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Die Bedeutung interreligiöser Begegnungen · VEREINSNACHRICHTEN Merländer-BriefI 7/2002 3 Mein...

Date post: 04-Sep-2019
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MERLÄNDER-BRIEF VERÖFFENTLICHUNG DES VILLA MERLÄNDER E.V: FÖRDERVEREIN DER NS-DOKUMENTATIONSSTELLE KREFELD Die Bedeutung interreligiöser Begegnungen Aurel von Beckerath Ältester der Mennonitenge- meinde Krefeld Mitglied des Kuratoriums des Villa Merländer e. 11. ::-:::::::;::; titilf."J": Greift der jüdischen Gemeinde im Jahre 1862 8000 Taler. Die sind einige Daten, und es scheinen nur kleine Schritte zu sein. Doch jeder Schritt bringt uns zu jeder Zeit voran und ist jeder für sich Voraussetzung für ein dauerhaftes friedliches Mit einander. Ich hoffe sehr, dass sich in unse- rer Gegenwart viele Gelegenhei- ten zu solchen Schritten erge- ben. Aurel von Beckerath Ältester der Mennonitengemeinde Krefeld ihre Besonderheit unterstreicht - ausdrücklich protikolliert. So ist u.a. aus dem Protokoll zur Erweiterung der Mennonitenkirche im Jahr 1843/44 zu entnehmen, dass zu dieser Feier die prote- stantische Geistlichkeit und der Dechant der katholischen Kirche sowie Vertreter der jüdischen Gemeinde gekommen sind. Am 7. Juli .1847 überreichte eine Deputation, an deren Spitze der Oberrabiner Bodenheimer stand, dem Landtagsabgeordneten Her- mann von Beckerath "in dank- barer Anerkennung seiner edlen Bemühungen um die Emanzipa- tion der Juden " eine kalligra- phisch auf Pergament gestaltete Dankadresse in einer silbernen, goldverzierten Kapsel. Hermann von Beckerath hatte sich im verei- nigten Landtag in Berlin in einer viel beachteten Rede für gleiche Rechte und Pflichten für Juden und "andere christliche Unterta- nen" eingesetzt. Zum Bau der Linner Synagoge, die der Reichsprogromnacht vom 9.November 1938 zum Opfer fiel, überreichte der Mennonit Philip de Liebe Leserinnen J liebe Leser, als ich vor vier Jahren gebeten wurde, im Kuratorium der Villa Merländer mitzuarbeiten, habe ich dies als wichtige Chance begrif- fen, nach meinen Möglichkeiten das Anliegen des Fördervereins auf eine breitere Basis zu stellen. Die Geschehnisse aus der NS-Zeit aufzuarbeiten, ist eine der wichtigsten Voraussetzungen dafür, ähnliche Entwicklungen in der heutigen Zeit entgegen zu wirken. Als Mitglied der Mennonitenge- meinde Krefeld versuche ich, die Forschungsergebnisse und aktu- ellen Entwicklungen aus dem Förderverein in unsere Gemeinde einzubringen. Auf besonderes Interesse stoßen Informationen über das persönliche Schicksal von Krefelder Juden in der NS- Zeit, sowie Fragen bezüglich des heutigen jüdischen Gemeinde- lebens in Krefeld. Angesichts dieses Interesses wurden inzwi- schen die Kontakte zur jüdischen Gemeinde in Krefeld ausgebaut. Dank einer Einladung der jüdischen Gemeinde im letzten Jahr konnten Vertreter der Men- nonitengemeinde das jüdische Gemeindeleben vor Ort genauer kennenlernen . Dass solch interreligiöser Aus- tausch in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts leider nur rar gesät war, ist allgemein bekannt. Doch wie sah es davor aus? Welche verbrieften Verbindungen gab es z.B. zwischen der Menno- nitengemeinde und der jüdischen Gemeinde im 19. Jahrhundert? Einige offizielle Begegnungen der verschiedenen in Krefeld vertre- tenen Konfessionen sind - was
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MERLÄNDER-BRIEFVERÖFFENTLICHUNG DES

VILLA MERLÄNDER E.V:FÖRDERVEREIN DER NS-DOKUMENTATIONSSTELLE KREFELD

Die Bedeutung interreligiöser Begegnungen

Aurel von BeckerathÄltester der Mennonitenge­meinde KrefeldMitglied des Kuratoriums desVilla Merländer e. 11.

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ii~:!III;~Greift der jüdischen Gemeindeim Jahre 1862 8000 Taler.Die sind einige Daten, und esscheinen nur kleine Schritte zusein. Doch jeder Schritt bringtuns zu jeder Zeit voran und istjeder für sich Voraussetzung fürein dauerhaftes friedliches Miteinander.Ich hoffe sehr, dass sich in unse­rer Gegenwart viele Gelegenhei­ten zu solchen Schritten erge­ben.

Aurel von BeckerathÄltester der MennonitengemeindeKrefeldihre Besonderheit unterstreicht- ausdrücklich protikolliert. Soist u.a. aus dem Protokoll zurErweiterung der Mennonitenkircheim Jahr 1843/44 zu entnehmen,dass zu dieser Feier die prote­stantische Geistlichkeit und derDechant der katholischen Kirchesowie Vertreter der jüdischenGemeinde gekommen sind. Am7. Juli .1847 überreichte eineDeputation, an deren Spitze derOberrabiner Bodenheimer stand,dem Landtagsabgeordneten Her­mann von Beckerath "in dank­barer Anerkennung seiner edlenBemühungen um die Emanzipa­tion der Juden " eine kalligra­phisch auf Pergament gestalteteDankadresse in einer silbernen,goldverzierten Kapsel. Hermannvon Beckerath hatte sich im verei­nigten Landtag in Berlin in einerviel beachteten Rede für gleicheRechte und Pflichten für Judenund "andere christliche Unterta­nen" eingesetzt.Zum Bau der Linner Synagoge,die der Reichsprogromnacht vom9.November 1938 zum Opfer fiel,überreichte der Mennonit Philip de

Liebe LeserinnenJ liebe Leser,

als ich vor vier Jahren gebetenwurde, im Kuratorium der VillaMerländer mitzuarbeiten, habe ichdies als wichtige Chance begrif­fen, nach meinen Möglichkeitendas Anliegen des Fördervereinsauf eine breitere Basis zu stellen.Die Geschehnisse aus derNS-Zeit aufzuarbeiten, ist eineder wichtigsten Voraussetzungendafür, ähnliche Entwicklungen inder heutigen Zeit entgegen zuwirken.Als Mitglied der Mennonitenge­meinde Krefeld versuche ich, dieForschungsergebnisse und aktu­ellen Entwicklungen aus demFörderverein in unsere Gemeindeeinzubringen. Auf besonderesInteresse stoßen Informationenüber das persönliche Schicksalvon Krefelder Juden in der NS­Zeit, sowie Fragen bezüglich desheutigen jüdischen Gemeinde­lebens in Krefeld. Angesichtsdieses Interesses wurden inzwi­schen die Kontakte zur jüdischenGemeinde in Krefeld ausgebaut.Dank einer Einladung derjüdischen Gemeinde im letztenJahr konnten Vertreter der Men­nonitengemeinde das jüdischeGemeindeleben vor Ort genauerkennenlernen .Dass solch interreligiöser Aus­tausch in der ersten Hälfte desletzten Jahrhunderts leider nur rargesät war, ist allgemein bekannt.Doch wie sah es davor aus?Welche verbrieften Verbindungengab es z.B. zwischen der Menno­nitengemeinde und der jüdischenGemeinde im 19. Jahrhundert?Einige offizielle Begegnungen derverschiedenen in Krefeld vertre­tenen Konfessionen sind - was

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IMerländer-Brief7/2002

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Pädagogische Besucherbetreuung

VEREI NSNACH RICHTEN

Meine ersten Eindrücke in der Villa MerländerAnnegret Hols

Seit April bin ich für die NS­Dokumentationsstelle der Stadt Kre­feld tätig. Meine Aufgabe lautet,die Besucher der Villa Merländerzu betreuen und das pädagogischeKonzept auszubauen. Da für michein Büro in der Villa Merländer ein­gerichtet werden konnte, ist es nunmöglich, auch spontane Besucher zuempfangen und ihnen weiterzuhel­fen. Dies ist besonders für Lehre­rinnen und Lehrer sehr hilfreich, diesich vorab informieren möchten. Sieerhalten auf Wunsch Beratung zurVorbereitung eines Besuchs mit ihrerKlasse.

