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Der Winden-Glasflügelzikade auf der Spur

Date post: 22-Mar-2016
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Hyalesthes obsoletus is a vector of the bois noir disease. This paper describes the methods used in a phd project to spatially map the distribution of this xerothermic planthopper in South Germany.
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Juni 2011 17 Rebschutz fallenen Reben sind häufig verkümmert. Die Verwechs- lungsmöglichkeiten sind vielfältig, wie etwa mit der Blattrollkrankheit, mit Ver- gilbungen und Nekrosen der Blätter, hervorgerufen durch Pilzerkrankungen (Esca) oder ander Zikaden sowie Beschädigungen der Leit- bahnen durch die Büffel- zikade. Daher ist für eine sichere Diagnose der Schwarzholzkrankheit die Verwendung aller genann- ten Symptome unab- dingbar. Im Zweifel kann nur ein moleku- lar-biologischer Test helfen, die Krankheit sicher nachzuweisen. Die Winden- Glasflügelzikade Die Winden-Glasflü- gelzikade (Hyalesthes obsoletus) hat ein breites Wirtspflan- zenspektrum. Sie er- nährt sich vornehm- lich von Pflanzensaft, in dem sie zuckerhal- tige Leitbahnen an- sticht. Die Larven selbst können sich je- doch nur an wenigen krautigen Pflanzen entwickeln. In Fortsetzung S. 18 Der Winden-Glasflügelzikade auf der Spur Bernd Panassiti und Dr. Michael Breuer, Staatliches Weinbauinstitut, Freiburg; Dr. Robert Biedermann, Institut für Umweltmodellierung, Deggendorf Warum die Winden-Glasflügelzikade, die Über- trägerin der Schwarzholzkrankheit, in dem einen Gebiet auftritt und andernorts fehlt, ist bislang unklar. Ein neues Forschungsprojekt des Weinbau- instituts Freiburg in Kooperation mit dem Institut für Umweltmodellierung in Deggendorf versucht, dies mit Hilfe der „Habitatmodellierung“ herauszufinden. Die durch die Schwarzholz- krankheit verursachten Schäden sind im letzten Jahrzehnt in manchen Re- gionen zu einem zunehmen- den Problem für den Wein- bau geworden. Langzeitbe- obachtungen des Weinbau- institutes in Freiburg deuten darauf hin, dass bisherige Bekämpfungsmaßnahmen zwar stellenweise zur Ver- ringerung der Schwarzholz- krankheit führten, es aber dennoch in manchen Wein- bergen einen nennenswer- ten Erkrankungsstand gibt. Demgegenüber konnte die Krankheit und auch die Winden-Glasflügelzikade in manchen Gebieten bisher nicht nachgewiesen werden. Über die Gründe dafür lässt sich nur spekulieren, da zum Beispiel Untersuchungen zur Ökologie der Zikade weit- gehend fehlen. Dieser Artikel beschreibt eine neue Herangehens- weise: Eine Kombination von aufwendigen statisti- schen Verfahren, molekular- biologischen Methoden und Gewächshausexperimenten soll ein größeres Verständ- nis über die Habitatansprü- che der Zikade liefern, wel- che dann für die räumliche Vorhersage der Art und schließlich als Grundlage von Risikokarten verwendet werden können. Die Schwarzholzkrankheit („Bois noir“) ist eine durch zellwandlose Bakterien, so- genannten Phytoplasmen, hervorgerufene Vergilbungs- krankheit. Sie ist in den Weinanbaugebieten Europas wie auch in Baden weit ver- breitet. Die Krankheit lässt sich ab August/September an befallenen Reben dia- gnostizieren. Charakteristi- Symptome der Schwarzholzkrankheit sche Symptome sind Blatt- anomalien, die sich in Ver- färbungen und gleichzeiti- gem Einrollen der Blätter widerspiegeln. Blätter wei- ßer Rebsorten verfärben sich gelblich-grün, Blätter roter Sorten hingegen nehmen eine typische rötliche Fär- bung an. Die durch die Phy- toplasmen verstopften Leit- bahnen führen des Weiteren zu einer unvollständigen Verholzung der Triebe, wel- che im darauffolgenden Winter absterben und schwarz werden (Name!). Beeren von mit der Schwarzholzkrankheit be- Winden-Glasflügelzikaden (Weibchen und Männchen) auf der Ackerwinde Bild: Breuer Blattanomalien an weißer Rebsorte (Bild links) sowie Blattanomalien und kümmerliche Trauben an roter Rebsorte beim Auftreten der Schwarzholzkrankheit (Oktober 2010). Bilder: Panassiti
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Page 1: Der Winden-Glasflügelzikade auf der Spur

