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Der Eigene : 1900-01

Date post: 01-Jun-2018
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  • 8/9/2019 Der Eigene : 1900-01

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  • 8/9/2019 Der Eigene : 1900-01

    2/11

    ?k*-

    •  *  .Ende düht erechemir^ÄV***:*'

    W^mmmSSmum^^

    r-  •  «Vi*

    & § £ § £ &

    .  VERTONUNG ;VON ^RICH Ä^bi^ iE(MRE i ^

    mm

    GEDiCHT VON f̂CHARD

      B R A N D t i M ^ P ^ ^ P

    Richard Mcletfrelä -

    ;

    Ä*ie|t^«tft KhräI«fi»

    J

    p^e^^Sä^ |^Abrt ts i t^ tA£^l^^^^^^^ ,

    in Königsberg,:an

      dem

     '21 ..seiner; Ueäer" zuhvV' orträg) ^

    m

    ^»iS

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    kP

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    ^?'Hümjäri3t^'|s?iJ;^j«^^

    Presse einen unumstrittenen^Er/olgi^I)^^

    rollen Liedern,

      die

      sich ras ch weitere.Rre"ise\eröbert ha&nXrtfryiUe'm.frH^gute..

    Behandlung der. Stimme,- die.'treffen de,'Dekl a"matlon^di eai^'rec ^e^e-Mel odie','.~,

    « ^

    ^pi^allem; die; g x ^ £ i ^ v & & ^ i

    > p r e c t e ^ e ; , M e l o d i e ^ ^ | p ^ ^ |

    sowie das

    -

    Gemütvolle' dnd '-%u  Herzen"

    5

     Gehfende idel? '.'Köm'pöilUortjan"/ = a|" Dä *^

    5

    vorliegende Tpnwerk,

      das

      die. feierliche .Schdrihelt

     

    -fler^

    ,

    .MeWmg^lhU^r^it''

    ,

    *lA.^SiS^M^

    grosses Naturgeb et^mit .tiefergreifendei'vlnbruhst'-^InJ^dift^^e-j.de^^Srefji.ij^O-^^F

    schmeichelt, wird danh^gewiss dazu; beitragen, dass^e r'^eif achigS äüssSrt Ä j

    5

      ^ ^ ^ ^

    Wünsch nach einem Richard Meierireis*Album,-Jn'-deirt aie\bTshe¥^

    sowie

      die

      hoch

      un

    '.sammelt erscheinen

    gedrückten ;Liedef",i:des~ beliefcten' ^fpmpptHs^eh^näi^n^^

    , «chi -ba ld

    ;

    ; l r i ' 'Et^ung;-ge l^

    jJUber

    C o Ig'endeVlLfrleirftjSS^a

    s3t> .

    I

    Adolf Brand fällt

     M.

    . jlch bedaure, dass

    I nicht  in  der ' sGese l

    dass diese.kleinen J^scheröVIÖfnstwerfce^In^feüe^

    '£ Ehren "ihrenL Platz'behaüptetf wurden. 3i>ff© OTcSl^^e 5cfr^e %r5^gff i1^ff^ ^^^

    ''-'ads Ihrer  Feder?

    gefuriVreb'-häte/'^iberVaScKê IrnictewfetJerv'̂ tfciTihre^ä'ütere

      v

    '•

     "poetische Schönheit.;-? I>ie/ MnÜc lie^ otef d f ^ ^ u ^

    '•

     schlägt,  is t  in'ihrer'persönlichfep ;Nüarlci'rung 'für»5edeh^£emerfü^le^en,'Les'er^

    * von onsehätibariem Werte/ürili^e-Erkennmis^der komplizierten" moderheh^Kunstleft»|L

    : Veeler' lMe\ gehelmnUrolIe^Natu^

    SGedrcäü* fBiit

      so

     inniger, lauterer" Kraft a1issprfch f^foüsr; aBf^

    -titfen Eindruck  übenU ^Ihre^NatüVbilder

    A

    3ind ^vpny-elner vselteneri^-Klarh^if Üri

    |~den weichen, schönen Järberi'^n'd;jd",der^flen£üivd doch^d besfömfrite'ri LinieJ.

    [.-Ergreifend, sind  die  tieder, 'dte/wie

    ;

    .ääS Echo' ünierttörbafen i eb en sj »6 - leid vbfl ]

    Ctaid doch'ohne Sentimentalität vonvder-Ha^e  ;des ~Todef"^lingeii; * Mit Ä^s^"

      ^

    P Zeichnung h ebe  ich das Gedi cht j,MorituH* •hervor.,,' Ganz eige ntüm lich berühr^ ?fc3§f

    -:.die. Kraft  des Geis tes Jn'Vdiesem VOTölut eft^iede' rteüchen.in

      die

      .Schauerndes ;* ~

    gi^^;*:« »«*^^

    •^.t .