Dialog mit den GeschichtslehrernIm Mai und Juni stellte ich michin einem ersten telefonischenGespräch den Vertrauenslehrern, dieseit langem mit der NS-Dokumentati­onsstelle in Verbindung stehen, alsdirekte Ansprechpartnerin vor. DieReaktionen waren durchweg positivund es wurden unmittelbar Wünscheund Anregungen geäußert. Um vorallem mit den Geschichtslehrern ineinen intensiveren Dialog einzutre­ten, werde ich an den kommendenFachlehrerkonferenzen tei Inehmen.Gemeinsam soll ausgelotet werden,wie die Zusammenarbeit zwischenden Pädagogen und der NS-Doku­mentationsstelle verbessert werdenkann.

Von April bis zum Beginn der Som­merferien Mitte Juli kamen 17 Schul­klassen, um durch unsere Daueraus­stellung bzw. die Ausstellung "DerDavidstern. Zeichen der Schmach- Symbol der Hoffnung" geführtzu werden. Von diesen Gruppennahmen sich vier die Zeit, mit Hilfevon Fragebögen das gerade Gehörtenoch zu vertiefen. Nach meinem Ein­druck ist es für die Schülerinnenund Schüler wesentlich befriedigen­der, wenn sie nicht nur einen Vortragzu hören bekommen, sondern wennihnen Gelegenheit gegeben wird,sich zu äußern, sei es in einerDiskussion oder durch gemeinsameBearbeitung von pädagogischenMaterialien.

Auch Führungen versuche ich eherals Dialog zu gestalten und forderedie Schüler immer wieder auf, mirFragen zu stellen bzw. ihre Meinungzu äußern. Es hat sich jedochgezeigt, dass viele zunächst "auf­tauen" müssen. Eine gewisse Lok­kerung ist oft erst erreicht, wenndie Schüler nach Ablauf der üblichenSchulstunde, die sie im Hause ver­weilen, wieder gehen müssen. Meingrößter Wunsch Ist es daher, dassSchulklassen in Zukunft mindestenszwei Stunden zur Verfügung haben,um sich mit der Geschichte ihrerStadt in der Zeit des Nationalso­zialismus auseinander zusetzen. Nurdann kann ich über die reine Vermitt­lung von Fakten hinausgehen.•

AnnegretHals mitDr. EugenGerritz

Foto:LotharStrücken,WestdeutscheZeitung

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VEREINSNACHRICHTEN Merländer-BriefI7/2002

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Mein Praktikum bei der NS~DokumentationssteJle

Das intensive Empfinden, übervertraute Namen zu lesenKerstin Lorenz

Vermittelt wurde mir der Prakti­kumsplatz von Frau Kassel, einernetten Dame, die ich vor vierJahren auf einer Reise nachLanden kennen gelernt habe unddie sich selber sehr interessiertmit dem Thema der nationalsozia­listischen Zeit in Krefeld ause!n­andersetzt. Nach einem Gesprächmit Frau Cr. Schupetta und HerrnOstrowski konnte ich AnfangAugust mein zweiwöchiges Prak­tikum in der NS-Ookumentations­stelle beginnen.

Als Geschichtsstudentin hatte ichgroßes Interesse an einem Prak­tikumsplatz, der direkt etwas mithistorischen Ereignissen zu tun hat,wie der Judenverfolgung vor undwährend des Dritten Reiches.Außerdem war ich interessiert zuerfahren, welche Aufgaben die NS­Dokumentationsstelle überhaupt hat,wie man in einer solchen Stellearbeitet und für wen oder zu wei­chem Zweck geforscht wird. Für michpersönlich war es natürlich auchspannend, viel über die Geschichtedes Nationalsozialismus in Krefeldzu erfahren, da ich gebürtige Kre­felderin bin. In meinem Geschichts­studium werde ich zwar auch mitden menschenverachtenden Tatender Nationalsozialisten konfrontiert,doch ist das Empfinden noch einmalintensiver, wenn man mit den Orten,über die man liest, etwas verbindetund man die Namen, die in denAkten auftauchen, vielleicht in Kre­feld schon oft gehört hat. Mein Inter­esse und meine Vorfreude auf dasPraktikum wurden nicht enttäuscht.

Erste EindrückeSchnell nach Beginn meines Prakti­kums erfuhr ich, wie vielseitig undinteressant die Arbeit in der NS­Dokumentationsstelle ist. So kamen

während meiner Zeit dort die unter­schiedlichsten Anfragen zu Schicksa­len von Krefelder Juden aus den ver­schiedensten Beweggründen. EinigeMenschen melden sich in der NS­Dokumentationsstelle, da sie sichverstärkt mit Genealogie (Ahnenfor­schung) beschäftigen und dazu dieHilfe der NS-Dokumentationsstellebrauchen. Dann gibt es Museen,die Informationen suchen, z.B. dasHolocaust Museum in Washington,das über Juden forscht, die vonDeutschland verschifft wurden, undetwas über Krefelder Juden erfahrenwill, die auf dem Schiff waren. Bei alldiesen Nachforschungen wurde ichstets mit einbezogen und konnte soviel über die Ordnung und Systema­tik im Krefelder Archiv erfahren.

Umgang mitOrginaldokumentenNachdem Frau Dr. Schupetta miralles gezeigt und erklärt hatte, durfteich im Archiv auch selbständig Nach­forschungen anstellen und sogar dieOriginalzeitung von 1935 lesen, dieman sonst nur über Mikrofilm zusehen bekommt. Gerade diese Arbeithat mir besonders großen Spaßgemacht. Ich glaube, jeder Historiker,aber auch jeder sonst Interessiertekann nachempfinden, dass es etwasBesonderes ist, Papier in Händen zuhalten, das aus dem letzten odergar aus dem vorletzten Jahrhundertstammt und sogar so riecht.Doch war meine Arbeit in derNS-Dokumentationsstelle nicht nurtheoretisch, ich konnte mich sogarkünstlerisch betätigen, indem ich dieDortmunder Synagoge aus Pappenach gebaut habe, die in einer Aus­stellung Ende September betrachtetwerden kann. Ich habe mir großeMühe gegeben und hoffe, sie gefälltIhnen, auch mit den kleinenSchönheitsfehlern, die mir auf Grund

meiner Ungeübtheit in solchenDingen unterlaufen sind.

Internationale BesucherEbenfalls sehr interessant und aufre­gend war der Besuch einer interna­tionalen Gruppe, die ich mit beglei­ten durfte. Es handelte sich hierbeium eine Familie, die sich für ihreWurzeln interessierte und dabei auchauf jüdische Vorfahren in Krefeldgestoßen war. Die Besuchergruppebestand aus einundzwanzig Perso­nen aus aller Welt (Australien,Israel, Holland u.a.), die alle mit­einander verwandt waren und nunmit uns die jüdischen Friedhöfe inKrefeld und Linn besuchten, umdie Grabsteine ihrer Vorfahren zusuchen. Zur Sicherheit, auch die rich­tigen Steine gefunden zu haben, undzu meiner Freude, übersetzte einerder Gruppenmitglieder die Inschriftder Grabsteine immer gleich ausdem Hebräischen, das auf denalten jüdischen Grabsteinen noch zufinden ist, ins Deutsche. Bei diesemBesuch und auch noch bei weiterenBesuchen auf dem jüdischen Fried­hof in Krefeld konnte ich somitauch viel über die Geschichte derjüdischen Grabsteine erfahren, diesich mit der Zeit in Form und Stilverändert haben.

