Der Mix macht´s – Wege zur Gewinnung von geeigneten Auszubildenden im Handwerk
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A. Situationsbeschreibung
I. Einführung in das Thema
Fleischermeister Korff, 58 Jahre alt, betreibt eine Fleischerei mit zwei Filialen und
einem Partyservice. Auf den Bauernmärkten der Region ist die Fleischerei Korff auch
immer vertreten. Fleischer Korff ist dafür verantwortlich, dass die Fleischerei läuft. Er
holt Angebote und Aufträge ein, hilft da aus, wo Not am Mann ist, ob beim Zerlegen
der Ware, Kuttern oder im Partyservice. Er holt und liefert die Ware und schaut bei
den Filialen nach dem Rechten. Die Ehefrau des Fleischermeisters ist für das Büro
und die Buchhaltung zuständig. Herr Korff hat einen Sohn und bereits eine Enkelin.
Sein Sohn hat sich jedoch für einen anderen Beruf entschieden. Weiterhin sind neun
Mitarbeiter (drei Fleischergesellen, sechs Fachverkäuferinnen im
Lebensmittelhandwerk, Spezialisierung Fleischerei) bei Fleischer Korff angestellt.
Auszubildende hat Fleischer Korff zurzeit nicht, es hatte sich im letzten Jahr einfach
keiner beworben. Aber Herr Korff hat bereits die Jahre davor ausgebildet. Er „nimmt“
immer nur einen Auszubildenden für drei Jahre, d.h. er bildet den einen
Auszubildenden aus, bevor er einen neuen Auszubildenden einstellt.
Bei einem Gespräch mit seiner Frau wird Fleischermeister Korff wieder bewusst,
dass er dringend etwas tun muss. Sein Altgeselle ist 62 Jahre und wird in absehbarer
Zeit in Rente gehen. Von den beiden anderen Gesellen ist einer ein ehemaliger
Auszubildender, Jens, der nun überlegt, ob er seinen Fleischermeister macht. Wird
Fleischer Korff also in zehn Jahren seine Fleischerei abschließen müssen oder kann
er die Fleischerei an einen fähigen Mitarbeiter übergeben? Auch in den Filialen, im
Verkauf und beim Partyservice wird Unterstützung benötigt.
Fleischer Korff beschließt, dieses Jahr wieder auszubilden. Aber wie kommt er an
motivierte und geeignete Bewerber? Er weiß, dass es um das Image der Ausbildung
im Fleischerhandwerk nicht gut bestellt ist und die wenigen Schüler sich eher in die
Regionen Hamburg und Lübeck bewerben.
Er fragt sich, wie soll er jetzt vorgehen?
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II. Ausgangslage und Projektauftrag
Das Handwerk, die Wirtschaftsmacht von nebenan, steht in Mecklenburg-
Vorpommern vor einer der größten Herausforderungen: Jugendliche für das
Handwerk zu begeistern und dadurch Fachkräfte für das Handwerk und die Region
zu sichern.
Auch bei momentaner anziehender Konjunktur droht in Mecklenburg-Vorpommern
ohne intensive Aus- und Weiterbildungsaktivitäten und angesichts der Entwicklung
zentraler Rahmenbedingungen wie dem Wandel vom traditionellen Handwerk zum
Dienstleistungsgeschäft, die demografischen Veränderungen, der Globalisierung und
der technologischen Entwicklung ein erheblicher Fach- und Führungskräftemangel.
Gerade im Handwerksbereich, in dem weit mehr als 90 % aller
Handwerksunternehmen weniger als 20 Beschäftigte haben1, kommt der
Qualifikation der Mitarbeiter eine strategische Bedeutung zu. Die wirtschaftliche
Entwicklung von Handwerksbetrieben ist u. a. abhängig von den umfassenden
Kompetenzprofilen ihrer Mitarbeiter. Die geeignete Fachkraft ist ein erfolgskritischer
Faktor und eine bedeutende Größe zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit im
Handwerksunternehmen, die sich gegenüber anderen Handwerksunternehmen
sowie auch der Industrialisierung behaupten müssen.
Der Ausbildungsmarkt ist in Bewegung. Zwischen ausbildungswilligen Unternehmen
ist ein starker Wettbewerb um jeden einzelnen ausbildungsinteressierten
Jugendlichen entbrannt. Für einige Betriebe ist dieser Kampf jedoch jetzt schon
härter als für andere. Denn nicht jeder Beruf steht auf der Wunschliste der
Jugendlichen ganz oben. Das Image der Handwerksberufe ist angeschlagen.
Körperliche Anstrengungen, schmutzige Hände, Arbeiten auf Baustellen, rauer
Umgangston – diese Ansichten von handwerklichen Berufen machen die Suche und
vor allem das Finden von Auszubildenden nicht leichter.
1 Internetseite des ZDH, URL http://www.zdh.de/daten-und-fakten/beschaeftigte-umsaetze.html, Abruf:
17.01.2013
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In der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zum 30.
September 2012 wird aufgezeigt, dass „von den Zuständigkeitsbereichen
insbesondere das Handwerk von dem Problem betroffen ist, einen Teil der
Ausbildungsplätze nicht besetzen zu können. Im ostdeutschen Handwerk lag der
Anteil der offenen Stellen am Ausbildungsplatzangebot bei 8,1%, im westdeutschen
Handwerk bei 6,4%.“2
Auch die Innungsbetriebe der der Kreishandwerkerschaft Schwerin angeschlossenen
Innungen spüren die Auswirkungen des demografischen Wandels deutlich. Die
Kreishandwerkerschaft Schwerin ist der direkte Ansprechpartner für die
Handwerksbetriebe der ihr angeschlossenen Innungen. Durch die
Kreishandwerkerschaft Schwerin werden 15 Innungen mit ca. 530 Betrieben betreut.
Als „Rathaus des Handwerks" ist die Arbeit insbesondere darauf ausgerichtet, die
Innungen mit ihren Ausschüssen, u. a. Prüfungsausschüsse, zu unterstützen, die
Obermeister zu entlasten, den Innungsmitgliedern Problemlösungen anzubieten und
dabei rationell und kompetent zu helfen. Als moderner Dienstleister für die Innungen
mit einem breiten Aufgabenbereich ist die Kreishandwerkerschaft Schwerin nach DIN
EN ISO 9001 : 2008 und als Träger nach AZAV zertifiziert.
In der Arbeit mit und für die Innungsbetriebe wird das Problem des Fach- und
Führungskräftemangels immer präsenter. In den letzten Jahren hat sich für die
Schweriner Handwerksbetriebe das Blatt auf dem Arbeits- und Auszubildendenmarkt
gewandelt. Lagen vor Jahren noch stapelweise Bewerbungen auf den Tischen der
Handwerksunternehmer, klagen heute die Handwerksbetriebe darüber, wie schwierig
es ist, Auszubildende zu finden.
In einer von der Kreishandwerkerschaft Schwerin durchgeführten Befragung zur
Fachkräftesituation in den Innungsbetrieben im Frühjahr 2012 gaben 71 % der
Unternehmen auf die Frage „Was tun Sie oder wollen Sie in Ihrem Betrieb tun, um
Ihre Fachkräfte in der Zukunft zu sichern?“ an, die eigene Ausbildung zu verstärken.
Jedoch mussten 38 % der Handwerksbetriebe Ausbildungsplätze unbesetzt lassen.
Und 10 % sagten aus, dass sie sehr lange suchen mussten, um die Lehrstelle
besetzen zu können. Die Fragebögen wurden von 78 Innungsmitgliedern
beantwortet. Das macht eine Rücklaufquote von 14,72 %. Dieses Stimmungsbild
2 Ulrich, Joachim G./Krekel, Elisabeth M./Flemming, Simone/Granath, Ralf-Olaf: Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes
im Jahr 2012 - Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt gerät ins Stocken, 2012, S. 14
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macht deutlich, wie wichtig ein gelungenes Ausbildungsmarketing zur Sicherung der
Fach- und Führungskräfte in den Klein- und Kleinstbetrieben ist.
Eine zusätzliche Problematik besteht laut Aussagen der Unternehmen in der
Qualifikation der Bewerber. Die insgesamt wenigen Schulabgänger und Bewerber für
Ausbildungsstellen im Handwerk weisen im Durchschnitt eine geringere schulische
Vorbildung auf. Gleichzeitig steigen jedoch die Anforderungen an die fachlichen und
überfachlichen Kompetenzen, sowohl mit Blick auf Spezialisierung als auch auf eine
übergreifende Einsatzfähigkeit der Mitarbeiter in Handwerksbetrieben. Weiterhin
sehen sich die Unternehmen auch immer mehr als „Reparaturbetrieb“ von Schule
und Elternhaus an. Unpünktlichkeit, mangelnde Umgangsformen und geringer
Leistungswille werden auch im Handwerk nicht toleriert.
