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Denkmalpflegerisches Gutachten 'Sky & Sand Donaukanal' Wien · UNESCO Zwischenstaatlichen Komitee...

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Univ.Prof. Dr.phil Lic.phil, BSA Nott Caviezel Große Neugasse 18/1/9, A-1040 Wien Tel. +43 1 58801 25710 | Fax +43 1 58801 25799 [email protected] | Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal" Wien Im Auftrag des Magistrats Wien Magistratsabteilung 19 Architektur- und Stadtgestaltung
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  • Univ.Prof. Dr.phil Lic.phil, BSA Nott Caviezel Große Neugasse 18/1/9, A-1040 Wien Tel. +43 1 58801 25710 | Fax +43 1 58801 25799 [email protected] |

    Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal" Wien

    Im Auftrag des Magistrats Wien Magistratsabteilung 19 Architektur- und Stadtgestaltung

    mailto:[email protected]

  • Inhaltsverzeichnis

    1. Anlass und Gegenstand der Begutachtung .................................... 1

    2. Grundlagen der Begutachtung .......................................................... 2 2.1 Planungsgrundlagen ................................................................................ 2

    2.2 Projektunterlagen ..................................................................................... 3

    2.3 Literatur und weitere Unterlagen .............................................................. 3

    3. Ausgangslage ..................................................................................... 4 3.1 Donaukanal, Schleusenanlage Kaiserbad und Schützenhaus ................ 4

    Einleitung und Geschichte ............................................................................. 4

    Staustufe Kaiserbad, kurze Beschreibung ..................................................... 8

    4. Rechtliche Grundlagen und andere relevante Bestimmungen .... 11 4.1 Denkmalschutzgesetz ............................................................................ 11

    4.2 Bauordnung für Wien (Wiener Bauordnung) .......................................... 12

    4.3 Masterplan Donaukanal ......................................................................... 12

    4.4 Donaukanal Partitur ............................................................................... 13

    4.5 Masterplan Glacis .................................................................................. 14

    4.6 UNESCO Welterbe Wien Innenstadt ..................................................... 15

    5. Das Projekt "Sky & Sand Donaukanal" .......................................... 16

    6. Erwägungen und Würdigung .......................................................... 17 6.1 Raum Staustufe Kaiserbad, Anblicke und Einsichten ............................ 17

    6.2 Schutzwürdigkeit und Schutzziele .......................................................... 20

    7. Schlussfolgerungen und Empfehlung ........................................... 22

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    Univ.Prof. Dr.phil Lic.phil, BSA Nott Caviezel, Große Neugasse 18/1/9, A-1040 Wien [email protected] | Tel. +43 1 58801 25710 | Fax +43 1 58801 25799

    Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal" Wien

    1. Anlass und Gegenstand der Begutachtung

    Mit Schreiben vom 24. März 2015 erteilte die Magistratsabteilung dem Unterzeichneten

    den Auftrag, ein denkmalpflegerisches Gutachten zum Projekt "Sky & Sand Donau-

    kanal" zu erstellen. Vorweg, an seiner Sitzung vom 27. Januar 2015, hatte der Fach-

    beirat für Stadtplanung und Stadtgestaltung das genannte Projekt behandelt und die

    Einholung eines denkmalpflegerischen Gutachtens beantragt.

    Das Projekt "Sky & Sand Donaukanal" sieht am linken Donaukanalufer zwischen Au-

    gartenbrücke und dem Schützenhaus von Otto Wagner (1841-1918) im heute freien

    Bereich der Wasserkante zwischen oberer und unterer Kaimauer (Leopoldstadt 01657,

    Grundstück 4252/23) die Errichtung eines Pavillons mit Terrasse sowie eines "Outdoor

    Sitzbereichs mit Beach Club Flair" vor. Aufgrund der "sensiblen Situierung" der Anlage

    soll untersucht werden, inwieweit eine Setzung von Gebäuden in diesem Bereich mög-

    lich ist. Die denkmalpflegerische Expertise soll auch das weitere Umfeld des Schüt-

    zenhauses im Hinblick auf den § 85 (3) der Bauordnung für Wien (BO) berücksichtigen.

    Das vorliegende Gutachten enthält mit besonderem Augenmerk für denkmalpflegeri-

    schen Fragen eine Recherche zur Geschichte und Baugeschichte der Örtlichkeit sowie

    eine Analyse ihrer baulichen Strukturen. Diese Betrachtung untersucht ebenso das

    nähere und weitere Umfeld des Schützenhauses mit Bauten und Freiräumen und un-

    terzieht diese im Einzelnen und als gesamtheitliche städtebauliche Leistung einer Be-

    wertung. Vor diesem Hintergrund und auf der Basis der gültigen Rechtsgrundlagen und

    vorhandenen Planungsinstrumente soll eine Empfehlung formuliert werden, ob das

    fragliche Projekt aus der Sicht des Verfassers bewilligt oder nicht bewilligt werden soll.

    1

    mailto:[email protected]

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    2. Grundlagen der Begutachtung

    Der Verfasser hat die fragliche Örtlichkeit mehrfach zu unterschiedlichen Tageszeiten

    und unter verschiedenen Wetterbedingungen besucht und fotografisch dokumentiert,

    um aus eigener Anschauung, vor Ort und aus unterschiedlichen Entfernungen und

    Perspektiven den Umfang und die absehbaren Auswirkungen des Projektes einschät-

    zen zu können. Im Übrigen standen ihm die Projektunterlagen und eine Reihe städti-

    scher Planungsgrundlagen zur Verfügung. Ergänzend dazu erfolgte das Studium der

    Sekundärliteratur, primärer Quellen sowie von Publikationen aus der Bauzeit des Do-

    naukanals und der Staustufe Kaiserbad mit Schleuse und Schützenhaus.

    In chronologischer Reihenfolge:

    2.1 Planungsgrundlagen

    gedruckt:

    "Step 05" Stadtentwicklung Wien, Magistratsabteilung 18 - Stadtentwicklung und Stadt-planung, Wien 2005.

    Schützenhaus "Staustufe Kaiserbad". Kurzreport zur Restauratorischen Befunderhe-bung und Bestands- und Zustandserfassung, erstellt von PLAN_B, SUSANNE BESELER, 12/2008-2/2009. Akt im BDA Wien.

    ANDREAS GERLINGER [u.a.], Donaukanal Masterplan, hrsg. von der Stadt Wien, Ge-schäftsgruppe Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerIn-nenbeteiligung, 2. Aufl., Wien 2010.

    Operational Guidelines for the Implementation of the World Heritage Convention, ed. by the UNESCO Intergovernmental Committee for the protection of the World Cultural and Natural Heritage (WHC 13/01, July 2013). – deutsch: Richtlinien für die Durchfüh-rung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur und Naturerbes der Welt, hrsg. vom UNESCO Zwischenstaatlichen Komitee für den Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt (WHC 13/01, Juli 2013, Übersetzung 105–1404045, Endfassung vom 2. Juni 2015). MICHAEL ROSENBERGER, STEP 2025. Stadtentwicklungsplan Wien; Mut zur Stadt, be-schlossen vom Wiener Gemeinderat am 25. Juni 2014, hrsg. von der Magistratsabtei-lung 18 - Stadtentwicklung und Stadtplanung, Wien 2014.

    GABU HEINDL, SUSAN KRAUPP, Donaukanal Partitur, Gestaltungs- und Entwicklungsleit-linien für den Wiener Donaukanal, im Auftrag der Magistratsabteilung 19, Architektur und Stadtgestaltung, Stadt Wien 2012-2014.

    MASTERPLAN GLACIS, Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 21 – Stadtteil-planung und Flächennutzung, Beschlussdokument zur Stadtentwicklungskommission am 11. November 2014, mit Planbeilagen.

    "Step 2025" Stadtentwicklung Wien, Magistratsabteilung 18 - Stadtentwicklung und Stadtplanung, Wien 2014.