Am Schluss meines Berichtes ange­langt möchte ich noch einmal beto­nen, dass mir dieses Praktikum sehrviel Spaß gemacht hat. Ich habeviel lernen können über die KrefelderGeschichte und war auch sehr beein­druckt von all den Anfragen, diein der NS-Dokumentationsstelle ein­gehen. Ich denke, dass ich einenguten Einblick in die Tätigkeiten derNS-Dokumentationsstelle bekommenhabe, da ich immer in die Arbeit unddie Nachforschungen mit einbezo­gen wurde bzw. meine eigene Auf­gabe halte, bei der ich selbständignachforschen durfte, was besondersinteressant war. Frau Dr. Schupetlaund Herr Ostrowski haben mich anallem teilhaben lassen und somitdafür gesorgt, dass mein Praktikum

sehr vielseitig gestaltet war.•

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IMerländer-Brief7/2002

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ERINNERUNGEN

Erinnerungen an den gelben Judenstern

"..er bedeutete Erniedrigung, Ausgrenzung, Entrechtung"IIse Kassel-Müller

stehen. dann als Juden gellenmüssen, wenn sie darüber hinausnoch jüdisch erzogen worden sind.Eines der wichtigsten jüdischenErziehungsmittel sind die israeliti­sche Religionsausübung oder derisraelitische Religionsunterricht. Loresowohl als auch IIse Müller habensowohl vor dem 16.9. 1935 als auchnachher einen israelitischen Reli­gionsunlerricht genossen und sinddadurch dem Judentum aufs engsteverhaftet worden. Weniger entschei­dend ist es demgegenüber, ob diebeiden Kinder auch formal in dieisraelitische Religionsgemeinschaftaufgenommen sind oder zunächsteine christlich Taufe erhalten haben.Maßgebend sind vielmehr Erziehungund Lebensgewohnheit. Demnachgelten Lore und IIse Müller alsJUDEN."

Die Würfel waren mit diesemBescheid endgültig gefallen. Die Ehemeiner Eltern galt nicht mehr alsschützenswert (privilegiert). MeineMutter musste den Judensterntragen, da die Töchter als soge­nannte Mischlinge 1. Grades nunals Juden galten und zum Tragendes Sterns verpflichtet waren. MeineSchwester Lore hatte inzwischengeheiratet. Auch mein halbjüdischer,atheistischer Schwager WernerGabelin musste. da er mit einerGeltungsjüdin verheiratet war, denJudenstern tragen. Selbst seineMutter wurde jetzt ganz derjüdischen Seite zugerechnet, verlorebenfalls den bisher "privilegierten"Status und hatte den Judensternanzulegen.

Es wäre unehrlich von mir zu sagen,ich hätte diesen Stern mit Stolzgetragen. Ich habe mich geschämt,betrachtete ihn als Erniedrigung,Ausgrenzung, Entrechtung, Schand-

"Ich habe mich geschämt"

Konsequenzen desBlutschutzgesetzes

Mit Schreiben der Geheimen Staats­polizei, Zweigstelle Düsseldorf, vom9. Juli 1942 wurde meinem Vaterdann unter anderem Folgendes mit­geteilt: "Die beiden Kinder Loreund IIse Müller haben blutsmäßigzwei jüdische und zwei arischeGroßelternteile. Sie sind deshalbblutsmäßig Halbjuden. Nach § 5Abs. 2a der ersten Verordnung zumReichbürgergesetzt geltenblutsmäßige Halbjuden dann alsJuden, wenn sie beim Erlass desBlutschutzgesetzes, d. h. am 16.9.1935, der jüdischen Religionsge­meinschaft angehört haben oderdanach in sie aufgenommen wordensind. Diese Regelung geht davonaus, dass blutsmäßige Halbjuden,die an sich schon durch ihre Abstam­mung in einem rassisch engenZusammenhang mit dem Judentum

von dieser Verordnung nicht betrof­fen. Ein Austritt aus einer Religions­gemeinschaft hatte nämlich schondamals bei Gericht zu erfolgen.Dies war in unserem Fall nie gesche­hen, so dass wir im Jahre 1941nach wie vor in der Kirchenbüchernder Dionysiuspfarre als Mitgliedergeführt wurden. Die Kirchenleilunghat meinem Vater den Sachverhaltauch gerne bestätigt. Wir klammer­ten uns an diesen Strohhalm underreichten - nach vielen Eingaben ­auch eine Hinausschiebung,

Städtische Volksschule Nr. 11

Am 1. September 1941 wurde vomReichinnenministerium die Polizei­verordnung über die Kennzeichnungder Juden erlassen und ab dem19. September durfte sich kein Judemehr ohne Stern in der Öffentlichkeitzeigen. Meine Familie war zunächst

Nach Komplikationen in der Erzie­hung war mein Vater der Meinung,dass es besser sei, wenn dieKinder den Glauben der Mutterannehmen würden. Also wurde ich,nach Rücksprache mit dem Ober­rabbiner Dr. Artur Bluhm, im Jahre1931 in die Städtische VolksschuleNr. 11, die jüdische Volksschulean der St.-Antonstraße 97, ein­geschult. Meine Schwester wech­selte auf die Städtische Bürgerschulefür Mädchen (später: Marianne­Rhodius-Schule) und erhielt fortanjüdischen Religionsunterricht.

Als ich am 28. April dieses Jahres an der Eröffnung der Ausstellung"Der Davidstern" in der Villa Merländer teilnahm, wurde mir plötzlich mitErschrecken bewusst, dass ich zu den beiden letzten Menschen hier inKrefeld zähle, die diesen Stern tragen mussten.Der Begriff "Zeitzeuge" erhielt für mich eine ganz neue, persönlicheBedeutung und ich erkannte, dass man nicht das Recht hat, sich vorder Berichterstattung zu drücken. So will ich denn hier meine ganzpersönlichen Erfahrungen und Empfindungen schildern. Ich tue diesnach bestem Wissen und Gewissen und in dem ehrlichen Bestreben derWidergabe der mir bekannten Fakten.

Meine Eltern, Fritz und Else Müller,geb. Coppel, heirateten am 6. März1920. Sie führten eine sogenannteMischehe, d.h. mein Vater war ,Arier"und meine Mutter Jüdin. MeineSchwester Lore - geb. 1921 - undich - geboren 1925 - wurden gleichnach der Geburt in der Dionysiuskir­che in Krefeld getauft. Lore besuchtevier Jahre die katholische Volks­schule Nr. 3 (Hubertusstraße) undich ging in den katholischen Kinder­garten auf dem Blumenplatz, der vonNonnen geleitet wurde.

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BERICHTE

neck, und wusste, dass er dasKennzeichen derjenigen war, die aufTransport in den Osten gingen unddamit Todeskandidaten waren. 11mJuli 1942 waren bis auf den "Alten­transport" nach Theresienstadl fastalle Juden aus Krefeld bereits depor~

liert worden - die Redaktion]. Alsich erfuhr, dass der König vonDänemark den gelben Stern trugund seine Landsleute auffordertedas gleiche zu tun, fand ich diesgroßartig und bewundernswert. Aberes betraf nicht mich und meine Lage.Er befand sich schließlich in einerandern Position.

würde, wurde ich vom Fleck weg ver·haftet. Meinem Schulfreund WernerHeymann ist es so ergangen. Heuteweiß ich, welche Sorgen ich meinenEllern bereitet habe, Aber ich warneunzehn Jahre jung, wollte lebenund hatte Glück.

Ich überlebte schließlich auch dieDeportation im September 1944 undden Aufenthalt in einem Arbeitslagerder Organisation Tod!. Als Ich am13. April 1945 in Zeitzl$achsen­Anhalt von amerikanischen Truppen

Merländer-BriefI7/2002

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befreit wurde, bat mich ein Soldatum meinen gelben Judenstern. Ichhabe ihn frohen Herzens verschenkt,zumal ich im Tausch dafür einekleine "Tefille" (Prayer Book forthe Jews in the armed Forcesof the Uniled Slates) erhielt. Esbedarf keiner Erwähnung, dass ichdieses Gebetbuch bis heute in Ehrenhalte. Den ~Magen·David"(SternOder Schild DavidS) trage ich heuteals Schmuck (ein Erbsll1ck vonmeiner 1995 verstorbenen Schw~ster Lore) freiwillig und mit Stolz.•

Gewagter Umgang mit demStern

t Was wü~~e aus den Sicherstellungenwähr~rl~des Progro~!i>?

Kein Silberschatz im Kaiser Wilhelm Museum

j

1Mein Trick war es, den gelben Sternmit groben Stichen und einem einfa­chen Faden mit Knoten anzunähen.Ich verdeckte ihn möglichst mit einerTasche, was ebenfalls streng ver­boten war. Wenn ich mir die poli­zeiliche Erlaubnis zum Benutzen derStraßenbahn holte - wir wohntennach dem unsere Wohnung an derMarktstraße durch Bomben zerstörtworden war in Uerdingen, ich mussteaber nach Krefeld zur Arbeit - sostellte ich mich bei dem Beamtenselbstverständlich korrekt mit Sternvor. Aber schon an der Haustürezog ich an dem Knoten den losenFaden heraus und befreite mich vondem Schandfleck. Ich habe es auchgewagt ohne Stern mit dem Zug zufahren und verbrachte meine Ferienbei Freunden in Bayern, Nachdemim Juli das Attentat auf Hitler verübtworden war, geriet ich in eineKontrolle, Aber ich besaß einenAusweis der Deutschen Arbeitsfrontmit einem Foto darin und mitmeinem wunderschönen deutschenNamen Müller - den Zwangsvorna·men Sara haUe ich noch nicht ange­ben müssen, als der Ausweis ausge­steHt wurde - fühlte ich mich sicher.

