Fachhochschule Westküste Hochschule für Wirtschaft &
Technik
Der Zypernkonflikt
Hausarbeit im Studiengang Betriebswirtschaft
bei Prof. Dr. Silvia Grundmann
Yeter Cetinkilic Europarecht und -politik
Norderstraße 109 6. Fachsemester
25746, Heide 03.06.04
2
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis...........................................................................................................2
Abkürzungsverzeichnis .................................................................................................3
1 Einleitung ................................................................................................................4
2 Die Wurzeln des Zypernkonflikts ........................................................................6
2.1 Die Geschichte bis zur englischen Kolonialmacht 1878 ........................6
2.2 Der Weg in die Unabhängigkeit 1960 .......................................................8
2.3 Die Republik Zypern von 1960 bis zur türkischen Intervention 1974.12
2.4 Von der de facto Teilung bis zur Ausrufung der „Türkische Republik
Nord-Zypern“ ...........................................................................................................18
2.5 Die geteilte Insel .........................................................................................20
3 Schlusswort ..........................................................................................................23
Literaturverzeichnis ......................................................................................................25
3
Abkürzungsverzeichnis
ca. circa
EG Europäische Gemeinschaft
EOKA Nationale Organisation Zypriotischer Kämpfer
EU Europäische Union
NATO North Atlantic Treaty Organization
TMT Türkische Verteidigungsorganisation
TRNC Türkische Republik Nord-Zypern
u. A. unter Anderem
UNO United Nations Organization
USA United States of America
Vgl. Vergleich
4
1 Einleitung
„In einem Umkreis von 600 km Luftlinie von Nikosia liegen Kairo, der Golf von
Suez, der Golf von Akaba, Teile Jordaniens, Israel und der größte Teil Syriens.
In einem Aktionsradius von 1.200 km können auf dem Luftwege der Westen
Irans, der Persische Golf, Teile Arabiens, das Rote Meer, Teile Ägyptens im
Süden und natürlich der Gesamte Norden des Landes, der griechische
Peloponnes, Trazien und Mazedonien bis zur bulgarischen Grenze, die
türkische Schwarzmeerküste und Teile des westlichen Kaukasus erreicht
werden. Damit ist ein breiter Fächer von lufttaktischen und luftstrategischen
Operationen von zypriotischen Startbahnen aus gegeben. Diese Lage hat
Zypern auch den Beinamen unversenkbarer Flugzeugträger gegeben.“.1
Die geografische Stellung der Insel Zypern war und ist bis heute von
Bedeutung, wenn über den Konflikt auf Zypern diskutiert wird. Ihre besondere
Lage im Mittelmeer als Portal zwischen drei Kontinenten wurde ihr im Laufe des
letzten Jahrhunderts zum Verhängnis. Dies verursachte die Teilung Zyperns,
die bis heute andauert und Zyperns zum einzigen Staat innerhalb der
europäischen Grenzen macht, der noch auf eine Wiedervereinigung wartet.
Der Konflikt besteht nicht nur innerhalb der Grenzen Europas, sondern auch
zusätzlich zwischen den NATO-Partnern Griechenland und der Türkei. Die
beiden zyprerischen Teilstaaten sind politisch, geographisch und wirtschaftlich
völlig voneinander abgegrenzt. Verständigungsprozesse werden zusätzlich
dadurch behindert, dass beide Konfliktparteien unterschiedliche Sprachen
sprechen und unterschiedlichen Religionen angehören. Daneben werden die
politischen Gegensätze durch wirtschaftliche Interessenkonflikte verschärft.
Aber wie kam es zu der Teilung der Insel? Waren die beiden Volksgruppen
schon immer verfeindet? Diese beiden Fragen sind die Ausgangslage für diese
Hausarbeit, und sollen im Verlauf der Untersuchung beantwortet werden.
Kapitel zwei behandelt in fünf Unterkapitel die Wurzeln des Zypernkonflikts. 1 Choisi, Jeanette, (1990), S.192
5
In Kapitel 2.1 wird die Geschichte der Insel Zypern bis zur Kolonialherrschaft
erläutert. Wie lebten die griechischen und türkischen Zyprer miteinander unter
der Osmanischen Herrschaft? Entstand der Konflikt bereits hier? Wie und wieso
kam es zu der Annektierung Zyperns durch Großbritannien?
Einen Überblick über die nationalistischen Bewegungen der beiden
Mutterländer Griechenland und Türkei und ihre Folgen für den Konflikt werden
in Kapitel 2.2 aufgezeichnet. Welche Schuld trug der Kolonialherrscher an der
Entfachung des Konfliktes? Welche Maßnahmen haben den Weg in die
Unabhängigkeit geebnet und sich im Nachhinein als Holpersteine erwiesen?
Welche Probleme hatte die Verfassung der neu gegründeten Republik? War sie
von Anfang an zum Scheitern verurteilt? Wie und aus welchem Grund kam es
1974 zur Intervention durch die Türkei auf Zypern? Und war es eine
Intervention oder eine Invasion? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Kapitel 2.3.
Kapitel 2.4 zeichnet eine Darstellung über die Zeit nach der de facto Teilung der
Insel und über ihre anschließende Splitterung in zwei unabhängige Gebiete.
Kapitel 2.5 behandelt die Entwicklung seit der Staatsausrufung der Türkischen
Republik Nord-Zypern über den Weg des Beitrittsantrags der Republik Zypern
bis hin zum Abstimmungsergebnis des Referendums am 24. April 2004 und
seinen Folgen für die Insel.
Auf Grund der Schwere des Konfliktes und der Tatsache, dass viele
verschiedene Staaten sich direkt, aber auch indirekt am Zypernkonflikt beteiligt
haben, kann dieser nicht isoliert betrachtet werden.
Diese Hausarbeit bemüht sich daher um einen Einblick in die Entstehung und
Entwicklung des Konfliktes zu geben, wie auch die verschiedenen Positionen zu
berücksichtigen.
6
2 Die Wurzeln des Zypernkonflikts
2.1 Die Geschichte bis zur englischen Kolonialmacht 1878
Zypern liegt im Mittelmeer zwischen den drei Kontinenten Europa, Asien und
Afrika. Auf Grund dieser geografischen Lage (Vergleich (Vgl.) Einleitung) ist die
Insel schon immer für die Interessen der Großmächte von Bedeutung gewesen.
Sowohl des Handels wegen, als auch, um den imperialistischen
Machtansprüchen der Kolonialherrscher zu entsprechen.
