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Der Kreuzweg Skelette

Date post: 03-Jan-2017
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Mac KinseyBand 12Jake RossDer Kreuzweg der Skelette

Laglen hatte den Unheimlichen von Balmoral gespielt. Aber er war ein Stmper geblieben und hatte das Erbe der Hexe Laurina vertan.Dafr war er in Rauch und Feuer vergangen. Fr alle Zeit.Aber Laurinas treuer Begleiter, der Feuerdmon, betrieb eifrig die Rckkehr der Hexe aus dem Schattenreich. Was Laglen nicht gelang, wollte er vollbringen. Er setzte die Menschen mit den toten Augen eiskalt fr seine Zwecke ein. Er brauchte sie fr die Wallfahrt.Nicht in ihrer menschlichen Form. Nur als Gerippe waren sie ihm ntzlich.Denn um Laurina aus dem Schattenreich herberzuholen, muten sie den Kreuzweg der Skelette gehen!Ein unheimliches Knistern schreckte den Oberpfleger Gains im Siechenheim Zum Guten Hirten auf. Das hrte sich doch wie nach einem Feuer an!Zu dem Knistern gesellte sich jetzt noch ein unheilvolles Knacken und Prasseln.So krachten Balken, die im Feuer zersprangen!Gains schnellte hoch und stie den Stuhl zurck, da das Sitzmbel quer durch das Wachzimmer flog und gegen die Heizung prallte. Die Angst peitschte den Oberpfleger. Vor zehn Jahren hatten sie schon einmal einen Brand im Haus gehabt. Es war frchterlich gewesen.Blitzartig stand die schreckliche Erinnerung auf. Einige Heiminsassen, die schon gerettet waren, hatten in vlliger Verwirrung zurck ins Haus gedrngt und waren in das Feuer gelaufen.Anderen war jeder Fluchtweg aus dem alten Gebude abgeschnitten. Ihre grauenhaften Schreie hatten aus der Flammenhlle gegellt, bis das orgelnde Fauchen und Brausen des Feuersturmes die Schreie gndig bertnte.Wie das Feuer damals hatte ausbrechen knnen, war nie ganz geklrt worden. Die Brandexperten hatten sich schlielich darauf geeinigt, da einer der verwirrten Heiminsassen gezndet hatte.Das war die bequemste Lsung gewesen.Beim Wiederaufbau hatte dann alles anders gemacht werden sollen. Mehr Brandschutz, bessere Rume fr die Insassen und das Personal, eine zustzliche Feuertreppe, eine Sprinkleranlage.Mangels Geld war das Haus dann doch in der alten Manier aufgebaut worden. Im Grunde war es immer noch eine Mausefalle fr die Insassen, falls ein Feuer ausbrach.Mit der Brandkatastrophe vor zehn Jahren und den grauenhaften Folgen vor Augen hastete Gains auf den Flur hinaus.Im Haus herrschte nchtliche Ruhe. Bis auf das unheimliche Knacken und Prasseln. Es kam von dieser Etage. Gains warf sich herum, er hatte die falsche Richtung eingeschlagen.Geistesgegenwrtig ri er einen Feuerlscher aus dem Halter an der Wand.Feuerlscher!Diese lcherlichen Schaumbehlter waren von der grozgig und teuer geplanten Sprinkleranlage brig geblieben! Ein Hohn. Letztendlich aber immer noch besser als gar nichts.Frher, vor der Feuerkatastrophe, hatte es hier nicht einmal Feuerlscher gegeben. Wassereimer ja. Aber ohne Wasser. Weil die Heiminsassen mit dem Wasser dauernd Unfug anstellten. Und ein paar Tten mit Sand. Die waren irgendwie noch vom Weltkrieg brig geblieben.Gains schnupperte.So, wie es krachte und prasselte, mute eines der Zimmer in hellen Flammen stehen. Zwangslufig gab's dabei eine starke Rauchentwicklung.Er roch jedoch nichts.Das Fenster! zuckte es ihm durch den Kopf. Das Fenster ist in der Hitze geplatzt, der Rauch zieht hinaus, und das Feuer bekommt noch mehr Sauerstoff!Hier oben im letzten Stockwerk waren die Fenster nicht zu ffnen und zustzlich noch vergittert. Aus gutem Grund. Schon mancher Insasse hatte versucht, durchs Fenster hinauszukommen. Die Mitbewohner des Zimmers hatten ihm oft genug dabei geholfen.Es kam aber auch vor, da sie vllig apathisch das Treiben verfolgten. Oder da sie ein schwer motivierbares Gelchter anstimmten.Weil das Siechenheim mehr Pflegeflle aufnehmen mute, als eigentlich Pltze zur Verfgung standen, war es wieder blich geworden wie schon vor der damaligen Brandkatastrophe, bis zu vier Pfleglinge auf ein Zimmer zu legen.Das brachte zustzliche Probleme mit sich und verlangte dem Personal den letzten Geduldsfaden ab.Hier oben waren alle Zimmer voll besetzt mit einer Ausnahme.Einen Raum gab es, der nur einen Insassen hatte. Weil der Pflegling nmlich besonders schwierig war. Gefhrlich auch noch. Fr sich und andere.Vor einem halben Jahr war er durch Vermittlung eines Doktor Vilion aus Balmoral eingeliefert worden. Eine unheimliche Geschichte rankte sich um den jungen Mann. Angeblich war er durch Hexenkraft erblindet. Der Postmeister Laglen aus Balmoral sollte ihm die toten Augen angehext haben.Ihm und vier anderen Bewohnern des Ortes.Gains und sein Personal hatten natrlich gegrinst und ein paar ziemlich derbe Bemerkungen dazu gemacht. Da es heutzutage noch Hexen und Hexer gab, war ja der reine Bldsinn.Der krumme knorrige Vilion hatte selber ein wenig seltsam ausgesehen. Mglich, da es in seinem Kopf genauso wirr zuging wie in dem der Pfleglinge.Eine Pflegerin aus dem Frauenhaus hatte sogar gesagt, den Doktor sollten sie besser gleich dabehalten, es wre sicher kein Fehler.Das war natrlich nicht gegangen.Was den Pflegling mit Namen Ian Burgess betraf, hatte er wahrhaftig tote Augen. Groe weie Kugeln, die mitunter schrecklich rollten.Gains konnte sich nicht entsinnen, je etwas hnliches gesehen zu haben. Die Augen der brigen Opfer des Postmeisters sollten einen hnlich schrecklichen Anblick bieten.Da Hexerei im Spiele war, hielt Gains rundweg fr ausgeschlossen. Eine Erklrung war ihm in den sechs Monaten aber auch nicht eingefallen, die sich vernnftiger anhrte.Gefhrlich war Ian Burgess deshalb, weil er unberechenbar war. Der Bursche war ein Hne von Gestalt und krftig wie ein Br. Tagelang sa er nur da und war nicht ansprechbar, reagierte berhaupt nicht, rhrte nicht einmal die Mahlzeiten an.Dann wieder konnte es passieren, da er hinter der Tr lauerte und sich auf jeden strzte, der seinen Fu nur ins Zimmer setzte. Krzlich hatten vier Mann ihn nur mit Mhe bndigen knnen.Und zweimal hatte er schon das fest verankerte Bett aus der Wand gerissen und obendrein Schrank, Tisch und Stuhl kurz und klein geschlagen.Fr einen ganzen Tag hatten sie ihn in die Jacke stecken mssen. Nur langsam hatte er sich wieder beruhigt.Daheim hatte er solche Zerstrungsanflle fast jeden Tag bekommen.In dem Bericht, den Vilion mitgebracht hatte, war auch festgehalten, da Ian Burgess fnf Selbstmordversuche unternommen hatte. Und da er gegen seine Familie und jeden Besucher ttlich geworden war.Darum wurde er hier allein und abgesondert verwahrt.In der ersten Woche seines Aufenthaltes hatte dreimal eine neue und jedesmal strkere Tr eingesetzt werden mssen, weil er sie jedesmal zerschmettert hatte. Selbst an der Metalltr hatte er sich versucht. Die hatte ihm aber endlich standgehalten.Hinter dieser Metalltr hrte Gains das schreckliche Prasseln.Er stoppte und betrachtete die Tr. Er konnte aber nicht entdecken, da die Farbe von der Hitze Blasen warf oder da sie sich irgendwo verfrbte.Er schnupperte an der Ritze.Kein Rauch!Im Handumdrehen hatte er den Universalschlssel in der linken Hand und stocherte nach dem Schlsselloch.In diesem Moment hrte er ein irres Gelchter hinter der Tr. Gains erstarrte fast zur Salzsule. Das war nicht Burgess!Der lachte selten, und wenn, dann hrte es sich anders an. Bse und gereizt und ziemlich tief.Dieses Gelchter jedoch war schrill und hoch.Jemand war bei Burgess drinnen!Das war aber gar nicht mglich, denn ohne Schlssel kriegte niemand die Tr auf. Und Gains war sicher, seit dem Abendessen den Schlssel nicht herausgegeben zu haben. Nicht mehr seit dem Abtragen des Geschirrs.Hatten die Pfleger vielleicht geschlafen? War ein Insasse aus einem Nachbarzimmer unbemerkt zu Burgess hineingeschlpft und hatte sich einschlieen lassen?Gains knurrte. Die Pfleglinge waren erfinderisch. Auf eine hchst unliebsame Art. Es gab eigentlich nichts, was sie sich nicht einfallen lieen und was sie auch in die Tat umsetzten. Es war schon ein Kreuz mit den armen Teufeln!Jetzt brach dieses irrsinnige Gelchter ab. Die Hand von Gains verharrte vor dem Schlsselloch, denn drinnen sagte eine Mnnerstimme, die wie aus einer verrosteten Giekanne klang: Ich rufe euch alle zusammen zur groen Prozession, Ian! Wir machen die Wallfahrt zu Ehren von Laurina. Wir werden sie zurckholen. Es wird ein Tag sein, wie es noch keinen im Hexenreich gegeben hat! In tausend Jahren wird man noch voller Entsetzen davon sprechen.Laurina? Hexenreich?Gains lie um ein Haar den Schaumlscher aus der rechten Hand fallen, so sehr erschrak er.Wo bist du? Das war Burgess, seine Stimme