Schulenburgs Warnung

Der Gestapo-Beamle Rlchard Schu­lenburg hatte meinen Vater gewarnt,wenn man mich ohne Stern ertappen

Lang bekannt ist eine Aktennotizder Krefelder Gestapo, in der genauaufgeZählt worden ist, was die Poli­zei während des Novemberpogromsaus der Synagoge In KrefeJd-Mittesicherstellte.Es handelte sich um: .1 Aufsatzbrettmit 7 symbolischen Gegenständen(Silber), 6 Leuchter (Silber), 1Leuchter (Bronze), 1 Kanne, 1Sl1berteller; 1 GIQcke~ 5 Sil~

be'rschlldelr'(Gesetzestafell1),2,große Sthlächtermesser, 1kleinesSchlächiermesser, 4 Hörner (fOr kul·tische Handlungen), 1 Etui mit klei·nen eingelegten Sitberplatlen, 1 Tellgestickter Stoffe fOr Gebetsrollen, 1Schrank mit Inhalt bestehend ausGebetsrollen und BOchern und 3Decken-,

Der Weg der SammlungOppenheimerMerkwürdig an dieser Notfzjstdie Tatsache, dass nicht vermerktwurde, was dann mit den'Gegenständen geschah. Di~s warbei einer anderen Beschlagnahme­aktion im Zusammenhang mil demPogrom ganz anders. Im Haus desgerade noch rechtzeitig geflohenenKunstsammters Alex Oppenheimerwurde seine umfangreiche Samm­lung mit Kunstgegenständen ausOstasien mitgenommen. Angeblichhalle der Mäzen in besseren Zeiten

daran gedacht, die 'WertvolleSammlung nach seinem Tod derStadt Krefeld zu schenken. Beidiesen Objekten kann man nach­weisen, dass sie in das Kaiser Wll·helm Museum geschafft und aufausdrücklichen Wunsch der dama·ligen StadtspIlze inventarisiert, d.h.in das Eigentum des MuseumsüberfUhrt wurden.

Die Familie OppenhelmtWsahkeineriGrund füreln sogroßzügiges Geschenk an die StadtKrefeld und forderte nach dem Krlegalles wieder zurück.

Oie Gegenstände aus derSynagoge nicht im KWMDie Überiegung war nun, dassja vielleicht auch das Silberzeugaus der Synagoge seinen Wegin das Museum gefunden habenkönnte. Mit Hilfe von Dr. Röder unddem MpgazlnverwalterKlaus·DielerKraenll:'tschaulen Dr;:SctjJ..lpE;1ttaund Annegret Hols In den Akten und.Katakomben~des Museums nach.Danach kann man nun mitSichemeit sagen, dass sich dieGegenstände nicht im KWM befin·den und wahrscheinliCh nie befun·den haben.Die nach wie vor spannende FrageIst allerdings, wo sie denn danngeblieben sind? _

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BERICHTE

Ausstellung im Museum Burg Linn

Spuren vom großen KriegNoch bis zum 27. Oktober 2002 istim Museum Burg Linn die Ausstel­lung .Spuren vom Großen Krieg- zusehen. Unter dem .Großen Krieg-ist hier nicht der Dreißigjährigezu verstehen, sondern in ersterLInie der Zweite Weltkrieg, als Syn­onym für alle .großen" Kriege. DiePräsentation ist betont nüchtern.Die SchauslOCke liegen in säulen­förmigen Vitrinen, in die man nur vonoben Emblick bekommt. Der Ausstel­tungsraum sieht so auf den erstenBlick fast leer aus, obwOhl die einzel­nen Fundstelen Obervoll mIt Maten­alen sind - so wie sie sich dem Ent­decker präsentierten. Besuchennnenund Besucher sollen damit zur eige­nen Spurensuche angeregt werden.

entwickeln, was die Arbeit der Histo­rikerin oder des Historikers aus­macht Aus solchen Fragmenten eineLebensgeschichte zu rekonstruierenund sie in Beziehung zur .großenGeschichte- zu setzen. Dieser zweiteSchritt wird in Ausstellung und Kata­log bewusst nicht unlemommen.Der Herausforderung zur Assoziationfolgt nicht der Schritt zur Analyse.Dabei enthalten die Spuren desgroßen Krieges Spuren nationa~

sozialistischen Größenwahns undna ·onalsozialistischer Verbrechen.Ein Beispiel: Bei den In mehrerenVitrinen aufgehaufeiten Dokumentenzu einer .Fluchr aus Estland im

Errell in Viersen

Jahre 1941 handelt es sich umdie Umsiedlung einer .baltendeut­sehen- Familie in Folge der national­sozialistischer Neuordnung des _Ost­raums· nach rassistisdlen GeSIchts­punkten. Diese unbedacht insze­nierte Völkerwanderung hatte 1940 I1941 zu dem Chaos geführt, das denWeg in die .Endlösung der Juden­frage- den damaligen Machthabernals einzigen Ausweg erscheinenließ. Der unscheinbare Stempel .Ein­wandererzentralstelle Litz­mannstadr. weist auf einen Teildeutscher Behördenorganjsation, derdem Leder desRetchssicherheitshauptamtes Rein­hard Heydrich zugeordnet war.Der Leiter des Referates für.Auswanderungs- undRaumungsangelegenheiten- in Berljnhieß Adolf Eichmann. _

Der Autor der Ausstellung GeorgOpdenberg arbeitet als Landvermes­ser und stößt praktisch täglich aufdie kleinen und großen Hinterlas­senschaften vergangener Kriege: AufSiegeszeichen, Mahnmale,Kriegergräber, Gedächlnlskapellen,Bunker und TrümmergrundstOcke.Wie seine Dokumenlarfolos aus Kre­feld (Ielder ohne Datum) zeigen,sind oder waren es auch manchmaldie Zeichen an der Wand. ZumBeispiel weisen noch heute Spurenalter Leuchtschriften auf ehemaligeZugänge zu Luftschutzkellern hin.

Spurensucheim privaten BereichDie Spurensuche des Georg Opden­berg erstreckte sich aber auch aufden privaten Bereich. Alben. Koffer,Kartons und Kistchen erwiesen sichals Fundgruben, die mit Fotos, Brie­fen. Zeichnungen und TagebOChem.Ausweisen und Papieren aller Artvollgestopft sind. Aus ihnen setztsICh der größere Tell der Ausstellungzusammen. In einer langen Wandvi­trine wird ein Lebenslauf anhand vonDokumenten dargestellt. UnverknOpftläuft darOber eine Zeitleiste. Mankann dabei eine Ahnung von dem

Proben des künstlerischen Schaffen Rtchard Levys, seJI seinen SchultagenErreII gerufen, sind noch bis zum 27. Oktober 2002 in der StädtischenGalerie im Park in Viersen zu sehen.Richard Levy wurde 1899 in Krefeld geboren. Nach seinem frühzeitigenVerlassen der Schule machte ErrelJ eine Lehre als Dekorateur. Paralleldazu besuchte er Seminare an der Krefelder KunsfgewerbeschL1le undan·defKö(lstakademie Düsseldon. Als einer der ersten WerbeprofissetZtetrrell Photos als Mittler seiner Botschaften ein. SeinelWhleni'\uf­nahmen beispielsweise von Autos, Damen mit SChmuck, Strümpfen oderBadeanzügen haben bis heute ihre AnZiehungskraft nicht verloren. Siespielen·mit den schwarzweiß Gegensätzen, setzen harte Kontraste gegen­einander und sind Im Wortsinne plakativ.

