+ All Categories
Home > Documents > Der Zypernkonflikt - silvia-grundmann.de fileBedeutung, wenn über den Konflikt auf Zypern...

Der Zypernkonflikt - silvia-grundmann.de fileBedeutung, wenn über den Konflikt auf Zypern...

Date post: 14-Aug-2019
Category:
Upload: phungkien
View: 213 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
26
Fachhochschule Westküste Hochschule für Wirtschaft & Technik Der Zypernkonflikt Hausarbeit im Studiengang Betriebswirtschaft bei Prof. Dr. Silvia Grundmann Yeter Cetinkilic Europarecht und -politik Norderstraße 109 6. Fachsemester 25746, Heide 03.06.04
Transcript

Fachhochschule Westküste Hochschule für Wirtschaft &

Technik

Der Zypernkonflikt

Hausarbeit im Studiengang Betriebswirtschaft

bei Prof. Dr. Silvia Grundmann

Yeter Cetinkilic Europarecht und -politik

Norderstraße 109 6. Fachsemester

25746, Heide 03.06.04

2

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis...........................................................................................................2

Abkürzungsverzeichnis .................................................................................................3

1 Einleitung ................................................................................................................4

2 Die Wurzeln des Zypernkonflikts ........................................................................6

2.1 Die Geschichte bis zur englischen Kolonialmacht 1878 ........................6

2.2 Der Weg in die Unabhängigkeit 1960 .......................................................8

2.3 Die Republik Zypern von 1960 bis zur türkischen Intervention 1974.12

2.4 Von der de facto Teilung bis zur Ausrufung der „Türkische Republik

Nord-Zypern“ ...........................................................................................................18

2.5 Die geteilte Insel .........................................................................................20

3 Schlusswort ..........................................................................................................23

Literaturverzeichnis ......................................................................................................25

3

Abkürzungsverzeichnis

ca. circa

EG Europäische Gemeinschaft

EOKA Nationale Organisation Zypriotischer Kämpfer

EU Europäische Union

NATO North Atlantic Treaty Organization

TMT Türkische Verteidigungsorganisation

TRNC Türkische Republik Nord-Zypern

u. A. unter Anderem

UNO United Nations Organization

USA United States of America

Vgl. Vergleich

4

1 Einleitung

„In einem Umkreis von 600 km Luftlinie von Nikosia liegen Kairo, der Golf von

Suez, der Golf von Akaba, Teile Jordaniens, Israel und der größte Teil Syriens.

In einem Aktionsradius von 1.200 km können auf dem Luftwege der Westen

Irans, der Persische Golf, Teile Arabiens, das Rote Meer, Teile Ägyptens im

Süden und natürlich der Gesamte Norden des Landes, der griechische

Peloponnes, Trazien und Mazedonien bis zur bulgarischen Grenze, die

türkische Schwarzmeerküste und Teile des westlichen Kaukasus erreicht

werden. Damit ist ein breiter Fächer von lufttaktischen und luftstrategischen

Operationen von zypriotischen Startbahnen aus gegeben. Diese Lage hat

Zypern auch den Beinamen unversenkbarer Flugzeugträger gegeben.“.1

Die geografische Stellung der Insel Zypern war und ist bis heute von

Bedeutung, wenn über den Konflikt auf Zypern diskutiert wird. Ihre besondere

Lage im Mittelmeer als Portal zwischen drei Kontinenten wurde ihr im Laufe des

letzten Jahrhunderts zum Verhängnis. Dies verursachte die Teilung Zyperns,

die bis heute andauert und Zyperns zum einzigen Staat innerhalb der

europäischen Grenzen macht, der noch auf eine Wiedervereinigung wartet.

Der Konflikt besteht nicht nur innerhalb der Grenzen Europas, sondern auch

zusätzlich zwischen den NATO-Partnern Griechenland und der Türkei. Die

beiden zyprerischen Teilstaaten sind politisch, geographisch und wirtschaftlich

völlig voneinander abgegrenzt. Verständigungsprozesse werden zusätzlich

dadurch behindert, dass beide Konfliktparteien unterschiedliche Sprachen

sprechen und unterschiedlichen Religionen angehören. Daneben werden die

politischen Gegensätze durch wirtschaftliche Interessenkonflikte verschärft.

Aber wie kam es zu der Teilung der Insel? Waren die beiden Volksgruppen

schon immer verfeindet? Diese beiden Fragen sind die Ausgangslage für diese

Hausarbeit, und sollen im Verlauf der Untersuchung beantwortet werden.

Kapitel zwei behandelt in fünf Unterkapitel die Wurzeln des Zypernkonflikts. 1 Choisi, Jeanette, (1990), S.192

5

In Kapitel 2.1 wird die Geschichte der Insel Zypern bis zur Kolonialherrschaft

erläutert. Wie lebten die griechischen und türkischen Zyprer miteinander unter

der Osmanischen Herrschaft? Entstand der Konflikt bereits hier? Wie und wieso

kam es zu der Annektierung Zyperns durch Großbritannien?

Einen Überblick über die nationalistischen Bewegungen der beiden

Mutterländer Griechenland und Türkei und ihre Folgen für den Konflikt werden

in Kapitel 2.2 aufgezeichnet. Welche Schuld trug der Kolonialherrscher an der

Entfachung des Konfliktes? Welche Maßnahmen haben den Weg in die

Unabhängigkeit geebnet und sich im Nachhinein als Holpersteine erwiesen?

Welche Probleme hatte die Verfassung der neu gegründeten Republik? War sie

von Anfang an zum Scheitern verurteilt? Wie und aus welchem Grund kam es

1974 zur Intervention durch die Türkei auf Zypern? Und war es eine

Intervention oder eine Invasion? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Kapitel 2.3.

Kapitel 2.4 zeichnet eine Darstellung über die Zeit nach der de facto Teilung der

Insel und über ihre anschließende Splitterung in zwei unabhängige Gebiete.

Kapitel 2.5 behandelt die Entwicklung seit der Staatsausrufung der Türkischen

Republik Nord-Zypern über den Weg des Beitrittsantrags der Republik Zypern

bis hin zum Abstimmungsergebnis des Referendums am 24. April 2004 und

seinen Folgen für die Insel.

Auf Grund der Schwere des Konfliktes und der Tatsache, dass viele

verschiedene Staaten sich direkt, aber auch indirekt am Zypernkonflikt beteiligt

haben, kann dieser nicht isoliert betrachtet werden.

