nichts aus seinem Mund. Der Hals war ihm wie zugeschnrt.

*

Vom Big Ben zitterten die Glockenschlge heran wie aufgeschreckte Nachtvgel.Mitternacht!Von der Themse kroch Nebel herauf und zwngte sich in die Straen und Gassen. Sogar in die Hauseingnge und in die Wohnungen, wie mir scheinen wollte.Ein Mistwetter war das wieder! So richtig, um es sich daheim vor dem Kamin gemtlich zu machen.Frstelnd klappte ich den Mantelkragen hoch. Aber gegen den feuchten Nebel half auch das nicht viel.Unser Londoner Nebel ist von besonderer Qualitt. Auf der ganzen Welt gibt es keinen feuchteren Nebel. Keinen undurchdringlicheren. Und keinen, der einem so nachhaltig in die Knochen und ins Gemt zieht.Man kann die Schwermut darber kriegen.Ganz so weit war es bei mir noch nicht. Ich war viel zu gespannt auf die sensationellen Enthllungen, die mir Zubinassian angekndigt hatte.Der Kerl war ein Doppelagent. Er trug Wasser auf beiden Schultern. Fr den KGB und fr unseren Verein, den Secret Service.Darum geno er in England Narrenfreiheit.Sir Horatio, der Chef des Geheimdienstes, hielt unsichtbar seine schtzende Hand ber ihn. Das bedeutete, da man Zubinassian nichts zustoen lassen durfte. Jedenfalls nicht von unserer Seite aus.Bei seinen eigenen Leuten war ich mir da nicht so sicher. Ich habe harmlosere Vgel als Zubinassian gekannt, die nach einem Besuch etlicher russischer Herren schwerste Beschdigungen aufwiesen und auch von den besten Chirurgen der Stadt nicht mehr zusammengeflickt werden konnten.Es kam immer darauf an, wie gerade der Wind aus Moskau wehte.Mal wurden Doppelagenten nach ihrer Ntzlichkeit bewertet und mal nach dem Schaden, den sie anrichten konnten, wenn sie bei der Gegenseite rckhaltlos auspackten.Derzeit schien in Moskau Windstille zu herrschen.Bei uns hie Zubinassian nur das Fettauge. Denn er schwamm eigentlich immer oben auf der Suppe.Sein Hausname lie vermuten, da er aus Armenien stammte. Aus dem sowjetischen Teil. Er war aber wahrscheinlich so falsch wie sein Lcheln und sein Gebi.Er war ein Blender. Ein hochkartiger allerdings. Und ein Schlitzohr.Er verstand es, recht glaubwrdig von Dingen zu schwafeln, von denen er nicht den Schimmer einer blassen Ahnung hatte.Dem Geheimdienst eines Landes, das ich nicht nher bezeichnen will, verkaufte er fr satte zehntausend Pfund detaillierte Informationen ber ein russisches Unterseeboot mit Plasmareaktorantrieb, das unter dem Eis des Nordpols erfolgreiche Testfahrten unternommen htte und demnchst dort seine feste Position beziehen wrde. Getaucht. Fr ein halbes Jahr.Der Plasmareaktorantrieb war ein Bluff. Und der Rest auch. Es stellte sich heraus, da im angegebenen Seegebiet das Eis bis in zwei Kilometer Tiefe reicht und ein Unterseeboot, wie er es beschrieb, durch den Wasserdruck zerquetscht wrde wie eine Papierschachtel.Auerdem war's technisch unmglich, ein halbes Jahr lang mit einem Boot unten zu bleiben.Das Geld war futsch, der geleimte Geheimdienst spuckte Gift und Galle und trachtete dem Fettauge nach der Gesundheit. Die gesamte Branche gewann die berzeugung, da Zubinassian sich mal wieder bei seinen KGB-Leuten unentbehrlich gemacht hatte. Der KGB hatte Devisen ntig, wie es aussah. Zufllig in der Grenordnung von zehntausend Pfund.Und Zubinassian hatte dieses erkleckliche Smmchen dem Klassenfeind aus dem Kreuz geleiert.Verstndlich, da sich gegen das Fettauge etwas zusammenbraute.Nun ist aber ein toter Agent immer ein hlicher Zwischenfall und eine Belastung fr die vielfltigen politischen Beziehungen.Aus diesem Grunde hatte Sir Horatio jenem angeschmierten Geheimdienst zu verstehen gegeben, da er es als sehr unfreundlichen Akt auffassen mte, wenn Zubinassian auf englischem Boden Ungemach widerfahre und der Mann beispielsweise ein paar Lcher in den Anzug gemacht kriegte, wo sie nach den strengen Mastben der britischen Herrenschneiderinnung berhaupt nichts zu suchen htten.Das Fettauge erfreute sich derzeit also einer relativen Sicherheit.Und als Mann vom Fach hielt er sich darber hinaus in der Versenkung verborgen. London war gro und bot viele Verstecke. Erst recht fr Schlitzohren wie er eines war.Da er sich nun doch aus seinem geheimen Loch heraustraute, hatte eine Vorgeschichte.An der russischen Botschaft arbeiten nicht nur Russen. Auch ein paar Briten. Linientreue natrlich. Mit dem Mitgliedsbuch der Kommunistischen Partei Grobritanniens in der Tasche.Das ist kein Grund, um sofort in Ohnmacht zu fallen. Wir kennen die Leute.Vor drei Tagen war Joy Gilligan spurlos verschwunden. Sie arbeitet beim Ersten Sekretr der Botschaft, bei Wassili Suslow.Joy Gilligan stammte aus dem Viertel der Westindischen Docks. Frher war es eine reine Arbeitergegend. Dann kamen farbige Einwanderer hinzu, Spekulanten kauften ganze Straenzge auf, sanierten aber nicht, sondern hofften darauf, da die Huser den Leuten ber dem Kopf zusammenkrachten.Aus diesem Milieu hatte sich Joy aus eigener Kraft gelst. In der Labour-Partei htte sie es weit bringen knnen, sie blieb indes berzeugte Kommunistin.Das war zu respektieren.Eines Tages heuerte sie bei der russischen Botschaft an. Als Schreibkraft. Von da an hatten wir ein Auge auf sie.Und jetzt war sie abhanden gekommen.Einfach so. Ihre Geschwister wuten angeblich nichts. Einen Lebensgefhrten hatte Joy nicht. Und ber ihre Freunde wuten wir eigentlich verdammt wenig, stellten wir nachtrglich fest.Strenggenommen, hatten wir nicht einmal Anhaltspunkte dafr, mit wem sie befreundet war.Wassili Suslow hatte sich bereits an die Polizei gewandt. Aus menschlicher Sorge, wie er betont hatte.Seine Besorgnis war vermutlich auf hhere Anweisung in Gereiztheit umgeschlagen. Er bezichtigte unseren Geheimdienst des Kidnapping. Wir wrden Joy Gilligan an einem geheimen Ort unter Verschlu halten und einer Gehirnwsche unterziehen.Das war schwachsinnig, aber das konnte Sir Horatio dem Ersten Sekretr der Botschaft ja nicht ins Gesicht sagen.Und berhaupt wozu htten wir eine Schreibkraft ausquetschen sollen? Da gibt's viel elegantere Methoden, um etwas in Erfahrung zu bringen.Wir hatten jedenfalls auch keinen blassen Dunst vom Aufenthaltsort der Frau. Um guten Willen zu dokumentieren, beteiligten wir uns an der Suche.Wir berschlugen uns nicht vor Eifer, das will ich gestehen.Ermitteln lie sich, da ein russischer Sicherheitsbeamter und einer von unseren Polizisten, die an der Botschaft stationiert sind, Joy Gilligan am Abend vor drei Tagen zuletzt sahen. Da verlie sie eine Stunde frher als blich die Botschafterresidenz.Danach verlor sich ihre Spur in der Riesenstadt.Als htte es sie nie gegeben.Und da kam pltzlich ein Anruf vom Fettauge. Heute am spten Nachmittag.Zubinassian wollte wissen, wo man Joy Gilligan gesehen hatte.Vllig abwegig war es gar nicht. Ein Mann wie er lebte schlielich davon, zu wissen was vorging.Er hatte auch gar nicht den Versuch unternommen, diese Information Sir Horatio zu verkaufen. Da htte er auf Granit gebissen.Nach seiner Gaunerei mit dem auslndischen Geheimdienst wollte niemand mit ihm Geschfte machen.Das war es aber nicht allein, weswegen ich jetzt im feuchten Londoner Nebel stand und wnschte, das Fettauge mge endlich kommen.Es gehrte auch nicht zu meinem Aufgabengebiet, entlaufene Schreibkrfte der russischen Botschaft aufzuspren.Nein, Zubinassian hatte noch eine geheimnisvolle Information mitgeliefert. Man htte nicht nur Joy Gilligan gesehen, sondern auch einen Mann, der offensichtlich auf sie angesetzt war. Jedenfalls htte er sie grob am Arm gepackt und in Richtung auf eine schwarze Limousine gebogen.Auch das leuchtete ein. Suslow hatte mit Sicherheit seine Spezialisten in die Stadt gehetzt.Bestimmt nicht aus Anhnglichkeit, weil er seine Schreibkraft wiederhaben wollte. Joy Gilligan sollte am Reden gehindert werden. So sind nun mal die Spielregeln.Es lag auf der Hand, da die Frau die Fahrt in der Limousine nicht lebend beendet htte.Dazu war es aber aus anderen Grnden nicht gekommen.Denn pltzlich sei ein grnes Skelett aufgetaucht. Wie aus dem Boden gewachsen.Der grne Knochenmann habe den Unbekannten gepackt und Joy Gilligan aus seinem Griff befreit. Das Skelett habe dann den Mann zweimal auf den Boden geworfen.Dabei sei geschossen worden. Der Mann am Boden habe auf das Skelett gefeuert. Sechsmal insgesamt. Mit einer schallgedmpften Waffe.Die Kugeln htten dem grnen Gespenst aber gar nichts anhaben knnen. Und dann htte sich der Mann wie durch Zauberei selber in ein Skelett verwandelt.In Sekundenschnelle, Nicht einmal einen Schrei htte er noch ausstoen knnen.Starr und steif htte sein Gerippe auf dem Boden gelegen. Es htte grn geleuchtet.Joy Gilligan sei wie von Furien gehetzt in die Nacht gelaufen.Der grne Knochenmann aber htte das Gerippe seines Opfers in die Limousine gepackt, htte sich hinter das Lenkrad geschwungen und sei die paar hundert Schritte bis zum Themseufer gefahren. Dort sei er ausgestiegen und htte den Wagen ins Wasser rollen lassen.Und es htte verdammt keine Zeugen dafr gegeben.Sir Horatio hatte diesen Anruf auf Band aufgenommen und spielte ihn mir mehrmals vor.Das Fettauge hatte verblffend genaue Kenntnis von den Vorgngen, so da sich Sir Horatio und mir der Verdacht aufdrngte, da Zubinassian nicht flunkerte, sondern die reine Wahrheit sagte. Da er mit eigenen Augen gesehen hatte, was passiert war.Von wegen keine Zeugen!Ich konnte mir den Fettklo richtig