+ All Categories
Home > Documents > Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

Date post: 30-Dec-2016
Category:
Upload: bernhard
View: 219 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
19

Click here to load reader

Transcript
Page 1: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

Die Anfange des

Heiligen Jahres

von Santiago de

C p l " om ostea l m

Mittelalter

Bernhard Schimmelpfennig

Since the time of General Franco the cult of the Apostle James has served to buttress the Spanish government. The Holy Years regularly held in Santiago de Compostela are the most important manifestations of this. According to Spanish tra- dition, this Holy Year was founded by Pope Calixtus H in the twelfth century. In what follows the author seeks to show that the tradition is based on a forgery originating in about 1500 and reflecting changes in the cult of St James during the fifteenth century. Furthermore, his research demon- strates clearbj what changes in pilgrim life occurred as Rome became the most important pilgrim centre, and the obtaining of indulgences the pilgrims' principal motive.

Seit dem Regime General Francos dient der Kult des Apostels Jakobus zur Stabii~isierung der Herrschaft in Spanien. Wichtigste Anldsse sind die in Santiago de Compostela regelmiiflig gefeierten Heiligen Jahre.

Nach spanischer Tradition wurden die Heiligen Jahre ira 1..9. Jahrhundert von Papst Kalixt IL gestiftet. In der vorliegenden Studie versucht der Autor zu zeigen, daft diese Tradition auf einer Fdlschung basiert, die um 1500 entstand und die Vertinderungen im Santiagokult wi~krend des 15. Jahrhunderts widerspiegelt. Dutch die Unter- suchung wird auflerdem deutlich, welche Veriinde- mngen das Pilgerwesen dadurch erfuhr, daft Rom das wichtigste Pilgerzentrum und die Erlangung von Abliissen das Hauptmotiv fiir die Pilger wurden.

Vor nicht allzu langer Zeit hat sich dev relativ serene Fall ergeben, dab unmittelbar aufeinanderfolgend - erst in Rom (Weih- nachten 1974 bis Weihnachten 1975), dann in Santiago de Compostela (1. Januar bis 3 l. Dezember 1975) - Heilige Jahre gefeiert worden sind. Und hatte schon Papst Paul VI. intensiv politische Faktoren und Ereig- nisse in seine Deutung des r6mischen Heilige~z Jahres einbezogen, ~ so zeigte sich der enge Zusammenhang wm Glaube und Politik noO~ deutlicher in Santiago: am Fest des Apostels Jakobus des ,~lteren (25. Juli 1976), dem H6hepunkt des T,'~eiligen Jahres, besuchte K6nig Juan Carlos das vermeint!icbe Grab des Apo,,tels. W~ihrend der Festmesse wies ihn der Erzbischof von Santiago auf die zu Beginn des Jubeljahres erhobene Forderung nach einer Amnestie hin; ffinf Tage sp~iter verktindete der K6nig die vielbeachtete und zum Tell auch kritisierte Teilamnestie. Und am Apostelgrab selbst stellte er sich, seine Familie, die Armee und das gesamte spani- sche Staatsvolk unter den Patronat des heili- gen.]akobus (Ya 1976:3t".). Ebenso wie sein Vorg~nger Franco, der den sogenannten 'Kret~zzug gegen den Materialismus ~ unter der t'rotektion des Apostels geftihrt zu haben glaubte und denJakobuskult ftir seine Zwecke

Journal of Medieval Histe, ry 4 (1978):285-303. © North-Holland Publishing Company 285

Page 2: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

Abbildung !. Pergam~mtfassung des angeblichen Privilegs Alexander:~ III. Santiago de Compostela, Archivo del Cabiido, Bcl~tge zum Tumbo B. Ediert in Appendix Ia.

286

Page 3: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

restaurierte, 2 folgte der K6nig in seinen Handlungen bewul3t seinen mittelalterlichen Vorgangern.

Der noch heute in Santiago propagierten =','adition gemal3 (Afio Jubilar 1971; Fer- : ~ldez Alonso 1965:373) soll das dortige ] !eiligeJahr von Kalixt II. (1119-24) begrfin- le t worden sein. Die Berufung auf diesen ~'apst ist nieht verwunderlieh, denn schon ~eit der Mitte des 12. Jahrhunderts wurden i hm, wie der sogenannte Codex" Cal&tinus -:eigt (Hfimel 1950), fiber seine tatsaehlich ausgestellten Privilegien hinaus zahlreiche Wohltaten zugunsten der Jakobskirehe zu- gesehrieben. Jedoeh ist kein Te ~t des Pap. stes, in dem er Santiago eine~t vollkommenen Ablal3 oder gar die Durchffitrung eines Heiligen Jahres bewilligte, erh,dten. Viel- mehr basiert die moderne spani~ehe Tradi- tion auf dem angeblieh von Alexander III. am 25. Juni 1179 ausgestellten P':ivileg Regis eterni, das die vermeintliehe Bewilligung Kalixts II. best~itigte (L6pez Fer~'eiro 1901: 138-41, Ap. 54; unten Appendix Ia). Die- sere Text zufolge soll das HeiligeJahr immer dann gefeiert werden, wenn das ,]akobsfest vom 25. Juli auf einen Sonntag fallt; das ware durchschnittlieh vierzehnmal im Jahr- hundert (P6rez Milhln 1948, 1970). K6nnte diese Tradition historiseh begrtindet werden, so ware das spanisehe Heilige Jahr fast zwei Jahrhunderte alter als das r6misehe.

Zweifel an der Eehtheit des angeblieh von Alexander III. ausgestellten Privilegs sind seit Beginn dieses jahrhunderts vereinzelt ge~iul]ert (L6pez Ferreiro 1901 : 328-30; V~iz- quez de Parga et al. 1948:151), aber nieht genauer begrfindet worden. Ieh m6chte daher im folgenden darlegen, (I.) in weleher Zeit und (II.) aus ,~elehen Motiven heraus die Tradition vom spanischen Heiligen Jahr

und dami*: auch die angebliche Bulle Alex- anders III. entstanden sind. '3

L

])as in Form einer bulla maior abgefai3te Schriftstfick ist handschrifilich lediglich im Kapitelsarehiv yon Santiago tiberlicfert (Ab- bildung 1-3; Appendix Ia), allerdings in zwei Exemplaren, die auf Grund ihrer Schrift erst aus der Zeit um 1500 stammen dfirften. Die Ausstattung der prfi.chtigeren, auf Pergament geschriebenen Kopie ent- spricht der von Privilegien spaniseher K6nige aus dieser Zeit. DaB der Text lediglich in derart spaten Kopien fiberliefert ist, besagt nattirlich noch nichts fiber sein Alter. Wir mfissen also andere Kriterien finden, tam ihn datieren zu k6nnen.

Schon einige formale Kriterien lassen ver- muten, dab der Text nicht yon Alexander III. stammt: die vielieicht erst nach Ent- stehung des Textes hinzugeffigte Formel Ad perpetuam rei memoriam - sie steht in beiden Versionen vor dem Papstnamen - wurde yon Alexander III. noch nicht verwendet. Daftir fehlt die sonst unter diesem Papst fibliche Nennung des Adressaten. Beide Symptome deuten auf das 15. Jahrhuadert als Entste- hungszeit des Textes, denn erst seit Urban VI. war die Formel Adperpetuam rei memoriam und das Fehlen der Inskription an der Kurie tiblich (Bresslau 1912:83). Die P6nformel Nulli ergo.., weist ebenfalls auf eine spate Entstehungszeit hin, denn unter Alexander III. begann sie gew6hnlich mit Decernimus ergo. Es hat den Anschein, als h~itte der Autor die in Regis eterni enthahene Version der P6nformel aus verschiedenen Vorlagen kom- biniert, von denen Beispiele in Mignes Saturn- lung enthalten sind, wie etwa die beiden

287

Page 4: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

'~bbildun~ 2. Erster Tell der Papierfassung des angeblichen Privilegs Alexanders III . Santiago de (3ompostela, ~r~ bivo tl~.] C'abildo, l~-i!age z lm Tumbo B. Edicrt in Appendix Ia.

Page 5: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

Teile Nulliergo...presumpserit (MPL 200:1297f.) und reum se...subiaceat (MPL 200:1238-40). Im zuletzt genannten Text findet sich auch eine'Entsprechung zu der in der F/ilschung enthaltenen Formel Cunctis autem...invenianl.

Amen..4Jmlich zusammengesetzt und zum Teil falsch sind die Lisle der unterschreiben- den Kardin/ile und die Datierung. Paulus Scolari wurde erst ab 1181 als Kardinalbi- schc f yon Palestrina genannt (Brixius 1912 :

i%¸¸! .W"

N,~-,.~.

, /

P

° 5 '

Abbildun~ 3. Zwelter Tell der Papierfassung des angebllchen Privilegs Alexanders I I I. Santiago dc Compostela, Archivo del Cabildo, Beilag(: zum Tumbo B. Ediert in Appendix Ia.

