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Denkschrift vom 24. November 1922 zu den Verträgen zwischen dem Deutschen Reiche und der Republik...

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Denkschrift vom 24. November 1922 zu den Verträgen zwischen dem Deutschen Reiche und der Republik Oesterreich sowie der Tschechoslowakischen Republik zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung und über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Steuersachen Source: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 40. Jahrg., H. 2 (1923), pp. 24-30 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40907530 . Accessed: 11/06/2014 11:49 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to FinanzArchiv / Public Finance Analysis. http://www.jstor.org This content downloaded from 193.105.154.3 on Wed, 11 Jun 2014 11:49:33 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions
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Denkschrift vom 24. November 1922 zu den Verträgen zwischen dem Deutschen Reiche undder Republik Oesterreich sowie der Tschechoslowakischen Republik zur Ausgleichung der in-und ausländischen Besteuerung und über Rechtsschutz und Rechtshilfe in SteuersachenSource: FinanzArchiv / Public Finance Analysis, 40. Jahrg., H. 2 (1923), pp. 24-30Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40907530 .

Accessed: 11/06/2014 11:49

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Denkschrift vom 24. November 1922 zu den Verträgen zwischen dem Deutschen Reiche und der Republik Oesterreich sowie der Tschechoslowakischen Republik zur Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung und über Rechtsschutz und

Rechtshilfe in Steuersachen1). I. Doppelbesteuerungsverträge.

Zur Beseitigung der Doppelbesteuerung waren zwischen der früheren öster- reichisch-ungarischen Monarchie und den grösseren Bundesstaaten des Deutschen Reichs besondere Staatsverträge abgeschlossen worden. (Staatsvertrag zwischen Oesterreich und Preussen vom 21. Juni 1899, zwischen Oesterreich und Sachsen vom 21. Januar 1903, zwischen Oesterreich und Württemberg vom 4. Februar 1905, zwischen Oesterreich und Hessen vom 3. Januar 1912 und zwischen Oesterreich und Bayern vom 3. Juli 1913.) Mit dem Uebergange der direkten Steuern vom Einkommen und Vermögen auf das Reich ergab sich bei den grenznachbarlichen Verhältnissen und regen wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Reiche und den österreichischen Nachfolgestaaten die Notwendigkeit, von Reichs wegen Vereinbarungen zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen zu treffen. Das Be- dürfnis hierzu machte sich besonders geltend mit Rücksicht auf die ausserge wohn- liche Anspannung der Steuersätze bei den laufenden Steuern nach dem Kriege und mit Rücksicht auf den konfiskatorischen Charakter der einmaligen Vermögens- abgaben, welche im Deutschen Reiche in Form des Reichsnotopfers, in Oesterreich und in der Tschechoslowakei in Form einer einmaligen Vermögensabgabe zur Einziehung gelangen.

Sowohl mit der Republik Oesterreich wie mit der Tschechoslowakischen Republik sind auf dem Gebiete der Doppelbesteuerung je zwei Verträge abge- schlossen worden, von denen der eine die direkten Steuern, der andere die Abgaben von Todes wegen behandelt.

1. Die auf demGebietederdirektenSteuern getroffene Rege- lung erstreckt sich auf die gegenwärtigen und künftigen Steuern des Reichs und der Länder vom Einkommen und Vermögen, auf die von den Ländern erhobenen gegenwärtigen und künftigen Steuern vom Grundvermögen und vom Gewerbe- betriebe sowie auf Zuschläge zu den vorerwähnten Steuern.

Die beiden Verträge zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern lehnen sich in ihren Grundzügen an die früheren Verträge zwischen Oesterreich und einzelnen deutschen Ländern an. Der Grundsatz ist beibehalten, dass die Angehörigen der vertragschliessenden Staaten nur in dem Staate zu den direkten Steuern herangezogen werden dürfen, in dem sie ihren Wohnsitz und in Ermangelung eines solchen ihren dauernden Aufenthalt haben ( Wohnsitzprinzip ) .