Richard Errell emigrierte 1933 zunächst in die Tschechoslowakei, dannnach Palästina. In Israel avanaerte Effell zum ästhetischen Berater derRegterung und gestaltete Hoheitszeichen, Bnefmancen und PublikationenJOr Regierungsamter. 1961 siedelte er in die SchwetZ Ober. Dort erschienenmehrere LehrbOcher über Fotografie und Oesign, in denen er seine Erfah·rungen als Pionier der Werbung niederlegte. Als Ruheständler beschäftigteer sich verstärkt mit dem Verfassen von Büehem. Auf Krefetd bezogensich Erinnerungen im ersten Band der Krefelder Studien und - in weitgeringerem Umfang - in dem Roman .Das Nizzanl-Fragmenr.Richard EITel! ist 1992 In LocamoJ SchweiZ gestorben. Seinenkünstlerischen Nachlass hatte er schon 1984 im Museum Folkwang inEssen hinterlegt. Aus diesen Beständen stammt die Ausstellung tn Viersen.Die NS-Ookumentalionsstelle der Stadt Krefeld hatte sich ubngens in derVergangenheit schon mehrfach bemOht, Errells Nachlass in Krefeld zuzeigen, war aber an den hohen Anforderungen des Museums Folkwang(ldimatisierte Räume, LIchtschutz, Rund-um<he Uhr Bewachung) gescheI­tert. Jenny Errell, die Jn Israel lebt, würde es gerne sehen, wenn man SIchauch in seiner Heimatstadt an Ihren Mann ennnerte •.

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BERICHTE Merländer-BriefI7/2002

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Vom 10.November bis zum 8. Dezember 2002 in der Villa Merländer

Moorsoldaten - eine Ausstellung über die Emslandlager

Rudolf Hirschs Lebenserinnerungen erschienen

Zu den bekanntesten Liedern ausdem antifaschistischen Widerstandgehört das Lied von den Moor­soldaten: "Wohin auch das Auge blik­ket Moor und Heide nur ringsum......Schon weniger bekannt ist, dass dasLied in seiner Urversion 1933 imKonzentrationslager Börgermoor ent­stand. Auch die Texter Johann Esserund Wolfgang Langhoff sowie derKomponist Rudi Goguel dürften weit­hin unbekannt sein. Dabei gäbe esin Krefeld zumindest einen Grund,die Namen zu kennen: die Männerwaren nämlich alle drei in derKPD Niederrhein aktiv gewesen.Als Gegner der nationalsozialisti­schen Regierung waren sie 1933 in"Schutzhaft" genommen und in denMoorlagern interniert worden.

Billstein wäre nach dem Urteil imMassenprozess gegen die dortigenKommunisten fast von Remscheid­Lüttringhausen ins Emsland verlegtworden. Seine Genossen WallerWinters und Richard Hütter, die imgleichen Verfahren verurteilt wordenwaren, kamen im August 1935 insEmsland. Für die Familien aus demRheinland, die im Prinzip die verur­teilten Väter, Söhne und Ehemännerbesuchen durften, war unter ande 4

rem die weite Wegstrecke ein Pro­blem. In den Biilstein-Briefen ist dieRede davon, dass sich im Winter1935/1936 etwa 140 Angehörigezusammentaten, um einen Besuch

mit zwei Reisebussen zu organisie­ren. Eine Fahrstrecke dauerte 11 Yo:Stunden, der Besuch 2 Stunden. DerFahrpreis lag bei 12 Mark~ mehrals sich die Arbeiterfamilien damalsleisten konnten.

Heute erinnert in Papenburg eineDokumentationsstelle an die Lagerim Moor. Eine Vorstellung soll aberauch eine Wanderausstellung vermit­teln, die im November in Krefeldzu sehen sein wird. Zur Eröffnungwird Kurt Buck, Leiter des Doku­mentations- und Informationszen­trums Emslandlager (Papenburg)einen einführenden Vortrag halten •.

1933 entstanden speziell für politi­sche Gefangenen eine ganze Reihevon "wilden" Lagern. Diese frühenKonzentrationslager waren meist inder Hand von SA-Männern. ImApril 1933 erteilte das PreußischeInnenministerium demRegierungspräsidenten in Osnabrückden Auftrag, im Emsland für dieUnterbringung von 3.000 bis 5.000Gefangenen mehrere Lager einzu­richten. Im Sommer waren die Kon­zentrationslager Börgermoor, Ester­wegen und Neusustrum als "Staat­liches KonzentrationslagerPapenburg" fertiggestellt worden. DieGefangenen, die sich selbst "Moor­soldaten" nannten, wurden bei derKultivierung der emsländischenMoore zur Zwangsarbeit herangezo­gen. Unter diesen ersten Gefange­nen waren auch einige aus Krefeldund vom Niederrhein.Mit der Neuorganisation des KZ­Systems unter Aufsicht der SS imSommer 1934 wurden die LagerNeusustrum und Börgermoor alsKonzentrationslager aufgelöst undvon der preußischen Justiz als Slraf­gefangenenlager übernommen. Jetztwurden auch Männer eingewiesen,die ..rechtmäßig" verurteilt wordenwaren. Auch der Krefelder Aurel

Am 20. September 2002 wurden in Berlin die Lebenserinnerungen vonRudolf Hirsch (1907-1998) vorgestellt. Rudolf Hirsch wurde in Krefeldgeboren. Nach dem frühen Tode des Vaters übernahm der Sohn das elter­liche Schuhgeschäft an der RheinstraßelEcke Hochstraße (heute Schuh­haus Grüterich). Einer erfolgreichen Karriere als Kaufmann standen 1933jedoch zwei Hindernisse im Wege: Rudolf Hirsch war Jude und - nacheiner prägenden Begegnung mit Aurel Billstein zu Beginn der 30er Jahre- Kommunist. Hirsch musste ins Ausland flüchten, lebte in den Niederlan­den, Belgien und Palästina. Eine Rückkehr nach Krefeld wurde ihm nach1945 von den britischen Besatzungsbehörden verwehrt. Da er in PalästinaFreundschaft mit Arnold Zweig geschlossen hatte, ging er 1949 zu ihm ­nach Ost-Berlin.In der DDR arbeitete Rudolf Hirsch als Gerichtsreporter und waraußerordentlich bekannt für seine wirklichkeitstreuen kleinen Studien desAlltagslebens (Eros und Ehe. Vor Gericht). Durch seine Prominenz konnteer sich kritische (Unter)Töne erlauben. Im Ruhestand wandte sich RudolfHirsch, gemeinsam mit seiner Frau Rosemarie Schuder, verstärkt histori­schen Themen zu, insbesondere der Geschichte des Antisemitismus. Indem Roman "Patria Israel" (in der Bundesrepublik 1985 erschienen) tauch­ten zum ersten Mal autobiografische Elemente auf. Mehrfach besuchte erseine Heimatstadt Krefeld, seinen Freund Aurel Billstein und auch die NS­Dokumentationsstetle der Stadt Krefeld lernte er noch kennen. In seinenletzten Lebensjahren ging Rudolf Hirsch daran, seine Erinnerungen zuordnen, um seine Memoiren zu verfassen.Während dieser Arbeit starb er. Bei den nun vorliegenden Lebenserinne­rungen handelt es sich deswegen um eine Edition aus verschiedenenQuellen. Besorgt hat diese Zusammenstellung der Publizist Walter Nowoj­ski, der sich durch die Herausgabe der Tagebücher Viktor Klempererseinen Namen gemacht hat. Das Buch ist unter dem Titel "Aus einerverlorenen Welt" im Verlag "Das neue Berlin" erschienen und kostet 14,90Euro. Am 17. November 2002 - dem 95. Geburtstag von Rudolf Hirsch ­werden Rosemarie Schuder-Hirsch und Walter Nowojski das Buch dannauch in Krefeld, in der Villa Merländer, vorstellen.•

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IMerländer-Brief7/2002

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PRESSESPIEGEL

Die Nazis nahmen ihm das Geld-dann das Leben

Ur. Ingrtd Schupetta erinnerte an den Tod von Rlchard Merländervor 60 Jahren In Treblinka

Holocaust-Museum sucht nach Krefelder Juden

Was wurde ausKurt Rebenfeld?

Beim Namen Merländer denkt marian die Wandgemälde Heinrich Cam­pendonks in der gleichnamigen Villaan der Friedrleh-Ebert-StraBe, in derunter anderem die N5-00kumentati­onsstelle der Stadt Krefeld unterge­bracht ist

Aber wer war Richard Merländer?Er war reich und er war Jude. Für dieNazis Grund genug, ihm erst das Ver­mögen und dann das Leben zu neh­men. Im September 1942 wurde Mer-

länder, 1874 geboren und von BerufScidenhändler mit über 2000 Lei­densgenossen vom Konzentrationsla­ger Theresienstadt in das Vernich­tungslager Treblinka gebracht unddort ermordet. Dr. Ingrid Schupett:a,Leiterin der N5-Dokumentationsstel­le, erinnerte mit einem Vortrag anden Tod des Krefelders vor 60 Jahren.Während der nationalsozialistischenHerrschaft teilten über 600 Mitbürgerder Seidenstadt dieses Schicksal.

