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Die Behandlung der Phraseologismen im Unterricht Deutsch ... · Mehmet Gündoğdu 1 Die Behandlung...

Date post: 19-Oct-2020
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Mehmet Gündoğdu 1 Die Behandlung der Phraseologismen im Unterricht Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Dr.Mehmet Gündoğdu - Studium der Germanistik an der Atatürk Univetsitst. 1978-1983 Lenrteiiq- keit an der Fremdspraehenhoeh- sctıute, 1983 - 1994 Lehrbeauf- tragter für DaF an der Universitet Çukurova in Adana. 1994 Promo- tion (Dr. phil.) zum Thema Über- setzbarkeit und Vermittlungs- mögliehkeiten der linguistisehen Faehspraehe. 1996 - 2000 Assis- tentenprofessor am Germanisti- sehen Institut der Universitat Mer- sin. Seit 2001 tatig als Dozent für Didaktik und Linguistik am Institut für die Ausbildung von Überset- zem und Dolmetsehem an der Universitat Mersin. Forsehungssehwerpunkte: DaF- Didaktik, Spraehlehr- und -lerntor- sehung Übersetzungswissen- sehaft und Übersetzungsdidaktik. Zusammenfassung Phraseologismen, die die Kommu- nikation im alltaqllchen Sprachge- brauch erleichtern und fördern, spie- len in der deutschen Sprache eine bedeutende Rolle. In den qelaufiqen DaF/DaZ-lehrwerken wird dem Er- werb von Phraseologismen jedoch nur wenig Aufmerksamkeit ge- schenkt. Nicht nur türkische DaF- Studierende und -Ierner stoBen bei deutschen Phraseologismen oft- mals auf Verstandnisschwieriqkei- ten. Diese bestehen zum einen dar- in, Phraseologismen überhaupt in einem Text zu identifizieren, und zum anderen darin, sie zu verstehen und aktiv zu verwenden. Deshalb gewinnt die Vermittlung von Phrase- ologismen im DaF/DaZ-Unterricht zunehmend an Bedeutung. DaZ 2/2007 In der vorliegenden Arbeit wird ein didaktisches Konzept vorgestellt, wie phraseologische Ausdrucksmit- tel im DaF/DaZ-Unterricht systema- tischer und wohl auch effektiver ver- mittelt werden können. Zugleich werden die phraseodidaktischen Ausführungen anhand von konkre- ten Textbeispielen prasentiert, O. Vorbemerkung Phraseologismen sind ein fester und wesentlicher Bestandteil jeder Spra- che. Wer sich auf das Abenteuer ei- ner neuen Sprache einlasst, sollte folglich schon möglichst früh lernen, mit Phraseologismen umzugehen. Sie sind es narnlich, die eine Spra- che lebendig gestalten, sie schrnü- eken und sie oft 'pfiffig' daherkom- men lassen. Phraseologismen im Deutschen zu erkennen, zu verste- hen und zu verwenden, ist für jeden DaF-lerner unabdingbar. Dies gilt natürlich ebenfalls für DaZ-lernen- de. Menschen, die eine Fremdspra- che als Zweitsprache erlernen, weil sie ihren lebensmittelpunkt in ei- nem neuen land, in einer neuen Kultur haben, sind noch viel starker darauf angewiesen, dieses sprachli- che Instrument zu beherrschen. Wer Phraseologismen anwendet, kennt sich aus mit den leisen und den Zwi- schentönen einer Sprache. Gerade im DaZ-Unterricht mit Kindern und Jungendlichen bietet die Beschatti- gung mit Phraseologismen auch schon auf einem geringen Sprachni- veau einen interessanten sowie spielerischen Umgang mit der Ziel- sprache. Gleichzeitig dürfte mit Hilfe eines interkulturellen Ansatzes die Entwicklung der Erstsprache geför- dert werden. Methodisch-didaktisch kann mit Phraseologismen im DaZ- Unterricht wie im DaF-Unterricht verfahren werden. Der sogenannte phraseodidaktische Vierschritt: .Erıtdecken, Entschlüsseln, Festi- gen, Verwenden" lasst sich auf be- liebigen Sprachniveaus und mit un- terschiedlichen lernergruppen um- setzen. Der vorliegende Aufsatz zeigt an ei- nem Beispiel auf dem Niveau B2 die Arbeit mit Phraseologismen aus der Perspektive des DaF-Unterrichts. Das dabei verwendete Modelı kann auf andere Sprachstufen bzw. auf den DaZ-Bereich übertragen wer- den. 1. Einleitung Der Wortschatz einer Sprache be- steht nicht nur aus Einzelwörtern, sondern auch aus festen Wortver- bindungen, die in bestimmten Kom- binationen unterschiedlich bezeich- net werden. Phraseologismen, die im alltaqlichen Sprachgebrauch auf alien Stilebenen vorkommen, wer- den haufig als besondere Art von solchen festen Wortverbindungen behandelt. Ihre Besonderheit be- steht darin, dass sie sich durch Ein- zelwörter nicht ersetzen lassen. Phraseologismen sind durch den Umstand definiert, dass sich ihre Gesamtbedeutung nicht aus den Einzelbedeutungen ihrer Konstitu- enten ableiten lasst. Dieses beson- dere Merkmal der Phraseologis- men, die sich durch Bildhaftigkeit und Expresslvitat auszeichnen, macht sie zu ausdrucksstarken Sprachmitteln. Phraseologische Ausdrücke .können die Sprache auflockern und einem Text die allzu strenge Sachlichkeit nehmen. Sie 11
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Page 1: Die Behandlung der Phraseologismen im Unterricht Deutsch ... · Mehmet Gündoğdu 1 Die Behandlung der Phraseologismen im Unterricht Deutsch als Fremd- und Zweitsprache Dr.Mehmet

Mehmet Gündoğdu 1

Die Behandlung der Phraseologismen im

Unterricht Deutsch als Fremd- und Zweitsprache

Dr.Mehmet Gündoğdu - Studiumder Germanistik an der AtatürkUnivetsitst. 1978-1983 Lenrteiiq-keit an der Fremdspraehenhoeh-sctıute, 1983 - 1994 Lehrbeauf-tragter für DaF an der UniversitetÇukurova in Adana. 1994 Promo-tion (Dr. phil.) zum Thema Über-setzbarkeit und Vermittlungs-mögliehkeiten der linguistisehenFaehspraehe. 1996 - 2000 Assis-tentenprofessor am Germanisti-sehen Institut der Universitat Mer-sin. Seit 2001 tatig als Dozent fürDidaktik und Linguistik am Institutfür die Ausbildung von Überset-zem und Dolmetsehem an derUniversitat Mersin.Forsehungssehwerpunkte: DaF-Didaktik, Spraehlehr- und -lerntor-sehung Übersetzungswissen-sehaft und Übersetzungsdidaktik.