    ?i-V,*M V'r^^^-Eiri'BekenntnlsbuchiVoh-^r^^

    P£' P^T

     E

     1 0 1 *

     ME 6

     H E S A

    ADOLF iÖRÄNÖ

    f

    S «VERLAG

    <

    ZUR MYSTIK DES NATÜRLICHEN.

    Lasst doch  die  Sinnlichkeit sich ausleben:  sie hat alles in

    sich vorgesehen,

      um

      alles wenden

      zu

      können,

      was

      sich

      in ihr

    ausre ifen will. Denn  das Vorausgesandte  ist ja nur ein Bruch

    stück dessen,  was das  Sinnliche  als  Darstellungsmittel eines

    wachsenden Sinns bedeutet,  in  welchem  es  eben  die  Geschichte

    des Sinnbildlichen vorstellt.

    Sich ausleben heisst:  die  Arbeitselemente kennen lernen,

    die unsere Giltigkeit zusammensetzen  —  nicht aber sich gehen

    lassen,  um  gleichgiltig  zu  werden.  Die  Ungleichgiltigkeit  ist

    das Parallelogramm  der  Kräfte,  aus dem  unsere Resultante

    hervorzugehen hat.

    Dieselben Leute,  die der  Natur ihre Technik verar gen,

    wollen auf:die Bedingungen,

      auf die

      sich ihre Geschäftsinter-

    essierth'eit stützt , im Ernstfall keineswegs verzichten.  Man müsste

    den Spass erleben, dass  die  Menschen wirklich  auf  einen Tag

    hin alle  gut ehrlich  und  gesund würden: dann würden tausend

    gegen einen Seelsorger ehrlich werden

      in

      ihrem Schmerz

      und

    bete n: „Herr , lass sie wieder sündigen — und der Jurist würd e

    ums Unrecht riehen  und die  Ärzte noch viel wirksamere Re-

    cepte verschreiben oder Anleitungen ausstellen über die Art und

    e i se

    krank  zu  werden  und es zu bleiben.

    »

    Unter  den  Verbrauchsmitteln  des  grossen We rthaushalts

    sind das Naturmindere  und Naturwidrige  das Allen Offenbare —

    und Überallherrschende  —  weil  das  Gemeinverständliche,  das

    DKK

      ElCiKNK.

    321  — J A N T A K I I K K T   l'ldO.

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    s ich mit Händ en greifen läss t . Es g iebt a ber e ine Ve rbor gen

    hei ts lehre , wei l es e in öf fent l iches Geheimnis g iebt : d ie erwachsene

    Nat ür l ich kei t Nur wenige s ind auser lesen , den S inn der Na tu r

    zu deuten und auf ihm s ich abzu trage n — die meis ten haben

    Ohren, um nichts zu hören , und Augen, um nichts zu sehen,

    und s ind auf das Rech t ihrer Besch ränkth ei t versessen wie auf

    das äussers te Himmelsglück .

    »

    Ja, d iese Nussknac kerzif fer : d ie Na tur Einzahl in a l lem

    Au g en s ch e in Der Au s g an g s f ak to r a l l e r s i ch im W er d en zu

    s ammen s e tzen d en R ech n u n g s g r ö s s e Od e r wo h e r wü r d en d i e

    Wertunterschiede ihre Vergleichsmöglichkei t nehmen und d ie

    s ich zu einer anwachsenden Übers icht verarbei tenden Verhäl tn is

    schichten ihre verb indende und zwischen den Gegenübers te l lungen

    rangie rende Ins tanz, wenn n icht von einem zu Gru nde l iegen den

    Geheimbegr if f : dessen ins Unend liche gerüc kter D urch mes ser

    eb en d as Ver b o r g en e b i ld e t : d a s g r o s s e » Un b ek an n te"

    *

    Dieses grosse „Es" — wir a lle s ind seine "Selbs tvermit te-

    lungsmedi .en in auf- und abs teigenden Gleichniswer ten .

    * . . .

    Die Natur kann s ich im Papierdrachen wie in e iner a lge

    braischen Idee ihr Vermit te lungssymbol nehmen, um gegebene

    Meh r - o d e r Min d e r b es ch r än k u n g en in ih r e R ich tu n g s k e t t e

    lebendig e inzureihen . Da rum is t es ebenso fa lsch von den

    Pfaf fen der Freide nkerei , dem Kinde rgeis te ' ) zuzum uten , dass es

    Ge dan ken fliegen lasse, wie es falsch ist, wenn die Pfaffen de s

    Ki r ch en tu ms d em Er wach s en en zu mu ten , b e im P ap ie r d r ach en

    zu b leiben .