289

Page 6: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

65), der Kardinalpriester von Santa Croce hieB nicht Andreas, sondern Arduin (Brixius 1912 : 60), Laborans wa:r frtihestens ab Se W tember 1179 Kardinalpriester (Br:~xius 1912: 63 f.), der Kardinaldiakon von SS. Cosma e Damiano hieB Gratian (MPL 200:1240, 1310), ein lacobus war erst 1181 Kardinal- diakon, jedoch von S. Maria in Cosmedin (MPL 200:1310, 1315). Die Datierung weist - abgesehen vom Inkamationsjahr - aufd ieJahre 1178 (19. Pontifikatsjahr) oder 1181 (Indiktion). Auf das zuletzt genannte

Jahr deuten auch die Bezeichnungen der Kardin~ile Paulus und Laborans und Viterbo als Aufenthaltsort des Papste:;, der dort fiir j u n i bis August '~.o~'°' bezeugt ist ~.~t~Dr 2(}0:1310-6). Der in der Datierung genannte Subdiakon Auferius oder Austerius ist nicht nachzuweisen; gew6hnlich datierte der Kanz- ler Albert (zum Beispiel MPL 200:1241, 1243, I.'46; L6pez Ferreiro 1901:134, Ap. 52). Vielleicht ist der Name des Subdiakons versehrieben aus Daiferius, der als Subdiakon am 14. 4. 1180 eine Bulle Alexanders III. in Velletri datiert hat (Pflugk-Harttung 1881: 275). Damit nicht genug. Im Zentrum der Rota steht nur der Papstname, w~ihrend papa 11I unten in der Umschrift zugefiigt ist. Diese Aufteilung ist bei anderen Bullen des Papstes nicht zu beobachten, ebemo wie die in der Rota enthaltene Devise Custodi me von dem Wortlaut der gewShnlichen Devise Vias tuas abweicht (Katterbach und Peitz ]924: Abb. 45 A~ 46, 48-50 A, 51). Aber auch aus dem Inhalt des Textes geht hervor, dab er erst nach dem ersten r6mischen Jubeljahr yon 1300 verfaBt worden sein kann, denn der angebliche Alexander verlieh Santiago AblaB und Jubil~um ausdriicidich eisdem modo et ]orraa, qua romana ecclesia habet. ~

Die Vorlagen der FMschung sind nicht

vSllig genau zu bestimmen. Unter den drei bisher aus dem Tumbo B edierten Bullen Alexanders III. (L6pez Ferreiro 1901: 125-38, Ap. 51-3) befindet sich auch eine bulla major vom 20. 3. 1178 (L6pez Ferreiro 1901: 126-34, Ap. 52; Jafffi und LSwenfeld 1888 :-). Doch entspricht ihr Formular nicht dem der F~ilschung, ebenso kSnnen die P,.ota, die Liste der Untersehriften und die Datums- zeile dem F~lscher nicht als Vorbild gedient haben. Die eblzige t3bereinstimmung zwi- schen beiden 3 exten besteht darin, dab sich der Papst auch im Text von 1178 auf Bullen Eugens III. ~.~ :t Anastasius' IV. beruft, die gleichfalls im 7~ :mb~: 2J' fiberliefert sind (L6pez Ferreiro !90! ":~')-~ 1, Ap. !4, und 60-4, Ap. 22; JaffE und L:'~,,cr~feld 1888:-, vergleiehe dort jedoch Nr. 9859 vom 8. 4. 1154). Seine Bulle von 1178 hat Alexander IIL drei Jahre sp~iter best~itigt. Diese Bestiitigungsbulle (L6- pez Ferreiro 1901:328; Jaffd und L6wenfeld 1888:14403) wurde in Viterbo datiert und weist die gleichen Untevschriften - j e d o c h mit richtiger Nennung der Kardin~ile - und das gleiche Datum (25. Juni) auf wie die F~ilschung. AuBerdem c nth~ilt sie wie die F~lschung in der Rota die Devise Custodi me. Daher diirfte sie dem F.~;dscher ais Vorlage gedient haben. Die ffir ,~ as 12. Jahrhundert noch nicht typischen Tei~e des Formulars hat dann der F~lscher wt, hl aus Papstbullen vornehmlich des 15. Jahrhunderts und aus Bullen zu den rSmischen Heiligen Jahren (Extrav. Comm. 5.g. 1,2,4.) tibernommen.

Abgesehen von dem angeblichen Privileg Ab xanders III. existiert nur ein schriftliches Ze~gnis, das scheinbar die Existenz eines Jubeljahrs in Santiago ftir das 12. Jahrhun- dert bezeugt: In der Chronik Alfons' VII. hat deren Autor den Regierungsbeginn seines Helden im Jahre 1126 mit verschiedenen

2~J

Page 7: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

Angaben datiert, unter anderem mit dem Vermerk beato iubilez anni tempore (S~mchez Belda 1950:5; L6pez Ferreiro 1901:330). Dies soll der erste Hiaweis aufdas Jubeljahr von Santiago sein und dessen Existenz schon im 12. Jahrhundert beweisen (Fern~mdez Alonso 1965:373). Auff~llig ist jedoch, dab keine andere zeitgentissische Q uelle von diesem Jubil~ium berichtet, ~ selbst nicht die Historia Compostellana, deren Absicht die Lob- preisung Santiagos ist und die mehrere Be- richte zum Jahre 1126 enthMt (Fl6rez 1765" 432-45 ; L6pez Ferreiro 1901 : 121-39).

Aus diesem Schweigen anderer Chronisten ist meines Erachtens zu folgern, dab das iubileum -falls es sich tiberhaupt auf Santiago bezieht - keine grol]e Publizit~it besessen und wohl dem damaligen Verst~indnis yon Jubi- l~ien entsprochen hat. Dem Alten Testament (Lv 25:8-17, Nm 36:4) folgend, verstand man zu jener Zeit unter iubileum fiinfzigj~ih- rige Zyklen o d e r - durch Verkntipfung mit der Kreuzzugsideologie - besonders heils- tr~ichtige Zeitr~ume (Frugoni 1950: 2ft. ; Foreville 1961; Lambert 1950; Grundmann 1954; Schmugge 1977:142). Bekannt ist vor allem die Feier der Translation der Gebeine des Thomas Becket als iubileum 1220, fiinfzig Jahre nach dessen Ermordung (Foreville 1958; Frugoni 1970). Auf Santiago tiber- tragen, k6nnte die Jubi!5.umslehre andeuten, dab das dortige iubileurt 1126 der Kathedrale gegolten hat, deren Neubau ca. 1075/76 begonnen worden war. Es soll aueh nicht verschwiegen werden, dab 1126 - wie in den sp~teren Jubel.jahren - das Jakobsfest auf einen Sonntag fiel. Es k6nnte demnach, falls sich das iubileum tiberhaupt auf Santiago bezog, schon ~m 12. Jahrhundert das Jakobs- fest in Jahren, in denen es auf einen Sonntag fiel, feierlicher als sonst begangen worden

sein. Bis zum fr/ihen 15. Jahvh~andert wird allerdings kein iubileum mehr f~ir Santiago genannt. Zwar pilgerte zum Beispiel K6nig Ferdinand II. von Le6n 1182, als wiederum das Jakobsfest auf einen Sonntag fiel, nach Santiago und stellte der Kathedrale ein Privileg aus (L6pez Ferreiro 1901:154f., Ap. 57). I)och sprach er dabei nicht von einem iubileum, sondern lediglich yon mea peregrinatio ad apostolum beatum Iacobum. Das Jubeljahr yon 1126 war also wohl nur ein singul~ires Ereignis. Und auf keinen Fall d~rfte es damals, wie seit dem 15. Jahrhundert tiblich, m6glich gewesen sein, einen vollkommenen AblaB zu erwerben, denn ein vollkommener Ablaf~ war zu jener Zeit ausschlief31ich den Kreuzfahrern ins Heilige Land vorbehalten. Die ven P~ipsten einzelnen Kirchen konze- dierten Abl~isse betrugen gew6hnlich eine Q uadragene oder ein Jahr und eine Quad.! ragene (Paulus 1922; H6dl 1977). Daher kann die Nachricht zu 1126 nicht als Beweis ftir die Existenz eines Jubeljahres der Art angesehen weJ'den, wie sic das angebliche Privileg Alexanders III. definiert.