vorstellen, wie er schwitzend hinter der Limousine hertrabte und sie in der Themse versinken sah. Samt dem unbekannten Opfer, von dem nur noch ein grnes Skelett vorhanden war.Passiert war das vor vierundzwanzig Stunden.Zubinassian hatte einen vollen Tag berlegt, ob er seine Beobachtung an uns melden sollte.Aus alter Freundschaft htte er's schlielich doch getan, versicherte er in seinem Anruf Sir Horatio. Und es sei ja bekannt, da der Secret Service eine Spezialabteilung htte, die sich um Phnomene und gruselige Dinge kmmere, bitteschn. Und gruselig sei ja wohl, was man gesehen habe. Unheimlich geradezu.Ich hatte Fettauges Stimme im Ohr. Sie klang immer noch gehetzt und ngstlich, obwohl ein Tag zwischen der Beobachtung und dem Anruf lag.Zubinassian mute es ganz schn an die Nerven gegangen sein.Das wre mir es auch, zugegeben.Fettauge hatte dann einen Treffpunkt vorgeschlagen. Hier unten an der Themse. Sir Horatio mge einen mutigen Mann schicken. Dem wolle er zeigen, wo der Wagen in den Flu gerollt worden sei und wo das grne Skelett Joy Gilligan aus der Gewalt des unbekannten Mannes befreit habe.So um Mitternacht herum solle der Mann sich an der bezeichneten Stelle einfinden.Sir Horatio hatte es dem Burschen zugesagt.Es war klar, da Zubinassian weiteres Wohlwollen meines Chefs erringen wollte. Er wute ja, wer die Hand ber ihn hielt. Das war auch eine Form der Dankbarkeit.Der Mann beim Service, der sich um haarstrubende Ereignisse und Zwischenflle kmmerte, die sich jeder kriminalistischen Aufklrung widersetzten, der sich bemhte, Phnomene zu entrtseln, der eingesetzt wurde, wenn bersinnliche Krfte im Spiel waren, der Mann war ich.Nachdem Sir Horatio mir fnfmal das Tonband vorgespielt hatte, sagte er: Klingt ja alles recht verworren, aber zu viele Details fr eine Spinnerei. Und dann diese Stimme er hat Angst! Mac, gehen Sie um Mitternacht zum Treffpunkt. Zubinassian wird Ihnen mehr sagen knnen. Er deutet es ja an.Darum stand ich jetzt hier im Nebel.Einigermaen gespannt war ich ja. Von einem grnen Skelett hatte ich noch nie gehrt.Logischerweise auch nicht davon, da dieses Skelett auf Menschen losging, mit ihnen nchtliche Ringkmpfe auffhrte und sie in Sekundenschnelle ebenfalls in Skelette verwandelte. In solche allerdings, die sich nicht mehr rhrten und die man samt einer Limousine in der Themse versenkte.Von Pnktlichkeit hielt das Fettauge nicht sehr viel.Es war bereits zehn Minuten nach Mitternacht.Andererseits mute ich einem Mann, der um seine Haut frchtete, eine gewisse Versptung zubilligen.Ich nahm an, da er den Treffpunkt an der Themse deshalb gewhlt hatte, weil ganz in der Nhe die Stelle war, an der die Limousine ins Wasser gekippt war.Von ausgedehnten nchtlichen Fumrschen schien Zubinassian nichts zu halten.Ich stampfte auf. Der feuchte Nebel hatte Wasserperlen auf meinem Mantel entstehen lassen.Keine zwanzig Schritte entfernt brannte eine Straenlampe. Ich sah sie aber nur als fahle blasse Scheibe hoch im Nebel schwimmen. Der Asphalt glnzte dunkel und feucht.In der Nhe tastete sich ein Auto durch die dicke Suppe. Das Scheinwerferlicht reichte nicht einmal bis zu mir her. Ich hrte nur das gedmpfte Motorengerusch. Der Wagen kam vom Westminster-Pier herauf und tastete sich die Auffahrt zur Westminster-Brcke hoch.Dann umgab mich wieder die erdrckende Stille der Nebelnacht. Ich fhlte mich wie der einsamste Mensch auf der Welt.Vom Big Ben schlug die Viertelstunde.Vielleicht war das Fettauge aufgehalten worden. Aber Vermutungen halfen mir nicht weiter. Ich mute warten. Ich wollte auch warten.Denn ich hatte den Eindruck, da Zubinassian in jedem Punkt die Wahrheit gesagt hatte.Nach einer Weile fingerte ich eine Zigarette aus der Tasche und rauchte. Papier Und Tabak wurden Feucht und schmeckten wie Kamelmist mit Assam-Tee.Angewidert schleuderte ich die halbgerauchte Zigarette zu Boden. Funken stoben auf, die Glut verlschte zischend auf dem feuchten Asphalt.Ich versuchte, mit meiner Gabe die Nhe eines Menschen zu sondieren. Zubinassian wollte etwas mitteilen, seine Gedanken waren darauf fixiert. Ich hoffte, da ich seine Strme anpeilen konnte.Mglicherweise stand er ganz in meiner Nhe im Nebel, beobachtete mich und wollte erst einmal sehen, ob man ihn nicht in eine Falle tappen lie.Leute wie er waren in erster Linie mitrauisch und erst in zweiter mitteilsam.Ich zuckte zusammen. Da war etwas!Gehofft hatte ich ja, da ich einen medialen Kontakt fand. Aber damit gerechnet hatte ich nicht.Ob's Zubinassian war, konnte ich nicht sagen. Ich sprte hauptschlich Angst. Eine hllische, abgrundtiefe Angst.Die Richtung konnte ich nicht feststellen.Zubinassian, sind Sie da? rief ich. Ich erlegte mir keinen Zwang auf. Weiter als fnfzig Schritte war ich garantiert nicht zu hren. Der Nebel verschluckte dann meine Stimme.Nichts!Ich hrte nicht einmal die Verkehrsgerusche von der Westminster-Brcke. Dabei stand ich keine dreihundert Schritte von ihr entfernt.Gerade wollte ich wieder rufen, als ich eine Wagentr zufallen hrte.Jemand konnte in sein Auto gestiegen sein und fuhr gleich los. Der Anlasser surrte aber nicht.Da kam nur die zweite Mglichkeit in Betracht. Jemand hatte geduldig in seinem Wagen ausgeharrt und war jetzt ausgestiegen.Ich sprte die Strme der angstvollen Gedanken gleich viel strker.Langsam ging ich in die Richtung, aus der das Gerusch der zufallenden Wagentr gekommen war.Ein grauenvoller Schrei lie mir fast das Mark in den Knochen gefrieren.So schrie jemand, der an der Schwelle zur Ewigkeit steht!Ich strzte vorwrts. Durch den Nebel. In Richtung der einsamen Straenlaterne.Von dort hrte ich ein Keuchen wie von Kmpfenden.Mir war, als wrde jemand heftig auf den Boden geschleudert.Ein eigenartiges grnes Leuchten drang durch den Nebel. Sofort dachte ich an Fettauges Beobachtung.Lieber Himmel, schlug das grne Skelett hier zu? Vor meinen Augen?Ich schnellte vorwrts und angelte instinktiv nach der Automatic.Als meine Hand das krperwarme Metall sprte, lie ich die Waffe, wo sie war.Auf das Skelett waren gestern schon sechs Schsse abgegeben worden. Erfolglos. Warum sollten dann gerade meine Kugeln Wirkung zeigen?Das unheimliche Leuchten wurde intensiver. Eine Gestalt schlte sich aus dem Nebel.Ich blieb stehen, als sei ich in vollem Lauf gegen eine Schaufensterscheibe gerannt. Mir richtete sich jedes Nackenhaar auf.Der Anblick war grauenhaft.Ein grnes Gerippe stand dort auf dem feuchten Asphalt. Es war wie von feinstem Gespinst umflossen. Als wrde es Fetzen eines riesigen Seidentuches um sich herumflattern lassen.Mir richtete es nicht nur die Haare auf, mir quollen auch die Augen vor.Was wie Seide glnzte und schwebte und flatterte, waren Spinnweben.Die ganze schaurige Erscheinung war darin eingehllt. Der Kopf auch. Sogar die leeren Augenhhlen und der Brustkorb.Ich zweifelte an meiner Beobachtungsfhigkeit und an meinem Verstand, als ich sah, wie das grne Skelett den Kopf lauschend in meine Richtung drehte.Die Erscheinung besa keine Sinnesorgane. Sie reagierte aber, als htte sie welche.Mir war sofort klar, da ich es mit einem bersinnlichen Wesen zu tun hatte. Mit einem hchst gefhrlichen.Denn auf dem schwarzglnzenden Straenbelag sah ich jetzt einen Menschen liegen.Einen ungemein dicken Mann. Zubinassian!Im Hintergrund sah ich verschwommen den dunklen Schatten eines Autos. Fettauge mute darin gesessen und erst einmal eine Weile die Gegend beobachtet haben. Die Scheinwerfer waren jedenfalls ausgeschaltet, mitgekommen schien niemand zu sein.Das grne Skelett hatte Zubinassian angegriffen, nachdem er das Auto verlie.Warum rappelte er sich nicht auf?Der Sturz konnte ihn doch nicht so betubt haben, da er wie tot dalag!Aus Angst?Ich empfing keine Strme. Dafr sprte ich etwas anderes es war wie der Anprall einer kalten, fernen, unwirklichen Welt. Und es ging von dem grnen Skelett aus.Ich berlegte, ob ich mich auf einen Kampf einlassen sollte. Ich bin ganz gut durchtrainiert, und mit geisterhaften Erscheinungen hatte ich einige Erfahrung.Da ein grnes Skelett einen unbekannten Mann im Handumdrehen in ein ebenfalls grnes Gerippe verwandelt haben sollte, hielt mich davon ab, den Knochenmann anzugreifen.Ich wute gar nichts ber ihn. Das konnte bse fr mich enden.Nur ein Narr strzt sich bedenkenlos ins Ungewisse.Ich tauchte gedankenschnell in den Nebel zurck. Meine Absicht war, an anderer Stelle wieder zu erscheinen. Da lag ja Zubinassian. Ich durfte ihn in seinem hilflosen Zustand nicht im Stich lassen.Ein rgerliches Fauchen verfolgte mich in den Nebel.Mein Herz tat ein paar schnelle Schlge. Der grne Knochenmann hatte das Gerusch produziert!Ich kam aus Richtung der Straenlampe, duckte mich und hoffte, da mich die Erscheinung nicht zu frh sah.Aber sie stand wohl mit dem Teufel im Bunde. Sie kam mir schon entgegen.Ich war vor Entsetzen wie gelhmt. Zubinassian verwandelte sich!Er zerfiel innerhalb weniger Augenblicke. Seine Kleidung lste sich auf.Nur ein blankes Gerippe blieb von ihm brig. Es begann ebenfalls grn zu leuchten wie der schreckliche Knochenmann, der sich mit mir anlegen wollte.Fr Zubinassian kam jede Hilfe zu spt.Der unheimliche Knochenmann schnellte sich mit einem unglaublichen Sprung vorwrts, schleuderte die Arme nach mir und bekam mich am Mantel zu packen.Eisern hielt er fest.Ich wollte schwren, da sich sein Totenschdelgesicht zu einem triumphierenden Grinsen verzerrte.