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  • 2.2 Projektunterlagen RCM DESIGN GMBH, SKY & SAND Donaukanal, Projektunterlagen 12.01.2015

    Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    Internet:

    https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrW&Gesetzesnummer=200 00006 Wiener Bauordnung; Wiener Stadtentwicklungs-, Stadtplanungs- und Bauge-setzbuch (Bauordnung für Wien – BO); Fassung vom1.6.2015 (1.6.2015)

    https://www.wien.gv.at/kulturportal/public/ : Unter dieser Adresse Layers mit Angaben zu: - Architektur: Schutzbereiche: Weltkulturerbe / Schutzzonen - Architektur: Planungsgrundlagen: Stadtstrukturplan (1.6.2015) https://www.wien.gv.at/flaechenwidmung/public/: Unter dieser Adresse Layer mit An-gaben zu: Flächenwidmungs- und Bebauungsplan (1.6.2015) http://www.bda.at/documents/466820996.pdf: Bundesgesetz betreffend den Schutz von Denkmalen wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung (Denkmalschutzgesetz - DMSG), Fassung vom 6.2.2014 (1.6.2015)

    2.3 Literatur und weitere Unterlagen gedruckt: Schützenhaus der Schleusenanlage im Donaukanal in Wien, in: Der Architekt, Mo-natshefte für Bau- und Raumkunst, XV (1909), Taf. 4, 5.

    Bau der Staustufe "Kaiserbad" im Wiener Donaukanal. Denkschrift verfaßt mit Geneh-migung der Donau-Regulierungskommission an der Hand amtlicher Daten von der Stadtbaudirektion der Donau-Regulierungskommission, in: Allgemeine Bauzeitung 75 (1910), Heft 1, S. 1-17.

    Die Wehr- und Schleusenanlage im Wiener Donaukanal bei Nußdorf, hrsg. von der Donauregulirungscommission Wien, Hof- und Staatsdr., Wien 1911.

    Otto Wagner, Historische Betrachtungen und Gegenwartsgedanken von Dagobert Frey, in: Der Architekt, Monatshefte für Bau- und Raumkunst, XXII (1919), S. 1-22.

    OTTO ANTONIA GRAF, Otto Wagner. Das Werk des Wiener Architekten 1841-1918, Darmstadt 1963.

    ALOIS MACHATSCHEK, Die Revitalisierung des Schützenhauses in Wien, in: Österreichi-sche Zeitschrift für Kunst- und Denkmalpflege, Heft 3/4 (1978), S. 113-119.

    HEINZ GERETSEGGER, MAX PEINTNER, Otto Wagner 1841-1918, Unbegrenzte Groß-stadt, Beginn Der Modernen Architektur, 4. Aufl., Residenz-Verlag, Salzburg 1983, S. 85-110.

    BERTRAND MICHAEL BUCHMANN, HARALD STERK, RUPERT SCHICKL, Der Donaukanal. Geschichte - Planung - Ausführung, Magistrat d. Stadt Wien, Geschäftsgruppe Stadt-entwicklung u. Stadterneuerung, MA 19 - Stadtgestaltung, Wien 1984.

    3

    http://www.bda.at/documents/466820996.pdfhttps://www.wien.gv.at/flaechenwidmung/publichttps://www.wien.gv.at/kulturportal/publichttps://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=LrW&Gesetzesnummer=200

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    OTTO ANTONIA GRAF, Otto Wagner, das Werk des Architekten 1860-1902 bzw. 1903-1918, 2 Bde., Böhlau, Wien-Köln 1985.

    OTTO ANTONIA GRAF, Masterdrawings of Otto Wagner, An Exhibition of the Otto Wag-ner-Archiv, Academy of Fine Arts, Vienna ... the Drawing Center New York ... Vienna: Otto Wagner-Archiv 1987.

    FRIEDRICH ACHLEITNER, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert, Bd. III/ 1; Wien 1.-12. Bezirk, Salzburg und Wien 1990, S. 93-94.

    Dehio Wien, Die Kunstdenkmäler Österreichs, WIEN II. bis IX. und XX. Bezirk, hrsg. vom Bundesdenkmalamt, Bearbeitet von Wolfgang Czerny, Robert Keil, Andreas Leh-ne, Inge Podbrecky, Rainer Roy, Ulrike Steiner und Eckart Vancsa, Wien 1993, S. 22.

    WALTER ZEDNICEK, Otto Wagner. Zeichnungen und Pläne, 2., überarb. Aufl., Wien 2002. JUDITH EIBLMAYR, PETER PAYER, CHRISTIANE ZINTZEN, Der Donaukanal. Die Entde-ckung einer Wiener Stadtlandschaft, Metroverlag, Wien 2011.

    ALFRED KARRER, Der Wiener Donaukanal. Vom Treidelschiff zum Katamaran, Sutton Verlag, Erfurt 2011

    Internet:

    http://www.wien.gv.at/kulturportal/public/: Historische Stadtpläne: Karten vor 1850 / Generalstadtplan 1904 / Generalstadtplan 1912 (1.6.2015)

    http://www.wien.gv.at/ma41datenviewer/public/: Unter dieser Adresse Layers mit Luft-aufnahmen (Orthofoto 2014; Luftbild 1956; Luftbild 1938) (1.6.2015)

    http://www.architektenlexikon.at/de/670.htm ["Otto Wagner"] (1.6.2015)

    3. Ausgangslage

    3.1 Donaukanal, Schleusenanlage Kaiserbad und Schützenhaus

    Einleitung und Geschichte

    Das Projekt "Sky & Sand Donaukanal" betrifft, wie im Abschnitt 1 vermerkt, die Struktu-

    ren des Donaukanals mit seinen Kai- und Stützmauern und die unmittelbare Umge-

    bung des von Otto Wagner errichteten Schützenhauses, das seinerseits baulicher und

    funktionaler Teil des Kaiserbadwehrs mit Kaiserbadschleuse war. Diese Anlage, ge-

    nannt Staustufe Kaiserbad, war Teil der Regulierung des Donaukanals, der weitläufige-

    ren Donauregulierung und somit letztlich Teil des Generalregulierungsplans von

    1892/93, der auch die Otto Wagner übertragene Planung der Stadtbahn umfasste.

    Damit sei vorausgeschickt, dass es nicht ausreicht, das Projekt "Sky & Sand Donauka-

    nal" allein unter den Aspekten der Volumetrie, Gestaltung, Materialität und Nachbar-

    schaft zum Schützenhaus beurteilen. Über diese Kriterien hinaus spielen für eine

    4

    http://www.architektenlexikon.at/de/670.htmhttp://www.wien.gv.at/ma41datenviewer/publichttp://www.wien.gv.at/kulturportal/public

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    denkmalpflegerisch relevante Einschätzung des Projektes gerade auch die kulturhisto-

    risch-städtebauliche Wertung des Standortes mit Bauten und Freiräumen eine ent-

    scheidende Rolle.

    Im Zuge der genannten umfassenden Regulierungsarbeiten hätten ab 1892 zwischen

    dem Donaukanaleingang und der Mündung des Kanals in den Donaustrom insgesamt

    vier Wehr- und Schleusenanlagen gebaut werden sollen, um den Donaukanal als Han-

    dels- und Winterhafen nutzen zu können.1 Realisiert wurden schließlich nur das Nuss-

    dorfer Wehr mit Schleuse und das Kaiserbadwehr mit Schleuse. Die Donauregulie-

    rungskommission verantwortete die Bauarbeiten im und am Donaukanal (Bauleitung

    Sigmund Taussig, 1840-1910), Otto Wagner leitete die architektonische Ausgestal-

    tung.2 Die Wehr- und Schleusenanlage Nussdorf, 1894-1898 von Otto Wagner erbaut,

    macht noch heute auf eindrückliche Weise anschaulich, wie sehr dem Architekten das

    Zusammenspiel von Kunst und Technik wichtig war und in welchem Maße ihm diese

    Symbiose an jenem Ort gelungen ist. Die Staustufe Kaiserbad wurde erst in den Jah-

    ren 1904-1908 gebaut. Während die Arbeiten an Wehr und Schleuse bereits 1904 ein-

    setzten, wurde das Schützenhaus selbst erst 1906-1907 errichtet. Einen detaillierten

    Einblick in die Planung, Konstruktion und Durchführung der Arbeiten gibt eine 1910

    erschienene Denkschrift.3 Der Lauf der Geschichte wollte, dass nach dem Ersten Welt-

    krieg mit generell sinkenden Verkehrsfrequenzen an der Donau und einem mangeln-

    den Interesse an einem Hafen mitten in der Stadt, wie erwähnt, die beiden unteren

    Staustufen nicht gebaut wurden. Die Staustufe Kaiserbad wurde nach einer am 3. und

    4. September 1908 erfolgreich durchgeführten Funktionsprobe außer zu Vorführzwe-

    cken gar nicht in Betrieb genommen. Offenbar ist nie ein Schiff durch die Schleusen-

    kammer gefahren.4

    Zeitlich mit dem Abschluss der Arbeiten an der Nussdorfer Schleusenanlage erfolgte

