+ All Categories
Home > Documents > DEMOKRATIE KONKRET. WIE GEHT PARTIZIPATION … · •Grün: Die Jugendlichen wollen gerne...

DEMOKRATIE KONKRET. WIE GEHT PARTIZIPATION … · •Grün: Die Jugendlichen wollen gerne...

Date post: 17-Sep-2018
Category:
Upload: vuongdan
View: 214 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
24
DEMOKRATIE KONKRET. WIE GEHT PARTIZIPATION IN DER JUGENDARBEIT? Dr. Wibke Riekmann, Universität Hamburg [email protected]
Transcript

DEMOKRATIE KONKRET. WIE GEHT PARTIZIPATION IN DER JUGENDARBEIT?

Dr. Wibke Riekmann, Universität Hamburg [email protected]

Jugendarbeit:

11 KJHG

(1) Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen.

Jugendarbeit:

11 KJHG

(1) Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen.

Jugendverbände als „Werkstätten der Demokratie“?

• „In den Jugendverbänden als Selbstorganisation von Kindern und Jugendlichen findet persönlichkeitsbildendes, Demokratie förderndes und politisches sowie soziales Lernen statt“ (DBJR 2008: 4).

Forschungsfrage: Haben Jugendverbände ein demokratisches Selbstverständnis?

Wollen Jugendliche mitbestimmen?

• Ja! Es ist ein wesentlicher Grund, um bei der Jugendverbandsarbeit dabei zu bleiben.

• Jüngere wünschen sich mehr Beteiligung

Aber: Die Form der Mitbestimmung trifft häufig nicht auf ihre Zustimmung…

Mitbestimmung

• Grün: Die Jugendlichen wollen gerne mitbestimmen und fordern dies auch ein

• Gelb: Die Jugendlichen sind auch mal froh, wenn sie nichts entscheiden müssen

• Rot: Die Jugendlichen wollen nicht gestalten, sie erwarten ein Angebot von uns, das sie abrufen können.

„Jugendarbeit ist Bildung in Demokratie zur Demokratie“

Demokratie ist durch die Vereinsprinzipien als Potenzial in der Jugendarbeit strukturell enthalten.

• Freiwilligkeit

• Mitgliedschaft

• Ehrenamt

• Lokale Organisationsstruktur

• Öffentlichkeit

„Die demokratische Methode ist diejenige Ordnung der Institutionen zur Erreichung politischer Entschei-dungen bei welcher einzelne die Entscheidungsbefugnis vermittels eines Konkurrenzkampfs um die Stimmen des Volkes erwerben.“

(Schumpeter 1950: 428)

Demokratie als Regierungsform

Joseph Schumpeter 1883 – 1950

"A democracy is more than a form of government; it is primarily a mode of associated living, of conjoint communicated experience (Dewey 1916/1985, S. 93).” „Die Demokratie ist mehr als eine Regierungsform; sie ist in erster Linie eine Form des Zusammenlebens, der gemeinsamen und miteinander geteilten Erfahrung (1916/1993, S.121).“

John Dewey 1859 - 1952

Man lernt Demokratie nicht, indem man Regierungen wählt und regiert wird, sondern indem man demokratisches Mitentscheiden im eigenen gesellschaftlichen Leben erfährt, also Demokratie praktiziert. Kinder und Jugendliche brauchen also Erfahrungen demokratischer Mitentscheidung(srechte) im Alltag.

Demokratie als Lebensform

Herrschaftsform Gesellschaftsform Lebensform

• Volkssouveränität und

Rechtsstaat

• Machtkontrolle und Gewaltenteilung,

• Repräsentation und Parlamentarismus,

• Mehrheitsprinzip und Minderheitenschutz,

• Menschen- und Bürgerrechte

• Gesellschaftlicher

• Pluralismus (auch durch Verbände, Vereine...),

• System gesellschaftlicher Konfliktregelung,

• freie und vielfältige Öffentlichkeit,

• Engagement der BürgerInnen

• Solidarität und Selbstverwirklichung im sozialen Kontext,

• soziale Kooperation zu gemeinsamen Zwecken

• Gewaltverzicht,

• Fairness,

• Toleranz,

• ...

