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„Der Unfall in Tschernobyl – Erklärungen und Folgen“ · „Der Unfall in Tschernobyl –...

Date post: 17-Sep-2018
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„Der Unfall in Tschernobyl – Erklärungen und Folgen“ K. Kugeler, I. Tragsdorf, N. Pöppe Lehrstuhl für Reaktorsicherheit und –technik der RWTH Aachen Institut für Sicherheitsforschung und Reaktortechnik des Forschungszentrums Vortrag bei der DPG, 15.03.06 Heidelberg
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„Der Unfall in Tschernobyl –Erklärungen und Folgen“

K. Kugeler, I. Tragsdorf, N. Pöppe

Lehrstuhl für Reaktorsicherheit und –technikder RWTH Aachen

Institut für Sicherheitsforschung und Reaktortechnik des Forschungszentrums

Vortrag bei der DPG, 15.03.06 Heidelberg

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Inhalt des Vortrags• Überblick über den Unfall und seine Folgen

• Aufbau von RBMK-Anlagen

• Verläufe von Leistung, Reaktivität, Brennstofftemperatur

• Erklärungen zum neutronischen Geschehen

(positiver Voidkoeffizient, nukleare Exkursion)

• Erklärungen zum energetischen Geschehen

(Wärme aus der Exkursion, Wasserstoffreaktion, Grafitbrand)

• Zerstörungen an der Anlage

(Verbleib des Coriums, Spaltstoffverteilung, Sarkophag)

• Kontamination von Gebieten

• Verbesserungen bei laufenden RBMK-Anlagen

• Anforderungen an eine zukünftige katastrophenfreie Kerntechnik

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Überblick über Unfall und Folgen• Bei einem Experiment kam es aufgrund eines positiven

Reaktivitätskoeffizienten zu einer starken nuklearen Exkursion.

• Der Reaktor wurde durch Kernschmelzen, Bildung großer Wasser-stoffmengen und anschließenden Grafitbrand vollständig zerstört.

• Große Mengen an Spaltprodukten und -stoffen wurden in die Umwelt freigesetzt. Durch den starken Auftrieb kam es zur Verteilung von Radioaktivität bis nach Westeuropa.

• Große Landflächen wurden kontaminiert.

• Viele Menschen mussten evakuiert und später umgesiedelt werden.

• Es gab Soforttote und Menschen, die an den Spätfolgen gestorben sind.

• Um die zerstörte Anlage wurde ein Sarkophag gebaut, der auch heute noch eine sehr unvollkommene Lösung darstellt.

• Der materielle Schaden und die Auswirkungen auf die Akzeptanz derKernenergie waren verheerend.

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Brennelemente des RBMK-Reaktoren

3644

2036

4410

030 3644

Grafit UO2 H2O

4

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Coreaufbau von RBMK-Reaktoren

Kühlmitteleintritt

Druckrohr(Zirkonium - Niob)

Brennelemente (2)

Grafitquader

Dampf/Wasser -Austritt

5

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Reaktorgebäude von RBMK-Anlagen

BetonstrukturReaktorhalle Reaktor

Hauptkühl-mittel-pumpe

Dampf-abscheiderHauptkühl-

mittelsammler

Druck-kammern

Kondensations-kammern

Wasservorlage

6

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Prinzipschaltung der RBMK-Anlagen

Hauptkühlmittelpumpe (4)

Druck-rohre(1693) Brenn-

elementGrafit-block

Dampfabscheider(je 2)

zurKondensations-

kammer

Turbine (2)Generator (2)

Kondensator

Kondensatpumpen

Speisewasserbehältermit Entgaser (4)

Speisewasserpumpen (5)

7

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Ablauf des Unfallgeschehens

• Versuch: Weiterlauf eines Generators zur Eigenbedarfsdeckung

• Reduktion des Kühlwasserstroms (P0th ≈ 7%) führte zur erhöhten

Dampfbildung in Druckrohren

• Wegen des positiven Dampfblasenkoeffizienten erfolgte eine Leistungssteigerung → Faktor 100