Bis zur Eroberung durch das Byzantinische Reich stand Zypern unter der
Fremdherrschaft vieler verschiedener Eroberer.2
Mit der fast 1100-jährigen Herrschaft der Byzantiner3fand auch das Christentum
Einzug auf der Insel. Zypern erwies sich schon während der Kreuzritterzüge als
strategisch besonders wertvoll, da es als Zwischenstation auf dem Weg ins
Heilige Land diente. Unter der byzantinischen Herrschaft kam es zu
Vertreibungen der jüdischen Zyprer und die ersten Moslems setzten sich auf
Grund von arabischen Überfällen auf der Insel nieder.
Bis zur Eroberung durch das Osmanische Reich 1571 und seines 300-jährigen
Einflusses auf die Insel, herrschten unter Anderem (u. A.) Richard Löwenherz
und die Republik Venedig über Zypern.4
Mit der Einräumung bestimmter Selbstverwaltungsrechte und der Abschaffung
des westlichen Feudalsystems leiteten die Osmanen eine ganz neue Ära für die
Bewohner Zyperns ein. Hinzu kam, dass der Sultan die Position der griechisch-
orthodoxen Kirche stärkte und sie zum größten Landbesitzer der Insel machte.
Im Jahre 1754 wurde sogar der Erzbischof zum amtlichern Volksführer der
griechischen Zyprer ernannt, wobei sich herausstelle, dass die Kirche keine
2 http://www.kypros.org/Zypern/zgeschichte.html,01.05.04
3 Kaikitis, Lambros, (1998), S. 10
4 Berner, Uwe, (1992), S. 1 ff
7
verantwortliche Repräsentantin der orthodoxen Gemeinde war, sondern sich
durch Steuern und Abgaben ihrer Mitglieder bereicherte. Dies führte zu einer
Kluft zwischen Klerus und der griechischen Bevölkerung.
Die türkischen und die griechischen Inselbewohner lebten zwar friedlich
zusammen, aber von einem gleichberechtigten Miteinander waren sie sehr weit
entfernt. So gab es „bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts (…) auf Zypern
weniger einen Konflikt zwischen den Sprachen- und Religionsgruppen als
vielmehr einen Konflikt zwischen den Klassen“ 5.
Die osmanische Autorität bediente sich, ähnlich wie die türkische Regierung
1974 (Vgl. Kapitel 2.4) einer expansiven Siedlungspolitik die in einer Ansiedlung
von Tausenden Türken aus Anatolien resultierte. Die demografische Situation
veränderte sich nachhaltig, so dass die türkischen Siedler bald ein Viertel der
Gesamtbevölkerung ausmachten. Die Siedler wurden in den Städten
untergebracht, Kirchen in Moscheen umgewandelt und es entstanden getrennte
muslimische sowie christliche Viertel, wobei es den Christen nicht gestattet war
innerhalb der Stadtmauern zu leben. Auf dem Land lebten die
Religionsgemeinschaften teils unter sich teils miteinander.6
1878 kam es zur „Abtretung Zyperns an Großbritannien unter Beibehaltung des
Hoheitsrechts des Sultans“7.
Mit der Niederlage vor Wien 16838 wurde die Ausdehnungskraft der Osmanen
gestoppt und sie mussten Territorialverluste im Westen hinnehmen. Um weitere
Kriege und innere Reformen9 finanzieren zu können, nahmen sie vermehrt
Kredite von den Europäern auf, die sie zu tilgen nicht in der Lage waren und
somit den Staatsbankrott einleiteten. Der aufkeimende Nationalismus der
beherrschten Bevölkerung in Europa, sowie die innere Schwäche und der
Staatsbankrott des Osmanischen Reiches führen 1878 beim so genannten
5 Kaikitis, Lambros, (1998), S. 12 6 Kaikitis, Lambros, (1997), S. 11 ff.
7 http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/print_html?type_id=9&land_id=193 (01.05.04)
8 Scheuch, Manfred, (2004), S. 184
9 http://de.encarta.msn.com/encyclopedia_761553949/Osmanisches_Reich.html#p5, 15.05.04
8
Berliner Kongress zur Entlassung vieler besetzter Provinzen in ihre
Unabhängigkeit und der Überlassung Zyperns an die britische
Imperialmacht.10’11
Da die Türkei im ersten Weltkrieg deutsch-österreichischer Verbündeter war,
wurde Zypern endgültig von England annektiert und bleibt bis 1960 britische
Kronkolonie.12
2.2 Der Weg in die Unabhängigkeit 1960
Die Interessen der englischen Kolonialmacht an Zypern waren stets
strategischer Natur. Mit ihren Stützpunkten auf der Insel konnten sie den
Eingang zum Suezkanal kontrollieren und somit ihre Position im Nahen Osten
stärken.13 Hinzu kam, dass die Ölfunde im Nahen und Mittleren Osten zu
Anfang des letzten Jahrhunderts das Festhalten an ihren Ansprüchen an ihrer
Mittelmeerstellung bestärkte .14
Allerdings ignorierten sie während ihrer Autorität die zyprischen Probleme, wie
Beispielsweise die Klassenunterschiede und die Verarmung der Bevölkerung.
Selbst die Enosisbewegung 15, die den Anschluss der Insel an Griechenland zum
Ziel hatte, wurde bewusst nicht wahrgenommen, um keinen unnötigen Konflikt
zu entfachen.16
1830 wurde Griechenland unabhängig17 und damit entstand die „Megali Idea“
(Große Idee), welche die Rückeroberung der ehemaligen byzantinischen
Gebiete mit der Hauptstadt Konstantinopel vorsah. Aus ihr ging die Idee der
Enosis hervor.18
10 www.wissen.de, 15.05.04
11 http://www.osmanischesreich.com/Geschichte/Einfuhrung_1/einfuhrung_1.html, 15.05.04