Die Führungskräfte in den Handwerksbetrieben haben zum Umgang mit den
veränderten Bedingungen zur Sicherung ihres Personalbedarfes kaum oder keine
Konzepte bzw. verfügen nicht über die Ressourcen zur Umsetzung solcher
Maßnahmen. Die Klein- und Kleinstbetriebe können den erhöhten personellen und
zeitlichen Aufwand für die Gewinnung und Bindung von Auszubildenden nicht leisten.
Aufgrund der Unternehmensgröße steht keine Personalabteilung zur Verfügung, um
sich intensiv und über einen längeren Zeitraum hinaus mit der Lehrlingssuche und -
bindung zu beschäftigen. Als Konsequenz wird oftmals bereits jetzt keine Ausbildung
mehr durchgeführt bzw. viele der Unternehmer fassen dieses zukünftig ins Auge.
Damit gehen diese Unternehmen als Ausbildungsbetriebe verloren und büßen mittel-
bis langfristig ihre Kompetenzen zur Ausbildung junger Menschen ein.
Die Kreishandwerkerschaft Schwerin hat sich zum Ziel gesetzt, die Innungsbetriebe
in ihren Ausbildungsaktivitäten nachhaltig zu stärken. Insbesondere die
Unterstützung bei der Gewinnung von Auszubildenden wird von den
Handwerksbetrieben nachgefragt.
Auch wenn zum Thema „Ausbildungsmarketing“ eine große Anzahl von
Publikationen zu finden sind, fühlen sich die Handwerksbetriebe davon
ausgeschlossen.
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Skeptische Meinungen wie „das ist eher etwas für Großbetriebe“ oder „das kann ich
finanziell, zeitlich und personell nicht leisten“ sind in der Überzahl. Eine
Auseinandersetzung mit der Bandbreite des Themas Ausbildungsmarketing findet
selten oder gar nicht statt. Was also tun, damit eine Lehrstelle keine Leerstelle wird?
Wie können Handwerksbetriebe Schulabgänger von sich, ihrem Unternehmen und
Berufsbild überzeugen? Wie funktioniert erfolgreiches Ausbildungsmarketing? Den
Handwerksbetrieben macht vor allem der personelle und zeitliche Aufwand für die
Gewinnung und Bindung von Auszubildenden Kopfzerbrechen. Aufgrund der
Unternehmensgröße steht keine ganze Personalabteilung zur Verfügung, um sich
intensiv und über einen längeren Zeitraum hinaus mit der Lehrlingssuche zu
beschäftigen. Umso wichtiger ist es, neue Rekrutierungswege zu beschreiten wie z.
B. die Unterstützung eines Fußballvereins und auch über andere Medien als die
Stellenanzeige in der Regionalzeitung nachzudenken.
Als Mitarbeiterin der Kreishandwerkerschaft Schwerin habe ich mir mit dieser
Projektarbeit zum Ziel gesetzt, die Unternehmer und Unternehmerinnen zu
sensibilisieren, dass Ausbildungsmarketing auch in Klein- und Kleinstbetrieben, wie
sie im Handwerk zu finden sind, erfolgreich eingeführt und umgesetzt werden kann
und es ein wichtiger Baustein in der Sicherung von Fach- und Führungskräften und
des eigenen Firmennachwuchses ist. Mit dieser Projektarbeit sollen Lösungsansätze
zum Ausbildungsmarketing im Handwerk erarbeitet werden, die den
Handwerksbetrieben Anregungen geben, wie sie sich für geeignete Bewerber gut am
Ausbildungsmarkt positionieren können. Diese Vorgehensweise soll dazu beitragen,
Impulse zu geben, neue und andere Wege als bisher bei der Rekrutierung von
Auszubildenden zu gehen.
Das Ergebnis dieser Arbeit ist eine Handreichung für Handwerksbetriebe zur
optimalen Unterstützung bei der Gewinnung von Auszubildenden für
Handwerksberufe und zur Strukturierung von Personalauswahlverfahren in
Handwerksbetrieben. Dabei werden Materialien wie Arbeitsblätter, Checklisten und
Vorlagen entwickelt, die die Handwerksbetriebe individuell nutzen und für ihre
Bedürfnisse aufbereiten können.
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Zum Anfang dieser Arbeit möchte ich ein Grundverständnis für
Ausbildungsmarketing wecken, um darauf aufbauend Lösungsansätze, Instrumente
und Methoden für Ausbildungsmarketing im Handwerk zu entwickeln. Dabei
berücksichtige ich die finanziellen, zeitlichen und personellen Ressourcen in Klein-
und Kleinstbetrieben.
Ein essentieller Baustein des Ausbildungsmarketings ist ein strukturiertes
Personalauswahlverfahren. Auf für das Handwerk zugeschnittenem Vorgehen bei
Auswahlverfahren werde ich im zweiten Teil dieser Arbeit eingehen.
Die Bindung potentieller Bewerber an das Unternehmen hat eine wesentliche
Funktion in einem erfolgreichen Ausbildungsmarketing und rundet diese Projektarbeit
ab.
Die erarbeiteten und entwickelten Materialien wie Checklisten, Arbeitsblätter und
Vorlagen sind im Anhang dieser Arbeit als Leitfaden/Handreichung zu finden.
In dieser Arbeit wird zugunsten der besseren Lesbarkeit auf Doppelbezeichnungen
wie z. B. der/die Bewerber/in bewusst verzichtet. Dennoch werden sowohl männliche
als auch weibliche Personen angesprochen, wenn z. B. die Bezeichnung „Bewerber“
oder „Lehrling“ verwendet wird.
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B. Ausbildungsmarketing
Für viele Handwerksbetriebe verbirgt sich hinter dem Begriff Marketing etwas, was
sich nur große Unternehmen mit eigener Marketingabteilung leisten können wie z. B.
Werbekampagnen in Printmedien, Funk und Fernsehen oder große Plakate am
Straßenrand. Das Ausbildungsmarketing mehr ist, als nur eine Stellenanzeige in der
Regionalzeitung zu schalten, ist den wenigsten bewusst. Was also ist
Ausbildungsmarketing?
Ausbildungsmarketing umfasst alle Maßnahmen und Aktivitäten, um alle offenen
Ausbildungsplätze mit geeigneten, qualifizierten Bewerbern besetzen und diese an
das Unternehmen binden zu können. Ziele eines gelungenen Ausbildungsmarketings
sind somit:
Wecken von Aufmerksamkeit und Interesse der potentiellen Bewerber
Auswahl und Einstellung geeigneter Bewerber
Langfristige Bindung der Auszubildenden an das Unternehmen.3
Die Vorteile, die sich aus einem erfolgreichen Ausbildungsmarketing für das
Ausbildungsunternehmen ergeben, sind4:
Steigerung der Anzahl der Bewerbenden
Sicherung der Qualität des beruflichen Nachwuchses
Verringerung des Aufwandes für die Suche nach geeigneten Bewerbern
Vermittlung eines realistischen Einblicks in den späteren Beruf und dadurch
Reduzierung des Abbruch- und Konfliktpotentials
Optimierung der Ausbildungsqualität
Verbesserung des Images als Ausbildungsbetrieb
Vergrößerung des Bekanntheitsgrades des Unternehmens.
3 vgl.: Hagen, Alexander: Personalmarketing – Rekrutierung von Nachwuchskräften in deutschen Unternehmen,
2011, S. 29 4 vgl. Becker, Fred G.: Lexikon des Personalmanagements. Über 1000 Begriffe zu Instrumenten, Methoden und
rechtlichen Grundlagen betrieblicher Personalarbeit, 2002, S. 437
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Ein erfolgreiches Ausbildungsmarketing erfordert ein Konzept. Ich habe folgenden
Konzeptvorschlag erarbeitet5:
I. Analyse des Ausbildungsmarktes
Welche Zielgruppe soll erreicht werden?
Wie sieht die Nachfrage nach Ausbildungsplätzen in dem Berufsbild z. Zt.
aus?
Welche direkten Mitbewerber (Unternehmen) gibt es?
Wie sieht die Ausbildungsinfrastruktur z. B. Entfernungen Berufsschule –
Ausbildungsstätte aus?
II. Klärung der Ziele
Wie viele Ausbildungsplätze sollen besetzt werden?
In welchen Berufen können Ausbildungsplätze angeboten werden?
Welche Anforderungen werden an den Bewerber gestellt?
III. Ausbildungsangebot
Was wird potentiellen Bewerbern angeboten?
Womit wird sich von anderen Mitbewerbern abgehoben?
Welche Vorteile und Nutzen hat ein potentieller Bewerber, wenn er sich für
den angebotenen Ausbildungsplatz entscheidet?
IV. Strategie des Ausbildungsmarketings
Wie können die Ziele erreicht werden?
Mit welchem Marketingmix (Instrumente, Methoden) werden die Ziele
erreicht?
Wie sieht der Aktionsplan aus? (Welche Maßnahmen, in welcher
Reihenfolge?)
V. Erfolgskontrolle
War das Marketingkonzept erfolgreich?
Welche Rekrutierungswege, Instrumente und Methoden haben zum Erfolg
geführt?