• Reaktorschnellabschaltung von Hand war praktisch unwirksam für die Exkursion

• hohe Leistung erzeugte hohe Brennstofftemperaturen →Schmelzen

• durch Reaktion von Zirkaloy und Dampf wurde Wasserstoff erzeugte → Explosion

• Grafit wurde aufgeheizt, geriet in Brand → starker Auftrieb von radioaktiven Stoffen in die Atmosphäre

8

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Kritikalität eines Reaktors

1Peff

LA

P LA

RkR R

R R R

= =+

= +

verzögerteNeutronen0,65%, (β)

prompteNeutronen99,35%, (1-β) Bremsung Diffusion

Zerfall von Isotopen mit n-Emission

RP

RPRL

RA

Reaktor

RA

RL

10 s-12 10 s-5 10 s-4

~10 s

~ ~

9

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Reaktorverhalten bei Reaktivitätsänderungen

eff

eff

k -1=

P/P0

t

1

ρ > 0, ρ > βprompt überkritisch(verzögerte Neutoren sindnicht mehr wirksam)

ρ = 0 stationärer Betrieb

ρ > 0, ρ < βLaständerungen, Anfahren

ρ < 0 Abschalten

β = 0,65% für 235U (0,22% für 239Pu)

0 exp , , Neutronenlebensdauert P llρφ φ φ⎛ ⎞

⎜ ⎟⎝ ⎠

≈ ⋅ ⋅ ≈ =10

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prompte nukleare Transiente (mit neg. Rückkop.)

11

Pmax

t

T(t)ρ(t)

P(t)

∆Tmax

( )

0 0

0

0 0

1,

1 ,

i i

ti i

xdn ndt l T l

dP P P P t dt bdt T l M c l M c

ρ ρ± Γ ⋅ ∆= ⋅ =

Γ Γ′ ′= ⋅ ± ⋅ ⋅ ⋅ =⋅ ⋅ ⋅ ⋅∫

max 20

max0

1 1

1 1

PT b

TT b M

≈ ⋅

∆ ≈ ⋅⋅

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Leistung vor und während des Unfallsth

erm

ische

Lei

stun

g

Zeit

0.00 6.00 12.00 18.00 0.0025.4.86

200

1000

1600

30003200

2000

MW

26.4.86

ther

misc

he L

eist

ung

Zeit

1.23 1.23:15 1.23:30 1.23:4526.4.86

200

1000

3000

2000

MW

Turbinen-schnell-abschaltung

Reaktor-schnell-abschaltungvon Hand

150 000 MW

12

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Prompte nukleare Exkursionen

ρ

t

ρ0

Reaktivität des Cores

eingebrachteReaktivität

ρ

t

ρ0

eingebrachteReaktivität

t

1

t

1

t

TSchmelz

t

TBmax

PP0

PP0

TB

TB

TB0

TB0neg.

Feedback

ohne bzw. mit positiver Rückkopplung

mit negativer Rückkopplung13

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Voideffekt – Erklärung

2( ) ( ) ( )

*( ) ( )

Normalbetrieb

Störfall Kühlmittelverlust

1

1Peff

A A A L

Peff

A A L

P f A a

Rk

R H O R C R B R

Rk

R C R B R

R dE dV R dE dVν φ φ

=+ + +

=+ +

= ⋅Σ ⋅ ⋅ ⋅ = Σ ⋅ ⋅ ⋅

=

>

∫∫ ∫∫

H2O UO2 C

2,4% Anreicherung2% Anreicherung

0 5 10 15 20 25 30Abbrand [MWd/kg]

0,8

1,2

1,6

2,0

2,4

2,8

3,2

Vol

lrea

ktiv

itäts

koef

fizie

nt x

102

Vol

.-%

14

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Voideffekt bei DWR und RBMK-Reaktoren

DWR

UO2

VH2O

VH2O/VUO2

VUO2

H2O

RBMK

H2O

C

k∞

VH2O/VUO2

k∞

positiver Voideffektbei Kühlmittelverlust

negativer Voideffektbei Kühlmittelverlust

UO2

15

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16

Simulation des UnfallablaufsReaktivität und Leistung

Zeit (s)