Himmelmann (2001): Drei Aspekte von Demokratie

Verteilung von Regierungs- und Lebensform in der Jugend(verbands)arbeit

Regierungsform Lebensform

Bund Vor allem Regierungsform

Land (Abstimmungen, Wahlen, klare Regelungen)

Gemeinde

(Verständigung, Solidarität, Aushandlung)

Gruppe

Vor allem Lebensform

In meiner eigenen Praxis…

• Grün: In meiner Jugendarbeit habe ich vor allem mit der Demokratie als Lebensform zu tun

• Gelb: Formen der Demokratie als Regierungs- und Lebensform halten sich bei mir die Waage

• Rot: Ich habe vor allem mit Jugendarbeit zu tun, in der Demokratie als Regierungsform praktiziert wird.

Die ehemaligen Ehrenamtlichen der Verbände

„Um das Demokratieverständnis der damaligen Zeit auch ein bisschen zu beleuchten, (…): Die Gruppenführer wurden in der Regel auch nicht gewählt, sondern die Gruppenführer machten sich ihre Gruppe selber. Ich weiß es ja von mir. Ich ging zur der Schule hin und rekrutierte meine Jungen auf dem Schulhof, da hab ich mir die geholt, da kam keiner auf die Idee, mich zu wählen, sondern ich hab meine Gruppe gebaut, und als ich der Meinung war, das sind genug, habe ich gesagt, so jetzt ist Schluss, jetzt sind wir eine Sippe. Ende.“

Ehemaliger Ehrenamtlicher der Pfadfinder

Demokratie im Jugendverband

„Meine Sportlichkeit war wohl nicht so sonderlich groß, und dann sagten sie, da ist eine Hauptversammlung, da kannst du auch mitgehen. Im Haus des Sports, das war bei uns vor der Tür. Völlig arglos gehe ich dorthin und dann sagen die: ‚Mensch, wir brauchen noch einen Jugendwart! Den brauchen wir, weil wir sonst keine Turnhallenmietbefreiung für die Jugendabteilung kriegen.‘ Ich müsste nur unterschreiben und das wär’s, das wäre ganz harmlos. Gut, denke ich, mach das man. Das war alles sehr nett, und sie haben mir auch noch ein Bier ausgegeben.“

Ehemaliger Ehrenamtlicher der Sportjugend

Ehrenamt im Jugendverband

Die heutigen

Ehrenamtlichen der Verbände

A: „Wenn ich mir überlege: Bei uns kandidieren zwei Stammesführer gegeneinander und dann kommt wirklich so eine Wahl mit Abstimmung – also, ich glaube, es kann viel Streit geben.“

B: „Da kann der ganze Stamm dran zu Grunde gehen.“

A: „Genau. Ich weiß, dass es bei anderen Stämmen auch so ist, dass die sich dann deshalb gespalten haben. Oder da ist die eine Hälfte dann ausgetreten und damit dann auch noch viele andere. Ich denke, es ist sinnvoller, das nicht über so eine blöde Abstimmung zu regeln, sondern sich hinzusetzen und zu reden.“

Ehrenamtliche vom Bund der Pfadfinderinnen und Pfadfinder

Demokratie im Jugendverband

„Wir fragen uns generell, wenn Jugendliche in den Verein kommen, was die eigentlich machen wollen. Und wir sind an dem Punkt angelangt, dass sie eigentlich Sport machen wollen. Schule aus, Sport, duschen und nach Hause und nicht noch reden müssen auf Sitzungen oder so.“

Ehrenamtliche von der Sportjugend

Demokratie im Jugendverband

zentrale Herausforderungen

• Gestaltung der Beteiligung von Kindern

• Können Sitzungen interessant sein?

• Ab wann sollte man formale Elemente der Demokratie mit einbeziehen?

• Wie kann die Attraktivität der Demokratie als Regierungsform gesteigert werden?

• … Eure Herausforderungen?

Bearbeitung eines Themas

• Genaue Beschreibung der Rahmenbedingungen

• Wer ist betroffen?

• Wer hat von der derzeitigen Situation einen Vorteil?

• Wer hat von der derzeitigen Situation einen Nachteil?