    1896-1899 unter der Leitung von Otto Wagner der Ausbau und die architektonische

    Ausgestaltung der Kaianlagen des Donaukanals zwischen Augartenbrücke und Fran-

    zensbrücke.5 Nach mehrjähriger Planung und Bauzeit war am 6. August 1901 – vor

    dem Bau der Staustufe Kaiserbad – an der rechten Kanalseite die Donaukanallinie der

    1 Heinz Geretsegger, Max Peintner, Otto Wagner 1841 - 1918, Unbegrenzte Großstadt, Beginn Der Modernen Architektur, 4. Aufl., Residenz-Verlag, Salzburg 1983, S. 86ff. 2 Bertrand Michael Buchmann, Harald Sterk, Rupert Schickl, Der Donaukanal. Geschichte -Planung - Ausführung, Magistrat d. Stadt Wien, Geschäftsgruppe Stadtentwicklung u. Stadter-neuerung, MA 19 - Stadtgestaltung, Wien 1984, S. 48. 3 Bau der Staustufe "Kaiserbad" im Wiener Donaukanal. Denkschrift verfaßt mit Genehmigung der Donau-Regulierungskommission an der Hand amtlicher Daten von der Stadtbaudirektion der Donau-Regulierungskommission, in: Allgemeine Bauzeitung 75 (1910), Heft 1, S. 1-17. 4 Buchmann, Der Donaukanal 1984, S. 55. 5 Otto Antonia Graf, Otto Wagner, das Werk des Architekten 1860-1902 bzw. 1903-1918, 2 Bde., Böhlau, Wien-Köln 1985., besonders Bd. 1, S. 288f.

    5

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    Übersichtssitution Staustufe Kaiserbad, aus "Staustufe Kaiserbad" 1910

    Stadtbahn eröffnet worden, deren bauliche Ausgestaltung in umfassender Weise eben-

    falls Otto Wagner übertragen worden war.6 Somit wird offenkundig, wie tiefreichend

    das bauliche Geschehen am Donaukanal – namentlich im Umfeld der hier interessie-

    renden Staustufe Kaiserbad – innert eines Jahrzehnts die städtebauliche, architektoni-

    sche, technische und künstlerische Prägung Wagners erfuhr. Im Zweiten Weltkrieg

    erlitt der Donaukanal mit seinen Brücken massive Schäden. Nach einem Bombentref-

    fer wurde die Wehrkonstruktion demontiert, und weil der Kanal in der Nachkriegszeit

    erneut dem lokalen Schiffsverkehr diente, musste 1963/64 auch der Drempel entfernt

    werden (Drempel = die gemauerte "Schwelle" am bergseitigen Schleusentor).7 Das

    bergseitige Schleusentor ist noch vorhanden, aber nicht mehr betriebsbereit. Das

    Schützenhaus blieb erhalten, verlor aber seine ursprüngliche Funktion als eigentliches

    Betriebshaus für das Wehr, diente zeitweilig als Wohnung für einen Angestellten des

    Strombauamtes und als Räumlichkeit für das Stadtgartenamt, stand lange Jahre leer

    und verfiel zusehends, bis Architekt Alois Machatschek 1976/77 das Gebäude in Stand

    setzte und für eine Nutzung als Schulungs- und Seminarraum für das Eich- und Ver-

    messungsamt "revitalisierte" (als solches genutzt bis 2008).8 2009 erfolgte im Hinblick

    6 Graf, Otto Wagner 1985, Bd. 1, S. 134f. 7 Buchmann, Der Donaukanal 1984, S. 55. 8 Alois Machatschek, Die Revitalisierung des Schützenhauses in Wien, in: Österreichische Zeit-schrift für Kunst- und Denkmalpflege, Heft 3/4 (1978), S. 113-119.

    6

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    Ansichten Staustufe Kaiserbad und Schützenhaus, aus "Staustufe Kaiserbad" 1910

    auf erneut zu treffende bauliche Maßnahmen eine Restauratorische Befunderhebung

    und Bestands- und Zustandserfassung.9 Im Einvernehmen mit dem Bundesdenkmal-

    amt wurde 2010-2011 eine weitere Adaptierung des Schützenhauses für eine noch

    heute vorhandene gastronomische Nutzung vorgenommen.10

    9 Schützenhaus "Staustufe Kaiserbad". Kurzreport zur Restauratorischen Befunderhebung und Bestands- und Zustandserfassung, erstellt von Plan_B, Susanne Beseler, 12/2008-2/2009. Bundesdenkmalamt Wien, Akt Akt 38699/6/2010 10 Bundesdenkmalamt Wien, Akt 38699/9/2010

    7

    http:vorgenommen.10

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    Staustufe Kaiserbad, kurze Beschreibung

    Wesentliche Teile der Staustufe Kaiserbad bildeten das mobile Schützenwehr zwi-

    schen der linken Kaimauer und der 120x10 m messenden Schleuseninsel sowie die

    eigentliche 15x85 m große Kammerschleuse zwischen der Schleuseninsel und dem

    rechten Donaukanalufer. Im Zusammenspiel mit den übrigen Staustufen gewährleiste-

    te sie auch bei niedrigem Pegel die Durchfahrt tiefliegender Schiffe. Bei Hochwasser

    oder Eisschlag im Winter konnte der Kanal unter Kontrolle gehalten werden. Der Kanal

    wird beidseitig von den sorgfältig mit Granit verkleideten Kaimauern mit vereinzelten

    Treppen und Rampen zum Wasser hinunter gesäumt, an die sich die Vorkaiflächen

    anschließen, die ihrerseits bis zu den mit Kalksteinquadern verkleideten Stützmauern

    reichen. Auf der rechten Kanalseite begrenzen diese zwischen Augartenbrücke und

    Salztorbrücke den Franz-Josefs-Kai mit breiter Fahrstraße, auf der linken Kanalseite

    kanalabwärts den Wilhelm-Kienzl-Park und die daran vorbei führende Obere Donau-

    straße. Die Gestaltung und Nutzung der Vorkaiflächen ist unterschiedlich. Die linksufrig

    als Freiraum belassene Wiese mit Gehweg südlich der Augartenbrücke wird räumlich

    vom Schützenhaus begrenzt. Weiter kanalabwärts setzt sich der Weg fort, vorbei an

    verschiedenen Belegungen der Vorkaifläche, neben "Gemeinschaftsgärten" mit allerlei

    Pflanztrögen, Restaurations- und Barbetrieben wie das Tel Aviv Beach und Adria Wien.

    Der Vorkai am rechten Kanalufer ist ähnlich belegt, wenn flächenmäßig insgesamt zwi-

    schen Augartenbrücke und Salztorbrücke auch weniger intensiv. Besondere bauliche

    und freiräumliche Qualitäten weist die 100 m lange Kaistiege bei der Salztorbrücke auf.

    Den wichtigsten Akzent im Ensemble setzt das Schützenhaus am linken Donaukanal-

    ufer. Es diente als Nutzgebäude dem Betrieb des mobilen Wehrs und bildete funktional

    mit letzterem eine Einheit. Im Inneren des Hauses wurden die Schützentafeln aufbe-

    wahrt, die mit Hilfe des stationären Wehrkrans im Mittelteil des Gebäudes und eines

    mobilen Schützenkrans bei Bedarf aneinandergereiht ins Wasser gesenkt wurden und

    das Wehr bildeten. Das Gebäude wurde in der Literatur schon vielfach bis ins Detail

    zutreffend dokumentiert und beschrieben, weshalb an dieser Stelle nur die wichtigsten

    Eigenarten in Erinnerung gerufen werden.11 In Anbetracht, dass im Inneren die bereits

    genannten Adaptierungen an neue Nutzungen erfolgt sind, beschränkt sich die Be-

    schreibung auf das Äußere.

    11 Bau der Staustufe "Kaiserbad" 1910. – Geretsegger, Otto Wagner 1983, S. 103ff. – Buch-mann, Der Donaukanal 1984, S. 51f. – Graf, Otto Wagner 1985, Bd. 2, S. 492f.