Diese Hausarbeit bemüht sich daher um einen Einblick in die Entstehung und

Entwicklung des Konfliktes zu geben, wie auch die verschiedenen Positionen zu

berücksichtigen.

6

2 Die Wurzeln des Zypernkonflikts

2.1 Die Geschichte bis zur englischen Kolonialmacht 1878

Zypern liegt im Mittelmeer zwischen den drei Kontinenten Europa, Asien und

Afrika. Auf Grund dieser geografischen Lage (Vergleich (Vgl.) Einleitung) ist die

Insel schon immer für die Interessen der Großmächte von Bedeutung gewesen.

Sowohl des Handels wegen, als auch, um den imperialistischen

Machtansprüchen der Kolonialherrscher zu entsprechen.

Bis zur Eroberung durch das Byzantinische Reich stand Zypern unter der

Fremdherrschaft vieler verschiedener Eroberer.2

Mit der fast 1100-jährigen Herrschaft der Byzantiner3fand auch das Christentum

Einzug auf der Insel. Zypern erwies sich schon während der Kreuzritterzüge als

strategisch besonders wertvoll, da es als Zwischenstation auf dem Weg ins

Heilige Land diente. Unter der byzantinischen Herrschaft kam es zu

Vertreibungen der jüdischen Zyprer und die ersten Moslems setzten sich auf

Grund von arabischen Überfällen auf der Insel nieder.

Bis zur Eroberung durch das Osmanische Reich 1571 und seines 300-jährigen

Einflusses auf die Insel, herrschten unter Anderem (u. A.) Richard Löwenherz

und die Republik Venedig über Zypern.4

Mit der Einräumung bestimmter Selbstverwaltungsrechte und der Abschaffung

des westlichen Feudalsystems leiteten die Osmanen eine ganz neue Ära für die

Bewohner Zyperns ein. Hinzu kam, dass der Sultan die Position der griechisch-

orthodoxen Kirche stärkte und sie zum größten Landbesitzer der Insel machte.

Im Jahre 1754 wurde sogar der Erzbischof zum amtlichern Volksführer der

griechischen Zyprer ernannt, wobei sich herausstelle, dass die Kirche keine

2 http://www.kypros.org/Zypern/zgeschichte.html,01.05.04

3 Kaikitis, Lambros, (1998), S. 10

4 Berner, Uwe, (1992), S. 1 ff

7

verantwortliche Repräsentantin der orthodoxen Gemeinde war, sondern sich

durch Steuern und Abgaben ihrer Mitglieder bereicherte. Dies führte zu einer

Kluft zwischen Klerus und der griechischen Bevölkerung.

Die türkischen und die griechischen Inselbewohner lebten zwar friedlich

zusammen, aber von einem gleichberechtigten Miteinander waren sie sehr weit

entfernt. So gab es „bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts (…) auf Zypern

weniger einen Konflikt zwischen den Sprachen- und Religionsgruppen als

vielmehr einen Konflikt zwischen den Klassen“ 5.

Die osmanische Autorität bediente sich, ähnlich wie die türkische Regierung

1974 (Vgl. Kapitel 2.4) einer expansiven Siedlungspolitik die in einer Ansiedlung

von Tausenden Türken aus Anatolien resultierte. Die demografische Situation

veränderte sich nachhaltig, so dass die türkischen Siedler bald ein Viertel der

Gesamtbevölkerung ausmachten. Die Siedler wurden in den Städten

untergebracht, Kirchen in Moscheen umgewandelt und es entstanden getrennte

muslimische sowie christliche Viertel, wobei es den Christen nicht gestattet war

innerhalb der Stadtmauern zu leben. Auf dem Land lebten die

Religionsgemeinschaften teils unter sich teils miteinander.6

1878 kam es zur „Abtretung Zyperns an Großbritannien unter Beibehaltung des

Hoheitsrechts des Sultans“7.

Mit der Niederlage vor Wien 16838 wurde die Ausdehnungskraft der Osmanen

gestoppt und sie mussten Territorialverluste im Westen hinnehmen. Um weitere

Kriege und innere Reformen9 finanzieren zu können, nahmen sie vermehrt

Kredite von den Europäern auf, die sie zu tilgen nicht in der Lage waren und

somit den Staatsbankrott einleiteten. Der aufkeimende Nationalismus der

beherrschten Bevölkerung in Europa, sowie die innere Schwäche und der

Staatsbankrott des Osmanischen Reiches führen 1878 beim so genannten

5 Kaikitis, Lambros, (1998), S. 12 6 Kaikitis, Lambros, (1997), S. 11 ff.

7 http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/print_html?type_id=9&land_id=193 (01.05.04)

8 Scheuch, Manfred, (2004), S. 184

9 http://de.encarta.msn.com/encyclopedia_761553949/Osmanisches_Reich.html#p5, 15.05.04

8

Berliner Kongress zur Entlassung vieler besetzter Provinzen in ihre

Unabhängigkeit und der Überlassung Zyperns an die britische

Imperialmacht.10’11

Da die Türkei im ersten Weltkrieg deutsch-österreichischer Verbündeter war,

wurde Zypern endgültig von England annektiert und bleibt bis 1960 britische

Kronkolonie.12

2.2 Der Weg in die Unabhängigkeit 1960

Die Interessen der englischen Kolonialmacht an Zypern waren stets

strategischer Natur. Mit ihren Stützpunkten auf der Insel konnten sie den

Eingang zum Suezkanal kontrollieren und somit ihre Position im Nahen Osten

stärken.13 Hinzu kam, dass die Ölfunde im Nahen und Mittleren Osten zu

Anfang des letzten Jahrhunderts das Festhalten an ihren Ansprüchen an ihrer

Mittelmeerstellung bestärkte .14

Allerdings ignorierten sie während ihrer Autorität die zyprischen Probleme, wie

Beispielsweise die Klassenunterschiede und die Verarmung der Bevölkerung.