Juni 2011 17

Rebschutz

fallenen Reben sind häufigverkümmert. Die Verwechs-lungsmöglichkeiten sindvielfältig, wie etwa mit derBlattrollkrankheit, mit Ver-gilbungen und Nekrosen derBlätter, hervorgerufen durchPilzerkrankungen (Esca)oder ander Zikaden sowieBeschädigungen der Leit-bahnen durch die Büffel-zikade. Daher ist für eine sichere Diagnose derSchwarzholzkrankheit dieVerwendung aller genann-

ten Symptome unab-dingbar. Im Zweifelkann nur ein moleku-lar-biologischer Testhelfen, die Krankheitsicher nachzuweisen.

Die Winden-Glasflügelzikade

Die Winden-Glasflü-gelzikade (Hyalesthesobsoletus) hat einbreites Wirtspflan-zenspektrum. Sie er-nährt sich vornehm-lich von Pflanzensaft,in dem sie zuckerhal-tige Leitbahnen an-sticht. Die Larvenselbst können sich je-doch nur an wenigenkrautigen Pflanzenentwickeln. In

Fortsetzung S. 18

Der Winden-Glasflügelzikade auf der SpurBernd Panassiti und Dr. Michael Breuer, StaatlichesWeinbauinstitut, Freiburg; Dr. Robert Biedermann,Institut für Umweltmodellierung, Deggendorf

Warum die Winden-Glasflügelzikade, die Über-trägerin der Schwarzholzkrankheit, in dem einenGebiet auftritt und andernorts fehlt, ist bislangunklar. Ein neues Forschungsprojekt des Weinbau-instituts Freiburg in Kooperation mit dem Institut fürUmweltmodellierung in Deggendorf versucht, diesmit Hilfe der „Habitatmodellierung“ herauszufinden.

Die durch die Schwarzholz-krankheit verursachtenSchäden sind im letztenJahrzehnt in manchen Re-gionen zu einem zunehmen-den Problem für den Wein-bau geworden. Langzeitbe-obachtungen des Weinbau-institutes in Freiburg deutendarauf hin, dass bisherigeBekämpfungsmaßnahmenzwar stellenweise zur Ver-ringerung der Schwarzholz-krankheit führten, es aberdennoch in manchen Wein-bergen einen nennenswer-ten Erkrankungsstand gibt.Demgegenüber konnte dieKrankheit und auch dieWinden-Glasflügelzikade in

manchen Gebieten bishernicht nachgewiesen werden.Über die Gründe dafür lässtsich nur spekulieren, da zumBeispiel Untersuchungen zurÖkologie der Zikade weit-gehend fehlen.

Dieser Artikel beschreibteine neue Herangehens-weise: Eine Kombinationvon aufwendigen statisti-schen Verfahren, molekular-biologischen Methoden undGewächshausexperimentensoll ein größeres Verständ-nis über die Habitatansprü-che der Zikade liefern, wel-che dann für die räumlicheVorhersage der Art undschließlich als Grundlage

von Risikokarten verwendetwerden können.

Die Schwarzholzkrankheit(„Bois noir“) ist eine durchzellwandlose Bakterien, so-genannten Phytoplasmen,hervorgerufene Vergilbungs-krankheit. Sie ist in denWeinanbaugebieten Europaswie auch in Baden weit ver-breitet. Die Krankheit lässtsich ab August/Septemberan befallenen Reben dia-gnostizieren. Charakteristi-

Symptome derSchwarzholzkrankheit

sche Symptome sind Blatt-anomalien, die sich in Ver-färbungen und gleichzeiti-gem Einrollen der Blätterwiderspiegeln. Blätter wei-ßer Rebsorten verfärben sichgelblich-grün, Blätter roterSorten hingegen nehmeneine typische rötliche Fär-bung an. Die durch die Phy-toplasmen verstopften Leit-bahnen führen des Weiterenzu einer unvollständigenVerholzung der Triebe, wel-che im darauffolgendenWinter absterben undschwarz werden (Name!).