*

Edgar Conroy steuerte den Wagen links heran und hielt.Seine Knie waren weich wie Pudding.Er schielte ber die Achsel. Das Grauen schttelte ihn. Aus dem Prchen waren zwei grne Skelette geworden.Sie waren in eine Art Spinnweben eingehllt, die einfach aus dem Nichts entstanden waren.Edgar stie die Tr auf. Er bewahrte genug Geistesgegenwart, um das Mikrofon seiner Funksprechanlage mit hinauszunehmen.Hallo, Zentrale! rief er keuchend. Conroy spricht. Stehe auf der Regent Street, Einmndung MaddoxJa, und?Ich ich habe einen Zwischenfall! Edgars Stimme krachte. Zwei Fahrgste. Schickt die Polizei. Sofort.Machen sie rger? Brauchen Sie Untersttzung, Conroy?Die Polizei! Schnell! Die Fahrgste sind tot. Es sind Skelette.Was?Skelette. Zum Teufel, beeilt euch!Ist Ihnen nicht gut, Conroy? Sie sagen so seltsame Sachen!Was mir passiert ist, ist nicht seltsam, sondern unheimlich. Macht doch voran, ich warte hier.Es folgte lngere Stille. Dann: Bleiben Sie, wo Sie sind, Conroy. Wir veranlassen alles.Hoffentlich. Edgar hatte nasse Handflchen. Er warf das Mikrofon auf den Sitz. Um keinen Preis wre er jetzt eingestiegen.Nervs ging er neben dem Taxi auf und ab. Es roch nach Nebel. In einer halben Stunde wrde London zu sein. Er kannte das.Auf der Regent Street waren spte Passanten unterwegs.Edgar zog es den Magen zusammen, als er einen lteren Mann auf das Taxi zukommen sah. Der Passant wollte eine Fahrt.Geistesgegenwrtig stellte sich Edgar so, da der Mann die beiden grnen Skelette auf dem Rcksitz nicht sah.Besetzt, Sir, leider!Der Mann war damit nicht einverstanden. Er zeigte auf das eingeschaltete Taxizeichen. Es war angegangen, als Edgar ausgestiegen war.Dafr tickte der Taxameter.Der Passant begriff endlich, da er sich um ein anderes Taxi bemhen mute. Er brummte unfreundlich und ging weiter.Edgar drehte den Taxameter ab. Er zeigte ein Pfund an. Das bezahlte ihm niemand.Er wischte die feuchten Hnde an der Hose ab und schielte ins Wageninnere. Er begriff nicht, was vorgegangen war. Er sah nur, da etwas Grauenvolles passiert war.Er hatte doch berhaupt nichts gehrt. Keinen Schrei, keine Stimme!Minuten spter kurvte einer von den alten Polizeiwagen heran und stoppte hinter dem Taxi.Zwei Polizisten stiegen aus.Sie sind Conroy?Ja. Hier sehen Sie, da sitzen sie! Edgar wies auf die Seitenscheiben.Die Polizisten schauten in den Wagen. Es verschlug ihnen die Sprache.Beim einen kam Mitrauen hoch. Wenn das ein dummer Scherz ist, sind Sie ihre Lizenz los, klar?Scherz? Mann, mir zittern jetzt noch die Knie! Als die beiden einstiegen, waren sie quicklebendig.Wer ist das?Ein Mann, dreiig, vielleicht etwas mehr. Und ein junges Mdchen. Ein sehr junges Mdchen. Edgar wischte sich die Stirn ab.Hatten Sie sie schon mal als Fahrgste?Daran wrde ich mich erinnern. Nein, Sergeant.Wo sind sie eingestiegen?Vor dem Magic Flower. Das Ziel sollte Wembley sein.Wie war da die Anschrift?Edgar nannte sie, und der Sergeant notierte, whrend der zweite Polizist hastig eine Zigarette rauchte. Er sprte das Grauen, und er versuchte, sich darber hinwegzumogeln.Der Sergeant steckte das Notizbuch ein. Das Taxi stellen wir sicher, Conroy. Es darf nichts verndert werden. Und Sie begleiten uns. Das ist der verrckteste Fall, der mir je begegnet ist. Sie werden doch aussagen, oder?Sicher, aber was kann ich schon sagen? Ich habe blo ein unheimliches Knirschen gehrt, dann ein Reien, als ginge Stoff entzwei. Ja, und mir war, als wrden mir tausend Spinnen auf dem Rcken herumkriechen.Spinnen?Der Sergeant schaute Edgar Conroy an, als htte der den Verstand nicht richtig beisammen.Edgar aber griff sich unwillkrlich in den Nacken. Dieses grausige Kribbeln sprte er immer noch.