Welchen Kosten- und Zeitaufwand sind mit den Kommunikationswegen
verbunden?
5 Eigene Ableitung vom klassischen Marketingkonzept, Quelle Wikipedia, URL
http://de.wikipedia.org/wiki/Marketing-Konzept, Abruf: 4.2.2013
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C. Umsetzung im Handwerk
I. Analyse des Ausbildungsmarktes
Das einführende Beispiel beschreibt bereits die Situation auf dem Ausbildungsmarkt.
Durch den demografischen Wandel hat sich die Zahl der Schulabgänger, die auf
Ausbildungsplatzsuche sind, verringert. Viele der Schüler orientieren sich in die
Metropolregion Hamburg/Lübeck. Weiterhin besteht bei den Jugendlichen eine große
Berufswahlunsicherheit. Über 350 Ausbildungsberufe stehen den Jugendlichen zur
Wahl, davon über 1506 allein im Handwerk. Ein Großteil der Berufe sind nicht oder
kaum bekannt oder es gibt falsche Vorstellungen des Berufsbildes. Auch die
Infrastruktur ist ein Thema bei der Wahl des Ausbildungsbetriebes. Die
Ausbildungsstätte sollte gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sein und
die Entfernung zwischen Berufsschule und Wohnort und Ausbildungsbetrieb darf
nicht allzu groß sein. Aufgrund des Schülermangels haben auch die Berufsschulen
Standorte schließen müssen, somit ist für die Auszubildenden ein erhöhter Aufwand
(Zeit und Geld) mit der Fahrt zur Berufsschule verbunden. Allein der Standort der
Berufsschule ist häufig ein KO-Kriterium bei der Wahl des Berufes und des Betriebes
auf Seiten der Bewerber. Aus dieser Analyse sind die weiteren Planungsmaßnahmen
für das Unternehmen abzuleiten wie z. B. Schaffen von Praktikastellen, Vorstellen
der Berufsbilder im Unterricht, Tag der offenen Tür im Unternehmen, Finanzierung
von Fahrkarten. Auf diese Maßnahmen werde ich im weiteren Verlauf dieser Arbeit
eingehen.
II. Klärung der Ziele
1. Personalbedarfsplanung
In den meisten Klein- und Kleinstbetrieben wird intuitiv entschieden, ob und wie viele
Ausbildungsplätze besetzt werden sollen. Bei der im Vorfeld bereits erwähnten
Befragung zum Fachkräftebedarf der Kreishandwerkerschaft Schwerin im Frühjahr
2012 gaben 33 % der Handwerksbetriebe auf die Frage der Personalbedarfsplanung
an „kurzfristig, eher nach Bedarf“, 38 % „mittelfristig, bis zu drei Jahren“ und 29 %
„langfristig, über drei Jahre hinaus“ Personalentwicklung – und bedarf zu planen. Die
schwankende Auftragslage lässt für viele Handwerksbetriebe nur eine kurzfristige
Planung zu. Und wenn ausgebildet wird, wird oft nur ein Lehrling ausgebildet und
6 Internetseite der Handwerkskammer Schwerin, URL http://www.hwk-schwerin.de/ueber-uns/zahlen-und-
fakten.html, Abruf 12.2.2013
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erst nach dessen Ausbildungszeit wieder der Ausbildungsplatz angeboten.
Überlegenswert ist es, jedes Jahr einen oder mehrere
Ausbildungsplatz/Ausbildungsplätze anzubieten. So können Fluktuationen
aufgefangen werden. Die Auszubildenden können Azubi-Tandems oder
Patenschaften bilden und so von und miteinander lernen.
2. Berufsbilder
Arbeitsabläufe und Produktionsprozesse sind Grundlage für die Entscheidung, in
welchen Berufsbildern ausgebildet werden kann. Durch eine sich ständig wandelnde
Arbeitswelt entstehen stetig neue Ausbildungsberufe. So konnte z. B. ein
Fleischereibetrieb mit größerer Produktionsstrecke neben dem Beruf Fleischer auch
den Ausbildungsberuf Fachkraft für Lebensmitteltechnik anbieten, da in dem Betrieb
die entsprechenden Anforderungen erfüllt wurden. Auch ist es möglich, dass
Handwerksbetriebe im Büro ausbilden, so können also z. B. Ausbildungsplätze für
Kauffrauen/-männer für Bürokommunikation oder Bürokauffrauen/-männer
angeboten werden. Es lohnt sich für Handwerksbetriebe auch mal der Blick über den
Tellerrand der bisherigen ausgebildeten Berufsbilder zu sehen, um sich neu auf den
Ausbildungsmarkt zu positionieren.
3. Anforderungen an den Bewerber
Was aber sollen die Auszubildenden mitbringen? Oft ist dem Unternehmer selbst
nicht bewusst, was genau seine zukünftigen Auszubildenden ausmachen soll. Um
sich auf die richtigen Bewerber zu konzentrieren, und evtl. Ausbildungsabbrüche zu
vermeiden, lohnt es sich, über die Anforderungen an die zukünftigen Auszubildenden
nachzudenken. Klarheit bringen Antworten auf die Fragen: Welche Kriterien müssen
die Bewerber erfüllen, z. B. Höhentauglichkeit bei der Ausbildung zum Dachdecker
und welche Qualifikationen sind eher wünschenswert, z. B. Sprachkenntnisse
Englisch/Russisch zur Betreuung von Kunden.
Dass der erste Blick eines Ausbildungsbetriebes den Zensuren eines Bewerbers gilt,
ist nachvollziehbar. Jedoch geht die Gleichung „Schwache Noten = fehlende
Leistungsfähigkeit“ nicht immer auf. Gerade in kleinen Unternehmen ist eine andere
Frage die viel entscheidendere: Passt er zu uns und in unser Team? In den Fokus
rücken die sozialen und persönlichen Kompetenzen wie Teamfähigkeit, Höflichkeit,
Kooperationsbereitschaft, Durchhaltevermögen, Konzentrationsfähigkeiten sowie
Lern- und Leistungsbereitschaft. Somit sind eher die Beurteilungen von bereits
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geleisteten Praktika und ein Blick auf unentschuldigte Fehlzeiten für eine
Entscheidung für oder gegen einen Bewerber aussagekräftiger als Schulnoten.
Es gibt Unterstützungsleistungen seitens der Agentur für Arbeit oder der Kammern,
um Auszubildenden mit geringeren Schulabschlüssen oder Problemen in der
Berufsschule oder im Betrieb, weiterzuhelfen und evtl. Ausbildungsabbrüchen
vorzubeugen. Zu diesen Angeboten zählen z. B. ausbildungsbegleitende Hilfen
(abH), die Initiative VerA des Senior Experten Service (SES) oder auch die
Einstiegsqualifizierung (EQ).
4. Exkurs Unterstützungsleistungen:
Einstiegsqualifizierung (EQ): Ausbildungssuchende können ein bezahltes
Langzeitpraktikum bis zu zwölf Monate absolvieren. Dieses Langzeitpraktikum kann
auf die Ausbildungszeit angerechnet werden. Die Vergütung können von der Agentur
für Arbeit übernommen werden. Ansprechpartner ist die Agentur für Arbeit, Region
Schwerin
Ausbildungsbegleitende Hilfen (abH): ist eine kostenlose Stützmaßnahme der
Berufsberatung der Agentur für Arbeit für Auszubildende, die Hilfe beim Erwerb von
fachtheoretischen oder praktischen Fertigkeiten, Kenntnisse oder Fähigkeiten
benötigen. Ansprechpartner ist die Agentur für Arbeit, Region Schwerin
Initiative VerA beim Senior Experten Service (SES): ist ein kostenloses Angebot bei
dem jedem Jugendlichen ein persönlicher Ausbildungsbegleiter zur Seite gestellt
wird. Unterstützung wird z. B. angeboten bei Überforderung in der Berufsschule,
Prüfungsangst, Verbesserung der Deutschkenntnisse, Konflikte im Betrieb,
Gedanken an Ausbildungsabbruch. Ansprechpartner in der Region Schwerin sind die
Industrie- und Handelskammer zu Schwerin sowie die Handwerkskammer Schwerin.
Klagen und enttäuschte Äußerungen darüber, dass viele Jugendliche nicht über die
notwendige Ausbildungsreife verfügen, nützen nichts – hier ist lösungsorientiertes
Handeln, Einfühlungsvermögen, pädagogisches Geschick und Ausbildungswille
seitens der Ausbilder und aller mit der Ausbildung betrauten Mitarbeiter gefragt.
Ausbildung beinhaltet auch immer den Erziehungsauftrag.