Die Frage des „doppelten Wohnsitzes" ist im Vertrage mit der Tschecho- slowakei entsprechend den früheren Verträgen zwischen Oesterreich und den einzelnen deutschen Bundesstaaten dahin geregelt worden, dass bei doppeltem Wohnsitz der Steueranspruch nur dem Staate zustehen soll, dessen Staatsangehörig- keit der Steuerpflichtige besitzt. Die gleiche Regelung findet sich im Vertrage mit Oesterreich hinsichtlich der Vermögens steuern. Dagegen soll die Be-

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Verträge Deutschlands m. Tschechoslowakei u. Oesterreich weg. Doppelbesteuer, usw. 25

Steuerung des Einkommens nach dem Vertrage mit Oesterreich bei doppeltem Wohnsitz in jedem der beiden Staaten nur zu dem Teile erfolgen, welcher dem Verhältnis der Aufenthaltsdauer während des Steuer] ahrs entspricht.

Beide Verträge gehen entsprechend der früheren Regelung hinsichtlich der steuerlichen Behandlung der Grundstücke und Gebäude sowie des gewerblichen Betriebsvermögens von dem Grundsatz aus, dass diese Vermögenswerte sowie das Einkommen daraus nur in dem Staate zu den direkten Steuern herangezogen werden dürfen, in welchem sie liegen (Belegenheitsprinzip). Einkommen aus öffentlichen Kassen (Besoldungen, Ruhegehälter, Wartegelder, Versorgungsbezüge u. dgl.) sollen entsprechend der in den früheren Verträgen getroffenen Regelung nur in dem Staate zu den direkten Steuern herangezogen werden, aus welchem die Zahlung zu erfolgen hat.

Diese Grundsätze sollen auf die Kriegssteuern und auf das Reichsnotopfer bzw. die einmalige Vermögensabgabe entsprechend angewandt werden. Dabei hat in dem Vertrage mit Oesterreich die Frage des doppelten Wohnsitzes beim Reichsnotopfer bzw. bei der einmaligen Vermögensabgabe eine Sonderregelung dahin erfahren, dass für den Steueranspruch der überwiegend längere Aufenthalt in der Zeit vom 1. Januar 1919 bis zum 30. Juni 1920 entscheidend sein soll. Mit Rücksicht auf die Verschiedenartigkeit der Stichtage für das Reichsnotopfer einerseits und die österreichische bzw. tschechoslowakische einmalige Vermögens- abgabe anderseits mussten die Fälle besonders geregelt werden, in denen zwischen den massgebenden Stichtagen die Abgabepflicht berührende Veränderungen in den persönlichen Verhältnissen eines Abgabepflichtigen und in der Anlage des Vermögens eines Abgabepflichtigen eingetreten waren.

Besondere Schwierigkeiten bereitete bei den Verträgen die Behandlung der Hypothekenforderungen und Gesellschaftsbeteiligungen, welche nach deutschem Rechte als bewegliches Vermögen, nach österreichischem und tschechoslowakischem Rechte als unbewegliches Vermögen behandelt, werden. In den früheren Verträgen war man dieser Schwierigkeit dadurch aus^äem Wege gegangen, dass man von einer Beseitigung der Doppelbesteuerung hinsichtlich dieser Vermögenswerte ab- gesehen hatte, ausgenommen den Vertrag zwischen Oesterreich und Bayern, in welchem die Frage dahin geregelt war, dass Zinsen aus Hypothekenforderungen ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit und den Wohnsitz des Steuerpflich- tigen nur nach dem Grundsatz der Belegenheit des belasteten Grundstücks zu behandeln seien.

Bei den Verhandlungen mit der Tschechoslowakei wurde eine Einigung dahin erzielt, dass bei allen laufenden Steuern, Hypothekenforderungen und Ge- sellschaftsbeteiligungen sowie das Einkommen daraus als bewegliches Vermögen, dass hingegen bei der Veranlagung des Reichsnotopfers und der einmaligen Ver- mögensabgabe diese Vermögenswerte als unbewegliches Vermögen behandelt werden sollen.

In den Verhandlungen mit Oesterreich, die zeitlich erst nach dem Inkraft- treten des Vermögenssteuergesetzes in Deutschland stattfanden, wurde eine hiervon abweichende Vereinbarung dahin getroffen, dass sowohl für die laufenden wie für die einmaligen Steuern die Hypothekenforderungen und das Einkommen daraus zu dem beweglichen Vermögen, die Gesellschaftsbeteiligungen dagegen, mit Ausnahme von Kuxen, Aktien, Anteilschein«! und sonstigen Wertpapieren, zu dem unbeweglichen Vermögen gerechnet werden sollen.