Selbst die Enosisbewegung 15, die den Anschluss der Insel an Griechenland zum

Ziel hatte, wurde bewusst nicht wahrgenommen, um keinen unnötigen Konflikt

zu entfachen.16

1830 wurde Griechenland unabhängig17 und damit entstand die „Megali Idea“

(Große Idee), welche die Rückeroberung der ehemaligen byzantinischen

Gebiete mit der Hauptstadt Konstantinopel vorsah. Aus ihr ging die Idee der

Enosis hervor.18

10 www.wissen.de, 15.05.04

11 http://www.osmanischesreich.com/Geschichte/Einfuhrung_1/einfuhrung_1.html, 15.05.04

12 http://derstandard.at/?id=1641651,28.04.04

13 Berner, Uwe, (1992), S. 26

14 Choisi, Jeanette, (1993), S. 192

15 Enosis = Eingliederung an das Mutterland Griechenland

16 Heide, Ulrich, (1980), S. 62 ff .

17 Scheuch, Manfred, (2004), S. 180

18 Kaikitis, Lambros, (1998), S.24

9

Mit Hilfe der griechisch-orthodoxen Kirche und unter der britischen

Fremdherrschaft konnte sich der Gedanke der Enosis auf die griechischen

Zyprer ausbreiten. Griechenland äußerte sich von 1878 bis 1950 nur zögerlich

zur Eingliederung Zyperns an das griechische Festland, weil es sich nur durch

den Einsatz der Briten vom Osmanischen Reich lösen konnte 19, und somit

Großbritannien Zypern nicht streitig machen wollte.20 1950 organisierte die

Kirche auf Zypern eine Volksabstimmung, in der sich die Mehrheit der

griechischen Zyprer für den Anschluss an Griechenland äußerte. Die Regierung

in London nahm das Abstimmungsergebnis nicht zur Kenntnis.21 Im selben Jahr

wurde Makarios III Erzbischof auf Zypern. Er engagierte sich vorerst friedlich für

die Enosis, u. A. wurde er bei der UNO für die Interessen der griechischen

Zyprer vorstellig.22

Lediglich 1915 war England kurzzeitig bereit, Zypern an Griechenland

abzugeben, wenn es am ersten Weltkrieg teilnähme und auf englischer Seite

kämpfte. Griechenland lehnte dies aber ab und hielt vorerst an seiner

Neutralität fest. 23

Die türkische Gemeinde Zyperns empfand die Enosisbewegung als Bedrohung,

nicht nur weil es 1912 mit der Begründung der Enosis auf Kreta zu

Vertreibungen von und Morden an Türken kam, sondern weil ihnen mit der

Enosis auch das Existenzrecht auf der Insel aberkannt wurde. Aus diesem

Grund kollaborierten sie mit der englischen Besatzungsmacht.24 Der spätere

Volksführer des türkisch besetzten Nordzyperns Rauf Denktas wurde sogar

britischer Generalstaatsanwalt auf Zypern und trat für die „Taksim“ (Teilung der

Insel in zwei Teile) ein.25

19 Scheuch, Manfred, (2004), S. 180

20 Berner, Uwe, (1992), S. 28

21 Choisi, Jeanette, (1987), S. 50

22 www.wissen.de, 01.05.04

23 Berner, Uwe, (1992), S 18 ff.

24 Berner, Uwe, (1992), S 18 ff.

25 http://derstandard.at/?id=1641651, 28.04.04

10

Ab 1951 spitzte sich der Konflikt auf Zypern immer mehr zu, so dass er in

blutigen Auseinandersetzungen zwischen griechischen und türkischen Zyprern,

die bürgerkriegsähnliche Formen annahmen, endete.

Makarios III gründete mit dem Erzbischof von Athen und dem in Griechenland

berühmten griechischen General Georgios Grivas die Organisation der EOKA

(Nationale Organisation Zypriotischer Kämpfer), eine Widerstandstruppe, die

unter der Führung Grivas für die Enosis kämpfen sollte. Im April 1955 kam es

zu den ersten Anschlägen auf britische Einrichtungen, denen weitere Übergriffe

auf Briten, aber auch auf türkische Zyprer folgen. Griechische Zyprer, die nicht

bereit waren für die Enosis zu kämpfen oder die sogar für die Unabhängigkeit

Zyperns einstanden, wurden ebenfalls bedroht und ermordet. Die EOKA

versucht mit diesen Operationen die Weltöffentlichkeit auf die Probleme der

Zyprioten aufmerksam zumachen und dem Fremdherrscher England die Stärke

sowie den Willen der griechischen Zyprer zu beweisen. Das Endziel der EOKA

war die Angliederung Zyperns an das Mutterland Griechenland. Um den

Aktionen der EOKA entgegenzutreten, stationierten die Briten 30 000 Soldaten

auf der Insel. Mit diesen, aber auch mit einer von den Engländern neu

gegründeten Hilfspolizei, die ausschließlich aus türkischen Zyprern bestand,

traten sie die Offensive an. Es kam zur Verhängung des Ausnahmezustandes.

Die türkische Antwort auf die EOKA bildete die TMT (Türkische

Verteidigungsorganisation), die sich aus der Vereinigung VOLKAN entwickelte.

VOLKAN wurde Mitte der 50er mit dem Wissen der britischen Regierung und

der finanziellen Unterstützung der Türkei gegründet. Zu Beginn der

Ausschreitungen forderte die TMT das Festhalten am Status Quo der Insel,

wobei sich dieses Ziel später in die Teilung der Insel umwandelte. Ihre

Begründung lag in der Behauptung, dass es für griechische und türkische

Zyprioten nicht möglich sei gemeinsam in Frieden zu leben und dass die

türkische Identität durch die Enosis gefährdet sei. Wie die EOKA lehnte sie

somit jede Form einer einheitlich nationalen Vereinbarung ab. Eine weitere

Gemeinsamkeit war ihre Grausamkeit, die auch türkische Zyprer spür ten, wenn

sie sich für eine Einigung der gesamten Insel aussprachen. Zwei berühmte

11

Mitglieder der TMT waren der spätere Vizepräsident der Republik Zypern Dr.

Fazil Kücük und der jahrelange Volksgruppenführer Rauf Denktas.26

1954 setzt sich Athen das erste Mal offiziell innerhalb der Vereinten Nationen

für das Selbstbestimmungsrecht der Zyprer ein, der dann die Eingliederung an

das Mutterland folgen sollte. Mit Beginn des Kalten Krieges kam es zur

Verschiebung der Weltmächte 27. Um den Einfluss der Kommunisten auf Zypern

entgegenzuwirken, unterstützten die USA vorerst die Bemühungen

Griechenlands.28

Mit dem so genannten Radcliffe-Plan 1956 bot die Kolonialmacht England

Zypern eine neue Verfassung an, wobei die Bestimmungsrechte der Insel, die

Außen- und Verteidigungspolitik, sowie die innere Sicherheit weiterhin unter

britischer Verwaltung bleiben sollten. Griechenland und die griechischen Zyprer

nahmen den Vorschlag nicht an. In einer weiteren Konferenz im selben Jahr in

London lud der Kolonialherr Griechenland und die Türkei zu Gesprächen ein.

