DEMENZ BEI GEISTIGER BEHINDERUNG
Wie werde ich diesem Personenkreis gerecht?
Brigitte J. Restle
Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV
Grundlage dieser Präsentation ist das Buch:
„Demenz bei geistiger Behinderung“ von Sinikka Gusset-Bährer
Da die Lebenserwartung von Menschen mit geistigen Behinderungen erheblich gestiegen ist und weiter steigt, wird es immer wichtiger, Demenzerkrankungen zu erkennen, um eine angemessene Behandlung und Pflegeermöglichen zu können.
1 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
AGENDA 1. TAG:
Einleitung ins Thema
Formen von Demenzerkrankung
Stadien der Demenzerkrankungen
Symptome von Demenzerkrankungen bei
Menschen mit geistiger Behinderung
Die Demenz vom Alzheimertyp bei Personen mit geistiger Behinderung
Diagnostik
Wie erleben Menschen mit geistiger Behinderung eine Demenz?
Lebensort und Lebensqualität von demenzkranken Menschen mit geistiger Behinderung
EIN PAAR ZAHLEN
Ca. 18 % der deutschen Bevölkerung sind momentan über 65 Jahre alt.
Insgesamt sind das mehr als 14,8 Millionen Menschen.
Im Jahr 2050 dürfte jeder 7. Bewohner Deutschlands 80 Jahre und mehr zählen.
Schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen leiden heute an einer Demenz.
2050 rechnet man mit mind. doppelt so viel Erkrankten!
Ca. 70 % der Demenzkranken werden zu Hause durch Angehörige versorgt.
Die Krankheitsdauer kann 2 -20 Jahre betragen.
Durchschnittliche Lebenserwartung von Menschen mit Intelligenzminderung (IM)
• Ca. 1930 = 19 Jahre - 2005 = 66,1 Jahre (USA, zitiert nach Urban K. 2007)
• Adäquate medizinische Versorgung oft fehlend
• 60% leben, auch wenn sie älter sind, Zuhause bei den Eltern.
• Körperliche Fitness im Alter bei Menschen mit IM deutlich schlechter als bei der
Normalbevölkerung (Rimmer J.H. 1998)
ERKRANKUNGSRISIKO BEI MENSCHEN MIT INTELLIGENZMINDERUNG - IM
Schwierigkeiten mit dem Hören
o Menschen mit IM 50-59 Jahre = 70 %
o Normalbevölkerung 65-74 Jahre = 25 %
Schwierigkeiten mit dem Sehen
Osteoporose
Übergewicht/ Adipositas
schlechter Zahnstatus
Psychiatrische Morbidität
Verhaltensauffälligkeiten als Ausdruck körperlicher Beschwerden
2 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
DER UNTERSCHIED ZWISCHEN DEMENZ UND ALZHEIMER
Demenz ist ein Oberbegriff, etwa wie Krebs oder Rheuma. Es gibt nicht den Krebs oder
das Rheuma.
Demenz ist ein Syndrom, das die Folge einer meist chronischen oder fortschreitenden
Krankheit des Gehirns ist.
Demenz ist eine Hirnerkrankung bei der durch unterschiedliche Ursachen Hirnzellen
unwiederbringlich zerstört werden. Wir kennen über 100 Demenzformen!
Die Alzheimer Krankheit ist mit rund 2/3 die häufigste Ursache für eine
Demenzerkrankung.
Insofern gilt!
Jeder Alzheimer Patient ist dement,
aber nicht jeder demente Mensch muss Alzheimer haben!
Diese Klarstellung ist sehr wesentlich für eine gezielte Therapie!
DEMENZ WIRD NACH FOLGENDEN KRITERIEN DEFINIERT:
• Beeinträchtigung der Aktivitäten des täglichen Lebens durch Abnahme von Gedächtnis und
Denkvermögen (beispielsweise ist die Urteilsfähigkeit eingeschränkt, der Ideenfluss
vermindert)
• Allgemein ist die Informationsverarbeitung erschwert
• Hinzu kommt eine Verschlechterung der emotionellen Kontrolle, der Motivation und des
Sozialverhaltens.