12 http://derstandard.at/?id=1641651,28.04.04
13 Berner, Uwe, (1992), S. 26
14 Choisi, Jeanette, (1993), S. 192
15 Enosis = Eingliederung an das Mutterland Griechenland
16 Heide, Ulrich, (1980), S. 62 ff .
17 Scheuch, Manfred, (2004), S. 180
18 Kaikitis, Lambros, (1998), S.24
9
Mit Hilfe der griechisch-orthodoxen Kirche und unter der britischen
Fremdherrschaft konnte sich der Gedanke der Enosis auf die griechischen
Zyprer ausbreiten. Griechenland äußerte sich von 1878 bis 1950 nur zögerlich
zur Eingliederung Zyperns an das griechische Festland, weil es sich nur durch
den Einsatz der Briten vom Osmanischen Reich lösen konnte 19, und somit
Großbritannien Zypern nicht streitig machen wollte.20 1950 organisierte die
Kirche auf Zypern eine Volksabstimmung, in der sich die Mehrheit der
griechischen Zyprer für den Anschluss an Griechenland äußerte. Die Regierung
in London nahm das Abstimmungsergebnis nicht zur Kenntnis.21 Im selben Jahr
wurde Makarios III Erzbischof auf Zypern. Er engagierte sich vorerst friedlich für
die Enosis, u. A. wurde er bei der UNO für die Interessen der griechischen
Zyprer vorstellig.22
Lediglich 1915 war England kurzzeitig bereit, Zypern an Griechenland
abzugeben, wenn es am ersten Weltkrieg teilnähme und auf englischer Seite
kämpfte. Griechenland lehnte dies aber ab und hielt vorerst an seiner
Neutralität fest. 23
Die türkische Gemeinde Zyperns empfand die Enosisbewegung als Bedrohung,
nicht nur weil es 1912 mit der Begründung der Enosis auf Kreta zu
Vertreibungen von und Morden an Türken kam, sondern weil ihnen mit der
Enosis auch das Existenzrecht auf der Insel aberkannt wurde. Aus diesem
Grund kollaborierten sie mit der englischen Besatzungsmacht.24 Der spätere
Volksführer des türkisch besetzten Nordzyperns Rauf Denktas wurde sogar
britischer Generalstaatsanwalt auf Zypern und trat für die „Taksim“ (Teilung der
Insel in zwei Teile) ein.25
19 Scheuch, Manfred, (2004), S. 180
20 Berner, Uwe, (1992), S. 28
21 Choisi, Jeanette, (1987), S. 50
22 www.wissen.de, 01.05.04
23 Berner, Uwe, (1992), S 18 ff.
24 Berner, Uwe, (1992), S 18 ff.
25 http://derstandard.at/?id=1641651, 28.04.04
10
Ab 1951 spitzte sich der Konflikt auf Zypern immer mehr zu, so dass er in
blutigen Auseinandersetzungen zwischen griechischen und türkischen Zyprern,
die bürgerkriegsähnliche Formen annahmen, endete.
Makarios III gründete mit dem Erzbischof von Athen und dem in Griechenland
berühmten griechischen General Georgios Grivas die Organisation der EOKA
(Nationale Organisation Zypriotischer Kämpfer), eine Widerstandstruppe, die
unter der Führung Grivas für die Enosis kämpfen sollte. Im April 1955 kam es
zu den ersten Anschlägen auf britische Einrichtungen, denen weitere Übergriffe
auf Briten, aber auch auf türkische Zyprer folgen. Griechische Zyprer, die nicht
bereit waren für die Enosis zu kämpfen oder die sogar für die Unabhängigkeit
Zyperns einstanden, wurden ebenfalls bedroht und ermordet. Die EOKA
versucht mit diesen Operationen die Weltöffentlichkeit auf die Probleme der
Zyprioten aufmerksam zumachen und dem Fremdherrscher England die Stärke
sowie den Willen der griechischen Zyprer zu beweisen. Das Endziel der EOKA
war die Angliederung Zyperns an das Mutterland Griechenland. Um den
Aktionen der EOKA entgegenzutreten, stationierten die Briten 30 000 Soldaten
auf der Insel. Mit diesen, aber auch mit einer von den Engländern neu
gegründeten Hilfspolizei, die ausschließlich aus türkischen Zyprern bestand,
traten sie die Offensive an. Es kam zur Verhängung des Ausnahmezustandes.
Die türkische Antwort auf die EOKA bildete die TMT (Türkische
Verteidigungsorganisation), die sich aus der Vereinigung VOLKAN entwickelte.
VOLKAN wurde Mitte der 50er mit dem Wissen der britischen Regierung und
der finanziellen Unterstützung der Türkei gegründet. Zu Beginn der
Ausschreitungen forderte die TMT das Festhalten am Status Quo der Insel,
wobei sich dieses Ziel später in die Teilung der Insel umwandelte. Ihre
Begründung lag in der Behauptung, dass es für griechische und türkische
Zyprioten nicht möglich sei gemeinsam in Frieden zu leben und dass die
türkische Identität durch die Enosis gefährdet sei. Wie die EOKA lehnte sie
somit jede Form einer einheitlich nationalen Vereinbarung ab. Eine weitere
Gemeinsamkeit war ihre Grausamkeit, die auch türkische Zyprer spür ten, wenn
sie sich für eine Einigung der gesamten Insel aussprachen. Zwei berühmte
11
Mitglieder der TMT waren der spätere Vizepräsident der Republik Zypern Dr.
Fazil Kücük und der jahrelange Volksgruppenführer Rauf Denktas.26
1954 setzt sich Athen das erste Mal offiziell innerhalb der Vereinten Nationen
für das Selbstbestimmungsrecht der Zyprer ein, der dann die Eingliederung an
das Mutterland folgen sollte. Mit Beginn des Kalten Krieges kam es zur
Verschiebung der Weltmächte 27. Um den Einfluss der Kommunisten auf Zypern
entgegenzuwirken, unterstützten die USA vorerst die Bemühungen
Griechenlands.28
Mit dem so genannten Radcliffe-Plan 1956 bot die Kolonialmacht England
Zypern eine neue Verfassung an, wobei die Bestimmungsrechte der Insel, die
Außen- und Verteidigungspolitik, sowie die innere Sicherheit weiterhin unter
britischer Verwaltung bleiben sollten. Griechenland und die griechischen Zyprer
nahmen den Vorschlag nicht an. In einer weiteren Konferenz im selben Jahr in
London lud der Kolonialherr Griechenland und die Türkei zu Gesprächen ein.