Zusammenfassung

Phraseologismen, die die Kommu-nikation im alltaqllchen Sprachge-brauch erleichtern und fördern, spie-len in der deutschen Sprache einebedeutende Rolle. In den qelaufiqenDaF/DaZ-lehrwerken wird dem Er-werb von Phraseologismen jedochnur wenig Aufmerksamkeit ge-schenkt. Nicht nur türkische DaF-Studierende und -Ierner stoBen beideutschen Phraseologismen oft-mals auf Verstandnisschwieriqkei-ten. Diese bestehen zum einen dar-in, Phraseologismen überhaupt ineinem Text zu identifizieren, undzum anderen darin, sie zu verstehenund aktiv zu verwenden. Deshalbgewinnt die Vermittlung von Phrase-ologismen im DaF/DaZ-Unterrichtzunehmend an Bedeutung.

DaZ 2/2007

In der vorliegenden Arbeit wird eindidaktisches Konzept vorgestellt,wie phraseologische Ausdrucksmit-tel im DaF/DaZ-Unterricht systema-tischer und wohl auch effektiver ver-mittelt werden können. Zugleichwerden die phraseodidaktischenAusführungen anhand von konkre-ten Textbeispielen prasentiert,

O. Vorbemerkung

Phraseologismen sind ein fester undwesentlicher Bestandteil jeder Spra-che. Wer sich auf das Abenteuer ei-ner neuen Sprache einlasst, solltefolglich schon möglichst früh lernen,mit Phraseologismen umzugehen.Sie sind es narnlich, die eine Spra-che lebendig gestalten, sie schrnü-eken und sie oft 'pfiffig' daherkom-men lassen. Phraseologismen imDeutschen zu erkennen, zu verste-hen und zu verwenden, ist für jedenDaF-lerner unabdingbar. Dies giltnatürlich ebenfalls für DaZ-lernen-de. Menschen, die eine Fremdspra-che als Zweitsprache erlernen, weilsie ihren lebensmittelpunkt in ei-nem neuen land, in einer neuenKultur haben, sind noch viel starkerdarauf angewiesen, dieses sprachli-che Instrument zu beherrschen. WerPhraseologismen anwendet, kenntsich aus mit den leisen und den Zwi-schentönen einer Sprache. Geradeim DaZ-Unterricht mit Kindern undJungendlichen bietet die Beschatti-gung mit Phraseologismen auchschon auf einem geringen Sprachni-veau einen interessanten sowiespielerischen Umgang mit der Ziel-sprache. Gleichzeitig dürfte mit Hilfeeines interkulturellen Ansatzes dieEntwicklung der Erstsprache geför-dert werden. Methodisch-didaktisch

kann mit Phraseologismen im DaZ-Unterricht wie im DaF-Unterrichtverfahren werden. Der sogenanntephraseodidaktische Vierschritt:.Erıtdecken, Entschlüsseln, Festi-gen, Verwenden" lasst sich auf be-liebigen Sprachniveaus und mit un-terschiedlichen lernergruppen um-setzen.

Der vorliegende Aufsatz zeigt an ei-nem Beispiel auf dem Niveau B2 dieArbeit mit Phraseologismen aus derPerspektive des DaF-Unterrichts.Das dabei verwendete Modelı kannauf andere Sprachstufen bzw. aufden DaZ-Bereich übertragen wer-den.

1. Einleitung

Der Wortschatz einer Sprache be-steht nicht nur aus Einzelwörtern,sondern auch aus festen Wortver-bindungen, die in bestimmten Kom-binationen unterschiedlich bezeich-net werden. Phraseologismen, dieim alltaqlichen Sprachgebrauch aufalien Stilebenen vorkommen, wer-den haufig als besondere Art vonsolchen festen Wortverbindungenbehandelt. Ihre Besonderheit be-steht darin, dass sie sich durch Ein-zelwörter nicht ersetzen lassen.Phraseologismen sind durch denUmstand definiert, dass sich ihreGesamtbedeutung nicht aus denEinzelbedeutungen ihrer Konstitu-enten ableiten lasst. Dieses beson-dere Merkmal der Phraseologis-men, die sich durch Bildhaftigkeitund Expresslvitat auszeichnen,macht sie zu ausdrucksstarkenSprachmitteln. PhraseologischeAusdrücke .können die Spracheauflockern und einem Text die allzustrenge Sachlichkeit nehmen. Sie

