Depression
Prof. Dr. med. Reinhard Kreische
Lou Andreas-Salomé Institut
für Psychoanalyse und Psychotherapie
Göttingen
Der Mensch ist ein
bio-psycho-soziales Wesen
• lange Abhängigkeit von primären Bezugspersonen
• Bindung (attachment) (John Bowlby, Mary Ainsworth)
Beziehung zwischen Umwelt, Familie, Individuum und intrapsychischen Repräsentanzen
Intrapsych. Rep.
Individuum
Familie
Umwelt
Psychotherapie ist ein bewusster und geplanter interaktioneller Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen und Leidenszuständen, die in einem Konsensus (möglichst zwischen Patient, Therapeut und Bezugsgruppe) für behandlungsbedürftig gehalten werden, mit psychologischen Mitteln (durch Kommunikation) meist verbal aber auch averbal, in Richtung auf ein definiertes, nach Möglichkeit gemeinsam erarbeitetes Ziel (Symptomminimalisierung und/oder Strukturänderung der Persönlichkeit) mittels lehrbarer Techniken auf der Basis einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens (H. Strotzka: Psychotherapie, 1978)
Depression: Symptome
Affektstörung (lat. deprimere)
Freud- und Interesselosigkeit
Verminderung des Antriebs mit rascher Ermüdbarkeit
und Aktivitätseinschränkung
Depression: Symptome
Affektstörung (lat. deprimere)
Freud- und Interesselosigkeit
Verminderung des Antriebs mit rascher Ermüdbarkeit
und Aktivitätseinschränkung
Kasuistik Schlafstörungen
• Psychodynamik ?
Psychotherapeutische Diagnose
• Symptomdiagnose
• Strukturdiagnose
• psychodynamische Diagnose
Symptomdiagnose
• ICD 10
• leichte, mittelgradige, schwere depressive Episode
• rezidivierende depressive Störung
• Zyklothymia
• Dysthymia
Strukturdiagnose
narzisstisch
schizoid
depressiv
zwanghaft
phobisch
histrionisch
Depressive Persönlichkeit Kasuistik Verausgabung
• bescheiden, hilfsbereit, altruistisch, verzichtsbereit
• wenig Selbstvertrauen
• empathisch
• Opfer statt Täter
• Aggressionshemmung
• Verausgabungstendenzen
• Wiedergutmachungsanspruch
Dekompensation durch
– Verluste
– Erschöpfung
– körperliche Krankheit
Kasuistik Interruptio
• Depressive Beziehungsstörung
• Depressive Kommunikationsstörung
• Depressive Persönlichkeitsstörung
• Krisenintervention
• Übertragung
• Wiederholungszwang
Wiederholungszwang
Dysfunktionale Lösungsversuche werden nicht
aufgegeben, sondern verstärkt
Psychodynamische Diagnose
• Lebensgeschichte
• auslösende Situation
• Symptomatik
• typische Interaktionen
Kasuistik Morgenthaler Zur Dialektik der psychoanalytischen Praxis
• Erschöpfung, Ängste, depressive Verstimmungen
• Zusammenhang Lebensgeschichte, auslösende Situation und Symptomatik ?
• typisches Interaktionsverhalten?
• Vietnam, Afrika
• Amöbendysenterie
Lebensgeschichtliche Faktoren
• Das Rätsel der seelischen Gesundheit (W. Tress)
• Schwere Störungen in der Kindheit können im Erwachsenalter zu seelischer Gesundheit und zu seelischer Krankheit führen.
• stabile gute Bezugsperson in der Kindheit
• Beziehungsoptimismus und Beziehungspessimismus
• Trennungen, Verluste als auslösende Situationen
Auslösende Situation
• Aggressionshemmung, Wendung gegen das Selbst
• Kasuistik Geiselnahme
• depressiver Stupor
Psychodynamik depressive Disposition
Frühkindliche Störung der Beziehung Kind – Bezugsperson
↓
Verzweiflung, Selbstzweifel („Ich bin nicht liebenswert“)
Aggressionen gegenüber der enttäuschenden Person
↓
Depressiver Grundkonflikt
Wunsch nach Zuwendung und Liebe
Enttäuschung des Wunsches
Wendung der Aggressionen gegen das Selbst,
um die wichtige Beziehungsperson nicht ganz zu verlieren
Kasuistik: depressive, suchtkranke Krankenschwester
Psychodynamische Hypothese
• Kasuistik Schlafstörung
• Angst vor Beziehungsverlust
• Aggressionen nicht bewusstseinsfähig
• Bomben: Das Böse ist außen
• Kompensationsversuch: Berufswahl: Bewährungshelferin, jugendliche Elternmörder
Psychodynamische Diagnose
• Lebensgeschichte
• auslösende Situation
• Symptomatik
• typische Interaktionen
Psychotherapie der Depression
Drei Zielaspekte:
• Aktivität
• Bearbeitung der Affekt- und Beziehungsdispositionen
• Bearbeitung dysfunktionaler Kognitionen
Psychotherapeutische Verfahren
• Psychodynamische Verfahren
– Analytische Psychotherapie (Psychoanalyse)
– Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
• Verhaltenstherapie
z.B. kognitiv-behavioral
Diagnostik und Therapie der Depression Leitlinie unipolare Depression (Bundesörztekammer, KBV u.a.)
Stand: Januar 2012
Leitlinie Depression: Therapie
Leichte D. Mittelgradige D. Schwere D.
Core conflictual relationship theme (Luborsky)
• Beziehungswunsch (z.B. nach Versorgung)
• Reaktion des Anderen auf diesen Wunsch (z.B. enttäuschende
Zurückweisung des Wunsches)
• eigene Reaktion auf das Verhalten des Anderen (z.B. resignativer
Rückzug)
Schwierigkeiten und Fehler im Umgang mit
depressiven Patienten
• Typische Interaktionen
• Bagatellisieren
• Naiver Verweis auf „Positives“
• Nichtaushalten von eigener Hilflosigkeit
• Probleme beim Abgrenzen („Beziehungshunger“ des
Patienten, Notwendigkeit der Zeitbegrenzung)
• Rasches Deuten verdeckter Aggressionen
• Zu wenig Strukturierung bei Suicidalität
• Vermeiden von Medikation trotz Indikation
• Medikation ohne Beziehungsaufbau
•
Unterversorgung Depression
60-70% 30-35% 6-9% 2,5-4%
0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
3,5
4
4,5
Ther'bed HA i Behdlg diagnost suff beh compl 3 Mo
Pat -
Pat +
Zusammenfassung
• Frühe Beziehungs- und Lernerfahrungen prägen die
Entwicklung und Disposition für Depressionen
• Manifestation in Krisensituation (Trennung,
Verlassenwerden, körperliche Erkrankungen)
• Erkennung und Behandlungseinleitung in der
somatischen Routine ist notwendig
• Arzt-Patienten-Beziehung ist auch bei primär
somatischer Behandlung wichtig
• Psychotherapie ist wirksam in der primären Behandlung
und der Rezidivprophylaxe