Bei dieser Gelegenheit legte England der Türkei nahe, an ihrer

Maximalforderung, der Taksim, festzuhalten. Die Verhandlungen scheiterten,

und somit entwickelte sich der Konflikt zum „NATO-"Familienstreit"“29. In den

50er Jahren erwachte das Interesse und Ende der 50er sogar der Einsatz der

USA für die türkischen Belange, weil die Türkei die Tür zum Orient darstellte

und sie somit als Basis für die amerikanischen Einflüsse an den nah- und

mittelöstlichen Ölquellen dienen sollte.30

Aus diesem Grund sah der so genannte Macmillan-Plan von 1958 ebenfalls

eine Teilung der Insel vor. Zypern sollte lediglich für sieben weitere Jahre unter

britischer Herrschaft stehen und Griechenland sollte mit der Türkei gemeinsam

eine Verfassung für die Insel ausarbeiten. Die beteiligten Parteien lehnten auch

diesen Plan ab. Da sich die Situation auf Zypern verschlechterte, beschloss

England, die Insel in ihre Unabhängigkeit zu entlassen und dafür lediglich zwei

26 Choisi, Jeanette, (1993), S. 204 ff.

27 Steinbach, Udo, (2003), S. 66 ff.

28 Choisi, Jeanette, (1993), S. 194

29 http://derstandard.at/?id=1641651, 28.04.04

30 Steinbach, Udo, (2003), S. 66 ff.

12

Militärstützpunkte auf ihr zu fordern. Griechenland als auch die Türkei mussten

einlenken, da bei Verweigerung und längerem Beharren auf den

Maximalforderungen der Enosis und der Taksim die USA, die endlich den

Frieden an der Südostflanke der NATO erreichen wollte, beiden ihre

Wirtschaftshilfen zu kürzen drohte. Hinzu kam, dass Großbritannien der Türkei

versprach, dass Zypern kein Teil Griechenlands würde. Zudem beunruhigte

England Griechenland damit, dass es bei einer militärischen Konfrontation mit

der Türkei um Zypern keine Unterstützung zu erwarten habe. Auch der

Erzbischof Makarios III stimmte der Unabhängigkeit zu, weil er sich vorerst

keine Unterstützung durch Griechenland erhoffte und er seinen Wunsch nach

der Enosis auf einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt verlegte. Die türkischen

Zyprer willigten ebenso ein, nicht nur, weil ihnen weitreichende politische

Rechte eingeräumt, sondern auch, weil die Enosis ausgeschlossen wurde.31 Am

16. August 1960 wurde die Republik Zypern proklamiert.32

2.3 Die Republik Zypern von 1960 bis zur türkischen Intervention 1974

Die Verträge, die 1960 für die Unabhängigkeit Zyperns verantwortlich waren,

bestanden aus vier Kontrakten:

1. Dem Garantievertrag (The Treaty of Gurantee): In ihm garantieren

Großbritannien, Griechenland und die Türkei die Unabhängigkeit,

territoriale Integrität und Sicherheit der Republik Zypern. Sie tragen

gemeinsam sorge, dass Zypern die Verträge einhält und im Falle einer

Rechtsverletzung gemeinsam Schritte zu ergreifen. Wenn die

Garantiemächte nicht gemeinsam vorgehen können, dann ist jeder der

Staaten verpflichtet alleine den Status Quo wiederherzustellen.

31 Choisi, Jeanette, (1993), S. 195 ff.

32 http://derstandard.at/?id=1641651, 28.04.04

13

2. Dem Allianzvertrag (The Treaty of Alliance): In ihm werden

Griechenland und der Türkei das Recht eingeräumt eine festgelegte

Zahl an militärische Einheiten auf Zypern zu stationieren.

3. Dem Vertrag der etablierten Macht (The Traety of Establishment): In

ihm wird festgelegt, dass Großbritannien zwei souveräne Militärbasen

auf Zypern errichten darf.

4. Dem Vertrag über das Abkommen der grundlegenden Strukturen der

Republik Zypern (The agreement on basic struc tur of the Republic of

Cyprus): In ihm werden alle grundlegenden Bestimmungen für die

Verfassung aufgenommen. Eine Schlüsselbestimmung ist der

kommunale Dualismus.

In Anlehnung an diese vier Vereinbarungen wurde unter Beteiligung einer

griechischen, türkischen, zyperngriechischen und zyperntürkischen Delegation

sowie eines Schweizer Rechtsexperten eine Verfassung ausgearbeitet. Diese

Verfassung enthielt u. A. folgende Punkte:

- Der Präsident muss ein griechischer Zyprer sein, der von der

griechischzypriotischen Volksgruppe gewählt wird,

- der Vizepräsident muss ein türkischer Zyprer sein, der von der

türkischzypriotischen Volksgruppe gewählt wird,

- der Vizepräsident hat ein Vetorecht für alle im Parlament

verabschiedeten Gesetzte,

- der Ministerrat besteht aus 10 Ministern, davon müssen drei türkische

Zyprer sein, obwohl der türkische Anteil an der Gesamtbevölkerung

nur 18% betrug,

- das Parlament hat 50 Sitze, davon gingen 35 Sitze an griechische

und 15 Sitze an türkische Zyprioten, wobei jede Seite von ihren

eigenen Gemeinschaften gewählt wird,

14

- im Parlament verabschiedete Gesetzte bedürfen einer 2/3 Mehrheit

beider Gruppen,

- die Enosis und die Taksim werden ausgeschlossen.