    *

    Das Leben der Zufäl l igen is t gemeine Notwendigkei t , das

    Leb en der Untersc heidun gsfähigen und dahe r Wese nt l ichen is t

    i d ea l e No twe n d ig k e i t : d i e W i r k u n g s l in i e au s d em Zu s amm en h an g

    ' ) Die Berücksicht igung der Kindesbedingungen in der Überle i tung macht

    eben das Kind zu seinem eigenen Überwinder — und so hoffen wir auch, dass

    durch e ine erziehungsgemäss natürl iche Kul tur — nicht aber durch e ine ent -

    sinnlichendc urtd gew altthä tige Unnatu r auch die Kindheit der Mensch heit —

    und be« ihr einmal endgiltig — überwunden sein wirdl

    DK R   Kimme

    — 322 —

      JAMC'AKHKFT

      1900.

    beider b i ldet d ie F igur des in s ich unterscheidenden und daher

    zwischen seinen Ausd rucksge gensätz en rangierende n „Egoismus"

    von „Gott" — d. h . se ine a l les zur e igenen Richtungsangelegen

    hei t machende Selbs t thät igkei t , an der d ie Einen und d ie Anderen

    1

    )

    je nach ihren Qual i tä ts abs tän den so oder so ihren Antei l hab en:

    en twed e r im R ü ck wär t s g ewen d e ten , W id e r l i ch en u n d Gemein en

    — o d e r im Vo r wär t s g ek eh r t en u n d R e in e r v e r mi t t e l t en

    *

    Die Reinervermit te lung des dem Richtungsbegr if f a l les

    S e lb s t t r i eb s Näh e r k o m men d en : u n d d i e Ver mi t t e lu n g im Ver

    b r au ch s r ah m en d es v o n d e r Na tu r b ed eu tu n g Ab g ek eh r t en u n d

    dar in Selbs twid r igen: b i ldet das Ensemble im Regi s ter der

    Zw eck weg e, auf denen eben d ie in d ie Mys t ik der Un ermess -

    lichkeit r eich end e Sinn völligkeit ihre Giltigkeitsziffer erfüllt

    Darum braucht es uns um die Natur n icht bange zu sein ,

    dass s ie auf a l l ihren Um wege n in jene Höhe ein lenkt , d ie s ie

    in unserem Gehirn a ls das bezeichnet , was s ie , a ls wegweisende

    Ursache in unserer Taxat ion , wil l , um s ich mit a l lem in ihrer

    ers t rebten Gan zbe deu tung auszulösen Wa s uns betr if f t , so helfen

    wir , soweit wir unsere Ideal itä tszif fern zur Einrec hnung zu b r ingen

    verm ögen, zur Not wen digke i t des Naturg eschehe ns , auf d ie s ich

    eben in der Ereignisket te des h is tor ischen Ver laufs jeg l iches

    Das e in b e r u f en k an n , e in en h ö h e r en C h a r ak te r an zu n eh men

    Auf was a lso a l l das zusammenbezogene Widerspiel der

    Kräf te h inaus wil l? Auf d ie Blüte des Natür l ichen und d ie

    Fruchtzei t der Zukunf t , in der das gemeine Fragment: d ie a l te

    Bornier thei t endgül t ig aufgebraucht erschein t , um uns d ie Arbei ts

    fernen einer höher s tehenden Polar i tä t an tre ten zu lassen

    W as also auch noch für kurz oder lange zum V orbe hal t

    d e r No tw en d ig k e i t g eh ö r en mag , un d was au ch n o ch in d i e s em

    ü b er d i e u n g le i chs t en Ver mi t t e lu n g s b ed in g u n g en g eh en d en G an g

    s

    ) A ls in sich blinde (zufällige) oder in sich unter scheid ungs fähige (ideale)

    „Kgoisten

    DE R  RMIRKK. — 32.» — JA XI'A KIIKF T 1900.

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    Wi r s t a n d e n a b e n d s  oft  allein,

    D a n n z w a n g

      ich

      m i c h :

      „es

      darf n icht sein "

      —

    "Wenngleich

      ich

      a u c h

      vor

      Durst verg ing

    U n d n a c h t s m i c h w a n d

      in

      Se h n su c h t sq u a l

      —

    Bis gestern

      ich zum

      er s ten

      Mal

    An Deinem Halse h ing .

