87
65
4
3
12
32
DEN CLOWN IN UNS ENTDECKEN! 66
Was ist eigentlich ein Clown? 68
Was können wir von einem Clown für unseren (Pferde-)Alltag lernen? 70
Worauf warten Sie noch? 79
UND WAS HABE ICH DAVON? SO LERNEN PFERDE 82
Die verschiedenen Möglichkeiten zu lernen 85
Alles eine Frage der Motivation 93
Die Kommunikation mit unserem Pferde-Schüler 95
Gedanken zum Loben 97
Gedanken zum Einsatz von unangenehmer Einwirkung 101
Kommunikation ohne Manipulation – eine Utopie? 104
WANN SIND WIR „ZIRKUSREIF“? 110
Voraussetzungen beim Pferd 113
Vertrauen zu Mensch und Ausrüstung 119
Voraussetzungen beim Menschen 121
Zirkuslektionen altersgemäß! 125
Gesundheitliche Aspekte beim Menschen 127
SO VIEL WIE NÖTIG, SO WENIG WIE MÖGLICH – HILFEN UND HILFSMITTEL 128
Die Stimme 131
Die Gerte – der verlängerte Arm 134
Halfter und Zäumung 135
Beinlonge ja oder nein? 137
Die Hilfsperson 138
SICHERHEITSASPEKTE FÜR PFERD UND MENSCH 140
Der Spielplatz 142
Bitte aufgewärmt! 144
Die Geister, die ich rief – und wenn mein Pferd nicht mehr aufhört damit? 146
Gibt es Lektionen, die mein Pferd lieber nicht lernen sollte? 149
DANKSAGUNG 6
VORWORT VON RICHARD HINRICHS 8
EINLEITUNG 10
ZIRKUSLEKTIONEN IM WANDEL DER ZEIT 14
Glanz und Gloria: Der Zirkus und seine Pferde 19
Der Mann der Stunde – Philip Astley 19
Zirkusdynastien und Stars in der Manege 23
Die Klassische Dressur und der Zirkus 30
Ausblick 34
SO EIN „ZIRKUS“ – UND DOCH SINNVOLL! 36
„Zirkuslektionen“ sind natürlich 37
Positive Auswirkungen der Zirkusarbeit ... 39
... auf den Pferdekörper … 39
... und auf die Pferdepsyche 42
Auch der Mensch bleibt nicht verschont 43
UNSER KÖRPER ALS KOMMUNIKATIONSMITTEL: Die „Krone der Schöpfung“ quasselt, nuschelt, lügt und stottert! 46
Der Körper schweigt nie – unbewusste Körpersprache
und der bewusste Körpereinsatz 49
Ich spüre mich und meinen Körper – Übungen zu mehr Bewusstsein 53
Ein klarer Ausdruck braucht ein Inneres Bild 56
Spannend! Wie Sie Energie und Spannung richtig dosieren 60
Weitere Übungen und Spiele aus der Theaterarbeit 63
Inhalt
11
54
1213
910
DER PFERDE-KNIGGE 150
Abstand und Nähe 152
Die Aufmerksamkeit 156
Führen will gelernt sein 158
Führpositionen 159
Wer bewegt wen? 166
Wie angewurzelt 171
VON DER PFLICHT ZUR KÜR – WEITERE VORBEREITENDE ÜBUNGEN 174
Über das Dehnen 175
Geschickt über Stangen 181
Touchieren der Beine 183
Immer der Hand nach 186
JETZT GEHT’S LOS!ZIRKUSLEKTIONEN „EN DETAIL“ 188
Womit fangen wir an? 189
Die Übungseinheit 190
Geschmeidig wie eine Katze – DAS PLIE 192
Mit Kultur und Eleganz – DAS KOMPLIMENT 198
Auf dem Weg nach unten – DAS KNIEN 210
Voller Vertrauen – DAS LIEGEN 219
Für Athleten und Komiker – DAS SITZEN 235
Im Parademarsch – ÜBER DIE POLKA ZUM SPANISCHEN SCHRITT 242
Stolz und erhaben – DER SPANISCHE GRUSS 254
Hoch hinauf – DAS PODEST 260
Ziemlich beeindruckend – DAS STEIGEN 270
Ganz schön nützlich – DAS APPORTIEREN 279
Frech und lustig – DAS SCHUBS-SPIEL 287
Das macht Spaß – JA UND NEIN SAGEN, LACHEN UND GÄHNEN 293
Wie im Ballett – DAS BEINEKREUZEN 300
Einfach praktisch – DAS EINPARKEN 304
Ententanz – DA WACKELT DER PO 309
UND UNTER DEM SATTEL? 314
Worauf sollten Sie achten? 316
Wie wird’s gemacht? 320
UNSER ERSTER AUFTRITT! 324
Showsicherheit – damit wir nicht aus allen Wolken fallen 326