Eine fundamentale Schwierigkeit für die Verfassung bestand darin, dass die

Führungseliten beider Volksgruppen nicht an sie glaubten und die

Unabhängigkeit der Insel lediglich als Zwischenstadium auf dem Weg zur

Enosis bzw. Taksim sahen.33

Der Staatspräsident der neuen Republik wird der Erzbischof Makarios III34 und

sein Vizepräsident Dr. Fazil Kücük (vgl. Kapital 2.2). 35

Bereits drei Jahre nach der Gründung der Republik kam es zu erneuten

blutigen Auseinandersetzungen auf der Insel. Anlass dafür war der Versuch von

Makarios III, eine Gesetzesänderung im Parlament durchzusetzen, die die

türkische Gemeinde in ihren Rechten einschränken sollte.36 Im Detail

beinhaltete die Umschreibung der Staatordnung, dass der dualistische

Staatsaufbau, das Vetorecht des Vizepräsidenten und die

Minderheitsbestimmungen abgeschafft werden sollten. Diese Variante der

Verfassung hätte aber bedeutet, dass der bi-kommunale Charakter Zyperns

aufgehoben wird und die türkischen Zyprioten von da an eine Minderheit

innerhalb des zyperngriechischen Staates darstellen. Auch wollte Makarios III

den Garantievertrag aufheben und so die Möglichkeit der Intervention der

Garantiemächte ausschließen.37

Die türkischen Zyprer nutzten diese Gelegenheit und forderten erneut die

Teilung der Insel.38

Der Konflikt auf parlamentarischer Ebene hatte auch zur Folge, dass die

ehemaligen Untergrundorganisationen EOKA und TMT wieder mit

33 Tatli, Suzan, (1986), S. 42 ff.

34 Harenberg Länderlexikon, (2002), S. 1164

35 Tatli, Suzan, (1986) , S. 53

36 http://derstandard.at/?id=1641651, 28.04.04

37 Tatli, Suzan, (1986) , S. 51 ff.

38 http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?type_id=15&land_id=193, 01.05.04

15

Bombenanschlägen und Attentaten ihre alten Forderungen nach der Enosis und

Taksim durchzusetzen versuchten. Im Dezember 1963 nahmen sogar

griechische und türkische Militäreinheiten an den Kämpfen teil.39

Im April 1964 schalteten die Konfliktparteien den UN-Sicherheitsrat ein, der eine

7000 Mann starke UN-Friedenstruppe stationierte. Ihre Aufgabe bestand darin

den Frieden wieder herzustellen und für eine Normalisierung des Inselalltages

zu sorgen.40 Die Blauhelme bewirkten zwar einen Waffenstillstand, aber der

Konflikt blieb ungelöst. 4142

1967 putschte das Militär in Griechenland die Regierung, so dass es unter

Papadopoulos zu einer sieben jährigen Militärdiktatur kam. Bereits eine Woche

nach der Machtübernahme erklärte Papadopoulos die Enosis als

unumstößliches Ziel der Außenpolitik.43 Die Diktatur in Griechenland erhielt

jedoch keinen Zuspruch von Makarios III und wurde stark verurteilt44, hatte aber

reichlich Befürworter unter den griechischen Offizieren der zypriotischen

Armee45. Griechenland sah die Eingliederung Zyperns an das Mutterland ohne

Makarios III vor, weil dieser keine Militärherrschaft für die Insel wünschte und

bekannt für seinen Weg der Blockfreiheit war. In Zeiten des kalten Krieges

verärgerte er damit aber nicht nur die neue griechische Regierung, sonder auch

die USA.46

Im selben Jahr kam zu erneuten Kämpfen zwischen gewaltbereiten

griechischen und türkischen Zyprioten. Als die zypriotische Nationalgarde sich

unter Führung von General Grivas an ihnen beteiligte, drohte die Türkei mit

einer Intervention. Dies hatte sie regelmäßig seit 1963 angedroht, ihr Militär

Richtung Griechenland sowie Zypern stationiert, aber jedes Mal in letzter

Sekunde von einer Intervention abgesehen. Die griechische Diktatur, die hinter

39 Choisi, Jeanette, (1993), S. 236

40 Choisi, Jeanette, (1987), S. 86

41 http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?type_id=15&land_id=193, 01.05.04

42 Bis heute sind 1200 UN-Soldaten auf der Insel mit der Sicherung des Friedens betreut.

43 Tzermias, Pavlos, (1993), S.194 ff.

44 http://derstandard.at/?id=1641651, 28.04.04

45 www.wissen.de, 01.05.04

46 Tzermias, Pavlos, (1993), S. 205 f.

16

diese Krise steckte, befahl Grivas die Kämpfe einzustellen.47 Somit war der

Frieden auf der Insel vorläufig wieder hergestellt.

Am 15. Juli 1974 putschten in Nikosia griechische Offiziere der zypriotischen

Nationalgarde mit der Unterstützung der Regierung in Athen den

Staatspräsidenten. Makarios, der inzwischen „eine politische Selbständigkeit

der Insel propagierte“48, konnte aber fliehen.49

Der Staatsstreich mit dem Ziel der Enosis fand mit dem Wissen des US-

Geheimdienstes statt50. Das Schweigen der USA zu diesem Aufstand ist leicht

zu erklären: 1970 erreichte die kommunistische Partei AKEL bei den

Parlamentswahlen den Sieg, so dass die USA das Voranschreiten der

kommunistischen Kräfte auf Zypern befürchtete. Daneben hatte die

geografische Lage der Insel sich erneut als strategisch wertvoll erwiesen, als es

nämlich 1973 zum Yom-Kippur-Krieg im Nahenosten kam. Die USA wollten

diesen militärisch zweckdienlichen Staat in sicheren Händen wissen.51

Während des Putsches kam erneut es zu blutigen Auseinandersetzungen, bei

der die Putschisten auch türkische Zyprer angriffen. Die auf Zypern stationierte

UN-Friedenstruppe war nicht in der Lage die Übergriffe zu verhindern.52 Somit

berief sich die Türkei auf den Garantievertrag von 1960 und startete fünf Tage

später am 20. Juli 1974 die Militäraktion „Attila I“. Mit dieser Aktion intervenierte

die Türkei auf Nordzypern, und zwar mit dem Anspruch den Status quo der

Insel wieder herzustellen und die türkischen Zyprer zu beschützen..53 Mit dem

Anspruch die Unabhängigkeit der Insel wieder herzustellen und die türkischen

Zyprioten zu schützen.54 Der zweite türkische Einmarsch im August 1974 fand

unter dem Namen „Attila II“ statt.55 Obwohl die griechische Diktatur (folglich

auch der Putsch auf Zypern) unter dem Druck des androhenden Krieges

47 Choisi, Jeanette, (1993), S. 241

48 http://www.europa.wfg-hagen.de/zypern/osterweiterung_zypern_geschichte.htm, 01.05.04