    8

    http:werden.11

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    Schützenhaus von rechten Kanalufer aus – Bild: N. Caviezel

    Das kubische Gebäude erhebt sich über einem rechteckigen Grundriss, besitzt zwei

    Geschoße und mittig einen erhöhten, laternenartigen Aufbau, der die höchsten Teile

    des Krangerüstes enthielt. Das Haus ist landseitig an die Stützmauer gebaut, die den

    südlichen Spickel des Wilhelm-Kienzl-Parks begrenzt. Zwei lange, zum Kanalufer pa-

    rallel geführte Freitreppen führen auf beiden Schmalseiten des Gebäudes zu Podesten,

    welche einerseits die Verbindung zum rückwärtigen Straßenniveau herstellen und and-

    rerseits im Obergeschoß den Zugang in den Maschinenraum gewähren. Das Gebäude

    war ursprünglich in der inneren Organisation und ist außen noch heute streng axial-

    symmetrisch konzipiert. Diese Qualität wird kanal- wie straßenseitig in der Art der Glie-

    derung des Gebäudes mit seinen einzelnen, abgestimmt gefügten Bauteilen (Sockel,

    Dachabschluss, Kranbalkon und auskragende Kanzel), den funktional und gestalte-

    risch präzise gesetzten Öffnungen in der Wechselwirkung mit den geschlossenen Flä-

    chen augenscheinlich. Auf eine eingehendere Beschreibung der Details wird hier be-

    wusst verzichtet. Zurecht findet Wagners explizite Sorge um die künstlerische Ausge-

    staltung des Äußeren in allen Würdigungen besondere Erwähnung. Das Haus steht auf

    einem bis zu 2,3 m starken, von Pilotis unterfangenen Betonfundament. Das im Übri-

    gen ebenfalls massiv ausgeführte aufgehende Gebäude beeindruckt durch seine äu-

    ßere Erscheinung. "Auf der Kanalseite sind Sockel und die unteren Schichten sowie

    die beiden Stiegenarme mit Granitplatten verkleidet. Darauf folgt nach oben eine Ver-

    9

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    kleidung mit Sterzinger Marmorplatten; den oberen Abschluss bildet eine Verkleidung

    aus glasierten Kacheln. Dieser Anordnung entsprechen auch die beiden seitlichen und

    die der Oberen Donaustraße zugewandten Fassaden. Die Sparren der Dachkonstruk-

    tion bilden, durch Tragsteine unterstützt, ein weit ausladendes Gesimse". So be-

    schreibt die Denkschrift trefflich die Verwendung unterschiedlicher Materialien.12 Dies

    geschieht allerdings ohne auf die besonderen Eigenschaften der Materialien, deren

    Verarbeitung und Farbigkeit einzugehen; unterschlagen wird auch die Tatsache, dass

    Holz für die verschiedenen Türen und Metall für Balkon und Kanzel eine Rolle spielen.

    Der in großen Platten gefügte Sockel des Schützenhauses besteht aus dem selben

    grau-bräunlichen Granit wie die Verkleidung der Sohle von Wehr und Schleuse und

    sämtlicher aufgehender Mauern. Damit wird der gestalterische und vor allem der im-

    manente funktionale Zusammenhang des Gebäudes mit seiner Umgebung evident. Ein

    offensichtlich repräsentatives Selbstverständnis strahlen die weiße Marmorverkleidung

    und das darüber liegende blaue, mit einem sinnreichen, weißen Zickzack-Ornament

    versehene Fliesenband aus. Die an verschiedenen Bauten Otto Wagners erscheinen-

    den Nagel- oder Bolzenköpfe aus Metall, welche die Befestigung der Plattenverklei-

    dung optisch erfahrbar machen, gehören auch beim Schützenhaus zum differenzierten

    Repertoire eines bis ins Detail durchdachten ästhetischen Anspruchs.

    Schützenhaus, Detail der Fassade – Bild: N. Caviezel

    12 Bau der Staustufe "Kaiserbad" 1910, S. 9.

    10

    http:Materialien.12

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    4. Rechtliche Grundlagen und andere relevante Bestimmungen

    4.1 Denkmalschutzgesetz

    Das Denkmalschutzgesetz (Bundesgesetz betreffend den Schutz von Denkmalen we-

    gen ihrer geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung (Denk-

    malschutzgesetz - DMSG)13 regelt bundesweit den Schutz von Denkmälern. Aufgrund

    dieses Gesetzes und der sog. am 15. Dez. 2009 in Kraft getretenen "2. Nachtragsver-

    ordnung"14, wonach auf Grund des § 2a des Denkmalschutzgesetzes, BGBl. I Nr.

    170/1999 und BGBl. I Nr. 2/2008, verordnet wird, dass eine aufgelistete Reihe von un-

    beweglichen Denkmälern in den Bundesländern Burgenland, Niederösterreich,

    Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Vorarlberg und Wien, "die gemäß § 2 oder § 6

    Abs. 1 leg. cit. kraft gesetzlicher Vermutung unter Denkmalschutz stehen und die bei

    den nach Bezirken erstellten Verordnungen übersehen der aus sonstigen Gründen

    (noch) nicht aufgenommen wurden, werden unter die Bestimmungen des § 2a Denk-

    malschutzgesetz gestellt" werden, ist die "Donaukanalregulierung und -verbauung von

    Wien I bis Wien XX. (samt Brücken, Geländern und sonstigen baulichen Bestandteilen)

    – unter Ausnahme aller jener Bauteile und Zutaten, deren Errichtungszeitpunkt in die

    Zeit nach 1918 fällt" unter Denkmalschutz. Im Einzelnen betrifft dies im hier interessie-

    renden Perimeter den Donaukanal selbst (Grundstück 4252-1), auf der linken Kanal-

    seite den unteren Kai samt fraglichem Grundstück für das Projekt "Sky & Sand Donau-

    kanal" (Grundstück 4252/23), den Abgang von der Augartenbrücke auf den Vorkai

    (Grundstück 404/4), den Wilhelm-Kienzl-Park (Grundstück 404/1) sowie das Schüt-

    zenhaus (Grundstück 402/3). Auf der rechten Kanalseite, analog zur linken, ebenfalls

    den unteren Kai (Grundstücke 1890/3 und 2011/3) sowie Schleuse und Schleuseninsel

    (Grundstück 5207/3). Im Übrigen wird verzichtet, an dieser Stelle weitere, vor allem auf

    der rechten Kanalseite bestehende, teilweise sehr kleinteilig umgrenzte Grundstücks-

    nummern aufzulisten. Zusammenfassend: Die gesamte unmittelbare und weitere Um-

    gebung des Schützenhauses samt Infrastrukturen des Donaukanals, dem Schützen-

    haus selbst und dem Wilhelm-Kienzl-Park stehen unter Denkmalschutz (§ 2a). Zu be-

    achten: Gemäß Denkmalschutzgesetz § 1 (9) gilt: "Durch die Unterschutzstellung eines

    Denkmals werden auch alle seine Bestandteile und das Zubehör sowie alle übrigen mit

    dem Denkmal verbundenen, sein überliefertes oder gewachsenes Erscheinungsbild im

    Inneren oder Äußeren mitprägenden oder den Bestand (die Substanz) berührenden

    Teile mit einbezogen. Dazu zählt auch die auf einen besonderen spezifischen Verwen-

    dungszweck des Denkmals ausgerichtete Ausstattung oder Einrichtung, soweit sie auf

    Dauer eingebracht wurde."

    13 http://www.bda.at/documents/466820996.pdf (1.6.2015) 14 http://www.bda.at/documents/472533937.pdf (1.6.2015)

    11

    http://www.bda.at/documents/472533937.pdfhttp://www.bda.at/documents/466820996.pdf

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    4.2 Bauordnung für Wien (Wiener Bauordnung)

    Selbstverständlich gelten auch für das vorliegende Neubauprojekt die Wiener Bauord-

    nung (BO),15 namentlich § 85 (1-6), aber auch die in der BO § 1 verankerten Flächen-

    widmungs- und Bebauungspläne – im Besonderen die Bestimmungen zu den Flä-

    chenwidmungsplänen (BO § 4) sowie zu den Bebauungsplänen (BO § 5) und zu den

    zulässigen Nutzungen (BO § 6). Darüber hinaus gelten die Bestimmungen zu den

    Schutzzonen (BO § 7), wobei letztere das rechte Kanalufer betreffen. BO § 69 betrifft

    allfällige Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplans.

    Im geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan ist der Donaukanal samt links-

    und rechtsufrigen Vorkaiflächen als Verkehrsband (VB) ausgewiesen, der an das

    linksufrige Verkehrsband anschließende Wilhelm-Kienzl-Park als Erholungsraum Park-

    anlage (Epk).16 Entsprechend sind weder Vorkai noch Park als Bauland definiert. Für

    die rechte Kanalseite gelten zusätzlich die Bestimmungen für Schutzzonen.