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Gündoğdu: Phraseologismen ----------------------------------

können ihm emotionale Expressivi-tat, Anschaulichkeit und Eindring-lichkeit verleihen" (Wajtak/Richter,1993:48). Deshalb machen Phrase-ologismen einen wichtigen Teilas-pekt der kommunikativen Kompe-tenz in einer Sprache aus.Phraseologismen wird jedoch alsGegenstand im DaF/DaZ-Unter-richt kaum Aufmerksamkeit ge-schenkt (vgl. Kühn, 1992:167). In dereinschtaqiqerı Literatur wird nur sehrkurz auf die Bedeutung der Phrase-ologie für den Fremdsprachenunter-richt (FSU) und auf Schwierigkeitenbei deren Erlernen hingewiesen (vgl.F/eischer, 1997:6-27; Pa/m1995:XI; Burger, 1998:67). Erst inden 90er Jahren erschienen auf demGebiet der Phraseodidaktik im DaF-Unterricht mehr Arbeiten und Auf-satze, die phraseodidaktische undmethodische Fragestellungen aus-führlich behandeln (Peter Kühn,1992 und 1996; Hessky, 1992; Lüger,1997; Köster, 1998). Eine Analysevon DaF-Lehrwerken unter phraseo-logischem Aspekt ergibt, dass Idio-me entweder sehr selten oder garnicht thematisiert werden (vgl.Kühn, 1996:10). In den DaF-Lehr-werken, wie z. B. in .Stuten", "Wege",.Thernen", "Mittelstufe Deutsch"werden meistens Sprichwörter be-handelt, ein Teilbereich der Idiome.Der Schwerpunkt in den Übungsauf-gaben liegt auf rein kontextlosenStrukturübungen, bei denen in ersterLinie formale, d. h. morphosyntakti-sche Aspekte der Idiome dominie-ren und die Gebrauchsbedingungensowie die Stlltarbunq der Idiomeüberhaupt nicht berücksichtigt wer-den.Damit agiert ein Muttersprachler imalltaqlicherı Sprachgebrauch aufmündlicher und schriftlicher Ebenejedoch standiq, Die Bedeutung die-ser Wortverbindungen ist den Mut-tersprachlern genau in dieser Rei-henfolge bekannt. Der Mutter-sprachler hat keine Mühe, die gege-benen Informationen aufzunehmenund zu verarbeiten. Bei Nicht-Mut-tersprachlern ist die Situation kom-plizierter, besonders bei Variationender Phraseologismen, wenn nam-

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lich ein ad-hac gebildeter metapho-rischer Ausdruck von einer idiomati-schen Wendung nicht deutlich unter-schieden werden kann. Der Ge-brauch dieser Ausdrucksmittel be-reitet den DaF-Studierenden wieden DaZ-Lernenden gegebenenfallserhebliche Verstandnisschwierigkei-ten, wenn er mit den strukturellenund semantischen Besonderheitendieser lexikalischen Einheiten nichtvertraut ist.Umgekehrt haben phraseologischeEinheiten gerade für DaF/DaZ-Ler-nende einen besonderen Reiz. Viel-fach gilt es als Gradmesser einerperfekten und umfassendenSprachbeherrschung, möglichst vie-le davon zu kennen und sicher anzu-wenden (vgl. Fau/seit, 1972:58). Inder Tat ist die norm- und situations-gerechte Anwendung der Phraseo-logismen ein Zeichen für ein hohesSprachniveau, doch stehen vieleHürden, die vielleicht nicht immer zuüberwinden sind, auf dem Weg zumErwerb dieser Sprachzeichen. Trotzvieler Lernschwierigkeiten beim Er-werb dieser komplexen Sprachein-heiten sollten sie als Unterrichtsge-genstand in den DaF/DaZ-Unter-richt einbezogen werden. Dafür sindim Wesentlichen zwei Gründe zunennen:1. Im alltaqlicherı Sprachgebrauch,in der Presse und Publizistik sowieWerbung und in verschiedenenFernsehsendungen sehen sich ge-rade die Lernenden der deutschenSprache mit verschiedenartigenPhraseologismen der deutschenSprache und den sich daraus erge-benden Schwierigkeiten konfron-tiert. Die Phraseologismen werdenfür verschiedene Zwecke auf alienStilebenen verwendet und erfüllenmehrere Funktionen. Sie bereitenbeim Lesen der Zeitung und beimFernsehen sowie in der Alltagskom-munikation den Studierendenschwerwiegende verstandrus-schwierigkeiten, besonders wenn essich um ihre Bedeutung und situati-onsangemessene Verwendunghandelt. Mit Hilfe von Wörterbü-chern und Lexika kann man nicht im-mer die Bedeutungen dieser phra-

seologischen Einheiten erschlieBenund richtig verstehen, schon garnicht sie aktiv verwenden, denn"Wörterbücher und Lexika vermit-teln semantische Hinweise, diemeist nur auf eine kurze, knappe Pa-raphrasierung der Kernbedeutungbeschrankt bleiben" (U/bricht,1989:98). Das reicht nicht für die er-folgreiche Verstandigung in mündli-cher und schriftlicher Kommunikati-on aus. Deswegen sollten die Phra-seologismen als ein wichtiger Lern-gegenstand in den DaF-Unterrichteinbezogen und dort ausführlich be-handelt werden. Die aktive Beherr-schung der Phraseologismen sollden Lernenden mehr Sicherheit inder Kommunikation verleihen undsie sprachlich weiter bringen.2. Im DaF/DaZ-Unterricht sind Le-se- und Hörverstandnis zwei wichti-ge rezeptive Fertigkeitsbereiche.Die Fremdsprachenvermittlungkann sich nicht ausschlieBlich aufden Erwerb des Wortschatzes undder grammatischen Strukturen be-schrarıken. Studierende, die über le-xikalische und grammatischeGrundkenntnisse verfügen, sollenbefahigt werden, solche komplexe,nicht reqular zu bildende Einheitenzu erkennen, ihre Bedeutungen ausder Verwendung zu erschlieBen undsie aktiv adressaten- und situations-angemessen zu verwenden. Das Er-kennen und das Verstehen dieserphraseologischen Ausdrucksmittelfördert die rezeptiven Fertigkeiten.Ihre situationsangemessene Ver-wendung soll der produktiven Kom-petenz dienen. DaF/DaZ-Unterrichtmit dem Ziel, Komrmmikationstahiq-keit in der deutschen Sprache zuvermitteln bzw. die kommunikativeKompetenz zu fördern, sollte sichauch mit der Aufgabe beschaftigen,das Vorhandensein phraseologi-scher Ausdrücke bewusst zu ma-chen. Die Vermittlung der Phraseo-logismen soll den Studierenden di-daktisch-methodische Lernhilfen fürdie praktische Arbeit im DaF-Unter-richt an die Hand geben, die denLernprozess fördern können.In dieser Arbeit wird insbesondereauf die Frage eingegangen, wie