• Dauer dieser Symptome länger als 6 Monate
• Verlauf ist chronisch fortschreitend
• Die Demenz ist nicht heilbar
STÖRUNGEN BEI DEMENZ
• Kognitive Störungen = Kernsymptome
• Gedächtnis, Denken, Orientierung, Auffassung, Rechnen, Lernfähigkeit, Sprache und
Urteilsvermögen
• Nonkognitve Symptome = psychische Probleme
• Veränderungen im Erleben und Verhalten
• Depressionen, Aggressionen, Angst, Apathie, Unruhe, zielloses Umherwandern
• Erhöhte Verletzlichkeit kann bei falschem Umgang oder Umwelteinflüssen zu
Aggressionen oder Angst führen
EINTEILUNG DER DEMENZEN
1. primäre Demenz mit einem Anteil von 85 - 90 %
2. sekundäre Demenzen mit einem Anteil von 10 -15 %
3 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
1. PRIMÄRE DEMENZEN
DIE DEMENZ VOM ALZHEIMER TYP
• Eine primär zerebrale Krankheit, bei der das Gehirn abbaut.
• Typisches Merkmal sind die amyloiden Plaques
• Weiteres Kennzeichen sind Neurofibrillenknäuel. Dies führt möglicherweis zum Zelltod – aber
auf jeden Fall zu Funktionsstörungen.
• Bei der Alzheimer-Demenz sterben Hirnzellen in der Hirnrinde und in tiefer gelegenen
Regionen ab.
• Es gibt zwei Formen der Alzheimer Demenz:
• Die späte Form der AD: Beginn nach dem 65. Lebensjahr – schreitet langsamer
voran!
• Die frühe Form der AD: beginn vor dem 65. Lebensjahr – schnellerer Verlauf!
• Diagnosestellung ist schwierig – Ausschlussdiagnostik!
• Endgültiger Beweis erst nach dem Tod durch Autopsie.
DIE VASKULÄRE DEMENZ
• Ein Prozess bei dem kleine Infarkte im Gehirn stattfinden.
• Blutgefäße, die das Gehirn versorgen sind verengt oder verstopft – dadurch wird das
Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt – Hirnzellen sterben ab!
• Ursache meist Bluthochdruck
• Beginn meist im höheren Lebensalter.
Es gibt verschiedene Typen der VD:
• mit akutem Beginn
• Reihe von Schlaganfällen
• Embolie
• Blutung
• Multi-Infarkt-Demenz – beginnt allmählich, nach vielen vorübergehenden
Durchblutungsstörungen, Anhäufung von Infarkten.
• subkortikale Demenz - tiefere Schlaganfälle, Hirnrinde intakt.
DIE FRONTOTEMPORALE DEMENZ – Morbus Pick Komplex
• Abbau im Bereich der Stirn und Schläfen
• zur Ursache wenig Erkenntnisse
• Beginn im mittleren Lebensalter
• frühe, langsam fortschreitende Veränderung der Persönlichkeit
• Verlust der sozialen Fähigkeiten (z.B. Gleichgültigkeit, Distanzlosigkeit, sexuelle
Entgleisungen)
• dann Beeinträchtigung von Intellekt, Gedächtnis Sprache (semantische Demenz)
• begleitet von Apathie, Euphorie, Depressionen
• die Erkrankten erhalten häufig eine falsche Diagnose!!!