Langfristige Vorbereitung 327
Am Auftrittstag 329
Die Verpackung macht viel aus! 333
Die wirklich wichtigen „W-Fragen“ 334
Die Musik kann viel bewirken 339
Das Spiel mit dem Publikum 341
Ein Pferd ist keine Maschine – die Kunst der Improvisation 345
SCHLUSSWORT 348
ANHANG
Das Team 350
Zum Weiterlesen 351
Quellenverzeichnis 353
Nützliche Adressen 354
Impressum 355
Register 356
I
7
Ich möchte mich an dieser Stelle von ganzem Herzen bei allen bedanken, die die Entstehung die-
ses Buches mit ermöglicht haben. Besonders erwähnen möchte ich dabei: Meine Mitautorin
Nicole Künzel, die mir immer wieder Antrieb und neue Motivation gegeben hat und ohne die
ich niemals auf diese Idee gekommen wäre. Meine Wohngemeinschafts-Wahlfamilie Antje, Tho-
mas und Ronja, die mich aufgemuntert, unterstützt und mir den Rücken freigehalten hat sowie
meinen Clowns-Partner Hendrik, der mir mit Rat und Tat zur Seite stand. Meine Eltern, die
mich mein Leben lang darin bestärkt haben, meinen Weg zu gehen und zu versuchen, meine
Träume zu leben. Meine Lehrer, die meine reiterliche Laufbahn geprägt und die ihr Wissen und
ihre Erfahrung großzügig geteilt haben. Alle meine Freunde, Schüler und deren Pferde, mit und
von denen ich viel lernen durfte und für die ich während der Entstehung dieses Buches wenig Zeit
hatte. Und natürlich möchte ich den geduldigsten Partnern und strengsten Lehrern überhaupt
danken: meinen Pferden Robin und Tamino, meinem Hund Findus sowie allen anderen Tieren,
die meine Fehler und Schwächen ertragen und mir unendlich viel geschenkt haben.
Heidrun Hafen
Ich danke all den lieben Menschen, die mich auf meinem Weg begleiten und natürlich all den
großen und kleinen Wuschelpferden dafür, dass sie mit mir durch dick und dünn gehen. Ich be-
danke mich bei meinen Eltern für die Unterstützung auf meinem reiterlichen Weg und ich danke
meinem Lebensgefährten Andreas, für die Unterstützung all meiner Projekte und seine Geduld:
Es ist schön, dass es dich gibt! Ich liebe dich! Ich danke dir liebe Heidi, für unsere wundervolle und
lehrreiche Zusammenarbeit – es hat mir immer viel Spaß gemacht! Meinen bisherigen Ausbildern
danke ich für ihre Inspiration und all das, was ich von ihnen lernen durfte. Familie Drost danke
ich für die vielen schönen Stunden auf Ihrem Hof.
Nicole Künzel
Unser gemeinsamer Dank gilt unserer Verlegerin Isabella Sonntag, die uns so viel künstlerische
Freiheit gegeben hat, unserer wunderbaren Fotografin Antje Wolff, unserer Lektorin Christa-
Maria Ossapofsky und unserer Grafikerin Christine Orterer: Es war schön, mit euch zusam-
menzuarbeiten. Wir bedanken uns auch bei Kirsten Becker für ihre fachliche veterinär-
medizinische Unterstützung und bei der Verhaltensbiologin Marlitt Wendt für ihre fachliche
Unterstützung zum Thema Lernverhalten bei Pferden. Wir danken all den engagierten und
geduldigen zwei- und vierbeinigen Models; unserem langjährigen Ausbilder Richard Hinrichs
und Hendrik Becker vom Theater Löwenherz. Für die Nutzung ihrer Anlagen danken wir: Ethel
und Felix Opländer; Klaus Köhler vom Circus Belly; Alexander und Kerstin Hogreve und dem
TSV Wettmar. Weiter bedanken wir uns bei Britta Stühren vom Pferdemuseum in Verden sowie
der Firma Uniqcorn exceptionnel für die exklusiven Reithosen.