*

Motley ging systematisch vor.Der Bo hatte gesagt, da die Neue zu schwimmen hatte. Also schwamm sie, das war ein klarer Fall.Auerdem steckte sie hier irgendwo. Den Ausgang passiert hatte sie nicht.Motley kmmte geduldig, aber grndlich, die Disko durch.Seine Schreckensgestalt jagte so manchem Gast einen kalten Schauder ber den Rcken.Die zehn Minuten waren natrlich lngst um.Eines von den Girls sprang ein. Es drehte allerdings nicht singend seine Runden in dem glsernen Bassin, sondern tanzte auf einer winzigen Plattform inmitten der Wasserflche und schwang die himmellangen nackten Beine bis unter die Decke.Die Gste waren unzufrieden. Sie murrten. Ein Mitternachtsknller war das Gehopse nicht.Cecil Bigelow war der Diskjockey. Er hatte ein unheimlich feines Gespr fr umschlagende Stimmung. Wenn sich Miesepetrigkeit bemerkbar machte, klopfte er sofort saloppe Sprche und legte einen Ohrwurm auf den Teller. Dazu fuhr er die Lichtorgel auf Hochtouren.So etwas peitschte die Stimmung hoch und brachte die Gste auf andere Gedanken.Auch jetzt schaltete er geistesgegenwrtig.Mit einer Handbewegung beorderte er das Tanzgirl von der Plattform, manipulierte die Lichtorgel, setzte die Lasershow in Gang und legte einen einschmeichelnden Oldie von den Beatles auf.Die ganz jungen Leute unter den Gsten waren in der Minderzahl. Denen sagten die Beatles nicht mehr viel.Hauptschlich bildeten aber reifere Semester das Publikum. Die waren mit den Pilzkpfen, wie man die Beatles wegen ihrer Frisur genannt hatte, gro geworden. Die hrten die Musik gern. Da wurden Erinnerungen wach, die durch die verstrichenen Jahre eine Verklrung erfahren hatten.Gar so rosarot, wie es die Leute heute glaubten, waren die Zeiten damals auch nicht gewesen.Cecil Bigelow schaltete auch noch die Videoanlage ein. Fr die Gste, die zum Tanzen zu faul waren.Ein Surfer scho vor einer haushohen blauen Welle ber die Bildwand.Motley steuerte auf den Diskjockey los. Ist die Neue hier vorbeigekommen Jessica? Seine Stimme kam tief aus dem Brustkasten.Die habe ich den ganzen Abend noch nicht gesehen. Ist was los?Sie kneift. Der Bo will aber, da sie schwimmt. Halt sie fest, wenn sie hier vorbeitanzt, klar?Ich bin nur fr die Platten und die Unterhaltung da, wehrte der Diskjockey ab. Das andere ist nicht meine Sache.Der Bo bezahlt auch dich, Cil, verstehst du? Motley legte die gewaltigen Pranken auf das Steuerpult. Er schlo und ffnete sie.Cil, wie sie ihn nannten, schluckte. Er hatte von Motleys mrderischer Kraft gehrt. Wo diese Pranken hinpackten, brachen Knochen.Es wurde auch gemunkelt, der Gorilla htte mal mit einem Faustschlag einen Gegner gettet.Sie wird gerade hier vorbeikommen, sagte Cil. Bestimmt ist sie schon auf dem Heimweg wenn sie nicht will.Motley grinste dreckig. Rausgegangen ist sie nicht. Also sperr fein die Augen auf, du Rillenritter! Er versetzte Cil einen leichten Sto gegen die Schulter.Der Diskjockey aber frchtete, es wrde ihm den Kopf abreien, so hart wurde sein Oberkrper nach hinten geschleudert.Motley stapfte den rckwrtigen Rumen zu.Cil starrte auf den mchtigen Rcken des Gorillas. Dann schlo er die Augen. Ganz fest. Die Musik der Beatles rckte in die Ferne, erreichte ihn kaum noch.Cil sprte, wie seine Gedanken fortgetragen wurden.Derweil durchsuchte Motley die hinten gelegenen Rume. Und langsam wuchs sein Grimm. Was bildete sich diese blde Ganz eigentlich ein? Glaubte sie, ihn und den Bo an der Nase herumfhren zu knnen?Da kannte sie ihn aber schlecht. Er hatte schon ganz andere Leute zur Vernunft gebracht.An der Tr von Bill Salish lauschte er. Der Bo telefonierte.Motley tappte weiter.In den Umkleiderumen war die Kleine nicht.Unbekmmert schaute sich der Gorilla in den Waschrumen um. Da war auch niemand.Er stberte in der Kche, in der Getrnkeausgabe und in den Vorratsrumen.Die Angestellten erschraken bis ins Mark, wenn sie ihn erblickten. Sofort arbeiteten sie zwei Schlge schneller.Selbst die Werkstatt sparte Motley nicht aus. In so einem Laden ging jede Nacht etwas zu Bruch, und das mute sofort repariert werden. Auch Schden an den elektrischen Anlagen.Der Elektriker ltete etwas zusammen. Er blinzelte durch den Rauchfaden auf Motley. Is was?Der Gorilla hatte schon gesehen, da sich Jessica hier nicht versteckt hielt.Halt's Maul, mach weiter! Motley ri die Tr hinter sich zu.Eigentlich hatte er jetzt alles durchsucht. Bis auf das Bro von Mr. Gardiner.Hatte sich die Kleine vielleicht dort hinein verkrochen? Mr. Gardiner schlo nur selten ab. Eigentlich konnte jeder hineinlatschen. Was ja auch oft genug geschah, wenn jemand aus der illustren Gsteschar unbedingt seinen Stoff brauchte.Deswegen glaubte Motley aber noch lange nicht, da Gardiner sein spezielles Warensortiment auch ber Nacht im Bro lie.Der Gorilla glitt mit einer erstaunlichen Lautlosigkeit auf die Tr zu. Langsam streckte er den Arm aus, die Hand ergriff den Drehknopf.Natrlich war nicht abgeschlossen.Drinnen war es dunkel. Darauf gab Motley aber nichts. Wer sich verbarg, knipste nicht gerade Festbeleuchtung an.Er glaubte ein Atmen zu hren, in jedem Fall aber ein Rascheln.Motley stie die Tr auf und schob sich in den dunklen Raum. Du kommst besser raus und lt die Zicken bleiben, Puppe! Ich bin als gutmtiger Mensch bekannt, aber so allmhlich komme ich auf Touren. He, wo steckst du?Er strengte die Augen an. Das gedmpfte Licht vom Flur kam hier noch viel schwcher an.Ein Atemgerusch hrte er nicht mehr.Das Rascheln aber war jetzt viel deutlicher. Es kam aus der hintersten Ecke.Motley grinste. Die Kleine machte ihm Spa. Duckte sich hinter Gardiners kostbare Leopardenfell-Sitzgruppe und wollte ihn an der Nase herumfhren!Der mute er die richtigen Fltentne beibringen, damit sie fr die Zukunft wute, wie hier der Hase lief.Bei der Gelegenheit konnte er ihr auch die Figur begrapschen.Mit den Frauen war das nmlich so eine Sache bei ihm. Alle hatten sie Angst vor ihm. Er wute, da er nicht hinreiend aussah.Keine lie sich mit ihm ein. Sie hatten hunderttausend Ausflchte.Die Kleine hier entkam ihm nicht.Die Gier lie Motley unvorsichtig werden.Er pirschte sich an die Sitzgruppe heran, bckte sich und packte mit beiden Hnden in die Dunkelheit hinter dem zweisitzigen Sofa. Habe ich dich doch Der Rest blieb ihm im Halse stecken.Er hatte etwas gefat, es fhlte sich aber nicht nach den weichen Rundungen einer Frau an.Im Gegenteil.Es war hart, knochig und es brannte wie Hllenfeuer!Erschrocken ri er die Hnde zurck.Und dann blieb ihm fast das Herz stehen vor Entsetzen.Eine grauenhafte Gestalt richtete sich vor ihm auf. Ein Gerippe!Die Knochen waren wie mit grner Leuchtfarbe bergossen. Ein glitzerndes Gespinst schwebte um das Skelett und fllte auch den Raum hinter den Rippen aus.Motley kannte keine Schrecksekunde, auch wenn sein Verstand nicht ganz so fix war wie der anderer Leute. Er warf sich zurck.Aber zu spt.Er hatte damit gerechnet, diese Jessica zwischen die Finger zu kriegen. Nicht damit, auf ein Schreckgespenst zu stoen. Denn dafr hielt er die Erscheinung.Er sprang nicht weit genug zurck.Die vorschnellenden Arme des Gerippes krallten sich in seine dunkle Jacke. So hart, da die messerscharfen Fingerngel spielend durch den Stoff drangen und sich tief in sein Fleisch gruben.Motley brllte geqult und zornig zugleich auf.Mit einem Befreiungsschlag drosch er die Knochenarme beiseite und setzte sofort mit einer Geraden auf die Rippen des Gespenstes nach.Seine Faust landete wie auf einer Betonmauer.Brllend krmmte sich Motley. Die Knchel waren gebrochen.Das Gerippe lie ein schauriges Lachen hren. Ein frchterlicher Grabgestank wehte den Gorilla an. Dann packte die grne Erscheinung erneut zu.Motley machte eine miglckte Abwehrbewegung, verlor das Gleichgewicht und strzte seitlich ber einen Sessel.Sofort war das grne Skelett ber ihm, legte ihm die Knochenfinger um den Hals und drckte zu.Nicht einmal besonders krftig. Motley bekam noch Luft.Er glaubte an seine Chance.Er packte die Knochenfinger und versuchte den Griff zu brechen. Er verfgte ber Brenkrfte.Aber diesmal ntzten sie ihm gar nichts.Er