In beide Verträge sind schliesslich Vorschriften aufgenommen worden über die steuerliche Behandlung der diplomatischen, konsularischen und sonstigen Vertreter der beiden Staaten und des ihnen zugeteilten Personals sowie über die steuerliche Behandlung von Zoll- und Eisenbahnbeamten, welche bei einer auf dem Gebiete des andern Teiles belegenen Amtsstelle der Zoll- und Eisenbahn- verwaltungen beschäftigt werden und deshalb dort wohnen.

In beiden Verträgen ist vorgesehen, dass über Fälle von Doppelbesteuerungen, wrelche in den Verträgen keine ausdrückliche Regelung gefunden haben, sowie zur Beseitigung von Härten, welche auch bei Anwendung der Vertragsgrundsätze bestehen bleiben, zwischen den Finanzministern der beiden Staaten besondere Vereinbarungen getroffen werden sollen.

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2. Die Verträge zur Vermeidung von Doppelbesteuerung auf dem Ge- biete der Abgaben von Todes wegen stellen den Grundsatz voran, dass das unbewegliche Nachlassvermögen eines Angehörigen eines der beiden Staaten den Abgaben von Todes wegen nur in dem Staate unterworfen sein soll, in dem das unbewegliche Vermögen liegt. Das gleiche gilt für Berechtigungen, auf welche die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über Grundstücke Anwendung finden, für Nutzungsrechte am unbeweglichen Vermögen sowie für Rechte, die auf unbeweglichem Vermögen sichergestellt sind oder darauf lasten.

Die Frage der subjektiven Steuerpflicht ist in den beiden Verträgen nicht einheitlich geregelt. Für die Frage, welchem Staate das Recht zur Besteuerung des Nachlasses zustehen soll, kann entweder der Wohnsitz oder die Staatsangehörig- keit des Erblassers entscheidend sein. Im Vertrage mit Oesterreich ist demjenigen der beiden Staaten das Recht der Besteuerung zugestanden, in welchem der Erb- lasser zur Zeit seines Todes seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen dauernden Aufenthalt hatte. Bei doppeltem Wohnsitz in beiden Staaten soll das Vermögen den Abgaben von Todes wegen nur in dem Staate unterliegen, in welchem sich der Erblasser während des letzten Jahres vor seinem Tode die längere Zeit aufgehalten hat. In allen übrigen Fällen soll dem Staate der Steuer- anspruch zustehen, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehört hat.

In dem Vertrage mit der Tschechoslowakischen Republik ist der Grundsatz der Staatsangehörigkeit an die Spitze gestellt, jedoch mit der wesentlichen Ein- schränkung, dass dem Wohnsitzstaate das Recht eingeräumt ist, das in seinem Gebiete befindliche Nachlassvermögen zu den Abgaben von Todes wegen heran- zuziehen. Sachlich bedeutet diese Einschränkung eine wesentliche Annäherung an das im Vertrage mit Oesterreich vorangestellte Wohnsitzprinzip, da die Fälle, in denen das Nachlassvermögen sich zu seinem grössten Teile im Wohnsitzstaate des Erblassers befindet, die Regel bilden werden.

Für die Frage, welchen Ver^ßgensteilen im Verhältnis der beiden Staaten Vermächtnisse und Schulden des Nachlasses anzurechnen sind, enthalten die beiden Verträge übereinstimmende Vorschriften.