    Ein Jubel fass t mein Her z . Durch beb t

    V o n e i n e m Ra u sc h e ,  nie  erlebt,

    D r ä n g t w e i t a u f a t m e n d Br u s t  an  Brust.

    Mund wühl t s ich wi ld  an  M u n d  in  Gier,

    In he isser Brunst .  Ich  d a n k e  Dir

    F ü r

      so

      v ie l L iebes lust

    2 1 .  S e p t e m b e r

      1899.

    A n m e i n H e r z

    D a s  ist nun aus

    V e r su n k e n

      ist

      mein kurzes Glück :

    E i n F r ü h l i n g s t r a u m  zur  Win terze i t .

    Mein Herz vere is t ; mein Land beschnei t .

    M e i n a r m e s H e r z

    Dein Blü ten t raum kehr t  nie  zurück .

    Dir lach te e inst

      ein

      Sonnenschein .

    Z w e i A u g e n h o l d ,

      ein

      L i p p e n p a a r

    V e r s p r a c h e n

      Dir auf

      i m m e r d a r

    Ein Leben vo l le r Sonnenschein .

    Der ho lde Mund küsst mich n ich t mehr .  — —

    Sei s t i l l sei  s t i l l das ist nun aus — —

    D i e Wi n t e r n a c h t r i n g s

      um

      mich

      her.

    Einsam verhal l t mein Schr i t t  im  Haus.

    In se inem Herzen th ron t  ein  We i b .

    Sei still sei  s t i l l e inst  war er  D e i n

    Sei still wer  weiss ,  wie  bald sein H erz

    Sich wieder wendet he imatwär ts ,

    U m e w i g D e i n  zu  se in

    Peter Hamecher

    DE R

      E I G E N E .

      — 326 —

      JANUARHEFT

      1900.

    IN   DIE FERIEN

    E r

      war ihr

      e inz iger Sohn . Se ine Gesta l t

      war

      schmach t ig .

    Ro te Loc ken bekrän zten se in Ant l i tz . E inst

      war es

      b lühend ,

    r o se n w a n g i g g e w e se n ; j e t z t l a g e r t e Re i f

      auf den

      müden ,

      ab-

    g e sp a n n t e n Z ü g e n .

      In der

      H a n d h i e lt

      er

      e ine k le ine Reise tasche .

    D a s s  sie  leer , ganz leer  war,  wusste se ine Mu t ter n ich t .

    „ L e b w o h l , " s a g t e  er  k u r z  und  se ine k lagenden Augen

    ruh ten e inen Augenb l ick f ragend , hof fend , zweife lnd

      auf ihr.

    A c h ,  sie  v e r s t a n d  ihn ja  n ich t .  Sie  mein te  es in  i h r e r  Art so

    g u t mit ihm und  d o c h  . . . . und  d o c h  . . . . Er  liebte  sie,  weil

    e r s ich zwang ,  sie zu  l ieben . E inen na tü r l ichen  Zug zu ihr hin

    e m p f a n d  er ja  schon längst n ich t mehr .

    S ie   war  über fünfz ig Jahre  alt.  Ziemlich hoch gewachsen ,

    mit e rnsten , s t rengen Zügen s tand  sie vor ihm. Ihr  Zie l  war

    G l ü c k  und als We g zum  G l ü c k k a n n t e  sie nur die  mater ie l le

    Be f r i e d i g u n g .  Der  D r a n g n a c h F r e i h e i t , L i e b e , Sc h ö n h e i t  war

    ih r unverständ l ich .

    N o c h  ein  le tz tes  Mal  ruh te  de r  Bl ick  des  So h n e s  auf ihr,

    d a n n g i n g  er mit  l e i c h t e m H ä n d e d r u c k .  Er  wol l te  zu  einem

    F r e u n d e ,

      der auf

      Sc h l o s s F r e m d e n b e r g w o h n t e ,

      in die

      Fer ien .

    So h a t t e  er ihr  g e sa g t .

    Die Sonne ne ig te ih re Bahn schon   dem  H o r i z o n t e  zu, als

    e r d u r c h  die  lebhaf ten St rassen  der  S t a d t  dem  Bahnho fe en t -

    g e g e n g i n g .

      In

      einzeln en, dunkle n Lo kal en flimmerten schon

    d i e G a s f l a m m e n .

      In der

      Luft

      lag ein

      e igen tümliches Summen.

    O d e r s c h w i r r t e

      es nur so in

      se inem Kopfe

      — Er

      dach te n ich t

    w e i t e r d a r ü b e r n a c h .

      Er war so

      u n sä g l i c h m ü d e .

      •—

    D E R

      E I G E N E .

      — 327 — '

      J A N U A R H E F T

      1900.