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-------------------------------- Gündoğdu: Phraseologismen

In Anlehnung an Burger/Buhafer/Si-atm werden Phraseologismen wiefolgt definiert: .Phraseoloqisch ist ei-ne Wortverbindung von zwei adermehr Wörtern dann, wenn (1) dieWörter eine durch die syntaktischenund semantischen Heqularitatender Verknüpfung nicht vali erklarba-re Einheit bilden, und wenn (2) dieWortverbindung in der Sprachge-meinschaft, ahnlich wie ein lexem,

2. Zum Begriff: qebrauchlich ist" (Burger, H./Buha-Phraseologie fer, A./Sia/m, A., 1982:1). Phraseo-

logismen, die aıle Arten von festenF/eischer (vql, 1997: 3ff.) unter- Wortgruppen einschlieBen, d. h. jenescheidet zwei Bedeutungsvarianten Wortverbindungen, die mindestensder Phraseologie. Die erste Variante aus zwei Wörtern bestehen, weisenbezeichnet er als eine sprachwis- folgende charakteristische Merkma-senschaftliche Teildisziplin, die sich le auf: die Polylexikalitat, vollstandi-mit der Erforschung der Phraseolo- ge ader teilweise ldiornatizitat, lexi-gismen beschaftiqt, Unter der zwei- kalisch-semantische Stabilitat/Fes-ten versteht er den Bestand (Inven- tigkeit, Vorgeformtheit bzw. Repro-tar) von Phraseologismen in einer duzierbarkeit/lexikalisierung (vql,bestimmten Einzelsprache. Der Ter- F/eischer, 1982; 1997). Von diesenminus .Phraseoloqie" bezeichnet charakteristischen phraseologi-demnach sowohl eine wissenschaft- schen Merkmalen nehmen die ldio-liche Disziplin als auch den phraseo- matizitat und die Stabilttat in denlogischen Bestand eines Wortschat- meisten Arbeiten eine zentrale Stel-zes. Phraseologismen sind Aus- lung ein. Mit anderen Worten: Phra-drücke, die aus mindestens einer seologismen im weiteren Sinn sindbereits festen Wortverbindung be- durch Festigkeit bestimmt. Phraseo-stehen. logismen im engeren Sinn sind zu-In der einschlaqiqen Literatur satzlich durch ldlornatizitat charak-herrscht keine Einigkeit über die ein- terisiert. Die entscheidenden Krite-heitliche Definition von Phraseolo- rien zur Abgrenzung der Phraseolo-gismen. Auffallig an den meisten gismen sind noch nichtfestgelegt.lnphraseologischen Arbeiten ist eine der einschlaqiqen Literatur gibt esverwirrende Vielfalt unterschiedli- allerdings einige Versuche, sie nachcher Termini. Die Bezeichnungen ihren Merkmalen in verschiedenewie etwa .phraseoloqische Wen-. Gruppen zu differenzieren. Diedung", .Jeste Wendung", .Jdiornati- Phraseologismen können haufiqsche Wendung", .Phraseolexern" nach den falgenden drei Merkmalen.Jdiorne", "Idiomatik" sind die am unterschieden werden: morphosyn-haufiqsten verwendeten Begriffe, taktische Kriterien, ldiornatizitat unddie hier nicht genauer behandelt eine Mischklassifikation. Diese sol-werden. Eine solche Arbeit ginge len hier prasentiert werden, um dieüberdas Thema und die Zielsetzung geringfügigen Unterschiede sowiedieses Beitrags hinaus. Um die ter- die funktionelle Abgrenzung nachminologischen Verwirrung zu besei- Wortarten und Satzgliedern darzu-tigen, beschrankt sich die vorliegen- stellen.de Arbeit weitgehend auf den Termi-nus .Phraseoloqismus'', der in dergegenwartigen Forschung als Ober-begriff für verschiedene phraseolo-gische Einheiten verwendet wird.

wichtig die Vermittlung der Phraseo-logismen im DaF-Unterricht für denAufbau der kommunikativen Kom-petenz ist. lernziel ist, diese kom-plexen Spracheinheiten hinsichtlichder rezeptiven und produktiven Fer-tigkeiten weiter zu entwickeln. Dabeiwerden die Möglichkeiten der Erar-beitung von Phraseologismen imUnterricht autqezeiqt.

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3. Klassifizierung derPhraseologismen

Phraseologismen lassen sich nachverschiedenen Kriterien naher be-stimmen. Bei ihrer Klassifizierung

erweisen sich die Stabilitat und dieldiomatizitat, d. h. die charakteristi-schen phraseologischen Merkmaleimmer haufiqer als entscheidendeKriterien. Die Klassifikation nachStabilitat basiert auf den morpho-syntaktischen Merkmalen. Bei einermorphosyntaktischen Klassifizie-rung geht man von Wortarten aus,alsa von Verben, Substantiven, Ad-jektiven und Adverbien, Konjunktio-nen und Praposltionen, nach denendie Phraseologismen mit den ent-sprechenden Eigenschaften nochweiter differenziert werden können.Phraseologismen, die entwederkleiner als ein Satzglied ader so groBwie ein Satzglied sind ader mehrereSatzlieder aufweisen, erfüllen auchdie Funktion dieser Wortarten unddemnach bezeichnet man sie als.adjektivische" und .adverbiale"(über kurz ader Jang; gut und gem),.koniunktionale" (wenn auch), .pra-positionale" (an Hand von), .rıomi-nale" (das Wah/ und Weh), .verbale"(mit der Tür ins Haus fallen; ein Haarin der Suppe finden) Phraseologis-men.Den Ausgangspunkt für die sernan-tische Klassifikation der Phraseolo-gismen bildet das Merkmal, bzw.der Grad der ldiornatizitat. Die Ska-la der ldiornatizitat bei den Wort-gruppen ist breit: von kaum idioma-tischen (dick und fett) über teil- (ei-nen Streit vam Zaune brechen) biszu vollidiomatischen (in die Binsengehen) (vql. Burger, 1998: 43f.). Beider Klassifikation nach ldiornatlzitatlassen sich Phraseologismen se-mantisch als vollidiomatische (Ö/ins Feuer gieBen), ader teilidiomati-sche (B/ut und Wasser schwitzen)Wortgruppen charakterisieren. Dievollidiomatischen Phraseologis-men, für die das Merkmal der ldio-matizitat besonders charakteris-tisch ist, weisen keine semantischeKongruenz zwischen der phraseolo-gischen und wörtlichen Bedeutungder Komponenten auf. Bei den teili-diomatischen Phraseologismen be-steht nur eine gerin ge Abweichungzwischen der phraseologischen undwörtlichen Bedeutung der Wortver-bindungen. Aıle Phraseologismen