DANKSAGUNG
Alles Zirkus !?
DANKSAGUNGvon Heidrun Hafen & Nicole Künzel
9
VORWORT
Alles Zirkus !?
Diese Elemente beeinflussen das Verhalten der Menschen seit jeher. Dazu gehörten im antiken
Griechenland und im alten Rom bereits Pferderennen, die die Zuschauer in ihren Bann zogen.
Schon bei den olympischen Spielen in Griechenland sind Wettbewerbe mit Pferden seit dem
Jahre 680 vor Christus nachgewiesen. Abweichend von dem Prinzip, dass dabei in dieser Zeit
sonst nur Männer als Sportler aktiv sein konnten, steigerte man den Unterhaltungswert der hip-
pischen Bewerbe noch dadurch, dass man auch Frauen als aktive Teilnehmerinnen zuließ und
sportliche und zirzensische Elemente miteinander verband.
Die Faszination des außergewöhnlichen Zusammenwirkens von Mensch und Pferd hält wei-
terhin an, auch wenn der Circus Maximus nicht mehr genutzt wird und andere Formen gefun-
den werden, um die Verbindung von Mensch und Pferd immer neu in Szene zu setzen.
Die Autorinnen des vorliegenden Buches haben sich der Aufgabe gestellt, vor dem Hinter-
grund der geschichtlichen Entwicklung der Dressur im Zirkus viele unterschiedliche Vorausset-
zungen zusammenzustellen und zu erläutern, die einen erfolgreichen vertrauensvollen Umgang
mit dem Pferd ermöglichen. Beide, Heidrun Hafen und Nicole Künzel, haben Erfahrung aus der
Praxis der klassischen Reiterei. Sie zeigen auf, dass zirzensische Lektionen mit klassischen Prin-
zipien vereinbar sein können. Dazu werden – stets pro Pferd – Sichtweisen aus unterschiedli-
chen Perspektiven aufgezeigt, zum Beispiel auch aus dem Bereich der Veterinärmedizin. Neben
klaren Ausbildungsanweisungen werden außerdem Möglichkeiten eröffnet, sich für die Arbeit
mit dem Pferd immer wieder selbst zu analysieren und an sich zu arbeiten. Das dürfte für viele
Leser neu, manchmal unbequem und dennoch attraktiv sein.
Das Buch lädt dazu ein, auf der Grundlage der dargestellten Informationen eigenständig zu
denken, zu neuen Erkenntnissen zu kommen und sie praktisch umzusetzen.
Nur wenn alle wesentlichen Voraussetzungen beachtet und realisiert werden, stellt sich Er-
folg mit Pferden nachhaltig ein. Dazu kann das Buch einen effizienten Beitrag leisten. Deshalb ist
ihm eine weite Verbreitung zu wünschen – zur Freude der Menschen und zum Wohle der Pferde!
Richard Hinrichs(Präsident des Bundesverbandes für klassisch-barocke Reiterei Deutschland)
PANEM ET CIRCENSES – BROT UND SPIELE
VORWORTvon Richard Hinrichs
Z11
Zirkuslektionen – von vielen Menschen geliebt, von anderen als „Pudeldressur“ abgetan. Was hat
es mit ihnen auf sich?
Sehen Sie in die Augen eines Pferdes, wenn es zum ersten Mal mit seinen Vorderhufen auf
einem Podest steht oder seine ersten Spanischen Schritte zeigt: Ist es entsprechend vorbereitet,
werden Sie Stolz und ein Leuchten in seinen Augen erkennen.