klang gereizt. Wie immer unmittelbar vor einem Wutausbruch, der mit einem Angriff endete.Du kannst mich nicht sehen, nicht wahr? Die fremde Mnnerstimme kicherte. Laglen, dieser Stmper, hat Laurinas alte Hexenbcher gefunden, aber er hat nichts verstanden und alles falsch gemacht. Hier bin ich, Ian, hier! Komm nur, ich geleite dich hinaus!Laglen?Gains begannen die Knie zu zittern. Sollte dieser ganze Quatsch aus Balmoral am Ende doch stimmen? Hatte der krummknorrige Vilion doch keinen Vogel?La mich in Ruhe! sagte Ian Burgess heftig und wild. Ein Stuhl krachte neben der Tr drinnen gegen die Wand.Ein gehssiges Lachen war die Reaktion. So nicht, mein Freund! sagte die Mnnerstimme. Ich werde Laurina zurckholen, ich werde ihr den Weg bereiten. Dazu brauche ich euch und viele andere. Ihr werdet mir helfen, ich zwinge euch dazu, ich habe die Macht.Jetzt flog der Tisch und krachte gegen die Wand zum Nachbarzimmer. Ian Burgess lie sich zu nichts zwingen, wie es sich anhrte.Im nchsten Augenblick brllte er grauenhaft auf.Siehst du, mein Freund, ich habe dich gewarnt! Ich sagte doch, ich habe die Macht! Ich werfe den Fluch ber dich!Ein unverstndliches Gemurmel folgte.Im Zimmer gingen unglaubliche Dinge vor! Gains drehte den Schlssel und zog ihn sofort ab, wie es die Vorschrift verlangte. Auerdem brauchte er ihn drinnen, sonst kam er nicht wieder heraus. Alle diese Tren hatten auch innen ein Schlsselloch, aber keinen Drcker und keine Klinke.Greller Feuerschein zuckte ihm entgegen.Also doch! Wer immer sich bei Burgess hatte einschlieen lassen, er war an Streichhlzer oder an ein Feuerzeug gekommen, und er hatte einen Zimmerbrand entfacht!Gains ffnete die Tr nur soweit, da er in den Raum schlpfen konnte. Damit die Flammen nicht auf den Flur schlugen und das Haus nicht im Nu voller Qualm war! Und damit es keinen Durchzug gab und das Feuer noch mehr angefacht wurde.Das Entsetzen traf den Oberpfleger bis ins Mark!Aus hervorquellenden Augen stierte er auf eine flammenumlohte Gestalt.So sah es jedenfalls auf den ersten Blick aus.Dann begriff Gains, da es eigentlich umgekehrt war. Eine unerklrliche Flammensule ahmte eine menschenhnliche Gestalt nach!Feuer formte die Haare, den Kopf, den Krper und die Gliedmaen.Das Bild war grauenhaft. Am schlimmsten war das Gesicht.Es war eine lohende Fratze mit einem Maul, so gro wie ein Kellerloch. Flammenbndel schossen daraus hervor, schlugen ins Zimmer und griffen fest nach Burgess.Ein Spuk! Ein Geist! Ein Dmon! Ein Feuerteufel!Gains drehte fast durch.Eine Einbildung war der Feuerdmon nicht, denn er sprte deutlich die Hitze.Er verstand nur nicht, weshalb der Boden nicht brannte, die Tapete, das Bett und die Trmmer von Tisch und Stuhl.Das ging nicht mit rechten Dingen zu.Ein grauenhafter Schrei brach aus seinem Mund, als er sah, was mit der Hand von Ian Burgess war, die der junge Mann gegen den Feuerteufel erhoben hatte. Gerade, als wollte er zuschlagen und als htte ihn eine unsichtbare Kraft gestoppt.Diese Hand war verbrannt. Haut und Fleisch waren weggebrannt. Nur noch die Knochen waren da.Gains kniff fest die Augen zu und ri sie wieder auf.Ich bin zu lange schon in diesem Haus, dachte er, mich hat es auch schon erwischt!Das Bild hatte sich nicht verndert. An der Wand stand der entsetzliche Feuerteufel und ri grinsend das schreckliche Maul auf bis hinter die Flammenohren.Und Ian Burgess hatte immer noch die abgebrannte Knochenhand wie zum nchsten Schlag erhoben.Jetzt wandte der Feuerdmon den Kopf. Lohende Augen blickten Gains an. Augen, in denen das ewige Hllenfeuer brannte.Sieh an, ein neugieriger Menschenteufel! Du kommst mir gerade recht, Freund! Ich lade dich ein zur Wallfahrt auf dem Kreuzweg. Wir werden viele Teufelsgebete fr Laurina sprechen mssen, aber sie wird zurckkehren, ich wei es. Und ich will es. Tritt nher, Freund, frchte dich nicht.Gains schttelte die Erstarrung ab.Wahnsinn, dachte er. Das gibt es alles nicht!Aber er frchtete, da er doch richtig sah. Deshalb ri er den Feuerlscher vor sich, richtete die Dse auf den Feuerteufel und hieb mit der linken Hand auf den Knopf.Zischend sprhte ein dicker Schaumstrahl auf den Feuerteufel.Aber wie durch Hexerei lste sich der Schaum schon unterwegs auf. Der flammende Dmon wurde berhaupt nicht getroffen. Nur etwas Dampf quoll hoch und verteilte sich unter der Zimmerdecke.Teufelswerk! keuchte Gains.Das grauenvolle Wesen aus Feuer lachte wie alle Hllengeister zusammen und streckte die flammenden Arme gegen den Oberpfleger aus. Ich bin unbezwingbar! rief es mit drhnender Stimme. ber dein lppisches Menschenwerk lache ich nur! Der Fluch Laurinas komme ber dich!Gains holte aus, um den Feuerlscher gegen das grliche Ding aus Feuer und Flammen zu schleudern. Mitten in der Bewegung sprte er qualvolle Stiche in den Augen. Dann begann alles zu verschwimmen, wurde milchig und trb. Und dann war da nur noch abgrundtiefe Schwrze wie im allerhintersten Winkel der Hlle.Der Oberpfleger stie einen grauenhaften Schrei aus.Zwar schleuderte er den Lscher noch ins Zimmer, aber es kmmerte ihn nicht, ob er traf. Seine gekrmmten Finger zuckten hoch und griffen nach den Augen, in denen unbeschreibliche Schmerzen tobten.Er sprte die Augen. Nur sehen konnte er mit ihnen nicht.Das flammende Dmonengesicht der Erscheinung verzog sich zufrieden. Ein guter Anfang, frwahr! Laurina, ich werde dir einen grandiosen Empfang bereiten, wie er noch keiner Hexe zuteil wurde. Wir werden unsere schwarzen-Gebete unaufhrlich hinabsenden in die Dsternis, die Mchtigen des Schattenreiches werden sie erhren mssen und dir die Rckkehr gestatten. Komm heim, Laurina! Komm bald!Gains krmmte sich brllend und taumelte gegen die Wand neben der Tr. Diese Schmerzen! Er hielt es nicht mehr aus! Seine Augen waren verbrannt! Er war blind! Wie Ian Burgess!Du Hllenbrut! kreischte er und richtete sich auf. Du Migeburt des Teufels, ich werde dichDer Feuerdmon wandte ihm nur das flammende Antlitz zu und streckte gebieterisch die Rechte aus. Der bse Fluch Laurinas, den er ber Gains geworfen hatte, wirkte auf der Stelle.Der Oberpfleger wurde zurckgeschleudert, da er gegen die Wand krachte. Wimmernd und sthnend sackte der Mann dort zusammen und krallte die Finger in die toten Augpfel.Der Flammendmon machte eine weitere Bewegung. Diesmal gegen Ian Burgess.Hole ihn! befahl er. Bringe ihn vor mich. Und dann wollen wir gehen, mein Freund!Auch bei Ian Burgess wirkte der Fluch bereits.Gehorsam trottete der junge brenstarke Mann los. Zielsicher, als htte er gesunde Augen, schritt er dahin, wo Gains vor der Wand am Boden lag. Mit einem harten Griff packte er ihn im Genick und stellte ihn mit spielerischer Leichtigkeit auf die Fe.Dann stie er ihn vor sich her. Genau in die ausgebreiteten Arme des Feuerdmons hinein.Gains stie noch einmal einen entsetzlichen Schrei aus, der das ganze Haus widerhallen lie. Er sprte noch, wie sein ganzer Krper von schauderhafter Hitze eingehllt wurde. Dann war alles vorbei.Er sprte nichts mehr. Nie mehr.Ein rauchendes Skelett stand da.Der Feuerdmon gab es mit einem durchdringenden Lachen frei. Gains war alles Fleisch von den Knochen gebrannt.Aufgelst hatte sich auch seine Kleidung.Nur der immer noch zischende und sprhende Feuerlscher lag in einer Ecke. Und genau zwischen den knchernen Fen von Gains Skelett glnzte der Universalschlssel im Schein des lohenden Dmons.Jetzt zu dir, mein Freund! sprach das Feuergesicht. Komm her, beeile dich, es wird allerhchste Zeit fr uns!Aus dem Haus war das Schlagen von Tren zu hren. Hastende Schritte nherten sich aus dem Treppenhaus.Ian Burgess trat bereitwillig zwischen die Arme des Dmons, die sich blitzschnell um ihn schlangen. Sein Krper flammte hell auf, ein Prasseln klang aus den Ecken des Zimmers.Ian Burgess flammte auf wie ein Bschel Stroh.Nach wenigen Augenblicken sank die Feuersule zusammen. brig blieb ein feuergeschwrztes Skelett, dessen Totenkopf sich zu einem Grinsen anschickte.Ich bin bereit! klang es hohl aus dem Knochenschdel.Der prasselnde knackende Feuerdmon sackte in sich zusammen, die hellen Flammen schrumpften, bis nur noch ein geisterhaftes Flmmchen in der Luft zuckte.Diese kleine Feuerzunge, nicht grer als die Flamme einer Kerze, schwebte durch den Raum auf die Tr zu.Das Skelett, das gerade noch Ian Burgess gewesen war, tappte willenlos hinterdrein.Gains Gerippe bckte sich, einem stillen Befehl gehorchend, nach dem Schlssel und nahm ihn zwischen die Knochenfinger.Eine schaurige Prozession verlie das Zimmer und bewegte sich durch den oberen Gang des Gebudes vorneweg ein Geisterflmmchen, dahinter zwei feuergeschwrzte Gerippe.