Bei dieser Gelegenheit legte England der Türkei nahe, an ihrer
Maximalforderung, der Taksim, festzuhalten. Die Verhandlungen scheiterten,
und somit entwickelte sich der Konflikt zum „NATO-"Familienstreit"“29. In den
50er Jahren erwachte das Interesse und Ende der 50er sogar der Einsatz der
USA für die türkischen Belange, weil die Türkei die Tür zum Orient darstellte
und sie somit als Basis für die amerikanischen Einflüsse an den nah- und
mittelöstlichen Ölquellen dienen sollte.30
Aus diesem Grund sah der so genannte Macmillan-Plan von 1958 ebenfalls
eine Teilung der Insel vor. Zypern sollte lediglich für sieben weitere Jahre unter
britischer Herrschaft stehen und Griechenland sollte mit der Türkei gemeinsam
eine Verfassung für die Insel ausarbeiten. Die beteiligten Parteien lehnten auch
diesen Plan ab. Da sich die Situation auf Zypern verschlechterte, beschloss
England, die Insel in ihre Unabhängigkeit zu entlassen und dafür lediglich zwei
26 Choisi, Jeanette, (1993), S. 204 ff.
27 Steinbach, Udo, (2003), S. 66 ff.
28 Choisi, Jeanette, (1993), S. 194
29 http://derstandard.at/?id=1641651, 28.04.04
30 Steinbach, Udo, (2003), S. 66 ff.
12
Militärstützpunkte auf ihr zu fordern. Griechenland als auch die Türkei mussten
einlenken, da bei Verweigerung und längerem Beharren auf den
Maximalforderungen der Enosis und der Taksim die USA, die endlich den
Frieden an der Südostflanke der NATO erreichen wollte, beiden ihre
Wirtschaftshilfen zu kürzen drohte. Hinzu kam, dass Großbritannien der Türkei
versprach, dass Zypern kein Teil Griechenlands würde. Zudem beunruhigte
England Griechenland damit, dass es bei einer militärischen Konfrontation mit
der Türkei um Zypern keine Unterstützung zu erwarten habe. Auch der
Erzbischof Makarios III stimmte der Unabhängigkeit zu, weil er sich vorerst
keine Unterstützung durch Griechenland erhoffte und er seinen Wunsch nach
der Enosis auf einen in der Zukunft liegenden Zeitpunkt verlegte. Die türkischen
Zyprer willigten ebenso ein, nicht nur, weil ihnen weitreichende politische
Rechte eingeräumt, sondern auch, weil die Enosis ausgeschlossen wurde.31 Am
16. August 1960 wurde die Republik Zypern proklamiert.32
2.3 Die Republik Zypern von 1960 bis zur türkischen Intervention 1974
Die Verträge, die 1960 für die Unabhängigkeit Zyperns verantwortlich waren,
bestanden aus vier Kontrakten:
1. Dem Garantievertrag (The Treaty of Gurantee): In ihm garantieren
Großbritannien, Griechenland und die Türkei die Unabhängigkeit,
territoriale Integrität und Sicherheit der Republik Zypern. Sie tragen
gemeinsam sorge, dass Zypern die Verträge einhält und im Falle einer
Rechtsverletzung gemeinsam Schritte zu ergreifen. Wenn die
Garantiemächte nicht gemeinsam vorgehen können, dann ist jeder der
Staaten verpflichtet alleine den Status Quo wiederherzustellen.
31 Choisi, Jeanette, (1993), S. 195 ff.
32 http://derstandard.at/?id=1641651, 28.04.04
13
2. Dem Allianzvertrag (The Treaty of Alliance): In ihm werden
Griechenland und der Türkei das Recht eingeräumt eine festgelegte
Zahl an militärische Einheiten auf Zypern zu stationieren.
3. Dem Vertrag der etablierten Macht (The Traety of Establishment): In
ihm wird festgelegt, dass Großbritannien zwei souveräne Militärbasen
auf Zypern errichten darf.
4. Dem Vertrag über das Abkommen der grundlegenden Strukturen der
Republik Zypern (The agreement on basic struc tur of the Republic of
Cyprus): In ihm werden alle grundlegenden Bestimmungen für die
Verfassung aufgenommen. Eine Schlüsselbestimmung ist der
kommunale Dualismus.
In Anlehnung an diese vier Vereinbarungen wurde unter Beteiligung einer
griechischen, türkischen, zyperngriechischen und zyperntürkischen Delegation
sowie eines Schweizer Rechtsexperten eine Verfassung ausgearbeitet. Diese
Verfassung enthielt u. A. folgende Punkte:
- Der Präsident muss ein griechischer Zyprer sein, der von der
griechischzypriotischen Volksgruppe gewählt wird,
- der Vizepräsident muss ein türkischer Zyprer sein, der von der
türkischzypriotischen Volksgruppe gewählt wird,
- der Vizepräsident hat ein Vetorecht für alle im Parlament
verabschiedeten Gesetzte,
- der Ministerrat besteht aus 10 Ministern, davon müssen drei türkische
Zyprer sein, obwohl der türkische Anteil an der Gesamtbevölkerung
nur 18% betrug,
- das Parlament hat 50 Sitze, davon gingen 35 Sitze an griechische
und 15 Sitze an türkische Zyprioten, wobei jede Seite von ihren
eigenen Gemeinschaften gewählt wird,
14
- im Parlament verabschiedete Gesetzte bedürfen einer 2/3 Mehrheit
beider Gruppen,
- die Enosis und die Taksim werden ausgeschlossen.