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Gündoğdu: Phraseologismen ----------------------------------

verfügen über das gemeinsameMerkmal der vollen oder teilweisenldiornatizitat. Die Einzelwörter, ausdenen die Phraseologismen beste-hen, verlieren zum gröBten Teil ihreeigene Bedeutung und bekommeneine neue phraseologische Bedeu-tung.Den zentralen Bereich der Phraseo-logie bilden vollidiomatische Wort-gruppen als Teilklasse der Phraseo-logismen, die auch mit dem Begriff.Jdiome" bezeichnet werden. UnterIdiom ist eine ,,(... ) lexikalisierte fes-te Wortverbindung, Redewendung[..]" zu verstehen (Duden, 2000:590). Zum Kernbereich der Idiomegehören nicht nur verbale sondernauch nominale Wartverbindungen,die meistens aus der WartgruppeAdjektiv + Substantiv bestehen.Den Gegenstand dieser Arbeit bil-den die verbalen Idiome, mit denendie DaF/DaZ-Lernenden in derSprache der Massenmedien und inder Alltagskommunikation am hau-figsten konfrontiert werden und dieihnen groBe Schwierigkeiten berei-ten. Die DaF/DaZ-Lernenden kön-nen besonders bei kompliziertenWortverbindungen nicht unterschei-den, ob es sich um ein Idiom oder ei-ne Kollokation handelt (vgl. Dobro-vols'kij, 1995: 16). Deshalb ist eswichtig, die Idiome anhand ihrerStrukturbesonderheiten von denfreien Wortverbindungen abzugren-zen, die schwach, kaum oder garnicht idiomatisch im Sinne von über-tragener Bedeutung oder Bildhaftig-keit sind, um bei der Behandlung derIdiome eine Auswahl an Unterrichts-materialien zu treffen.

4. Zur Vermittlung derPhraseologismen imDaF- und DaZ-Unterricht

Aus der bisherigen Darstellung derPhraseologismen ergibt sich, dasses sehr wichtig ist, den Lernendendie Phraseologismen sowohl theo-retisch als auch praktisch zu vermit-teln. Denn "die Betahiqunq zu einerauch nur begrenzten Kommunikati-on in einer Fremdsprache ist ohne

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eine minimale Beherrschung derPhraseologie nicht möglich." (Flei-seher, 1982: 32). Die Vermittlung derPhraseologismen ist also eine wich-tige Aufgabe, die vor allem die korn-munikative Kompetenz der DaF-undDaZ-Lernenden verbessern kann.Es stellt sich hier die zentrale Frage,wie die verbalen Idiome insbeson-dere im DaF-Unterricht sinnvoll zubehandeln sind. Im didaktischen Be-reich liegen bisher nur wenige Kon-zepte var, die eine systematischeBehandlung der Idiome im DaF-Un-terricht angemessen vorstellen. Zu-dem vertritt die fremdsprachliche Di-daktik zur Ermittlung von Phraseo-logie (noch immer) verschiedene,mitunter sogar kontrare Meinungen(Ha/lsteinsd6ttir, 2001). Das zurzeitbeste praktikable Modelı ist derphraseodidaktische Vierschritt. Die-ser scheint methodisch für einesinnvolle Behandlung der phraseo-logischen Ausdrücke sowohl imDaF- als auch im DaZ-Unterrichtsehr geeignet zu sein (vgl. Kühn,1992; 1996): Phraseologismen ent-decken, entschlüsseln, festigen undverwenden.Im Folgenden wird versucht, ein kon-kretes phraseodidaktisches Verfah-ren im DaF-Unterricht auf der Basisdieses didaktischen Vierschritt-Mo-dells zu skizzieren. Bevor jedoch aufdie methodische Vargehensweiseeingegangen wird, ist es notwendig,einige didaktisch-methodische Prin-zipien zu nennen, die bei der Be-handlung von Idiomen beachtet wer-den sollten.Var allem ist es wichtig, die richtigeWahl des entsprechenden Unter-richtsmaterials zu treffen. Es mussdarauf geachtet werden, dass imUnterricht nur aktuelle, in der alltaq-liehen Kommunikation oft gebrauch-te Idiome behandelt werden. Des-halb sollte bei der Behandlung vonIdiomen im DaF/DaZ-Unterricht mitauthentischen Texten gearbeitetwerden. Die Verwendung dieserTextsorten ermöglicht eine dem heu-tigen Gebrauch angemessene Aus-wahl von wichtigen und haufiqen Idi-omen (vgl. Kühn, 1996). Mit Hilfe au-thentischer Texte, z. B. Zeitungsar-

tikeln usw., lasst sich die hohe Fre-quenz der Verwendung von Idiomenin realer Kommunikation ermitteln.Darüber hinaus bietet eine textorien-tierte Vermittlung die Möglichkeit,die durch Idiome vermittelten Ge-fühle, Einstellungen und Bewertun-gen sowie deren adressateri- und si-tuationsspezifische Gebrauchsbe-dingungen im Kontext zu erarbeiten.Auch der entsprechende Kontext lei-stet beim Verstehen der BedeutungHilfe. Daher sollte im DaF- und DaZ-Unterricht mit verschiedenartigenauthentischen Texten gearbeitetwerden, um den Lernenden die viel-seitige Verwendung von Idiomen zuvergegenwartigen (vgl. Kühn 1996).