*

Die grauenhaften Schreie hatten das Nachtpersonal alarmiert. Sogar im Frauenhaus hatte man sie gehrt, obwohl die Verbindungstr immer abgeschlossen war.Zwar war man an Schreie gewhnt, aber diese hatten Wnde und Decken durchdrungen. So etwas hatte man noch nie gehrt.Schwester Irmin eilte aus dem Frauenhaus herber, verga aber nicht, die Tr gewissenhaft hinter sich zu verschlieen. Sie hatte heute die Oberaufsicht ber das weibliche Nachtpersonal.Im Mnnerhaus war jedem Stockwerk ein Pfleger zugeteilt. Das war keine leichte Aufgabe, denn die Pfleglinge konnten eine Arbeitskraft in Trab halten, wenn sie ihre schlimmen fnf Minuten hatten.Aus dem Erdgescho hastete schreckensbleich Wolver herbei. Er hatte unten die Aufsicht, bewachte gleichzeitig noch die Eingangstr und den Abgang zum Keller, bediente die Heizung und nahm Anrufe entgegen. Manchmal erkundigte sich mitten in der Nacht ein Arzt, ob sie nicht noch einen Platz frei htten und einen Pflegling aufnehmen knnten. Am liebsten sofort.Solche Blitzeinweisungen waren nicht beliebt. Meist erledigte sich eine solche Anfrage auch sofort, weil nmlich kein Pflegeplatz zur Verfgung stand.Oder ein Pflegling verletzte sich whrend eines Tobsuchtsanfalles, dann mute der Doktor ins Siechenhaus gerufen werden. Er war der einzige Arzt in Ballater, und er wetterte jedesmal und war recht ungehobelt, wenn ihn ein Anruf aus dem Heim erreichte. Aber er kam.Wolver war im Laufe der Jahre abgestumpft. Gegen die Flche des Doktors, gegen die manchmal schaurigen Schreie aus dem Haus, und er schwor sich nach jedem Nachtdienst, einen Antrag einzureichen, da er knftig nur noch fr den Tagbetrieb eingesetzt werden sollte.Alle seine Antrge waren ungeschrieben geblieben. Sobald die Nacht um war, verga Wolver auch die Schwre.Jetzt aber packte ihn doch das Grausen, als er die gellenden Schreie von ganz oben aus dem Gebude hrte.Ein Rascheln und hastige Schritte lieen ihn den Kopf herumreien.Schwester Irmin eilte mit flatternden Gewndern heran, einen vllig verstrten Ausdruck im Gesicht.Wolver wandelte es eigenartig an, er verga sogar zu grinsen, was er in solchen Situationen sonst gerne tat. Eine Gnsehaut kroch ihm ber den Leib, als ein noch viel grlicherer Schrei von oben gellte und gar nicht enden wollte.Keuchend verharrte Schwester Irmin neben ihm. O Gott, es klingt ja unheimlich! Warum sieht denn niemand nach? Wolver, gehen Sie rauf!Ich? Gains ist doch oben! Wolver fand es nicht menschenfreundlich von der Schwester, da sie ihn die fnf Stockwerke hinaufhetzen wollte.Trotzdem! Vielleicht braucht er Hilfe! Mir war, als htte ich vom Durchgang aus Feuerschein gesehen. Ganz hinten!Feuer ? Der Rest blieb Wolver in der Kehle stecken. Sie litten alle noch an der entsetzlichen Erinnerung, standen immer noch unter dem Eindruck des Brandes von damals. Die lteren Pfleger jedenfalls, die ihn erlebt hatten. Viele neue waren nicht gerade dazugekommen. Eine Pflegerstelle im Siechenheim war nicht das, worum sich die Leute rissen.Wolver schaute zu seiner Loge und zum Telefon. Sollte er gleich die Feuerwehr anrufen? Oder half er Gains besser, den Brand zu bekmpfen und unter Kontrolle zu bringen?Vielleicht schafften sie es, wenn sie alle Hand anlegten.Bis die Feuerwehr eintraf, verging mindestens eine halbe Stunde. Ballater besa keine Berufsfeuerwehr. Die Freiwilligen muten erst aus dem Bett geklingelt werden. Bis dahin konnte das Siechenheim bereits in hellen Flammen stehen. Wie schon einmal.Wolver bedeutete der Schwester, sie solle zurckbleiben. Fr Frauenzimmer, auch wenn sie in einen Orden eingetreten waren und ein gottgeflliges Leben fhrten, war so etwas nichts.Aber Schwester Irmin dachte nicht daran, seinen Wink zu beherzigen. Mit sittsam gerafften Rcken hastete sie hinter Wolver her.Weit kamen sie nicht.Von oben hrten sie Schreie des Entsetzens. Wolver konnte genau die Stimmen der Nachtpfleger unterscheiden.Ein eigenartiges Klappern drang das Treppenhaus herab. Es kam nher, und es hrte sich immer unheilvoller an.Wolver und Schwester Irmin beugten sich bers Gelnder und sphten nach oben. Die Hauptbeleuchtung im Treppenschacht brannte stets die ganze Nacht.Tren knallten.Und dann sahen Wolver und die Schwester ein Bild, das sie an ihrem Verstand zweifeln lie.Ein geisterhaftes Flmmchen schwebte die Treppen herab, und ihm folgten zwei Skelette!Jetzt begriff Wolver, was das Trenknallen zu bedeuten hatte. Die Nachtpfleger auf den Stockwerken retteten sich hinter die Tr und schlugen sie entsetzt zu! Sie hatten Angst vor dem, was sie sahen. Das war Spuk!Er hatte pltzlich ebenfalls Angst. Grauenhafte Angst! Zwei Skelette, die die Treppen herabkamen, das gab es doch gar nicht!Aber er sah sie. Und er hrte ihre knchernen Fe auf den Holzstufen tacken.Weg hier! keuchte er, einer guten Eingebung folgend.Er fate Schwester Irmin nicht sehr zart und ri sie mit sich treppabwrts. Die Schwester hatte den Rosenkranz gefat und bewegte die fast blutleeren Lippen.Sie betet, dachte Wolver, aber es hilft nicht! Der Spuk verschwindet nicht!Instinktiv hastete er zu der verschlossenen Durchgangstr zum Frauenhaus.Den Schlssel, um Gottes willen, machen Sie doch! drngte er. Und als er sah, womit die verwirrte Schwester aufschlieen wollte, fgte er heiser hinzu: Mit dem Rosenkranz kriegen Sie die Tr kaum auf!Schwester Irmin bekam endlich den Schlssel zu fassen, der irgendwo an einer Kette in den Falten ihres Ordensgewandes baumelte. Im selben Augenblick fuhr sie herum.Wolver folgte ihrem Beispiel.Aus den Augenwinkeln sahen sie, da das Geisterflmmchen und die beiden Skelette schon im Erdgescho angelangt waren und sich dem Haupteingang zuwandten.Die wollen gar nichts von uns, zuckte es Wolver durch den Kopf. Die lassen uns in Ruhe! Die wollen nur abhauen!Mit seinen Nerven war es nicht mehr weit her. Die von Schwester Irmin waren auch nicht besser beschaffen. Die Schwester murmelte Worte, die keinen Sinn ergaben.Wolver hrte Getse aus dem Gebude. Die Pfleglinge waren von den unheimlichen Schreien wach geworden. Jetzt uerten sie sich auf ihre Art.Unbekmmert schritten die beiden Skelette auf den Haupteingang zu. Das hpfende Flmmchen verharrte dort. Eines der Gerippe steckte einen Schlssel ins Loch, drehte ihn zweimal um, und wie durch Zauberei bewegt schwang die Tr weit auf.Das Flmmchen schwebte hinaus in die Nacht. Augenblicklich schritten die Skelette hinterher. Das Tacken der knchernen Fe verlor sich.Wolver schttelte den Kopf und zwickte sich in den Arm.War er ebenfalls schon wunderlich in diesem Haus geworden?Er hrte Gestammel und ri den Kopf herum. Schwester Irmin betete noch immer kreuz und quer.Es hat geholfen! sagte er reichlich unhflich. Der Spuk ist fort, Sie knnen aufhren!Spuk?Das war es bei Gott nicht gewesen! Seit wann brauchte eine Spukgestalt einen Schlssel, um eine Tr zu ffnen? Zum Teufel, wieso hatte das eine Gerippe einen Schlssel gehabt?Nur die Nachtpfleger besaen einen.Wolver hastete zum Haupteingang und lauschte mit neu aufsteigendem Grausen hinaus. Der Wind trug ihm aus der Ferne das Klappern der Knochenfe zu. Die Gerippe schlugen den Weg nach Balmoral ein. Es gab nur eine geteerte Strae, auf der Schritte derart laut klapperten.Er warf sich herum, ri die Tr zu und griff nach dem Schlssel, der zurckgeblieben war. Im letzten Augenblick zuckte seine Hand zurck, weil ihm all die grausigen Geschichten einfielen, die man sich hierzulande erzhlte.Wer berhrte, was zuvor ein Geist angefat hatte, wurde selber zum Gespenst. Oder er wurde mit einer anderen schrecklichen Strafe gezeichnet.Mit einem Klumpfu. Oder einem Buckel. Oder er wurde krumm und schief. ber Nacht.Wolver sagte sich zwar, da das finsterer Aberglaube war.Andererseits hie es aber auch, es gbe keine Geister und Gespenster. Keine teuflischen Mchte und keinen Spuk.Was waren denn dann die zwei grauenhaften Gerippe und das tanzende Geisterflmmchen gewesen?Die waren so wirklich gewesen, wie er zwei Hnde hatte und einen Kopf!Also, schlo Wolver, ist an den unheimlichen Geschichten doch etwas dran!Er hatte nicht den Mut, den Schlssel anzufassen und abzuziehen.Er lauschte sekundenlang dem Lrm im Haus und spurtete dann los. Schwester Irmin hatte etwas von einem Feuerschein gesagt!Als er die Stockwerke hinauf hastete, sah er zwei, drei verstrte Gesichter. Die Nachtpfleger sphten ngstlich aus dem Trspalt.Erst als sie seiner richtig ansichtig wurden, kamen sie heraus. Sehr unentschlossen.Haben Sie die entsetzlichen Skelette auch gesehen? rief einer Wolver nach.Idiot, der! dachte Wolver. Warum sonst renne ich mir hier fast die Seele aus dem Leib?Im nchsten Stockwerk stand einer, blinzelte immer noch verwirrt und zeigte die letzte Treppe hinauf. Sie sind von oben gekommen, Wolver!Na los, worauf wartest du dann noch? Wolver blieb keuchend stehen. Mehr werden ja wohl nicht kommen.Der Kollege verstand diese Art der Einladung wohl, er schlo sich Wolver aber nur halbherzig an und blieb auf jeder dritten Stufe lauschend stehen.Die Polizei mu verstndigt werden! riet er und begann zu schwitzen, als sei es Hochsommer und nicht schon fast mitten im Winter.Und stell dir nur vor, was passiert, wenn du denen sagst, da du aus der Klapsmhle anrufst und eben zwei Gerippe aus dem Haus hast spazieren sehen? knurrte Wolver ergrimmt.Sind die wirklich fort? staunte der Pfleger.Entweder ist der Bursche so naiv, oder er hat eine weiche Birne gekriegt! Aber wer kriegt die hier nicht? Es ist nur eine Frage der Zeit!Statt Antwort zu geben, hastete Wolver weiter hinauf.Er sprte Stiche in den Lungen und lehnte sich keuchend an die Wand, als er das letzte Stockwerk erreichte.Von Feuerschein keine Spur! Schwester Irmin hatte sich vertan.Teufel, wieso stand aber die Tr zur Station sperrangelweit auf?Er tastete sich vorsichtig hinein und knipste das Licht an. Hinter einigen Tren machten Pfleglinge Lrm. Irgendwo hmmerten Fuste gegen Holz.Gains? Wolvers Stimme klang zaghaft.Der Oberpfleger meldete sich nicht.Wolver eilte von Tr zu Tr und lauschte. Er hoffte, irgendwo dahinter die Stimme von Gains zu hren, wie er die Pfleglinge beruhigte.Endlich kam er an das Zimmer des schwierigsten Falles im Heim. Mit diesem Burgess hatte er auch schon gerungen und eine Menge blauer Flecken heimgetragen.Wo steckte Gains? Bei dem Kerl drinnen? Hatte er die zwei grausigen Skelette gar nicht gesehen?Wolver blieb fast das Herz stehen, als er die Tr offen fand und das Zimmer dunkel. Er lauschte. Er hrte nichts. Nicht einmal einen Atemzug.Nach einer Weile riskierte er es, die Hand um die Ecke zu schieben und das Licht anzuschalten.Seine aufgestaute Spannung entlud sich in einem pfeifenden Atemzug.Das Zimmer sah vielleicht aus. Burgess hatte wieder getobt und alles kurz und klein geschlagen. Und er war verschwunden.Auch von Gains war keine Spur zu entdecken.Seltsam wie kam der Feuerlscher ins Zimmer? Der Fuboden, ein Teil der Seitenwand und das Fenster waren eingeschumt.Zgernd betrat Wolver den Raum und hob den Lscher auf. Das Gert war in Betrieb gesetzt worden. Doch nirgendwo im Zimmer deutete etwas darauf hin, da es auch gebrannt hatte.Die Umgebung jagte Wolver Angst ein. Er eilte auf den Flur. Zwei Pflegerkollegen waren ihm in sicherem Abstand gefolgt. Er sah aber noch etwas der Lscherhalter an der Wand war leer!Gains mute den Lscher herausgerissen und im Zimmer von Burgess in Betrieb gesetzt haben. Sah so aus, als sei auch er auf einen ominsen Feuerschein hereingefallen wie Schwester Irmin.Wo war Gains?Und was viel wichtiger war wo steckte der brenstarke Ian Burgess?Wolver kurbelte eine intensive Suche an. Er spannte alle Nachtpfleger ein. Sie durchkmmten erst alle Rume im oberen Stockwerk und arbeiteten sich Zimmer fr Zimmer nach unten.Im Erdgescho angelangt, berfiel Wolver das Zittern.Zwei Menschen waren spurlos verschwunden.Und zwei Skelette hatten das Heim verlassen!Er weigerte sich, einen Zusammenhang zu sehen, aber immer deutlicher drngte sich ihm die Erkenntnis auf, da sich im Heim Zum Guten Hirten etwas Grauenvolles abgespielt hatte.Er rief den Pfarrer an, dessen Gemeinde Besitzer und Betreiber des Heimes war. Der Pfarrer war zugleich der Seelsorger der Pfleglinge.Wolver mute sich ein paar unwirsche Bemerkungen anhren und bekam den Ratschlag, sich an die Polizei zu wenden.Das tat er.Aber die Polizei kam erst am Morgen, als es lngst hell war.