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    6/11

    Der Zug b rauste durch d ie Dunkelhe i t h in .

    R a t sc h . . . . r at sc h . . . . ra ts ch

    I m m e r z u I m m e r z u

    L u f t R u h e S c h l a fe n —

    Er fuhr zwei ter Klasse . Es so l lte n ich t wieder vorkommen,

    sag te e r s ich . Der K opf lehn te an d ie weichen P o ls te r ; d ie

    Aug en sch lössen , d ie Brust hob und senk te s ich . Er a tm ete

    schwer, langsam, als ob er einer lästigen Pflicht Genüge leiste.

    Bäum e, Wies en , Getre idefe lder , W aldunge n flogen vorüber . Hohl

    rasse l te der Zug über e ine hohe Eisenb rücke . Daru n ter e in

    g länze nder , go ldene r Sp iegels t re i fen .

    Er fand ke ine Ruh e. Je tz t sah er durchs o f fene Fenster

    e in schma les , weisses Band g le ich laufend mit dem Bahndamm

    den Zug beg le i ten .

    Seine Wa nge n g lüh ten ; Schweiss s tand auf se iner St i rne ;

    in ihm wühl te d as Fieber . Er sank in d ie Po ls te r z u rück .

    Ein Ja hr früher. Au f eben dieser Stra sse eilte ein jun ger

    Mann von d re iundz wanz ig Jahren dah in . Es war im Hoc h-

    sommer und noch lag der Tau auf den Gräsern und doch war

    er schon fünf Stun den unterw egs W en n er anhielt, nahm er

    immer e inen zerkn i t te r ten Br ief hervor , durch las ihn hast ig ,

    ängst l ich und e i l te dann keuchend wei te r . In dem Br iefe s tan d

    f o l g e n d e s :

    L i e b e r R o b e r t

    Wie gerne wol l te ich , dass ich d iesen Br ief n ie an Dich

    hät te abgehen lassen müssen Wie schmerz t es mich , dass

    ich Dir wehe tun muss. O wären wir doch mit unsrem frühern

    f reundschaf t l ichen Verhäl tn is zu f rieden gew esen ; dann würde

    uns das Weh , das unsäg l iche Leid der Trennung erspar t ge-

    b l ieben se in Ja , mein l ieber , a rme r Rober t , ich kann Dir

    n ich t meh r angehöre n . Du weiss t ja , dass mein Brude r n ie ,

    n ie fü r d iese Verb in dung war , und Du w eiss t auch , dass e r es

    is t , dem ich a l les , Ausb i ldun g , Erz ieh ung , Na hru ng , kü rz a l les

    und jede s zu verdank en habe . Mein Va ter s ta r b , wie ich ein

    Kind von zwei Jahren war , und mein Bruder ha t se ine Ste l le

    in aufopfernder Weise e ingenommen. W as fü r Gründ e se ine

    Abneigung gegen Dich ha t , weiss ich n ich t ; e r i s t ja so ver -

    sch lossen . Ab er das weiss ich , dass ich ih m unsäg l ich wehe

    D E R E I G E N E — 3 2 8 — J A N U A R H E F T 1 9 00

    tun würde , wenn ich Dein We ib zu we rden behar r te . Sieh ,

    es ist meine Pflicht, dass ich Dir Dein W or t zu rückgeb e.

    Zürne m ir n ich t , mein l ieber Ro be r t ; g laube n ich t , dass

    ich Dich nicht geliebt hab e. Du ahns t nicht, wie mir zu

    Mute, dass mir das Herz brechen will, wie ich dies schreibe.

    Ich kann n ich t meh r Leb e wohl

    Emmy.

    Er war bewusst los zusammengebrochen , wie er d iese Bot-

    schaf t empfangen . W as war sie ihm n ich t gewes en Vate r ,

    Mut ter , Bruder , Schwester , a l les fand er in ih r. Aus der Wü ste

    seines Daseins, niemand verstand ihn, hatte sie ihn herausgerissen.

    Ih r ko nn te e r al l se in Füh len , Den ken , Empf inden anver t rauen .

    Sie war so gut, so edel.

    .•> Am Ab end h atte er den Brief empfa ngen. Lan ge lag er

    gepein ig t , gequäl t , ruhelös auf se inem Lag er . Kein  Schlaf

    Es konn te , dur f te n ich t se in In ih r sah er ja se ine ganze W el t ,

    sein ganzes Selbst, sein ureigenes Ich.

    Auf zu ihr ,Sie musste ihn hören . Er wür de sie erweiche n.

    Noc h s tanden d ie Lic h tpu nk te an dem schwarzen Himmel ,

    a ls er s ich auf den W eg na ch W . m ach te .