Daf~ Santiago bis zum Ende des 14. Jahr- hunderts keinenJubil~iumsabal3 besessen hat, der Text demnach erst im 15. Jahrhundert entstanden sein kann, geht auch aus den folgenden Angaben hervor: um 1250 stellte eine Di6zesansynode in Santiago alle an der Kathedrale zu gewinnenden Abl~sse zusam- men; den Jubil~iur~;~ablal3 nannte sic nicht (L6pez Ferreiro 19,02:73f., Ap. 28. 13). Das vermeintliche Privileg Alexanders III. weii3t selbst, wie schor~,, erwMmt, aufd,e Entstehung nach dem ersten r6mischen Julbeljahr yon 1300 hn , denn Ablal3 urd Ju~ilkum werden Santiago ausdrticklich in derselben Weie und Form verliehen, wie sic die r6mische Kirche besitze. Kein Wunder, dab der

291

Page 8: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

sogenannte Tumbo B - eine 1326 in Santiago begonnene Sammlung yon k6niglichen und papstlichen Privilegien (L6pez Ferreiro 1903: 73f., Ap. 16) - den Text nicht enth~ilt. Und noch in der Mitte des 14. jahrhunderts scheint man auch in Spaniee nichts yon einem Jubelablag in Santiago gewugt zu haben. Anlaglich des zweiten r6mischen I-Ieiligen Jahres von 1350 bat namlich der K6nig w)n Kastilien, zu dessen Machtbereich Santiago geh6rte, Papst Clemens VI., seinen Untertanen die Gewinnung des r6mischen Ablasse,; in Kastilien selbst ohne die Not- wendigkeit zu gestatten, nach Rom pilgern zu rnt:.~sen (Vincke 1954:251). Diese Bitte w~re wohl unn6tig gewesen, wenn es schon den Jubi!~umsab!~_13 in Santiago gegeben h~i.tte, denn 1350 fiel das Jakobsfest auf einen Sonntag; es h~itte demzufolge in Santiago der gleiche Ablafl wie in Rom gewonnen werden k/Snnen.

Doch schon in den n~ichsten fiinfzigJahren begann sich - wenn auch ohne p~ipstliche Bestatigung - die Tradition herauszubilden, die schlieBlich zur gef~ilschten Bulle Alex- anders III. fiihrte. Den ersten Hinweis dar- avf, dab ein derartiger Anspruch in Santiago schon bestand, bietet eine Anordntmg Boni- faz' IX. vom 22. Dezember 1402, die alle dem J'6mischen Jubil~iumsablaB gleiehcn Indul- genzen aufhob; dabei nannte der Papst auch Santiago (Paulus 1922:325).

Die Spezifizierung - Heiliges Jahr immer dann, wenn dasJakobsfest aufeinen Sonntag f~illt - scheint in einem der n~ichsten Jahr- zehnte, vielleicht zwisehen 1423 und 1428, aufgek~,mmen zu sein. W~ihrend n/imlich im erstge~annten Jahr, obwobl in ihm das Jakob.ffest aufeinen Sonntag fiel, nur sechzig Pilger aL~f einem Schiff mit Erlaubnis des englisehen K6nigs naeh Santiago fahren

durften, waren es 1428, als wieder das Jakobsfest auf einen Sonntag fiel, 916 Pilger auf dreizehn Schiffen. Fortan war die Zahl der englischen Pilger in normalen Jahren ziemlich gering, wogegen sie in den Jahren, in denen das Jakobsfest an einem Sonntag gefeiert wurde, rapide zunahm - 1434: 3110 Pilger, 1445:2100 Pilger, 1451:594 Pilger, 1456:871 Pilger - (vergleiche Appendix II). Auch diese anfangs enorm ansteigenden, dann wieder zuriJckgehenden Zahlen deuten daraufhin, dab die Attraktion, die durch ein Propagieren des Jub~l~iums kurz nach seiner Entstebung naturgem~il3 am st~trksten war, um 1425 eingesetzt haben mul3. Diese zu Beginn vor allem wohl lokale Propaganda wurde bald auch von staatlicher Seite iiber- nommen, denn 1434 bezeichneteJuan II. als erster kastilischer K6nig die Zeit vom 1. Jarmar bis zum 31. Dezember als presens annus iubileus (L6pez Ferreiro 1904:153ff. und 56--8, Ap. 15). Ebenso wurden die dem entspreehenden Jahre 1445, 1456 und 1462 als 'Indulgenzjahre' tituliert. 6

Wohl zur Legitimierung des Anspruches, so h/iufig ein Jubeljahr feiern zu diirfen, kam Mitte des 15. Jahrhunderts in Santiago die Legende auf, ein Papst h~itte den Jubil~ums- ablaB verliehen. Als erste berichten hiervon der 1456 nach Santiago gepilgerte englische Geistliche William Wey (Paulus 1923 : 285 ; VCtzquez de Parga et at. 1949:132) und die ungef~ihr zur gleichen Zeit verfafSte Com- pilaci6n de lo~ milagros de Santiago des Diego Rodriguez de Almela (Torves Fontes 1946: 15f., 34). Getreu der jahrhundertealten Hochsch~itzung Kalixts II. in Santiago nann- ten beide Autoren diesen Papst als Urheber des Ablasses. Vielleicht wurde schon 1456 das angebliche Privileg Kalixts II. den Pil- gern in Santiago als historische Tatsache

292

Page 9: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

mitgeteilt. Fiir diese Annahme spricht, dab der Bericht William Weys fiber die Indulgen- zen w6rtlieh einem Heiltumsbrief entspricht, der ungefiihr vierzigJahre spAtergedruckt und an die Pilger verkauft worden ist (V~izquez de Parga et al. 1949: Tafel XVII , aus dem Ar- chiv von Simaneas; H~ibler 1899:74f.). Ieh nehme daher an, dab dieser Text, wie es auch bei anderen Wallfahrtskirchen geschah, schon 1456 an den Domtfiren in Santiago angeschlagen und dort von Wey kopiert worden war. In beiden Versionen des Textes soll das vermeintliehe Privileg Ka!ixts II. yon dessen Nachfolgern - n~imlieh von Innozenz II. und einem Papst Leo, mit dem vielleieht der Pierleoni-Papst Anaklet II . gemeint war - bekrfiftigt worden sein. Alexander I ! I . wurde nieht genannt. Auf wie unsicheren Ffigen die p~ipstliche Privilegierung jedoch stand, ist daraus ersichtlich, dab in dem angeblichev, Privileg dieses Papstes - getreu den schon oben genannten Vorlagen yon 1178 und !181 (L6pez Ferreiro 1901:328 und 126-34, Ap. 52) - statt lnnozenz II. und Leo Eugen i II. und Anastasius IV. genannt sindJ Natfi,rich existiert keine einzige dieser Best~itigungen. Diese divergierende Aufz~ih- lung spricht vielmehr daffir, dab 1456 und wohl noch um 1490/95 die angeblicil von Alexander ~II. ausgestellte Bulle noch nicht existierte, weil man sie dann wohl vorgezeigt oder wenig~tens in den Indulgenzlisten be- kanntgema~.ht h~itte.

AI~ Entstehungszeit dieser Bulle l~iBt sich auf Grund der schon angef~hrten pal~iogra- phischen und formalen Kriterien und der genannten Daten und Fak~en die Zeit um 1500 annehmen. Warum ju~st Alexander I I I . als Aussteller firmiert, ist nicht eindeutig zu kl~iren. Immerhin ist zu elw~igen, ob nicht ein regierender Papst - in diesem Fail also

der Spanier Alexander VI., unter dem 1500 in Rom ein Heiliges Jahr gefeiert worden war - zur Nennung seines gleichnamigen Vorg~ingers, wenn auch unwissentlich, an- geregt hat. Vielleicht aber auch wAhlte der F~ilsche." aus 'technischen' Grtinden Alex- ander J:II., denn yon diesem Papst standen ihm - aie ieh schon ausffihrte - besonders viele Urkunden des 12. Jahrhunderts, zum Tell so! ar mit Zeugenlisten, im Tumbo B der Kathec "ale als Vorlagen zur Verffigung. Wie sehr dem F~ilscher daran gelegen war, den Eindruck der Eehtheit zu erwecken, lfil3t sich daran evkennen, dab der auf Papier geschrie- benen, einfacheren Kopie ein - bisher unedier er - Transsumptvermerk beigegeben ist (Ab~,ildung 4; Appendix Ib). In diesem wird sl~ggeriert, dab die Kopie imJahre 1316 (era AfCCCLIIII) nach dem noch mit der Bulle versehenen Original dt, rch zwei verei- digte Notare hergestellt worden sei. Nach diesem angeblichen Transsumpt wurde wenig sp~iter die noch erhaltene Pergamentfassung hergestellt.

In Rorr. selbst blieb die vermeintliche Privilegierung durch P~ipste vorerst unbe- kannt. 1483 erw~ihnte Sixtus IV. in einer fiir Santiago ausgestellten Bulle das "Jahr, in dem das Jakebsfest auf einen Sonntag f~illt"; 1530 nannte Clemens VII. das folgende Jahr ein annus iubilei in Santiago (Ldpez Ferreiro 1905:3-5, Ap. 1, und 59-63, Ap. 15). Doch keiner von beiden beriefsich aufeinen Papst als Urheber des Jubil~iumsablasses. Wir k6n- hen demnach festhalten, daf~ w~ihrend des Mittelalters kein Papst das spanische Heilige Jahr begrfindet oder auch nur anerkannt hat. Dies hinderte jedoeh Jahrhunderte sp~iter Leo XIII . nicht, in einer Bulle vom 1. November 1884 auger der Echtheit der angeblich 1879 wiedergefundenen Gebeine

293

Page 10: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

Abbildung 4. Angeblicher Transsumptvermerk fiir die Papierfassung des angeblichen Privilegs Alexanders III. .Santiago de Compostela, Archivo del Cabildo, Beilage zum Tumbo B. Ediert in Appendix lb.

ties Apostels Jakobus auch die Authentizit~it des atff seinen Vorg/inger Alexander III. gef~tlschten Privilegs zu bestg.tigen (Fermin- dez Alor.so 1965:373f.) und damit indirekt dem HeEigen Jahr yon Santiago ein h6heres Alter als dem yon Rom zuzugestehen. Dage- gen sprach Paul VI. 1976, wenn auch in vorsichtiger £ormulienmg, Rom die histo- rische Priorit/it zu (Acta Apostolicae Sedis 1976: 507f.[.