*

Doktor Vilion schaute grimmig, wie es seine Art war, auf die Frau, die sich mit vier Kindern vor seiner Tr drngte.Ein unablssiges Hmmern und Klopfen hatte ihn aus dem Bett gerissen. Er war es nicht gewohnt, da man ihn weckte, wenn anstndige Leute noch halbwegs schliefen.Deshalb wollte er ein Donnerwetter ber die Frau niedergehen lassen. Doch die Worte blieben ihm im Hals stecken, als er Mrs. McKnee erkannte.Es waren ihre Kinder, die sich furchtsam um sie drngten, und der Frau stand das blanke Entsetzen im Gesicht.Ohne da sie etwas sagte, wute der krummknorrige alte Arzt, da es wieder was mit ihrem Mann gegeben hatte. McKnee war eines jener bedauernswerten Opfer des Unheimlichen, hinter dem sich der Postmeister Laglen verborgen hatte.Irgendein schrecklicher Zauber hatte es Laglen ermglicht, sich in den knchernen Unheimlichen zu verwandeln. Wochenlang hatte Laglen Balmoral und die Umgebung des Ortes und des Schlosses und sogar das Schlo selber unsicher gemacht. Er hatte einen magischen Nebel wallen lassen, und wer mit diesem Nebel in Berhrung kam, mute sein Augenlicht verlieren.McKnee hatte es verloren. Er war dem Unheimlichen begegnet. Wie andere. Ian Burgess zum Beispiel. Oder die alte Chadwick. Oder Mindy, der Grtnergehilfe vom Schlo.Vilion zog frstelnd die mageren krummen Achseln noch. Da war nicht nur der schauderhafte Nebel gewesen, sondern auch ein Feuergeist. Dem war im Schlo drben der Diener Richard zum Opfer gefallen.Auch Richard hatte nach der Begegnung tote Augen wie die anderen Opfer. Leere, weie Augen. Schrecklich rollende Kugeln, die aus medizinischer Sicht nicht mehr als Augen zu bezeichnen waren.Vilion hatte sich dafr stark gemacht, da die Opfer gute Pflegepltze bekamen, weil es fr ihre Familien immer schwieriger wurde, mit ihnen fertig zu werden.Die alte Chadwick hatte gar berhaupt keine Angehrigen gehabt.Bis auf McKnee hatte der Doktor sie alle untergebracht. Besonders hatte ihm dabei Ian Burgess am Herzen gelegen, weil der Junge viermal versucht hatte, sich das Leben zu nehmen.Jedenfalls war Vilion viermal gerufen worden. Er war berzeugt, da es weit mehr Versuche gegeben hatte, da die Familie blo schwieg und die Zwischenflle vertuschte, um nicht noch mehr ins Gerede zu kommen.Einzig McKnee war im Dorf geblieben. Seine Frau hatte versprochen, fr ihn zu sorgen.Daran dachte Vilion, als er sie verschreckt und verstrt vor seiner Tr in der beienden Morgenklte stehen sah.Machte McKnee jetzt auch Schwierigkeiten? Zertrmmerte er auch das Haus wie Burgess?Sie werden nicht mehr mit ihm fertig, ist es das? sagte er unfroh. Ihr Gesicht verrt es, Sie knnen nicht schwindeln. Er rang sich ein Lcheln ab. Diese Frau hatte ein schweres Schicksal zu schleppen. Hatte daheim den blinden Mann und mute obendrein die Muler der Kinder satt kriegen.Doktor, ich wei mir keinen Rat! sagte Mrs. McKnee und wischte sich die Augen ab. Sofort rannen wieder Trnen nach. Er ist fort.Was? Vilion fiel fast aus der Tr. Er sprte nicht mehr, da ihm die Klte unter den alten abgeschabten Hausmantel griff und in seine alten Knochen zog. Wie ist er fort? Haben Sie denn nichts gemerkt? Haben Sie ihn gesucht?Es es war jemand bei ihm, Doktor. Gegen Morgen. Ein Mann.Wer denn? Reden Sie doch!Ich wei es nicht, ich habe ihn nicht hereingelassen, und von den Kindern war es auch keines. Ich bin wach geworden, weil ich Stimmen hrte. Er schlft ja unten seitdem, Sie wissen es.Jaja. Hat Ihr Mann den Besucher selber eingelassen?Das kann ich mir berhaupt nicht erklren, weil doch die Tr vorhin noch verschlossen war. Ich habe nur meinen Mann und noch jemand reden hren. Lauter seltsame Sachen, Doktor.Ja? Ungeduldig trat Vilion aufs andere Bein.Ich glaube, es ging um eine Wallfahrt. Und um eine Frau oder eine Heilige. Kennen Sie eine, die Laurina heit?Vilion wurde es hei. Trotz des verdammt kalten Wintermorgens.Und ob er eine Laurina kannte! Das war doch die Hexe, deren Vermchtnis sich Laglen unter den Nagel gerissen hatte! Der mit ihren alten Knsten auf Teufel komm raus gezaubert hatte und eine Menge Leute mit toten Augen auf der Strecke lie!Er htete sich, der Frau von McKnee gegenber auch nur ein Wort zu erwhnen, das Laurina betraf. Eine Heilige ha! Das fehlte noch! Die Hexe war alles andere als das gewesen.Eine Wallfahrt? Es hrte sich nicht gut an. Vor allem ergab es keinen Sinn. McKnee war nicht in dem Zustand, in dem er eine Wallfahrt unternehmen konnte.Der seltsame Besucher schien einen beachtlichen Dachschaden zu haben.Na, vielleicht hat Ihr Mann den Besucher zum Fenster hereingelassen, zeigte Vilion eine Mglichkeit auf.Die Frau schaute ihn aus ganz groen Augen an. Wie ein Verstehen leuchtete es darin auf.Dann mssen sie auch so hinaus sein. Ihre verarbeiteten Hnde knllten das durchnte Taschentuch zusammen.Sie? Wollen Sie sagen, Ihr Mann und der seltsame Besucher, der nachts in fremden Husern fr Wallfahrten wirbt, sind durchs Fenster hinaus?Ja. Er ist spurlos verschwunden. Und der fremde Mann ist auch weg.Haben Sie den wenigstens gesehen? Sind Sie denn nicht aufgestanden, als Sie die Stimmen unten hrten? Vilion merkte, da er in Fahrt kam, da er sich aufregte. Diese Leute hatten vielleicht ein goldiges Gemt!Schon, rumte Mrs. McKnee ein, und unten war ich auch. Aber er hatte die Tr versperrt und lie mich nicht ins Zimmer. Ich sollte schlafen gehen, es sei alles in Ordnung, sagte er.Hat er eine Andeutung gemacht, wer sein Besucher war? Vilion war nicht mehr weit davon entfernt, aus der Haut zu fahren.Das habe ich ihn doch gefragt, Doktor, aber er sagte, es ginge mich nichts an. Ich bin dann wieder hinauf und habe mich hingelegt. Eine Weile hrte ich sie unten noch reden. Darber bin ich eingeschlafen und erst vorhin wach geworden. Doktor, ich mu jeden Tag schwer arbeiten, und jnger werde ich auch nicht ich schaffe es nicht mehr, eine ganze Nacht lang die Augen offen zu halten und wach zu liegen.Mit ihrer Verteidigung versuchte sie die Selbstvorwrfe zu berdecken, die sie sich machte. Vilion kannte seine Leute. Ihm brauchten sie nichts vorzuspielen.Niemand macht Ihnen doch einen Vorwurf, na, na! sagte er in gutmtig-polternder Art. Ich komme gleich rber, ich sehe mich lieber mal selber um. Er trat ins Haus zurck und wollte die Tr schlieen, um die Klte drauen zu halten. Um wieviel Uhr ist das denn gewesen? Ungefhr zumindest?Drei Uhr vielleicht, Doktor. Kann auch ein wenig spter gewesen sein.So, auch ein wenig spter! wiederholte er knurrig. Wie haben Sie denn festgestellt, da er nicht da ist?Die Kinder schauten mit groen furchtsamen Augen auf Vilion. Er verwnschte die Situation. Gut war es nicht, da vor den Kindern die ganze mysterise Sache breitgetreten wurde.Seine Zimmertr war auf. Gleich gemerkt habe ich es nicht. Erst habe ich geklopft wie immer. Sie wissen doch, da er meist niemanden um sich haben will. Er schliet fast jede Nacht ab. Ich war sehr in Sorge, weil er gar nicht geantwortet hat. Und gehrt habe ich auch nichts. Dann habe ich gemerkt, da die Tr unverschlossen war.Und was war mit dem Fenster? Stand es auf?Die Frau dachte nach. Ich glaube nicht. Nein, bestimmt nicht, sonst wre es ja eiskalt im Zimmer gewesen. Er wird sich den Tod holen, er hat nicht mal was Warmes angezogen. Bei der Klte drauen o Gott!Manche Leute nannten den krummknorrigen alten Vilion einen herzlosen Menschen. In Wahrheit hatte er mehr Herz und Mitgefhl, als die Leute sich alle zusammen trumen lieen.Aber Vilion hatte auch eine gewisse Weitsicht und den Blick fr das Notwendige.Das Beste wre schon, wenn er erfriert, dachte er. Fr ihn, denn das ist ja kein Leben, und fr seine Familie, denn die reibt sich noch auf! Seine Frau macht das hchstens drei, vier Jahre, dann ist sie restlos verbraucht, dann bricht sie zusammen! Und die Kinder sind noch nicht soweit, da sie fr sich selber sorgen knnen!Ich bin gleich da! versprach Vilion noch einmal und schlo die Tr. Er schlurfte in seine Schlafkammer und kleidete sich an.Eine Klte war das! Wenn endlich Schnee kme, wrde es mit Sicherheit etwas wrmer werden. Aber der Himmel war klar. Nach Schnee sah es nicht aus.Da war es auch schwer, Spuren zu finden. Vilion dachte an alles.Wrde Schnee liegen, knnte man McKnees Spur aufnehmen und ihn einholen und heimbringen. So aber irrte er irgendwo herum. Oder sein geheimnisvoller Besucher schleppte ihn in der Gegend herum.berhaupt war das eine eigenartige Sache mit dem Besucher, fand Vilion. Noch eigenartiger war die Erwhnung der unseligen Laurina, dieser mittelalterlichen Hexe aus Balmoral, deren Erbe durch Laglen soviel Unheil ber das Dorf gebracht hatte.Und was sollte der Hinweis auf eine Wallfahrt bedeuten?Vilion machte kein Hehl daraus, da er dem christlichen Glauben nicht anhing. Er war getauft, aber das war geschehen, als er noch zu winzig war, um sich dagegen zu wehren.Er liebte es, hin und wieder die Leute damit zu erschrecken, da er sich als Heide bezeichnete.Dem Geschft tat das keinen Abbruch. Er war der einzige Arzt im Ort und im weiten Umkreis. Also kamen die Menschen zu ihm, ob er Heide war oder nicht.In vielen Dingen des Lebens war Vilion aber ein Vorbild und lebte christlicher als so mancher Zeitgenosse, der sich berheblich an die Brust klopfte und dreist behauptete, ein christlicher Mensch zu sein.Und obschon Vilion von Religion nichts oder nicht viel hielt, war er mit dem katholischen Ortsgeistlichen befreundet. Seit vielen Jahren schon. Pater Ryan war ein Mann in seinem Alter und mindestens so eigenwillig wie er.Der alte Spruch von den Gegenstzen, die sich anziehen, fand auf die beiden alten Herren treffend Anwendung.Vilions Abneigung gegen eine persnliche religise Bettigung schlo indes nicht aus, da er ber Feiertage und kirchliche Feste bestens informiert war. An solchen Tagen hielt er keine Sprechstunde, sondern ging zum Fischen oder bewegte die morschen Knochen an der frischen Luft, wie er seine ausgedehnten Spaziergnge bezeichnete.Er hatte auf niemanden Rcksicht zu nehmen. Familie besa er nicht. Erst hatte es nicht dazu gereicht, eine Frau zu ernhren, dann war ihm keine Zeit geblieben, und schlielich hatte er nicht mehr gewollt angesichts der kleinen und groen Tragdien, deren Zeuge er als Arzt zwangslufig wurde.Wallfahrt?Whrend er in seine kalten Sachen stieg, dachte er nach. Auer Weihnachten stand kein kirchliches Fest vor der Tr und schon gar nicht eine Wallfahrt. Er htte davon gehrt. Aber er konnte Pater Ryan fragen, das schadete nicht.Er knpfte die Weste zu und langte den Schafspelz vom Haken.Eines Tages erfror er bestimmt noch in seinem Haus. Schlief ganz friedlich ein. Wachte nicht mehr auf.Wenn es eines Tages soweit war, dann sollte es so friedlich zugehen, das war sein Wunsch.Im Hinausgehen sah er, da das Feuer im groen Kamin restlos heruntergebrannt war. Darum die lausige Klte!Er hatte wieder vergessen, ein paar Eichenscheite aufzulegen. Mit seinem Kopf wurde es allmhlich bedenklich.Er knurrte und blies eine dampfende Atemwolke gegen den Kamin. Mute er eben nachher ein prasselndes Feuer anznden. Der Kamin heizte ihm das ganze Haus, das Holz lieferten ihm die Bauern, die die Rechnung nicht bezahlen konnten.Auf diese Weise hatte jeder etwas und war zufrieden.Vilion stapfte aus dem Haus und schaute erbittert in den klaren Frosttag. ber den dunklen Bergen segelten ein paar weie Wolken. Die brachten keinen Schnee, im Gegenteil. Die waren Boten des weiterhin tags sonnigen und nachts bitter kalten Wetters.Mrs. McKnee empfing ihn in der Haustr, sie hatte sein Kommen beobachtet.Vilion fischte vier Zuckerstangen aus seiner uralten Arzttasche und steckte die se Nascherei den Kindern zu. Seit langem war bei der Familie schon kein Geld mehr fr solche Sachen da.Mit brbeiigem Knurren stapfte Vilion in das Zimmer, in dem McKnee seit dem Tag seines Erblindens lebte. Die Frau hatte ihm alles so eingerichtet, wie er's hatte haben wollen.Nach oben war McKnee nicht mehr gekommen. Die steile Treppe war zu gefhrlich.Vilion schaute sich prfend um.McKnees Kamin war auch kalt wie seiner daheim. Dennoch legte der Arzt die Hand in die Asche.Ganz unten war noch etwas Wrme.Das Fenster war heruntergezogen, aber nicht eingehakt. McKnee und sein geheimnisvoller nchtlicher Besucher konnten durchaus hier hinausgeschlpft sein, whrend oben die Frau ermattet und bermdet eingeschlafen war, trotz aller Sorgen.Vilion nahm die Kleidungsstcke in die Hand, die McKnee auf den Stuhl neben dem Bett gelegt hatte.Demnach war er schon im Bett gewesen, als der heimliche Besucher gekommen war.Fehlt etwas? Vilion wandte sich der Frau zu, die von der Tr aus sein Treiben verfolgte. Er wird ja nicht gerade im Unterzeug fort sein!Das Nachthemd und seine Cordhose. Mrs. McKnee knetete die Finger. Doktor, ich halt's nicht mehr aus, ich mu ihn suchen. Er stirbt mir bei der Klte!Vilion entdeckte etwas am Boden. Dicht beim Fenster. Er hob es auf und drehte es vor den Augen.Hat die Hose einen Grtel mit einer Eisenschnalle? fragte er und versprte eine eigenartige Beklemmung.Ja, Doktor. Warum?So eine? Vilion hielt der Frau die Schnalle hin.Mrs. McKnee prfte den Fund und schaute den Doktor ngstlich an. Es knnte seine sein. Doktor, was hat das alles zu bedeuten?Wo ist er?Wenn ich das wte, wre mir wohler, Mistress McKnee. Ich sehe mich drauen im Ort um. Vilion nahm die Schnalle zurck und versenkte sie in eine Manteltasche. Ich werde ihn schon finden, beruhigen Sie sich nur erst mal. Und denken Sie vor allem an die Kinder.Diesen Hinweis verkniff er sich nicht. Das Leben mute weitergehen.Wenn McKnee zwischen drei und vier Uhr oder auch ein wenig spter sein Haus verlassen hatte und nicht irgendwo untergekrochen war, dann war er inzwischen derart ausgekhlt, da alle Hilfe zu spt kam.Nur mit Nachthemd und einer Cordhose bekleidet das hielt niemand aus.Genau das wollte Vilion mit seinem Hinweis auf die Kinder ausdrcken.