Für die fachwissenschaftliche Vor-bereitung und Erarbeitunq von ver-balen Idiomen zieht man zunachstdie Lehrwerke im DaF-Bereich zuRate. Wenn man einen Blick in qarı-gige, für den DaF-Unterricht haufigbenutzte Lehrwerke, etwa "Tan-gram", .Stuten", Wege", .Thernen","Mittelstufe Deutseh", "Sprachbrük-ken" uSW.wirft, dan n stellt man fest,dass die Phraseologismen dort nurinnerhalb isolierter Beispielsatze ab-gehandelt werden. Dieses Verfah-ren erscheint wenig sinnvoll, weil beider Vermittlung dieser Sprachein-heiten nicht die Weiterentwicklungder kommunikativen Kompetenz,bezogen auf die rezeptiven und pro-duktiven Fertigkeiten, berücksichtigtwird. Der Schwerpunkt dieser Artvon Übungen liegt narnlich eindeutigauf dem isolierten, kontextfreienAuswendiglernen der Idiome. Sol-che Übungen ermöglichen den Stu-dierenden lediglich, sich mit der rela-tiv festen Struktur der Idiome ver-traut zu machen, die Idiome in ihrenzielsprachlichen Verwendungen zuverstehen und sie situationsange-messen anzuwenden. Weit verbrei-tet ist in der einschlaqiqen Literaturdie Auffassung, dass eines derwichtigsten Ziele im DaF- und DaZ-Unterricht die kommunikative Kom-petenz ist. Demnach muss zunachstdie genaue Angabe der Lernzielebestimmt werden: In diesem Sinnesollte bei der Behandlung der verba-len Idiome im Unterricht der Erwerb

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der rezeptiven sowie produktivenKompetenz als das angestrebteLernziel gesehen werden. Die Stu-dierenden müssen dabei lernen, diephraseologischen Ausdrücke in ei-nem Text nicht nur wahrzunehmen,sondern sie auch zu verstehen, ihreBedeutung und Form zu festigenund schlieBlich auch selbststandiqzu verwenden.Aufgrund dieser Lernziele wird an-hand eines authentischen Textbei-spiels ausgeführt, wie die Phraseo-logismen im DaF-Unterricht sinnvoll

Bild 1 Bild 2

eingesetzt werden können. Der imFolgenden beschriebene methodi-sche Ablauf ist in vereinfachter/ver-kürzter Form und mit sehr leichtensprachlichen Beispielen und einfa-chen Kurztexten auf den Unterrichtim DaZ-Bereich aufden Sprachnive-aus A2/B1 übertragbar.Als Einstieg wird den Studierendenzuerst folgende Bildmontage ge-zeigt, auf der mehrere Idiome bildlichdargestellt sind. Die Studierendenspekulieren darüber, was durch die-se Bilder ausgedrückt werden soll.

Bild 3

Bild4 Bild5 Bild 6

AnschlieBend erhalten die Studie- denen sie die passerıden den Bil-renden eine Reihe von Idiomen, aus dern zuordnen sollen.

a) Bild 1b) Bild 2c) Bild 3d) Bild 4e) Bild 5f) Bild 6

1. sich zwischen zwei Stühle setzen2. zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen3. ein Brett vor dem Kopf haben4. jdn auf Handen tragen5. ins Schwarze treffen6. sich an einen Strohhalm klammern

Die Studierenden werden aufgefor- Im Anschluss daran wird den für die-. dert, ahnliche oder gleiche Idiome in ses sprachliche Phanomen sensibi-

der Muttersprache zu finden. Da- lisierten Lernern ein erster Text aus-nach sollen Unterschiede zwischen geteilt, wobei zunachst das globaletürkischen und deutsehen Idiomen Textverstehen anhand von Übungenhinsichtlich der Form und Bildmotive gesichert wird.festgestellt werden. Die Ergebnissewerden in der Gruppe besprochen.

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Text: 1

Unlösbare Aufgabe

In Madrid trafen sich jene europaisehenl.ander, die die EU-Verfassung bereits ra-tifiziert haben. Aus Sicht Deutschlandseine misslungene Initiative.

Anderthalb Jahre lag die EuropaischeVerfassung auf Eis, nun wird sie wiederzu einem heiBen Eisen. Die deutscheEU-Ratsprasidentschaft will das - vonvielen schon totgesagte - Vorhaben zuneuem Leben erwecken. Das Ansinnenist jedoch auBerst knifflig, und niemandweiB so recht, wie man es anpacken soll.

Wie heikel das Thema ist, bekam Bun-deskanzlerin Angela Merkel, die amtie-rende EU-Ratsvorsitzende, vor ihrem Be-such in Prag zu hören. Das Dokument seiin dieser Form .unbrauchbar", sagteTschechiens Staatsprasident VaclavKlaus. Man benötige einen neuen Text.

In Madrid warben derweil18 EU-Staaten,die die Verfassung bereits ratifiziert ha-ben, auf einer Konferenz dafür, das Vor- .haben zu retten. Aber auch hier mussteein spanischer Diplomat einraurnen: "Diedeutsche Ratsprasidentschaft steht voreiner Aufgabe, die fast unlösbar ist". Die18Staaten bilden die Gruppe der .vertas-sungsfreunde". Ihre Anführer sind Spa-nien und Luxemburg, die einzigen EU-Staaten, die den Text mit Volksabstim-mungen ratifiziert haben. Das Anliegendieser Gruppe ist es, dass die übrigenneun EU-Lander die Ratifizierung mög-lichst bald nachholen.

(... ) Merkel und die nachfolgenden EU-Hatsprasidentschaften dürften alsokaum umhin kommen, das Paket des - injahrelangen Gesprachen ausgehandel-ten - Vertragswerks erneut zu öffnen. AI-lerdings dürfen sie es auch nicht zu weitöffnen, weil sonst die 18 Staaten vor denKop' gestoBen würden, die die Verfas-sung schon ratifiziert haben.