/ / .

Um die Metive zu erkennen, die zur Ent- stehung des Heiligen Jahres yon Santiago f/Jhrten, miissen analoge Entwicklungen bei anderen Pilgerzentren und der dadurch auf

Santiago ausgeiibte 'Konkurrenzdruck', au- Berdem aber auch politische und sozial- historischc Ereignisse beriicksichtigt werden.

Im 12. und 13. Jahrhundert war Santiago neben Rom und Jerusalem der gr6Bte An- ziehungspunkt ftir Pilger gewesen (Hiiffer 1957; Hell und Hell 1964; Secret 1957; Bottineau 1964; Bibliographic yon Guerra Campos 1971). Der Inquisitor Bernard Gui bezeichnete die Wallfahrt zu diesen drei St/itten als peregrinationes maiores (Douais 1886:94-8). Als nach den Erfolgen der Mohammedaner im 13. ,Iahrhundert Jerusa- lem als Ziel yon Mass~.nwallfahrten ausge- schieden war, h~itte sigh die Attraktion San- tiagos noch verst~irken massen. Doch bewirk- ten mehrere Faktoren das Gegenteil: schon

294

Page 11: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

im Laufe des 13. Jahrhunderts war mit der Zunahme der Straf- und Berufspilger die Wallfahrt nach Santiago durch die Ubergriffe der "Wallfahrer" immer mehr in Verruf geraten (Valifia Sampedro i971:82-9). In- folge sozialer und ethnischer Konfl, kte hatten die Nichtspanier, die in den Orten am camino francds siedelten und mehr als die Spanier selbst von den ausl~indisch~ n Pilgern profitierten (Gibert 1958; Garcfa R~bes 1920; Lacarra 1953; Ramos y Loscert~'ies 1947; Irureta Lusarrete 1959), an Ans hen und Erwerbsm6glichkeiten EinbuBen erlitten (Doussinaque 1945, zu Pamplom). Damit war zugleich die regelnaSBige Versorgung der Pilger in Frage geste!lt. Aul3erdem wurde der Norden Spaniens immer mehr zur Peri- pherie des Landes, weil sp~itestens seit Fer- dinand II I . (1217-52) die Herrschaftszentren nach Stiden verlagert und somit die bisheri- gen Residenzstadte am ('amino de Santiago, Le6n und Burgos, unwichtiger geworden waren. Demzufolge besagen die Regionen, durch die der Camino verlief, f/_ir das K6nig- turn und das K6nigreich Le6n-Kastilien nicht mehr die politische and 6konomische Bedeutung wie im 12. Jahrhundert. Hinzu kamen Einwirkungen yon augen, vor allem die seit dem Ende des 13. Jahrhunderts verst/irkt spiirbaren Kenflikte zwischen Eng- land und Frankreieh, die schlief~lich im HundertjMMgen Krieg gipfelten und gerade auch in Mittel- und Stidfrankreich - d e n Durchzugsgebieten der meisten Pilger - die Stragen unsicher maehteL. Und infolge des Kriegcs begannen seit der Mitte des 14. Jahrhunderts Versuche des englischen K6- nigs, die Ausreise der Untertanen zu erschwe- ren, um somit Kontakte mit dem Feind und die Ausfuhr von Waffen zu verhindern; daher wurden auch die englischen Santia go-

Pilger behindert (Appendix II) . Sp~iter tibernahmen die Herrscher an zlerer L~inder derartige Eingriffe des Staates in die Frei- ztigigkeit der Pilger (Valifia Sampedro 1971 : 78-80, Mieck 1977: 307ff.).

Ebenso folgenreich waren ~VVandlungen in der religi6sen Mentalit~it der Pilger. W/ih- rend his in die Mitte des 13. Jat,rhunderts die Wallfahrer vor allem daraufbedacht gewesen waren, die Reliquien eines Heiligen zu verehren und seinen Schutz zu erflehen, r/.ickte seit dem sp~iten 13. Jahrhundert der Erwerb yon Ablassen immer deutlicher in den Vordergrund. Dieser Wandel war vor allem wohl durch die den bewaflheten Pil- gem - den Kreuzfahrern - verheif~enen AblS, sse und durch die seit dem 4. Late- rankonzil (1215) gesteigerte Bedeutung des Beichtsakramentes und der damit verbun- denen Lehre vom Fegefeuer bewirkt wor- den. 8 In Santiago hatte man diesen Wandel bald bemerkt und schon um 1250 alle In- dulgenzen zusammengestellt, die ein Pilger dort erlangen konnte (Ldpez Ferreiro 1902: 73f., Ap. 28. 13). Doch we,an auch die damals notierten Abl/isse ftir jene Zeit r(- :ht beachtlich waren, so wurde Santiago ein Lal- bes Jahrhundert sp~iter von Rom i~berflfigelt" mit der Verktindung des angeLlich auf alt,:r Tradition beruhenden, in ~ivklichkeit je- doch ersten Heiligen Jahres, in dem jeder Rompilg r unter bestimmten Be dingungen einen vol:kolnmenen Ablal3 gewi~,,nen konn- te, hatte Bonifaz VIII . 1300 Rom zum wichtigsl a Pilgerzentrum gemac;lt (Extrav. Comm. 5. 9. 1; Frugoni 1950). Damit steigerte er nicht nur das Ansehen des ia Rom residierenden Papstes - ftir ihn selbst das wichtigste Motiv 9 - sondern er verha~f auch den r6mischen Hauptkirchcn, St. Peter und St. Paul, und der Bev61kerung generell zu

295

Page 12: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

besseren Einkiinften (Frugoni 1950: 89ff. und I I2ff.) DaB Bonifaz dadurch auch bewugt die Bedeutung der anderen Pilgerzentren zrJm Vorteile Roms mindern wollte, geht aus einer Konsistofialrede hervor, in der er alle Gel i ibde- darunter auch das nach Santiago zu pilgern - fiir die Dauer des Heiligen Jahres aufhob; lediglich Ordens- und Kreuz- zugsgeliibde waren :tusgenommen. 1°

In Erinuerung a~, die 1300 erzielten Ein- nahmen waren die R / i m e r - Kleriker wie Laien - daran interessiert, dab bald wieder ein Heiliges Jahr, entgegen der Weisung Bonifaz' VIII. , ausgerufen werde. Dies war ffir sie um so n6tiger, weil sich seit Beginn des 14. Jahrbunderts die p~ipstliche Kurie - d e r . . . . . . . . . . . . . . ~, . . . . . . be.tgeb,., der Stadt - nieht rnehr in Rom anfhielt. Daher bat eine Gesandtsehaft, die Ende 1342 zur Huldigung des neuen Papstes Clemens VI. nach Avig- non gereist war, nicht nvr um die Riickkehr der Kurie nach Rom, sondern auch um die Verkiindung eines newn Heiligen Jahres (Burdach 1929: 470ff. ; Schr6der 1937 : 174, 228). Wahrend der Papst wegen der in- stabilen Lage ir. Italien den ersten Wunsch nicht erftillen w~llte, ginger aufden zweiten bereitwillig ein and rief am 27. Januar 1343 ffir 1350 das zweite Heilige Jahr aus. x~

Dieses Jahr zeitigte Folgen, die fiir die anderen Pilgerzentren - damit auch ftir Santiago - y o n Bedeutung waren: die F~ilschung yon ~ndulgenzen und die Aus- weitung desJubt ]ablasses aufandere L~mder.