Beeren von mit derSchwarzholzkrankheit be-

Winden-Glasflügelzikaden(Weibchen und Männchen) aufder Ackerwinde Bild: Breuer

Blattanomalien an weißer Rebsorte (Bild links) sowie Blattanomalien und kümmerliche Trauben an roterRebsorte beim Auftreten der Schwarzholzkrankheit (Oktober 2010). Bilder: Panassiti

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18 Juni 2011

Rebschutz

Geplante Rasterkartierung zur Untersuchung des Vorkommens der Winden-Glasflügelzikade in denbadischen Weinanbaugebieten und einem zusätzlichen Untersuchungsgebiet zwischen dem Mark-gräflerland und dem Bodensee.

Deutschland sind die wich-tigsten Wirtspflanzen für die Entwicklung der Larvendie Brennnessel (Urticadioica), die Ackerwinde(Convolvulus arvensis) und vereinzelt auch dieZaunwinde (Calystegia se-pium). Während der Ent-wicklung der Larven im Bo-den über die Winter- undFrühlingsmonate saugen dieTiere an den Wurzeln ihrerWirtspflanzen und könnensich mit Phytoplasmen infi-zieren.

Der Flug der erwachse-nen Tiere findet von Junibis August statt. Nach bis-herigen Erkenntnissen vari-iert er aber je nach Tempe-ratur und Wirtspflanze: Zikaden, die sich an derAckerwinde entwickeln,schlüpfen zum Beispiel zweiWochen früher als solchevon der Brennnessel. Wiedie meisten Zikaden istauch die Winden-Glasflü-gelzikade sehr standorttreuund hält sich in der Regelin der Nähe ihrer Wirts-pflanze auf. Bei Entfernungihrer Wirtspflanze oder zugroßem Populationsdruckkann sie bei der Suche nachneuen Nahrungsquellen aufdie Weinrebe ausweichenund dann die Krankheitübertragen.

In Baden einDauerproblem

In früheren Ausgaben desBadischen Winzers (03/2007und 01/2008) wurde schonüber die Schwarzholzkrank-heit und deren Überträger,die Winden-Glasflügel-zikade, berichtet.

Abgesehen von einzelnenMaßnahmen, wie dem Be-seitigen von Brennnessel-beständen, konnten bishernoch keine effektivenSchutzmaßnahmen zur Sen-kung des Infektionsdruckesetabliert werden. Das spie-gelt sich auch in unserenBiomonitoring-Daten wie-der, die zeigen, dass dieSchwarzholzkrankheit einfortwährendes Problem fürdie Winzer in Baden dar-stellt.

Ungeklärt ist weiterhin,warum die Schwarzholz-krankheit in einigen Gebie-ten stärker auftritt, wäh-rend sie in anderen Berei-chen nur vereinzelt odergar nicht zu finden ist. Dies ist nicht in allen Fällenmit dem Vorkommen desKrankheitsüberträgers unddem Durchseuchungsgradder Tiere mit Phytoplasmen(nicht alle Zikaden tragenden Erreger!) zu erklären.Auch die Tatsache, dass dieWinden-Glasflügelzikadetrotz vorhandener Wirts-pflanzen und begünstigterLage in vielen Gebietenfehlt, wie zum Beispiel amBodensee und in vielenWeinbergen entlang desHochrheins, wirft weitereFragen auf.

So funktioniertHabitatmodellierung

Ein neues Forschungsprojektdes Weinbauinstituts in Frei-burg in Kooperation mitdem Institut für Umweltmo-dellierung in Deggendorf

versucht mit Hilfe der Habi-tatmodellierung diese Fra-gen zu beantworten. DasProjekt wird durch Mitteldes Forschungsringes Deut-scher Weinbau (FDW) geför-dert. Die in diesem Projektangewendeten Habitatmo-delle basieren auf komple-xen statistischen Verfahren,die unter Berücksichtigungvon Kenntnissen über dieÖkologie der Winden-Glas-flügelzikade erstellt werden.Die autökologische Model-lierung von Habitatansprü-chen ermöglicht auf dieseWeise Schlüsselfaktoren zuquantifizieren, welche einendirekten oder indirektenEinfluss auf die Art ausübenkönnen. Als Schlüsselfakto-ren bezeichnet man Umwelt-faktoren, die eine Art in ih-rem Lebensraum hinrei-chend gut charakterisieren.

In einem weiteren Schrittkann auf Basis dieserSchlüsselfaktoren eineräumliche Vorhersage ge-troffen werden. Die resul-tierenden Prognosekartenkönnen für die Bewertungvon Szenarien für ver-

änderte Bewirtschaftungoder die Ableitung von opti-malen Managementstrate-gien zuhilfe genommenwerden. Schließlich dienendiese Habitateignungs-karten als Grundlage fürRisikoanalysen.