Lei

stun

g (in

% d

er A

usle

gung

slei

stun

g)

Rea

ktiv

ität (

10-3

%) 6000

4000

2000

1000

0

2000

1600

1200

800

400

0

-400

-800

--6 -4 -2 0 1 2 3 4 5 6 7

0

20

40

60

80

100

Notabschaltungausgelöst

Leistung

Leistung

Reaktivität

Lei

stun

g (in

% d

er A

usle

gung

slei

stun

g)

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Überblick über Phasen beim Unfallablauf

1

1 s

P/P0

t

60

1 s

TB

TS

TB0

t 100 s

mH2 mC

5.104

m3

104 st t

∆mBeton

105 s t

NukleareExkursion

Brennstoff-aufheizung

+Schmelzen

Wasser-stoff-

bildung+

Explosion

Grafit-auf-

heizung+

Abbrand

Coriumheizungdurch

Nachwärme+

Durchschmelzendurch Anlage

1 2 3 4

17

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18Nukleare Exkursion und Schmelzen des Brennstoffs

Energiefreisetzung beim Unfall (1. Phase)

ZrUO2

t > 1s

t = 0

11

71

0

7 51

Zeitdauer: 1

Energie: ( ) 30 3000 1 9 10

Folge: /( ) 9 10 /(10 0, 35 )

2600 , 2850

Brennstoff geschmolzen

B

B

s

E P t dt MW s kJ

kJT E M c kJ kgkgK

T K Ts C

ττ ≈

= ⋅ ⋅ ≈ ⋅

∆ = ⋅ ≈ ⋅ ⋅

∆ ≈ = °

Ts= 2850°C

TB0

t1 s

TB

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19Bildung von Wasserstoff und Explosion

Energiefreisetzung beim Unfall (2. Phase)

TZr mH2

t100 s

2

2

*2 2

82

2

2 2 2

32

2

5 10 )

Zeitdauer: 100

Reaktion bei H -Bildung: 2 2 586

(1 0,5 , 1,5 /Explosion des H -Luft-Gemisches(Explosion: 4...75%, Detonation:13...60%)

( ) 3,

ZrZr

u H

m H kJ

skJZr H O ZrO Hmol

E kgZr m H kWh kg

E H H m

τ

+

= ⋅∆ = ⋅

+ → +

= ⋅ = 34 3 854 5 10 6,4 10kWh

m m kJ⋅ ⋅ = ⋅

0 exp Cr rk T

⎛ ⎞= ⋅ −⎜ ⎟⋅⎝ ⎠

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Aufheizung des Grafits und Grafitbrand

Energiefreisetzung beim Unfall (3. Phase)

Grafit

O2 TZTB

mH2∆mc

t1 s 100 s 104 s

'2 2

8 6

103

Zeitdauer: Tage3Grafitaufheizung: ( ) /( )

Annahme: 6 10 10 0, 6 1000

Reaktionsrate mit Luft bei 1000°C: 1% /Verbrennungsenergie: ( ) 3 10Folge des Brandes: s

C C C

C

u C

T E E M ckJT kJ kg KkgKh

E H C M kJ

τ

ε

∆ ≈ + ⋅ ⋅

⎛ ⎞∆ ≈ ⋅ ⋅ ≈⎜ ⎟⎝ ⎠

= ⋅ ≈ ⋅

tarker Auftrieb

0 exp Cr rk T

′⎛ ⎞= ⋅ −⎜ ⎟⋅⎝ ⎠

20

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21

( )

( ) ( )

0,2

84

0

Zeitdauer: TageNachwärme: ( ) 0,06

Energiebilanz für Corium: ( )