Eine fundamentale Schwierigkeit für die Verfassung bestand darin, dass die
Führungseliten beider Volksgruppen nicht an sie glaubten und die
Unabhängigkeit der Insel lediglich als Zwischenstadium auf dem Weg zur
Enosis bzw. Taksim sahen.33
Der Staatspräsident der neuen Republik wird der Erzbischof Makarios III34 und
sein Vizepräsident Dr. Fazil Kücük (vgl. Kapital 2.2). 35
Bereits drei Jahre nach der Gründung der Republik kam es zu erneuten
blutigen Auseinandersetzungen auf der Insel. Anlass dafür war der Versuch von
Makarios III, eine Gesetzesänderung im Parlament durchzusetzen, die die
türkische Gemeinde in ihren Rechten einschränken sollte.36 Im Detail
beinhaltete die Umschreibung der Staatordnung, dass der dualistische
Staatsaufbau, das Vetorecht des Vizepräsidenten und die
Minderheitsbestimmungen abgeschafft werden sollten. Diese Variante der
Verfassung hätte aber bedeutet, dass der bi-kommunale Charakter Zyperns
aufgehoben wird und die türkischen Zyprioten von da an eine Minderheit
innerhalb des zyperngriechischen Staates darstellen. Auch wollte Makarios III
den Garantievertrag aufheben und so die Möglichkeit der Intervention der
Garantiemächte ausschließen.37
Die türkischen Zyprer nutzten diese Gelegenheit und forderten erneut die
Teilung der Insel.38
Der Konflikt auf parlamentarischer Ebene hatte auch zur Folge, dass die
ehemaligen Untergrundorganisationen EOKA und TMT wieder mit
33 Tatli, Suzan, (1986), S. 42 ff.
34 Harenberg Länderlexikon, (2002), S. 1164
35 Tatli, Suzan, (1986) , S. 53
36 http://derstandard.at/?id=1641651, 28.04.04
37 Tatli, Suzan, (1986) , S. 51 ff.
38 http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?type_id=15&land_id=193, 01.05.04
15
Bombenanschlägen und Attentaten ihre alten Forderungen nach der Enosis und
Taksim durchzusetzen versuchten. Im Dezember 1963 nahmen sogar
griechische und türkische Militäreinheiten an den Kämpfen teil.39
Im April 1964 schalteten die Konfliktparteien den UN-Sicherheitsrat ein, der eine
7000 Mann starke UN-Friedenstruppe stationierte. Ihre Aufgabe bestand darin
den Frieden wieder herzustellen und für eine Normalisierung des Inselalltages
zu sorgen.40 Die Blauhelme bewirkten zwar einen Waffenstillstand, aber der
Konflikt blieb ungelöst. 4142
1967 putschte das Militär in Griechenland die Regierung, so dass es unter
Papadopoulos zu einer sieben jährigen Militärdiktatur kam. Bereits eine Woche
nach der Machtübernahme erklärte Papadopoulos die Enosis als
unumstößliches Ziel der Außenpolitik.43 Die Diktatur in Griechenland erhielt
jedoch keinen Zuspruch von Makarios III und wurde stark verurteilt44, hatte aber
reichlich Befürworter unter den griechischen Offizieren der zypriotischen
Armee45. Griechenland sah die Eingliederung Zyperns an das Mutterland ohne
Makarios III vor, weil dieser keine Militärherrschaft für die Insel wünschte und
bekannt für seinen Weg der Blockfreiheit war. In Zeiten des kalten Krieges
verärgerte er damit aber nicht nur die neue griechische Regierung, sonder auch
die USA.46
Im selben Jahr kam zu erneuten Kämpfen zwischen gewaltbereiten
griechischen und türkischen Zyprioten. Als die zypriotische Nationalgarde sich
unter Führung von General Grivas an ihnen beteiligte, drohte die Türkei mit
einer Intervention. Dies hatte sie regelmäßig seit 1963 angedroht, ihr Militär
Richtung Griechenland sowie Zypern stationiert, aber jedes Mal in letzter
Sekunde von einer Intervention abgesehen. Die griechische Diktatur, die hinter
39 Choisi, Jeanette, (1993), S. 236
40 Choisi, Jeanette, (1987), S. 86
41 http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?type_id=15&land_id=193, 01.05.04
42 Bis heute sind 1200 UN-Soldaten auf der Insel mit der Sicherung des Friedens betreut.
43 Tzermias, Pavlos, (1993), S.194 ff.
44 http://derstandard.at/?id=1641651, 28.04.04
45 www.wissen.de, 01.05.04
46 Tzermias, Pavlos, (1993), S. 205 f.
16
diese Krise steckte, befahl Grivas die Kämpfe einzustellen.47 Somit war der
Frieden auf der Insel vorläufig wieder hergestellt.
Am 15. Juli 1974 putschten in Nikosia griechische Offiziere der zypriotischen
Nationalgarde mit der Unterstützung der Regierung in Athen den
Staatspräsidenten. Makarios, der inzwischen „eine politische Selbständigkeit
der Insel propagierte“48, konnte aber fliehen.49
Der Staatsstreich mit dem Ziel der Enosis fand mit dem Wissen des US-
Geheimdienstes statt50. Das Schweigen der USA zu diesem Aufstand ist leicht
zu erklären: 1970 erreichte die kommunistische Partei AKEL bei den
Parlamentswahlen den Sieg, so dass die USA das Voranschreiten der
kommunistischen Kräfte auf Zypern befürchtete. Daneben hatte die
geografische Lage der Insel sich erneut als strategisch wertvoll erwiesen, als es
nämlich 1973 zum Yom-Kippur-Krieg im Nahenosten kam. Die USA wollten
diesen militärisch zweckdienlichen Staat in sicheren Händen wissen.51
Während des Putsches kam erneut es zu blutigen Auseinandersetzungen, bei
der die Putschisten auch türkische Zyprer angriffen. Die auf Zypern stationierte
UN-Friedenstruppe war nicht in der Lage die Übergriffe zu verhindern.52 Somit
berief sich die Türkei auf den Garantievertrag von 1960 und startete fünf Tage
später am 20. Juli 1974 die Militäraktion „Attila I“. Mit dieser Aktion intervenierte
die Türkei auf Nordzypern, und zwar mit dem Anspruch den Status quo der
Insel wieder herzustellen und die türkischen Zyprer zu beschützen..53 Mit dem
Anspruch die Unabhängigkeit der Insel wieder herzustellen und die türkischen
Zyprioten zu schützen.54 Der zweite türkische Einmarsch im August 1974 fand
unter dem Namen „Attila II“ statt.55 Obwohl die griechische Diktatur (folglich
auch der Putsch auf Zypern) unter dem Druck des androhenden Krieges
47 Choisi, Jeanette, (1993), S. 241
48 http://www.europa.wfg-hagen.de/zypern/osterweiterung_zypern_geschichte.htm, 01.05.04