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LEWY KÖRPERCHEN DEMENZ
o Ablagerung eines Proteins(Eiweiß → Alpha-Synuclein, die sogenannten Lewy-
Körperchen.
o diese stören die Funktion der Hirnzellen im Hirnstamm und in der Großhirnrinde.
o zentrales Merkmal ist die Funktionseinschränkung im Alltag und starke kognitive
Schwankungen
o visuelle Halluzinationen, Parkinson-Symptome,
o Verhaltensauffälligkeiten im Schlaf,
o Überempfindlichkeit auf Neuroleptika
o Sturzneigung
2. SEKUNDÄRE DEMENZEN
als Folge einer anderen organischen Erkrankung
• Hirnverletzung
• Hirntumor (raumgreifende Prozesse)
• Entzündungen
• Herz-Kreislauf-Erkrankung
• Vergiftungen (Alkohol, Medikamente, Dämpfe)
• Stoffwechselerkrankungen (Schilddrüse, Diabetes)
• Bluthochdruck
• Mangelerkrankungen (Wasser, Folsäure, B12)
Wenn die Grunderkrankung rechtzeitig wirksam behandelt wird, normalisiert sich meist die
geistige Leistungsfähigkeit
RISIKOFAKTOREN FÜR EINE DEMENZ
• Bluthochdruck
• Diabetes
• Hoher Cholesterinspiegel
• Hoher Spiegel an Homocystein (Aminosäure, die in der Nahrung vorkommt)
• Nikotin-und Alkoholmissbrauch
• Früherlittenes Schädel-Hirn-Trauma
• deutliches Übergewicht (stärkere Hirnschrumpfung)
SPEZIELLE RISIKOFAKTOREN BEI GEISTIGER BEHINDERUNG
• Alter
• Bildung
• Genetik – Störung auf Chromosomen 1,14 19,21nachgewiesen
• Trisomie 21 – erhöhte Wahrscheinlichkeit an Alzheimer zu erkranken (75% > 65j.)
• alle Hirnschädigungen
SCHUTZFAKTOREN BEI DEMENZ
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• Gesunde Ernährung
• Körperliche Bewegung
• Kognitive Aktivität
• Anspruchsvolle berufliche Tätigkeit
• Soziale Aktivitäten
o Menschen mit höherem Bildungsniveau können länger Demenzsymptome verbergen
oder kompensieren – kognitive Reserve
o Menschen mit geistiger Behinderung haben eine deutlich geringere kognitive
Reserve.
STADIEN DER DEMENZERKRANKUNG
• Bei abnehmender Leistungsfähigkeit des Gedächtnisses kommt es auch zu einer Abnahme
anderer kognitiver Fähigkeiten.
• Es werden 3 Phasen unterschieden
1. leichte Beeinträchtigung
2. mittelgradige Beeinträchtigung
3. schwere Beeinträchtigung
LEICHTE BEEINTRÄCHTIGUNG
• Selbstständiges Leben ist möglich
• Beeinträchtigungen in den Aktivitäten des täglichen Lebens
• Aufnahme und Wiedergabe von Neuem ist nur erschwert möglich
• Dinge werden verlegt, Termine vergessen
• Komplizierte tägliche Aufgaben und Hobbys werden nicht mehr bewältigt
MITTELGRADIGE BEEINTRÄCHTIGUNG
• Die Selbstständigkeit ist bedroht.
• Nur Vertrautes oder gut Gelerntes wird behalten.
• Zeitliche und örtliche Desorientierung
• Wissen nicht wo sie wohnen, was sie vor einer Stunde getan haben, wie die vertraute
Person heißt.
• Sprachstörungen
• Gefahr der Verwahrlosung, da die Aktivitäten des täglichen Lebens kaum mehr
bewältigt werden.
SCHWERE BEEINTRÄCHTIGUNG
• Verlust der Alltagskompetenz
• Informationen werden nicht mehr erinnert.
• Enge Angehörige werden nicht mehr erkannt.
• Bruchstückhafte Erinnerung von Frühgelerntem.
• Mangelnde persönliche Orientierung
6 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
• Sprachzerfall
HÄUFIGKEIT VON DEMENZERKRANKUNG BEI GEISTIGER BEHINDERUNG
• Es gibt keine Zahlen darüber, wie viele Menschen mit geistiger Behinderung an einer
Demenz erkrankt sind.
• Menschen mit geistiger Behinderung werden auch zunehmend hochaltrig.
• Mit steigender Lebenserwartung steigt das Risiko an einer Demenz zu erkranken.
• Wir müssen mit einer starken Zunahme von geistig behinderten Menschen mit Demenz
rechnen.