Energiebilanz für Beton: * ,

Energie: ( ) 1,5 10u

N th

COCO CO N CO Beton

BB B B u CO B

N

P t P tdT

m c P t A T Tdt

dTm C q A T T q k T T

dt

E P t dt kJτ

α

α

−= ⋅ ⋅

⋅ ⋅ = − ⋅ ⋅ −

′′ ′′⋅ ⋅ = − ⋅ ⋅ − ≈ −

= ≈ ⋅∫

& &

Betonzerstörung: / 1 / Tags t m∆ ∆ ≈

Nachwärmeproduktion im geschmolzenen UO2 und Durch-schmelzen des Coriums durch Bodenstrukturen der Anlage

Energiefreisetzung beim Unfall (4. Phase)

Corium

Beton TBeton

TCorium

t

T

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Übersicht über Energiefreisetzung

Phase Kennzeichungder Phase

Energie-menge Ei

(kJ)

charakt. Zeitdauer Folgen

1 Nukleare Exkursion 108 1 s

Schmelzen des Brennstoffs und des

Zirkaloy

2Zirkaloy/Dampf-reaktion + H2-

Explosion109 100 s

Wasserstoffbildung aus Zirkaloy

Explosionsenergie

3Grafit/LuftReaktion

3·1010 105 s Grafitaufheizung Abbrand

4 Wechselwirkung Corium Beton

1,5·108 105 sDurchschmelzen des

Coriums durch Strukturen

22

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Unfallfolgen

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• vollkommene Zerstörung der Anlage – Bau eines Einschlusses (Sarkophag): Einsatz von 200 000 Menschen

• Freisetzung großer Mengen an Radioaktivität: 100% Edelgase, 50% 131Jod, 33% 137Cäsium, 5% Uran + Plutonium

• Soforttote: offizielle Angabe 32Spättote (z. B. unter Liquidatoren): Schätzung 2000 - 5000Evakuierung von ≈ 300 000 Menschen

• dauerhafte Umsiedlung von ~350 000 Menschen

• Verteilung der Radioaktivität bis nach Westeuropa (<1% Erhöhung der Belastung)

• Hoher materieller Schaden durch Landverlust, Verlust an Infrastruktur, Industrie, Privateigentum (einige 100 Mrd. €)

• weitgehender Verlust der Akzeptanz der Kernenergie in mehreren Ländern, so auch in Deutschland, obwohl RBMK nicht vergleichbar mit LWR

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Langzeitkontamination von Ländern

• Jahresdosis (Direktbestrahlung)

• 3000 km2

• 10 000 km2

• hinzu kommen Dosen durch Ingestion und Inhalation sowie Beiträge anderer Isotope:90Sr (28 a), 239Pu (24400 a) usw.

• Umsiedlung notwendig

00 10 20 km

> 110 kBq/m2

40 - 110 kBq/m2

Ukrain

30-km-Zone

Polesskoje

OvruchPaseka

KievReservoir

Antonov

Elsk

Weißrußland

R. Pripiat

R. Dnieper

Bragin

Hoiniki

Tolstey LesPripiat

1 /D mSV a>

Beispiel: 137Cs, Eγ = 0,6 MeV, T1/2 = 30 a

21 /

180Zerfall Sv a

cmµ

2 ,110 kBqm

σ >

2 ,40 kBqm

σ >

3 /0,D mSV a>

24

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Übersicht über den Sarkophag

UO2-Inventar:Kleindispergierter Staub, Bruchstücke, erstarrte Lava, gelöstes Uran in Wasser

Gesamtmasse UO2: 190 t

Schätzwerte zum Verbleibdes Brennstoffes:

• Bereich unter Reaktor≈ 75 t U

• Abklingbecken ≈ 20 t U

• Korridor für Dampfverteiler≈ 25 t U

• Kondensationsbecken ≈ 10 t U

• freigesetzt in die Umwelt: ≈ 10 t U + PuO2

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Ausbreitung von geschmolzenem Material

Elefantenfuß26

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Ausbreitung von geschmolzenem Material

ElefantenfußLava in Räumen unterhalb des zerstörten Reaktors27

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Heutiger Zustand der Anlage (Sarkophag)