Von den nach Rom Pilgernden px ofitierten aufler den als Wirte, Handler oder Ffihrer tatigen R6mern vor allem die von Clemens VI. als obligal:orische Ziele deklarierten Patriarchalkirch en St..Peter, St. Paul und die Lateranbasilika. Die Attraktivitat dieser drei Basiliken versptirten die nicht irn Dekret von

1343 genannten Kirchen an der geringen Zahl ihrer eigenen Besucher. Nach dem sogenannten 'Turiner Katalog' yon etwa 1320 gab es in Rom 414 K16ster, Kirchen oder Kapellen mit 1803 Klerikern, M6nchen oder Nonnen (Huelsen 1927:26--43). Bei einer Gesamtbev61kerung von unget~ihr 12,000 bis 15,000 Einwohnern bedeutete dies, dab etwa 12 bis 15 Prczent der Bev61ke- rung zum Klerus geh6rten. Damit waren die Kirchen und ihre Angehtirigen viel zu zahlreieh, als dab sie allein yon den Spenden der R6mer und von den gew6hnlieh kfim- merliehen Grundstficksrenten h~itten leben k6nnen. Sie waren also aufPilger angewiesen. Um nun ebenfalls aus der durch das Heilige Jahr gesteigerten Anziehungskraft Roms Nutzen ziehen zu k6nnen, sehrieb sich jede der wichtigeren Kirchen (insgesamt 108) - unter ihnen auch die bisher schon bevcr- zugten Patriarchalkirchen - gemal3 einer u,m die Mitte des 14. Jahrhunderts entstandenen Liste mtiglichst viele Abl~isse zu, und zwar unabhangig von der Feier elnes Heiligen Jahres (Huelsen 1927:137-56): W~hrend eines eii~j~ihrigen Aufenthaltes in Rom h~itte ein Pilg+x fiber 300,000 Jahre Indulgenz und 13 vollkommene Ablasse gewinnen, dazu zwei Seelen aus dem Fegefeuer befr...ien k6nnen; aul3erdem war es m6glieh, ,~enn man St Paul, S Croce oder die Lateran- basilika einJahr lang an bestimmten Wochen- tagen besuchte, die gleiehen Abl'asse wie in Santiago oder Jerusalem zu gewinaen. Damit konnte sich der Pilger die mfihevolle Reise an die Peripherien der damaligen ehristlichen Welt ersparen; zugleich ging aus diesen Zuschreibungen hervor, dab 1,~om naeh dem eigenen Selbstverstandnis den ganzen christlichen orbis einschloB - dieser also mit der urbs identisch war 12 - und die

296

Page 13: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

anderen Pilgerzentren im Vergleich zu Rom als zweitrangig galten. Die Liste von Indul- genzen wurde schnell verbreitet (Huelsen 1927 :XXI-V; Schudt 1930:19ff., l17ff.). Sic pr~igte bis ins 16. Jahrhundert den Charakter der Romffihrer und diktierte den Pilgern ihr Tagespensum. Die Kr6nung des Ganzen war jedoch eine vermeintlich von Clemens VI. ausgestellte Bulle. In ihr schrieb der Papst angeblich den Besuch aller sieben Hauptkirchen Roms im Heiligen Jahr vor und bestMigte allen r6mischen Kirchen die indulgentie innumerabiles, prout nobis constat per authenticas scripturas doctorum et originalia earum approbata (Baluze und Mollat 1916 : 299-302; Burdach 1929:59-62). Dieses Privileg wurde schon im 14. Jahrhundert zusammen mit der Indulgenzliste oder allein verbreitet und f/Jr echt gehalten; daher prgtgte es immer st/irker die Auffassungen vom Heiligen Jahr, seit dem Ende des 15. Jahrhunderts sogar an der r6mischen Kurie (Paulus 1922 : 115-9).

Hatten sich somit die r6mischen Kirchen so gut wie m6glich ffir die Zukunft abgesi- chert, so sorgten die P~ipste ffir die eigene Kasse: nach anfS.nglichem Z6gern gestattete 1350 Clemens VI. einzelnen Ftirsten oder ganzen Bev61kerungsgruppen - ,,vie etwa den Einwohnern von Mallorca - in den Genufl des Jubil~iumsablasses zu gelangen, ohne selbst nach Rom pilgern zu mtissen. Vor- ausselzung fiir den Erhalt des Ablasses war neben der Beichte nur die Zahh:ng einer fixen Summe. Die Mallorquiner zum Beispiel mugten 30,000 Gulden aufbringen (Vincke 1954:251-5; Ddprez und Mollat 1960:Nr. 2045, 2272, 2373, 2375, 2685). Vol~ nun an war auch der Kurie der Weg in eine ertrag- reiche Zukunft gewiesen. Schon Bonifaz IX. gebrauchte 1390 die von seinem Vor- g~inger geschaffene M6glichkeit virtuos (Jan-

sen 1904:140-78; Heimpel :~ 932 : 51-60, 30:.-- 13 ; Favier 1966:1 .t.5, 506, 59 i -5; Esch 1969 : 55-9, 336-40) • noch virtuo'er als er taten es die yon ihm beauftragten Prediger und Kaufleute, die ihr eigenes Wohl nicht ver- ktimmern lassen wollten, i~lber die daraus resultierenden MiBst~inde urteilte spiiter der Chronist und Humanist Platina in seiner Vita Bonifaz' IX. (Platina 1568:277): In- dulgentiae vero et quidem plenariae ita passim vendebantur, ut Jam vilescerat clavium et litterarum apostolicarum auctoritas. Doch auch die P/ipste des 15. Jahrhunderts verhielten sich nicht anders (Pastor 1925:433-63, 1923:509-15, 1924:606-13; Paulus 1923:181-94; Las- lowski 1925; Paschini 1934). Die Heiligen Jahre geh6rten damals zu den eintrfiglichen Gesch/iften des Papsttums und der Stadt Rom. Es erstaunt daher auch nicht, dab die Fristen zwischen den Heiligen Jahren verrin- gert wurden: 1389 auf alle 33, 1468 auf alle 25Jahre (Extrav. Comm. 5.9.4) ; beim letzten Zeit 'aum ist es bis heute geb] eben. Hinzu kamen noch Heilige Jahre, d!e auBerhall) des norraalen Turnus aus b,~slimmten An- l~isse,1 ausgerufen wurden.

Das r6mische Vorbild regte ;,ndere Wall- fahrtsorte zur Nachahmung an, denn sie muf':en sonst um den lukradven Zustrom yon Pilgern bangen. So ging man um 1400 sogar im ablaBtr/ichtigen jerasalem daran, zusfttzlich Indulgenzen zu ertinden (Paulus 1922:305-12). Diese wurden m die "£tir der Grabeskirche angeschlagen, doch nicht yen allen Besuchern ftir wahr gehalten. So schrieb der Heidelberger Professor Johann yon Frankfurt 1427 nach seiner Riiekkehr aus dem Heiligen Land fiber die an der Grabes- kirche angeschlagene Indulgenzliste: utrum autem omnia vera sint, non audeo diffinire. ~a Martin V. muBte 1420 dem Erzbischof yon

297

Page 14: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

Canterbury Sanktionen androhen, w~ ~,1 dieser analog zu Ram ein alle fiinfzig Jahre zu feierndes Jubil~um mit vollkommenem Ab- iall ausgeschrieben hatte (Paulus 1923:187; Foreville 1958; Frugoni 1970). Andere Kirchen - wie St. Jean in Lyon, das Kloster Montmajour, die Kathedralen van Com- minges und Le Puy- - beanspruchten seit Beginn des 15. Jahrhunderts Jubil~en, wenn ihr Hauptfest mit einern bestimmten anderen Fest, etwa Fronleichnam, zusammenfiel (Pau- lus 1923:188; Foreville 1958:44; Cohen 1976: 204). Und so konnte und wollte auch Santiago nicht zt, riicks~:ehen.

Die anfangs skizzierte Entwicklung, die schlieBiich zum angeblichen Privileg Alex- anders III. f/ihrte, zeigt, dab Santiago die unterschiedlichen Tendenzea, die bei den r6mischen und auBerr6mischen Pilgerkirchen zu erkennen sind, zum eigenen Vorteil vereinigte: van den siJdfca~:~6sischen V¢all- fahrtsorten iibernahm es die Kombination zweier Fe~ttage (Feier des Jakobsfestes an einem Sonntag) - sofe!rn dies in Santiago

nicht schon auf das 12. Jahrhundert zurtick- ging - von Rom die angebliche Stiftung durch einen Papst. Die Zahlen der englischen Pilger zeigen, dal3 die mit den Fiilschungen verkniipften Hoffnungen anfz:ngs auch erfiillt wurden. Doch schon seit dem Anfang des 16. Jahrhanderts wandelte sich das Bild. Die Reformation, die Kriege zwischen Spanien und iFrankreich und Ausreisekontrollen sei- tens der absolutistischen Herrscher verhin- derten nebst anderen Faktoren einen weiter- gehei~den Erfolg der Falscher von Santiago. Erst unter dem Regime General Francos wurden die Heiligen Jahre durch sta~tliche Propaganda sehr gef6rdert und bewogen zehntausende yon Katholiken aus Europa und Amerika, nach Santiago zu pilgzrn (Mieck 1976, 1977). Und es bleibt abzu- warten, ob unter Francos Nachfolger mit dem Ubergang zu dem~kratischen Regie- rungspraktiken die kirchenpolitische und nationale Bedeutung Santiagos und damit auch der Heili[ en Jahre allmahlich wieder zuriickgeht.

Appencli L ..lngcblkhe l)rleihung des Jubilaumsablasses zugunsten van San!iago de Compostela (lurch Alexander IIL

a. "Iext des vermeintlichen l'rivilegs (15. 6. 1179)

Szm iago de Corr, postela, Archivo del Cabi ldo: Als n °. I °. gez/ihlte, auf Papier geschriebene Beilage zum Tumbo B !Bastarda, urn 1500) = A; auf Pergament geschriebene, pr/ichtigere Fassung, gleichfalls - aber unnummer ie r t - Beilage zum Tumbo B (Textualis, um 1500) = B. Z u m Schriftbild vgl. die Abbildungen. In der R a t a steht: Custadi me, domine, ut pupillar~7 occuli. .Sanctus Petrus. Sanctus Paulus. Alexander papa IIL Edition: L6pez Ferreiro i901 : 138-q-I, Ap. 54 (nach !i3).

in der lblgenden Edition s tammen Interpunkt ion und die Gliederung in Abs,itze y a m Herausgeber. Zu r Textkritik vgl. L6pez Ferreiro 1901 : 328-30 und oben, S. 287ff.