49 www.wissen.de, 01.05.04

50 Tzermias, Pavlos, (1993), S. 205 f.

51 Tzermias, Pavlos, (1993), S. 203 ff .

52 Tatli, Suzan, (1986), S. 142

53 http://derstandard.at/?id=1641651, 28.04.2004

54 http://www.kypros.org/Zypern/zgeschichte.html , 01.05.04

55 Hillenbrand, Klaus, (1990), S.124

17

zusammengebrochen und sogar Makarios III als Staatsoberhaupt

zurückgekehrt war, besetzten die türkischen Truppen weiterhin den Norden der

Insel.56 Sie hatten 40% Zyperns mit etwa 60% der Industrie, 65% der

Landwirtschaft und 80% des Tourismus in ihrer Gewalt.57 Etwa 170 000

griechische Zyprer wurden aus diesen besetzten Gebieten vertrieben. Der

zyprische Teil der Insel entgegnete mit Angriffen auf im Süden lebende

türkische Zyprer, die daraufhin in den Norden flüchteten, wo sie Schutz von den

türkischen Einheiten erhielten. „Das Ergebnis der türkischen

Vertreibungsmaßnahmen einerseits und der Flucht vor dem griechischen Terror

andererseits war eine ethnische Homogenisierung sowie die endgültige Teilung

der Insel.“ 58

Die UNO schätzt, dass die Hälfte der türkischen und ein Drittel der griechischen

Zyprer mindestens einmal gewaltsam vertrieben wurden.59

In den folgenden Jahren wurde von der türkischen Regierung eine aggressive

Siedlungspolitik betrieben, die die demografischen Verhältnisse auf der Insel

veränderte. Den circa (ca.) 100 000 türkischen Zyprern standen nach der

Teilung der Insel ca. 80 000 türkische Siedler aus Anatolien gegenüber. Wobei

die etwa 35 000 auf Zypern stationierten türkischen Soldaten nicht in dieser

Zahl aufgenommen sind. Die Siedler erhielten sofort nach ihrer Ankunft die

Staatsbürgerschaft und das Wahlrecht, und zwar ohne, dass an sie jegliche

Anforderungen gestellt wurden.60

Seit der de facto Teilung der Insel bestand Zypern aus zwei politisch,

geografisch und wirtschaftlich einzelnen Teilstaaten. Die unterschiedlichen

Sprachen sowie Religionen machten und machen eine Annäherung beider

Gruppen nicht leichter.61

56 Tzermias, Pavlos, (1993), S. 207 f

57 Steinbach, Udo, (2003), S. 71

58 http://www.europa.wfg-hagen.de/zypern/osterweiterung_zypern_geschichte.htm, 01.05.04

59 http://www.uni -kassel.de/fb10/frieden/regionen/Zypern/mellenthin.html , 19.04.04

60 o. V., (1998), S. 20

61 http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?type_id=15&land_id=193, 01.05.04

18

2.4 Von der de facto Teilung bis zur Ausrufung der „Türkische

Republik Nord-Zypern“

Mit der Invasion der türkischen Truppen und der de facto Teilung der Insel

bekam der Zypernkonflikt ein ganz anderes Gesicht. Die ständigen blutigen

Auseinandersetzungen, die in den letzten Jahren den Konflikt dominiert hatten,

nahmen mit der Homogenisierung ein Ende. Übrig blieben nur noch

Streitigkeiten auf diplomatischer Ebene.

Seit Herbst 1974 bemühten sich die Vereinten Nationen um eine Lösung des

Problems. Bei den ersten Gesprächen 1974 forderten sie die Vereinigung

Zyperns und rieten den Konfliktparteien, als zwei ethnisch getrennte

Gemeinschaften, aber als gleichberechtigte Partner zu leben, die sich

gegenseitig schützen und respektieren. Weder die türkischzypriotischen noch

griechischzypriotischen Vertreter waren dazu bereit und waren sich lediglich in

ihrer Uneinigkeit einig. Die türkische Seite forderte eine lose Föderation mit

einem griechischen und türkischen Teil, wohingegen die Regierung auf Zypern

gegen eine Spaltung der Republik war.62

Rauf Denktas der Volksführer der türkischen Zyprer machte nach zahlreichen

gescheiterten Verhandlungen seine Forderung nach einem Teilstaat wahr und

proklamiert im Februar 1975 den „Föderativen Türkischzypriotischen Staat

Nord-Zypern“. Im Anschluss legte er der Regierung in Nikosia ein Elf-Punkte-

Programm vor, das unter Anderem folgendes vorsah:

- Die Republik soll sich in einen Bundesstaat mit zwei Gemeinschaften

und zwei Regionen entwickeln,

- keine Gemeinschaft darf die andere beherrschen oder dominieren,

- beide Gemeinschaften müssen gleichberechtigte Partner sein,

- der Garantievertrag von 1960 soll weiterhin Gültigkeit haben.63

62 Tatli, Suzan, (1986), S. 142

63 Tatli, Suzan, (1986), S. 142 ff.

19

An diesen Forderungen der Zyperntürken ist ganz deutlich zu erkennen, dass

die türkische Gemeinschaft die Probleme der Verfassung von 1960 und dem

Versuch der Verfassungsänderung von 1963 (Vgl. Kapitel 2.3) nicht

überwunden hatte, und sich weiterhin ohne den Schutz der Garantiemächte

nicht sicher vor den griechischen Zyprer fühlte.

Das Elf-Punkte-Programm wie auch die Proklamation des Teilstaates wurden

von Makarios III abgelehnt.64

Auch in den Jahren nach 1975 kam es unter der Beobachtung und Organisation

der Vereinten Nationen zu erneuten erfolglosen Verhandlungen zwischen den

Führern Nordzyperns und Südzyperns. Der Hauptgrund für die Unfähigkeit sich

auf einen Kompromiss einzulassen und somit die Insel wieder zu vereinen lag

in dem gegenseitigen verwurzelten Misstrauen der Konfliktparteien. Dieser

wechselseitige Argwohn verstärkte die unterschiedlichen Zielsetzungen. Beide

Gemeinschaften einigten sich auf den Wunsch nach einem bi-regionalen

Bundesstaat, unterschieden sich aber in der Vorstellung über die Stärke der

Zentralregierung. Auch gab es unüberbrückbare Differenzen über die Höhe des

Freiheitsgrades der Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit der zypriotischen

Bevölkerung. Als ein weiterer Grund für den Mangel an gegenseitigem

Entgegenkommen war der bequeme Status quo der Insel. Es gab keine Kämpfe

mehr zwischen den Gemeinschaften und die Wirtschaft stabilisierte sich

allmählich.65

Die halbherzigen Einigungsgespräche, aber auch das vermehrte Drängen der

Vereinten Nationen endlich eine Lösung zu finden, führten 1983 zu dem Ausruf

der „Türkische Republik Nord-Zypern“ (TRNC). Der UNO-Sicherheitsrat, der

seit der türkischen Invasion maßgeblich an den Gesprächen beteiligt war,

forderte im Mai 1983 den Abzug aller ausländischen Besatzungstruppen und

machte „(...) noch einmal klar und deutlich, dass für sie der Zypern-Konflikt erst