Gemeinsam mit einem Pferd, das vor Ihnen fröhlich steigt oder sich vertrauensvoll ablegt,
können Sie beim Publikum viele „Oh’s“ und „Ah’s“ erhaschen. Gerade diese Übungen rufen eine
besondere Faszination hervor, denn einerseits wird hier die unberechenbare Wildheit, die Schön-
heit und die Kraft des Pferdes in kultivierte Bahnen gelenkt, andererseits werden die tiefe Ver-
bundenheit und das große Vertrauen zwischen dem Menschen und dem Fluchttier Pferd deutlich
spürbar. Auch spaßige Übungen wie das Lachen oder das Rechnen faszinieren gerade die kleinen
Zuschauer, da die Pferde hier Dinge zeigen, die einem Tier sonst nicht zugetraut werden. Diese
Lektionen sind jedoch alle kein Zauberwerk, sondern zählen ebenfalls zu dem natürlichen Re-
pertoire des Pferdes, welches der Mensch lediglich kultiviert hat.
Zirkuslektionen machen also Spaß: dem Pferd, dem Menschen, dem Publikum – jedoch nur,
solange die Würde des Pferdes dabei gewahrt bleibt.
EINLEITUNG
Alles Zirkus!?
EINLEITUNG
„Komm und spiel mit mir”, schlug ihm der kleine Prinz vor. „Ich bin so traurig...” „Ich kann nicht mit dir spielen”, sagte der Fuchs. „Ich bin noch nicht gezähmt!”
„Ah, Verzeihung!” sagte der kleine Prinz. Aber nach einiger Überlegung fügte er hinzu: „Was bedeutet das: ‚zähmen'?” [...]
„Das ist eine in Vergessenheit geratene Sache”, sagte der Fuchs. „Es bedeutet: sich ‚vertraut machen'.”
„Vertraut machen?” „Gewiß”, sagte der Fuchs. „Du bist für mich noch nichts als ein kleiner Knabe,
der hunderttausend kleinen Knaben völlig gleicht. Ich brauche dich nicht, und du brauchstmich ebensowenig. Ich bin für dich nur ein Fuchs, der hunderttausend Füchsen gleicht.
Aber wenn du mich zähmst, werden wir einander brauchen. Du wirst für mich einzig seinin der Welt. Ich werde für dich einzig sein in der Welt...”
„Ich beginne zu verstehen”, sagte der kleine Prinz.
Aus Antoine de Saint-Exupéry: Der kleine Prinz. Rauch Verlag, Düsseldorf, 2000.
13
viduellen, gemeinsamen Weg zu finden. Bei all diesem werden uns unsere Ponys Robin Rotfleck
und Pony-Pony mit fachlichen und kritischen Kommentaren aus der Sicht der Pferde beraten. Es
ist uns eine Herzensangelegenheit, immer wieder daran zu erinnern, dass Liebe und Freund-
schaft zwischen Mensch und Pferd während der „Arbeit“ das Wichtigste sind. In unserer Leis-
tungsgesellschaft geht es um eine hohe Effizienz in möglichst kurzer Zeit. An manchen Stellen
hat das durchaus seine Berechtigung, aber zum Leben gehört eben auch die andere Seite: Das
Sich-Fallenlassen-Können, die Fähigkeit, den Moment zu genießen und sich selbst zu spüren. Die
Pferde können uns lehren, wieder vermehrt zur Natur, zu uns selbst zurückzukehren, sich ganz
dem Augenblick hinzugeben, verspielt zu sein und etwas ganz ohne Ziel zu tun, einfach weil es
gerade Freude macht. Hören wir ihnen zu, sind sie dabei die geduldigsten und besten Lehrmeis-
ter. Denken Sie stets daran!
Bevor Sie nun ungeduldig mit den Hufen, oder besser Füßen zu scharren beginnen, geht es
jetzt richtig los!
Ihre Heidrun Hafen und Nicole Künzel
EINLEITUNG
Alles Zirkus !?
12
Wie bei der Ausbildung von Dressurlektionen, findet auch bei dem Erarbeiten von zirzensi-
schen Lektionen Dressur statt und zwar auf der physischen wie auf der psychischen Ebene. In bei-
den Fällen nutzen wir das natürliche Verhaltensrepertoire des Pferdes, um dieses durch eine
sinnvolle, gezielte und vertrauensvolle Ausbildung auf ein Signal hin abrufbar zu machen. In der
Klassischen wie in der zirzensischen Dressur gelten dabei dieselben Grundsätze, nämlich dass das
Pferd keinerlei Gewaltanwendung erfahren darf. Es soll vielmehr durch einen erfahrenen Aus-
bilder unter Einbeziehung der ethischen Grundsätze sowie des Wissens über Anatomie und Bio-
mechanik dazu befähigt werden, das von ihm Verlangte mit vollster Leichtigkeit und Freude
ausführen zu können. Hierbei ist es die Aufgabe des Ausbilders herauszufinden, wo die Stärken
und Schwächen des Pferdes liegen und diese zu fördern oder auszugleichen.