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5. Meine Handlungsempfehlungen für Handwerksbetriebe:
a. Anzahl der Ausbildungsplätze festlegen
mehrere Jugendliche zur gleichen Zeit ausbilden
o Lerneffekte bei den Auszubildenden können höher sein
o Fluktuationen werden aufgefangen
o langfristige Planung möglich
b. Überblick über Berufsbilder verschaffen, die ausgebildet werden sollen
Entsprechen diese noch den Anforderungen der Arbeits- und
Prozessabläufe im Betrieb
Können andere Berufsbilder als bisher angeboten werden?
c. Anforderungsprofil aufgrund der Tätigkeitsbereiche erstellen
Welche Anforderungen muss der potentielle Bewerber erfüllen z. B.
Grundkenntnisse Mathematik
Welche Anforderungen soll der potentielle Bewerber erfüllen z. B.
Grundkenntnisse in Word
Welche Anforderungen kann der potentielle Bewerber erfüllen z. B.
Fremdsprachenkenntnisse
d. Zielgruppe für Ausbildungsplatzangebot erweitern
Jugendliche mit geringerem Schulabschluss oder schlechterem
Notendurchschnitt
Jugendliche mit Migrationshintergrund
weibliche Jugendliche
Mütter und Väter für Teilzeitausbildung
III. Ausbildungsangebot
1. Attraktivität des Ausbildungsangebots
Die Grundsatzfrage, die sich jeder potentieller Ausbildungsbetrieb stellen muss,
heißt: Wie attraktiv ist das Unternehmen als Arbeitgeber bzw. als
Ausbildungsbetrieb? Die erfolgreichste Werbung für einen freien Ausbildungsplatz ist
die bisherige Ausbildung im Unternehmen. Gute Auszubildende bekommt, wer über
gute Ausbildung berichten kann. Wie ist die Innen- und Außenwirkung? Arbeiten die
Mitarbeiter und Auszubildenden gerne in dem Betrieb? Dann wird das auch so an die
Umwelt (Kunden, Familie, Freunde) weiter gegeben. Wie werden die Firma und der
Umgang miteinander von den Kunden wahrgenommen? Gerade kleine
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Handwerksbetriebe verfügen über den großen Vorteil, ständig direkten
Kundenkontakt zu haben. Und hier gilt es, sich als attraktiven Arbeitgeber
darzustellen und es selbstverständlich auch zu sein. Ein gutes und offenes
Betriebsklima wird durch Kunden auch als solches wahrgenommen und weiter
getragen. Weiterhin signalisiert z. B. einheitliche, gepflegte Firmenkleidung
Zusammengehörigkeit und dass der Träger der Kleidung gerne bei dem
Unternehmen arbeitet und sich mit dem Betrieb identifiziert. Weiterhin sollte im
Ausbildungsangebot kommuniziert werden, was Handwerk ausmacht: flache
Hierarchien und dadurch frühzeitige Übernahme von Verantwortung,
Aufgabenvielfalt, Betriebsabläufe, die flexibel auf Kundenwünsche angepasst
werden. Was für viele Handwerksbetriebe normal ist, stellt sich jedoch als riesiger
Wettbewerbsfaktor gegenüber größeren Betrieben dar: Das familiäre Miteinander.
Ein Steinmetzmeister drückte es mal so aus: „Es ist mir egal, welche Noten der
Bewerber hat, er muss zu meiner Familie passen.“ In Handwerksbetrieben wird
etwas zelebriert, was viele Jugendliche so heute gar nicht mehr kennen: Die
gemeinsamen Pausen werden zusammen verbracht. Es wird miteinander zur
gleichen Zeit, am gleichen Ort gegessen und miteinander gesprochen. Ein
Dachdeckermeister (mit sechs Kindern) hat seinen Auszubildenden, der
Schwierigkeiten in der Berufsschule hat und bei dem der Anfahrtsweg zum
Ausbildungsbetrieb zu weit ist, zu sich, in sein Haus aufgenommen. Nach dem Motto:
Auf einen mehr oder weniger kommt es auch nicht mehr drauf an, wird die
gemeinsame Freizeit mit Nachhilfe gefüllt. Dieses Beispiel ist eine Ausnahme (noch)
zeigt jedoch, dass die ausbildungswilligen Handwerksbetriebe, sich auf die
Bedürfnisse ihrer Bewerber einlassen müssen und auch wollen. Ausbildung bedeutet
in der heutigen Zeit mehr, als nur den Ausbildungsplatz zur Verfügung zu stellen. Es
wird ein Gesamtpaket durch potentielle Bewerber gefordert wie z. B. gute
Arbeitsbedingungen, eine qualifizierte Ausbildung, Unterstützung bei der
Wohnungssuche oder Erstattung von Fahrkosten.
Einen attraktiven Arbeitsplatz machen aus:
a. gutes Betriebsklima durch offenes und kooperatives Führungsverhalten
b. Feedbackkultur
c. gute Arbeitsbedingungen z. B.
durch Einhaltung der Arbeits- und Pausenzeiten
flexible Arbeitszeitmodelle (Zeitkonten)
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gute Ausstattung des Arbeitsplatzes
angemessene Bezahlung
d. Planungssicherheit
Einsatzplanung wie Früh- und Spätschichten, Wochenendarbeiten
werden so früh wie möglich mit Mitarbeitern abgesprochen
Urlaubswünsche der Mitarbeiter werden berücksichtigt
e. Weiterbildungen werden ermöglicht und unterstützt (Förderung durch
MeisterBafög, Bildungsprämie oder WeGeBau möglich)
f. Gestaltung gemeinsamer Freizeitaktivitäten wie z. B. Betriebsfeiern und -
ausflüge, Sportvereine
2. Meine Handlungsempfehlungen für Handwerksbetriebe
a. Gute Ausbildungsqualität sichern
Beachtung der rechtlichen Rahmenbedingungen
Einhaltung Arbeits- und Pausenzeiten
qualifizierte Ausbilder
Austausch mit Berufsschulen
angemessene Ausbildungsvergütung
b. familiäres und gutes Betriebsklima fördern
Feedbackkultur
partnerschaftlicher Umgang miteinander
c. Perspektiven aufzeigen z. B. Übernahme nach Ausbildung,
Weiterentwicklungsmöglichkeiten
d. frühzeitig Verantwortung an Auszubildenden übertragen
e. Aufgabenvielfalt hervorheben
f. Zusatzqualifikationen anbieten (inner- und außenbetrieblich)
g. Auszubildende an regionalen wie überregionalen Wettbewerben teilnehmen
lassen und fördern
h. Besuche von branchenbezogenen Messen unterstützen und finanzieren
i. Austausch von Azubis in andere Betriebe oder Auslandsaufenthalte gewähren
j. Erstausrüstung wie z. B. Malerrucksack mit entsprechenden Malerutensilien,
besondere Scheren im Friseurhandwerk oder Messerset im
Fleischerhandwerk zur Verfügung stellen
k. Bonussysteme anbieten z. B. bei guten Leistungen wird ein Teil des
Führerscheins bezahlt
l. Übernahme von Fahrkosten zwischen Ausbildungsbetrieb und Berufsschule
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Produkt
Preis
Kommunikation
Distribution
Anf orderungsprof il des Ausbildungsplat zes
Qualif ikation der
Bewerber
Stellenanzeige in Printmedien
Teilnahme an Beruf smessen
Hinweise auf f irmeneigener Homepage
Pressemitteilungen
Empf ehlungen v on
Mitarbeitern und anderen
Auszubildenden
Berater der Agentur f ür Arbeit, Kammern und
Kreishandwerkerschaf ten
Schullehrer
Beruf seinstiegsbegleiter
Qualität der Ausbildung
Zusatzqualif ikationen
Ausbildungsv ergütung
Image der Branche und des Beruf es
Image des Betriebes
Übernahme nach der Ausbildung
m. Unterstützung bei Wohnungssuche
n. gemeinsame Freizeitaktivitäten wie z. B. Drachenbootteam,
Sportmannschaften, Bowlingabende, Kochabende, Sommerfeste,
Weihnachtsfeiern, Betriebsausflüge
o. weitere Unterstützungsmöglichkeiten: Wertmarken für Mittagessen,
Übernahme von Fitnesscenterkosten
Diese Handlungsempfehlungen sind als Denkanstöße gedacht und können beliebig
erweitert werden. Natürlich sind nicht für alle Handwerksbetriebe alle Punkte
umsetzbar, jedoch sollten die Handlungsempfehlungen a – f für jeden
Ausbildungsbetrieb gelten und in das Ausbildungsleitbild einfließen.
IV. Ausbildungsmarketingstrategie
1. Ausbildungsmarketingmix allgemein
Die große Attraktivität als Arbeitgeber, die qualitativ hochwertige Ausbildung und das
beste Ausbildungsplatzangebot verpuffen, wenn die Öffentlichkeit nicht darauf
aufmerksam gemacht wird und davon nichts bemerkt. Nur durch einen auf das
Unternehmen abgestimmten Mix aus verschiedenen Handlungen, Instrumenten und
Methoden kann ein erfolgreiches Ausbildungsmarketing gelingen.