ANZEICHEN EINER DEMENZERKRANKUNG BEI MENSCHEN MIT DOWN-SYNDROM
• Während des normalen Alterns kann die kognitive Leistungsfähigkeit zurückgehen.
• Die leichte kognitive Störung MCI „mild cognitive impairment“ äußert sich durch leichte
Gedächtnisstörungen, Rückgang von Merkfähigkeit und Lernstörungen.
• Für Menschen ohne Demenz kann dies in Testverfahren nachgewiesen werden.
• Bei Menschen mit Down-Syndrom wurden Symptome festgestellt, die für sehr frühe
Anzeichen einer Alzheimer-Demenz interpretiert werden können.
• Ca. 50 % der Betroffenen entwickelt nach 5 -6 Jahren eine Demenz, die andere Hälfte
findet zur vorherigen Leistungsfähigkeit zurück.
SYMPTOME VON DEMENZERKRANKUNG BEI MENSCHEN MIT GEISITGER BEHINDERUNG
• Erscheinungsweise der Alzheimer Demenz und anderer Demenzen ist ähnlich wie bei
Menschen ohne geistige Behinderung.
• Symptomatik bei Menschen mit Down-Syndrom und einer Demenz vom Alzheimer Typ
wird untersucht.
• Es liegen keine Untersuchungsergebnisse bei anderen geistigen Behinderungen mit
Demenz vor.
SYMPTOME BEI PERSONEN MIT DOWN-SYNDROM
Zu Beginn: Störung des Kurzeitgedächtnisses bei verhältnismäßig intaktem
Langzeitgedächtnis.
Frühe Störungen im Frontotemporalbereich:
• Emotionale Störungen
• Persönlichkeitsveränderungen
• Veränderungen im Verhalten
• Generelle Verlangsamung bei Aktivitäten und Sprache
• Sprachstörungen - eingeschränkte Ausdrucksweise, flacher Tonfall, Rückgang von
Sprachverständnis, zu viele Informationen auf einmal werden nicht verstanden.
• Depressionen
• Müdigkeit
• Sozialer Rückzug
• Verlust von Interessen
7 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
• Gleichgewichtstörungen
• Schlafstörungen
• Verlust von erworbene Fähigkeiten
• Bewegungsunruhe, Umherstreifen („sundowing“)
• Angst, Panik, Weinen, Schreien
• Herausforderndes Verhalten
• Verweigerung (eher im frühen Stadium)
• verbale u. körperlich Aggressionen (eher im fortgeschrittenen Stadium)
• Zwangshandlungen
• Veränderungen der Persönlichkeit
• Rückzugsverhalten
• Halluzinationen, Wahnvorstellungen
• Epilepsie
BEGELITERKRANKUNGEN häufiger bei Menschen mit Down Syndrom
• Lungenerkrankungen
• Erkrankungen des Verdauungsapparats
• Obstipation
• Chronische Infekte, Blasen – und Lungenentzündungen
• Depressionen
• Ernährungsprobleme, Schluckbeschwerden
ALTERSABHÄNGIGE HÄUFIGKEIT DER DEMENZ
ALTERSABHÄNGIGE HÄUFIGKEIT DER DEMENZ
0
10
20
30
40
50
60
65 -69 J. 70 -74 J. 75 -79 J. 80 -90 J ab 95 J.
42
DEMENZERKRANKUNGEN BEI GEISTIGER BEHINDERUNG
• Diese Zahlen können nicht auf Menschen mit geistiger Behinderung übertragen werden.
• Es gibt nur Zahlen für Menschen mit Down-Syndrom.
• Die Alzheimer-Demenz ist auch bei Menschen mit DS die häufigste Form von Demenz.
• Das Risiko daran zu erkranken ist bei Menschen mit Down-Syndrom 2 -3 mal höher.
• Bei den über 60-65 jährigen 3 – 4 x so hoch.