    Er war am Zusammenbrechen , wie er dor t ankam.

    Sie wohnte in e inem hübschen Häu schen m it g rünen Roul eaux

    und einem kleinen Balk on. Es wa r ihm, als sähe er ihr liebes

    Ant l i tz am Fenster verschwinden , wie er den ängst l ichen Bl ick

    in die Höhe richtete.

    Die Glocke schr i ll te . . . e r war d angemeldet . —

    „Das Fräu le in i s t d iesen Morgen fü r e in paar Tage ver re is t . '

    Am späten Abend sank er , d roben im Wäldchen , au f den

    rebenbep flanzten H ügel , auf eine Bank . Die Sonne warf ihre

    le tz ten Grüsse über d ie We i te h in und d ie Fens ter des Städ tch ens

    zu den Füssen des Einsamen s t rah l ten im go ldenen Scheine .

    Er w usste n icht mehr , wo er den ganzen T ag h erumgeir r t w ar .

    Se in Kopf b rann te und vor den Augen lag g rauer , schwerer

    Nebel . Er war e r schöpf t . Er versuch te s ie zu hassen , zu ver -

    ach ten . Es g ing n ich t .

    Vo r Beiner Seele stand in strah lend er Kla rhei t ihr liebliche s

    Bi ld und wenn er es über s ich b rach te , das Zucken se ines He rzens

    D E R E I G E N E . — 3 2 9 — J A N U A R H E F T 1 9 0 0 .

  • 8/9/2019 Der Eigene : 1900-01

    7/11

    niederzukämp fen , so musste e r s ich sagen : „Sie i s t g ross . Sie

    ist stä rke r als du "'

    Da beschloss er , auch seine Pflicht zu thun und ihr das

    Tr ag en ih res Leid es zu er le ich tern , dadurc h , dass e r ih ren W eg

    nich t meh r k reuzte . Er r i ss e in Bla t t aus se inem Tas chen buch e

    u n d sc h r i e b m i t z i t t e rn d e r H a n d d i e Wo r t e  darauf „Ich be

    wu nder e , l iebe und verehre Di ch Fa hr wohl " D ann fa l te te e r

    das Pa p ie r zusamme n und versch loss es , um es d run ten im

    Städ tche n , das schon in näch t l ichem Dunkel lag , der Post zu

    Oberge ben . — — — — — — —- — — — —

    Na chd em er se in Liebs tes ver lo ren , ha t te d ie We l t fü r ihn

    keinen Rei z mehr . Umso nst such te ihn sein Fre und Wil liam bei

    ge legen t l ich en B esuchen aufzuhei te rn , zu t rösten , au fzur ich ten .

    Er lächel te nur le ise zu a l len Bem ühunge n . De r Schmerz ü ber

    den unerse tz l ichen Ver lus t , dazu d ie Qual des Nich tv ers tände n-

    werdens von se inen Angehör igen , d ie ihn nur e inen ungenügsamen

    Son der l in g nann te n , zers tö r ten se inen Lebe nst r ieb . Er ward

    müd e, lebensmüde . Nie man d ahn te , dass schon se i t Mona ten

    se in Au ge s ich n ich t mehr zum Sch lafe gesch lossen . Er w urde

    b le ich und b le icher und mager te ab . Bei e inem näch t l ichen

    Spaziergange , den er nur in le ich ter Kle idung un ternommen,

    erkä l te te e r s ich . Er f ing an zu husten . W as kümmer te ihn

    das Stech en und Na gen in se iner Bru st ; es war ihm oft e ine

    W ohl t a t , Hess es ihn doch eher vergessen , was er genossen , was

    h in ter ihm lag .

    Bis vor e in paa r W oche n ha t te e r e i fr ig s tud ier t . Nich t wei l

    ihm am Stud ium v ie l ge legen wa r ; e r ha t te ja ke in Zie l und ke inen

    Zw eck mehr , — so ndern um sich zu zers t reuen . Je tz t war

    se ine Kraf t zu En de und er ged ach te d ie Fer ien anzu tre ten .

    D i e Fe r i e n .

    Schon e ine Stun de war e r un terw egs. E r musste ba ld am

    Zie le se in . De r b le iche Glanz des Mon des quäl te ihn . Er sch loss

    d a s Fe n s t e r , z o g d e n V o r h a n g u n d sc h l o s s w i e d e r d i e A u g e n .

    V o r w ä r t s

    Die Masch ine fauch te und z isch te , d ie Wa gen rasse l ten ;

    er hör te es n ich t . Ihm war schw erer um s Herz denn je und

    doch war es ihm, a ls sp ie le Fre ud e , Hof fnung durch das Bang en

    in se iner Brust .