In der kommenden Frei-landsaison sollen in größe-rem Maßstab Daten überdas Vorkommen der Win-den-Glasflügelzikade undder Schwarzholzkrankheiterhoben werden. Geplantist eine flächenhafte Kartie-rung von ganz Baden mitinsgesamt mehr als 500Rasterzellen (5 km2) mit jedrei zufälligen Stichproben(siehe Abbildung unten).Diese umfangreiche Daten-menge ermöglicht es später,robuste Aussagen über dieVerbreitung der Winden-Glasflügelzikaden, in denWeinanbaugebieten Badenszu treffen. Jedoch kann ausdem Vorkommen der Zi-kade nicht direkt ein Rück-schluss auf eine potenzielleInfektionsgefahr gezogenwerden.

Mit Hilfe molekular-biolo-

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Berichte aus Baden

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Die wichtigsten Fachbegriffeabiotische Umweltfakto-ren: Einfluss der unbeleb-ten Natur auf Organismen(z. B. Temperatur, Licht,Stickstoff im Boden etc.).biotische Umweltfakto-ren: Einfluss der belebtenNatur auf Organismen(z. B. Nahrungskonkurren-ten, Populationsdichteetc.).Autökologie: Wechselwir-kungen zwischen einer ein-zigen Art und ihrer unbe-lebten Umwelt.Habitat: Lebensraum bzw.Standort einer Art.

Habitatansprüche: An-sprüche einer Art an ihrenLebensraum. Häufig ent-scheiden bestimmte Um-weltfaktoren über Vor-kommen oder Nichtvor-kommen.

Habitatmodellierung: Sta-tistische Verfahren, beidem biotische und abioti-sche Umweltfaktoren mitder (räumlichen und/oderzeitlichen) Verteilung deruntersuchten Art in Bezie-hung gesetzt werden, umdie Habitatansprüche derArt zu quantifizieren. ❏

gischer Methoden (PCR undRealTime-PCR) kann über-prüft werden, ob die Zika-den den Krankheitserregertragen und wenn, welchemTyp diese Phytoplasmen angehören. Man unter-scheidet zwischen demBrennnessel- und demAckerwinden-Typ.

Durch die Analyse bereitserfasster Daten konntenerste Einblicke in die Habi-tatpräferenzen der Winden-Glasflügelzikade gewonnenwerden. Die Ergebnisse deu-ten darauf hin, dass eineKombination von Tempera-tur, Größe und Wuchsformder Wirtspflanze, sowie Bo-denstruktur einen Einflussauf das Vorkommen der Zi-kade haben.

Ein sehr wichtiger Punktbei der Habitatmodellierungist die Überprüfung der er-stellten Modelle. Erst da-durch können wissenschaft-lich fundierte Aussagen ge-troffen werden. Dies kanndurch unabhängige Datenerfolgen, zum Beispiel durchden räumlichen Transfer desModells auf ein anderes Ge-biet, oder durch experimen-telle Überprüfung der Vor-hersagen des Modells.

Die Relevanz der Boden-struktur auf die Larvenent-wicklung (lockere, steinigeoder sandige Böden werdenbevorzugt) wird auch vonanderen Autoren vermutet.Diese Hypothese soll nunexperimentell überprüft

werden. Dazu wird in einemVersuch die Larvenentwick-lung bei verschiedenen Bo-densubstraten (unterschied-liche Lagerungsdichte) un-tersucht.

Fazit und Ausblick

Die beschriebene Methodikeinschließlich der gewonne-nen Daten sollen helfen, un-seren bisherigen Kenntnis-stand zur Ökologie der Win-den-Glasflügelzikade zu er-weitern und die Verbreitungder Zikade vorherzusagen.Langfristig ist es das Zieldieses Projektes dazu beizu-tragen, geeignete Bekämp-fungsstrategien gegen dieSchwarzholzkrankheit zuentwickeln.

Darüber hinaus könntedamit auch die Verbreitungvon anderen zu erwartendenSchädlingen und das Auftre-ten damit verbundenerKrankheiten prognostiziertwerden, wie etwa der Zi-kade Scaphoideus titanus alsÜberträger der Vergilbungs-krankheit Flavescence dorée.Als eine Folge der globalenTemperaturerhöhung dehntdiese Zikade ihre nördlicheAusbreitungsgrenze immerweiter aus, ist aber bisher inBaden momentan noch nichtanzutreffen. ❏

Bernd PanassitiTel. 0761/[email protected]


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