    4.3 Masterplan Donaukanal

    Im Jahre 2010 hat sich die Stadt Wien einen interdisziplinär solide abgestützten und

    unter Beteiligung zahlreicher Magistratsabteilungen erarbeiteten "Masterplan Donau-

    kanal" gegeben.17 Dieser Masterplan stellt einen integrierenden Abschluss früherer

    Studien zum Donaukanal-Raum dar. Darin enthalten sind u.a. "Entwicklungsziele" und

    "Empfehlungen zur Zielerreichung", jeweils auf vorweg definierte Abschnitte des Do-

    naukanals abgestimmt. Der im vorliegenden Gutachten interessierende Bereich zählt

    zum "Urbane Mitte" genannten Abschnitt. Ihm wird eine "Schlüsselrolle in Hinblick auf

    die beabsichtigte Aufwertung des Donaukanals" beigemessen.18 Der vom Projekt "Sky

    & Sand Donaukanal" betroffene Bereich zwischen Augartenbrücke und Schützenhaus

    ist darin gemeinsam mit dem Wilhelm-Kienzl-Park als Bereich "Schwerpunkt konsum-

    freie Erholungsnutzung" ausgeschieden.19

    15 Wiener Bauordnung; Wiener Stadtentwicklungs-, Stadtplanungs- und Baugesetzbuch (Bau-ordnung für Wien – BO); Fassung vom 1.6.2015: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage= LrW&Gesetzesnummer=20000006 (1.6.2015) 16 https://www.wien.gv.at/flaechenwidmung/public/: Unter dieser Adresse Layer mit Angaben zu: Flächenwidmungs- und Bebauungsplan (1.6.2015) 17 Andreas Gerlinger [u.a.], Donaukanal Masterplan, hrsg. von der Stadt Wien, Geschäftsgruppe Stadtentwicklung, Verkehr, Klimaschutz, Energieplanung und BürgerInnenbeteiligung, 2. Aufl., Wien 2010. 18 Donaukanal Masterplan 2010, S. 41. 19 Donaukanal Masterplan 2010, S. 56.

    12

    https://www.wien.gv.at/flaechenwidmung/publichttps://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfragehttp:ausgeschieden.19http:beigemessen.18http:gegeben.17

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    Ausschnitt aus "Masterplan Donaukanal"

    4.4 Donaukanal Partitur

    Aus einem Wettbewerb von 2011, der eine Weiterentwicklung des obgenannten Mas-

    terplans und ein durchsetzungsfähiges Planungsinstrument zu Handen der Stadt Wien

    ins Auge fasste, ging das von Gabu Heindl und Susann Kraupp erarbeitete Projekt für

    Gestaltungs- und Entwicklungsleitlinien siegreich hervor.20 Ende 2014 wurden diese in

    der Stadtentwicklungskommission (STEK) der Stadt Wien einstimmig zur Kenntnis ge-

    nommen. Die als "Partitur" verstandenen Gestaltungs- und Entwicklungsleitlinien be-

    rücksichtigen im Hinblick auf eine Aufwertung des Donaukanalraums eine Vielzahl von

    Vergleichsgrößen, die in ihrer Summe allesamt in mehrfacher Weise im öffentlichen

    Interesse der Stadt und ihrer Bevölkerung stehen.

    20 Gabu Heindl, Susan Kraupp, Donaukanal Partitur, Gestaltungs- und Entwicklungsleitlinien für den Wiener Donaukanal, im Auftrag der Magistratsabteilung 19, Architektur und Stadtgestaltung, Stadt Wien 2012-2014.

    13

    http:hervor.20

  • Interventionsfläche 2.7, aus: " Donaukanal Partitur"

    Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    Der vom Projekt "Sky & Sand Donaukanal" betroffene Bereich zwischen Augartenbrü-

    cke und Schützenhaus (Interventionsfläche 2.7) ist darin gemeinsam mit dem Wilhelm-

    Kienzl-Park als "Interventionsfläche konsumfreie Erholungsnutzung" ausgeschieden.21

    Sehr genau und nachvollziehbar werden im Plan vom Kanal aus betrachtet der "Über-

    stand Wasserkante" (ÜW), der Bewegungsfläche Abstand (BFa), die Bewegungsfläche

    (BF) und der frei zu haltende Bereich "Erholungsnutzung" zwischen der Bewegungsflä-

    che und der Kaistützmauer (EN) bezeichnet. Des Weiteren sind freizuhaltende Zugän-

    ge (FZ), freizuhaltende Wasserzugänge (FZw) und die freizuhaltende Sicht auf Anla-

    gen (FA) ausgeschieden (vgl. Abb. oben).22

    4.5 Masterplan Glacis

    Der vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 21, herausgegebene Master-

    plan Glacis wurde am 11. November 2014 von der Stadtentwicklungskommission

    (STEK) zur Kenntnis genommen. Die darin festgeschriebenen Planungsziele sollen als

    Rahmen für zukünftige Planungsverfahren und Projektentwicklungen herangezogen

    21 Donaukanal Partitur 2010-2014, S.86ff. 22 Donaukanal Partitur 2010-2014, S.89.

    14

    http:oben).22http:ausgeschieden.21

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    werden.23 Darin wird auf die Donaukanal Partitur Bezug genommen und darauf verwei-

    send bezüglich Ufergestaltung an Wienfluss und Donaukanal festgehalten: "Der Do-

    naukanal und der Wienfluss sollen als wichtige städtische Frei- und Erholungsräume

    noch stärker erlebbar gemacht werden. Durch zielgerichtete Maßnahmen soll die Er-

    reichbarkeit verbessert werden und der Abbau von Barrieren sowie eine Verbesserung

    und Erweiterung der Nutzungsmöglichkeiten (gemäß Gestaltungs- und Entwicklungs-

    leitlinien für den Wiener Donaukanal) erreicht werden. Ziel ist die Schaffung eines

    möglichst durchgehenden barrierefreien Wegesystems, das zum freien Aufenthalt am

    Wasser ohne Konsumzwang einlädt."24 Eine "Eventisierung" ist zu vermeiden.25

    4.6 UNESCO Welterbe Wien Innenstadt

    Am 13. Dezember 2001 wurde auf Begehren der Republik Österreich die Innenstadt

    von Wien in die Liste des UNESCO-Welterbes aufgenommen.26 Auf der offiziellen UN-

    ESCO-Homepage ist der beglaubigt verabschiedete Plan des Perimeters für das Wie-

    ner Welterbe einzusehen.27 Bei den Welterbestätten wird zwischen einer Kernzone und

    einer Pufferzone unterschieden. Die Pufferzone für das Welterbe Innere Stadt Wien

    endet nicht, wie im Masterplan Glacis, S. 14, fälschlicherweise wiedergegeben, jeweils

    am Donaukanal, sondern umfasst diesen samt Uferzonen in seiner ganzen Breite, zwi-

    schen Augartenbrücke und Salztorbrücke bis zur Mitte der Oberen Donaustraße. Die

    zutreffenden Begrenzungen der Welterbe-Pufferzone gibt auch das entsprechende

    Layer auf dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan der Stadt Wien wieder.28 Folg-

    lich befindet sich der Perimeter für das Projekt "Sky & Sand Donaukanal" innerhalb der

    Pufferzone des Welterbes. Gemäß Richtlinien zum Welterbe soll zum Zwecke eines

    wirksamen Schutzes des angemeldeten Gutes eine Pufferzone als ein Gebiet definiert

    werden, "das das angemeldete Gut umgibt und dessen Nutzung und Entwicklung

    durch ergänzende gesetzliche und/oder gewohnheitsrechtliche Regeln eingeschränkt

    sind, die einen zusätzlichen Schutz für das Gut bilden. Die Pufferzone sollte das unmit-

    telbare Umfeld des angemeldeten Gutes, wesentliche Sichtachsen und andere Gebiete

    oder Merkmale umfassen, die eine wichtige praktische Rolle spielen, um das Gut und

    23 Masterplan Glacis, Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 21 – Stadtteilplanung und Flächennutzung, Beschlussdokument zur Stadtentwicklungskommission am 11. November 2014 (Entwurf), mit Planbeilagen. 24 Masterplan Glacis 2014, S. 13. 25 Masterplan Glacis 2014, S. 26. 26 Dokument „World Heritage 25 COM“, WHC-01/CONF.208/24, Paris, 8 February 2002, S. 45: http://whc.unesco.org/en/decisions/?id_decision=2247& (1.6.2015). 27 http://whc.unesco.org/en/list/1033/multiple=1&unique_number=1206 (1.6.2015) 28 https://www.wien.gv.at/flaechenwidmung/public/: Unter dieser Adresse Layer mit Angaben zu: Weltkulturerbe (1.6.2015).