Schupetta bewegte sich au! einemschmalen Grat. Denn einerseits muss­te sie auf die schrecklichen Ereignissein den Vernichtungslagern eingehen,konnte aber andererseits Einzelheitendes Grauens nicht verschweigen. Ins­besondere nach dem überfall auf dieSowjetunion batte die Maschineriedes systematischen Tötens zunächstder nichtdeutschen Juden und sodannauen der so genannten Reichsgenos­sen eingesetzt. Der lange Leidensweg

Richard Merländers führte über dasTragen des Judensterns und das Hau­sen in einem armseligen Zimmer aufder Hubertusstraße bis zu seiner De­portation am 25. Juli 1942 nach The­re:sienstadt. 1m KrefeIQer Stadtarch1vlagern noch Dokumente, die möRli­cherweise weitere Aufsch1ßsse aberMerländer geben könnten. Gesetzli­che Vorschriften verbieten eine Ein­sichtsnahme,

DIETRICH HENNES

Rheinische Post 7. 9. 2002

Das amerikanische Holocaust­Museum sucht auch in Krefeldnach Informationen über dasSchicksal von Passagieren desSchiffes ,.St. Louis-, Auf der Pas­sagierliste waren aus Krefeld l!seNeuberg und Kurt Rebenfeld ver·zeichnet. Die Anfrage des US-Ho­locaust-Museurns erreichte jetztdie Krdelder N5-00kumentati­onsstdle in der Villa Merländer.Das Museum plant eine Veröf·fentlichung über die Geschichteder Passagiere der .St. Louis".

Die Geschichte der Fahlt der..St Louis" nach Havanna erregteschon unter Zeitgenossen großesAufsehen. Das Schiff der Ham­burg-Amerika-ünie hatte am13. Mai 1939den Hamburger Ha­fen mit dem Ziel Havanna verlas­sen. Die 937 Passagiere warenmehrheitlich jüdische Flüchtlin­ge, die Deutschland und Europaden Rucken kehrtn wollten. Daseigentliche Ziel waren die Verei­nigten Staaten. Die Einwande­rung in die USA war allerdingsnur begrenzt möglich. Auch fürFlüchtlinge wurden keine Aus­nahmen gemacht. Die großeHoffnung der Menschen war, aufKuba doch noch ein Visum fUrdie Weiterreise bekommen zukönnen.

Westdeutsche Zeitung 8. 8. 2002

Unglucklicherweise hatte diekubanische Regierung kurz vorder Abfahrt der ~St Louis" gene­rell alle landepapiere, die nichtvon der kubanischen Regierunggegengezeichnet waren - das warverbunden mit einer Zahlung von500 Dollar - für ungii,ltig erkIärt_So konnten am 27. Mai 1939 nur22 Flüchtlinge das Schiff mit lega­len Papieren verlassen. Die übri­gen wurden nach dem Scheiternvon Verhandlungen am 6. Juni1939 zuriick nach Europa ge­schickt. Immerhin konnten jüdi­sche Organisationen erreichen,dass das Schiff statt in Hamburgin Antwerpen anlegte und dieFlüchtlinge nach Großbritannien,Frankreich, Belgien und in dieNiederlande einreisen durften.n~ Neuberg (geb. Levin) und

ihr Mann gehöE1en zu denen. diees über Großbritannien danndoch [loch in di~ VereinigtenStaaten schaften. Uber Kult Re­benfeld, der erst 1930 nach Kre­feld gekommen war und hier"Schuckalts Musikalienhand­Jung" am Ostwall 149 übernom­men hatte, ist so gut wie nichtsbekannt. Kurt Rebenfeld kam ausBerlin. Er war mit Ger13 Freudeverheiratet Da die Ehefrau nichtjüdisch war, handelte es sich umeine so genannte Mischehe. Aufdiese Ehen wurde während derNS-Zeit enonner Druck ausge­übt Die kinderlose Ehe der Re·benfelds wurde geschieden,nachdem Kurt Rebenfeld Krefeldverlassen hatte, Seine Frau zog indie Germaniastraße 32. Sie starb1946.

Ober das Projekt des Holo­caust-Museums informiert dasInternet unter dem Stichwort wSLLouis" auf der Homepagewww.ushmm,org.

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PRESSESPIEGEL Merländer-BriefI7/2002

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Der Leiden~~~g'~~#sQ.nsK.Präparate eines Krefelder Jungen. Opfer der NS-Euthanasie. " 'wurden in Wien beigesetzt Rheinische Post 3(;8, 2002 ' ,

SchrecklichesVerbrechen

Überlebende berichten:

"Durt hin wirst a bald kummen"Knabe nicht mehr in seinem Bettlag, fragte ich Schwester Sikoranach dessen·Verbleib. Sie antwor­tete mir wörtlich: ,Durt hin wirst

. a bald kwrunen'. Fasltägllchwurden die Leichen der Kinder,die in Zellstoff gewickelt waren,wie Brotwecken in einen Sarg ge­legt und so geschichtet, dass erordnungsgemi8 gefüllt war. Ichbeobachtete, wie Kinderleichenvon A.nsWlsangehörigen zumSarg getragen wurden - meist un­ter dem Arm.· CM

Kommentar

Nur wenige Behinderte, die in dieKindedclinik ,,Am SplegeJgnmd"abtransportiert wurden, überleb­ten. Sie berichten über eine per­manente Nahrungsmittel-Unter­versorgung und der Angst vor derVergiftung dun::h Anti AloisKaufmann erzählt: "Nachtsschlich sich das Gmuen aberGange und Räume. Meine Angstwar unbeschreiblich.. •

Frank Zawrel, der in den Jah­ren 1943/1944 dort lebte,1!rinnertsich: "Als ich bemerkte, dass ein

luftkriegsge1ährdet.. ?ochgef~l Einige Arzte habenFür 144 kleine Patienten des St ib,n;n lpuflicllen Erfolg auf .dieser

Josdbauses begann dami~ ein Tragödie aufge~ut·, erklärt Gen!schrecklicher Leidensweg. Hans K. LAA'1~. Endgtlltig klärte" lieh .das .und die anderen Kinder kamen im Schicksal der Kinder aus Wien, alsMai 'l94S in 'di:e-WieJjer K:Iinik ,.Am 2000 der zuständige Arzt, HeinrichSpiegelgrund·. Die Eltern in Krefeld +~us, vor Gericht gestellt wurde._ b<ruhigt. Der Junge hab< IEr;t in w...m JoM sind die Pr...,..Stch sehr gut emgelebt, wurde ihnen Ite lD Urnen umgefüllt und dann inEnde 1uni mitgeteilt Am 3. August Wien·b-........I:... worden... Komm-·..•erreichte die Familie die Nachricht, "~"'6' ..........dass es dem Kind schlecht giIijte. A.r::Idiesem Tag starb Hans K. "Laut Pa­tientenaJrte litt das Kind vor seinemTod an Bronchitis und Mundsc.hl.eim­hautentzündwig·. enählt Scbupetta..Die Arzte gaben im Obduktionsbe-­riebt allgemeine Mangelemährungals Tod~che an. "Das heißt, sie "Es ist kend, dass imhaben ihn verhungern lassen.· festen lauben, Wissenschaft·."",'c'::::',,':::'c'..-""-;:::;I'==,-'_' zu ma en, der Weg~ Ver-Für Ex~P:t~_tni,s~~laqc~f brech begangen Wurde und

in die genannte Euthanasie"Es ist erWi~, dass die meisten mit wenigen Au.mahmen die

Kinder schon zu Lebzeiten für medi. gesam deutsche Psychiatriezi.nische Experimente missbmucbt verwic lt war.".Mit diesenwurden", weiß der stellvertretende Worten ste der Medizinhis-Archivleiter von Mönchengladbach, toriker r. Gerhard BaaderGerd Lamers. Doch auch nach ihrem die V 'cklung eines ganzen .Tod fanden die Euthanasie-C)pfer B andes in die NS-Ver-keine Ruhe: Die Ärzte entnahmen brech zusammen. Erst jetztwurde ekannt, dass auch einHans K.. das Gehirn, stellten Präpara· Krefeld Junge Opfer dieserte her. Die Leiche wurde beseitigt. Wiener ~xperimente war. Und"An den Gehim·Präparaten wurde plötzli~ sind die Schreckenauch in den 50er und .6IJer Jahren jener Ziiit wieder so nah. dhi

Nachdem der Kleine einige Zeit ineiner Bonner Klinik verbracht hatte,kam er 1935 in die Heil- und Pflege­anstalt St. Josefhaus in Hardt beiMönchengladbach. .Die Trennungmuss der Familie sehr schwer gefal­len sein. Aus Dokumenten isl ersicht­lich, dass die Eltern das Kind oft übermehrere Monate behielten. Sie wur­

_4en immer"wieder gemahnt, den JJJit~gen zurilck'ins Heim zu bringen",'P­zählt die Leiterin der NS-Dokumen­.tationsstelle Krefeld, Dr. IngridSchupetta.