II. Verträge über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Steuersachen.

Internationale Rechtshilfe mit dem Ziele, dass die Behörden des einen Staates den Behörden des andern Staates bei der Verwirklichung von Staats- hoheitsakten (Zustellungen, Beschlüssen, Urteilen usw.) ihre Unterstützung leihen, ist zunächst auf dem Gebiete der bürgerlichen Rechtspflege ausgebildet worden. Die Entwicklung der Rechtshilfe ist hier durch starke privatwirtschaftliche In- teressen, namentlich durch das Interesse von Industrie und Handel, gefördert worden; ihnen musste in steigendem Masse mit dem Wachsen des internationalen Wirtschaftsverkehrs an der Durchsetzung ihrer Ansprüche jenseits der Landes - grenzen besonders gelegen sein. Um die Ausbildung haben sich Staatspraxis und Wissenschaft gleichermassen bemüht. Die Haager Abkommen über den Zivil- prozess vom 17. Juli 1905 (R.G.B1. 1909 S. 409) und die zwischen einzelnen Staaten geschlossenen Rechtsverträge sowie die Verhandlungen der Rechtshilfekonferenz in Wien vom 4./5. Januar 19Î0 legen hiervon Zeugnis ab.

Der Gedanke, dass die gegenseitige Rechtshilfe den Staaten auch zur Ver- wirklichung eigener öffentlich-rechtlicher Ansprüche dienen könne, hat zunächst bei der Verfolgung strafbarer Handlungen, insbesondere durch das Mittel der Auslieferung, Gestalt gewonnen.

Auf dem Gebiete des internationalen Finanzrechts fehlte es bisher an dem Versuch einer allgemeinen Regelung. Zwar ist schon vor Beginn des Weltkriegs in dem Schrifttum auf die Zweckmässigkeit einer internationalen Rechtshilfe in Finanzsachen hingewiesen worden. Die Staatspraxis aber hatte sich zurück- gehalten. Nur auf dem Gebiete des Zollrechts, insbesondere bei Zollkartellen und Zollvereinigungsverträgen sowie innerhalb eines Bundesstaats unter den Gliedstaaten finden sich Ansätze einer wirksamen steuerlichen Hilfeleistung von Staat zu Staat. Im übrigen wird vielfach noch in Auslieferungsverträgen und

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Rechtshilfeverträgen anderer Art die Unterstützung in Finanzsachen, Steuer- sachen und Steuerstrafsachen ausdrücklich ausgeschlossen (zu vgl. noch Art. 20 des Auslieferungsvertrags zwischen dem Deutschen Reiche und Bulgarien vom 29. Dezember 1911 (R.G.B1. 1913 S. 482). Eine den fiskalischen Angelegenheiten günstige Bestimmung fand sich lediglich in dem deutsch-türkischen Auslief erungs- vertrage vom 11. Januar 1917 Art. 19 (R.G.B1. 1918 S. 289). Unter dem wachsen- den Drucke der Steuerlasten in der Nachkriegszeit wurde in den finanziell not- leidenden Staaten die Neigung der Steuerpflichtigen immer mehr fühlbar, sich dem Zugriff der Steuerbehörden durch Verschleppung des Kapitals ins Ausland zu entziehen. Kapital- und Steuerflucht bedrohen die Staatswirtschaft in immer höherem Masse. Die Flucht zu verhindern, ist der einzelne Staat durch keinerlei Zwangsmittel in der vj^age, will er nicht gleichzeitig dem legitimen Wirtschafts- verkehr unerträgliche Fesseln anlegen. Kann die Kapitalflucht nicht verhindert, so kann doch ein Teil ihrer Wirkungen aufgehoben werden, wenn es gelingt, den Steuerpflichtigen zur Steuerleistung auch im fremden Lande heranzuziehen und notfalls den Steueranspruch in das dort befindliche Vermögen zu vollstrecken. Durch eine solche Möglichkeit wird zugleich der Anreiz zur Kapitalflucht ver- ringert. Darüber hinaus schien es aus allgemeinen Gesichtspunkten angezeigt, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass das Kapital, das besseren Erwerbs wegen aus dem Lande abwandert, sich den berechtigten Ansprüchen der Staatswirtschaft, deren Schutz es bisher genossen hatte, nicht entzieht. In der Erkenntnis, dass dies Ziel nur im Wege internationaler Zusammenarbeit erreicht werden könne, hat die Deutsche Regierung seit der notwendigen Verschärfung ihres Steuer- systems gesucht, eine internationale Verständigung in Steuersachen und Steuer- strafsachen vorzubereiten. Dabei bestand von vornherein Klarheit darüber, dass der Abschluss von Rechtshilfeverträgen so weitgehenden Inhalts, wie sie zur wirk- samen Ausgestaltung der Rechtshilfe gerade auf dem Gebiete der Besteuerung erforderlich sind, nur unter dem Gesichtspunkt vollkommener Gegenseitigkeit möglich sei und dass daher auch einseitige Bevorzugungen des einen Vertragsteils durch den Vertrag von Versailles entweder beseitigt oder durch entsprechende Gegenseitigkeitsbestimmungen ausgeglichen werden müssen.