    15

    https://www.wien.gv.at/flaechenwidmung/publichttp://whc.unesco.org/en/list/1033/multiple=1&unique_number=1206http://whc.unesco.org/en/decisions/?id_decision=2247http:wieder.28http:einzusehen.27http:aufgenommen.26http:vermeiden.25http:werden.23

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    Pufferzone Welterbe im Bereich Staustufe Kaiserbad, Ausschnitt aus "Stadtplan wien.gv.at"

    seinen Schutz zu unterstützen. Das die Pufferzone bildende Gebiet sollte von Fall zu

    Fall mit Hilfe angemessener Mechanismen festgelegt werden. Einzelheiten über Grö-

    ße, Merkmale und genehmigte Nutzungen einer Pufferzone sowie eine die genauen

    Grenzen des Gutes und seiner Pufferzone ausweisende Karte sollten der Anmeldung

    beigefügt werden."29 Es sei daran erinnert, dass für die Aufnahme eines Gutes ins

    UNESCO-Welterbe die grundlegenden Kriterien der Authentizität und der Unversehrt-

    heit gelten.

    5. Das Projekt "Sky & Sand Donaukanal"

    Die folgende, kurze Beschreibung des Projektes beruht auf den Projektunterlagen der

    Projektwerber.30 "Geplanter Bereich ist die Grünfläche stromabwärts der Augartenbrü-

    cke am linken Donaukanalufer im Ausmaß von rund 1.000 m2 (das entspricht rund 800

    Verabreichungsplätzen). Das Projekt besteht aus einem Konsumationsbereich (Pavil-

    lon mit Terrasse) und einem Outdoor Sitzbereich mit Beach Club Flair. Der Pavillon ist

    parallel zur Kaimauer über eine Länge von rd. 50 lfm geplant. Vom Gebäude ausge-

    hend, aber auch öffentlich zugänglich, ist ein unterirdischer Keller/Raum für die WC-

    Anlagen, Räumlichkeiten für Personal und Lagerräume geplant." Der Pavillon soll

    29 Richtlinien für die Durchführung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur und Naturerbes der Welt. Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Zwischen-staatliches Komitee für den Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt. Unesco-Zentrum für das Erbe der Welt (WHC. 13/01, Juli 2013, Übersetzung 105–1404045, Endfassung vom 2. Juni 2015), S. 31, § 104. 30 RCM DESIGN GMBH, SKY & SAND Donaukanal, Projektunterlagen 12.01.2015

    16

    http:Projektwerber.30http:wien.gv.at

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    ganzjährig geöffnet bleiben, "architektonisch vergleichbar mit Klee am Hanslteich

    [17. Wiener Bezirk], Mole West [Neusiedler See]" eine zum Teil überdachte Terrasse

    mit Liegemöglichkeiten und Lounges aufweisen. In Anlehnung an "Nikki Beach" ist zu-

    dem ein "hochwertiger Beachclub" geplant, der von April bis Oktober geöffnet sein soll.

    Im sog. "Kellergeschoß", das gemäß Grundriss EG hinter die Stützmauer unter dem

    Wilhelm-Kienzl-Park zu stehen käme, erfährt das Bauprojekt mit einer zusätzlichen

    Bruttogeschoßfläche von 549.78 m2 für Lagerraum, Personal WC und Garderobe so-

    wie einer halböffentlichen WC-Anlage eine im Vergleich zum sichtbaren Teil des Pavil-

    lons vor der Stützmauer eine Verdoppelung der Nutzfläche. Der eigentliche Pavillon ist

    46.20 m lang, 8.93 m breit, wobei rückwärtig ein 1.65 m breiter zusätzlicher Restraum

    zwischen dem Pavillon und der Stützmauer eine Gesamtbreite von 10.58 m ergibt. Der

    aus Holzpfosten und -balken konstruierte Pavillon ist vollverglast (teilweise offenbar mit

    Schiebe-Elementen versehen) und reicht in seiner Höhenentwicklung bis ca. an die

    Oberkante der Stützmauer hinauf, die Glas-Absturzsicherung der Terrasse bis an die

    Oberkante des Eisengeländers der Stützmauer. Der Glasaufbau, der eine zweiläufige

    Stiege und einen Personenlift zum unteren Niveau umschließt, misst ca. 9.50 m Länge

    und ca. 4.50 m Breite (Maße im Grundriss nicht eingetragen) und überragt gemäß An-

    gaben in der "Ansicht Nord-West" das Niveau des Wilhelm-Kienzl-Parks um 3.60 m.

    Mit einer Länge von ca. 42 m zur Augartenbrücke hin, ist gemäß Plänen und 3D-

    Visualisierung der "Outdoor Sitzbereich" vorgesehen, der terrassenartig in Holz ausge-

    führt und mit Sandbereichen strandartig vermehrt bis an die Stützmauer reicht.

    6. Erwägungen und Würdigung

    6.1 Raum Staustufe Kaiserbad, Anblicke und Einsichten

    Für die Beurteilung der Frage, "inwieweit eine Setzung von Gebäuden in diesem Be-

    reich möglich ist", muss der Blick über das Projekt "Sky & Sand Donaukanal" und das

    Schützenhaus hinaus auf den ganzen Bereich des Donaukanals von der Augartenbrü-

    cke kanalabwärts gerichtet werden. Wie weiter oben ausgeführt, ist diese Zone des

    Donaukanals wegen den noch vorhandenen baulichen Zeugen der stadthistorisch,

    technik- und architekturgeschichtlich bedeutsamen Staustufe Kaiserbad von höchster

    Bedeutung, handelt es sich doch dabei neben dem Nussdorfer Wehr um die einzige

    verbliebene Anlage, die innerstädtisch das gigantische Unternehmen der Donauregu-

    lierung und den damit zusammenhängenden einstigen Anspruch Wiens auf einen Win-

    ter- und Handelshafen belegt. Gesamtansichten von der Augartenbrücke hinunter in

    17

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    Richtung Salztorbrücke, aber auch von den Vorkais auf die jeweils gegenüberliegende

    Kanalseite eröffnen zum einen die großzügige, ja monumentale Weite der Anlage. Dies

    triff besonders für das linke Kanalufer zu, wo der lange, freie Kai nördlich des Schüt-

    zenhauses diesem den nötigen Atem verschafft. Diesen Eindruck vermag auch die

    Tatsache nicht zu schmälern, dass die Schleuse und die Schleuseninsel in ihren ur-

    sprünglichen Bestandteilen nicht mehr vollständig erhalten sind, das Wehr nicht mehr

    ausgefahren werden kann und das Schützenhaus im Innern einen Umbau erfahren hat.

    Staustufe Kaiserbad mit Schleuse und Schützenhaus um 1910 - Bild: IMAGNO/Öst. Volkshochschularchiv

    Das weiter oben beschriebene Prinzip der axialen Symmetrie, dem Otto Wagners

    Schützenhaus verpflichtet ist, offenbart sich an der Breitseite des Gebäudes. Vom

    rechten Kai aus über die Schleuseninsel hinweg erblickt man das prominent gesetzte

    und weiß-blau strahlende Schützenhaus, von dem aus, wie ausgebreitete Flügel die

    prominenten Freitreppen, als wollten sie den Verlauf des Kanals zusätzlich bezeichnen,

    in den Kairaum zielen. Weitere räumliche Akzente setzen die am Rand des Kanals

    zum Wasser hinunterführenden Mauertrichter mit Treppen, nördlich des Schützenhau-

    ses ebenfalls symmetrisch angelegt, südlich als Treppe und kanalabwärts in leichter

    Steigung als langgezogene Rampe ausgebildet. Eine großartige Ansicht, welche die

    18

  • Linkes Ufer am Donaukanal mit Blick zum Schützenhaus - Bild: N. Caviezel

    Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    Wirkungskraft der Anlage spüren lässt, bietet sich vom rechten Kanalufer schräg auf-

    wärts über die untere Spitze der Schleuseninsel hinweg zum Schützenhaus mit dem

    sich bis zur Augartenbrücke hinziehenden Freiraum. Sich auf dem linken Vorkai zum

    Schützenhaus bewegend, erlebt man die Ausdehnung und Größe der Anlage in ande-

    rer Art, je nach Jahreszeit und Vegetation. Der freie Raum mit Gehweg und Wiesenflä-

    che zwischen Augartenbrücke und Schützenhaus ist dazu Voraussetzung. Ähnliche

    Bedeutung ist dem Freiraum und seiner Wirkung südlich des Schützenhauses beizu-

    messen. Der gebogene Verlauf des Kanals vermag die Beeinträchtigung der Wahr-

    nehmung der Gesamtanlage durch die Struktur des Tel Aviv Beach etwas zu mildern.