ElefantenfußLava in Räumen unterhalb des zerstörten Reaktors

Instabiler Reaktordeckel(ca.1000 t) drohtReaktorwände und -boden zuzerschlagen

Zur Eindämmung der Katastropheaufgeschüttete Betonschicht hatRisse

Geschmolzener Reaktorkern:Hitze (200°C) und Strahlungmachen Betonwände spröde

Boden unter demReaktorkern ist brüchig

Betonschutzhülle = "Sarkophag"Dachkonstruktion nicht regendicht

28

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Verbesserungen bei RBMK-Anlagen • Verringerung des Wertes des positiven Voideffekts→ Zusätzliche feste Absorberstäbe im Kern (80 Stück), dadurch bedingt Erhöhung der Anreicherung von 2 auf 2,4%;jetzt statt + 5 β nur noch ~ + 1 β für Voidkoeffizient

• Beseitigung des „positiven Abschalteffektes (Reduktion der Wassermenge im unteren Kernbereich durch geänderte Stabkonstruktion)

• Begrenzung des Reaktivitätszufuhr bei Kühlmittelverlust im Kühlkreislauf für die Steuerstäbe (Steuerstäbe sind wassergefüllt: Kühlmittelverlust bedeutet positive Reaktivität; Reduktion des Wasserinventars)

• Einbau eines schnellen Abschaltsystems (Verkürzung der Einfahrzeit bei einem Teil der Stäbe auf ≈ 2 s)

• Verbesserungen bei der Kernüberwachung und im Reaktorschutzsystem

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Anforderungen an kerntechnische Anlagen

• positive Reaktivitätskoeffizienten müssen unbedingt vermieden werden: Ausschluss prompter Exkursion sicherstellen

• ausgeprägte Sicherheitskultur notwendig, Unabhängigkeit von Genehmigern, Gutachtern und Betreibern gewährleisten

• Vorkehrungen gegen Unfälle und Unfallfolgen treffen Interventionssysteme vorhalten, Evakuierungen üben

• zukünftig: katastrophenfreie Kerntechnik realisieren →keine katastrophalen Freisetzungen möglich bei inhärent sicheren Systemen

30

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Konzepte der Katastrophenfreien Kerntechnik

innere

absehbareäussere

nichtabsehbare

äussere

es werdenkeine Stör-falleignisseausgeschlossen

Brennelementeund Reaktorsystembleiben intakt

keine Kernschmelzedurch Versagen derNachwärmeabfuhr

keine Kernzerstörungdurch nukleareExkursionen

keine Kernzerstörungdurch Korrosionseffekte

keine schnelle Druck-entlastung desPrimärkreises

praktischkeine

Freisetzungaus den BE und

aus derAnlage

keineKatastrophalenFreisetzungmöglich

keineunzulässigeBelastung derUmwelt

Störfallursachen Folgen für Anlage

keine Soforttoten

keine Evakuierungen

keine Spättoten

keine unzul. Land-kontamination

keine Einschrän-kung der Produktionvon Lebensmitteln

UnfallfolgenradiologischeFolgen

31

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Konzept der katastrophenfreien Kerntechnik Betriebsabfälleaus Reaktoren

WAA usw.

RadioaktiveReststoffe

Struktur-materialien

(Zr, C, Stahl)

Spaltstoffe235U, 239Pu

(T1/2 > 24 000 a)

Aktiniden(Np, Cm, Am)

SpaltprodukteCs, J, Zr, Tc

(T1/2 ≈ 106 a)

~4 kg/ t U~10 kg/ t U∼10 kg/ t U

Spaltprodukte137Cs, 90Sr(T1/2 ≈ 30 a)

heute:MOX

im LWR

Verpackenfür t →∞ in

keramischenSystemen

Verpackenfür 1000 ain Stahl-behältern

Zukunft:Spalten ininhärentsicherenRektoren

Kondition.+ Endlagerfür 1000 a

Abtrennen,transmutieren

+ Reste ver-packen in

keramischenSystemen

Reinigen, (C) + verpacken

für 1000 a

~9 kg/ t U

32


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