49 www.wissen.de, 01.05.04
50 Tzermias, Pavlos, (1993), S. 205 f.
51 Tzermias, Pavlos, (1993), S. 203 ff .
52 Tatli, Suzan, (1986), S. 142
53 http://derstandard.at/?id=1641651, 28.04.2004
54 http://www.kypros.org/Zypern/zgeschichte.html , 01.05.04
55 Hillenbrand, Klaus, (1990), S.124
17
zusammengebrochen und sogar Makarios III als Staatsoberhaupt
zurückgekehrt war, besetzten die türkischen Truppen weiterhin den Norden der
Insel.56 Sie hatten 40% Zyperns mit etwa 60% der Industrie, 65% der
Landwirtschaft und 80% des Tourismus in ihrer Gewalt.57 Etwa 170 000
griechische Zyprer wurden aus diesen besetzten Gebieten vertrieben. Der
zyprische Teil der Insel entgegnete mit Angriffen auf im Süden lebende
türkische Zyprer, die daraufhin in den Norden flüchteten, wo sie Schutz von den
türkischen Einheiten erhielten. „Das Ergebnis der türkischen
Vertreibungsmaßnahmen einerseits und der Flucht vor dem griechischen Terror
andererseits war eine ethnische Homogenisierung sowie die endgültige Teilung
der Insel.“ 58
Die UNO schätzt, dass die Hälfte der türkischen und ein Drittel der griechischen
Zyprer mindestens einmal gewaltsam vertrieben wurden.59
In den folgenden Jahren wurde von der türkischen Regierung eine aggressive
Siedlungspolitik betrieben, die die demografischen Verhältnisse auf der Insel
veränderte. Den circa (ca.) 100 000 türkischen Zyprern standen nach der
Teilung der Insel ca. 80 000 türkische Siedler aus Anatolien gegenüber. Wobei
die etwa 35 000 auf Zypern stationierten türkischen Soldaten nicht in dieser
Zahl aufgenommen sind. Die Siedler erhielten sofort nach ihrer Ankunft die
Staatsbürgerschaft und das Wahlrecht, und zwar ohne, dass an sie jegliche
Anforderungen gestellt wurden.60
Seit der de facto Teilung der Insel bestand Zypern aus zwei politisch,
geografisch und wirtschaftlich einzelnen Teilstaaten. Die unterschiedlichen
Sprachen sowie Religionen machten und machen eine Annäherung beider
Gruppen nicht leichter.61
56 Tzermias, Pavlos, (1993), S. 207 f
57 Steinbach, Udo, (2003), S. 71
58 http://www.europa.wfg-hagen.de/zypern/osterweiterung_zypern_geschichte.htm, 01.05.04
59 http://www.uni -kassel.de/fb10/frieden/regionen/Zypern/mellenthin.html , 19.04.04
60 o. V., (1998), S. 20
61 http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos/laender/laender_ausgabe_html?type_id=15&land_id=193, 01.05.04
18
2.4 Von der de facto Teilung bis zur Ausrufung der „Türkische
Republik Nord-Zypern“
Mit der Invasion der türkischen Truppen und der de facto Teilung der Insel
bekam der Zypernkonflikt ein ganz anderes Gesicht. Die ständigen blutigen
Auseinandersetzungen, die in den letzten Jahren den Konflikt dominiert hatten,
nahmen mit der Homogenisierung ein Ende. Übrig blieben nur noch
Streitigkeiten auf diplomatischer Ebene.
Seit Herbst 1974 bemühten sich die Vereinten Nationen um eine Lösung des
Problems. Bei den ersten Gesprächen 1974 forderten sie die Vereinigung
Zyperns und rieten den Konfliktparteien, als zwei ethnisch getrennte
Gemeinschaften, aber als gleichberechtigte Partner zu leben, die sich
gegenseitig schützen und respektieren. Weder die türkischzypriotischen noch
griechischzypriotischen Vertreter waren dazu bereit und waren sich lediglich in
ihrer Uneinigkeit einig. Die türkische Seite forderte eine lose Föderation mit
einem griechischen und türkischen Teil, wohingegen die Regierung auf Zypern
gegen eine Spaltung der Republik war.62
Rauf Denktas der Volksführer der türkischen Zyprer machte nach zahlreichen
gescheiterten Verhandlungen seine Forderung nach einem Teilstaat wahr und
proklamiert im Februar 1975 den „Föderativen Türkischzypriotischen Staat
Nord-Zypern“. Im Anschluss legte er der Regierung in Nikosia ein Elf-Punkte-
Programm vor, das unter Anderem folgendes vorsah:
- Die Republik soll sich in einen Bundesstaat mit zwei Gemeinschaften
und zwei Regionen entwickeln,
- keine Gemeinschaft darf die andere beherrschen oder dominieren,
- beide Gemeinschaften müssen gleichberechtigte Partner sein,
- der Garantievertrag von 1960 soll weiterhin Gültigkeit haben.63
62 Tatli, Suzan, (1986), S. 142
63 Tatli, Suzan, (1986), S. 142 ff.
19
An diesen Forderungen der Zyperntürken ist ganz deutlich zu erkennen, dass
die türkische Gemeinschaft die Probleme der Verfassung von 1960 und dem
Versuch der Verfassungsänderung von 1963 (Vgl. Kapitel 2.3) nicht
überwunden hatte, und sich weiterhin ohne den Schutz der Garantiemächte
nicht sicher vor den griechischen Zyprer fühlte.