    Freilich, auch die zahlreichen bunten Graffiti, die kaum eine Mauerfläche verschonen,

    beeinträchtigen die einheitliche Wirkung des Ensembles. Immerhin sind diese nicht

    raumgreifend; eine Reinigung der Mauern vermöchte dem ziemlich lädierten Auftritt

    entgegen zu wirken.

    Analysiert man die Umgebung eines Denkmals – im vorliegenden Fall des Schützen-

    hauses und der ganzen Anlage Staustufe Kaiserbad – wird klar, dass die Zusammen-

    hänge des Denkmals mit seiner Umgebung ebenso struktureller wie funktioneller und

    visueller Natur sein können. Es ist ihre Wechselwirkung, die von Blickverbindungen

    und Sichtachsen vom und zum Denkmal, von der Beziehung und den Distanzen ein-

    zelner Elemente zueinander, den Proportionen, der Bauart und den verwendeten Ma-

    19

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    terialien genährt wird, die zählt. Für die optische Wahrnehmung ist letztlich der

    menschliche Betrachtungswinkel von allen relevanten Standorten aus maßgebend. Mit

    jeder Belegung eines ursprünglich geplanten und noch vorhandenen Freiraums wird in

    eine einmal beabsichtigte Harmonie eingegriffen. Dies gilt im Besondern auch für die

    meisterhaft angelegte Staustufe Kaiserbad mit ihren Anlagen und Bauten, von denen

    das Schützenhaus die prominenteste ist. Insofern erträgt diese Hauptfigur keinerlei

    bauliche Konkurrenz, sondern beansprucht Ruhe, Weite und Atem. Halt bietet die

    langgezogene, mit einem gestuften Sockel, Wandfeldern und -pfeilern sowie einem

    profilierten Abschlussgesims in klassischer Manier gestaltete Stützmauer. Im Gegen-

    satz zum Bereich südlich des Schützenhauses, wo sich – immerhin dezent – der Ein-

    gang zur U2 befindet und kanalabwärts Bauten der Barbetriebe und ein wenig erbauli-

    ches Sammelsurium von Zäunen Pflanztrögen, Resten von einstigen Strukturen und

    Abfall im Wettstreit mit den Graffiti die Stützmauer verdecken, verunklären und stark

    beeinträchtigen, besitzt die Zone nördlich des Schützenhauses bis zur Augartenbrücke

    noch ein ungleich größeres Maß an räumlichen Qualitäten.

    Im Bereich des Donaukanals zeigt die Stadt grundsätzlich einen wiederkehrenden

    Querschnitt, der bei der äußersten Bebauung der Quartiere ansetzt – exemplarisch

    sind dies für die Leopoldstadt die Bauten entlang der Oberen Donaustraße und für die

    Innere Stadt die Bauten am Franz-Josefs-Kai, die im besten Sinne des Wortes kulis-

    senhaft den monumentalen Hintergrund des Stadt- und Kanalraums bilden. Von beiden

    Seiten entwickelt sich der Querschnitt zur Kanalmitte hin gestaffelt und in gestalteten

    Geländestufen vom Straßenniveau über die Stützmauern zum Kai und die Kanalmau-

    ern bis zur Wasserfläche. Dieser gestufte Querschnitt ist für das Erleben des Stadt-

    raums am Donaukanal elementar. Jede Belegung der Kaifläche durch zusätzliche

    Baukörper, Überformungen unterschiedlichster Art bis hin zum Wust an tausenderlei

    installiertem oder einfach übrig gebliebenem "Mobiliar" und Unrat tragen zum "Auffül-

    len" dieses so kostbaren Bereichs bei und verunklären und beeinträchtigen damit die

    Erfahrung dieses einzigartigen städtischen Raums, dem Otto Wagner lineare Schärfe,

    weitreichende Blickachsen und eine entsprechende Großzügigkeit verliehen hat.

    6.2 Schutzwürdigkeit und Schutzziele

    In die Erwägungen miteinbezogen gehören Überlegungen zur Schutzwürdigkeit von

    Denkmälern und ihrer Umgebung wie die Formulierung etwaiger Schutzziele. Wie in

    Kap. 4 (Rechtliche Grundlagen und andere relevante Bestimmungen) ausgeführt, gel-

    ten verschiedene Schutzbestimmungen:

    20

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    – Aufgrund des Denkmalschutzgesetzes § 2a stehen der Donaukanal und seine Struk-

    turen sowie das Schützenhaus unter Denkmalschutz. Gemäß Denkmalschutzgesetz

    § 1 (9) gehören "auch alle seine Bestandteile und das Zubehör sowie alle übrigen mit

    dem Denkmal verbundenen, sein überliefertes oder gewachsenes Erscheinungsbild im

    Inneren oder Äußeren mitprägenden oder den Bestand (die Substanz) berührenden

    Teile" dazu.

    – Es g ilt die Wiener Bauordnung: Im geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan

    ist der Donaukanal samt links- und rechtsufrigen Vorkaiflächen als Verkehrsband (VB)

    ausgewiesen; der an das linksufrige Verkehrsband anschließende Wilhelm-Kienzl-Park

    als Erholungsraum Parkanlage (Epk). Entsprechend sind weder Vorkai noch Park als

    Bauland definiert.

    – Der "Masterplan Donaukanal" (2010) ist nicht rechtlich verpflichtend. Aber die Stadt

    Wien hat sich damit ein mehr als taugliches Planungs- und Arbeitsinstrument gegeben,

    das einer Selbstbindung gleich kommt. Hauptziel ist die Aufwertung des Donaukanals.

    Der vom Projekt "Sky & Sand Donaukanal" betroffene Bereich zwischen Augartenbrü-

    cke und Schützenhaus ist im Masterplan gemeinsam mit dem Wilhelm-Kienzl-Park als

    Bereich "Schwerpunkt konsumfreie Erholungsnutzung" ausgeschieden.

    – Wie der "Masterplan Donaukanal" bezeichnet auch die "Donaukanal Partitur. Gestal-

    tungs- und Entwicklungsleitlinien für den Wiener Donaukanal" (2014) den fraglichen

    Perimeter für "Sky & Sand Donaukanal" zusammen mit dem Wilhelm-Kienzl-Park als

    "Interventionsfläche konsumfreie Erholungsnutzung". Die "Interventionsfläche 2.7 wird

    darin sehr präzise und nachvollziehbar als frei zu haltende Fläche definiert.

    – Der "Masterplan Glacis" (2014) bestätigt die "Donaukanal Partitur " und postuliert u.a.,

    dass der Donaukanal als städtischer Frei- und Erholungsraum gefördert werden soll.

    Ziel ist die Schaffung eines möglichst durchgehenden barrierefreien Wegesystems,

    das zum freien Aufenthalt am Wasser ohne Konsumzwang einlädt.

    – Das UNESCO Welterbe Wien Innenstadt scheidet eine Pufferzone aus, die von der

    Friedensbrücke bis unterhalb des Wieneinflusses auch den Donaukanal umfasst. Mit

    dem Eintrag eines Gutes in die Liste des Welterbes bürgt der verantwortliche Staat für

    einen besonders sorgsamen Umgang mit dem entsprechenden Bestand und verpflich-

    tet sich, die hierfür notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

    21

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    Zu den Schutzzielen:

    In Anbetracht der geltenden Schutzbestimmungen sind der Donaukanal gemäß aufge-

    listeten Grundstücken und das Schützenhaus als Ensemble und als Einzelbau zu er-

    halten und zu schützen. Das Denkmalschutzgesetz und die Wiener Bauordnung mit

    klar definiertem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan schaffen hierfür die notwendi-

    gen Voraussetzungen. Zusätzliche Grundlagen wie der "Masterplan Donaukanal" und

    die jüngsten, hervorragenden und bis in die Details auch umsetzbaren "Gestaltungs-

    und Entwicklungsleitlinien für den Wiener Donaukanal", die "Donaukanal Partitur" von

    2014, liefern zur Umsetzung einleuchtende Rahmenkonzepte und Strategien.