Abbildung 1 - eigene Darstellung des Ausbildungsmarketingmixes,
abgeleitet vom klassischen Marketingmix nach Jerome McCarthy
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Nachdem das Produkt (Ausbildungsangebot) und der Preis (Anforderungen an den
Bewerber) konzipiert sind, ist zu überlegen, welche Kommunikationswege genutzt
werden können. Wichtig ist hier auch die Zielgruppe zu beachten, nicht nur die
potentiellen Auszubildenden wollen überzeugt werden, sondern auch die Familie,
Freunde, Klassenkameraden sowie Multiplikatoren wie Lehrer, Ausbildungsberater,
Berufseinstiegsbegleiter als Ratgeber.
Die Auswahl an Kommunikationswegen ist riesig. Welche Rekrutierungswege führen
jedoch zum Erfolg? Die Ergebnisse aus dem Ausbildungsmonitor 2007 und 2008 des
Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB)7 zeigen, welche Art der Azubigewinnung
erfolgreiche Unternehmen gewählt haben und für welche Wege sich Unternehmen
entschieden haben, die letztendlich erfolglos blieben.
0 20 40 60 80
Meldung Arbeitsagentur
Zeitungsinserat
Internet
Kammer informiert
Mitarbeiter informiert
Infoveranstaltung…
Ausbildungsmessen
Initiativbewerbungen
Betriebspraktikum
ohne unbesetzte Stellen
mit unbesetzten Stellen
Abbildung 2 - Rekrutierungswege, eigene Darstellung nach BIBB Report 10/09
Die Untersuchung ergab, dass diese herkömmlichen Rekrutierungswege:
Meldung bei Agentur für Arbeit
Zeitungsinserat
Internet
Information Kammer
Information Mitarbeiter
Warten auf Initiativbewerbungen
von allen befragten Unternehmen in ähnlichem Umfang genutzt werden.
7 vgl. Gericke, Naomi/Krupp, Thomas/Troltsch, Klaus: Unbesetzte Ausbildungsplätze - warum Betriebe
erfolglos bleiben – Ergebnisse des BIBB Ausbildungsmonitors, BIBB-Report 10/09, 2009, S.5
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Abbildung 4 - Tag der offenen Tür der
Handwerkskammer Schwerin, Messestand
Elektroanlagenbau Uwe Möller GmbH, 19.01.2013
Abbildung 3 - Berufsmesse in der Werner-von-
Siemens-Schule, Messestand der Neumühler
Bauhütte GmbH, Herbst 2012
Unternehmen mit einem erfolgreichen Ausbildungsmarketing haben drei weitere
Wege beschritten, die von den in der Azubigewinnung erfolglosen Unternehmen
nicht im gleichen Maße eingeschlagen worden sind:
Durchführung von Informationsveranstaltungen in den regionalen Schulen
Präsentation auf Ausbildungsmessen
Angebot von Betriebspraktika.
2. Meine Handlungsempfehlungen für Handwerksbetriebe:
a. Kontakt zu regionalen Schulen suchen
Patenschaften für Klassen
übernehmen z. B. Klassen-
ausflüge finanziell oder mit
Sachleistungen unterstützen
oder gemeinsam Projekttage
gestalten
Berufsmessen aktiv mitgestalten
Elternabende und Projekttage
der Schulen nutzen, um Betrieb
und Berufsbild vorzustellen
Ausbildungsangebot am „Schwarzen Brett“ der Schule aushängen
b. Ausbildungsmessen nutzen
z. B. Tag der offenen Tür der
Handwerkskammer Schwerin,
Berufsmesse im BIZ, SVZ-
Lehrstellentag
wichtig: Messebesucher aktiv mit
berufsbildtypischen Tätigkeiten
einbeziehen, um Interesse zu
wecken und Einblicke zu geben,
z. B. Friseur – Ausprobieren von
Frisuren am Modellkopf oder Kosmetikberatung, Elektrobereich – Fertigen
von Verlängerungsschnüren, Dachdecker – Bearbeiten von Dachziegeln;
Baubereich – Hände oder Fußabdrücke in Beton verewigen etc.
Messebetreuung aus Zeit- und Kostengründen mit anderen
Handwerksbetrieben, z. B. gemeinsamer Innungsstand, teilen
Der Mix macht´s – Wege zur Gewinnung von geeigneten Auszubildenden im Handwerk
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Abbildung 5 - Postkarte der Gilde Stiftung des
Fleischerhandwerks
c. Praktika und Ferienarbeit anbieten
Aktionstage wie „Girl´s Day“ oder „JungsTag“ nutzen und Schülerinnen die
Möglichkeit geben, einen Blick in eher männerdominierte Berufe wie
Elektriker, Dachdecker, Tischler usw. zu geben und im Gegensatz dazu
auch Schülern Berufsbilder aufzeigen, die eher von Frauen gewählt
werden wie z. B. Friseur oder Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk
Blockpraktika (mehrere Wochen am Stück oder Praxislerntag (z. B. ein Tag
alle zwei Wochen) anbieten
Vorteile:
o Schüler und Jugendliche können in „echte Arbeitswelt“
reinschnuppern
o die potentiellen Auszubildenden und Ausbilder lernen sich
bestmöglich kennen
o Entscheidungshilfe, ob es der Beruf, dieser Ausbildungsbetrieb
und dieser Bewerber sein soll
d. Direkten Kontakt zu Kunden und Händlern nutzen
gute Mundpropaganda ist die
beste Werbung
im allgemeinen Schriftverkehr wie
Angebotsunterbreitungen,
Auftragsbestätigungen oder
Rechnungen, Werbung in eigener
Sache bzw. Ausbildung machen z. B.
durch den Zusatz: Wir bilden aus!
Flyer mit Ausbildungsangebot verteilen
Firmenwagen mit Hinweisen auf Ausbildung versehen
im Eingangsbereich der Werkstätten oder Läden
Ausbildungsplatzflyer hängen
Hinweise auf Ausbildungsplatzangebot auf Verpackungsmaterial platzieren
Abbildung 6 - Ausbildungsinitiative der Deutschen Post,
Hinweis auf Ausbildung auf Briefumschlägen
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Abbildung 7 - Pressemitteilung über gute
Ausbildungsqualität der Firma Derstappen
GmbH, Lübecker Nachrichten, 14.02.2013
Abbildung 9 - "Fleischeslust" - der
Metzgerkalender 2011, Fleischer-
Innung in Nürnberg
e. Regionale Medien nutzen
Zielgruppe der Medien beachten
o Wochenblätter -
Ansprechpartner Eltern
o Stadt- und Szenemagazin -
Ansprechpartner Jugendliche
Regionales Fernsehen wie z. B. TV
Schwerin, Werbemedien in Bus und
Bahn nutzen
„Tue Gutes und rede darüber…“, in Pressemitteilungen über gute
Arbeitsbedingungen oder Spenden und Sponsoring berichten
f. Zielgruppe Digital Natives - Internet und Soziale Netzwerke einsetzen
Nutzung von Lehrstellenbörsen wie z. B. bei Agentur für Arbeit,
Kammern und Kreishandwerkerschaften
potentielle Auszubildende googlen ihre zukünftigen Arbeitgeber
auf firmeneigener Homepage auf Ausbildung hinweisen mit
Beschreibung Ausbildungsplatz und Ansprechpartner
ansprechende Facebookseiten können virale Effekte haben
Abbildung 8 - Facebook Auftritt Hairstyle West – Friseursalon
g. Pflege des Berufsimages
Werkstatttüren bereits für Kinder aus
Kindergärten oder Unterstufen öffnen
mit besonderen Aktionen auf Beruf
hinweisen z. B. Kalender
Beteiligung an Handwerkermärkten-
und messen
gute Arbeit leisten
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Natürlich kann nicht jeder Handwerksbetrieb alles umsetzen und soll es auch gar
nicht. Wichtig ist die Erkenntnis, dass ein Weg allein heute nicht mehr ausreicht, um
junge Leute für die Ausbildung zu gewinnen. Das Platzieren des
Ausbildungsangebots z. B. auf dem Verpackungsmaterial oder dem Firmenwagen,
verstärkt mit einem informativen Homepageauftritt des Handwerksbetriebes,
abgerundet durch ein interessantes Informationsgespräch, welches in einem
Schnupperpraktikum mündet, kann z. B. ein guter Mix sein, damit die Lehrstelle
keine Leerstelle wird.
Informationsmaterial wie z. B. Flyer mit Informationen über das Berufsbild, Aufkleber
oder auch Postkarten können über die Innungen oder Kammern angefordert werden.
V. Erfolgskontrolle
Hat der Ausbildungsbetrieb zu Anfang des Ausbildungsjahres seine freien
Ausbildungsplätze besetzen können und sind die Auszubildenden auch nach der
Probezeit noch im Betrieb? Dann war das Marketingkonzept erfolgreich. Aber auch
hier muss genauer hinterfragt werden, welche der Rekrutierungswege, Instrumente
und Methoden zum Erfolg geführt haben. Die einfachste Methode das zu ermitteln,
ist die Befragung der Bewerber. Wie sind sie auf den Ausbildungsbetrieb
aufmerksam geworden, was genau hat sie überzeugt, sich genau in diesem
Unternehmen zu bewerben. Das kann durch einen Fragebogen oder im Interview
ermittelt werden. Gleichzeitig ist die Prüfung des Zeit- und Kostenaufwandes in
Relation zum Ergebnis der eingesetzten Methoden und Instrumente eine wesentliche
Kontrollaufgabe.