Unter diesen leitenden Gesichtspunkten sind die Verträge mit der Tschecho- slowakischen Republik und mit der Republik Oesterreich geschlossen worden. Im einzelnen ist zu ihnen folgendes zu bemerken:

1 . Die unter dem Abschnitt Rechtsschutz vorgesehene steuerliche Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen, mögen sie als natürliche Personen, als juristische Personen oder ohne Rücksicht auf Rechtspersönlichkeit steuerpflichtig sein, stellt sicher, dass den Angehörigen des einen Vertragsteils kein Rechtsbehelf versagt wird, der den eigenen Angehörigen gegeben ist. Soweit darüber hinaus materiell gleiche steuerliche Behandlung zugesagt ist, bedeutet dies in keinem Falle die Unzulässigkeit von Abweichungen in der Gesetzgebung, die wegen der Verschiedenheit der Besteuerungsgrundlagen, z. B. gegen inländische Nieder- lassungen ausländischer Unternehmungen, erforderlich sind. Erreicht wird damit nur, dass eine im Ergebnis höhere Besteuerung mit Rücksicht auf die Ausländer- eigenschaft ausgeschlossen ist.

2. Der leitende Gedanke der Bestimmungen, die in dem Abschnitt über die Rechtshilfe in Steuersachen zusammengefasst sind, findet sich im Art. III. Danach verpflichten sich die vertragschliessenden Teile gegenseitig, in allen Steuersachen und Angelegenheiten der Kapital- und Steuerflucht sowohl bei der Ermittlung und Festsetzung von Steuern und Sicherheiten als auch im Rechts- mittelverfahren und in der Beitreibung sich gegenseitig Amts- und Rechtshilfe zu leisten. Mit diesem Ziele behandelt das Rechtshilfeabkommen die Zustellungen und Ersuchungsschreiben (Art. IV bis VII), die Durchführung der Ersuchen (Art. VIII/IX) und in einem besonderen Abschnitt die Rechtshilfe im Beitreibungs- verfahren.

a) Die Regelung des Zustellungswesens und der dabei zu leistenden Rechtshilfe ist im engen Anschluss an die für das Gebiet des Zivilprozesses im Haager Abkommen gewählten Formen geregelt. Nur ist versucht, soweit irgend angängig, das Verfahren zu vereinfachen. Zu dieser Vereinfachung ist in erster

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Linie die Aufstellung des Grundsatzes zu rechnen, dass abgesehen von der Rechts- hilfe im Beitreibungsverfahren die Behörden der beiden Staaten in unmittelbaren Geschäftsverkehr treten (Art. IV Abs. 1). Um sicherzustellen, dass die Interessen des ersuchenden und die des ersuchten Staates bei Prüfung der Zulässigkeit des Ersuchens und seiner Durchführung hinreichend gewahrt werden, ist dieser Ge- schäftsverkehr den mittleren Instanzen übertragen worden (Art. IV Abs. 2). Da bei der steuerlichen Rechtshilfe nur dann den wirtschaftlichen Interessen des er- suchenden Staates genügt ist, wenn sie schnell geleistet wird, ist das Verfahren von Formalien auch im übrigen möglichst entlastet. Formelle Ablehnungsgründe sind ausgeschaltet; so ist unter anderem vorgesehen, dass im Falle der Unzu- ständigkeit der ersuchten Behörde diese das Ersuchen an die zuständige Behörde abzugeben und der ersuchenden Behörde davon Kenntnis zu geben hat. Die Schwierigkeiten, die sich im Verhältnis zu der Tschechoslowakei aus der Ver- schiedenheit der Sprachen ergeben, haben sich nicht in der ursprünglich von deutscher Seite angeregten Weise lösen lassen. Danach sollten die ersuchenden Behörden - von besonderen Fällen abgesehen - ermächtigt sein, entweder in der eigenen Amtssprache oder in der des ersuchten Teiles das Ersuchen zu stellen. Die innenpolitische Bedeutung der Sprachenfrage in der Tschechoslowakei machte die nunmehr aufgenommene abweichende Regelung notwendig.