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DURCHSCHNITTLICHE LEBENSERWARTUNG VON MENSCHEN MIT DOWN-SYNDROM
0
10
20
30
40
50
60
70
1929 1947 1961 1988 1995
44
PRÄVALENZRATE (KRANKHEITSHÄUFIGKEIT) VON DEMENZERKRANKUNGEN BEI MENSCHEN MIT DOWN-SYNDROM
0
10
20
30
40
50
60
70
80
30-39 Jahre 40-49 Jahre 50-59 Jahre 60 + Jahre
45
WARUM IST EINE FRÜHE DIAGNOSTIK SO WICHTIG?
• Je früher eine Demenzerkrankung erkannt wird, desto früher kann mit der Behandlung und
der Versorgung der betroffenen Person und der Unterstützung des Umfeldes begonnen
werden.
• Viele therapeutische Behandlungsansätze können im Frühstadium die Belastung der
Betroffenen und ihres sozialen Umfeldes verringern und die Pflegebedürftigkeit verzögern.
Gilt für Menschen mit und ohne geistige Behinderung!
DIAGNOSTIK
• Ausführliche Vorgeschichte und Befunde
• Ähnliche Erkrankungen in der Familie
• Gedächtnis, Sprache, Orientierung, Planungs- und Urteilsfähigkeit.
• Stimmung, Verhalten, Persönlichkeit (Depressionen müssen gezielt erfasst werden.
Sie begleiten häufig den Beginn einer Demenz, gelten als Risikofaktor!)
• Körperliche und neurologische Auffälligkeiten
• Laborbefunde
• Blut: Folsäure –oder B12 Mangel, Unter-oder Überfunktion der Schilddrüse,
Homocystein, Vergiftungen durch Medikamente, wie Psychopharmaka, Blutdruckmittel,
Herzmedikamente
• Alkoholabhängigkeit
• EKG
• Darstellung der Hirnstruktur (CT, MRT)
→ Suche nach möglicherweise behandelbaren zerebralen Prozessen
• Hydrozephalus, subdurales Hämatom, Schlaganfälle, Tumore, Hirnatrophie
• Darstellung von Hirnfunktionen (EEG, SPECT, PET) zeigen Durchblutung und
Zuckerstoffwechsel des Gehirns
• Tests (Mini Mental, Uhrentest u.a.)
9 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
DIAGNOSESTELLUNG IST AUS VERSCH. GRÜNDEN BEI MENSCHEN MIT GEISTIGER
BEHINDERUNG SCHWIERIG
Beginnende Symptome werden überdeckt von der geistigen Behinderung (ähnliches
Erscheinungsbild)
Folgende Auffälligkeiten können sowohl bei Demenz als auch bei geistiger Behinderung
vorliegen:
• Kognitive Beeinträchtigungen
• Abstraktionsschwierigkeiten
• Kritik-und Urteilsfähigkeit
• Sprachstörungen
• Beeinträchtigungen in den ATLs
• Motorische Störungen (Gang-, Koordination Geschicklichkeitsprobleme)
Trotzdem ist eine geistige Behinderung nicht gleichzusetzen mit einer Demenz
• vorhandene Diagnoseinstrumente ungeeignet
• kein deutschsprachiger Test vorhanden
• Normwerte der Bevölkerung untauglich
• große Leistungsunterschiede
• gewisse Altersvergesslichkeit kann vorliegen
• teilweise Fehlen von Sprache, Analphabetismus
• Betroffene können nur schwer Auskunft geben über ihr Befinden.
WIE SIEHT DEMENZDIAGNOSTIK BEI MENSCHEN MIT GEISTIGER BEHINDERUNG AUS?
• Verschlechterung der beobachtbaren Leistungsfähigkeit
• Beobachtungszeitraum länger als 6 Monate
• Ausführliche Dokumentation
• Man ist auf Angaben von Bezugspersonen angewiesen.
• Wie ist die psychosoziale Situation?
• Wo wohnt er/sie
• Arbeitet er/sie, wo? Was?
• Wie sehen die sozialen Kontakte aus?
• Welche Medikamente? Früher und heute?