Das Treffen der Verfassungsfreunde inMadrid soll den Deutsehen von dahernicht in den Kram gepasst haben. Diedeutsche EU-Ratsprasidentschaft be-fürchte, dass es die Kluft zwischenFreunden und Gegnern der Verfassungnoch vergröBern könnte, sagten Diplo-maten. Ein Folgetreffen der spanisch-Iu-xemburgischen Initiative, das tür Februarin Luxemburg vorgesehen war, wurde aufunbestimmte Zeit vertagt.

Aus: Die Zeit 04/2006

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Gündoğdu: Phraseologismen ----------------------------------

In der anschlieBenden Phase erfolgteine Fokussierung auf die im Textvorhandenen Idiome. Mit Hilfe vonUmschreibungen werden die Stu-dierenden aufgefordert, Idiome imText zu finden.Beispiel 1: Man verhandelt zurzeitnicht mehr über die EU Verfassung.Entsprechendes Idiom: Die EU-Verfassung liegt auf Eis.Beispiel2: Den Deutschen hat nichtgefallen, dass das Tretfen stattfin-det.

Entsprechendes Idiom: Den Deut-schen hat das Tretfen nicht in denKram gepasst.Bevor man zur detaillierten Arbeitmit dem Text übergeht, wird einknapper Einblick in die wichtigstenEigenschaften der Phraseologis-men, wie Polylexikalitat, relative Fes-tigkeit semantische ldiornatizitatund Gebrauchsbedingungen gege-ben. Dabei werden auch einige ganzpraktische, allgemeine Lernhilfengegeben, um die sehr verschieden-artig erscheinenden Idiome besser"in den GriH" zu bekommen. Dannfolgt eine praktische Anwendung imDaF-Unterricht.Gemali einer solchen Vorgehens-weise lasst sich bei der Erarbeitungvon Idiamen das bereits erwahnteVier-Schritt-Modell erfolgreich an-wenden.1. Demnach bildet das Erkennenvon Idiamen im vorgegebenen Textden ersten Schritt. Das gröBte Pro-blem in dieser Phase tritt bei der Un-terscheidung der Phraseologismenzu den freien Wortverbindungen auf.Hier stehen einige Erkennungshilfenzur Verfügung. In der Regel werdenStudierende im Rahmen des DaF-Unterrichts auf die wichtigsten mor-phosyntaktischen und semanti-schen Strukturbesonderheiten derPhraseologismen wie Polylexikali-tat, ldiornatizitat, Festigkeit und Re-produzierbarkeit aufmerksam ge-macht. Diese können bei der Ab-grenzung der Idiome gegenüber frei-en Wortverbindungen nutzbar ge-macht werden:1. Idiome bestehen "aus minde-

stens zwei Einheiten des lexika-

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lischen Systems, Lexemen (Wör-tern). Die Verknüpfung dieserLexeme kann reqular oder irre-qular sein" (Pa/m, 1997: 2).

2. Phraseologismen sind weiterhin"im normalen Sprachgebraucheine feste Wortverbindung", inder es dabei wenigstens ein Le-xem mit eiqenstandlqer Bedeu-tung geben muss. (Hessky,1997).

3. Die Gesamtbedeutung der Phra-seologismen lasst sich nichtoder nur teilweise aus der Be-deutung der einzelnen Kompo-nenten ableiten. "Die Bedeutungdes Gesamtausdrucks ist nichtoder zumindest nicht vollstandiqals Synthese aus der Bedeutungder Einzelkomponenten ableit-bar; die betretfende Bedeutungist sofern unterdeterminiert undhat eine mehr oder wenigerganzheitliche Bedeutung" (Lüger1997:82).

4. Phraseologismen weisen einenkonstanten Komponentenbe-stand auf. Sie können morpholo-gisch ader syntaktisch nicht odernur einqeschrarıkt operationali-siert werden. Dagegen ist beifreien Wortverbindungen die völ-lig beliebige Kombination derWörter miteinander möglich.

Durch Bewusstmachen dieser struk-turellen und semantischen Beson-derheiten werden die Studierendenfür die Idiome sensibilisiert und wer-den über die im jeweiligen Text be-reits vorkornrnenden Idiome Vermu-tungen anstellen: auf Eis liegen; einheiBes Eisen; var den Kopf stoBen;in den Kram passen. Diese Idiomebesitzen das Merkmal .Festiqkeit"und .Jdiornatizitat". Bei ihnen kön-

Deutsch

auf Eis liegen =ein heiBes Eisen =

jdn var den Kopf stoBen =

(nicht) in den Kram passen

nen die Substantive Eis, Kopf, Kramnicht durch andere Substantive er-setzt werden. Daneben lasst sich ih-re Gesamtbedeutung nicht aus derSemantik der einzelnen Koruporren-ten ableiten.

2. In einem zweiten Schritt geht esum das Verstehen und Erklaren,bzw. um die Bedeutungserschlie-Bung der Idiome. Bevor die Studie-renden die Bedeutungen von Idio-men entschlüsseln, soll das Verste-hen des gesamten Textes durch eini-ge gezielte Fragen überprüft wer-den. 1. Wer hat in Madrid verhan-delt? 2. Was war das Ziel diesesTretfens? 3. Warum sehen die Deut-schen dieses Tretfen nicht positiv?Im Anschluss an die Besprechungdieser Antworten werden die Studie-renden aufgefordert, die Bedeutun-gen der Idiome aus dem Kontext zuerschlieBen. Dabei sollte man ihnenviele Lernhilfen und so genannteVerstehensstrategien zur Verfügungstellen, wie Z. B. metaphorischeAnalyse, Visualisierung, Hilfe desKontexts, Informationen und Hinwei-se des Lehrenden. Auch allgemein-sprachliche und einschlaqiqe Spezi-alwörterbücher kann man dabei zuRate ziehen.