konnte die Finger nicht aufbiegen. Sie saen wie Stahlklammern um seinen Hals.Jetzt sprte er seltsame Stiche in der Brust. Und dann empfand er ein Gefhl, als wrde ihn von innen heraus etwas auffllen. Etwas Kaltes, Grausames, unsagbar Fremdes.Er stie mit den Fusten nach dem grinsenden grnen Totenschdel ber seinem Gesicht.Der Treffer beeindruckte das Gerippe gar nicht. Dafr versprte er wieder hllische Schmerzen.Und dann stie er einen gurgelnden Schrei aus.Jetzt sprte er in den Fusten dasselbe fremde Gefhl wie in der Brust.Und seine Fuste leuchteten jetzt ebenfalls grn!In Sekundenschnelle lsten sich Haut und Fleisch auf.Motley stierte auf seine Knochenfuste.Er hatte noch Gefhl darin. Es war, als wrden sie in Watte gepackt.Und nun sah er, da aus dem Unsichtbaren Spinnweben entstanden. Ganz dicht und glitzernd. Sie hllten seine knchernen Fuste ein.Er wollte sie ffnen. Sie waren zur Bewegungslosigkeit erstarrt. Sein ganzer Krper wurde steif.Das Wattegefhl kroch die Arme entlang, erreichte seine Achseln, den Hals, den Kopf, und abwrts vereinigte es sich mit dem Vllegefhl in der Brust.Sein ganzer Krper schien in Watte zu liegen.Von innen heraus entstand ein Druck, da Motley meinte, jetzt mte er zerplatzen.Das war sein letzter Gedanke.Sein Krper zerfiel vollends zum Gerippe und leuchtete grn und geisterhaft.Der Grne Tod richtete sich auf und lachte dunkel.So ergeht es euch allen, klang es aus seiner leeren Mundhhle. So rechne ich mit euch ab.Er wandte sich um und tastete ber die Mahagoniholzvertfelung der Wand. Eine verborgene Tr sprang auf. Sie gab einen tiefen und mannshohen Hohlraum frei.An der Rckwand war ein Stahlregal befestigt. Auf den Zwischenbrettern lagen kleine Pakete, Kartons mit Ampullen und Einmalspritzen und etliche Stahlkassetten.Das war James Gardiners Drogenversteck, raffiniert getarnt. Aber nicht fr den Grnen Tod.Der beugte sich nieder, ergriff Motleys Skelett, als sei es nichts, und stellte es unter diabolischem Gelchter in das Geheimversteck.Sorgsam drckte er die Geheimtr zu.Dann stand er still.Die ihn umgebenden Gespinste kamen in heftige Bewegung, seine Form begann zu verblassen und ging in einen anderen Zustand ber.Wie Rauch kruselte es sich jetzt, verdichtete sich und begann zu kreiseln. Immer schneller.Im nchsten Moment sauste dieses erschreckende Gebilde lautlos in die Wandvertfelung hinein.

*

Die grinsende grne Totenfratze war keine Armlnge von meinem Gesicht entfernt.Mein Mageninhalt spielte Fahrstuhl rauf, runter, rauf, runter.Der Totenschdel war hohl und leer bis auf diese eigenartigen glnzenden Fden. Aber da war dennoch etwas, das sprte ich.Leben war da, unsichtbares Leben.Eine dmonische Existenz hauste in dem grnen Gerippe.Ich hatte gesehen, wie es Zubinassian ergangen war. Also htete ich mich, dieses grne Schreckgespenst anzurhren.Das war leichter gesagt als getan. Denn es hielt mich gepackt. Es hatte meinen Mantel fest im Griff.Sollte er zum Teufel gehen! Zwar hatte ich ihn bei Fortnum und Mason gekauft und dreihundert Pfund dafr hingeblttert; mein Leben war mir aber mehr wert.Fortnum und Mason hatte noch mehr Mntel, die verkauft werden wollten.Ich lie mich gegen das Skelett fallen, als htte ich keine Kontrolle ber meinen Krper.Das Knochengespenst reagierte augenblicklich. Es fing den Druck auf.Ich tauchte in Gedankenschnelle nach unten weg.Es knirschte hlich.Mein Mantel war dahin. Das grne Gerippe hielt zwei Stoffreste zwischen den Fingern. Aber ich war frei.Ich schnellte mich rckwrts aus der Gefahrenzone.Mir kam es vor, als wollte das grne Gespenst mir folgen. Es blieb dann aber doch zurck. Verschwommen sah ich das grne Leuchten durch den suppigen Nebel.Mir stand der Schwei auf der Stirn, mein Atem ging keuchend. Das war gerade verzweifelt knapp hergegangen!Zum Henker, was war das fr ein grnes Skelett? Wo kam es her?Es brachte Menschen um.Aber es war kein Sinn dahinter zu erkennen, kein System.Halt, sagte ich mir, bei Zubinassian vielleicht schon! Er hatte etwas beobachtet, und er wollte heute nacht auspacken! Er war ein gefhrlicher Zeuge! Mglich, da er deswegen sterben mute!Wenn es sich so verhielt, dann handelte das dmonische grne Skelett nach einer grausamen Konsequenz! Dann legte es unverkennbar menschliche Verhaltensweisen an den Tag. Beziehungsweise an die Nacht.In dieser Sekunde schwor ich mir, diesen Fall zu einer Prestigefrage fr mich zu machen.Ich wollte nicht eher ruhen, als bis ich die Umstnde und Hintergrnde aufgehellt hatte, die dieses grne Skelett umgaben.Und ich hoffte, ihm das Handwerk zu legen.Zu dem Treffen hatte ich lediglich meine Automatic mitgenommen. Zubinassian war immerhin ein Doppelagent gewesen, und ich war nicht lebensmde.Auerdem schleppte ich noch eine gnseeigroe Tageslichtbombe mit mir herum. Ich hatte gelobt, sie immer bei mir zu tragen, solange ich nicht den Frsten aller Blutsauger erledigt hatte, den Grafen Dracula.Es war noch keine zwei Wochen her, da ich Draculas Geheimversteck hier mitten in London aufgesprt hatte. Eine ganze Armee von Vampiren, Untoten und Ghouls hatte er bereits um sich gesammelt gehabt, um London zu erobern und sein Schreckensreich zu errichten.Es war mir gelungen, zwei Tageslichtbomben zu znden. Ich war berzeugt, da ich Draculas grausige Gefolgschaft ganz erheblich dezimiert hatte.Der Frst aller Blutsauger war mir jedoch entwischt. Eine warnende innere Stimme sagte mir stndig, da auch andere seiner Vasallen davongekommen waren.Jene, fr die Tageslicht keine tdliche Gefahr mehr darstellte. Allen voran Peter Woods, der Inspektor von Scotland Yard. Den hatte Dracula zu sich in sein Reich hinbergeholt.Woods war am hellen Tag mitten in London herumgegangen und hatte meine Freundin Kathleen Burke und ihre Verkuferin Joan Masters entfhrt. Und es war ihm nichts passiert.Kathleen und Joan hatte ich buchstblich in letzter Sekunde den Untoten und Blutsaugern um Dracula entreien knnen. Dabei hatte ich die zwei Bomben geworfen.Die dritte verwahrte ich fr den Augenblick, in dem ich wieder Dracula gegenberstand.Ich hielt es fr beraus fraglich, ob ich mit der Bombe gegen das grausige grne Skelett etwas ausrichten konnte.Weitere Waffen oder Hilfsmittel hatte ich nicht eingesteckt.Ich hatte ja nicht ahnen knnen, da ich zu einem Rendezvous mit dem grnen Gerippe ging.Ein intensives grnes Leuchten im Nebel fesselte meine Aufmerksamkeit.Ich sah das grne Skelett richtig strahlen. Dann vernderte es seine Form. Es waberte wie ein fliegender Pfannkuchen im dicken Dunst herum.Vom einen zum anderen Augenblick war das Gebilde verschwunden.Dem Braten traute ich nicht. Ich wartete erst einmal.Aber das Leuchten zeigte sich nicht mehr.Ich pirschte um den Ort herum und kam aus einer anderen Richtung.Der grausige Spuk war fort.Auf dem feuchtglnzenden Asphalt lag jedoch das Gerippe von Zubinassian. Ich hatte ihn nie gemocht, jetzt tat er mir leid.Ein solches Ende zu finden war frchterlich.Am Themseufer bei den Anlegepltzen der Ausflugsschiffe wute ich eine Telefonzelle. Hchstens hundert Schritte entfernt. Ich trabte los.Die Polizei und auch den Yard wollte ich heraushalten. Ein paar meiner Kollegen sollten sich um Fettauges berreste kmmern, bis Sir Horatio entschied, was mit ihnen geschah.Die Sache durfte jedenfalls nicht an die groe Glocke gehngt werden.Mehr konnte ich fr Zubinassian nicht tun.Der verfluchte Nebel war sogar in die rote Telefonzelle gedrungen. Die klgliche Lampe an der Decke gab gerade so viel Licht, da ich die Whlscheibe sah.Ich steckte Mnzen in den Schlitz und schaute zufllig nach drauen.Mir stockte der Atem.Aus dem Nebel scho ein Scheinwerferpaar. Genau auf die Telefonzelle zu.Ein Auto! War der Kerl am Steuer denn verrckt geworden? Sah er denn nicht, wohin er den Wagen lenkte?Dabei hatte er ein Tempo drauf, als wollte er dem Teufel ein Bein abfahren.Ich schnappte nach Luft, als ich ein grnes Leuchten ausmachte. Ein Stck ber dem rechten Scheinwerfer.Und dann sah ich das grne Skelett. Es bediente das Steuer.Es lenkte den Wagen in rasender Fahrt auf die Telefonzelle zu.Ich sa in einer tdlichen Falle.