Wir möchten Sie auf eine Reise in die Welt der Zirkuslektionen für Pferde einladen. Dabei
werfen wir einen kurzen Blick in die Geschichte, denn das Ausbilden von Pferden in den unter-
schiedlichsten zirzensischen Lektionen begeistert jung und alt schon seit vielen Jahrhunderten
und ist keine neue „Erfindung“. Im Gegenteil: Die Zirkusreiterei war einst eine hochangesehene
Form der Reiterei, die eng mit der klassischen Dressurausbildung verbunden war. In der Manege
waren Dressurlektionen und andere Übungen meist in einer Darbietung vereint. Weiter möch-
ten wir den Bogen dahingehend spannen, wie sinnvoll Zirkuslektionen auch für die Gymnasti-
zierung des Pferdes sind und wie viel Abwechslung sie im Pferde- und Reiteralltag bieten. Sie,
liebe Leser, sollen natürlich auch nicht zu kurz kommen! Wir zeigen Ihnen, wie Sie das Timing
Ihrer Hilfengebung verbessern können und laden Sie zu einem Ausflug in die Clownerie sowie
in die Theater- und Körperarbeit ein, bei dem Sie viel über und für sich selbst lernen können.
Und ebenso vergessen wir das Wichtigste nicht: die praktische Umsetzung der Zirkuslektionen!
Wir begleiten Sie und Ihr Pferd Schritt für Schritt auf Ihrem Weg zum „Star in der Manege“ und
stellen Ihnen dabei unseren großen Erfahrungsschatz zur Verfügung. Da es unserer Meinung
nach meist mehrere Möglichkeiten gibt, ein Ziel zu erreichen, möchten wir Sie dazu ermuntern,
je nach Situation, Pferdetyp oder der Vorliebe Ihres Pferdes und Ihrer eigenen, einen ganz indi-
EINLEITUNG
Alles Zirkus !?
„Ich bin mir allzeit im Klaren, dass meine wichtigste Verantwortung gegenüber demPferd darin besteht, dass es glücklich ist und Spaß an dem hat, was es tut.“
Aus Magali Delgado und Frédéric Pignon: Achtung – Respekt – Würde.Wu Wei Verlag, Schondorf, 2010.
15
ZIRKUSLEKTIONEN IM WANDEL DER ZEIT
Alles Zirkus !?
„Gehen Sie in den Zirkus. Es ist ein gewaltiges rundes Becken, in dem alles sich kreisförmig bewegt.
Unentwegt. In steter Folge. Gehen Sie in den Zirkus. Lösen Sie sich von Ihren Rechtecken, von Ihren geometrischen Fenstern,
und reisen Sie in das Land der sich bewegenden Kreise. Sprengen Sie die Grenzen, wachsen Sie, streben Sie nach Freiheit [...].“
Fernand Léger aus Stephanie Haerdle: Amazonen der Arena.Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, 2010. I
Stars der Manege – Christel-Sembach Krone 1976 mit der dressierten Giraffe Baluku.
ZIRKUSLEKTIONENIM WANDEL DER ZEIT
1In unserer heutigen Welt, in der uns Internet, Fernsehen, Kino und viele weitere „Attraktionen“
in ihren Bann ziehen, ist es kaum noch vorstellbar, welch hohen gesellschaftlichen Stellenwert
der Zirkus für einen langen Zeitraum innehatte. Das war eine geheimnisvolle und zauberhafte
Welt, die all die Wunschträume widerspiegelte, die in fast jedem von uns wohnen: Den Drang
nach Abenteuer, Mut, Magie, Erotik, Unmöglichem, ja, nach dem Wunsch, Übermenschliches
1716
ZIRKUSLEKTIONEN IM WANDEL DER ZEIT
Alles Zirkus !?
wahr werden zu lassen – kurz, das Eintauchen in eine andere Welt. Die Artisten tanzten über
hohe Seile, verbogen ihre Körper, dressierten wilde Tiere, vollführten die wagehalsigsten Num-
mern zu Pferde. Dieses Verlangen und diese Suche nach dem Überirdischen lassen sich über Jahr-
tausende hinweg verfolgen.