1974, und zwar durch die türkische Invasion, entstanden war“66. Daraufhin

64 Tatli, Suzan, (1986), S. 145

65 Choisi, Jeanette, (1993), S. 337

66 Tatli, Suzan, (1986), S. 181

20

verloren die türkischen Zyprer ihre Hoffnung auf eine Einigung, die auch die

Interessen ihrer Gemeinschaft berücksichtigen würde. 1974 hatten die

Zyperntürken ihr Vertrauen an die UNO verloren, als diese nicht in der Lage

war, sie vor den Angriffen der Putschisten zu beschützen. Nun fühlten sie sich

genauso alleine gelassen und verstanden nicht, dass ihnen die alleinige

Verantwortung für den Konflikt übertragen wurde.67

Die Unabhängigkeitserklärung, die von Denktas ausgesprochen wurde,

überraschte die Welt. Griechenland und die Republik Zypern forderten, dass die

Proklamation zurückgenommen werden sollte und unter keinen Umständen

international Anerkennung finden dürfte. So kam es auch drei Tage nach der

Staatsgründung zu der Verabschiedung einer UNO-Resolution, in der sie für

völkerrechtlich nicht gültig erklärt wurde. Die Türkei war das einzige Land, das

die Staatsgründung der TRNC anerkannt hat. Auf der islamischen

Gipfelkonferenz in Casablanca im Januar 1984 wurde dieser Schritt zwar

begrüßt, aber die Mitgliedsstaaten scheuten sich diplomatische Beziehungen zu

ihr aufzunehmen. Die USA, die den Bruch mit der Türkei nicht riskieren wollte,

zeigten sich zwar enttäuscht, aber scheute sich vor schärferer Kritik.68

Die Annerkennung und die Unterstützung durch die Türkei gingen so weit, dass

sie die Hälfte des Staatshaushaltes trugen und immer noch tragen. Außerdem

hatte der türkische Botschafter auf Zypern bei wichtigen Sitzungen des

Ministerrates ein Mitspracherecht. Dies führt zu der Vermutung, dass die

Türkische Republik Nord-Zypern kein selbstständiger Staat ist.69

2.5 Die geteilte Insel

Die international abgelehnte Unabhängigkeitserklärung des Nordens bedeutete

nicht das Ende der Verhandlungen. Die Gespräche wurden mit Hilfe der

Vereinten Nationen weitergeführt und 1985 wäre es beinahe zu einer 67 Berner, Uwe, (1992), S. 407 f f.

68 Tatli, Suzan, (1986), S 194 ff.

69 Hillenbrand, Klaus, (1990), S. 83

21

Kompromisslösung gekommen. Diese scheiterten jedoch an zwei wichtigen

Problempunkten. Eine Problemstellung war der genaue Zeitraum wie auch der

genaue Verlauf des Truppenabzuges des türkischen Militärs, und eine andere

Schwierigkeit bestand in der Frage der Freiheiten der Bewegung, der

Niederlassung und des Eigentums. Die griechischzypriotische Seite verlangte

eine sofortige Entmilitarisierung der Insel, und im Fall eines Einvernehmens

über die Verfassung internationale Beobachter zur Überwachung der

Vereinbarungen. Die türkischzypriotische Partei hingegen forderte erst die

Vereinbarungen mit ihrer sofortigen Durchsetzung und im Anschluss den Abzug

der Truppen. Auch bezüglich der Freiheiten waren die beiden Positionen

unversöhnlich. Die griechischen Zyprer sahen die uneingeschränkte Ausübung

ihrer Freiheiten vor, weil nach ihrem Verständnis ein föderativer Staat mit

starker Zentralregierung keine umgrenzten Teilgebiete besitzen könne, in

denen die Freiheiten eingeschränkt seien. Die Vertreter der türkischen Zyprer

hingegen wollten die Bürger eines gemeinsamen Zyperns in diesen Freiheiten

beschneiden, weil ihrer Ansicht nach die Autonomie des Bundesstaates dies

zulasse. Hinzu kam natürlich auch ihre Besorgnis, dass aus dem Norden

geflohene und vertriebene griechische Zyprioten zurückkehren wollen

könnten.70

Auch weiterhin hielten die Konfliktparteien an ihren Maximalforderungen fest

und waren nicht bereit aufeinander zuzugehen. Trotz internationaler

Bemühungen scheiterte jede Art von Verhandlung .

1990 beantragte die Republik Zypern ihre Aufnahme in die damalige

Europäische Gemeinschaft (EG). Bereits 5 Jahre später begannen die

Aufnahmeverhandlungen. Ein wichtiger Grund für die Aufnahme war die

Hoffnung der Europäischen Gemeinschaft, dass eine angestrebte EU-

Mitgliedschaft Druck auf die beiden Konfliktparteien aus dem Norden und

Süden Zyperns ausüben würde und somit die lang ersehnte Vereinigung

fördern würde.71

70 Choisi, Jeanette, (1993), S 371 f.

71 http://www.uni -kassel.de/fb10/frieden/regionen/Zypern/mellenthin.html , 19.04.04

22

Durch den Beginn der Prozesse zur Mitgliedschaft wurde auch ein

Assoziierungsabkommen mit der Republik Zypern getroffen, welches für den

Norden zur Folge hatte, dass Verkehrsbescheinigungen aus der Türkischen

Republik Nordzypern nicht mehr anerkannt wurden.72 Der Transport von Gütern

aber auch von Passagieren aus und in den Norden erfolgt seit diesem Zeitpunkt

nur noch über die Türkei.73

Im Dezember 2002 steht der Termin 1. Mai 2004 für den Beitritt Zyperns in die

EU fest, damit wurde der Wunsch nach einer baldigen Einigung dringend. Als

am 1. April 2004 die Gipfelgespräche in der Schweiz, an denen die Vertreter

der griechischen und türkischen Zyprer sowie die Außenminister und

Regierungschefs der Türkei und Griechenlands unter der Leitung des UNO-

Generalsekretärs Kofi Annan teilnahmen, scheiterten, führte dies zu dem

Entschluss, die Einigung über ein Referendum herzuleiten. Am 24 April 2004

stimmten die beiden Inselteile getrennt über Annans Vorschläge zur

Wiedervereinigung ab. Die Hoffnung bestand darin, dass die vereinigte

Republik Zypern als Mitglied der EU am 1. Mai 2004 beitritt.74 Wie die Umfragen

es vorhergesagt hatten, scheiterte das Referendum am Nein der griechischen

Zyprer. 76% von ihnen stimmten gegen den Annan-Plan ab, während 65% der

türkischen Zyprer für den Plan und somit für die Wiedervereinigung votierten.