*

Vilion atmete auf, als er das Haus verlie. Die seltsame Beklemmung fiel von ihm ab.Er suchte ums Haus herum und fand nicht einen Hinweis auf den Verbleib von McKnee. Der hartgefrorene Boden hatte keine Spuren aufgenommen.Seine Gedanken kreisten um die Grtelschnalle in der Manteltasche.Hatte McKnee sie abgerissen? Da gehrte schon einiges dazu. Aber bekanntlich konnte man mit Gewalt auch einer Ziege den Schwanz ausreien.Vilion hatte immer befrchtet, da dem Ende des Unheimlichen, hinter dem sich Laglen verbarg, noch etwas folgen wrde. Dieser Kinsey hatte im Frhsommer ein paar Tage vor Ferienbeginn den Fall ganz elegant gelst, auch wenn er dabei um ein Haar selber in die Hlle gefahren war, wie Laglen und Binnie Barnes und der Chauffeur drben vom Schlo.Der Mann aus London hatte bei der Sache einiges abbekommen. Einen tiefen Messerstich. Und er war mit dem ansehnlichen Loch in der Schulter vom Schlo herbermarschiert und hatte sich in der Praxis ohne rtliche Betubung Stich und Schnitt zusammenflicken lassen.Vilion hatte nicht geglaubt, da der Bursche das aushielt. Aber dieser Kinsey hatte nicht im Traum daran gedacht, vom Stuhl zu fallen oder mehr als ntig die Augen zu verdrehen. Ein harter Brocken, bei allem Respekt.Und einer, der sich auf die magischen Dinge, auf Zauberei und Hexenhandwerk verstand. Der zumindest wute, wie andere es machten.Ich sollte ihn anrufen, berlegte Vilion. Den trifft der Schlag! Ich hab's ihm gleich gesagt, da das dicke Ende erst noch kommt! In Jahren vielleicht erst. Er hat's nicht glauben wollen! Und jetzt ist gerade erst ein halbes Jahr vergangen! Meine Nase, was? Auf die ist immer noch Verla!Unlustig trottete der Doktor hinter den Husern her und schaute auf die Felder hinaus. Niemand war heute drauen, keine Gestalt bewegte sich.Wre auch ein zu grandioser Zufall, da mir McKnee vor die Augen kommt, dachte Vilion.Er stutzte pltzlich, als er einen Arm in einer dunklen Trffnung sah. Aus dem Nebenhaus der McKnees winkte ihm jemand zu.Vilion fand es einigermaen seltsam, aber seit Laglen sich als Zauberer und Hexenknstler versucht hatte, wunderte er sich ber gar nichts mehr. Und selbst davor hatte ihn kaum etwas erschttern knnen.Dennoch war Vilion vorsichtig. Seit McKnees rtselhaftem Verschwinden erst recht.Er ging nur bis auf zehn Schritte heran. Kurzsichtig wie ein Eichhrnchen blinzelte er gegen das dunkle Loch der Tr.Ja?Seht, Doktor! zischte es aus der Dunkelheit. Dann trat ein Mann ins Trviereck.Vilion atmete auf. Das war Dragnochty. Der Bursche hatte keinen guten Leumund, soff viel und bezahlte keine Rechnung, aber wenn irgendwo ein Floh hustete, konnte man sicher sein, da Dragnochty das hrte und sofort im Bilde war.Vilion schnupperte in Richtung des Burschen. Dragnochty roch ungewaschen wie stets und trotz der Klte, weil er noch nie etwas von der Erfindung des Wassers gehrt hatte. Aber eine Fahne vermochte der Doktor nicht wahrzunehmen.Das war ein Tag, der im Kalender angekreuzt werden mute. Dragnochty einmal nicht besoffen!Was nicht war, konnte ja noch werden. Der Tag war jung.Was willst du? Vilions Stimme klang nicht eben freundlich.Sehe Sie schon die ganze Zeit hier rumkriechen, Doktor! Dragnochty grinste etwas verzerrt. Da dachte ich, ich erzhle es Ihnen gleich, bevor ich mir einen auf die Lampe kippe und Sie dann denken mssen, ich wrde nur Bldsinn an Sie hinreden.Fang an, ich sage dir dann, was ich davon halte.Vilion ging ganz auf Abwehr. Dieser versoffene Kerl hatte ihn wiederholt um Geld angeschnorrt. Nicht mit fadenscheinigen Ausreden, nein, unverblmt hatte er gesagt, da er Kies haben mte, um sich einen Rausch zu kaufen.Er hatte ihm nie was gegeben. Dragnochty war ihm darum aber nie gram. Auf seine Art war der Kerl eine Frohnatur.Unsereins mu ja auch mal raus nachts, sagte der Mann und schielte dabei auf das McKnee-Haus. Es ging schon auf den Morgen, als es wieder soweit war. Und da dachte ich, jetzt ist's bei mir passiert, jetzt ist mein Verstand hin, wie Sie mir es immer prophezeit haben, Doktor. Ich sehe nmlich ein Licht hinter McKnees Haus hervorkommen.Was fr ein Licht? Vilion war sofort alarmiert, verbarg jedoch seine Wibegierde hinter seiner ruppigen Art.Als ob da einer 'ne Kerze rumtrgt. So eins. Blo halt ohne Kerze und ohne jemand, der sie in der Hand hlt.Jetzt mach aber einen Punkt! schimpfte Vilion.Dragnochty legte beteuernd die Hand auf sein Suferherz. Ich will tot umfallen, wenn's gelogen ist, Doktor! Da schwebt einfach ein Licht vorbei. Ich habe zu allen Heiligen gebetet und bin ganz still geblieben. Und was soll ich Ihnen sagen? Kommt doch wahrhaftig auch noch ein Gerippe hinter dem Haus hervor und wackelt dem Licht hinterdrein. Da ist mir alles vergangen, ich bin lieber wieder ins Haus hinein.Vilion versprte den unbndigen Wunsch, dem Sufer ein paar gepfefferte Grobheiten an den Kopf zu werfen. Ein Gerippe! Der Kerl war nicht mehr zurechnungsfhig! Jetzt machten sich die ungezhlten Vollrausche bemerkbar.Dragnochty schien Gedanken lesen zu knnen. Oder er verstand sich wie Vilion darauf, in den Augen der Leute zu studieren.Ich glaubte, auch, ich spinne, Doktor. Aber dann dachte ich, da der Unheimliche vielleicht zurckgekehrt ist und da der gar nicht vernichtet wurde. Auch wenn das immer wieder behauptet wird. Waren Sie dabei? Ich auch nicht, na, sehen Sie! Man kann viel reden, bis der Tag herum ist.Vilion strubten sich die Haare. Ein Gerippe?Er wollte es nicht ausschlieen, auch nicht, da und weil ausgerechnet der grte Sufer nach Laglen ihm das erzhlte! Dragnochty schien seinen lichten Moment zu haben, und da die Whiskyfahne fehlte, schien der lichte Moment schon einige Stunden zu dauern.Wohin ging denn das Gerippe? fragte Vilion unwillig.Kam mir vor, als sei der Friedhof sein Ziel, aber beschwren will ich das nicht. Dragnochty zgerte, er hatte offensichtlich noch etwas auf dem Herzen und getraute sich nicht, damit herauszurcken.Und was noch? Vilion kannte seine Kundschaft.Mir ist es eiskalt in die Knochen gefahren, Doktor, das drfen Sie mir schon glauben! Deshalb sagte ich es auch nur Ihnen. Wenn ich von dem Gerippe erzhle, lt mich der Brgermeister in die Entziehungsanstalt sperren, er hat's versprochen. Aber es war da.Ich rede nicht darber, versprach Vilion. Und du solltest einen groen Bogen um den Whisky machen. Im Suff hat mancher schon Dinge gesagt, die ihn nachher mchtig gereut haben.Es wird das Beste sein. Dragnochty nickte dankbar. Dabei schielte er so auffllig an Vilion vorbei, da der sich gentigt sah, einen Blick ber die Achsel zu werfen.Von hier aus war der Friedhof auf dem sanften Hgel zu sehen. Das Gerippe konnte wirklich diese Richtung eingeschlagen haben. Vilion kam der sanfte Verdacht, da der Sufer noch mehr gesehen hatte und nur aus Furcht vor der Entziehungsanstalt nicht weiter auspackte.Mach reinen Tisch! verlangte der Doktor. Da ist doch noch was, das du mir sagen mchtest!Dragnochty schnappte nach Luft. Sie merken aber auch alles! Vielleicht stehen Sie mit dem Teufel im Bund, wie manche Leute sagen, na?Vilion machte eine wegwerfende Handbewegung. Es war ihm bekannt, was gewisse dumme Leute hinter seinem Rcken ber ihn flsterten. Es kratzte ihnnicht sonderlich.Dragnochty schnaufte hart. Weil Sie's sind, Doktor das Knochengestell ist wirklich zum Friedhof gegangen. Und wei der Himmel, ich glaube, dort droben haben noch zwei oder drei Gerippe gewartet.Vilion fate den Sufer scharf ins Auge. Glaubst du's, oder hast du es mit eigenen Augen gesehen? Seine Stimme grollte drohend.Gesehen, Doktor! Aber wer wrde mir das glauben? Ich konnte mich vor Schreck gar nicht rhren. Ich redete mir dauernd ein, ich htte wieder zuviel gesoffen, dabei habe ich nicht einen Tropfen im Haus. Das Licht ist weitergeschwebt, durch das Tor, und bevor ich zweimal hingucken konnte, sind die Gerippe hinterdrein. Das letzte hat sogar noch das Tor zugemacht, ich habs kreischen hren.Vilion erschauerte etwas.Das hrte sich nicht trostreich an. Dragnochty war zwar ein Tunichtgut, wo ihn die Haut anrhrte, aber was er erzhlte, klang glaubwrdig. Whrend seiner Beichte hatte er typische Reaktionen gezeigt. Typisch dafr, da er gesehen hatte, worber er sprach. Er hatte hastiger geatmet, hatte Furcht in den Augen erkennen lassen, und er schwitzte noch immer.Das brachte nicht mal ein hartgesottener Lgenbold zustande. Nicht auf Kommando.Ich denke darber nach, sagte Vilion endlich. Und du gehst besser der Flasche aus dem Weg.Dragnochty nickte und tauchte ins Haus zurck. Vilion hrte, wie er den hlzernen Riegel vorlegte.Der Doktor schob trotzig das Kinn vor.Dann stapfte er zum Friedhof hinauf.Er ffnete das Tor und schlo es wieder. Es kreischte zum Gotterbarmen.In diesem Punkt hatte Dragnochty also die Wahrheit gesagt.Vilion betrat den Totenacker. Die bitter kalte Nacht hatte den letzten Blumen den Garaus gemacht. Glasig und reifbedeckt lieen sie die Kpfe hngen.Gerippe, dachte Vilion, gleich ein paar! Ich kann mir nicht helfen, ich glaube dem Saufschdel! Was hat das zu bedeuten? Hat das mit McKnees Verschwinden zu tun?Aufmerksam schaute er sich um.Von einem oder mehreren Skeletten entdeckte er keine Spur.Er kehrte dem Friedhof den Rcken und berlegte, ob er diesen Kinsey in London anrufen sollte. Er brauchte nicht mit der Tr ins Haus zu fallen, er konnte sich ja erst mal erkundigen, ob das Zauberelixier gewirkt hatte, das er ihm im Frhsommer zusammengebraut hatte.Als Vilion alle Bedenken beiseite fegte und im Geiste schon die Telefonnummer herauskramte, die ihm Kinsey fr alle Flle dagelassen hatte, sah er die ersten Patienten vor dem Haus stehen.Er chzte. In erster Linie war er doch der einzige Arzt des Ortes. Die Patienten gingen vor.Und darber verga Vilion den Anruf in London.

*

Am Nachmittag fuhr eine schwarze Limousine vor seinem Haus vor. Zwei Polizisten kamen ihn besuchen.Er brachte sie mit McKnee in Verbindung und fragte nach einer knurrigen Begrung: Haben Sie ihn also gefunden?Die Verblffung war auf Seiten der Polizisten. Wen gefunden, Doktor Vilion?McKnee doch! Vilion merkte, da er voll danebengetroffen hatte. Ich dachte, man htte Sie verstndigt, da er verschwunden ist.Einer der Polizisten zupfte an seiner Uniformjacke herum. Von einem McKnee wissen wir nichts, und seinetwegen sind wir auch nicht da. Doktor, Sie haben sich vor einigen Monaten dafr verwendet, da ein gewisser Ian Burgess nach Ballater ins dortige Siechenheim kam. Es ist hier im Ort ja zu einigen Vorkommnissen gekommen. Der Mann hstelte diskret.Brechen Sie sich vor lauter Vornehmheit nur keine Verzierung ab! polterte Vilion. Drben im Schlo haben sich auch diese Vorkommnisse abgespielt, wie Sie sich auszudrcken belieben. Ja, ich kenne Burgess, ich kenne berhaupt die ganze Familie. Was ist mit ihm?Der Doktor bekam Magendrcken.Erst verschwand McKnee mit einem heimlichen Besucher bei Nacht und mrderischer Klte im Nachthemd! Und jetzt kreuzten zwei Polizisten auf, guckten so merkwrdig und machten noch viel merkwrdigere Bemerkungen wegen Ian Burgess.Er wollte Pater Ryans smtliche Whiskyvorrte vertilgen, wenn das was Gutes zu bedeuten hatte!Er ist verschwunden, sagte der Polizist, der die Unterhaltung fhrte. Unter sehr seltsamen Umstnden.Verschwunden? Vor Vilions Augen begann sich der Raum ein wenig zu drehen.Ist Ihnen nicht gut? fragte der andere Polizist besorgt.Es geht schon wieder, brummte Vilion und zhlte sich aus einem Flschchen ein paar Tropfen auf die Zunge. Solche kleinen Zwischenflle fhren einem vor Augen, da der Zahn der Zeit erfolgreich an einem nagt. Man wird eben nicht jnger, schade.Die Polizisten warteten, bis sie den Eindruck hatten, da der Doktor wieder beisammen war.Also, wir wurden hergeschickt, um Sie zu informieren, fuhr der Wortfhrer fort. Vielleicht knnen Sie uns auch einen Fingerzeig geben.Vilion schielte auf das Telefon und sprach seine Gedanken aus. Sie htten mich auch telefonisch verstndigen knnen. Da Sie es nicht taten, deute ich so, da Sie mir weitere Erffnungen zu machen haben, die ungefhr so gehaltvoll sind wie eine Sprengladung in einer Pulverfabrik. Ich bin auf alles gefat, lassen Sie die Ladung hochgehen.Beide Polizisten guckten irritiert.Sie sollten die Sache nicht lustig sehen, Doktor, denn das ist sie bei Gott nicht! Burgess ist spurlos aus dem Heim verschwunden, ebenso der Oberpfleger Gains, fuhr der Wortfhrer fort, und jetzt hob er die Stimme und dazu den Zeigefinger. Aber fnf Zeugen haben wenig nach Mitternacht eine bestrzende Wahrnehmung gemacht. Ein Geisterflmmchen, wie sie bereinstimmend aussagen, schwebte aus dem Heim, und ihm folgten zwei Skelette.Ske ! Vilion machte den Mund wieder zu, weil ihm siedendhei einfiel, was Dragnochty ihm erzhlt hatte.Richtig, Doktor, Skelette. Und eines hatte den Schlssel des Oberpflegers Gains im Besitz und ffnete damit den Haupteingang. Davor haben die Zeugen gellende Schreie aus dem oberen Stockwerk gehrt. Eine Schwester will Feuerschein gesehen haben. Es fanden sich keine Anzeichen fr einen Brand oder eine versuchte Brandstiftung, auch wenn im Zimmer von Burgess ein leergesprhter Feuerlscher liegt. Die Sache ist mehr als geheimnisvoll. Der Schlssel konnte brigens einwandfrei als der des Oberpflegers identifiziert werden.Die Sache ist nicht geheimnisvoll, sondern grauenhaft! sagte Vilion chzend. Es ist gut, da Sie damit zu mir gekommen sind.Beide Polizisten atmeten auf.Es ist ja mglich, da sich Burgess bei Ihnen meldet, Doktor. Sie sollen ein besonders gutes Verhltnis zu ihm gehabt haben.Vilion schaute die zwei bedrckt an. Da er als Burgess mit den toten Augen zu meiner Tr hereinkommt, oder da er als Skelett anklopft was erwarten Sie denn? Was wollen Sie hren?Den Polizisten wurde es unheimlich. Man hat uns lediglich beauftragt, Sie zu unterrichten, Doktor. Sie htten die damaligen Vorgnge hautnah verfolgt, wurde uns gesagt, Sie wten schon, was zu tun sei. Hat das mit Spuk zu tun?Rechnen Sie es sich selber aus! sagte Vilion unhflich. Wenn zwei Menschen spurlos verschwinden und dafr zwei Gerippe das Haus verlassen, wie wrden Sie das nennen?Die Polizisten blieben die Antwort schuldig. Sie hatten es berhaupt pltzlich sehr eilig, aus dem Haus fortzukommen.Vilion schaute ihnen dster nach, wie sie in den Wagen stiegen und mit dem Fahrzeug verschwanden.Dann wandte er sich ab und humpelte zum Telefon. Er kramte eine Londoner Telefonnummer aus seiner Sammlung. Dieser Kinsey mute her, auf der Stelle! Und wenn der Teufel auf Krcken kam!