*

Sie quetschten Edgar Conroy aus wie eine Zitrone.Dann wurde er an die Mordkommission, von Scotland Yard weitergegeben.Der Tod des Prchens wurde zunchst einmal als Doppelmord behandelt. Obgleich nichts auf einen Tter hindeutete und ein mglicher Tter gar nicht in der Nhe gewesen war.Der Fall war jedenfalls erschreckend und bestrzend und mehr als geheimnisvoll. Ein vergleichbarer war noch nie vorgekommen.Aber mit der Beschreibung des Mannes lie sich etwas anfangen. Und mit Conroys Aussage, da er das Prchen vor dem Magic Flower aufgenommen hatte.Aus einer Vielzahl von Bildeinzelteilen steckten Spezialisten ein Portrt zusammen, bis Edgar Conroy zufrieden war und erklrte, haargenau so habe der Mann ausgesehen.Bei dem blutjungen Mdchen bewies er ein weniger glckliches Gedchtnis.Die Kriminalbeamten trsteten ihn und meinten, mit dem Bild des Mannes kmen sie schon ein ganzes Stck weiter. Im Magic Flower liee sich ja wohl feststellen, wer der Mann war und wer das Mdchen.Nach dieser Prozedur konnte Edgar gehen.Und wer bezahlt jetzt das Taxigeld? fragte er in der Tr.Vielleicht der Mrder, schlug ein Inspektor vor.Edgar fand soviel schwarzen Humor fehl am Platze. Er knurrte grimmig.Kann ich das Taxi mitnehmen? Ich mu ja schlielich mein Brot verdienen.Das Fahrzeug bleibt beschlagnahmt. Ihre Zentrale ist verstndigt. Der Inspektor ma Edgar von Kopf bis Fu. Sie knnen jetzt gehen.Mit wenig freundlichen Gedanken gegen die Mnner der Mordkommission ging Edgar. Die Burschen waren frher zuvorkommender gewesen.Fnf Minuten nach ihm verlieen zwei Beamte Scotland Yard. Ihr Ziel war das Magic Flower. Sie hatten ein Foto nach der zusammengestoppelten Vorlage in der Tasche.Vor der Disko waren die vornehmsten Karossen geparkt.Gerade fuhr ein Rolls Royce vor. Mit Chauffeur. Der Mann ri den hinteren Schlag auf.Eine Frau stieg in supermoderner Diskokleidung aus.Das war aber auch das einzig Neuzeitliche an ihr. Sie sah schon ziemlich verbraucht aus, und selbst kosmetische Kniffe vermochten nicht mehr, ihre Gesichtsfalten zu verdecken.Der Schmuck an ihren Handgelenken und am Hals glitzerte wie ein Kristalleuchter.Nach ihr stieg ein junger Mann aus, folgsam wie ein Schohndchen. Er war herausgeputzt wie ein Dressman.Komm schon, Darling! fltete die angejahrte Dame.Der Jngling mute ihr galant den Arm reichen und sie in den Diskotempel geleiten.Der eine Beamte grinste anzglich. Die Situation war eindeutig. Die runzlige Lady hielt sich einen Liebhaber wie andere Leute sich einen Hund hielten.Sein Kollege hatte andere Sorgen. Er schaute an sich hinab. Sein Blick wurde kritisch und dann bekmmert.Ich komme mir vor wie der arme Onkel vom Lande, behauptete er. Ob die uns reinlassen, so stinknormal, wie wir gebaut sind?Seine Bedenken waren begrndet, denn sie hatten den Fu noch nicht ins Magic Flower gesetzt, als ihnen ein Mann im dunklen Anzug in den Weg trat.Das nchste Pub ist gleich um die Ecke, lie er sie wissen, und mit einem vernichtenden Blick auf ihre schlichte Kleidung fgte er hinzu: Da ist das Bier auerdem wesentlich billiger.Nett, da Sie heute Ihren Tag der christlichen Nchstenliebe haben, sagte einer der Inspektoren. Aber ein Pub-Besuch ist mir gerade heute verboten. Pappi hat's nicht gern, wenn Junior sich einen ansuft. So, mein Freund, und jetzt rumen Sie mal Ihre Figur beiseite, wir wollen da hinein.Wegen berfllung geschlossen, meinte der Trsteher grinsend und wich keinen Zoll aus dem Weg. Versuchen Sie's im nchsten Jahr wieder.Der Inspektor lchelte engelsgleich. Wetten, da Sie zwei Vorzugspltzchen fr uns haben?Und damit der Trsteher beim Nachdenken ber diese Worte sich nicht das Gehirn verrenkte, zeigte der Inspektor seinen Ausweis.Der Trsteher war offensichtlich mit pltzlichen Situationsnderungen vertraut. Er zuckte nur einmal mit den Mundwinkeln und hatte die Lage sofort wieder im Griff.Zwei Vorzugspltze das lt sich einrichten. Wir freuen uns immer, wenn der Yard zu Besuch kommt.Der Inspektor schaute ihn mitrauisch an. Aber der Mann machte ein unschuldiges Gesicht, so da ihm eine andere Meinung nicht nachzuweisen war.Pltzlich war der Weg frei.Der Inspektor wollte aber noch gar nicht eintreten. Er zog das Schnellfoto aus der Tasche und hielt es dem Trsteher vors Gesicht. Dabei beobachtete er den Mann scharf.Schon mal gesehen?Der Trsteher schraubte ausdrucksvoll die Brauen hoch. Der Inspektor glaubte zu hren, wie es hinter seiner Stirn klickte.Kein sehr schmeichelhaftes Bild. Der Mann rusperte sich. Eine gewisse hnlichkeit mit Mister Gardiner ist nicht abzustreiten.Gardiner? Wer ist das?Einer der Mitinhaber. Wenden Sie sich an Mister Salish, der ist der Geschftsfhrer. Was ist mit Mister Gardiner?Was soll mit ihm sein?Sie ziehen doch mit seinem Bild herum. Wenn die Polizei anfngt, Fragen zu stellen, dann hat das immer etwas zu bedeuten. Und nie was Gutes.Der Inspektor lchelte dnn. Sie scheinen ja Experte zu sein. Also, wo finden wir Mister Salish?Wenden Sie sich ans Personal, das reicht Sie schon weiter.Der Inspektor musterte den Trsteher noch einmal von Kopf bis Fu. Dann wandte er den Kopf leicht zur Seite. Neben der Eingangstr befand sich eine Art Kabine. Viel Glas, viel Technik war darin zu sehen. Und auch ein Stuhl.Ein Platz fr den Wchter offensichtlich. Fr die ruhigeren Stunden.Die Blicke des Inspektors wurden von einem Schaltpult magisch angezogen. Etliche Knpfe leuchteten dort, eine Schalttaste flackerte in regelmigen Abstnden grn auf.brigens wre es mchtig unklug von Ihnen, wenn Sie Mister Salish oder sonst jemand von unserem Kommen verstndigen, sagte der Inspektor ungefhr mit der Freundlichkeit eines Totengrbers, der berstunden machen mu.Der Trsteher folgte der Blickrichtung und verstand.Mit Leuten von Scotland Yard wollte er keinen Streit haben. Er nickte und wandte sich demonstrativ neuen Gsten zu.Es waren zwei todschick gekleidete Mnner in hautengen silberfarbenen Latzhosenanzgen. Hndchenhaltend strebten sie auf den Eingang zu. Einer befleiigte sich eines etwas anrchigen Ganges. Mit viel Wellenschlag und so.Der Inspektor und sein Kollege lieen die beiden vorbei.Scheint ein ganz schn schwles Klima hier zu herrschen, sagte der Mann von Yard.Das hat auch seine Vorteile, meinte sein Kollege, da brauchen sie im Winter nicht zu heizen.In gemessenem Abstand folgten sie dem Latzhosenpaar. Die Beleuchtung wurde gedmpfter, die Aufmachung gediegener. An den Wnden klebten Langflortapeten und edle Hlzer.Aber den eigentlichen Diskotempel erreichten sie immer noch nicht.Davor hatten der gesunde Erwerbssinn der Inhaber und ein Innenarchitekt eine zweite Tr gesetzt. Dort mute Eintritt entrichtet werden. Ein Pfund pro Nase.Das war nicht viel, gemessen an dem, was man sich in der Stadt ber das Magic Flower erzhlte.Die beiden Inspektoren schtzten, da die dicken berraschungen erst hinter der Tr begannen.Sie rckten aber auch nicht die zwei Pfund heraus. Schlielich waren sie dienstlich hier. Der Ausweis sorgte fr Klarheit und widerlegte den Kartenverkufer, der argwhnte, zwei Nassauer wrden sich auf die laue Tour Zugang verschaffen.Ja, wenn das so ist, meinte er seufzend und lie die Mnner vom Yard passieren.Ein paar Augenblicke spter hielten die Beamten den Atem an. Schlagartig begriffen sie, warum das Magic Flower in war und warum alles, was in London zum schillernden Jet-set zhlte, hierher gepilgert kam.Die Disko war in Form einer irrsinnigen Landschaft eingerichtet.An den Wnden erstreckten sich belaubte Nischen, Wandelgnge und Sulenhallen. Dazwischen waren raffiniert Spiegel angebracht und reflektierten zuckende Laserstrahlen, die wie kosmisches Geschtzfeuer durch die gesamte Disko zuckten.Mehr zur Mitte hin existierten drei glserne Tanzflchen mit indirekter Beleuchtung. Eine Menge Leute vergngten sich darauf, indem sie zu einer Musik zuckende Bewegungen vollfhrten oder in eigenartige Verrenkungen verfielen.Die Musik kam von allen Seiten. Buchstblich. Sogar aus dem Boden.Die Tnzer vergngten sich allein oder zu zweit oder in ganzen Gruppen. Fr Disko-Tnze schien es keine verbindliche Regelung zu geben.Die beiden Inspektoren machten rasch den Mund wieder zu, damit niemand auf den Gedanken kam, sie wren wirklich zwei arme Onkels vom Lande.Zwischen die Tanzflchen gestreut waren die Sitzgruben mit schwlstigen Polstern. Jede Grube hatte mindestens die Abmessungen eines Tennisfeldes.Obschon die erleuchteten Tanzflchen berfllt waren, quollen auch die Sitzgruben vor Gsten ber.Wenn sich alle Besucher der Disko niederlieen, muten sie wohl mehrstckig bereinander sitzen.Bedienungspersonal wieselte geschftig dazwischen herum.An die Sitzgruben schlossen sich Theken an, die ebenfalls dicht umlagert waren.An der Decke drehten sich Glitzerkugeln und schleuderten Lichtreflexe in die Gsteschar und das Lasergewitter.Was in London gut und schn und reich und bekannt war, schien anwesend zu sein. Oder wenn auch nur eine dieser Voraussetzungen erfllt war.Der Clou des Magic Flower war ein gewaltiges glsernes Wasserbassin. Eine schwimmende Tanzplattform zog gerade langsam ber die Oberflche. Ein raffinierter Mechanismus bewegte das Ding.Und dann glitten aus dem Hintergrund, wo rotes Licht dominierte, zwei wesentlich kleinere Plattformen heran. Auf jeder stand ein Mdchen.Die Musik endete, ein neuer Hit drhnte los. Und im Takt begannen die beiden Girls die Beine zu schwingen. Was gar nicht einmal schlecht aussah, wie die beiden Inspektoren fanden.Wasserfontnen schossen im Rhythmus der Musik hoch, die Laserblitze zuckten mit, verborgene Projektoren schleuderten Farbspiele gegen die Nischen, Wandelgnge und Sulen.Und dazwischen flimmerte wahrhaftig ein Videofilm ber eine Wand.Gesteuert wurde das Spektakel von einer Kanzel aus, die wie ein Kommandoraum einer Raketenabschubasis eingerichtet war.Die Inspektoren htten geschtzt, da wenigstens fnf Mann erforderlich waren, um diesen Betrieb in Schwung zu halten.Sie entdeckten aber nur einen jungen Mann in diesem Kommandostand. Und den fanden sie auch nur, weil sie im Gedrnge und bei der wechselnden Beleuchtung frmlich dagegenrannten.Der Bursche hinter seinen flackernden Knpfen und Schaltpulten war unverkennbar der Diskjockey. Er hatte ein Pilotenmikrofon aufgestlpt und hatte ein ganzes Archiv von Platten und Bandkassetten hinter sich.In einem Extraschrank standen glnzende Metallscheiben, halb so gro wie eine herkmmliche Single-Schallplatte.So ein Ding hatte der Jockey auf eine Abspielmaschine gelegt.Von dieser neuen Entwicklung hatten die beiden Inspektoren schon gehrt. Das sollte der absolute technische Knller sein. Da gab's keine Rillen mehr. Die Metallscheibe wurde elektronisch abgetastet.Hey, wie kommen wir zu Mister Salish? fragte der Inspektor den Diskjockey. Er mute eine Menge Stimme aufwenden, um sich gegen den Lrm durchzusetzen.Der Jockey reagierte nicht. Er hielt die Augen geschlossen.Mann, das halte ich im Kopf nicht aus! knurrte der Inspektor seinem Kollegen zu. Der schlft! Und das bei dem Krach. He, Mann!Noch immer reagierte der Diskjockey nicht. Er sa steif und starr, wie ausgestopft. Wenn ein Lichtreflex ber ihn hinwegzuckte, wirkte sein Gesicht