Als die Nationalsozialisten began­nen, Behinderte abzutransportieren,blieb das Sl Josefhaus als konfessio­nelles Heim zunächst verscbont

•Aber vor der zweiten Welle 1943konnte man die Behinderten nichtmehr schützen", erzählt Schupetta.Begrt1ndung der Behörden für denAbtransport Das Gebiet sei .extrem

Schwere TJ'ennung

Von CORNEW MÖLLER

..Nie wieder vergessenu steht aufdem Granitblock in Kreuzform,dem Gedenkstein auf dem WienerZentralfriedhoL Die Überrestevon insgesamt 600 Behindertensind hier beerdigt worden. Unterihnen auch ein zwtlUjähriger Jun­ge aus Krefeld. Er starb in derKinderklinik .Am Spiegelgrund"in Wien. Weil er für die Nazis ein"idiotisches" Kind war.

Tragisch, das war sein Leben vomersten Tag an. Als Hans K. am 18.September 1930 in Krefeld zur Weltkam, wurde sein Gehirn während derGeburt durch eine ~e so schwerverletzt, dass er nie nchtig laufenlernte und nur über einen sehr gerln­gen Wortschatz verfUgte. Das Kindeiner katholischen Familie aus Bock­um war das jün~e' von sieben Ge­schwiste(n. Als Hans K. vier Jahre altwar, wurde er in den StädtischenKrankenanstalten untersucht. Derzuständige Arzt stellte eine "gravie.I'flnde Störung" fest. Der Junge müssedauerhaft in Pflege.

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IMerländer-Brief7/2002

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PRESSESPIEGEL

Me r Kontakt zu Schulen

Galerie der Oberrabbiner ist fast komplett

Porträt vom Rabbi

1 . . 2002

Bluhm übernahm in AmarillolTexas eine jüdische Gemeindeund starb 1964 mit 65 Jahren.

Anfang der SOer Jahre hatteBluhm Besuch aus seiner altenKrefelder Gemeinde. ElisabethServos und Tochter Dons, eben­falls in die USA emigriert,. trafenihn in Amarillo. Dabei entstan­den Fotos. Mit der AufnahmeBluhms ist die Galerie der Krefel­der Oberrabbiner noch nicht voll­ständig. Weiter gesucht wird einPorträt von]osef Levi, Oberrabbi­ner von 1904 bis 1927.

Oberrabbiner Arthur Blum mitElisabeth und Doris Servos imtexanischen Amarillo.

(Wewelsburg, hier findet sicheine weitere NS-Gedenkstätte)hat sie am Aufbau einer histon­sehen DaueraussteUung mitge­wirkt. Museumspädagogisch(Führungen insbesondere vonSchulklassen) war sie schon wäh·rend des Studiums tätig, zuletztim Museum Schloss Rheydt FrauHoLs soU in ihrer neuen Stelle deoKontakt zu den Schulen intensi­vieren und einen Katalog zurDauerausstellung erarbeiten.

WZ Samstag; 6. April 2002

estdeutsche Zeitun

Bei Recherchen zur Geschichteder Krefelder Synagoge gelang esIngrid Schupetta, Leiterin der NS­DokumentationssteUe, eine wei­tere Lücke in der Stadtgeschichtezu schließen. Mit Hilfe der frühe­ren KrefeLderin llse Wolfson, dieheute in Laguna Woods in Kali­fomien lebt, fand sie ein Porträt

. des ehemaligen Krefelder Ober­rabbiners in den USA.

Der gesuchte Arthur Bluhmstammte aus Westpreußen undhatte iil Königsbe"rg und BerUnstudiert. Die Stelle als Obel.'rabbi­ner in Krefeld' hatte er in derNac~olgevon]osefLevi im April1927 angetreten. Elf Jahre spätermusste er die Stadt wieder verlas­sen. Im November 1938 war dieKrefelder Synagoge von den Na­zis zerstört worden. Viele jüdi­sche Männer, danmter auch derOberrabbiner, wurden am nächs·ten Tag festgenomwen und indas KZ Dacbau gebracht. AusDacbau wurde vorzugsweise ent­lassen. wer Bemühungen umeine Auswandenmg nachweisenkonnte. Bluhm und seine EhefrauJohanna retteten sieb im Dezem­ber 1938 nach Venlo. Von dortaus gelangten sie in die USA.

Der Verein konnte Spendenbeisteuern. schöpft auch aus denBeiträgen seiner cirka 150 Mit­glieder, doch der Löwenanteil istdem Krefelder Verkehrsverein zuverdanken. Der stellte den Über-

schuss aus dem Verka f des Sei­dentuchs 2001 mit Motiven derCampendonk-Wandbilder ausder Villa zur Verfügung.

Annegret Hols (33) stammt ausdem Kreis Steinfurt, hat in Banndas Studium der Völkerkunde,Geschichte und Geographie mitdem Magistertitel abgeschlossen.1m Kreismuseum Paderborn

01 79/7 05 86 15.Als die Stadt der NS-Doku·

mentationsstelle vor etwa einemJahr die zweite S elle neben dervon Dr. Schupetta streichen woll­te, bo der FördeNerein der Ver­waltung einen Kompromiss an

an möge eine halbe Stelle er­halten, die andere halbe Stellewolle der Verein teilfinanzie en,das heiß den frei zu finanzieren­den Anteil einer ABM-Ste eübernehmen. Daraus ist jetzt so­gar eine Vollzeitstelle geworden,neben der halben Stelle von Dr.Schupettas StelIvertreter Burk­hard Ostrowski.

Von Klaus M. Schmidt

Annegret Holverstärkt das

Team der Villaerländer:

Ausstellung istnun wiederregelmäßigzugänglich

un muss sie sich also nichtmehr bei jedem Wetter auf ihrFahrrad setzen, um vom Stadtar­chiv, wo ihr Schreibtisch stehtzur Villa Merländel.' zu gelangen:um dort Besucher durch die Aus­stellung der NS-Dokumentati­onsstelle zu führen. Leiterin 01.'.Ingrid Schupetta erfährt jetzt Un­terstützung durch Annegret Hols,auf Initiative und mit Unterstüt­zung des FördeNereins VitiaMerländer als ABM-Kraft zu­nächst für ein Jahr vom 1. Aprilan engagiert. Frau Hals hat ihrBüro in der Villa.

Dr. Eugen Gerritz, Vorsitzen­der des Fördervereins, freut sichmit Dr. Schupetta, die jetzt wiedermehr Zeit für ihre wissenschaftli­che Arbeit hat, darüber, dass dieVilla dank der neuen Kraft wie zufrüheren Zeiten wieder regelmä­ßig zugänglich ist. Und zwar vonmontags bis freitags zwischen8.30 Uhr und 12.30 Uhr vonmontags bis mittwochs von i4 bis16 und donnerstags von 14 bis17.30 Uhr. Für Terminvereinba­rungen erreicht man Frau Halsunter Telefon 35 11 63 oder

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PRESSESPIEGELMerländer-BriefI

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Eine Familie auf den Spuren dereigenen Geschichte

Arie van Vlijmen erforscht Wurzeln seiner Familie /

Mit Verwandten war er aufjüdischem Friedhof an der H~ideckstraße

EnckesEinsichten inleere RäumeEine FotoaU$stellung der KrefelderinBruni Encke über das Jüdische Mu­seum in HerHn, die im vergangenenJahr in Kreie1d in der Villa Merlan­der, zeigt 'elzt die DüsseJdorferMahn-' und GedenKstätte an der:MUhlenstraße 29 bis zum 30. Juni alsTeil der Jüdischen Kulturtage RW.