Des Menschen Sinn für Gerechtigkeit

macht Demokratie möglich. Seine Neigung zur Ungerechtigkeit macht

Demokratie notwendig. [Reinhold Niebuhr]

Herausforderungen in der aej in Bezug auf Partizipation und Demokratie (Sammlung aus der 1. und 2. Workshoprunde)

• Produktivität vs. Idealismus – Wir würden gerne Demokratie machen, aber es soll auch voran gehen und nicht im Prozess hängen bleiben.

• Jugendliche haben wenig Zeit, um z.B. noch abends auf Sitzungen zu gehen (Sitzungen sind ev. zum falschen Zeitpunkt.

• Jugendliche sind teilweise überfordert in der Gestaltung von Prozessen, wenn Sie die volle Verantwortung bekommen.

• Jugendliche sind teilweise wenig zuverlässig (sagen etwas zu, kommen dann aber nicht).

• Neue Formen von Entscheidungsprozesse ausprobieren.

• Grundsätzlich sollte die Demokratie als Lebensform in der aej gestärkt werden.

• Das Spannungsfeld Ehren- und Hauptamt ist in diesem Zusammenhang zu beachten.

• Wie kann Partizipation gesichert werden, vor allem zu Beginn eines Prozesses, wie kann man neue Strukturen etablieren?

• Wie lernen wir mit Frustmomenten in der Demokratie umzugehen (z.B. bei Abstimmungsniederlagen)?

• Kommunikation zwischen den Gremien, die von Jugendlichen dominiert werden mit denen, die von Erwachsenen dominiert werden, läuft häufig schlecht.

• Wie können wir Demokratie als Wert in der aej vermitteln?

• Wie beteiligen wir alle Milieus in der aej (bisher eher Mittelschicht)?

Herausforderungen in der aej in Bezug auf Partizipation und Demokratie (Sammlung aus der 2. Workshoprunde)

• Der Staat ist leider manchmal ein schlechtes Vorbild, dann ist es schwer Argumente zu finden, warum wir es besser machen sollten.

• Die Kommunikation zwischen dem, was die Basis will und den höheren Ebenen gestaltet sich schwierig, wie können „gute Ideen“ aus Bundes- bzw. Landesebene an die Basis vermittelt werden?

• Die Einstellung „wir machen das für Dich“ ist häufig kontraproduktiv, weil die Jugendlichen dann nicht mehr selber entscheiden müssen und ihnen die vermeintlichen Schwierigkeiten abgenommen werden.

• Ziel sollte ein gesamtverbandliches Verständnis über Demokratie und Partizipation sein, daran fehlt es bisher.

• Demokratie und Partizipation sollten den Jugendlichen nicht als Themen von außen aufgedrückt werden – wie kann man Interesse wecken?

• Stimmen überhaupt noch unsere Strukturen? Wer hat den Mut, das anzusprechen?

• Finanzen haben die Entscheidungsmacht übernommen „dafür ist kein Geld da“

• Weiterbildung der EA/HA-Mitarbeiter/innen zu diesen Themen muss aufrecht erhalten werden und darf nicht zurückgefahren werden.

• Es gibt unterschiedliche Interessenlagen auf den verschiedenen Ebenen der aej – wie können diese miteinander vermittelt werden?

• Das Problem beginnt bereits in der Konfi-Arbeit, die Pfarrer und Gemeindepädagogen beteiligen die Jugendlichen nicht.

Herausforderungen in der aej in Bezug auf Partizipation und Demokratie (Sammlung aus der 2. Workshoprunde)

• Es gibt ein strukturelles Problem mit der Kirche, „Laien vs. Pastoren“, wir werden nicht ernst genommen.

• Hauptamtliche sind häufig damit überfordert Partizipation umzusetzen. Andererseits gibt es best-practice-Beispiele, die deutlich machen, es lässt sich was verändern!

• Der Jugendverband ist nicht Anstellungsträger der Hauptamtlichen, das wird im Konfliktfall deutlich.

• Ansätze und Anläufe von Jugendlichen werden nicht ernst genomme.n

• Demokratie kann nicht verordnet werden.

• Im Konfliktfall wird die größere Macht der Hauptamtlichen ausgespielt und dann zeigt sich das Problem der Strukturen deutlich.


Recommended