    7. Schlussfolgerungen und Empfehlung

    Gemäß Auftrag hatte der Unterzeichnete in erster Linie ein denkmalpflegerisches Gut-

    achten zu verfassen. Entsprechend gründet die vorliegende Expertise wesentlich in

    denkmalpflegerischen Überlegungen, die ihrerseits auf der Analyse des Bestands und

    seiner geschichtlichen wie städtebaulichen Zusammenhänge basieren. Eine besonde-

    re Rolle spielt dabei das Kriterium des leider oft unterschätzten und missachteten

    Schutzes der näheren und weiteren Umgebung von Denkmälern. Da jedes Denkmal in

    einem räumlichen Kontext steht, zu dem es in verschiedener Hinsicht in Beziehung tritt,

    gehört die Umgebung wesentlich zum Denkmal. Sie ist jener Bereich, in dem das

    Denkmal wirkt und wahrgenommen wird, sie ist integraler Teil des Denkmalwerts. Dies

    trifft in hohem Maße auch für das Schützenhaus und den Donaukanal zu, wobei nicht

    nur das Schützenhaus selbst, sondern gemäß Denkmalschutzgesetz § 2a so wie so

    auch der ganze Donaukanal unter Schutz steht.

    Der Donaukanal steht als einzigartiger städtischer Raum, als einmaliges Zeugnis der

    Stadtgeschichte und Beleg für eine international anerkannte und bewunderte Pla-

    nungs-, Ingenieur- und Architektenleistung ersten Ranges zurecht unter Denkmal-

    schutz. Nicht von ungefähr konvergieren weitere Planungsgrundlagen, die sich die

    Stadt Wien in Sorge um den Bestand, dessen Schutz und angemessene Nutzung ge-

    geben hat, zur selben Auffassung, wonach gerade der Abschnitt des Kanals zwischen

    Augartenbrücke und Salztorbrücke zu den besonders sensiblen und fragilen Teilen

    gehören. Die mitunter offenkundige Vernachlässigung des Areals, angeeignete und

    tolerierte Gewohnheitsrechte unterschiedlicher Benutzer sowie frühere Fehlleistungen

    stellen keine Legitimation dar, mit dem Kanalabschnitt künftig in gleicher Weise umzu-

    gehen. Im Gegenteil: Es müsste meines Erachtens auch aus denkmalpflegerischen

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  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    Überlegungen heraus Ziel sein, den in den Erwägungen gewürdigten Querschnitt der

    Kanalanlage wieder zu schärfen und ihren in Wechselwirkung mit dem Ganzen ste-

    henden konstituierenden Bestandteilen die nötige Beachtung zu schenken. Dazu ge-

    kommene und zusätzlich geplante Bauten im fraglichen Bereich widersprechen diesem

    Anspruch diametral, wogegen das "Freiräumen" hin zur konsumfreien Erholungszone

    mit großzügigen Aufenthaltsbereichen und Flanierstrecken ihn unterstützen. Aus un-

    terschiedlichen Richtungen lässt nur der freie und befreite Blick auf den als Solitär er-

    richteten Nutzbau des Schützenhauses ebenso wie der Ausblick vom Schützenhaus

    über den Kanal zur Stadt die von Otto Wagner gewollte Weite und Großzügigkeit er-

    fahren.

    Auch aus denkmalpflegerischer Sicht ist erstrebenswert, dass das mit dem Masterplan

    und den Gestaltungsrichtlinien bekundete Bekenntnis der Stadt zu einem aufgewerte-

    ten Donaukanal über kürzere und mittlere Fristen Gestalt annimmt. Auf den hier inte-

    ressierenden besonderen Kanalabschnitt zwischen Augartenbrücke und Salztorbrücke

    bezogen, bedeutet dies auch, das rechte Kanalufer mit seinen prägnanten ursprüngli-

    chen Infrastrukturen, die sich in einer Schutzzone befinden, wieder "freizulegen". Dazu

    gehört beispielsweise die Befreiung der Stützmauer von Verbauungen und die Öffnung

    der von Otto Wagner konzipierten Öffnungen zur Trasse der Stadtbahn, ganz wesent-

    lich auch die Instand- und Freihaltung der eindrücklichen, 100 m langen Treppenanla-

    ge, die bei der Salztorbrücke vom Kai bis zum Wasser hinunter führt. Der Kanalab-

    schnitt und im Besonderen die Staustufe Kaiserbad würde eine zusätzliche (auch tou-

    ristische) Aufwertung erfahren, wenn das Publikum vor Ort in geeigneter Form auf die

    Geschichte, Bedeutung und Funktion der ehemaligen Anlage aufmerksam gemacht

    würde.

    Aus dem Vorangegangenen wird verständlich, warum aus der Sicht des Gutachters die

    Frage, ob das Projekt "Sky & Sand Donaukanal" nach §85 (3) die Voraussetzungen

    erfüllt, mit "nein" zu beantworten ist. Wie weiter oben dargelegt, würden mit dem Pro-

    jekt "Sky & Sand Donaukanal" die "Eigenart und künstlerische Wirkung" des denkmal-

    geschützten Schützenhauses wie das "örtliche Stadtbild" beeinträchtigt.

    In der Logik der oben formulierten Erwägungen empfiehlt der Unterzeichnete, das

    Grundstück 4252/23 als Erholungsraum frei zu lassen und dem Baugesuch "Sky &

    Sand Donaukanal" nicht stattzugeben.

    Die Abwägung anderer öffentlicher Interessen ist nicht Bestandteil des vorliegenden

    Gutachtens. Eine diesbezügliche Bemerkung sei dennoch erlaubt: Der Gutachter er-

    achtet Ansprüche seitens der Betreiber von Gastronomie- und Barbetrieben im Grund-

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  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

    satz als gerechtfertigt. Diese zu befriedigen, mag fallweise auch im Interesse der Stadt

    und der Öffentlichkeit liegen, obwohl, gemäß einer repräsentativen stadtpsychologi-

    schen Studie, aus der Sicht der NutzerInnen "Ausgehen" nur gerade 18% der mögli-

    chen Nutzungen der "Wohlfühl- und Freizeitoase Donaukanal" ausmacht.31 In Anbe-

    tracht des sehr verletzlichen Donaukanalraums ist es auch aus der Sicht des Unter-

    zeichneten unabdingbar, die unterschiedlichen Nutzungen am Kanal aufgrund eines

    klaren Konzeptes zu regeln und nicht alles an allen Orten des Kanals zu erlauben. Un-

    ter diesen Voraussetzungen können Synergien und Implementierungen unterschiedli-

    cher Ansprüche im Umgang mit dem Donaukanal (Städtebau, Denkmalpflege, soziale,

    ökologische und ökonomische Aspekte) einen echten und im öffentlichen Interesse

    stehenden Mehrwert darstellen. Eine differenzierte Anleitung dazu liefern der Master-

    plan und die Gestaltungsrichtlinien. Ergänzend wäre die Erarbeitung eines entspre-

    chenden Instruments mit denkmalpflegerischer Ausrichtung von großem Nutzen.

    "Die Fehler, in welche unsere Vorfahren dadurch verfielen,

    dass sie pietätslos die Werke ihrer eigenen Vorgänger unbe-

    achtet ließen oder zerstörten, wollen wir vermeiden und die

    uns überlieferten Werke wie Juwele in passende Fassung

    bringen, damit sie uns erhalten bleiben, als plastische Illustra-

    tion der Geschichte der Kunst"

    Otto Wagner, Die Baukunst unserer Zeit (zit. nach Graf, Otto Wagner 1985, Bd. 1, S. 287.

    Wien, den 5. Juni 2015

    Univ.Prof. Dr.phil. Lic.phil. BSA Nott Caviezel

    31 Donaukanal Masterplan 2010, S. 22f.

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    http:ausmacht.31

  • Denkmalpflegerisches Gutachten "Sky & Sand Donaukanal", Nott Caviezel 2015

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    Denkmalpflegerisches Gutachten"Sky & Sand Donaukanal" WienInhaltsverzeichnis1. Anlass und Gegenstand der Begutachtung2. Grundlagen der Begutachtung2.1 Planungsgrundlagen2.2 Projektunterlagen2.3 Literatur und weitere Unterlagen

    3. Ausgangslage3.1 Donaukanal, Schleusenanlage Kaiserbad und SchützenhausEinleitung und GeschichteStaustufe Kaiserbad, kurze Beschreibung

    4. Rechtliche Grundlagen und andere relevante Bestimmungen4.1 Denkmalschutzgesetz4.2 Bauordnung für Wien (Wiener Bauordnung)4.3 Masterplan Donaukanal4.4 Donaukanal Partitur4.5 Masterplan Glacis4.6 UNESCO Welterbe Wien Innenstadt

    5. Das Projekt "Sky & Sand Donaukanal"6. Erwägungen und Würdigung6.1 Raum Staustufe Kaiserbad, Anblicke und Einsichten6.2 Schutzwürdigkeit und Schutzziele

    7. Schlussfolgerungen und Empfehlung


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