    D E R E I G E N E — 3 3 0 — J A N U A R H E F T 1 9 0 0;

    Wie der Schaffner seine Karte durchlochte, schüttelte er

    bedenk l ich den Kopf be im Anbl ick des Reisenden , dessen ro te

    Locke n wir r um s Hau pt wal l ten und un ter dessen Brauen hervor

    zwei uns täte , f lackernde Aug en bran nten . An der nächsten

    Halte stelle hätte er de n Zug zu verlassen , teilte er dem Fie

    bernden mit . — —

    Es wa r neun Uh r , a ls Rob er t se ine Fussre ise nach der

    Wo hnu ng se ines Fre unde s an t ra t . Der Weg führte grössen te il s

    durch Wa ld . Am Himm el e i l ten Wolkenfe tzen dem Mon de

    vorbei . Durch s Gehölz s töhn te e in schwüler Wind .

    Ro ber t s t r ich s ich mi t der H and über d ie Augen . - E r

    t räum te wohl im Gehen . Immer sah er zwischen den Stämm en

    etwas Weisses hervor t re ten , das ihm zu winken sch ien und doch

    empfand er ke ine Furch t . Ihm war , a ls müsse er d ie Erscheinu ng

    kenne n, als geh öre er zu ihr, und leise winkte er ihr wieder zu,

    sp rach fast unbewus st : „Auf Wieders ehen " ~

    Von Em my hat t e e f lange n ich ts mehr vernommen; dann

    war d ie Nach r ich t zu ihm gedru ngen , dass s ie e rk rank t se i .

    In den t ie f herabh änge nden Zw eigen der schwarzen Tann en

    raschel te es . Am Himmel jag te der Wind , der s ich imme r

    starker e rhob , g rosse schw arze Wolkenknäuel vorüber . In der

    Ferne g ro l l te es dumpf und mürr isch und in kurzen Zwischen

    räumen loh te es he ll au f am Hor izon te . E in Gewit te r nah te . •

    R ob er t eilte so ras ch es seine Kräfte erlaubten. In seiner

    Brust koch te und b rodel te es zu merkwürd ig . Von se inem

    Antl i tze rann der Schw eiss in g rossen Tropfen und doch über f log

    ihn ein heftiges Frostgefühl.

    Da quoll es zwische n seine Lippe n. Er w ischte sich den

    Mund mit se inem weissen Taschen tuche .

    Die he l len Sch läge des e isernen Klopfers k langen durch

    d ie Hal len des Sch losses Fremdenberg . —

    „ Ro b e r t , d u ? Z u d e r S t u n d e ? "

    »Ja , Wil l iam. Ich komme zu d i r in d ie Fer ien ."

    „Du f iebers t , " sag te Wil l iam, der d ie Han d se ines Fre und es

    ergriffen und ihn ins Wohnzimmer geführt hatte.

    D E R E I G E N E • — 3 3 1 — J A N U A R H E F T 1 9 00

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    8/11

    „M ir ist nicht re cht w ohl; ich bin so müde u nd in de r

    Brust da s t ich ts und b re nn ts und n ag ts . O " —

    Er zog se in Tas chen tuch hervor und wisch te s ich den

    Schweiss von der St i rne . Das Tuc h war b lu t ig . — —

    Rob er t lag in dem Bet te , das ihm se in Fre und angew iesen .

    Wil l iam wach te im Nebe nzim mer . E in Gerä usch d ran g aus

    Rob er ts Kam me r , e in t ie fes , langes Stöhnen . Als 'W il l iam e in t ra t ,

    lag se in Freund mit angstvo l len b le ichen Zügen , e in Tuc h vo r

    den Mund gepresst . Blu t s icker te hervor . —

    E s g i n g z u E n d e . — —

    Wil l iam stand mit se iner weinenden Frau am Bet te des

    gel ieb ten Freundes. In der L inken h ie l t Rob er t e in zusam men-

    gekn i t te r tes Pap ier , das e r au f das rasch k lopfende Herz p ress te .

    Die Rec h te s t reck te e r den be iden an se inem La ge r Stehenden dar .

    „Ha bt Dank — Ihr hab t mich — verstand en . — Ich gehe —

    in — d ie — Fer ien •

    Es war vorüber .

    jfcdolf /kttenhofer.

    D E R

      EI G ENE. — 332

    JANUAR H EF T 1900 ,

    JESUS UND DIE RELIGION „UNSERER TAGE««

    E i n e S t u d ie v on M i c h a e l S a w k a .

    (Fortsetzung.)