Ausschlussdiagnostik, wie bei Menschen ohne geistige Behinderung
• Anamnese, Familiengeschichte, internistische-und neurologische Untersuchungen,
Stoffwechselerkrankungen (bei Down-Syndrom)
• Erfassen von möglichen Schädelhirntraumata (v.a. Kopf gegen die Wand schlagen,
Spätepilepsie
Tests: Die gängigen Testverfahren sind nicht geeignet für Menschen mit geistiger
Behinderung. In diesen Test muss geschrieben, gerechnet und gelesen werden
• Viele Menschen mit Down-Syndrom haben schon früh deutlich Seh-und
Höreinbußen.
10 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
TESTS FÜR MENSCHEN MIT GEISTIGER BEHINDERUNG
• Im deutschsprachigen Raum gibt es noch keine anerkannten Testverfahren.
• Im englischem Sprachraum:
• Dementia Scale for Down Syndrome (DSDS) – Befragung der Bezugspersonen:
Sie geben Auskunft über Alltagskompetenz, Veränderung in Emotionen und
Motivation, zum Kurz-und Langzeitgedächtnis, zur Orientierung, zur Sprache, zum
passiven Wortschatz, zur Feinmotorik, den Interessen, zu Verhaltensauffälligkeiten
und zur Neigung von epileptischen Anfällen
Weitere Verfahren:
• Dementia questionnaire for mentally Retarded Persons (DMR) von Evenhuis
• In der Entwicklung eines Testverfahrens –
Dr. Andreas Ackermann, Institut für Psychogerontologie, Universität Erlangen
→ noch nicht abgeschlossen!
Menschen mit Down-Syndrom sollten schon vor dem 40. Lebensjahr getestet werden und
dann alle 2-3 Jahre wieder, da sie ein hohes Erkrankungs-Risiko haben. Früherkennung!
Menschen mit anderen geistigen Behinderungen vor dem 50. Lebensjahr.
KOGNITIV-EMOTINALE VERARBEITUNGDES ALTERUNGSPROZESS BEI IM
• Bei schwerer Behinderung wenig Reflexion der Vergangenheit und wenig Erwartung an die
Zukunft.
• Verstärkung von körperlichen Beschwerden
• Erleben von Verlusten
• In großen Institutionen:
o Verlust körperlicher Energie Schonung durch Betreuungspersonen
o Verlust der Stellung in der Hierarchie der Bewohner starke Kränkung
Depression mit aggressivem Verhalten
o
WIE ERLEBEN MENSCHEN MIT DOWN-SYNDROM EINE DEMENZERKRANKUNG?
Genau wie andere Demenzkranke!
• Sie versuchen eine Fassade aufrecht zu erhalten.
• Verniedlichung
• Leugnen von Schwierigkeiten
• An Routine festhalten
• Somatisieren
• Konfabulation= Füllen von Gedächtnislücken mit objektiv falschen Inhalten.
• Sie möchten weiterhin als kompetente und unabhängige Menschen gelten.
• Sie spüren die Veränderung und leiden darunter.
11 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
LEBENSORT UND LEBENSQUALITÄT VON DEMENZKRANKEN MIT EINER GEISTIGEN
BEHINDERUNG
Etwa die 50 -60 % der behinderten Menschen leben bei Angehörigen.
Andere Wohnformen sind:
o Stationäre Wohnformen,
mit Angeboten von Arbeit , Beschäftigung, Freizeit, medizinische,
therapeutische und pflegerischer Fachdienste
o Teilstationäre Wohnformen
Meist nur Angebote, die sich auf das Wohnen beziehen.
Ambulant betreute Wohngruppen
Stundenweise psychosoziale Betreuung und Unterstützung im Alltag
LEBEN BEI ANGEHÖRIGEN
• Eltern, die ihr geistig behindertes Kind zuhause betreuen, tun dies meist auch, wenn eine
Demenzerkrankung hinzukommt.
• Sie haben sich schon vor langer Zeit entschieden ihr Kind zuhause zu betreuen und
passen sich nun den neuen Umständen an und holen zusätzliche Hilfe ins Haus.