b) Für die Ausführung der Ersuchen, die jeden sachdienlichen Inhalt haben können, sollen grundsätzlich alle Zwangsmittel des ersuchten Staates dem ersuchenden zur Verfügung stehen, soweit die materielle Gegenseitigkeit gewährleistet ist. In diesem Punkte war wegen der weitgehenden Verschieden- heiten in den Rechtssystemen der einzelnen Staaten besondere Vorsicht geboten. Die Anwendung eines Zwangsmittels ist daher in allen Fällen ausgeschlossen worden, in denen der ersuchende Staat ein gleiches Zwangsmittel bei entsprechender Sachlage nicht zur Verfügung stellen könnte.

Nach Art. IX ist die Ausführung des Ersuchens regelmässig kostenlos; Ausnahmen hiervon sind in Anlehnung an das Haager Abkommen für gewisse Auslagen begründet.

c) Die Art. X bis XIII behandeln das Beitreibungsverfahren. Die Verträge stehen, soweit sie die Rechtshilfe auf diesem Gebiete des öffentlichen Rechts ordnen, auf Neuland. Bei der Regelung war zu berücksichtigen, dass grundsätzlich der Steueranspruch sich innerstaatlich ohne Rücksicht darauf durchsetzt, ob die Entscheidung, auf der er beruht, bereits unanfechtbar geworden ist, Rechtskraft erlangt hat. Es erschien nach eingehender Prüfung nicht ver- tretbar, diesen Gedanken des staatlichen Rechts auch im internationalen Rechts- hilfeverkehr ohne weiteres zur Anerkennung zu bringen. Dem hilfeleistenden Staate kann nicht wohl zugemutet werden, einen Anspruch zu verwirklichen, der sich unter Umständen nachträglich im Rechtsmittelverfahren als ungerecht- fertigt erweist. Eine so weitgehende Rechtshilfe würde auch den Steuerpflichtigen übermässig belasten. Die Rückforderung der in das Ausland bewirkten Zahlung begegnet erheblichen Schwierigkeiten. Will man ferner nicht ein besonderes Spruchverfahren im ersuchten Staate eröffnen, so wird die Abwehr des Steuer - Zugriffs kaum jemals rechtzeitig vor zwangsweiser Veräusserung der gepfändeten Vermögensstücke erfolgen. Auf Grund von vollstreckbaren Verfügungen, die noch nicht unanfechtbar geworden sind, ist daher eine Rechtshilfe des ersuchten Staates gegen Angehörige des ersuchenden Staates vorzusehen, die sich darauf beschränkt, dass eine einstweilige Sicherheitsleistung im Wege der Beschlagnahme verlangt werden kann; in diesem Falle ist der Betroffene überdies berechtigt, gegen eine von vornherein festzusetzende Sicherheit die Aufhebung der Beschlag- nahme zu erwirken. Im übrigen setzt die Rechtshilfe in der Vollstreckung erst ein, wenn die Verfügung der Steuerbehörde keiner Anfechtung mehr unterliegt, wenn sie, um den im Prozessrecht geläufigen Ausdruck zu verwenden, rechts- kräftig geworden ist. Solche rechtskräftigen Verfügungen sind auf Antrag der obersten Finanzverwaltungsbehörde des ersuchenden Staates, die wegen der Be- deutung des Vollstreckungsakts das Verfahren einleiten soll, im ersuchten Staate anzuerkennen und zu vollstrecken. Besondere Bestimmungen gewährleisten dass die Vollstreckbarkeit des Spruches feststeht und sichern so den Steuer -

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Pflichtigen vor ungerechtfertigtem Zugriff. Art und Durchführung der Voll- streckung oder Sicherstellung richten sich nach dem Rechte des ersuchten Staates. Kur soweit eine bestimmte Art der Vollstreckung zulässig ist, kann sie vom er- suchenden Staate ausdrücklich gefordert werden.