Seit Jahrtausenden hat der Mensch das Pferd domestiziert, sich als Haustier nutzbar gemacht
und es dressiert. Im Laufe der Zeit erlangte es eine immer größere Bedeutung in der Welt der
Menschen. Ebenso lange bestand ein großer Reiz darin, Pferde Kunststücke vollführen zu lassen
die das Publikum in Erstaunen versetzten. Pferde zeigten beispielsweise Rechenkunststücke, ap-
portierten, stiegen oder legten sich ab.
In zahlreichen Aufzeichnungen wird dokumentiert, dass in Ägypten in der Pfeilerhalle des
Totentempels der Hatschepsut in Theben, erbaut vor circa 1500 Jahren vor Christus, eine Ab-
bildung zu sehen ist, auf der ein Reiter neben der Kruppe seines galoppierenden Pferdes hängt.
Von Chronisten des chinesischen Kaisers sollen circa 4000 Jahre alte Aufzeichnungen bestehen,
die bezeugen, dass schon damals Kunststücke mit und zu Pferde vorgeführt wurden. Auch aus
der Assyrerzeit, um circa 1000 vor Christus sollen Reliefdarstellungen zu diesem Thema exis-
tieren.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die folgende Quelle, von Joseph Halperson aus sei-
nem Buch vom Zirkus: „So findet sich in Leo Allatius’ Sammlung griechischer Rhetoren und Sophisten
nachstehende Beschreibung von Kunststücken der Pferde eines Königs von Babylon: ‚Sie strecken sich
auf den Boden und legen sich dann ganz auf die Erde nieder, andere stürzen auf die Knie, als woll-
ten sie den Reiter anbeten, den sie aufsitzen lassen wollen. Ihr Rücken beugt sich dann langsam und
erhebt sich schlangenartig wieder. Ein solches Pferd lernt die Füße rhythmisch setzen, Stellungen ein-
nehmen, nach dem Takte wiehern, mit den Augen blinzeln (?), den Kopf hochnehmen und schütteln,
sich auf die Kruppe setzen und alles, was sonst ein Athlet auf dem Theater produziert.’“
ZIRKUSLEKTIONEN IM WANDEL DER ZEIT
Alles Zirkus!?
Bereits der griechische Philosoph Xenophon (circa 430-355 vor Christus), welcher als Be-
gründer der Hippologie gilt, hinterließ mit seinen Schriften Von den Pflichten eines Reiteranfüh-
rers (Hipparchikos) und Über die Reitkunst (Peri Hippikes) zwei der ältesten bekannten Reitlehren,
die bis heute die Klassische Dressurausbildung der Pferde prägen. In letzterem Werk (aus der
Übersetzung des Erich Hoffmann Verlags, Heidenheim, 1962) schreibt er: „Wenn der Reitknecht
dem Reiter das Pferd übergibt, so ist es nicht gerade tadelnswert, wenn das Pferd sich so lang zu strecken
versteht, daß man es leicht besteigen kann.“ Diese Beschreibung könnte ein Hinweis darauf sein,
dass hier höchstwahrscheinlich das Plié genutzt wurde, um den Reiter aufsitzen zu lassen.
Im alten Rom sollen um 329 vor Christus im Circus Maximus nicht nur Gladiatorenwett-
kämpfe oder blutrünstige Kämpfe mit Tieren stattgefunden haben, sondern es wurden auch „dres-
sierte Pferde gezeigt, die in ganzen Gruppen nebeneinander liefen und ‚Figuren’ gebildet haben sollen.
Pferdedressuren und Gladiatorenspiele bildeten mitunter selbständige Schauprogramme.“, so be-
schreibt es Hermann Dembeck in Manege frei!.