*

Ich lag in heftiger Fehde mit meinem Erzfeind Dracula und seinem getreuen Anhnger Woods.Das heit, im Moment hatte es sich ausgefehdet. Die zwei waren mir wieder einmal durch die Lappen gegangen. Auf dem alten Friedhof hinter dem Haus des Scotland-Yard-Inspektors Basil Gallinger htte ich sie um ein Haar gehabt. Oder sie mich, es kam auf den Standpunkt an.Der Krif, das Drei-Klingen-Beil aus grauer Vorzeit, hatte mir gerade noch einmal den Skalp gerettet.Aber wenigstens hatte ich Woods noch einen Eichenpflock hineinjagen knnen. Ich hatte ihn auf sein untotes Herz gezielt, aber der Teufel selber mute ihm eingegeben haben, im entscheidenden Moment eine Bewegung zur Seite zu machen.Statt in die Brust hatte ich ihm den Pflock in den Oberarm gespiet. Und Dracula hatte nichts Eiligeres zu tun gehabt, als sich in einen riesenhaften Vogel zu verwandeln und seinen Diener Woods zu packen und durch die Lfte zu entfhren, bevor ich ihm endgltig den Garaus machte.Die zwei waren untergetaucht. Irgendwo in London. Ich war berzeugt, da sie lngst eine neue Zuflucht gefunden hatten.Die htte ich gerne aufgestbert.Aber selbst solche bescheidenen Wnsche erfllt einem das Schicksal nicht.Inzwischen hatte Dracula sicher nichts Wichtigeres zu tun, als Woods zusammenzuflicken. Ich hoffte; da ihm das grndlich milang. Aber ich machte mir nichts vor. Woods hatte eigentlich recht munter ausgesehen, als er auf die Luftreise mitgenommen wurde. Gar nicht wie ein Untoter, der nun endlich tot war.Vielleicht tauchte er als Vampirinvalide wieder auf. Ich war auch darauf gefat. Seit ich mich dem Kampf gegen die finsteren Mchte verschrieben hatte, hatte ich mir das Wundern abgewhnt.Was mich immer noch wurmte, war die Tatsache, da Dracula und Woods mir eine heimtckische Falle gestellt hatten, um mich endlich aus dem Weg rumen zu knnen. Ich war ihnen zu oft in die Quere gekommen.Und besonders bedrckend war, da die zwei dmonischen Halunken rcksichtslos Menschenleben vernichtet hatten, um entsprechende Kder fr mich auszulegen. Natrlich hatte ich angebissen.Na ja, es war mit Beulen und blauen Flecken und Mordsschrecken noch einmal glimpflich fr mich abgegangen.Was mich jetzt genauso brennend interessierte wie die Zuflucht der beiden war, was sie mit den letzten drei steinernen Monsterkpfen anstellen wrden.Als Zombie-Saat wieder auslegen! Das war die eine Mglichkeit.Aber ich hatte diese Saat des Entsetzens weitgehend geerntet und unschdlich gemacht, so da ich davon ausgehen konnte, da sich Dracula und Woods eine andere Verwendungsmglichkeit einfallen lieen.Eine, wo ich nicht gleich wieder dazwischengriff und ihnen einen Strich durch die Rechnung machte.Aus diesem Grunde lagen mir die restlichen Monsterkpfe schwer im Magen. Ich wnschte wirklich, sie lgen dort, dann htte ich nmlich die Gewiheit gehabt, das sie an einem sehr sicheren Ort ruhten.Leider war es nicht an dem, und die Ungewiheit nagte eifrig an meinen Nerven.Hinzu kam, da mir Sir Horatio dauernd in den Ohren lag.Er hatte sich von seinen Magengeschwren gut erholt und hatte auch die Ditkur, die Barbara Hicks, seine eiserne Sekretrin, ihm aufgeschwatzt hatte, ohne erkennbare Beeintrchtigung seiner Gesundheit berstanden.Fr meinen Geschmack war er, mit einem Wort gesagt, viel zu mobil. Er wollte nmlich meine Einwilligung bekommen. Der Krif hatte es ihm angetan.Er wollte die uralte Waffe in unseren Labors nach allen Regeln der Wissenschaft untersuchen lassen. Er wollte den magischen Krften auf die Spur kommen, die dem Drei-Klingen-Beil innewohnten.Ich hatte es ihm vergeblich auszureden versucht, und das will schon etwas heien, weil nmlich behauptet wird, niemand knnte einen besser von etwas berzeugen als ich.Wahrscheinlich hatte ich die falsche Welle erwischt.Magische Krfte kann man nicht im Labor messen. Man kann sie wirksam werden lassen. Das Ergebnis ist mebar, nicht der Vorgang selber.Aber vielleicht hatte Sir Horatio den Ehrgeiz, eine neue Disziplin zu begrnden magische Physik oder etwas in der Art. Ich mute ihm noch mal ins Gewissen reden.Jedenfalls hatte ich ihm den Krif noch nicht ausgehndigt. Wie die Dinge aber standen, kam ich nicht um diesen Schritt herum. Ich hoffte nur, ich konnte den Tag recht lange hinausschieben.Denn wenn sich unsere Laborexperten ber etwas hermachen, bleibt kein Auge trocken. Das fehlte noch, da sie den Krif verdarben. Oder da er seine magische Kraft verlor!Dann sah ich gekt aus, wirklich.Ich blickte bse aufs Telefon, als es losrasselte. Das Gerusch klang aufdringlich. Vielleicht war wieder der Chef dran und wollte meine Zusage haben.Ich berlegte, ob ich das Rasseln einfach ignorieren sollte.Andererseits konnte auch ein Alarm eingehen. Wegen der Monsterkpfe war noch immer eine Menge Leute fr mich unterwegs, die die Augen aufsperrten und die Ohren ausfuhren.Zgernd hob ich den Hrer ab und meldete mich.Eine krachende Knurrstimme meldete sich: Kinsey? Mann endlich! Was hngt denn da fr ein komischer Kerl auf Ihrer Leitung herum? Der sagt so seltsame Sachen. Britischer Geheimdienst oder so. Der Kerl mu besoffen sein. Schmeien Sie ihn raus!Den Wunsch konnte ich dem Anrufer nicht erfllen. Seine Stimme kam mir bekannt vor. Ich hatte sie schon gehrt. Aber Ich brachte sie nicht unter.Wer spricht denn dort? Ich schlug die zarte Saite an. Der Anrufer kannte mich, hatte aber keine Ahnung, da ich beim Service arbeite! Da gab's eigentlich nicht viele Mglichkeiten.Vilion. Aus Balmoral.Doktor? Welche berraschung! Wie geht es Ihnen? An Doktor Vilion hatte ich krzlich erst heftig gedacht, vielleicht hatten ihm davon die Ohren geklungen. Ich hatte nmlich nicht einen Tropfen mehr von seinem fabelhaften Zauberelixier, und ich hatte schon erwogen, bers Wochenende mal nach Schottland raufzufahren und ihn zu besuchen. Mit dem Hintergedanken natrlich, ihm etwas von seinem Zaubergebru abzuschwatzen.Wie ich ihn kannte, gab er mir gerne etwas ab.Mir geht's schlecht, Kinsey! knurrte er mir ins Ohr. Wir brauchen Sie hier.Seine Stimme hatte den Beiklang einer heraufziehenden Katastrophe.Was ist passiert?Schlimmes. Burgess und McKnee sind verschwunden, und ich habe Grund zu der Annahme, da sie sich in Skelette verwandelt haben und da Laurina dabei eine Rolle spielt. He, sind Sie noch dran?Mir war der Hrer aus der Hand geglitten und auf die Tischplatte geschlagen.Es war ein Glck, da ich gut sa. Laurina! Laglen! Blitzartig kam die Erinnerung. Und es war wahrhaftig keine gute.Entschuldigung, Doktor, ich habe Sie runterfallen lassen! Geben Sie mir Einzelheiten!Vilion schnaufte wie ein schottisches Ungeheuer. Burgess ist aus dem Siechenheim in Ballater spurlos verschwunden, zusammen mit dem Oberpfleger Gains. Ich habe Burgess selber in das Heim gebracht, es ging mit ihm daheim nicht mehr. Mit keinem von ihnen. Nur McKnee blieb bei seiner Familie.Ich unterbrach den Doktor nicht mit Zwischenfragen. Er redete anfangs zwar etwas konfus, brachte dann aber Ordnung in seinen Bericht. Ich konnte mir ein genaues Bild machen.Aus dem Heim in Ballater waren also zwei Skelette entwichen, denen ein Geisterflmmchen geleuchtet hatte, und seitdem wurden Gains und Burgess vermit!Das war schlimm und bestrzend. Es lag auf der Hand, da dunkle Mchte ihre Hand im Spiel hatten.Nur mit seinem Verdacht gegen Laglen befand sich der Doktor auf dem Holzweg. Ich hatte den Unheimlichen, der zugleich Laglen war, vernichtet. Unwiderruflich und endgltig.Wer immer Burgess und Gains und McKnee in Skelette verwandelt hatte, mute ein anderer sein, nicht Laglen, der verbrecherische Postmeister, der es auf unsere Queen abgesehen hatte.Deshalb spitze ich nochmals die Ohren und lie Vilion wiederholen, was er von der Frau von McKnee gehrt hatte.Der unheimliche nchtliche Besucher, von dem es keine Spur gab, interessierte mich sehr.Ist die Frau glaubwrdig? erkundigte ich mich, und als ich den Doktor aufgebracht prusten hrte, fgte ich mit Nachdruck hinzu: Ich will ihr nichts ans Zeug flicken, Doktor, aber hier steht soviel auf dem Spiel, da wir es uns nicht leisten knnen, einer falschen Information aufzusitzen.Fr die lege ich meine Hand ins Feuer, Kinsey! bullerte Vilion.Kunststck, er wohnt am Ort und kannte seine Leute. Ich nicht.Und dann fiel mir etwas ein. So hei wie ein Kbel kochendes Wasser. Ian Burgess und McKnee waren ja nicht die einzigen Opfer mit toten Augen gewesen. Der Unheimliche hatte weiteren Menschen das Augenlicht geraubt!Um Gottes willen, Doktor, was ist mit den anderen?Vilion sagte gar nichts. Ich hrte nur sein hartes Atmen. Endlich meldete er sich. Ziemlich kleinlaut: An die habe ich noch gar nicht gedacht, Kinsey. Sie denken doch nicht, da die auch?Wissen Sie, wo die Leute untergebracht sind?Sicher, ich habe doch alles in die Wege geleitet!Dann rufen Sie dort an und verstndigen Sie mich. In einer halben Stunde. Solange bleibe ich vor dem Telefon. Und wegen der seltsamen Sachen brauchen Sie sich nicht zu wundern, Doktor. Ich erklre Ihnen das unter vier Augen!Der alte Knabe schaltete mchtig schnell.Sagen Sie, dann stimmt es doch, was der seltsame Vogel gesagt hat? Dann hngen Sie wirklich beim Geheimdienst rum?Vergessen Sie es! Kann ich mich darauf verlassen?Ich schweige wie ein Grab, versprach er. Gut, ich rufe Sie wieder an.Er legte auf, er hatte es eilig. Vielleicht war ihm auch ein Gesprch ber eine so groe Entfernung etwas unheimlich. Der Kosten wegen nmlich.Ich klopfte mir eine Zigarette aus der Packung und rauchte hastig.Hundert bestrzende Gedanken kreisten in meinem Kopf. Laglen konnte niemals zurckgekehrt sein. Ich hatte ihn verbrennen sehen. Nur Asche war von ihm geblieben.Der Hinweis auf eine Wallfahrt und Laurina lie mir keine Ruhe.Was hatte der unbekannte Besucher von McKnee damit zum Ausdruck bringen wollen? Eine Warnung? Eine Drohung? Und wer war er?Ein Mensch oder ein dmonisches Wesen?Beides kam in Betracht.Ich kannte mich mittlerweile im Geschft aus. Die dunklen Mchte verstanden sich an die Erfordernisse der heutigen Welt anzupassen. Das hatte mir Dracula drastisch vor Augen gefhrt.Die Vampire des alten Schlages zerbrselten noch zu Asche und Staub, wenn sie mit dem Tageslicht in Berhrung kamen. Die neue Generation der Blutsauger bewegte sich ungeniert und zwanglos im grellsten Sonnenlicht.Selbst Dracula, der ja der Vertreter der alten Sorte war, hatte sich gewandelt und diese neue Fhigkeit erworben. Ich wollte nur hoffen, da er das einzige Exemplar blieb.Und aus diesem Grunde schlo ich nicht aus, da sich hinter dem heimlichen Besucher von McKnee ein Dmon verbarg.Ein wichtiges Indiz war das Geisterflmmchen!In beiden Fllen war es gesehen worden, wenn ich mich nicht verhrt hatte. Sowohl im Siechenheim in Ballater als auch hinter dem Haus von McKnee in Balmoral.Zwischen den beiden Orten lagen vierzig Meilen, wenn mich mein Gedchtnis nicht im Stich lie.Und der Flmmchendmon hatte es geschafft, in einer Nacht an zwei so weit voneinander entfernten Orten aufzutreten und Unheil zu bringen.Freilich, die Geschpfe der Finsternis verfgten ber solche und noch ganz andere Fhigkeiten. Das berwinden von groen Distanzen war fr sie ein Klacks.Mir war, als wrde ich bei meinen angestrengten berlegungen etwas bersehen. Ich rief mir die Ereignisse damals in Balmoral ins Gedchtnis zurck, so gut es eben ging.Teufel, richtig, im Schlo hatte doch ein Flammendmon herumgespukt! Ein Diener namens Richard war dabei auf grauenhafte Weise erblindet. Auch ihm waren die toten Augen angehext worden!Feuerdmon Flmmchendmon! Der Gedankenschritt war nicht schwer.Ich hoffte nur, da ich nicht in die falsche Richtung spekulierte.Hatte Laglen nicht nur das Erbe dieser unseligen Laurina angetreten, sondern