Ad perpetuam rei memor iam. Alexander episcopus ser~qus servorum dei.

Rcgis eterni, cuius manifestissima pietas tanta nobis ciivine gratie dana perfi.dit, ut ad vite superne glor iam vocandis mortalibus non solum prophe ta rum oracula ~: precedent ium pa t rum exempla par i ter et documenta prebuerunt , sed et ipsa verita.s eius - scilicet un!tgenitu' - d : summis celorum ad ima pro generls humani salute

298

Page 15: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

descendens, morta:itatis nostre earne assumpta, visibilis et c~rporalis apparere eoque nascente sanctorum numero, quos sua ~ustificaverat gratia, ampliare dignatus est. vices - licet immeriti - gerentes in terris ac pia ipsius o '~cia et actiones imitantes ad ilia euris vigilamus assidui, studiisque indet~ssis enitemur, p~r que nostrc operati~mis ministelio saere religionis in agro dominico superna dispensatione plantare, ut universis vigdantit, nostre rreditis talia favorabiliter concedamus, per que in presenti vita piis intenti operibus puris mcn t i b m altissim.) g ra tum reddere famula tum et per hoe ad eterne elarita~is sine fin~ visionem t~liciter valeant pel've nirc. Et pro I- ~.erea, que a romanis pontificibus predecessoribus nostris provide c,~ucessa fuerunt, libentcr approbamus ac apo tolico munimine roboramus illaque ampliori perstringinms firmil ~tis adminiculo, quo in evum incon- cussa valeant permanere firmius solidata, ac e t iam de novo concedimus, prout id in domino conspicimus salu- briter expedire.

Dud~lm siquidem felicis recordationis Calixtus secundus romanus pontili~:x predecessor ngster sanctam C o m p o . s tel lanam beati Iacobi Zebedei eeclesiam, cuius in ea venerandissimum corpus honorihce est positum, ob nimium devotionis affectum, quem ad ipsum sanctum tenuit, et ob t an toram innumerabi l iumque peregr inoram coneur:~lm ex omnibus mundi partibus ob remissionem suorum peccaminum ad eandem ecclesiam coatinue confluentium, qui propter tanti apostoli merita se suarum salutem ani~ l a rum credunt adepturoso apt,sto'iee sedis privilegiis, gratiis et indtdgentiis communivi t ; voluit siquidem, quod prefata ecclesia apostolica se ~et,.tur protectione mmfiri. Concessit insuper omnibus et singulis utriusque sexu.~ Christi fidelibus verc penitent ibu; et confessis ecclesiam predictam visitantibus in anno, in quo festum eiusdem sancti Iacobi Zebedei in domir ica venerit, a vigila ch'cumcisionis domini et per t3tum ilium annum in:tegrum usque ad diem eiusdem circum- cisionis et per to~:um diem in fine illius anni in diebtts, quibus magis eis placeret visitare, ut omnes et singulas ilia; peccatorum indulgentias et remissiones et Jam plcnarias, quos visitantes ecclesias et basilicas urbis et extra : .rbem anno iubilei cor:sequebantur, - cure facultate dcputandi cont~ssoles, qui ad dic tam ecclesiam pro consequcnda indulgentia t:uiusmodi confluentes (.tiarr, in casibus sedi apostolice resec,;atis absolverent, -- ac e t iam cisdem Christi fidelil: us in eiusdem sancti Ia r ~bi, t translationis corporis sui ac dedicationis eiusa..em ecclesie festivi: a t ibm ccclesiam prcdic tam a primis vesperis usque ad secundas vesperas r~c per to tum diem inclusive devote visitantibu~ annuat im, u,: p lenar iam indulgentiam omnium peccatorum suorum, de qttibus corde contriti et ore confessi forent, consequerentur, perpetuis futuris temporibus duraturarn concessit.

Nos igitur ad hoc predecessorum nostrorum sancte memorie eiusdem (a l ix t i palm ac Eugenii et An.lstasii vestigiis ir..herentes ad gloriam omnipotent:,s dei toti t que religionis christim,e augmentum, qui ipsum glo.'iosum apostolum, ad cuius ecclesiam Compostel lanam huiusmodi devotionis causa de diversis round part ibus - d imissi~,; parentibus, amicis, liberis, pat r ia ac aliis temporalibus b o n i s - per mare terramqut- continue confiucm in umcro copioso, qtfique an imarum salutem supremis desideramus affectibus et dignis voic, mus honoribu,; frequentari, et ut ipsi Christi fideles in eadem se recogno~,cant ecclesia Christi muneribus refecms, de ornnipotentis dei miseri- cordia ac bea to rum Petri et Pauli apostolorum eius auctori tate confisi omnes et singulas prcdictas indulgentias ct iubileum ipsius eisdem modo et forma, q,lo romana ecclesia habet, et iam se letetur Composteilana ecclesia pro singulari beati Iacobi devotione, tenere anno videlicet, quo, ut prefertur, festum dicti apostoli Iacobi in dominica venerit, et per forum annum integrum, ut premitti tur, necnon in diebus illis - scilicet sancti Iacobi et translatione eorporis sui et dedicatione eiusdem ecclesie - p lenar iam indulgentiam annua t im consequantu:r vis[tantes preti~tam ccclesiam, ut e t iam prefertur, nuctoritate apostolica et ex certa scienlia approbamus, roboramus et communimus ac perpetue firmitatis robur tenere in pc rpe tuum deeernimus. Et insuper illas de novo cisdem modo et tbrma in omnibus et per omnia, ut supra concessum fuit, eoncedimus et indulgemus ct pc'r'pctuis volumus futuris temporibus duraturas, non obstantibus constitutionibus et ordinationibus apostolicis etc.

Nulli ergo onanino hominum liceat hanc paginam nostre approbationis, confirmationis, concessionis et induhi infringere aut ei ausct temerario contraire. Si quis au tem hoc a t temptare presumpserit , reum se dlvino iudlcio existere de perpet ra ta iniquitatc cognoscat e t a sacratissimo corpore ct sanguine redcmptoris domini nostri lesu Christi alienus tiat a :que in zxtrcmo examine divine uhioni subiaceat.

Cunctis au tcm ea rdem ecclesiam visitantious sit pax domini nostri Ieus Christi, quatinus, ut hic fi 'uctum bone actionis percipiant, c t ap;~d districtum iudicerr premia eterne pacis cum beato Iacobo inveniant. Amen. Amen.

Volumus autem, q.aott, si visitantibus ecclesiam predic tam aliqua alia indulgentia in perpetuum vel ad cer tum tempus n o n d u m elal,sum dura tura per nos concessa fuerit, presentes litere nullius sint roboris vcl momenti .

(R) Ego Alexandt~r catholice ecclcsie episcopus ss. (BV) -+ Ego Paulus Prenestinus episcopus ss.

299

Page 16: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

Ego Petrus presbiter cardinalis tituli Sancte ~;usane ss. Ego Vivianus presbiter cardinalis tituli Sancli Stepiaani in Celio monte ss. Ego Andreas presbiter cardinalis tituli Sancte Crucis in Ierusalem ss. Ego Laborans presbiter cardinalis Sancte Marie Tcanstiberim tituli Calisti ss.

+ Ego Iacobus diaconus cardinalis Sanctorum martirum Cosme et Damiani ss. + Ego Ranierius diaconus cardinalis Sancti Georgii ,td Velum aureum ss. + Ego Iohannes diaconus Sancti Angeli ss. + Ego Mateus Sancte Marie nove diaconus cardinalis ss.

Datum Viterbii, per manum domini Auferii (Austerii B) sancte romane ecclesie subdiaconus, VII kalendas iu!! i, indictione X l l l l , incarnationis dominice anno M C L X X I X , pontificatus veto domini Alexandri pape I I I anno XIX.

b. Notarieller Vermerk zur angeblichen Bulle Alexanders III . Regis eterni (25.6. 1179), angeblich vom 27.8. 13 i6

Santiago de Compostela, Archivo del Cabildo: Beilage zum Tumbo B; Papier (Bastarda, um 1500), gleiche .%chrift wie die der auf Papier geschriebenen Kopie des Privilegs. Notarszeichen und Unterschriften fehlen.