• Angehörige wissen wenig über Demenzerkrankungen.
• Eltern zeigen meist keine höhere Belastung, wenn eine Demenz hinzu kommt.
• Wenn Eltern versterben oder nicht mehr können, übernehmen Geschwister die
Betreuung.
• Sie erleben die Betreuungssituation häufig als schwierig, geprägt von Frustrationen und
Isolation.
LEBENSORT FÜR DEMENZKRANKE MIT GEISTIGER BEHINDERUNG
• In Deutschland keine spezielle Pflegeeinrichtung
• Verbleiben meist zuhause oder in ihren Wohngruppen bis es nicht mehr geht.
• Pflegeheimmitarbeiter müssen geschult werden über Demenz bei Menschen mit
geistiger Behinderung.
• Behinderteneinrichtungen müssen eigene Konzepte entwickeln.
MILIEUTHERAPIE –GESTALTUNG DER UMWELT FÜR DEMENZKRANKE MENSCHEN
Menschen, die an einer Demenz erkrankt sind, sind mit Fortschreiten der Krankheit immer
weniger im Stande, sich verbal zu äußern.
Sie können nicht sagen was ihnen fehlt
Sie können sich nicht selber helfen
Sie können und ihre Bedürfnisse nicht mitteilen
Wir können versuchen, durch spezielle Konzepte ihre Lebensqualität weitgehend zu erhalten.
12 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
MILIEUTHERAPIE SETZT SICH ZUSAMMEN AUS:
1. Gestaltung der räumlichen Umwelt
2. Der organisatorischen Umwelt
3. Der psychosozialen Umwelt
1. GESTALTUNG DER RÄUMLICHEN UMWELT
Die Räumlichkeiten sollten sicher und möglichst einen barrierefreien Zugang in einen
geschützten Garten haben.
Keine Stolperfallen, wie Schwellen oder Teppiche
Sensormatten vor dem Bett
Helle Umgebung, keine dunkle Nischen
Ausgänge und Fenster sichern
Keine Möbel auf Rollen oder zu leichte Möbel
Potenziell gefährliche Gegenstände außer Reichweite stellen oder sichern,
beispielsweise Putzmittel, Scheren und Messer, Medikamente etc.
Steckdosen, Herd und andere elektrische Geräte sichern.
Temperaturbegrenzer bei Mischbatterie
Nachlichter anbringen
Farben und Kontraste einsetzen (siehe extra Handout)
WAHRNEHMUNG BEI DEMENZ
Im Alter nimmt das Sehvermögen ab. Bei Menschen mit Demenz verändert sich:
Scharfes Sehen erst bei wenig Abstand
Wahrnehmung von Farben verändert sich
Gesichtsfeld engt sich ein, seitlich liegende Informationen werden kaum gesehen.
Haben Probleme zu fokussieren
Akkommodationsfähigkeit des Auges ist erschwert, also das Umschalten des Sehen in
der Ferne und in die Nähe.
LICHT ALS FAKTOR DER UMGEBUNGSGESTALTUNG
Unzureichendes oder falsch eingesetztes Licht scheinen an der Entstehung von
Verhaltensauffälligkeiten beteiligt zu sein.
Unruhe, Aggressivität, Angst, Schlafstörungen aber auch Apathie
Angemessenes Licht kann die Orientierung stützen.
Aufenthalt im Freien fördert die Bildung von Vit. D
Knochenbildung (Prophylaxe bei Osteoporose!)
Bei Dunkelheit wird Melatonin produziert (Schlafhormon) – macht müde, träge,
antriebslos, fördert Depressionen
Täglicher Aufenthalt im Freien oder vor einem Fenster (min. 2 Std.)
13 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
REDUZIEREN VON REIZEN
Menschen mit Demenz benötigen eine Atmosphäre ohne Hektik und Lärm.
Vor allem beim Essen ist Ruhe wichtig!
Schnelles Gehen, Rufen in den Gängen, Türen schlagen, Telefonklingeln, die
ununterbrochene Hintergrundbeschallung durch das Radio, können zu Unruhe und
Aggressionen führen.