Nachdem in diesem ersten Teil der Schwerpunkt auf dem Wecken der
Aufmerksamkeit und des Interesses potentieller Auszubildender lag, widmet sich der
nächste Teil dieser Arbeit der Auswahl des geeigneten Bewerbers. Denn
Ausbildungsmarketing hört nicht bei der Gewinnung von Lehrlingen auf, sondern
beinhaltet auch die Auswahl von geeigneten, qualifizierten Bewerbern und die
Bindung von diesen an das Unternehmen.
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D. Personalauswahlverfahren
I. Allgemeines
Fehler oder besser gesagt die falsche Entscheidung bei der Auswahl des
Auszubildenden haben in jedem Unternehmen – ob Großunternehmen oder
Handwerksbetrieb - langfristige Folgen. Eine falsch getroffene Wahl kann sich auf die
Qualität der Arbeit, das Betriebsklima, das Ansehen des Unternehmens auswirken
und ist auch oft mit Folgekosten verbunden. Die Auswahl von Auszubildenden
gestaltet sich auch deshalb nicht so einfach, da die Persönlichkeit der Jugendlichen
noch nicht voll ausgeprägt ist, Schulzeugnisse wenig über die Fähigkeiten und
Fertigkeiten des Auszubildenden und viele unterschiedliche Einflussgrößen wie
Familie, Freunde, Lehrer usw. oder idealisierte Vorstellungen den Berufswunsch
nachhaltig beeinflussen.
Der Prozess der Auszubildendenauswahl sagt viel über das Unternehmen und
dessen Umgang mit potentiellen Mitarbeitern aus. Es ist die Visitenkarte des
Betriebes, quasi die Bewerbung beim Bewerber, und sollte daher Struktur und
Professionalität zeigen. Die einzelnen, für Handwerksbetriebe geeigneten
Auswahlverfahren sollen hier nur kurz beschrieben werden, die Gewichtung liegt auf
der Vorgehensweise innerhalb der Auswahlverfahren.
Es gibt eine große Auswahl an Personalauswahlverfahren, die je nach
ausgeschriebener Position (Auszubildender, Fachkraft, Trainee, Führungskraft) ihren
Einsatz finden. Als Beispiele möchte ich aufführen:
Bewerbungsunterlagen inkl. Motivationsschreiben, Lebenslauf, Zeugnisse
Telefon-Interviews
Auswahl-/Vorstellungsgespräche
Arbeitsproben
Einholen von Referenzen
Graphologische Gutachten
Tests wie z. B. allgemeine Leistungstests, spezielle Funktionsprüfungs- und
Eignungstests, Intelligenztests, Persönlichkeitstests,
medizinische Eignungstests wie z. B. Höhentauglichkeit
Assessment-Center
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Aufgrund der zeitlichen, personellen und finanziellen Engpässe in den Klein- und
Kleinstbetrieben des Handwerks schlage ich folgende Vorgehensweise zur Auswahl
von Auszubildenden vor:
1. Anforderungen festlegen
2. Vergleichende Betrachtung der Bewerbungsunterlagen mit erster Priorisierung
und Bewertung
3. Auswahl/Vorstellungsgespräch
4. Arbeitsprobe/praktische Aufgabenstellung
5. Bewertung und Entscheidung
Voraussetzung für die Durchführung von Personalauswahlverfahren sind ihre
Objektivität (unabhängig von der durchführenden Person), Reliabilität
(Zuverlässigkeit) und Validität (Gültigkeit).
II. Strukturierung von Personalauswahlverfahren
1. Anforderungen festlegen
Grundlage und Ausgangspunkt jedes Auswahlverfahrens ist ein an den
Anforderungen des zu besetzenden Ausbildungsplatzes ausgerichtetes
Anforderungsprofil. Dieses setzt sich zusammen aus einer Liste von gewichteten
Qualifikationen, die der zukünftige Auszubildende benötigt, um die Ausbildung
erfolgreich zu durchlaufen und abzuschließen. Das Anforderungsprofil sollte bereits
im Vorfeld zu den Marketingmaßnahmen erstellt sein, damit die Maßnahmen auch
zielgerichtet eingesetzt werden können. Im Anforderungsprofil werden Aussagen zu
mindestens folgenden Bereichen (abgeleitet von der beruflichen
Handlungskompetenz) zusammengestellt:
Formale Voraussetzungen
Fachkompetenz
Methodenkompetenz
persönliche Kompetenz
Sozialkompetenz
Diesen Bereichen werden einzelne Kriterien zugeordnet und entsprechend
gewichtet. Aufgrund der einfacheren Handhabbarkeit für die Handwerksbetriebe
habe ich mich für die folgende Ausprägung entschieden: Muss, Soll, Kann. Die mit
„Muss“ gekennzeichneten Kriterien sind erforderlich, ansonsten ist der Bewerber
nicht geeignet wie z. B. das Vorliegen der Berufsreife. Die „Soll“-Kriterien sind
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wünschenswert wie z. B. Grundkenntnisse wirtschaftlicher Zusammenhänge. Ein
„Kann“-Kriterium ist als Bonus, als Zusatz zu sehen, und kann als Zünglein an der
Waage gesehen werden, wenn zwei Bewerber ansonsten dem Anforderungsprofil
gleich entsprechen. Ein „Kann“-Kriterium kann z. B. Fremdsprachenkenntnis sein.
Beispiel:
Kompetenzen Gewichtung
Muss Soll Kann
Fachkompetenzen
Beherrschung Grundrechenarten x
Grundkenntnisse wirtschaftlicher
Zusammenhänge
x
Sprachkenntnisse englisch x
In der Handreichung ist ein Beispiel eines Anforderungsprofils zu finden, welches
auch als Vorlage für die Erstellung eines Anforderungsprofils genutzt werden kann.
2. Sichtung der Bewerbungsunterlagen
Auf Basis des Anforderungsprofils werden die Bewerbungsunterlagen gesichtet. Zu
prüfen ist, ob der erwartete Schulabschluss mit entsprechendem Notendurchschnitt
vorhanden ist, ob erste Fähigkeiten und Fertigkeiten im Praktikum erworben und
vertieft wurden, ob Einschätzungen in den Zeugnissen sowie in den
Praktikumsbeurteilungen erste Einblicke in die Qualifikationen und Kompetenzen
eines möglichen Auszubildenden geben. Weiterhin zählt der Gesamteindruck der
Bewerbungsmappe wie Sauberkeit, Vollständigkeit der Unterlagen (Anschreiben,
Lebenslauf, Lichtbild, Zeugniskopien, evtl. Belege für Zusatzqualifikationen und
Praktika), klare und deutliche Formulierung des Anschreibens und Lebenslaufs,
Grammatik und Rechtschreibung, und Motivation des Bewerbers. Die eingereichten
Bewerbungsunterlagen können in A, B und C- Kategorien unterteilt werden. Bei den
A-Kandidaten handelt es sich um diejenigen Bewerber, die genau den
Anforderungen des Ausbildungsprofils entsprechen. Bewerbungen in der Kategorie B
entsprechen nicht 100%-ig den Erwartungen, jedoch ist es vorstellbar durch ein
klärendes Gespräch auch diese Kandidaten in die engere Auswahl zu nehmen. Bei
Bewerbungen in der Kategorie C fehlen entscheidende Muss-Kriterien, so dass diese
Bewerber nicht im weiteren Auswahlprozess Berücksichtigung finden. Beachtung
sollte in jedem Fall der Grundsatz haben: Gesucht ist nicht der beste, sondern der
geeignetste Bewerber.
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Nach der Vorauswahl aufgrund der Bewerbungsunterlagen erfolgen Einladungen und
auch Absagen. Dieses sollte so schnell wie möglich erfolgen, damit die Bewerber
über den weiteren Ablauf informiert sind oder sich weiter orientieren müssen (im
Falle der C-Kandidaten). Inhalte des Einladungsschreibens sollten Zeitpunkt, Ort,
Gesprächpartner, evtl. Informationen zum Betrieb (Flyer, Anfahrtsskizze) und die
Bitte um Terminbestätigung sein. Die Absage wird mit den vollständigen
Bewerbungsunterlagen und mit dem Wunsch für viel Erfolg für den weiteren
beruflichen Weg versehen. Dieser Wunsch bewirkt, dass das Unternehmen in
angenehmer Erinnerung bleibt und der Jugendliche auch weiterhin motiviert ist,
Bewerbungen zu schreiben. In der Handreichung ist ein Beispiel eines Vergleichs der
Bewerbungsunterlagen zu finden, welches auch als Vorlage für die Erstellung eines
eigenen Vergleichbogens genutzt werden kann.