Das Elf-Punkte-Programm wie auch die Proklamation des Teilstaates wurden
von Makarios III abgelehnt.64
Auch in den Jahren nach 1975 kam es unter der Beobachtung und Organisation
der Vereinten Nationen zu erneuten erfolglosen Verhandlungen zwischen den
Führern Nordzyperns und Südzyperns. Der Hauptgrund für die Unfähigkeit sich
auf einen Kompromiss einzulassen und somit die Insel wieder zu vereinen lag
in dem gegenseitigen verwurzelten Misstrauen der Konfliktparteien. Dieser
wechselseitige Argwohn verstärkte die unterschiedlichen Zielsetzungen. Beide
Gemeinschaften einigten sich auf den Wunsch nach einem bi-regionalen
Bundesstaat, unterschieden sich aber in der Vorstellung über die Stärke der
Zentralregierung. Auch gab es unüberbrückbare Differenzen über die Höhe des
Freiheitsgrades der Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit der zypriotischen
Bevölkerung. Als ein weiterer Grund für den Mangel an gegenseitigem
Entgegenkommen war der bequeme Status quo der Insel. Es gab keine Kämpfe
mehr zwischen den Gemeinschaften und die Wirtschaft stabilisierte sich
allmählich.65
Die halbherzigen Einigungsgespräche, aber auch das vermehrte Drängen der
Vereinten Nationen endlich eine Lösung zu finden, führten 1983 zu dem Ausruf
der „Türkische Republik Nord-Zypern“ (TRNC). Der UNO-Sicherheitsrat, der
seit der türkischen Invasion maßgeblich an den Gesprächen beteiligt war,
forderte im Mai 1983 den Abzug aller ausländischen Besatzungstruppen und
machte „(...) noch einmal klar und deutlich, dass für sie der Zypern-Konflikt erst
1974, und zwar durch die türkische Invasion, entstanden war“66. Daraufhin
64 Tatli, Suzan, (1986), S. 145
65 Choisi, Jeanette, (1993), S. 337
66 Tatli, Suzan, (1986), S. 181
20
verloren die türkischen Zyprer ihre Hoffnung auf eine Einigung, die auch die
Interessen ihrer Gemeinschaft berücksichtigen würde. 1974 hatten die
Zyperntürken ihr Vertrauen an die UNO verloren, als diese nicht in der Lage
war, sie vor den Angriffen der Putschisten zu beschützen. Nun fühlten sie sich
genauso alleine gelassen und verstanden nicht, dass ihnen die alleinige
Verantwortung für den Konflikt übertragen wurde.67
Die Unabhängigkeitserklärung, die von Denktas ausgesprochen wurde,
überraschte die Welt. Griechenland und die Republik Zypern forderten, dass die
Proklamation zurückgenommen werden sollte und unter keinen Umständen
international Anerkennung finden dürfte. So kam es auch drei Tage nach der
Staatsgründung zu der Verabschiedung einer UNO-Resolution, in der sie für
völkerrechtlich nicht gültig erklärt wurde. Die Türkei war das einzige Land, das
die Staatsgründung der TRNC anerkannt hat. Auf der islamischen
Gipfelkonferenz in Casablanca im Januar 1984 wurde dieser Schritt zwar
begrüßt, aber die Mitgliedsstaaten scheuten sich diplomatische Beziehungen zu
ihr aufzunehmen. Die USA, die den Bruch mit der Türkei nicht riskieren wollte,
zeigten sich zwar enttäuscht, aber scheute sich vor schärferer Kritik.68
Die Annerkennung und die Unterstützung durch die Türkei gingen so weit, dass
sie die Hälfte des Staatshaushaltes trugen und immer noch tragen. Außerdem
hatte der türkische Botschafter auf Zypern bei wichtigen Sitzungen des
Ministerrates ein Mitspracherecht. Dies führt zu der Vermutung, dass die
Türkische Republik Nord-Zypern kein selbstständiger Staat ist.69
2.5 Die geteilte Insel
Die international abgelehnte Unabhängigkeitserklärung des Nordens bedeutete
nicht das Ende der Verhandlungen. Die Gespräche wurden mit Hilfe der
Vereinten Nationen weitergeführt und 1985 wäre es beinahe zu einer 67 Berner, Uwe, (1992), S. 407 f f.
68 Tatli, Suzan, (1986), S 194 ff.
69 Hillenbrand, Klaus, (1990), S. 83
21
Kompromisslösung gekommen. Diese scheiterten jedoch an zwei wichtigen
Problempunkten. Eine Problemstellung war der genaue Zeitraum wie auch der
genaue Verlauf des Truppenabzuges des türkischen Militärs, und eine andere
Schwierigkeit bestand in der Frage der Freiheiten der Bewegung, der
Niederlassung und des Eigentums. Die griechischzypriotische Seite verlangte
eine sofortige Entmilitarisierung der Insel, und im Fall eines Einvernehmens
über die Verfassung internationale Beobachter zur Überwachung der
Vereinbarungen. Die türkischzypriotische Partei hingegen forderte erst die
Vereinbarungen mit ihrer sofortigen Durchsetzung und im Anschluss den Abzug
der Truppen. Auch bezüglich der Freiheiten waren die beiden Positionen
unversöhnlich. Die griechischen Zyprer sahen die uneingeschränkte Ausübung
ihrer Freiheiten vor, weil nach ihrem Verständnis ein föderativer Staat mit
starker Zentralregierung keine umgrenzten Teilgebiete besitzen könne, in
denen die Freiheiten eingeschränkt seien. Die Vertreter der türkischen Zyprer
hingegen wollten die Bürger eines gemeinsamen Zyperns in diesen Freiheiten
beschneiden, weil ihrer Ansicht nach die Autonomie des Bundesstaates dies
zulasse. Hinzu kam natürlich auch ihre Besorgnis, dass aus dem Norden
geflohene und vertriebene griechische Zyprioten zurückkehren wollen
könnten.70
Auch weiterhin hielten die Konfliktparteien an ihren Maximalforderungen fest
und waren nicht bereit aufeinander zuzugehen. Trotz internationaler
Bemühungen scheiterte jede Art von Verhandlung .
1990 beantragte die Republik Zypern ihre Aufnahme in die damalige
Europäische Gemeinschaft (EG). Bereits 5 Jahre später begannen die
Aufnahmeverhandlungen. Ein wichtiger Grund für die Aufnahme war die
Hoffnung der Europäischen Gemeinschaft, dass eine angestrebte EU-
Mitgliedschaft Druck auf die beiden Konfliktparteien aus dem Norden und
Süden Zyperns ausüben würde und somit die lang ersehnte Vereinigung
fördern würde.71
70 Choisi, Jeanette, (1993), S 371 f.
71 http://www.uni -kassel.de/fb10/frieden/regionen/Zypern/mellenthin.html , 19.04.04
22
Durch den Beginn der Prozesse zur Mitgliedschaft wurde auch ein
Assoziierungsabkommen mit der Republik Zypern getroffen, welches für den
Norden zur Folge hatte, dass Verkehrsbescheinigungen aus der Türkischen
Republik Nordzypern nicht mehr anerkannt wurden.72 Der Transport von Gütern
aber auch von Passagieren aus und in den Norden erfolgt seit diesem Zeitpunkt
nur noch über die Türkei.73
Im Dezember 2002 steht der Termin 1. Mai 2004 für den Beitritt Zyperns in die
EU fest, damit wurde der Wunsch nach einer baldigen Einigung dringend. Als
am 1. April 2004 die Gipfelgespräche in der Schweiz, an denen die Vertreter
der griechischen und türkischen Zyprer sowie die Außenminister und
Regierungschefs der Türkei und Griechenlands unter der Leitung des UNO-
Generalsekretärs Kofi Annan teilnahmen, scheiterten, führte dies zu dem
Entschluss, die Einigung über ein Referendum herzuleiten. Am 24 April 2004
stimmten die beiden Inselteile getrennt über Annans Vorschläge zur
Wiedervereinigung ab. Die Hoffnung bestand darin, dass die vereinigte
Republik Zypern als Mitglied der EU am 1. Mai 2004 beitritt.74 Wie die Umfragen
es vorhergesagt hatten, scheiterte das Referendum am Nein der griechischen
Zyprer. 76% von ihnen stimmten gegen den Annan-Plan ab, während 65% der
türkischen Zyprer für den Plan und somit für die Wiedervereinigung votierten.