fahl und angespannt. Fast verkniffen.Der Inspektor streckte die Hand aus und berhrte den jungen Mann an der Schulter.Verblfft zog er die Hand zurck.Dann beguckte er seine Finger. Der Jockey hatte sich angefhlt, als sei er aus Eis.Was ist los? Stimmt was nicht? fragte sein Kollege.Ich wei auch nicht der ist ja eiskalt! Mann, ob der tot ist, und kein Mensch hat bisher was davon gemerkt?Mach keine Witze!Sie peilten dem Diskjockey scharf ins Gesicht. Darin rhrte sich nichts. Und wie es aussah, atmete er auch nicht mehr. Bei geschlossenem Mund muten sich doch wenigstens die Nasenflgel ab und zu weiten.Oder der Brustkorb mute sich heben und senken.Das fehlt mir noch! knurrte der eine. Wir tappen mit dem grausigen Knochenprchen im dunkeln, und jetzt haben wir noch einen Fall am Hals.Der andere beugte sich in den Kommandostand hinein und fate das Handgelenk des Diskjockeys.Er suchte den Puls.Nichts !Oder doch?Unter den Fingerkuppen sprte er eine Pulswelle, nachdem bald eine halbe Minute berhaupt nichts gekommen war. Dann jagte die nchste heran.Der Diskjockey schlug die Augen auf und grinste die beiden Inspektoren an, als seien sie seine dicksten Freunde.Er war sofort voll da. Ohne Filmri, ohne Schrecksekunde.Knnen Sie einem aber einen Schrecken einjagen! tadelte der Inspektor. Was ist mit Ihnen? Sind Sie krank?Krank? Der Diskjockey lachte, und seine Zhne blitzten. Ich fhle mich putzmunter. Wie kommen Sie auf die Idee?Die beiden Beamten tauschten Blicke. Entweder waren sie verrckt. Oder der Jockey.Aber das mute man wohl sein, um es in diesem Laden aushalten zu knnen. Oder man wurde nach einiger Zeit so.Die Musik endete. Der Diskjockey nahm die kleine Metallscheibe aus der Abspielmaschine, schob sie in ein Kunststoffgehuse und warf mit der anderen Hand ein Gert an. Sofort drhnte wieder aus allen Himmelsrichtungen Musik.Der Jockey schien wirklich vllig in Ordnung zu sein.Die Inspektoren schoben es auf die Musik, da der junge Mann gerade so intensiv weggetreten war. Manche Leute gingen mit Haut und Haaren darin auf.Das kriegten sie jeden Tag in der City zu sehen. Wenn Leute mit dem Walkman im Ohr die Straen entlanggingen und verzckt lchelten und sich den Teufel dafr interessierten, was um sie herum geschah.Sogar Autofahrer und Motorradlenker tauchten schon mit dem Ding auf.Und alle zeigten sie diesen leicht bescheuerten seligen Ausdruck.Mister Salish wo ist der? rief ein Inspektor durch den Krach.Der Jockey nickte. Richtig, den haben wir, das ist der Geschftsfhrer.Wo?Hinten! Der junge Mann zeigte ber das Gewhl und das Wasserbassin hinweg, auf dem wieder die schwimmende Tanzflche herumglitt.Die beiden Beamten kmpften sich nach hinten und bemhten sich, nicht die Richtung zu verlieren.Einer blieb stehen, schttelte den Kopf und schaute zurck. Und ich htte schwren mgen, da er tot ist.Ist er aber nicht, widersprach sein Kollege und fgte hinzu: Vielleicht war er scheintot.Der andere fand es gar nicht witzig.Sie stieen auf einen Gang mit gedmpfter Beleuchtung und wunderten sich milde, da ihnen niemand entgegentrat. Am Eingang hatte sich das Personal ja ziemlich kiebig angestellt.He, ist hier niemand?Sie starrten auf die Tren. Aber die trugen keine Beschriftung.Irgendwo knarrte ein Sessel. Hinter einer der Tren.Ein Stck weiter wurde eine aufgerissen. Helles Licht fiel in den Gang.Motley, hast du das verdammte Luder endlich gef?Es ist doch jemand zu Hause, sagte ein Inspektor. Dabei dachte ich, der Laden sei ausgestorben.Bill Salish schob sich auf den Gang. Er war an die Beleuchtungsverhltnisse gewhnt, er sah die zwei Mnner und taxierte sie.Er kannte sie nicht. Sie waren noch nie dagewesen. Oder waren es welche aus Gardiners seltsamer Kundschaft?So sahen sie eigentlich auch nicht aus. Aber wer konnte einem Menschen schon hinter die Stirn gucken?Sie haben sich verlaufen! bestimmte Salish. Der Zauber luft vorne.Haben wir schon gesehen, und wir sind mchtig angetan. Der Inspektor nherte sich Salish, sein Kollege folgte. Wir htten ein paar Fragen an Sie.Fragen? Wozu? Bill Salish nahm eine Abwehrhaltung ein wie ein Igel.Wenn mitten in der Nacht wildfremde Leute daherkamen und Fragen stellten, bedeutete das selten etwas Gutes.Der Inspektor lchelte. Ich habe die richtige Brille nicht dabei, Mann. Ich kann nicht sehen, was an den Tren steht.Nichts steht da.Dachte ich mir. Also, wir suchen Mister Salish.Wozu?Wir kommen von Scotland Yard.Bill Salish klappte den Mund auf. Nach einer Weile meinte er: Yard? Ich bin Salish, ich fhre hier die Geschfte. Er berlegte, ob ihm diese verdammte Jessica die Suppe eingebrockt hatte.Dann war die Kleine doch entwischt, und niemand hatte es bemerkt. Und Motley, dieser geistige Neandertaler, latschte noch immer im Haus herum und fand natrlich nichts. Der Teufel sollte ihn holen!Htte Salish geahnt, was Motley inzwischen zugestoen war, htte er niemals solche Gedanken gehegt und solche stillen Wnsche geuert.So, vom Yard? Salish machte, ein Gesicht, als sei Scotland Yard so was hnliches wie die Heilsarmee. Und was treibt Sie her?Knnen wir nicht irgendwo hingehen, wo es heller ist? schlug der Inspektor vor.Wenn es unbedingt sein mu meinetwegen. Bill Salish gab die Tr zu seinem Bro frei.Den beiden Inspektoren fiel sofort der grne Glitzer-Tanga auf dem Schreibtisch auf.Sie treten auch auf? spottete der eine.Salish schluckte. Komiker beschftigen wir nicht. Aber wenn Sie sonst was Ntzliches knnen Talente stellen sich bei uns montags vor. Von vier bis sechs nachmittags. Sonst noch was?Die beiden Besucher zckten ihre Ausweise. Dann folgte das Bild.Das ist doch Mister Gardiner, nicht wahr? Einer der Mitinhaber.Bill Salish prfte die Ausweise kurz und das Foto lang und eingehend.Knnte Gardiner sein. Wenn Sie ihn aber sprechen wollen, mssen Sie morgen herkommen. Er ist schon fort.Mit einer jungen Dame, das wissen wir. Wie heit Mister Gardiner sonst noch?Ist was passiert? Die Hartnckigkeit gefiel Salish nicht. War Gardiner doch wegen seines verfluchten Drogenhandels aufgeflogen?Die Fragen stellen zunchst wir. Also?James. James Gardiner. Ist Mitinhaber des Ladens hier. Hren Sie, vielleicht sollte ich meinen Anwalt verstndigen.Um diese Zeit? Der wird eine Freude haben! Wozu wollen Sie Ihren Anwalt? Haben Sie ein schlechtes Gewissen?Bill Salish hllte sich in Schweigen. Er griff aber auch nicht zum Telefon. Er grapschte nur den Glitzer-Tanga vom Schreibtisch und die zwei zusammengefallenen Plastikorchideen und fegte sie in die Schublade.Und dabei berwltigte ihn wieder das Grauen.Wenn jetzt der komische grne Wirbel auftauchte und sich daraus das grne Skelett formte, dann flippten die zwei Yard-Inspektoren doch aus!Ist Ihnen nicht gut?Salish schreckte hoch. Alles in Ordnung. Sie haben nach James Gardiner gefragt, und ich habe geantwortet. Liegt sonst noch etwas an? Ich bin hier der Geschftsfhrer, der Laden luft nicht dadurch, da ich hinter dem Schreibtisch sitze und die Daumen drehe.Nicht so hastig, Mann, Sie knnen sich da gleich um die Mehrung des Reichtums kmmern. Wann ging Mister Gardiner weg?Der andere Inspektor notierte in sein kleines Buch.Na, es wird zwei Stunden her sein, entsann sich Salish. Er hauchte den dicken roten Stein im Ring an seinem linken Mittelfinger an und polierte ihn auf dem rmel.Wenn der echt ist, tragen Sie ein Vermgen mit sich rum, meinte der befragende Inspektor und zeigte auf den protzigen Ring. Na ja, jeder, wie er kann! Wer begleitete Mister Gardiner? Eine junge Dame, das wissen wir schon, aber wie heit sie?Marjorie. Und Swift, glaube ich. Salish schaltete schnell. Die Mnner vom Yard wuten mehr, als sie zu erkennen gaben. Und sie schleppten ein Foto von James herum. Das stank. Mglich, da James schon eine Weile unter Beobachtung stand.Da war es besser, sich nicht mit reinziehen zu lassen.Der andere Inspektor notierte. Wo Marjorie Swift wohnt, wissen Sie nicht zufllig?Ich kann nicht die Adressen von allen Puppen im Kopf haben, die zu uns kommen. Zudem ist James also Mister Gardiner mit ihr befreundet und nicht ich. Was soll das? Wollen Sie was gegen James zusammenzimmern? Der befragende Inspektor machte eine dmpfende Handbewegung. Mister Gardiner und seine Begleiterin sind heute im Taxi fortgefahren. Hat er kein eigenes Fahrzeug.Wenn er was gezischt hat, bleibt der Schlitten stehen. Das ist doch vorbildlich, oder nicht? Meistens fhrt er mit dem Taxi.Meistens hat er was gezischt, fate der Inspektor folgerichtig zusammen. Er machte eine Handbewegung, die das Bro einschlo. Das alles hat doch ein Sndengeld gekostet. Die Disko luft.Ich will nicht klagen, rumte Salish ein.Das erregt natrlich den Neid der Konkurrenz, deren Diskos nicht so berlaufen sind.Das Gute setzt sich immer durch. Salish brachte dazu noch einen treuen Augenaufschlag an.Wir verstehen uns, lobte der Inspektor. Also haben Sie Neider. Sind Drohungen ausgestoen worden? Wo viel Geld ist, finden sich immer ein paar Aasgeier ein.Bill Salish legte beteuernd die Hand aufs Herz. Ich schwre Ihnen, InspektorSie stehen nicht vor Gericht, also brauchen Sie nicht zu schwren. Ist Ihnen im Zusammenhang mit Mister Gardiner etwas aufgefallen? In letzter Zeit? Oder speziell heute abend? Wurde er bedroht? Gab es einen Zwischenfall?Die Alarmglocken luteten bei Salish schon eine ganze Weile. Jetzt war die Katze aus dem Sacke, und jetzt schrillten die Glocken in den hchsten Tnen.James war aufgeflogen, klar! Deshalb waren die Burschen da und stellten dmliche Fragen.Ich hab's gewut, dachte Bill, die Weiber und seine Drogengeschfte bringen ihn eines Tages zu Fall! Jetzt ist's passiert!Hren Sie, warum hacken Sie auf James herum! Fragen Sie ihn doch selber. Er kann Ihnen die Fragen viel besser beantworten.Der Inspektor rusperte sich. Das wrden wir gerne, nur frchte ich, ist er dazu nicht mehr in der Lage.Was heit das?Er ist tot. Das Mdchen auch, diese Marjorie Swift.Tot? Bill griff sich an den Hals. Der Kragen wurde ihm zu eng. Der kalte Schwei brach ihm aus.Als er ins Taxi stieg und dieses Mdchen mit ihm, da waren die zwei noch ganz munter. Und droben auf der Regent Street waren sie schon tot. So ein pltzliches Ableben interessiert uns natrlich. Vor allem, wenn nur noch zwei grne Skelette brigbleiben.Grne Skelette? Bills Stimme wurde hell und kreischend. Seine Augen quollen fast aus den Hhlen, seine Blicke netzten von einer Ecke des Raumes in die andere.Der eine Inspektor hegte einen sanften Verdacht. Kommt mir vor, als wten Sie darber etwas.Bill Salish schttelte in hchster Verzweiflung den Kopf.Nichts, keuchte er, gar nichts wei ich. berhaupt nichts. Grne Skelette Allmchtiger!Er angelte eine gut gefllte Flasche aus dem Schreibtisch und setzte sie der Einfachheit halber gleich an den Mund.Danach ging es ihm etwas besser.Er wischte mit dem rmel die Stirn ab. Ich habe James nur eine halbe Stunde gesehen. Die meiste Zeit war er vorne. Ob da was gelaufen ist, wei ich natrlich nicht. Fragen Sie das Personal.Das werden wir, Mister Salish! versprach der Inspektor. Bis zur Klrung der mysterisen Angelegenheit werden Sie die Stadt nicht verlassen. Immerhin handelt es sich um einen Doppelmord.