3. Auswahl-/Vorstellungsgespräch
Das Auswahlgespräch ist der beste Zeitpunkt, den Ausbildungsbetrieb und den
Ausbildungsplatz zu bewerben und zu präsentieren. Um die Frage: “Ist das unser
zukünftiger Azubi?” zu beantworten, ist es hilfreich, wenn mehrere Mitentscheider bei
dem Gespräch anwesend sind. Vier Augen und Ohren sehen und hören mehr. Für
das Auswahl-/Vorstellungsgespräch sind genügend Zeit und ein ruhiger Ort
einzuplanen. Ständiges Telefonieren und nervöse Blicke auf die Uhr geben dem
potenziellen Auszubildenden nicht das Gefühl, willkommen zu sein.
Das Bewerbungsgespräch sollte sich zu einem Dialog zwischen gleichwertigen
Partnern entwickeln. In den meisten Fällen sind die Jugendlichen jedoch noch sehr
nervös und unsicher, da es ihre ersten Vorstellungsgespräche sind. Oft hören die
Interviewer außer Ja, Nein und Vielleicht keine aussagekräftigen Antworten. Hier
kommt es auf die richtigen Fragestellungen an. Fragen nach Lieblingsfächern und
Hobbys können ein Eisbrecher sein, da von Bekanntem und Gewohntem erzählt
wird. Schwerpunkte bilden Fragen nach der Motivation: Warum soll es dieser
Ausbildungsberuf/dieser Ausbildungsbetrieb sein? Welche Vorstellung hat der
Bewerber von der Tätigkeit?
Und natürlich interessiert es die zukünftigen Auszubildenden, was der
Ausbildungsbetrieb ihnen alles zu bieten hat. Hier gilt es, die besten Seiten des
Betriebes als Arbeitgeber zu präsentieren und auch mögliche Perspektiven für
leistungsstarke Auszubildende aufzuzeigen. Ist eine Betriebsführung möglich, ist hier
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ein guter Zeitpunkt für einen Rundgang mit Zeigen des zukünftigen
Ausbildungsplatzes.
Ein Vorstellungsgespräch dient dazu, dass sich beide Seiten, Unternehmen und
Bewerber, darüber im Klaren werden, ob sie diese “Arbeitsbeziehung” aufgrund der
gesammelten Informationen eingehen wollen. Ehrlichkeit und Transparenz sind
wichtige Faktoren, um einen späteren Ausbildungsabbruch zu vermeiden. Somit ist
die Zusage bei der Wohnungssuche zu unterstützen nicht damit abgetan, dem
zukünftigen Azubi die Regionalzeitung mit Wohnungsanzeigen hinzulegen.
Der Ablauf eines Auswahlgespräches mit den entsprechenden Gesprächsphasen
und deren Teilzielen kann so gestaltet werden8:
4. Arbeitsprobe (praktische Aufgabenstellung)
Durch das Anfertigen einer Arbeitsprobe, z. B. Draht nach Vorlage biegen im
Berufsfeld Schlosser oder Errechnen des Farbbedarfs nach Vorgaben der
Zimmergröße im Berufsfeld Maler- und Lackierer, können berufsrelevante
8 vgl. Becker, Fred G.: Lexikon des Personalmanagements. Über 1000 Begriffe zu Instrumenten, Methoden und
rechtlichen Grundlagen betrieblicher Personalarbeit, 2002, S. 580
Aufgaben Ziele
1 Begrüßung, Vorstellung, persönliche
Gesprächseröffnung, Erläuterung
Gesprächsablauf
Auflockerung der Gesprächsatmosphäre
2 Besprechung der persönlichen und/oder
familiären Situation des Bewerbers
Sammeln von Erkenntnissen über den
Menschen sowie dessen äußeren Zwänge
und Möglichkeiten und Eindruckgewinnung,
ob Bewerber in das Team passt
3 Besprechung der schulischen und/oder
beruflichen Entwicklung des Bewerbers
Ermittlung der Qualifikationen und
Interessen des Bewerbers
4 Information über das Unternehmen, den Bereich
und Ausbildungsplatz
Werbung für das Unternehmen als
Arbeitgeber, Verdeutlichung der
Anforderungen an den Bewerber
5 Besprechung der Vertragsinhalte Klärung von Ausbildungsvertragsdetails und
Werbung für das Unternehmen als
Arbeitgeber
6 Gesprächsabschluss und Information über
zeitlichen Fortgang
Schaffung eines guten Eindrucks beim
Bewerber und Reduzierung von
Unsicherheit über Entscheidungsprozesse
Der Mix macht´s – Wege zur Gewinnung von geeigneten Auszubildenden im Handwerk
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Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten, wie z. B. Auffassungsgabe,
Lösungsorientiertheit, Grundkenntnisse in Mathematik und Physik und Motorik des
Bewerbers überprüft werden. Die Arbeitsprobe kann ein Teil des
Auswertungsgespräches sein und zeigt, ob das in der Bewerbung und im Gespräch
erwähnte handwerkliche Geschick auch tatsächlich vorhanden ist.
5. Bewertung und Entscheidung
Die Bewertung und Entscheidung für einen Auszubildenden erfordert eine sorgfältige
Arbeitsweise. Von daher ist es notwenig, alle während des Auswahlgespräches und
der Arbeitsprobe gesammelten Eindrücke schriftlich festzuhalten, um diese in einem
gemeinsamen Gespräch mit den am Gespräch und Beobachtung der Arbeitsprobe
beteiligten Entscheidern auszuwerten.
Jeder, der Mitarbeiter einstellt, muss sich darüber bewusst sein, dass er nicht
unvoreingenommen ist. Bei der Bewertung der einzelnen Bewerber haben die
Personalentscheider darauf zu achten, welche Anforderungskriterien zu erfüllen sind
und weniger darauf, was der Bewerber für einen gefühlsmäßigen Eindruck
hinterlässt.
Beurteilungsfehler9 betreffen bewusste und vor allem unbewusste Verfälschungen
der Beurteiler im Rahmen der Personalauswahl. Sie lassen sich in Wahrnehmungs-
verzerrungen, Maßstabsprobleme und bewusste Verfälschungen unterscheiden.
Zu den Wahrnehmungsfehlern zählen u. a.:
Halo-Effekt: ein bestimmtes positives Merkmal überstrahlt andere weniger
gute Merkmale oder umgekehrt. Der Beurteiler bewertet tatsächlich nur ein
Merkmal statt mehrerer.
Recency-Effekt: das letzte Drittel des Auswahlgespräches ist für die
Beurteilung des Interviews entscheidender als die zwei Drittel zuvor.
Maßstabsprobleme beziehen sich auf unbewusste Verzerrungen der Beurteiler:
Tendenz zur Milde/Tendenz zur Strenge: Der Beurteiler orientiert sich am
eigenen Anspruchsniveau. Ist das eigene Anspruchsniveau niedrig, neigt der
Beurteiler zu milder Beurteilung und entgegengesetzt.
9 vgl. Becker, Fred G.: Lexikon des Personalmanagements. Über 1000 Begriffe zu Instrumenten, Methoden und
rechtlichen Grundlagen betrieblicher Personalarbeit, 2002, S. 125
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Sympathie/Antipathiefehler: Der Beurteiler bewertet unbewusst auf ihn
besonders sympathisch wirkende Bewerber besser als andere. Umgekehrtes
Verhalten stellt den Antipathie-Effekt dar.
Bei bewussten Verfälschungen erfolgen die Beurteilungen als Mittel zum Zweck,
um bestimmte Bewerber zu bevorzugen.
In der Handreichung ist eine Vorlage für einen Beurteilungsbogen des
Auswahlgespräches zu finden.
Ist eine Entscheidung für einen Auszubildenden gefallen, ist mit diesem so schnell
wie möglich ein Ausbildungsvertrag abzuschließen, damit der Bewerber sicher ist,
dass er in dem Betrieb die Ausbildung beginnen kann und sich nicht weiter um eine
weitere Alternative zu bemühen braucht. Weiterhin ist durch den abgeschlossenen
Ausbildungsvertrag der erste Schritt zur Bindung des neuen Mitarbeiters an den
Betrieb getan.
E. Bindung von potentiellen Auszubildenden Für den Ausbildungsbetrieb ist mit Unterschrift unter dem Ausbildungsvertrag das
Suchen und Werben nach Auszubildenden abgeschlossen. Wie sieht es bei dem
zukünftigen Azubi aus? Im Idealfall, wenn der Ausbildungsbetrieb überzeugt hat, wird
der Auszubildende seinen ersten Ausbildungstag antreten. Doch die Chance am
ersten Ausbildungstag keinen Auszubildenden begrüßen zu können, ist hoch und
leider weit verbreitet. Für den Ausbildungsbetrieb ist der Ausbildungsvertrag
verbindlich, die Jugendlichen bewerben sich munter weiter nach dem Motto: Drum
prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich nicht was Bessres findet.