I-tr~c est transsumptum supradicte bulle et indulgentiarum iubilei domini nostri pape supradicti conscripti in pargameno de corio cum vera buUa plumbea in filiis (!) sericeis albis et croceis nobis notariis ct testibus infra- scriptis bene nota. Q.uam dictam bullam ego Andreas notarius Compostellanus iuratus una cure consocio meo Alfonso Iohannis notario eitm:lem vidi, legi et diligenter inspexi et de mandato et auctoritate venerabilium virorum dominorum magistri Iohannis et Alfonsi Iohannis iudicum ordinariorum Compostellanorum de verbo ad verbum in nostra presentia fecimus fideliter translatari, VI kalendas septembris era M C C C L quarta, pre- ~er~tibus testibus dominis Martino Bernardi et Fernando Martini cardinalibus, Iohanne Michaelis et Petro Ve|asci canonicis Compostellanis, domino Iohanne Dominici priore et Albano Fernandi canonicis S. Marie de Sar, Gondisalbo Petri et Sugerio Fernandi monachis S. Petri de foris, Alfonso Gomecii, Iohanne Dominici dicto Tauro et Alfonso Petri clericis cori Compostellani, lohanne Vello et Gomecio (gO) Iohannis de Rama iustitiariis, Fernando Iohannis dicto Caro (?) et Velasco Fernandi civibus Compostellanis. Et subscribo et nomen ac signum meum in isto transsumpto apono in testimonium veritatis.

Hoc est transsumptum dicte bulle et indulgentiarum iubilei domini nostri pape supradicti conscripti in pat gameno de corio cum vera bulla plumbea in filiis (!) sericeis albis et croceis nobis notariis et testibus supra- scriptis be.ne nota. Q.uam bullam ego Alfonssus Iohannis notarius Compostellanus iuratus una cum predicto nomrlo consocio meo vidi, legi et diligenter inspexi et de mandato et auctoritate predictorum iudicum ordinario- rum Compostellanorum de verbo ad verbum in nostra presentia fecimus fideliter translatari, VI kalendas :~eptembris era MCCCLIII I~ presentibus testibus supra~criptis. Et conscribo (l) et nomen ac signum meum apono in hoc transsumpto in testimonium veritatis.

I I . Ausreisegenehmigungen englischer K6nige fiir Santiago-Pilger

Die folgenden Angaben basieren auf Rymer 1727 und 1728 und auf Cordero Carrete 1962. Vergleiche auch die zum Tell fehlerhaften Notizen bei L6pez Ferreiro 1904:159f., uud be i V~zquez de Parga 1948: 84-6.

Analog zu Genehmigungen, die der englische KOnig 1350 ftir nach Rom pilgernde Einzelpersonen ausstelhe (siehe unten), lassen sich seit 1368 entspreehende Schreiben fi~r Pilgergruppen fest.~,tellen, die mit dem Schiff nach Santiago reisen v, ollten. Hervorzuheben ist, dab vor 1423 keine einzige Gruppe in einem Jah r reiste, ~n dem dasJakobsfest aufeinen Sonntag fiel. Die Hauptreisezeiten waren die Monate Februar bisJuni. Gew6hnlich reiste keine Gruppe nach dem Jakobsfest los. Die einzige Ausnahme ist eine Genehrnigung vom 18. 11. 1455; vielleicht wolhe die damuls genannte Gruppe den Beginn des Jubeljahres am i. 1. 1½56 in Santiago mitfeiern. Unterstrichen sind in der Tabelle 1 die Jahre, in denen das Jakobsfest auf eineu Sonntag fiel.

Gcm~B dcm Bericht des William Wey (V~zquez de Parga et al. 1949:128) lagen Ende Mai 1456 84 Schiffe, davon 32 engli~ehe, in La Corufia vor Anker, die Pilger naeh Galizien transportiert hatten. Die Angaben bei Rymer entsprechen demnach aicht der realen Zahl yon Pilgern, sondern sind nur als relative Zahl zu verstehen.

300

Page 17: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

Tabelle 1

Jahre Anzahl der Schiffe Pilgerzahl Referenz

1368 2 Sehiffe unbestimmte Pilgerzahl Cordero Carrere: 349f. 1369 1 Sehiff unbestimmte Pilgerzahl Cordero Carrete" 350 1389 Ausreise verboten Cordero Carrete: 354-6 1394 1 Sehiff I00 Pilger Rymer 7 : 768 1397 1 Sehiff 80 Pilger Rymer 7 : 854 1413 4 Sehiffe 180 Pilger Rymer 8:775, 9:8, 16 1414 3 Sehiffe 140 Pilger Rymer 9:133, 139, 147 1415 1 Schiff 24 Pilger Rymer 9: 201 1423 1 Sehiff 60 Pilger Rymer 10: 281 1428 13 Schiffe 916 Pilger Rymer 10: 386, 396f., 401,407 1432 1 Sehiff 24 Pilger Rymer t0:504 1434 64 Schiffe 3110 Pilger Rymer 10: 567--70, 572--6, 580-2 1445 29 Schiffe 2100 Pilger Rymer 11 : 77-80 1451 11 Schiffe 594 Pilger Rymer ] 1:280t: 1455 I Schiff 50 Pilger Rymer 11:368 1456 15 Schiffe 871 Pilger Rymer 11 : 371-7, 380f.

Ftir die Heiligen Jahre von 1462 bis 1501 sind bei Rymer keine Ausreisegenehmigungen fiberliefert. Fiir Rompilger existieren lediglieh die ftir das Jahr t350 (Rymer 5 : 677, 681-3 : 161 Einzelpersonen nebst Begleit- personal). FOr Jerusalempilger werden bei Rymer nur wenige Genehmigungen - maximal eme pro Jahrzehnt - fiberliefert, die jeweils nut ftir Einzelpersonen ausgestellt sind.

Noten 1 Acta Apostolicae Sedis 1974:289-307 (Dekret Apostolorum limina) ; Acta Apostolicae Sedis 1976 : 128-43 (Rede vom 22. 12. 1975). 2 Santiago 1971:473-5, Abb. 736, 737, 739; Inschrift irn gailzischen Kloster Samos (= Kreuzzug gegen den N2aterialismus); Mieck 1977:299-307, 327f. a Ffir Ratsehl/ige und Hilfe dant~e ich raeinen Berliner Kollegen Dr. Peter Feige und Prof. Dr, Ludwig Schrnugge. 4 Zum erst_'n r6mischen Jubeljahr von 1300 ver- gleiche besond~'r, Frugoni 1950. 5 Vgl. die verschiedenen Chroaiken in Fldrez 1758 und 1767, in denen zum Regierungsbeginn Altbn.~' VII. nie ein iubileum er~ihnt wird a Vfizquez de Parga 1948:94(1445), 96f. (1450), 99f. (1479) ; L6pez Ferreiro 1904:127f., Ap. 34.7 und 9(1462), 402ff. (1473), 147-50, Ap. 41(1479). 7 Version Wey's und yon Simaneas: Confirma- tiones indulgentiarum predictarum (sc. Kalixts II.) per dominum papam Innocentium secundum et Leonem sancte memorie et alios summos pontifices

sunt confirmate et concesse. Version Alexanders III . : Nos igitur ad hoc predecessorum nostrorum sanctc memorie eiusdem Calixti pape ac Eugenii et Anastasii vestigiis inherentes. o Vergleiche etwa Paulus 1922 ; 2: rugoni 1950: 2ft.; Foreville 1961; H6dl 1977. ??t~r diesen Wandel bezeichnend ist die um 1300 festzu ;t~ llende Zunahme von Traktaten fiber Indulgenzen; ieae Glorieux 1925 und 1935, Index, Stichwort indulg ntia. '> Vergleiche den Kommenral des Johannes Monachus zu Extrav. Comm. 5.!.1, v. Confitebuntu;" (abgedruckt in den glossierten At,,,<aben der Extrav. Comm.). 10 Wie Anmerkung 9. al Extrav. Comm. 5.9.2; Paulus ,922:114ff.; Fedele 1934; Dupr6 Theseider 1952 : 52 ~!~'. Zur praktisehen Durchftihrung vergleieh e auch die t~egesten in D6prez und Mollat 1960:Nr. t44,6-52, I J76-9, 1993, 2045, 2047, 2107, 2117-9, 2142-6, 22767. 12 Zur Gleichsetzu~g von urbs ,and orbis um 1350 vergleiehe zum Beisniel die Ans, hten des Cola di Rienzo beiJuhar 19"77:125. la Berlin (West), S~:aatsbibliothek MS. Lat. fol. 583, f. 95v.

301

Page 18: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

Literatur Acta Apostolicae Sedis 1974 und 1976. Band 66 und

68. Citt~, del Vaticano Ado Jubilar 1971. Ado Jubilar del sigio XX. Publi-

caci6n dcl Ministcro de Informaci6n y Turismo. Madrid.

Baluze, E. und G. Moila~ (eds.) 1916. Vitae paparum Avenionemium 1. Pa,'is.

Bottineau, Y. 1964. Les chemins de Saint Jacques. Pat4s.

Bressl;~u, H. 1912. Handbuch der Urkundenlehre fiir DectscMand und ltalien 1.2. Auflage. Leipzig.

Brixitr~, J. M. 1912. Die Mitglieder des Kardinal- koll~giums yon ! 130-1181. Berlin.

Burda~:h, K . . ed . ) 1929. Vom Mittelalter zur Re- fom~ation 2. 5: Briefwetitsel des Cola di Rienzo, herausgegeben yon K. Burdach und P. Piur. Berlin.

Cohen, E. 1976. In haec signa: Pilgrim-badge trade in .,~uthcrn France. Journal of medieval histo~" 2:193=2!4.