d) Der Art. XIV des Entwurfs f asst die Gründe zusammen, ausdenen Rechtshilfeersuchen abgelehnt werden können. Nach dem Vertrage mit der Tschechoslowakischen Republik soll eine solche Ablehnung regelmässig erfolgen, soweit die Rechtshilfe gegen Angehörige des eigenen Staates geleistet werden müsste. Damit ist ein alter Grundsatz des Rechtshilferechts aufgenommen. Die uneingeschränkte Uebernahme des Satzes erschien nicht an- gezeigt. Den geänderten Verhältnissen ist dadurch Rechnung getragen, dass die Rechtshilfe dann nicht versagt werden soll, wenn die Durchführung von Steuer- ansprüchen in Frage steht, die gegen den Steuerpflichtigen in einem Zeitpunkt begründet waren, zu dem er die Staatsangehörigkeit des ersuchenden Staates noch besass. Die Bestimmung dient in erster Linie dazu, den Wechsel der Staats- angehörigkeit aus Gründen der Steuerflucht von dem Privileg, das ihm sachlich nicht gebührt, auszuschliessen. In dem Vertrage mit der Republik Oesterreich ist auf den Ablehnungsgrund, der dem Schütze eigener Staatsangehöriger dient, ganz verzichtet. Allgemein anerkannten Grundsätzen des Rechtes internationaler Rechtshilfe entsprechen die weiteren Ablehnungsgründe im Art. XIV Abs. 2. Danach kann der ersuchte Staat die Rechtshilfe verweigern, wenn er sie für ge- eignet hält, seine Hoheitsrechte oder seine Sicherheit zu gefährden. Den Be- sonderheiten des Steuerrechts trägt ein dritter Ablehnungsgrund Rechnung. Zur- zeit haben die einzelnen Staaten in ganz verschiedenem Umfang das System der Rechte ausgebaut, die den Steuerbehörden zur Ermittlung und Festsetzung der Steueransprüche zur Verfügung stehen. Soll der Grundsatz materieller Gegen- seitigkeit, der den Vertrag beherrscht, wirksam durchgeführt werden, so muss dafür Sorge getragen werden, dass der ersuchende Staat auch in diesem Punkte nicht mehr fordern darf, als er selbst an Rechtshilfe gewähren kann. Dieser Ge- danke hat im Abs. 3 des Art. XIV seine unmittelbare Anwendung auf dem wich- tigen Gebiete der Anforderung von Auskünften, Anzeigen oder Gutachten und der Mitteilung über die durch sie gewonnenen tatsächlichen Verhältnisse gefunden. Dabei ist allgemein festgestellt, dass auch solche Ersuchen abgelehnt werden können, denen nur unter Verletzung eines Geschäfts-, Betriebs- oder Gewerbe- geheimnisses genügt werden könnte.

Um die Verfolgung der Steueransprüche über die Unterstützungen durch den einzelnen RechtshiSeakt hinaus zu erleichtern, ist bestimmt, dass die er- suchende Behörde über die Art der Erledigung ihres Ersuchens unverzüglich zu unterrichten ist und dass im Falle der Nichterledigung die Gründe anzugeben und die sonst bekanntgewordenen Umstände mitzuteilen sind, die für eine Weiter- führung der Sache in dem Lande der ersuchenden oder der ersuchten Behörde oder etwa in einem dritten Lande von Bedeutung sein können. Der Art. XVI sichert schliesslich die Wahrung des Steuergeheimnisses durch den Staat, dem auf dem Wege der Rechtshilfe Mitteilungen zugehen.

e) Der Abschnitt III, der über dieBeglaubigungderUrkunden handelt, gibt den Urkunden der Finanzgerichte sowie denen der obersten oder höheren Finanzverwaltungsbehörden Freistellung von der Legalisation.

f) Die Schlussbestimmungen (Abschnitt IV) enthalten ein pactum de contra- hendo für ein Abkommen über gegenseitige Rechtshilfe in Steuer- strafsachen, das die Auslieferung wegen vorsätzlicher Steuerzuwiderhand- lungen, und zwar sowohl hinsichtlich der beanspruchten Person als auch hinsicht- lich der rechtskräftig eingezogenen oder für verfallen erklärten Vermögenswerte einschliessen soll.