auch noch einen Flammendmon mobilisiert? Es sah so aus, und das Indiz waren die toten Augen des Dieners.Wenn es sich so verhielt, dann hatte ich nicht ganze Arbeit geleistet. Dann trieb der Flammendmon immer noch sein Unwesen. Denn ich hatte nicht mit ihm gekmpft, das wute ich genau.Ich steckte die zweite Zigarette an. Was trieb denn Vilion im hohen Schottland? Warum rief er nicht zurck?Ich wurde kribbelig.Beschwrend starrte ich das Telefon an.Es rasselte aber erst, als ich die vierte Zigarette fast auf hatte.Kinsey?Es war Doktor Vilion. Seine Stimme hrte sieh heiser an. Ich schob es nicht auf den Winter und auf eine aufziehende Erkltung.Die alte Chadwick auch, stie er endlich hervor. Sie ist spurlos verschwunden. Samt einer Frau, die sie zur Pflege aufgenommen hatte. Jemand hat in der letzten Nacht Feuerschein aus der Wohnung leuchten sehen und die Feuerwehr alarmiert. Die Tr mute gewaltsam geffnet werden, und in der Wohnung gab's nicht die Spur von einem Brand.Kinsey, was jetzt?Wo ist das passiert?In Aberdeen. Ist das wichtig?Alles kann wichtig sein. Da gab es doch auch einen Grtnergehilfen und den Diener, was ist mit denen?Die habe ich in einem Heim zusammen untergebracht. Hier in der Nhe. In Braemar. Vor ein paar Minuten habe ich mit der Heimleitung gesprochen. Alles in Ordnung.Hoffentlich, Doktor, hoffentlich! Ich komme rauf. Ich werde notfalls die ganze Nacht durch fahren. Besorgen Sie mir ein Quartier. Vielleicht in dem Gasthof des unseligen Laglen, Sie wissen doch!Mut haben Sie aber, das mu ich schon sagen! Die Leute im Ort sagen, seitdem Laglen verschwunden ist, spuke es da.Und? Spukt es wirklich? Auf dem Ohr hrte ich besonders gut. Ein Spuk war mglicherweise die Hinterlassenschaft von Laglen.In einem Punkt irrte der Doktor gewaltig. Laglen war nicht verschwunden, wie etwa Leute verschwinden, die von etwas die Nase gestrichen voll haben. Aussteiger zum Beispiel, die es satt haben, ein Leben lang hinter einem Schalter zu sitzen und der Kundschaft das Geld vorzuzhlen. Oder von Tr zu Tr zu ziehen und den Hausfrauen solange Honig um den Mund zu schmieren, bis sie einen Staubsauger bestellen.Laglen war nicht verschwunden, er war tot. Ich hatte ihn verbrennen sehen. Er hatte die hllischen Mchte um Beistand angefleht, und im Schlo Balmoral waren rote Flammen aus dem Boden geschossen.Statt Laglen zu schtzen, ihm Kraft zu spenden oder unberwindlich zu machen, hatten sie ihn in einem unheimlichen Schauspiel verzehrt.Denn eigentlich hatte mir ja ein Skelett in einer schbigen Kutte gegenber gestanden. Ich hatte die Automatic zur Hand genommen und in der Panik ein paar Kugeln losgelassen.Die Kutte hatte unter den Einschlgen tchtig gestaubt, das Gerippe aber war nicht zusammengebrochen, wie ich gehofft hatte. Die roten Hllenflammen hatten die Knochen umspielt, und durch unglaubliche Zauberei war pltzlich Fleisch um diese Knochen gewachsen. Fleisch mit allem, was dazugehrte.Am Ende hatte ein brennender Mensch vor mir gestanden. Eben Laglen. Seine Kutte hatte gelodert wie Satans eigenes Kaminfeuer.So unbegreiflich und gespenstisch der Prozess schon war, der aus einem Gerippe einen Menschen machte, so bestrzend war auch das Ende von Laglen verlaufen. Er hatte sich in Rauch, Qualm, Gestank und etwas Asche aufgelst.Nicht einmal Knochen blieben zurck.Nur eine Handvoll Asche auf dem Boden. Ich htte sie in einer leeren Zigarettenschachtel wegtragen knnen.Ich bin zwar kein groer Experte in solchen Dingen, aber soviel wute ich, da keine weltliche und keine berirdische Macht wieder etwas zusammenfgen und beleben konnte, was Hllenfeuer zerstrt hat.Die Leute reden halt seit damals, knurrte Vilion ber den langen Draht. Es ist mehr ein allgemeines Geschwtz. Ohne Hand und Fu. Ich kann Ihnen nicht versprechen, da Sie dort ein Quartier bekommen, Kinsey. Laglens Frau hat den Gasthof und die Postmeisterei aufgegeben und ist weggezogen. Niemand wei, wohin. Eine Verwandte der Kchin, die unter den Laglens abends fr die Gste gekocht hat, fhrt seit dem Herbst das Haus. Ich knnte ja mal anfragen. Warum wohnen Sie nicht bei mir? In meiner bescheidenen Junggesellenhtte ist genug Platz.Klingt auch nicht schlecht, Doktor. Vielen Dank fr Ihr grozgiges Angebot.Und da sollte noch einer kommen und sagen, die Schotten seien das geizigste Volk auf Erden!Vilion brummte verlegen, und wie um den guten Eindruck sofort wieder zu zerstren, den ich vielleicht gewinnen konnte, bellte er: Packen Sie Ihre Knochen warm ein, Kinsey! Wir haben hier einen gediegenen Hochlandwinter ohne Schnee, wenn Ihnen das was sagt.Es sagt mir nichts. Was mu ich beachten?Sie erfrieren sich den Hintern im Stehen, bevor Sie das begriffen haben. Frostklare Tage, frostklirrende Nchte, verstehen Sie? Krzlich war ein Bauer in der Sprechstunde, er gilt hier in der Gegend als der Wetterprophet. Er erzhlte mir, er htte mit der Kreuzhacke den gefrorenen Boden sprengen mssen, und erst in zwei Fu Tiefe sei er auf Wrmer gestoen.Vilion machte eine erwartungsvolle Pause.Ist der Mann Angler oder so? fragte ich mehr aus Hflichkeit. Wozu braucht er mitten im Winter sonst Wrmer.Der Doktor schnaubte. Ich hrte die Ungeduld ber einen verbildeten Grostdter wie mich heraus.Mann, Wrmer sagen Ihnen, wie kalt und lang ein Winter wird! Sitzen sie oben in der Erde, wird es ein milder und kurzer Winter. Kriechen sie in die Tiefe, dann bestellt man sich am besten noch zwei Fuhren Kaminholz und kauft geftterte Stiefel.Fr die Belehrung war ich ihm ja auerordentlich dankbar, aber ich frchtete, er kam etwas vom Thema ab. Da oben verschwanden Menschen, und statt ihrer geisterten Gerippe herum!Doktor, lassen Sie uns zur Sache kommen! Ich sorge mich um die zwei Mnner in Braemar. Auch wenn die Heimleitung Ihnen sagte, es sei alles in Ordnung. Die beiden mssen da weg. Heute noch.Ich dachte auch schon so etwas. Wohin mit ihnen?Vilion besa kein Auto, das wute ich. Und ich nahm nicht an, da er sich seit dem Frhsommer noch einen motorisierten Untersatz zugelegt hatte. Soweit ich damals mitbekommen hatte, handhabte er seine Landarztpraxis dergestalt, da die Patienten zu ihm kamen, schlimmstenfalls mit dem eigenen Kopf unter dem Arm.Er ging nie zu ihnen.Zum Teufel, jemand in Balmoral mute doch ein Auto haben!Treiben Sie jemanden auf, der rberfhrt und die Mnner abholt! sagte ich mit Nachdruck. Bringen Sie sie beim Pfarrer unter, bis ich da bin.Der Einfall kam mir spontan. Denn dmonische Krfte meiden ganz gern die Nhe von Kirchen und christlichen Symbolen. Sofern es sich nicht um Krfte aus der Urzeit handelt.Denen ist es gleichgltig, welche Symbole vorhanden sind und ob sie von einer anderen Macht knden. Die scheren sich nicht darum.Aber ich hatte die dstere Ahnung, da es eine enge Beziehung zwischen diesem schrecklichen menschenmordenden Flammendmon und der Hexe Laurina gab. Und Laurina war eine mittelalterliche Hexe gewesen. Zu der Zeit war das Christentum schon allgemein verbreitet in unserem Land.Meine etwas spitzfindige Schlufolgerung war, da der Flammendmon kaum lter als Laurina war. Vielleicht hatte sie ihn sogar erschaffen.Befragen konnte ich sie nicht. Sie war vor langer Zeit auf dem Scheiterhaufen gestorben.In meinem Kopf klickte es. Symbolisch natrlich.Laurina war durch Menschenhand gestorben. Im Feuer. Falls ihre Zauberkrfte stark genug gewesen waren, und wenn sie starke Verbndete in der Schattenwelt besessen hatte, dann war sie von ihren bsen Freunden vielleicht in jene dstere Welt hinbergeholt worden.Und von dort konnte sie jederzeit wiederkommen.Oder war sie schon zurck? Hatte sie sich mit dem Flammendmon zusammengetan?Diese Aussicht gefiel mir berhaupt nicht.Vilion brummte in diesem Moment, als wollte er grere Bedenken anmelden. Mit Pater Ryan kme ich schon klar, meinte er zgernd, aber seine Haushlterin wird Schwierigkeiten machen. Die hat Haare auf den Zhnen. Vielleicht erschlgt sie uns alle mit dem Kochlffel.Es ist fr einen guten Zweck, Doktor.Da das Weib uns erschlgt? Sparen Sie sich Ihren schwarzen Humor, Kinsey!Unsinn! Ich meine, Sie sollen sich etwas einfallen lassen, um die streitbare Dame zu gewinnen. Appellieren Sie an ihr gutes Herz. Jeder Mensch hat eine empfindliche Stelle.Die mu bei der Erschaffung der Haushlterin vergessen worden sein. Haben Sie schon mal versucht, einen Stein weichzukriegen? Also gut, ich werde es wagen. Falls ich es nicht berlebe, bewahren Sie mir ein ehrendes Angedenken.Bevor ich ihm noch ein paar aufmunternde Worte sagen konnte, legte er auf.Die Frau schien ja ein schlimmer Drachen zu sein, da sogar der ungeniebare Vilion einen Heidenrespekt vor ihr hatte!Die Bekanntschaft von Pater Ryan hatte ich im Frhsommer gemacht. Ein flchtiges Kennenlernen, mehr nicht. Er war mir aber nicht wie ein Mann vorgekommen, der im eigenen Haus nichts zu sagen hat.Da kannte ich andere, die wirklich nichts zu maunzen hatten. Sogar Kollegen. Die hatten nur ein groes Mundwerk, solange die bessere Hlfte nicht in Sichtweite war.Abgesehen davon war Pater Ryans Hausdrachen ja nicht mal seine Frau.Bei dieser berlegung dachte ich an das Vorzimmer meines Chefs und ganz besonders an Barbara Hicks. Bei der mute ich mich abmelden. Auch beim Secret Service hat alles seine Ordnung.Zuvor jedoch rief ich noch meine Freundin Kathleen an, um ihr ein paar Ermahnungen zu erteilen. Vor ein paar Tagen nmlich war ihre Verkuferin Joan Masters wieder attackiert worden. Diesmal von einer Untoten.Joan Masters war noch immer Dracula als Braut versprochen, und der Frst der Vampire hatte diesmal eine Untote vorgeschickt, statt selber in Erscheinung zu treten.Um weiteren Zwischenfllen dieser Art vorzubeugen, hatte ich Kathleen und Joan kurzerhand in meine Wohnung verfrachtet. Da nchtigten die zwei schnuckeligen Puppen unbehelligt und unter meinem Schutz in allen Ehren natrlich.Denn ich pennte auf dem Sofa und war jeden Morgen krumm und kreuzlahm.Meine Hausnachbarn jedoch guckten jeden Morgen giftiger, wenn wir zu dritt das Haus verlieen. Ihre Blicke sprachen Bnde. In ihren Augen war ich ein verkommenes und durch und durch unmoralisches Subjekt.Kathleen? Hr zu, ich bin ab sofort fr einige Zeit von London abwesend, sagte ich. Schwer zu sagen, wann ich wieder einfalle. Es geht rauf nach Schottland.Nach der langen Einleitung wird es wohl eine grere Tournee, habe ich recht? fragte meine Freundin.Das kann ich nicht aus dem Handgelenk beurteilen, Mdchen. Ich werde aber wollenes Unterzeug einpacken, damit die edlen Teile keinen Frostschaden nehmen.Frivol warf Kathleen ein: Es wre mir auch gar nicht recht.Dachte ich es mir doch. Ich feixte, und sie schien es an meiner vernderten Stimme mitzukriegen, denn sie fauchte wild. Da oben soll es lausig kalt sein, man hat mir eine Warnung zukommen lassen. Spa beiseite ihr wohnt nach wie vor bei mir, ist das klar? Du weit, wo du die Dinge findest, die die Wohnung halbwegs sicher machen. Lege sie jeden Abend aus, la dich durch nichts beirren.Du machst mir Angst, Mac!Das will ich nicht. Wenn du beherzigst, worin ich dich eingeweiht habe, kann eigentlich nichts schiefgehen. Nicht fr euch. Fr Dracula und Woods schon. Vorausgesetzt, der Letztere ist berhaupt einsatzfhig. Aber mglich war's schon. Du hast die Verantwortung fr Joan und dich, denke dran.Das tue ich die ganze Zeit.Du bist ein braves Mdchen, ich ksse dich hingebungsvoll.Per Telefon! Dafr kann ich mir aber was kaufen! maulte Kathleen.Ich beendete das Gesprch. Vilion in Balmoral sa bestimmt wie auf glhenden Kohlen, ich konnte ihn nicht unbegrenzt schmoren lassen.Der hrteste Gang stand mir jetzt ohnehin bevor.Besser ich brachte die unangenehmen Dinge gleich hinter mich!