Auch hier heißt es wieder, Kontakt halten. Informationen über das Unternehmen oder
das Fortschreiten auf der Baustelle per Mail, SMS oder auf Facebook,
Geburtstagsgrüße, Einladungen zu Betriebsfeiern oder Informationsveranstaltungen
geben dem zukünftigen Auszubildenden das Gefühl, er gehöre bereits zum
Kollegenkreis. Auch das Bereitstellen der Werkstatt zum Nachgehen des Hobbys ist
eine gute Möglichkeit, dem zukünftigen Mitarbeiter, Vertrauen in seine Arbeit zu
geben und seine handwerklichen Fähigkeiten zu vertiefen.
Eine Verbindung zu den Jugendlichen schafft eine Bindung an das Unternehmen.
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F. Schlussbetrachtung
I. Fazit
Die Sensibilisierung der Unternehmer und Unternehmerinnen im Handwerk für die
Wichtigkeit des Themas Ausbildungsmarketing war ein Ziel dieser Arbeit. Eine
Ausbildung im Handwerk besteht nicht nur aus Schmutz, Überstunden und schwerer,
körperlicher Arbeit, sondern Handwerk benötigt auch Fingerspitzengefühl und
Köpfchen. Die Entwicklungschancen, die Möglichkeit, schnell Verantwortung zu
übernehmen und selbständig zu arbeiten, handwerkliches Geschick zu entwickeln
und in naher Zukunft sein eigener Chef zu werden, sind starke Argumente für eine
Ausbildung im Handwerk. Diese Überlegungen sind ein guter Ausgangspunkt für ein
erfolgreiches Ausbildungsmarketing. Nur wenn die Unternehmer und
Unternehmerinnen im Handwerk selbst von ihrem Berufszweig überzeugt sind, sich
für Werte und Traditionen einsetzen wollen, ohne stehen zu bleiben, wird es ihnen
gelingen, Nachwuchskräfte für das Handwerk zu gewinnen. Das Bewusstsein dafür
habe ich mit dieser Projektarbeit geschärft, ob und wie eine Umsetzung in den
einzelnen Betrieben erfolgt, wird sich erst in der Zukunft zeigen.
Ein weiteres Ziel dieser Arbeit war die Erarbeitung einer Handreichung für
Handwerksbetriebe zur optimalen Unterstützung bei der Gewinnung von
Auszubildenden für Handwerksberufe und zur Strukturierung von
Personalauswahlverfahren in Handwerksbetrieben. Mit dieser Projektarbeit sollten
Lösungsansätze zum Ausbildungsmarketing im Handwerk erarbeitet werden, die den
Handwerksbetrieben Anregungen geben, wie sie sich für geeignete Bewerber gut am
Ausbildungsmarkt positionieren können. Diese Vorgehensweise sollte dazu
beitragen, Impulse zu geben, neue und andere Wege als bisher bei der Rekrutierung
von Auszubildenden zu gehen. Ich habe Handlungsempfehlungen für
Handwerksbetriebe zur Gewinnung von Auszubildenden, zur Strukturierung der
Personalauswahlverfahren und zur Bindung der potentiellen Bewerber entwickelt.
Diese entwickelten Materialien wie Checklisten und Vorlagen sind im Anhang dieser
Projektarbeit als Handreichung „Der Mix macht´s… Wege zur Gewinnung von
geeigneten Auszubildenden im Handwerk“ zu finden.
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Diese Handreichung und die entwickelten Lösungsansätze werden durch mich auf
dem Verbandstag 2013 des Landesinnungsverbandes des Fleischerhandwerks
Mecklenburg-Vorpommern und den Versammlungen der Innungen im Frühjahr 2013
vorgestellt und diskutiert. Weiterhin wird diese Projektarbeit und die Handreichung für
die Betriebe auf der Internetseite der Kreishandwerkerschaft Schwerin abrufbar sein,
so dass ein umfassender Transfer in die Handwerksbetriebe gewährleistet ist.
Für das startende Ausbildungsjahr 2013 können die Vorschläge durch die
Handwerksbetriebe sofort aufgegriffen und umgesetzt werden. Eine individuelle
Ausbildungsunterstützung wird durch die Mitarbeiter der Kreishandwerkerschaft
Schwerin gewährleistet. Über die Rückmeldungen der Handwerksbetriebe, ob und
wie erfolgreich die Maßnahmen umgesetzt werden konnten,
Verbesserungsvorschläge zu den entwickelten Materialien und Anregungen zu
neuen Rekrutierungswegen, werden die Materialien durch die Kreishandwerkerschaft
Schwerin angepasst und weiter entwickelt.
Für die Sicherung und Weiterentwicklung des Handwerks ist es wichtig, dass
Handwerksunternehmer- und unternehmerinnen erkennen, dass sich
Zukunftsinvestitionen nicht nur auf Werkzeuge, Maschinen und Ladeneinrichtungen
beschränken. In die (potentiellen) Mitarbeiter muss investiert werden, damit das
Handwerk auch in der Zukunft die Wirtschaftsmacht von nebenan bleibt. Ein
Fleischermeister sagte dazu: „Die Branche gewinnt entweder gemeinsam oder
verliert gemeinsam.“
II. Ausklang
Fleischermeister Korff hat sich mit seinen Mitarbeitern beraten und entschieden,
dass die Fleischerei Korff dieses Jahr wieder ausbilden und sich aktiv um Bewerber
bemühen will. Es sollen zwei Fleischer und ein Fachverkäufer für
Lebensmittelhandwerk, Fachrichtung Fleischerei, ausgebildet werden. Wichtig ist
allen Mitarbeitern, dass die Jugendlichen motiviert sind und Spaß am Umgang mit
der Ware haben. Als Schulabschluss wäre es gut, wenn die Jugendlichen die mittlere
Reife mitbringen, aber ausschlaggebend für die Entscheidung soll eher die
Motivation und handwerkliches Geschick sein.
In dem Gespräch mit seinen Mitarbeitern hat Fleischer Korff um Vorschläge gebeten,
warum die Jugendlichen sich ausgerechnet für eine Ausbildung in der Fleischerei
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Korff entscheiden sollen. Die Mitarbeiter haben hervorgehoben, dass das
Betriebsklima sehr gut und familär ist, sie morgens gemeinsam frühstücken und
dabei die Tagesaufgaben besprechen, wobei das Wurstangebot natürlich durch die
Fleischerei selbst gestellt wird. Die Mitarbeiter würden die Jugendlichen auch bei
einer Suche nach einer Unterkunft unterstützen, vielleicht können die
Auszubildenden ja eine WG aufmachen. Wenn jemand Nachhilfe benötigt, stellt sich
der ehemalige Auszubildende Jens zur Verfügung und gibt Unterstützung. Auf jeden
Fall ist die betriebliche Zukunft der drei potentiellen Auszubildenden bereits
gesichert, wenn sie Wollen und Können zeigen und im Betrieb nach ihrer Ausbildung
bleiben möchten. Sogar ein Austausch in´s Ausland ist möglich, es gibt Beziehungen
nach Frankreich. Frau Korff hat das alles auf einem Flyer festgehalten. Einen
Aushang will sie gleich an die Türen der Filialen befestigen und auch an den Stand
des morgigen Bauernmarktes mitnehmen. In der Schule ihrer Enkelin wird sie
nächsten Monat auch Flyer austeilen, da sind nämlich Projekttage, wo sich die
Firmen aus der Region mit ihren Berufsbildern vorstellen können. Frau Korff hat von
ihrer Enkelin auch gehört, dass es den Praxislerntag für die neunten Klassen gibt.
Vielleicht haben ja ein paar Schüler Lust, in der Fleischerei Korff mitzuarbeiten. Und
natürlich meldet Frau Korff die Ausbildungsplätze bei den Lehrstellenbörsen der
Agentur für Arbeit, den Kammern und der Kreishandwerkerschaft.
Fleischermeister Korff hat sich inzwischen mit seinem ehemaligen Auszubildenden
Jens, der seine Meisterausbildung machen möchte, hingesetzt und mit ihm seine
Perspektiven im Betrieb besprochen. Beide können sich vorstellen, dass Jens die
Fleischerei einmal übernimmt. Fleischer Korff wird Jens unterstützen, in dem sich die
Fleischerei an den Kosten der Qualifikation beteiligt und es ihm zeitlich ermöglicht an
den Lehrgängen teilzunehmen.
Um für die Kunden besser erreichbar zu sein und für Informationen rund um den
Partyservice wird die Fleischerei sich eine Homepage einrichten lassen. Natürlich
wird auf der Homepage auch alles rund um die Ausbildung in der Fleischerei Korff zu
finden sein. Die zukünftigen Auszubildenden haben dann während ihrer Ausbildung
die Möglichkeit, in einem eigenen Blog über ihre Ausbildung in der Fleischerei Korff
zu berichten.
Fleischer Korff ist zufrieden, der Anfang ist gemacht…