(~-~rdero Carrete, F. R. 1962. Embarque de peregrinos ing le~ a Compostcla en los siglos XIV y XV. Cuadern~ de Estudios Gailegos 17.53:348-57.

D~prez, E. und G. Moilat (eds.) 1960. Cldment VI. L~ttres closes et patentes...se rapportant aux pays autres que la France. Paris.

i~mais, C. (ed.) 1886. Bernardus Guidonis, Practica inquisitionls heretice pravitatis. Paris.

Doussinaque,J. M. 1945. La Guerra de la Navarreria ~' l~,:mplona 1277). Principe de Viana 6. 19 : 209-82.

I)uprfi'Haeseider, E. 1952. Roma dal comune di popolo alia signoria pontificia (1252-1377). Storia di Roma ! 1. Bologna.

E~h, A. 1969. Bonifaz IX. und der Kirchenstaat. Biblit~.thek des Deutschen Historischen Instituts in Rom 29. Ttibingen.

Favier, J. 1966 Les finances pontificales ~t l'~poque du grand schisme d'occident. Biblioth~que des Ecoles d'Ath?:nes et de Rome 211. Paris.

Fedele, P. 1934. I1 Giubileo del 1350. In: Gli anni ~ami. Istituto di Studi Romani: 27-46. Torino.

Fe:n~ndez Alonso, J . 1965. Giacomo il Maggiore. Bibliotheca Sanctorum 6: 369-74. Roma.

H6rez, Fi. (ed.) 1758, 1765 und 1767. Espafia sagrada 14,20 (Nachdruek Madri.d 1965) und 23. Madrid.

Fore~411e, R. 1958. Lejubil6 de St. Thomas Becket du XI I l e au XVe si~cle (1220-1470). Paris.

Foreville, R. 1961. L'idEe dujubih~ chez les th~ologiem et les canonistes (XIIe-XII Ie si~cles) avant I'imtitution du jubil~ romain (1300). Revue d'histoire eccl~siastique 56:401-23.

Frugoni, A. 1950. I1 Giubileo di Bonifacio VIII . BoUetino del Istituto Storico Italiano 62:1-121.

Frugoni, A. 1970. I1 'Giubileo' di Tommaso Becket. Scritti in onore di Vittorio de Caprariis, 11-8.

Garcia Ribes, M. 1920. Condici6n juridica de los extranjeros en Castilla y Le6n desde el Fuero de Le6n (1020) al c6digo de las Partidas. Revista de ciencias juridicas y sociales 3:245-82, 320-55.

Gibert, R. 1958. La condici6n de los extranjeros en el antiguo derecho espafiol. L't~tranger. Recueil de la Soci~t6 Jean Bodin 10:151-99. Bruxelles.

Glorieux, P. 1925 und 1935. La litt6rature quod- lib~tique de ~260 .~ 1320. 2 B/inde. Paris.

Grundmann, H. 1954. Jubel. Festschrift Jost Trier, 477-511. Meisenheim.

Guerra Campos, J. 1971. Bibliografia (1950-1969) : Veinte afios de EstudiosJacobeos. Compostellanum 16:575-736.

Habler, K. 1899. Das Wallfahrtsbuch des Hermannus Ktinig von Vach. Strasbourg.

Hiimel, A. 1950. Uberlieferung und Bedeutung des Liber Sancti Jacobi und des Pseudo-Turpin. Sitzungsberichte der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-historische Klasse, Jahrgang 1950, Heft 2. Miinchen.

Heimpel, H. 1932. Dietrich yon Niem (ca. 1340- 1418). Westf/ilische Biographien 2. Mtinster.

Hell, V. und H. Hell 1964. Die groBe Wallfahrt des Mittelalters. Mit einer Einftihrung von J. Hiiffer. Ttibingen.

H6dl, L. 1977. Abla8. Lexikon des Mittelalters 1:43- 6. Mtinchen.

Hiifter, H. J. 1957. Sant' Jago. Entwicklung und Bedeutung des Jacobuskultes in Spanicn und dem R6misehen Reich. Mtinchen.

Huelsen, Chr. 1927. Le chiese di Roma ncl medio evo. Firenze.

Irureta Lusarrete, M. A. 1959. E1 municipio de Pamplona en I ~ -g.m~media. Pamplona.

Jaff6, Ph. und L6wenfeld, S. (ed.) 1888. l~egesta Pontificum Romanorum 2. Leipzig.

Jansen, M. 1904. Papst Bonifaz IX. ,i1389-1404) und seine Beziehungen zur deutschen Kirche. Freiburg.

Juhar, M.-B. 1977 Der Romgedanke bei Cola di Rienzo. Kiel.

Katterbach, B. und W. M. Pfitz 1924. Die Unter- schriften der P/ipste und Kardin/ile in den Bullae maiores yore 11. bis 14.Jhdt. Miscellanea Francesco Ehrle 4. Studi e testi 40:177-274. Roma.

Lacarra, J. M. 1953. A Propos de la colonisation 'franca' en Navarre et en Aragon. Annales du Midi 65: 331-42.

302

Page 19: Die Anfänge des Heiligen Jahres von Santiago de Compostela im Mittelalter

Lambert, G. 1950. Jubild hdbreu et jubild chrdtien. Nouvelle revue thdologique 72:234-51.

Laslowski, E. 1925. Die r6mischenJubeljahre in ihren Beziehungen zu Schlesien. Historisches Jahrbuch 45:219-40.

L6pez Ferreiro, A. 1901, 1902, 1903, 1904 und 1905. Historia de la Santa A. M. Iglesia de Santiago de Compostela 4-8. Santiago.

Mieck, I. 1976. Zur Wallfahrt nach Santiago de Compostela zwi.,,chen 1400 und 1650. Resonav.z, Strukturwandel und Krise. Spanische Fov.~chungen der G6rresgesellschaft, Reihe 1 : Gesammeite Aufs~itze zur Kulturgeschichte Spaniens 29, (ira Druck).

Mieck, I. 1977. Kontinuit/it im Wandel. Politische und soziale Aspekte der Sanliago-Wallfahrt vom 18. Jahrhundert bis zur Gegem cart. Geschichte und Gesellschaft 3: 299--328.

MPL 200. Alexandri III romani pontificis opera omnia. Paris.

Paschini, P. 1934. I Giubilei del secolo XV. in: Gli anni santi, lrstituto di Studi Romani: 47-63. Torino.

Pastor, L. v. 1923, 1924 und 1925. Geschichte der P/ipste 1-3.1.5.-7. Auflage. Freiburg.

Paulus, N. 1922 und 1923. Geschichte de~ Ablasses im Mittelalter 2 und 3. Paderborn.

Pdrez Mill~in, J. 1948. Cronologia dei Afio Santo Compostelano. Compostela 12 : 17-9.

Pdrez Mill~in, J. 1970. Cronologia de los Afios Santos Jacobeos. Compostela 75 : 11.

Pflugk-Harttung, J. v. (ed.) 1881. Acta Pontificum Romanorum inedita I. Nachdruck Graz 1958. Ttibingen.

Platina, B. 1568. De vitis pontificum romanorum. K61n.

Ramos y Loscertales, J. M. 1947. E1 d, recho de los francos de Logrofio en 1095. Berceo 2.4:347-77.

Rymer, Th. led.) 1727 und 1728. Foedera, Conven- tiones, Literae et...Aeta Publica .... Vol. 5, 7-I 1.2. Editio. London.

Sgmchez Belda, L. (ed.) 1950. Chroniea Adefonsi imperatori:~. Escuela de Estudios Medievales. Textos 14. Madrid.

Santiago 1971. Santiago, Europa y Amdrica. Publi- caci6n del Ministero de Informaci6n y Turismo. Madrid.

Schmugge, I,. (ed.) 1977. Radulfus Niger. De re militari et triplici via peregrinationis Ierosolimitane. Beitr~ige zur Geschichte und Q uell,.;nkunde des Mittelalters 6. Berlin.

Sehr6der, H. 1937. Die Protokollbiichcr der p/ipst- lichen Kammerkleriker 1329-1347. Arclav ftir Kulturgeschiehte 27:121-287.

Schudt. L. 1930. Le guide di Roma. With. Secret, J. 1957. Saint-Jacques et les ~:hemins de

Compostelle. Paris. Starkie, ~V. 1957. The roads to Sanriago. Pilgrims of

St. James. London. Torres Fontes J. (ed.) 1946. La Compilacidn de los

milagros de Santiago de Diego Rodriguez de Almela. Murcia.

Valifia Sampedro, E. 1971. E1 camino de Santiago. Estudio historico-juridico. Madrid.

\qizquez de Parga, L.,J. M. Lacarra, undJ. U,'ia Riu 1948 und 1949. Las peregrinaciones a Santiago de Compostela 1 und 3. Madrid.

Vincke, J. 1954. Zum Jubil/iumsablaB des .]ahres 1350. R6mische Quartalschrlft ftir ctu'istliche Alte,'mmskunde 49: 251-5.

Ya 1976. Tageszeitung 'Ya', Nr. 11852 vom 26. 7. 1976. Madrid.

303


Recommended