Der Art. XX gibt endlich die Möglichkeit, den Vertrag im Wege eines Re- gierungsabkommens, das zwischen den obersten Finanzverwaltungsbehörden ge- schlossen werden kann, auszubauen. Da es sich um die Regelung einer im inter- nationalen Verkehre noch nicht erprobten Rechtshilfe handelt, erscheint die Er- öffnung dieses Weges zur Ausfüllung von Lücken dringend geboten. Es kommt hinzu, dass die technische Ausgestaltung des Abkommens ohnehin

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derartige Vereinbarungen erfordert, damit insbesondere die Bestimmungen über die Abführung von Vollstreckungserlösen und die Festsetzung von Durchschnitts - kursen für die Umrechnung der zu vollstreckenden Beträge unter Anpassung an die wechselnden tatsächlichen Verhältnisse ohne Verzögerung jeweils getroffen werden können.

III. Es war zunächst beabsichtigt, durch Verordnung mit Zustimmung des

Reichsrats gemäss § 7 der Reichsabgabenordnung zu bestimmen, dass den vor- liegenden Verträgen gemäss zu verfahren sei. Der Entwurf einer entsprechenden Verordnung ist dem Reichsrat von der Reiehsregierung vorgelegt worden. Ver- träge der vorliegenden Art sind bisher vom Deutschen Reiche nicht abgeschlossen worden. Mit Rücksicht hierauf und um die Behandlung der Verträge nicht von der Klärung rechtlicher Zweifel über die Tragweite des § 7 der Reichsabgaben - Ordnung abhängig zu machen, hat es sich bei den Beratungen im Reichsrat als zweckmässig herausgestellt, die Verträge dem Reichstag zur Ratifikation vorzu- legen.

Vertrag zwischen dem Deutschen Reiche und der Tschechoslowakischen Republik znr Ausgleichung der in- und ausländischen Besteuerung, ins- besondere zur Termeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der

direkten Steuern, unterzeichnet am 31. Dezember 1921 ')· (R.G.B1. 1923 II Nr. 8 S. 70.)

Artikel I. Deutsche Staatsangehörige oder Angehörige der Tschechoslowakischen

Republik sollen, soweit nicht in den folgenden Artikeln etwas anderes vereinbart ist, zu den direkten Steuern nur in dem Staate herangezogen werden, in welchem sie ihren Wohnsitz und in Ermangelung eines solchen ihren Aufenthalt haben.

Ist in beiden Staaten ein Wohnsitz begründet, so werden sie nur in dem- jenigen Staate zu den direkten Steuern herangezogen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Bei Personen, die in beiden oder in keinem der beteiligten Staaten die Staatsangehörigkeit besitzen sollten, bleibt besondere Vereinbarung von Fall zu Fall vorbehalten.

Einen Wohnsitz im Sinne dieses Vertrages hat jemand da, wo er eine Wohnung unter Umständen inne hat, die auf die Absicht der Beibehaltung einer solchen schliessen lassen.

Einen Aufenthalt im Sinne dieses Vertrages hat jemand da, wo er sich unter Umständen aufhält, die auf die Absicht schliessen lassen, an diesem Ort oder in diesem Lande nicht nur vorübergehend zu verweilen.

Artikel II. Grundstücke und Gebäude sowie das Einkommen daraus sollen nur in dem

Staate zu den direkten Steuern herangezogen werden, in welchem sie liegen. Hypothekenforderungen und das Einkommen daraus fallen nicht unter

Abs. 1, sondern werden als Kapitalvermögen und Einkommen daraus angesehen.

Artikel III. Der Gewerbebetrieb sowie das Einkommen daraus sollen nur in dem Staate

zu den direkten Steuern herangezogen werden, in welchem eine Betriebsstätte zur Ausübung eines stehenden Gewerbes unterhalten wird.

*) Diesem und den folgenden Verträgen hat der Deutsche Reichstag zugestimmt. Siehe Deutsches Reichsgesetz vom 14. Februar 1923, das am 16. Februar 1923 in Kraft trat (R.G.B1. 1923 II Nr. 8 S. 69).

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