„Bei allen Völkern finden wir mythologische Gestalten, in denen sich die Wunschträume [...] verkörpern, ich will nur erinnern an
Herakles (Athlet), Ikaros (Flieger), Orpheus (Tierbändiger). Es ist kein Zufall, daß die Ahnen der heutigen Artisten überall –
in Hochasien, Vorderasien, Griechenland, aber auch im Amerika der Konquistadoren – zuerst in der Nähe von Tempeln auftauchen.“
Aus August Heinrich Kober: Ich wanderte mit dem Zirkus.Verlag der Frankfurter Bücher, 1958.
Der Holzschnitt aus dem 16. Jahrhundert zeigt ein apportierendes, sitzendes Pferd, welches wohl auch „zählen“ konnte.
19
GLANZ UND GLORIA: DER ZIRKUS UND SEINE PFERDE
Der moderne Zirkus entwickelte sich im 18. Jahrhundert aus den umherziehenden Kunstreiter-
gesellschaften, die mit langen Planwagen-Konvois von einem Ort zum anderen reisten. Die Pferde
waren mit ihren Voltigen, Freiheitsdressuren oder Kunststücken neben den Akrobaten, Raub-
tierdompteuren und kuriosen Figuren von großer Bedeutung.
Es entstanden bald auch feste Bauten, zunächst aus Holz und später aus Stein, in denen ent-
weder wechselnde Zirkusgesellschaften gastierten oder sich eine Truppe ganz niederließ. In die-
sen Arenen wurden komplette Theaterstücke vorgeführt sowie Schlacht- und Eroberungsszenen
nachgestellt, in denen dressierte Pferde eine tragende Rolle spielten. Schon 1764 lud der britische
Kunstreiter Jacob Bates in Moskau in sein Amphitheater mit runder Manege ein.
DER MANN DER STUNDE – PHILIP ASTLEYDie Gründung des eigentlichen Zirkus’ schreiben viele Historiker jedoch Philip Astley (1742-
1814) zu. War er zunächst noch bei der britischen Kavallerie als Oberfeldwebel im Dienst, quit-
tierte er diesen später, um sich ganz der Pferdeausbildung zu widmen. Er galt als hervorragender
Reiter, dem es Freude machte, Pferden allerlei Kunststücke beizubringen. Er war ein Ausbilder,
der eine Symbiose aus der Klassischen Dressur, welche er während seiner militärischen Laufbahn
in ausgezeichneter Weise erlernt haben soll, und der Zirkusarbeit schuf. 1768 gründete er eine
Reitschule in London, in der er auch seine Künste präsentierte: „Am Nachmittag, wenn der Un-
terricht beendet war, gab Astley gemeinsam mit seiner Frau Kunstreiter- und Dressurvorstellungen.
Ein Vorgesetzter hatte ihm zum Abschied ein spanisches Reitpferd geschenkt; dieses Soldatenpferd ließ
ZIRKUSLEKTIONEN IM WANDEL DER ZEIT
Alles Zirkus !?
18
Auch im Mittelalter und den späteren Epochen wurden Pferden Zirkuskunststücke beige-
bracht. So wird von Marlies Lehmann-Brune in ihrem Buch Die Althoffs – Geschichte und Ge-
schichten um die größte Circusdynastie der Welt berichtet, dass in einer Handschrift aus dem 14.
Jahrhundert ein „tanzendes“ Pferd als Miniatur abgebildet ist. Jedoch machte die Inquisition nicht
einmal vor dressierten Pferden und ihren Besitzern halt, denn sie beschreibt weiter: „So machte
man 1610 in Frankreich einem Pferd den Prozeß. Samt seinem Herrn, der ihm einige Kunststücke bei-
gebracht hatte, sollte es als Zauberer verbrannt werden.“Weiter zitiert sie von einem Ankündi-
gungszettel von Daniel Schmidt, der 1691 in Wien ein dressiertes Pferd mit folgenden Worten
vorstellte: „Jedermänniglich seye bekannt gemacht, daß allhier ein trefflich Holländisch Pferd ist an-
gekommen, welches allerley rare und schöne Künste machet, [...].Verstehet auch die Schlag-Uhr, und
den Zeiger, so es mit soviel Stößen des Fußes weiset: [...]. Es kennt auch die Zahl der Augen auf den
Würfeln. Es gehet auch mit einem Amper herum, das Geld zu sammeln.“
ZIRKUSLEKTIONEN IM WANDEL DER ZEIT
Alles Zirkus !?