Das Referendum hätte von beiden Bevölkerungsgruppen angenommen werden

müssen, um Zypern zu vereinen.75

Da die TRNC völkerrechtlich nicht anerkannt ist, trat zwar formal die gesamte

Insel der EU bei, jedoch ist das EU-Recht, solange die Insel de facto geteilt ist,

nur im Süden der Insel gültig.76

Die EU und die USA hatten beiden Inselteilen bei einer Wiedervereinigung

finanzielle Hilfen versprochen. Um den Vereinigungswillen der türkischen

Zyprer zu belohnen, sollen sie die zugesagten Subventionen erhalten, trotz der

72 http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/s40011.htm, 01.05.05

73 http://derstandard.at/?id=1641651, 28.04.04

74http://www.uni- kassel.de/fb10/frieden/regionen/Zypern/mellenthin.html , 19.04.04

75 http://derstandard.at/?id=1641651n, 28.04.04

76 http://www.taz.de/pt/2004/04/30/a0176.nf/text.ges,1, 30.04.04

23

Gesamtresultats der Abstimmung. Hinzukommt, dass mit

Handelserleichterungen die erhängten Sanktionen aufgelockert werden sollen.77

Schon jetzt haben die EU-Bürger das Recht sich frei zwischen dem Norden und

Süden der Insel zu bewegen. Die EU-Gemeinschaft verfolgt mit der

größtmöglichen Liberalisierung des Waren- und Personenverkehrs das Ziel,

den jahrzehntelangen Konflikt langfristig zu lösen..78

3 Schlusswort

Während der Osmanischen Herrschaft auf Zypern lebten die griechischen und

türkischen Zyprer friedlich miteinander. Beide Gemeinschaften waren vielmehr

mit der Sicherung ihrer Existenz beschäftigt, als dass sie sich am Dasein der

anderen Gemeinde störten.

Erst die Idee der Enosis, die sich nach 1830 über die Gebiete des ehemaligen

Byzantinischen Reiches verbreitete, zeigte die Unterschiede auf Zypern

zwischen den Volksgruppen auf und ließ ein der beiden Gemeinden, nämlich

die griechische, den alleinigen Anspruch auf die Insel erheben.

Der rücksichtslose Versuch der britischen Kolonialherrscher, Zypern für ihre

Belange auszunutzen und das damit zusammenhängende Desinteresse an der

Insel und ihren Problemen gab griechischen wie auch türkischen

Nationalismustendenzen reichhaltigen Nährboden. Die Auswirkungen waren

- sind immer noch - gegenseitiges Misstrauen, Fehleinschätzungen der

beiderseitigen Absichten und die kompromisslose Haltung, eine Einigung zu

verweigern. Die Haltung der internationalen Mächte sowie ihre egoistischen

Ansprüche, die sie auf Kosten der Zyprer auslebten, ließen eine Lösung des

Konflikts weiter in die Ferne rücken.

77 http://derstandard.at/?id=1641651n, 28.04.04

78 http://www.taz.de/pt/2004/04/30/a0176.nf/text.ges,1, 30.04.04

24

Erst im Rahmen der EU-Erweiterung nahmen sich die internationalen

Vereinigungen vermehrt der Problematiken auf Zypern an, wobei

undiplomatisches Vorgehen und der Zeitdruck durch die Aufnahme der

Republik Zypern in die EU die Verhandlungen nicht vereinfachten. Der Versuch,

durch ein Referendum eine Lösung über die Insel zu stülpen, ohne den

Parteien genügend Zeit gegeben zu haben das Referendum zu überprüfen,

scheiterte konsequenterweise. Es gilt zu hoffen, dass durch die Öffnung der

Grenze auf Zypern und den folgenden gegenseitigen Besuchen die

griechischen und die türkischen Zyprer ihre Gemeinsamkeiten, die

beispielsweise an ihrer Liebe zur ihrer Insel erkennen ist, entdecken und

gemeinschaftlich eine Lösung erarbeiten.

Den ersten Willen zur Vereinigung habe beide zypriotischen Seiten gezeigt, in

dem sie zu dem diesjährigen Eurovision Musikwettbewerb in Istanbul einen

gemeinsam gewählten Künstler entsandt haben, der die gesamte Insel

repräsentiert hat.

25

Literaturverzeichnis

Bücher, Aufsätze, Artikel, Studien

Berner, U., (1992) Der Weg der Zyperntürken von der Kolonialzeit zur

Unabhängigkeit, Pfaffenweiler

Choisi, J., (1987) Zypern Jüngste Geschichte einer Insel im Spannungsfeld

regionaler Gegensätze und internationaler Interessen, Berlin

Choisi, J., (1993) Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes 1878 bis 1990,

Dissertation, Stuttgart

Harenberg Länderlexikon, (2002)

Heide, U., (1980), Nationale Unabhängigkeit im Spannungsfeld von ethnischen

Unterschieden, sozialen Konflikten und Kolonialpolitik, Frankfurt/Main

Hillenbrand, K.; (1990) Cypern, München

Kaikitis, L., (1998) Zypern und die Europäische Union. Erwartungen und

Probleme einer eventuellen Vollmitgliedschaft Zyperns, Aachen

Ohne Verfasser, (1998) Das Zypernproblem. Historische Übersicht und

Analyse der jüngsten Entwicklungen, Herausgegeben vom Presse- und

Informationsamt, Republik Zypern, Nikosia

Scheuch, M.; (2004) Atlas zur Weltgeschichte Europa im 20. Jahrhundert,

Augsburg

Steinbach, U., (2003) Geschichte der Türkei, 3. durchgesehene und

aktualisierte Auflage, München

Tatli, S., (1986) Der Zypern-Konflikt, Pfaffenweiler

26

Tzermias, P., (1993) Neugriechische Geschichte Eine Einführung, 2.

überarbeitete und erweiterte Auflage, Tübingen

Internet

Auswärtiges Amt, www.auswaertiges-amt.de

Der Standard, www.derstandard.at

Encarta, www.encarta.msn.com

Europa, www.europa.eu.int

Europa, www.europa.wfg-hagen.de

Kypros, www.kypros.oeg

Osmanisches Reich, www.osmanischesreich.com

Tageszeitung, www.taz.de

Universität Kassel, www.uni-kassel.de

Wissen, www.wissen.de


Recommended