    Das s Jesus n ich t nur von se inen näheren Bekann ten , mi t

    welchen er au fgewachsen war und d ie ihn von Kindhei t an

    kann t en , mi t Spo t t und Hohn überschü t te t w urde , sondern auch

    von se inen Famil ienangehör igen v ie les e rdu lden musste , bezeugen

    se ine W or te : „Ein Prop het g i l t n i rgend wenige r , denn in se inem

    V a t e r l a n d e u n d i n s e i n e m H a u s e " ( M a t t h . ) ; b e i M a r k u s h e is s t e s :

    . . .  u n d d a h e i m b e i d e n S e i n e n " . M a r k u s s c h re i b t: » U nd

    da es hör ten , d ie um ihn waren (worun te r se ine Mut te r und

    Brüder zu vers tehen) , g ingen s ie h inaus und wol l ten ihn ha l ten ,

    denn s ie sp rac hen , e r wird von Sinnen komm en." Na ch Johann es

    heiss t es : »Und da er a lso zu dem Volke rede te , s iehe , da

    stand en se ine Mu t ter u nd se ine Brüder d raussen , d ie wol l ten

    mit ihm reden . Er ab er sp rach : W er i s t meine Mut ter und

    wer s ind meine Brü der? Und er reckete d ie Ha nd aus über

    se ine Jü nge r und sp rach : Siehe , das i s t meine Mut te r und meine

    Brü der und Schw estern . . . . " Jesus un terb rach se ine Pred i g t

    n ich t ; e r wa r d er Vorwürfe und k le in l ichen St iche le ien über -

    d rüss ig und wies se ine Angeh ör igen ab . Nac h Johann es wurde

    Jesus von se inen Brüdern verspo t te t .

    Tref fen de W or t e über Jesus f indet e in Pr ies ter , Dr . Pau l

    W i g a n d

    4

    ) : Jesus von Naz are th , der vor ach tzehn Jahrhund er ten

    h ier au f Erd en ge leb t h a t , i s t wahr und wahrhaf t ig e in Mensch ,

    e in wirk l icher M ensch nach Leib , See le und Geis t , ganz wie

    wir . E r wurde von e inem We ibe gebore n , ha t te unsere wahre

    mensc h l iche Natu r , wie er s ie vor fand . Er ha t te se ine Leiden

    «) „Das Geheimnis der hl. Dreieinigkeit und der Gottheit Jesu Christi,

    r o n D r . P a u l W ig a n d . F r an k fu r t a . M. 1 89 7 , K a rl B r e c h e r t

    D E R

      EI G E NE. — 333 - • JANUAR H EF T 1900.

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    9/11

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    10/11

    Die Bethä t ig i ing wahrhaf ter Hu mani tä t , d ie s i t t l iche Pf l ich t

    n iemanden zu ver le tzen , v ie lmehr jedem nach Kräf ten zu he l fen ,

    d ie t reue Pf l ich terfü l lung der Wel t und s ich se lbst gege nübe r

    in a l len Lag en des Lebens, m ag man nun „re ich und ange sehen"

    oder „mühsel ig und be laden

    1

    ' s ein — d a s i s t d i e F o r m d e r

    R e l i g i o n u n s e r e r T a g e . U n d j ed e r M en sc h t ra ch te t, d ie

    ihm während se ines Leben s besch iede ne Aufga be red l ich nach

    seinen besten Krä ften zu erfüllen — deshalb ist kein Me nsch

    ohne Rel ig ion Aus übung der mensch l ichen und s i t t l ichen

    Pf l ich ten und Geb ote , welc he e ine For deru ng der mora l ischen

    Gerech t igkei t i s t — d iese Rel ig ion en tsp r ich t auch vo l l den

    G r u n d p r i n z i p i e n d e r L e h r e J e su . „ R e l i g i o n w a r in d e n A u g e n

    d es N a z a r e n e r s d i e L i e b e z u m M e n s c h e n u n d d e r

    M e n s c h e n u n t e r e i n a n d e r ."" )

    G

    ) Pfarrer Pau l G öh re , der Verfasser des bekannten l iuehes : „Dre i

    Monate Fabrikarbeiter , in einer Rede.

    (Fortsetzung folgt.)

    Verantwortlicher Hodaktcnr:

    Adolf Brand-Neurahnsdorf.

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      —  j A S I A R U E l r 1 0 0 0 .

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    11/11

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      Jatirgang 1000 lind in Hnitl^ itgenomm enrr' ~\^ -"" ^-f

    Schlaraffenland;

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    Der Cüettlauf des E ebels^or^ RndiRfp lfng"

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    Jfnanke, Ä Ä ' t ; a iHh.Te dmann.

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