*

Cetil Bigelow, der Diskjockey, schlo wieder die Augen und lie sich von der Musik weit forttragen. In ein fernes Land, in dem es kalt und fremd war.Anfangs hatte er seine Gedanken selber auf die Reise geschickt und hatte Freude und Spa daran gehabt. Er hatte herrliche Abenteuer erlebt, phantastische Farben geschaut und den Nervenkitzel genossen.Zwar hatten solche Trips immer nur wenige Sekunden gedauert, manchmal auch eine Minute. Ihm war es aber vorgekommen, als sei er Stunden und Tage fort gewesen.Spter hatten sich seine Gedanken ohne sein Zutun auf Reisen begeben. Etwas war da, sobald er Musik hrte, stahl sich in seine Gedanken und fhrte sie fort. Weit weg in jenes kalte fremde Land.Im Gegensatz zu frher konnte er sich nachtrglich nicht erinnern, was er dort erlebte.Manchmal aber hatte er den Verdacht, da es keine schnen Dinge waren, sondern furchtbare Abenteuer. Da bse Dinge geschahen.Warum sonst wurde sein Gedchtnis blockiert?Er blockierte es nicht selber.Dieses Fremde, Andere bewirkte es, das sich in seine Gedanken schlich.War es der Ha auf Salish oder Gardiner und die anderen Besitzer der Disko?Cil hate diese Mnner, seit er wute, wie sie mit den Mdchen umsprangen, die sich hier produzierten. Seit er gesehen hatte, wie Gardiner ganz ungeniert seine Drogengeschfte abwickelte. Seit er erfuhr, wieviel Geld die Burschen jeden Abend aus dem Magic Flower zogen und wie mies sie das Personal bezahlten und behandelten.Ihn auch.Hundert Pfund bekam er die Woche.Ein Vielfaches davon steckten Salish und Gardiner jeden Tag als Gewinn ein.Ja, es war mit Sicherheit der Ha.Nicht allein des Geldes wegen. Diese Mnner waren so reich und so mchtig, da sie sich rcksichtslos nahmen, was ihnen gefiel.Jenes Mdchen vor ein paar Wochen. An die trumerisch blickenden blauen Augen erinnerte sich Cil deutlich.Er hatte das Girl angesehen und das Girl ihn Liebe auf den ersten Blick war's gewesen.Aber dann war James Gardiner gekommen. Dem gefiel das Girl auch.Er hatte es mit seinen verdammten Drogen versaut, hatte es auf die schiefe Bahn gelockt und immer tiefer ins Elend gezerrt.Und Salish hatte das arme Geschpf noch ausgenutzt. Er htte es tanzen und singen lassen, und er hatte es gutzahlenden Gsten zur Verfgung gestellt, wenn die Kleine im Drogenrausch schon fast hinber war.Es gab Leute, die standen auf so etwas.Wie es kam, wute genau eigentlich kein Mensch. Gab Gardiner dem Girl eine zu harte Dosis? Oder wollte das Mdchen nicht mehr? Oder war es ein Unfall?Eines Abends war sie nicht zum Auftritt herausgekommen. Als sie nachschauten, lag sie tot in der Umkleide.An jenem Abend htte Cil am liebsten Gardiner den Hals umgedreht. Und ihm davor smtliche Knochen gebrochen.Aber an die Bosse kam man ja nicht heran.Motley war dazu angestellt, das zu verhindern.Dann hatte Cil herausgefunden, da Gardiner in ein neues Geschft einzusteigen suchte. Das Magic Flower reichte ihm offensichtlich nicht mehr, und sein Drogenhandel florierte wie ein Supermarkt in der City.Cil war die Galle ins Blut geschossen, als er erfuhr, da Gardiner hinter seiner Schwester her war. Sein neues Geschft hie Spionage, und von seiner Schwester hoffte er wertvolle Informationen zu bekommen.Dabei hatte er keine Ahnung, da sie die Schwester von Cil war. Sie hatte nach der Scheidung den Namen ihres Mannes behalten.Gardiner hatte sie in sich verliebt gemacht. Vielleicht auch mit Drogen an sich gefesselt. Er verstand sich darauf, Frauen herumzukriegen.Als Cil seine Schwester zuletzt sah, begriff er, da sie Gardiner hrig war. Sie hatte ihm nicht einmal zugehrt, als er sie vor dem abgekochten Kerl warnen wollte.Sie hatte ihn einfach stehenlassen.Danach war sie ihm aus dem Weg gegangen.Oh, wie Cil dafr Gardiner hate!Bis in den tiefsten Abgrund der Hlle wnschte er ihn. Und da er dort schmorte bis in alle Ewigkeit.Und jetzt war der Lump hinter Jessica her.Cil hatte es die Sprache verschlagen, als er sie pltzlich hier mit Marjorie Swift auftauchen und mit Gardiner und Salish reden sah.Die unschuldige Jessica! Hier in diesem Laden!Natrlich, Marjorie hatte das eingefdelt, die hemmungslos in den Tag hinein lebte.Cil hatte sofort verstanden, da Jessica im Magic Flower auftreten sollte, als Salish mit ihr herumging und ihr den Betrieb erklrte.Wie der dicke kleine Widerling sie dabei angeschaut hatte! Er hatte sie mit seinen beleidigenden Blicken frmlich ausgezogen. Und auch Gardiner hatte sie so unverschmt gemustert.Und Marjorie, das Luder, hatte blo dazu gelacht und sich kstlich amsiert.Nicht mit Jessica, schwor sich Cil. Mit der nicht! Lat die Finger von ihr!An einem Probeabend war bei ihm der Funke bergesprungen.Sie kannten sich seit ihrer Kindheit, hatten sich spter aber aus den Augen verloren. Bis vor einem Jahr. Bei einem Konzert in der Royal Albert Hall waren sie wieder aufeinander getroffen, und seitdem sahen sie sich gelegentlich. Sie verabredeten sich von einem Treff zum anderen. Wie gute Freunde eben.Jetzt war es anders.Jetzt liebte er sie.Von ganzem Herzen hatte Cil gewnscht, da Jessica den Job im Magic Flower nicht annehmen wrde.Und aus ganzem Herzen hate er Salish und vor allem Gardiner und Marjorie.Cil htte hpfen mgen vor Freude, als Motley kam und nach Jessica fragte. Also hatte sie es sich anders berlegt. Sie trat hier nicht auf und lie sich von den Mnnern und Frauen begaffen.Die Zeit, wo sie htte auftreten sollen, verstrich, und sie tauchte wahrhaftig nicht auf.Cil hatte sie nmlich aus den hinteren Rumen herausstrzen sehen. Er hatte etwas geahnt, als er ihr entsetztes Gesicht sah.Versteck dich, Mdchen, hatte er gefleht. Tauch unter in diesem Gewimmel! Da finden sie dich am wenigsten!Und als htte sie seine Botschaft vernommen, war sie im Gewimmel untergetaucht.Motley hatte beharrlich seine Runden in der Disko gezogen, immer auf der Suche nach Jessica.Cil hatte ihn absichtlich belogen.Sein Ha hatte auch Motley verfolgt, als der endlich wieder in den hinteren Rumen verschwand.Jetzt wre die Gelegenheit gnstig, Mdchen, jetzt knntest du dich aus dem Staub machen! dachte Cil Bigelow.In diesem Moment war wieder das Fremde da und entfhrte seine Gedanken.Bis ihn etwas berhrte.Eine unbekannte Macht stie ihn aus der fernen fremden Welt zurck. Verwirrt blinzelte er. Er sa hinter seinen Schaltpulten in der Disko, und eine ungewohnte Stille umgab ihn. Hunderte Augenpaare waren auf ihn gerichtet.Musik!Er hatte den Anschlu verpennt. Das Lasergewitter war erloschen. Und einer der Aufpasser stand vor ihm und schaute ihn stirnrunzelnd an.He, was ist los mit dir? Mach voran, die Leute wollen unterhalten sein!Sofort! keuchte Cil. Er schaltete das Mikrofon am Hals ein. Und nach diesem Augenblick der Besinnung geht's wieder rund wie am Picadilly Circus laut und hautnah. Es darf gehupt werden.Er schaltete eine Bandkassette ein.Er erntete ein paar Lacher. Dann lief der Betrieb weiter, und der Zwischenfall wurde vergessen.Cils Gedanken aber drehten sich um Jessica.Sie war hier. Irgendwo. Er kannte den Laden. Salish htte sie nie gehen lassen.Ein Gefhl sagte ihm, da sie drben in einer der belaubten Nischen steckte.Er programmierte die Lichtorgel vor, die Wasserfontnen, das Spiel der Laserblitze.Dann glitt er aus seiner Jockeykanzel. Zehn Minuten hatte er Zeit. Das war verdammt knapp. Denn noch einmal auffallen durfte er nicht.Das eben hatte schon gereicht. Zwei Pannen an einem Abend reichten zum Hinauswurf. Da war Salish nicht zimperlich.Cil Bigelow drngte sich durch die Menge, mute hier eine Hand schtteln und dort ein freundliches Wort sagen.Die Stammgste, und das waren eine Menge, kannten ihn.Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis er die Nischen neben der Videowand erreichte.Ein Instinkt schien ihn zu leiten.Cil wollte systematisch suchen und ganz links beginnen. Der Instinkt sagte ihm, auf die dritte Nische loszustpfen.Er gehorchte der inneren Stimme.Eine Clique hatte sich in der Nische eingerichtet, zu bequem oder schon zu besuselt zum Tanzen.Jessica sa mitten drin.Cil ri die Augen auf. Hatte sie so schnell Anschlu gefunden? Oder waren das Bekannte von ihr? Freunde gar?Einem jungen Mann, etwa in Cils Alter, hatte sie sich hingebungsvoll in den Arm geschmiegt, und der Kerl schaute sie ganz verliebt an.Cil rasten tausend Stiche durch die Brust.Was fiel Jessica ein? Er liebte sie doch er! Nicht dieser Kerl dort mit dem Schnurrbart!Nagende Eifersucht berwltigte ihn. Rote Schleier tanzten fr Sekunden vor seinen Augen.Eine Stimme ri ihn in die Wirklichkeit zurck. Cil?Jessica hatte ihn im Eingang zur Nische erkannt.Der Diskjockey ri sich zusammen. Du solltest gehen, sagte er heiser. Sie suchen dich, sie sind sauer, weil du nicht aufgetreten bist.Ich werde auch nicht auftreten, erwiderte Jessica und lste sich aus dem Arm des Mannes. Ich habe es mir anders berlegt. Das habe ich Mister Salish gesagt.Dein VertragHr mal, was will der Bursche von dir? erkundigte sich der junge Mann mit dem Schnurrbart bei Jessica. Arbeitet der mit den Bossen zusammen?Er hatte getrunken, seine Stimme klang nach Streit und Krawall.Jessica legte ihm besnftigend die Hand auf den Arm. Schon gut, Julian, das regle ich selber. Cil, ich pfeife auf den Vertrag. Ich wei heute noch nicht, wie ich so dumm sein konnte, ihn zu unterschreiben. Wenn Mister Salish deswegen rger machen will, gehe ich zu einem Anwalt. Dann bekommt er den rger. Sag ihm das.Motley kurvt herum. Er sucht dich.Jessica erschauerte. Aber sie blieb standhaft. Auch dann nicht. Ich ziehe mich nicht fr all diese Leute aus. Ich hab's vorher nicht gewut, was Mister Salish von mir verlangt.Geh jetzt lieber, mahnte Cil. Er ist gefhrlich.Ich habe keine Angst. Jessica machte eine Handbewegung auf die Runde in der Nische. Das sind alles gute Freunde von mir. Sie beschtzen mich.Dieser Julian stemmte sich hoch. Jawohl, wir beschtzen sie, sagte er trunken. Das knnen Sie dem Oberbo bestellen. Und wenn er damit nicht zufrieden ist, verbiegen wir ihm ein wenig die Figur.Jessica fate ihn an der Schulter und zog ihn neben sich auf das Polster. Unsinn, das fhrt doch zu nichts. Cil, es ist lieb, da du mich gewarnt hast, dafr danke ich dir. Aber du siehst, ich bin hier gut aufgehoben.Ja, das sehe ich, sagte Cil knapp. Grulos trat er zurck und kehrte zu seiner Kanzel zurck.Lieb von mir ist es, hmmerte es in seinem Kopf. Lieb von mir! Aber sie liebt mich nicht! Sie liebt diesen Julian! Ich hab's gesprt!Er sah die beiden Mnner aus Richtung der hinteren Rume kommen, die ihm vor einer Weile aufgefallen waren, weil sie sich vom sonstigen Publikum betrchtlich unterschieden.Salish hat sie engagiert, schlo er haarscharf. Privatdetektive! Er will Jessica haben! Sie soll schwimmen!Sein ganzer Ha konzentrierte sich auf Bill Salish.

*

Der Wagen scho wie eine Rakete heran.Das grne Skelett wollte mich umbringen!Bei dem Tempo des Autos blieb von der Telefonzelle und mir nicht viel brig.Ich berlegte gar nicht, ich handelte nach dem Gefhl. Und das sagte, da ich raus mute. Egal, wie!Ich stie die Tr auf, schnellte mich ab und flog im Hechtsprung seitlich in den Nebel.Ich war noch in der Luft, als ich schon den mrderischen Krach hrte, mit dem der Wagen mit dem grnen Skelett am Steuer die rote Telefonzelle abrasierte.Glas platzte und schwirrte herum wie ein Sack voll Erbsen, Blech und Eisen rissen kreischend.Ich prallte auf und versuchte eine Rolle, um grere Schden zu vermeiden. Es gelang mir so leidlich, whrend Glassplitter zu mir herberspritzen.Der Mantel bekam noch einiges ab. An der linken Achsel rutschte ich ein Loch hinein.Etwas benommen blieb ich am Boden liegen.Dieses grne Gerippe war ja von allen guten Geistern verlassen!Es war fast ein Wunder, da ich dem Mordanschlag entgangen war.Das Auto stie die umgerissene Telefonzelle vor sich her. Das erzeugte einen hllischen Lrm.Ein zweites Wunder war, da der Wagen nach dem Aufprall noch fahrbereit war und sich nicht in seine Einzelteile auflste.Das nervenzerfetzende Kreischen, Scheppern und Klirren entfernte sich im Nebel. Ich atmete auf und betastete meine Gliedmaen.Gebrochen hatte ich nichts. Aber ein paar solide blaue Flecken


Recommended