*

Sir Horatio war besetzt.Leute vom Auenministerium, lie mich Sheila Green wissen, sie war die zweite Kraft im Vorzimmer des Chefs. Es kann dauern.Das frchte ich eben. Sagen Sie ihm, ich bin nach Schottland hinauf, ich rufe ihn von da an.Ich bin beim Service meine eigene Spezialabteilung und kann unabhngig und frei operieren. Es sah indes besser aus, wenn Sir Horatio wute, wo ich mich herumtrieb.Kommen Sie auch zum Loch Ness? fragte Barbara Hicks hoffnungsvoll. Ich habe gehrt, da werden manchmal Leute gefressen.Ich verstand ihre Anspielung schon. Im Loch Ness sollte ja ein Ungeheuer wohnen, dem man den zrtlichen Namen Nessie verpat hatte. Angeblich erschreckte es harmlose Spaziergnger am Ufer. Ich schtzte aber, da die Leute blo schwache Nerven hatten.Und gefressen hatte Nessie bestimmt noch niemanden.Wer das Gegenteil behauptete, gab nur finstere Mrchen weiter.Vorsorglich sagte ich aber: Ich wrde dem netten Monster nur schwer im Magen liegen, ich bin unverdaulich wie der selige Jonas. Den hat der Walfisch auch wieder an die frische Luft gespuckt.Barbaras Miene drckte allergrtes Bedauern aus.Auf nichts ist mehr Verla, sagte sie und seufzte abgrundtief.Ich strebte der Tr zu und machte eine bertriebene Verbeugung. Dann lat euch die Zeit nicht lang werden, meine Herzblttchen!Sheila errtete wie der junge Morgen im Mai.Barbara machte ein finsteres Dezembergesicht, dem Wetter vor der Tr genau angepat. Wenn ich mir's richtig berlegte, hatte ich sie noch nie lachen sehen.Vielleicht wute sie gar nicht, wie das geht.Aus meinem Bro holte ich meine Utensilientasche.Bevor man in unserem Hauptquartier eine Etage verlt, mu man eine Kontrollstelle passieren. Die Burschen dort drehen einem sogar den Mantel um. Und haargenau dieselbe Prozedur spielt sich unten noch einmal ab.Damit soll verhindert werden, da Akten oder Unterlagen aus dem Haus wandern und in unrechte Kanle gelangen.Es gab mal eine Epoche beim Service vor meiner Zeit , da wurde so ziemlich alles fortgeschleppt, was nicht niet- und nagelfest war. Und der hinterlistige Knilch, der das alles inszenierte, war kein anderer als der damalige Geheimdienstchef selber gewesen, Kim Philby mit Namen.Unter diesem Trauma litt der Service noch heute. Deshalb wurde jeder Mitarbeiter erbarmungslos gefilzt. Auch Sir Horatio. Fr den Chef wurden keine Extrabrtchen gebacken.Zwei Kollegen vom inneren Sicherheitsdienst kramten in meiner Tasche herum.Haben sie wieder eine Verabredung mit einem Geist? fragte einer grinsend. Der andere zog den Reiverschlu der Tasche zu. Ich fhrte kein unerlaubtes Material mit mir, das heit, keine Unterlagen, die dem Haus gehrten.Das wird sich noch zeigen, erwiderte ich ausweichend.Die Burschen machten manchmal blde Anspielungen auf meinen Job. Ich merkte jedesmal, da sie dahinter ihre Unsicherheit verbargen.Denn einerseits sagte ihnen ihr Verstand, da es keine Geister und Gespenster gab, andererseits aber genug Phnomene, fr die einem keine brauchbare Erklrung einfiel.Und da Sir Horatio mich offiziell mit der Aufklrung gewisser Vorkommnisse und mit der Geisterjagd betraut hatte, mute an der Sache schon etwas dran sein. Man gibt einem Mann ja nicht seine eigene Spezialabteilung, damit er Hirngespinsten nachjagt.Viel Glck! wnschten mir die zwei Burschen. Danke, ich kann's gebrauchen. Mit dem Aufzug lie ich mich in die Tiefe sinken.Die Kontrolle in der Halle gegenber dem Haupteingang machte es besonders grndlich. Entweder war heute der Tag des eisernen Besens, oder es war etwas passiert und entsprechend dick die Luft.Mich ging das nichts an.Ich hatte mit dem blichen Abwehrgeschft und der Gegenspionage nichts mehr zu schaffen. Ich war lange genug dabei gewesen und hatte reichlich Lehrgeld bezahlt.Mir fiel der Besuch beim Chef ein.Vielleicht wurden die Sicherheitskontrollen heute deshalb so scharf durchgefhrt! Da schien eine groe Nummer mitgekommen zu sein. Oder dem Auenministerium war wieder einmal irgendwo die Suppe angebrannt, und Sir Horatio sollte jetzt wenigstens den Rhrlffel flott machen und den qualmenden Topf vom Feuer ziehen.Wenn irgendwo etwas grndlich verbockt wurde, besann man sich auf den Service. Wir sollten dann die Situation bereinigen.Ich konnte endlich loszittern.Drauen atmete ich auf. Die Unterredung wegen des Krifs hatte ich erst einmal vermieden. Der Chef hatte jetzt bestimmt andere Sorgen, als an meine Waffe und ihre Fhigkeiten und deren wissenschaftliche Erforschung zu denken.Ich holte meinen MG vom Parkplatz, tankte ihn auf Service-Kosten auf und fuhr heimwrts. Ich hatte Glck, ich hatte ungefhr zehn Minuten Vorsprung vor der Rush Hour und dem allabendlichen Verkehrschaos.In Rekordzeit packte ich meinen Koffer mit berwiegend warmen Sachen. Ich fuhr ja nicht nach Schottland, um frs Knigreich zu erfrieren.Fr die innere Anwrmung nahm ich nichts mit. Schottland ist berhmt fr seinen gediegenen und garantiert alten Whisky. Und den zu erschwinglichen Preisen, was ich von London nicht unbedingt behaupten kann.Hier drehen sie einem den schottischen Saft zu Phantasiepreisen an.Aber wahrscheinlich denken die Hndler und Geschftsinhaber, sie mten es von den Lebenden nehmen, weil sie von den Toten nichts mehr bekommen.Eine rhmliche Ausnahme kenne ich ja. Das ist eine Brennerei in Finsbury. Die Leute stellen unter dem Namen ihres Stadtteils einen respektablen Whisky nach schottischem Rezept her und obendrein einen gepflegten Gin, alles was recht ist.Weil ich nur kleidungsmig gewappnet nach Balmoral aufbrach, baute ich auf Vilion. Ich hoffte, er hatte einen erfreulichen Vorrat an Trinkbarem im Schrank. Gegen die Klte natrlich.Zehn Minuten spter lenkte ich meinen altehrwrdigen Flitzer auf die Ausfallstrae nach Norden. Wenn ich auf die Tube drckte, konnte ich am vormittag in Balmoral sein.

*

Vilion ging in Gedanken die Kartei seiner Kundschaft durch. Etliche von den Leuten hatten ein Auto.Andererseits kannte er die geizigen Seelen. Fr eine Geflligkeit, die nichts kostete, waren die Leute immer zu haben. Eine Fahrt nach Braemar jedoch kostete Benzin und demzufolge Geld. Und Zeit obendrein. Auch wenn die nicht besonders viel wert war.Er dachte an Mrs. Biggins, die seit zwei Jahren keine seiner Rechnungen bezahlt hatte. Die Dame war etwas exzentrisch und bewohnte mit ihren elf Hunden das groe Haus am Ostausgang des Ortes.Ob er die einspannen sollte?Er rief an.Mrs. Biggins machte hundert Ausflchte. Nach Braemar? Jetzt, wo es gleich dunkel wurde? Ihr Wagen knnte Schaden nehmen. Auerdem mte sie ihre vierbeinigen Lieblinge fttern, was eine gewisse Zeit in Anspruch nehme, und die Tiere seien ja so sensibel, die wrden von fremder Hand kein Futter annehmen.Vilion legte einfach auf.Er dachte weiter nach. Wenn das berspannte Weib schon nicht wollte, dann vielleicht die Heimleitung direkt? Er mute den Leuten die Grnde nur plausibel machen.Was Kinsey bezweckte, war ihm schon klar.Wer oder was auch immer sein unheilvolles Wesen trieb und die bedauernswerten Opfer des Unheimlichen aufsprte und in Skelette verwandelte, es schien verdammt genau zu wissen, wo es seine Leute zu finden wute.Sogar bis Aberdeen war es gekommen.In einer einzigen Nacht hatte es McKnee, Burgess und die alte Chadwick geholt.Die neue Nacht war nicht mehr fern. Vielleicht wollte es in dieser Nacht auch noch den Grtnergehilfen Mindy und den Schlodiener Richard holen. Aus dem Heim in Braemar.Wenn aber die zwei nicht mehr dort waren, wrde das Wesen ganz schn dumm dreinschauen.Vilion kramte den Zettel hervor, auf dem er die Nummer des Heimes notiert hatte. Soviel wie heute hatte er in einem ganzen Jahr zusammen nicht telefoniert.Whrend er whlte, blickte er aus dem Fenster. Die Sonne sank schon, bald wrde die Dunkelheit aus den Bergschatten hervorkriechen.Vilion noch einmal, meldete er sich, als in Braemar abgehoben wurde. Ich rufe noch mal wegen der beiden Pfleglinge an, Sie wissen schon. Ich mchte sie hier haben, bekomme aber kein Fahrzeug, um sie abzuholen. Knnen Sie mir die beiden rberbringen? Jetzt gleich?Seine Bitte wurde mit einem bedrohlichen Schweigen beantwortet. Vilion frchtete schon, die Verbindung sei unterbrochen. Aber dann sprach der Heimleiter wieder.Geschenkt knnen Sie die zwei haben, Doktor! Und je eher Sie sie uns abnehmen, desto besser!Verdutzt guckte Vilion den Hrer an und rckte ihn dann wieder ans Ohr. Ich frchte, ich habe Sie nicht richtig verstanden. Ist etwas passiert?Genug, Vilion! Der Heimleiter war die Entrstung in Person. Als Sie vor 'ner Weile anriefen, war bei uns die Welt noch in Ordnung. Aber als ob der Teufel selber seine Hand im Spiel htte, ein paar Minuten spter begann Mindy zu randalieren. Besonders friedfertig war er nie, aber so wie heute hat er noch nie getobt. Die ganze Einrichtung im Gemeinschaftszimmer hat er zertrmmert und zwei Pfleglinge, die mit ihm zusammen wohnen, nicht unerheblich verletzt. Wir konnten ihn kaum bndigen. Ich habe ihn in den Heizungsraum sperren lassen, der hat wenigstens eiserne Tren, die dem Burschen gewachsen sind. Und vor einer halben Stunde kriegte auch Richard seine Tour. Meine Pfleger sind jetzt noch nicht Herr ber ihn geworden. Wollen Sie mal hren?Vilion vernahm das Gerusch einer sich ffnenden Tr und dann verschwommenes Getse, untermischt mit wtenden Schreien.Ist das Richard? fragte er beklommen, als der Heimleiter wieder in den Apparat schnaufte.Da knnen Sie sicher sein, Vilion. Er fhrt sich auf, als htte er den Teufel im Leib!Einem meiner Pfleger hat er den Arm gebrochen und einem anderen


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