Dieser Anschlagzettel der Artistenfamilie Chiarinis ist wahrscheinlich Ende des 18. oder Anfang des 19.Jahrhunderts entstanden. Das Pferd zeigt vielerlei Kunststücke, so das Apportieren, das Balancieren, Rech-nen und es konnte sich offenbar auch auf den Rücken legen.
„Karl Sembach berichtet von den edelsten hier befindlichen Vollblütern und von der Wie-dererweckung des Interesses für schöne Pferde. Früher bekundeten in erster Linie die
Offiziere der Armee und die Fürstlichkeiten aller Länder ihre Zuneigung für das schönePferd und das Wissen um die Schwierigkeiten der Dressur. Heute gibt es kaum einenZirkusbesucher, dessen Hauptinteresse nicht dem Pferde und seinen Leistungen gälte.
Das Verständnis für schöne Pferde ist mit eine Folge der Ausbreitung des Sportgedan-kens in den breitesten Kreisen! Wir erleben gegenwärtig geradezu eine
Renaissance der Zirkusbegeisterung und der Zirkusfreunde.“
Aus Hermann Dembeck:Manege frei! Büchergilde Gutenberg Berlin, 1937.
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Astley mit den Hufen das Datum klopfen, seinen Namen in den Sand schreiben, im Publikum die Be-
sitzer bestimmter Gegenstände ausmachen, sich schlafend oder tot stellen.“ Aus Sylke Kirschnick:
Manege frei! Die Kulturgeschichte des Zirkus.
1773 eröffnete Astley ein überdachtes Amphitheater in London, welches in Bezug auf die Aus-
stattung mit einer runden Manege, einem Orchestergraben sowie Zuschauerrängen wegweisend
wurde. Hiernach folgte unter anderem noch eines in Paris. Astley selbst soll eine Abneigung gegen das
Wort Zirkus gehabt haben, er bevorzugte für sein Institut den Begriff Amphitheater oder Theater.
ZIRKUSLEKTIONEN IM WANDEL DER ZEIT
Alles Zirkus !?
WARUM IST DIE MANEGE RUND?
Die runde Manege ist ein Symbol für den Zirkus. Sie entstand wohl als Hilfestellung für
die Akteure der vielen, sich in ihrem Schwierigkeitsgrad zunehmend steigernden Voltige-
Nummern mit Kunststücken am und auf dem Pferd. Die Begrenzung sorgte für mehr Si-
cherheit, da sie einen exakten Zirkel vorgab und so das Gleichmaß der Bewegungen des
Pferdes sicherte, sodass beispielsweise die Anzahl der Galoppsprünge einer Runde gleich
blieb. Philip Astley soll den, in den meisten Zirkussen anzutreffenden Durchmesser der
Manege von 13 Metern, geprägt haben. Zur Größe der Manege lassen wir noch einmal Carl
Sembach zu Wort kommen: „Unsere Manege hat den Durchmesser von dreizehn Meter, eine
Größe, die in den meisten Großzirkussen angetroffen wird. Es gibt aber auch noch eine ‚Über-
größe’, das ist die seltenere Sechzehnmeter-Manege. Die kleinen Zirkusse verwenden Manegen
von einem Durchmesser von zehn und elf Meter. In den französischen Zirkussen hat die Ma-
nege nur neun Meter Durchmesser.“Vom Zirkus Sarrasani wird berichtet, dass er sogar eine
Manege mit 17 Metern Durchmesser besessen hätte.
Gerhard Zapff beschreibt in seinem Werk Pferde im Roten Ring, dass die Erfindung des
sogenannten „Roten Rings“ im 19. Jahrhundert Eduard Wollschläger zugeschrieben wird.
Der „Rote Ring“ war eine weiße, circa 40 Zentimeter breite, mit einem roten Läufer aus-
gelegte Holzumrandung, die sogenannte„Piste“, die von nun an die Manege umrahmte. Er
berichtet weiter, dass Eduard Wollschläger auf diesem schmalen Streifen 1846 vor dem
Brandenburger Tor Lektionen der Hohen Schule zeigte. Diese Form der Manegeneinfas-
sung etablierte sich im Folgenden weltweit und ist auch heute noch im Zirkus zu sehen.