Das Referendum hätte von beiden Bevölkerungsgruppen angenommen werden
müssen, um Zypern zu vereinen.75
Da die TRNC völkerrechtlich nicht anerkannt ist, trat zwar formal die gesamte
Insel der EU bei, jedoch ist das EU-Recht, solange die Insel de facto geteilt ist,
nur im Süden der Insel gültig.76
Die EU und die USA hatten beiden Inselteilen bei einer Wiedervereinigung
finanzielle Hilfen versprochen. Um den Vereinigungswillen der türkischen
Zyprer zu belohnen, sollen sie die zugesagten Subventionen erhalten, trotz der
72 http://europa.eu.int/scadplus/leg/de/s40011.htm, 01.05.05
73 http://derstandard.at/?id=1641651, 28.04.04
74http://www.uni- kassel.de/fb10/frieden/regionen/Zypern/mellenthin.html , 19.04.04
75 http://derstandard.at/?id=1641651n, 28.04.04
76 http://www.taz.de/pt/2004/04/30/a0176.nf/text.ges,1, 30.04.04
23
Gesamtresultats der Abstimmung. Hinzukommt, dass mit
Handelserleichterungen die erhängten Sanktionen aufgelockert werden sollen.77
Schon jetzt haben die EU-Bürger das Recht sich frei zwischen dem Norden und
Süden der Insel zu bewegen. Die EU-Gemeinschaft verfolgt mit der
größtmöglichen Liberalisierung des Waren- und Personenverkehrs das Ziel,
den jahrzehntelangen Konflikt langfristig zu lösen..78
3 Schlusswort
Während der Osmanischen Herrschaft auf Zypern lebten die griechischen und
türkischen Zyprer friedlich miteinander. Beide Gemeinschaften waren vielmehr
mit der Sicherung ihrer Existenz beschäftigt, als dass sie sich am Dasein der
anderen Gemeinde störten.
Erst die Idee der Enosis, die sich nach 1830 über die Gebiete des ehemaligen
Byzantinischen Reiches verbreitete, zeigte die Unterschiede auf Zypern
zwischen den Volksgruppen auf und ließ ein der beiden Gemeinden, nämlich
die griechische, den alleinigen Anspruch auf die Insel erheben.
Der rücksichtslose Versuch der britischen Kolonialherrscher, Zypern für ihre
Belange auszunutzen und das damit zusammenhängende Desinteresse an der
Insel und ihren Problemen gab griechischen wie auch türkischen
Nationalismustendenzen reichhaltigen Nährboden. Die Auswirkungen waren
- sind immer noch - gegenseitiges Misstrauen, Fehleinschätzungen der
beiderseitigen Absichten und die kompromisslose Haltung, eine Einigung zu
verweigern. Die Haltung der internationalen Mächte sowie ihre egoistischen
Ansprüche, die sie auf Kosten der Zyprer auslebten, ließen eine Lösung des
Konflikts weiter in die Ferne rücken.
77 http://derstandard.at/?id=1641651n, 28.04.04
78 http://www.taz.de/pt/2004/04/30/a0176.nf/text.ges,1, 30.04.04
24
Erst im Rahmen der EU-Erweiterung nahmen sich die internationalen
Vereinigungen vermehrt der Problematiken auf Zypern an, wobei
undiplomatisches Vorgehen und der Zeitdruck durch die Aufnahme der
Republik Zypern in die EU die Verhandlungen nicht vereinfachten. Der Versuch,
durch ein Referendum eine Lösung über die Insel zu stülpen, ohne den
Parteien genügend Zeit gegeben zu haben das Referendum zu überprüfen,
scheiterte konsequenterweise. Es gilt zu hoffen, dass durch die Öffnung der
Grenze auf Zypern und den folgenden gegenseitigen Besuchen die
griechischen und die türkischen Zyprer ihre Gemeinsamkeiten, die
beispielsweise an ihrer Liebe zur ihrer Insel erkennen ist, entdecken und
gemeinschaftlich eine Lösung erarbeiten.
Den ersten Willen zur Vereinigung habe beide zypriotischen Seiten gezeigt, in
dem sie zu dem diesjährigen Eurovision Musikwettbewerb in Istanbul einen
gemeinsam gewählten Künstler entsandt haben, der die gesamte Insel
repräsentiert hat.
25
Literaturverzeichnis
Bücher, Aufsätze, Artikel, Studien
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Unabhängigkeit, Pfaffenweiler
Choisi, J., (1987) Zypern Jüngste Geschichte einer Insel im Spannungsfeld
regionaler Gegensätze und internationaler Interessen, Berlin
Choisi, J., (1993) Wurzeln und Strukturen des Zypernkonfliktes 1878 bis 1990,
Dissertation, Stuttgart
Harenberg Länderlexikon, (2002)
Heide, U., (1980), Nationale Unabhängigkeit im Spannungsfeld von ethnischen
Unterschieden, sozialen Konflikten und Kolonialpolitik, Frankfurt/Main
Hillenbrand, K.; (1990) Cypern, München
Kaikitis, L., (1998) Zypern und die Europäische Union. Erwartungen und
Probleme einer eventuellen Vollmitgliedschaft Zyperns, Aachen
Ohne Verfasser, (1998) Das Zypernproblem. Historische Übersicht und
Analyse der jüngsten Entwicklungen, Herausgegeben vom Presse- und
Informationsamt, Republik Zypern, Nikosia
Scheuch, M.; (2004) Atlas zur Weltgeschichte Europa im 20. Jahrhundert,
Augsburg
Steinbach, U., (2003) Geschichte der Türkei, 3. durchgesehene und
aktualisierte Auflage, München
Tatli, S., (1986) Der Zypern-Konflikt, Pfaffenweiler
26
Tzermias, P., (1993) Neugriechische Geschichte Eine Einführung, 2.
überarbeitete und erweiterte Auflage, Tübingen
Internet
Auswärtiges Amt, www.auswaertiges-amt.de
Der Standard, www.derstandard.at
Encarta, www.encarta.msn.com
Europa, www.europa.eu.int
Europa, www.europa.wfg-hagen.de
Kypros, www.kypros.oeg
Osmanisches Reich, www.osmanischesreich.com
Tageszeitung, www.taz.de
Universität Kassel, www.uni-kassel.de
Wissen, www.wissen.de