Die Ausstellung hat den TItel "Ge­dankenGebäude - das jüdische. Mu­seum in Berlin. Fotografien von BruniEncke". Voraussetzung für die Aus­stellWlg war, dass der Architekt desJüdischen Museums Berlin, DanJelLibeskincL sein Einverständnis er­klärte. dass Brom Encke, Ehefrau desf:rU.heren Zoodirektors Dr. Waller En­eke, die Fotos zeigen kann. D'e Kre­felder Fotografin hatte Innenansich­ten des noch eeren Berliner Gebäu­des festgehalten. Die Aus:>tellung"GedankenGebäude" wurde für denFörderverein der NS-Dokumentati­ansstelle der Stadt Krefeld in der Vil­la Merländer zusammengestellt.

Bruni Encke, 1942 in Dortmundgeboren, lebt und arbeitet als freiekünstlerische Fotografin in Krefe1d.Sie ist verheiratet und hat vier Kin­der..Rheinische Post 16. 5. 2002

Dieser kann also über s'echs Ge- katholische Familie versteckte.nerationen auf eine Krefelder 1949 emigrierten er und seine POl'Wurzel seiner FamiJie verweisen, milie nach Israel Arie van

Die van Vlijmens und ihre Vlijmen ist aber immer Doch häu­Nachfahren leben beute über die flg in den iederlanden.ganze Welt verstreut Zum zwei·ten Mal nach 15 Jahren bat Arie ~Seit 50 Jahren erforsche ichvan Vlijmen seine Verwandten die Geschieb e meiner Familie".aus SüdafriJGl. England. den USA. s~gt .der heute 66-Jährige,. Als 16­Israel und den iederJanden jetzt Jab,ng~r begann er darntt. auc~zu einem Familientreffen zusam- weil VIele ye~andt.~ den Zwei'mengerufen, zum ersten Mal reist ten Weltkneg ,mcht uberlebt hat­die Gruppe durch Deutschland, ten. Durch s.eme N~c,hforschun­Die insgesamt 21 Personen besu- gen WIll er dIe "TradItIOn der Pa·chen eine Woche lang Stätten ih- milie" bewahren.rer Familiengeschichte. Sie warenbereits in Trier. Wittiicb und WZ Mittwoch. 7. August 2002Warden und werden noch nachEmmerich und J<le e reisen.

Der Krefelder Historiker Re'n­hard Schippkus hat 1997 imStadtarchiv Goch gearbeitet undseinerzeit den niederrheinischenStammbaum der Familie recher­chiert. Der bereits genannte Salo­mon Levi (geboren 1731) ist Vaterdes Simon Levi (1777). Ein De­kret von 1808 zwang die Judenzur Annahme fester Vor- und Fa-

schleppt. Nur Frederik kam zu·rück. Arie van Vlijmen - 1936 inAmsterdam geboren - überlebteden Naz.i-Terror, weil ihn eine

miliennamen. Simon Levi nanntesich fortan Siman Epstein undwurde 1808 Vater von LudwigEps ein. Dessen Sohn Moses(1839) wiederum zog es fort ausKrcfeld. und zwar nach Goch.

Moses Epstein, ein Urgroßva­ter von Arie van Vlijmen heiratetedie Gocherin Rosalie Sternefeldund zeugte mit ihr sechs Kinder.Die Tochter Marianne (1871) hei·ratete den niederländischen Ju­den Andreas van V1ijmen. derenSohn frederik war wiederum derVa er von Arie van Vlijmen. DieGroßeltern (Marianne und An­dreas van Vlijrnen) kamen im KZSobibor ums Leben. ihre beidenSöhne wurden ebenfarls veT-

Oer Grabstein von Hertz levi.gestorben 1774. Repro: OJ

Von Klaus M. Schmidt

Vor fünfJahren war der gebürtigeAmsterdamer Arie van Vlijmen(66) bereits einmal am jeder­rhein und auch in Krefeld zu Gast- auf der Suche nach den Spurenseiner jüdischen Familie. Jetztkam er ein weiteres Mal. mit ei·ner ganzen Gruppe seiner Ver­wandten, und kpnnte ihnen aufdem alten jüdischen Friedhof ander Heideckstraße den Grabsteinvon Hertz Levi (gestorben 1774)präsentieren. Beim ersten Besuch1997 war die Suche auf den heb­räisch beschrifteten Grabsteinennoch nicht erfolgreich gewesen.

Der Stein des Hertz Levi. derVorsteher der jüdischen Gemein­de in Krefeld war. ist der zweitäl­teste von den überhaupt lesbarenGrabmalen auf dem KrefelderFriedhof. Hertz Levi hatte einenBruder, Salomon. und di ser wie­derum ist einer der Ur-Ur-Ur-Ur­großvater von Arie van Vlijmen.

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Merländer-Brief7/2002

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TERMINE

Dienstag, 8. Oktober 2002,19.30 Uhr, Villa MertänderProf. Frank Stern Stern, Dann bin Ichum den Schlaf gebracht. Ein Jahr­tausend jüdisch-deutsche Kulturge­schichte, Vortrag mit GesprächVe anstal er: S- Ooku enta 'ons­stelle und Villa Merfänder e.v.Sonntag, 24. Oktober 2002,14 Uhr bis 17 Uhr, Villa MerländerSonntagsöffnungszeit mitPräsentation der Campendonk-Wand­bilderMittwoch, 6. November 2002,18.00 Uhr, Wiedstr. 17bMichael Gilad, Jüdische Begegnun­gen - Besuch der SynagogeVeranstalter: VHSSonntag. 10. November 2002,12 Uhr, Villa erfänderAusstellungseräffnung "Die Ems­landlager", Vortrag von Kurt Buc ,Leiter des Dokumentations- undInformationszentrums Emslandlagerin Papenburg(Ausstellungsdauer 10.11. bis 8. 12.2002)14 bis 17 Uhr, zusätzlicheSonntagsöffnungszeitDienstag, 12. November 2002,20 Uhr Volkshochschuleo . Ingrid Schupetta, Die alteSynagoge in Krefeld, Vortrag mitOverhead-Proje 'onenSonntag, 17. November 2002,17 Uhr, Villa MerländerRosemarie Schuder-Hirsch undWalter Nowojski, Berlin: In Memo·riam Rudolf Hirsch, Lesung undGesprächSonntag, 24. November 2002,14 Uhr bis 17 Uhr, Villa MerländerSonntagsöffnungszeit mitPräsentation derCampendonk-Wand­bilderMontag, 16. Dezember 2002,19.00 Uhr Großer Rheinsaal in Köln­Deutz, Zentrale Veranstaltung inKöln: Abgemeldet auf unbestimmteZeilnachAuschwitz-Birkenau - zur Erinnerungan die Verfolgung der Roma undSinti

Donnerstag, 19. Dezember 2002,20.00 Uhr. VHSGünter Semmler. Von der Zerstörungder Demokratie - Politische Plakategegen die Weimarer Republi

Sonntag, 22. Dezember 2002,14 Uhr bis 17 Uhr, Villa MerländerSonntagsöffnungszeit mitPräsentation derCampendonk-Wand­bilder

Donnerstag, 23. Januar 2003,20.00 Uhr, VHSGünter Semmler, Kunst imNationalsozialimsus

Freitag, 24. Januar 2003,20.00 Uhr. VHSProf. Udo Seinbach, Kampf demTerror im Mi tieren Osten oder Busi­ness as usual?

\Vider das Vergessen

Mit viel Engagement beteiligten sichSchüler des Berufskollegs Ftchtenhainan dem Projekt .BÜndnis für Toleranzund Zivilcourage". Das Ergebnis dereinjährigen Un errichtsreihe gegenRechtsextremismus und Ausländerhasskonnte gestem auf dem Schulcampuspräsen 'ert werden. Das ~Mahnmal

wider das Vergessen· war nach einerKJassenfahrt nach Polen enstanden.bei der auch ein Besuch des ehema­ligen Konzentrationslagers Auschwilzauf dem Programm stand. SchulleiterDr. Hans-Joachim Kornblut dankte derStadt Krefeld, die das Schulprojekt mitetwa 4000 Euro unterstützte.

RP-Foto:R.Brass

Rheinische Post. Krefeld • 16.7. 2002

Das VHS-Programm findet sichauch unter www.krefeld.de.

die Veranstaltungen der Gesell­schaft für christlich-jüdische

Zusammenarbeit unterwww.gcjz-krefeld.de.


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