in der falgenden Phase sollte man jenach Möglichkeit kontrastiv varge-hen. Wenn man sich den Faktar.Muttersprache" als eine wesentli-che GröBe vor Augen halt, die dieAneignung dieser sprachlichen Ein-heiten linguistisch und psycholo-gisch mitbestimmt, kann man erfolg-reich einen kontrastiven Vergleichdurchführen und in diesem Fall ahrı-liche türkische Idiome den jeweiligendeutschen Idiamen gegenüberstel-len:

Türkisch

Rafa kaldırmak/dondurmakhassas, nazik bir konutsıcak bir konub-nin hissiyatma dokunmak/birini rencide etmekişine gelme(me)k

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den. Bei der Arbeit wurden die phra-seodidaktischen Ausführungen an-hand eines konkreten Textbeispielsprasentiert, Dieser Beitrag bietet indiesem Sinne freilich kein ausgear-beitetes, konkretes didaktischesKonzept, sondern didaktisch-me-thodische Hilfen für die praktischeUnterrichtsarbeit, aus der herausEmpfehlungen für den DaF/OaZ-Unterricht entwickelt werden kön-nen. "Die Vermittlung von Phraseo-logismen ist eben kein einmaliges'Unterrichtsqeschatt', sondern eineDaueraufgabe" (Lüger, 2004:166).

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Danach werden die Ergebnisse ander Tafel zusammengefasst und dieÜbereinstimmungen und Unter-schiede herausgestellt. Gegebe-nenfalls lasst sich dabei auf die türki-sche Phraseologie zurückgreifen.So wird einerseits die muttersprach-liche Kompetenz aktiviert und ande-rerseits werden die Studierendenvar Interferenzeinfluss bewahrt. ImDaZ-Unterricht mit multisprachli-cher Zusammensetzung der Teil-nehmenden ist eine solche Vorge-hensweise natürlich auch möglich,allerdings ware dafür mehr Zeit ein-zuplanen.

3. SchlieBlich werden Übungen ver-schiedener Art eingesetzt, um sichdie Idiome sowohl aktiv als auchpassiv anzueignen. Als Unterrichts-vorlage werden Übungen aus ver-schiedenen lehrbüchern benutzt,die sich zum GroBteil in drei Grup-pen einordnen lassen:

- Einsetzübungen- Transformationsübungen- Zuordnungsübungen

Hinzu kommen differenzierendeÜbungen, die die Aufmerksamkeitder lernenden auf die morphosyn-taktischen und semantischen Ei-genschaften der Phraseologismenlenken. Oiese Übungen könntendurch viele weitere Belege erqanztwerden. Auf dieser Weise kann manprüfen, inwieweit die Studierendendie erworbenen Phraseologismenbeherrschen. Zum obigen Text könn-te man z. B. die Aufgabe stellen:

1. Eine kleine Geschichte zumIdiom erfinden.

2. Idiome zu Geschichten zu-ordnen.

3. In Dialogen andere Textstel-len durch Idiome ersetzen.

4. Beim vierten Schritt handelt essich um die situationsangemesseneVerwendung der im Unterricht ge-lernten Idiome. Damit DaF/DaZ-lernende die Idiome situationsan-gemessen verwenden können, soll-ten im Unterricht Übungen verschie-dener Art entwickelt werden. Die ak-tive Verwendung der Idiome setztvor allem voraus, dass die lernen-den neben der Form und der Bedeu-

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tung auch die Gebrauchsbedingun-gen kennen lernen. Deshalb sollenanhand der Textbeispiele die Ge-brauchsbedingungen der Idiome er-arbeitet werden: Wer gebraucht dieIdiome? An wen wendet er sich? Mitwelcher Absicht, wann und wo wer-den diese Idiome verwendet?In diesem Sinne könnten Studieren-de oder DaZ-lernende versuchen,mit Hilfe elektronischer Medien au-thentische Kontextbelege zu erar-beiteten und Idiome aus der Presse-sprache zusammenzustellen. DieseTextbelege werden nun mit Hilfe vonArbeitsblattern analysiert und ge-meinsam im Plenum besprochen.Danach sollten die lernenden ver-suchen, selber ahnliche kurze Textemit den zuvor erarbeiteten Idiomenzu schreiben und diese neu erwor-benen Idiome in ihren AuBerungenzu verwenden.Das in dieser Arbeit beschriebenemethodische Vorgehen kann auchauf andere authentische Textsortenangewendet werden. Bei der Be-handlung der Idiome im DaF/DaZ-Unterricht gilt die Arbeit mit authenti-schen Texten als ein didaktisch-me-thodischer Grundsatz (vql, Kühn,1996). Die lernenden sollten nichtnur die Phraseologismen im Textoder in der gesprochenen Spracheerkennen und ihre Bedeutung auchohne Wörterbuch entschlüsseln,sondern darüber hinaus diesesprachlichen Einheiten aktiv undspontan in eigener Rede verwen-

.den. Von einem authentischen Textausgehend wurden in der vorliegen-den Arbeit Möglichkeiten aufge-zeigt, wie die phraseologischenAusdrucksmittel im DaF/DaZ-Un-terricht systematischer und effekti-ver vermittelt werden können. Zu-gleich wurden hier auch metho-disch-didaktische Überlegungen zurBehandlung dieser Spracheinheitenmit dem Ziel vorgestellt, die Entwick-lung der sowohl rezeptiven als auchproduktiven phraseologischen Kom-petenz der DaF/DaZ-lernenden zuunterstützen. Vier wichtige Phasenwurden dabei unterschieden: Idio-me erkennen, Idiome verstehen, Idi-ome festigen und Idiome verwen-

ANMERKUNG

1 "Doç.Dr., Mersin Üniversitesi Fen-Edebi-yat Fakültesi. [email protected]

LlTERATUR

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Kontaktadresse: Doç.Dr. Mehmet Gündoğdu, Mersin Üniversitesi,Fen-Edebiyat Fakültesi, Ceviri Bölümü, 33342 Ciftlikköy-MERSYNITURKEI.

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