Räumliche Enge kann als stressreich erlebt werden.
FÖRDERUNG VON BEWEGUNG UND BESCHÄFTIGUNG
Ein Merkmal von Lebensqualität ist aktiv sein zu können.
Folgen der Demenz sind auch motorische Defizite, geringe körperliche Aktivität, erhöhtes
Sturzrisiko und kognitive Schädigungen.
Räumliche Gestaltung muss Bewegung und Beschäftigung ermöglichen.
Entfernung von Türschwellen, Bau von Rampen
Beschäftigungsräume sollten als solche erkennbar sein – nur als solche nutzen!
Sinne aktivieren durch Musik, Gerüche, interessantem Material zum Anfassen und
Licht.
Möblierung, z.B. eine Werkbank, ein Korb mit Wäsche oder Wolle,
„Krutschelschublade“ o.ä.
Zum Ausruhen Sitzmöglichkeiten wohl platziert anbieten.
2. GESTALTUNG DER ORGANISATORISCHEN UMWELT
Schaffung einer Struktur für den Tag, die dem Menschen mit Demenz Sicherheit
und Orientierung gibt.
Schaffen eines gewohnten Tages-und Jahresrhythmus.
Der Tag in überschaubare Abschnitte eingeteilt werden.
Wechsel von Aktivität und Ruhe
Feste Essenzeiten und Ruhezeiten
ORGANISATORISCHE STRUKTURIERUNG VON TAG UND NACHT
Tagesablauf und Aktivitäten auf Tagesplan darstellen.
Rituale können bestimmte Abschnitte ankündigen, z.B. Marschmusik für den
Toilettengang, ein Gebet vor dem Essen, meditative Musik für Ruhephasen.
Wohnküche kann zum Nacht-Café werden, wo Bewohner auch nachts etwas zum
Essen und Trinken bekommen kann, Musik hören kann, nicht alleine ist..
Bereitstellung einer Nachtwache, entscheidet häufig darüber ob der Bewohner in der
Einrichtung bleiben kann oder nicht. (Nachtwachen müssen auch geschult werden!)
14 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
ESSEN UND TRINKEN
Ernährung spielt im Alter für die Erhaltung der Gesundheit und Selbstständigkeit
eine große Rolle.
Viele Menschen mit Demenz sind schlecht ernährt und leiden an Flüssigkeitsmangel.
Dehydrierung, Folsäure- u. B12- Mangel steigert Verwirrtheit
Verstopfung, Müdigkeit, Apathie, Muskelabbau, Sturzgefahr
Menschen mit Demenz können häufig nicht mehr selbstständig essen *
erkennen das Besteck, das Glas …. nicht mehr.**
haben häufig keinen Appetit mehr.
bevorzugen Süßspeisen (Geschmacksveränderung)
haben Probleme bei Schlucken
haben häufig einen trockenen Mund (Medikamente?)
brauchen Zeit und Ruhe beim Essen; therapeutisches Essen, d.h. ein/e BetreuerIn isst
mit und macht vor.
*Apraxie: die Fähigkeit zur Ausführung motorischer Aktivitäten ist beeinträchtigt,
obwohl die Motorik, Sensorik und das Aufgabenverständnis unbeeinträchtigt sind. Sie
sind in ihrer Fähigkeit beeinträchtigt, den Gebrauch von Objekten nachzuahmen (zum
Beispiel Haare kämmen) oder bekannte Bewegungen auszuführen (zum Beispiel
Winken beim Abschied).
**Agnosie: Fehler beim Wiedererkennen oder Identifizieren von Objekten, trotz
intakter sensorischer Funktionen. Die Fähigkeit zum Erkennen von Gegenständen
verlieren, zum Beispiel Stuhl oder Bleistift. Im Endstadium sind sie möglicherweise
nicht mehr in der Lage, Familienmitglieder oder sogar ihr eigenes Spiegelbild zu
erkennen.
BESCHÄFTIGUNGS- UND AKTIVIERUNGSANGEBOTE
Ziel: vermitteln von Erfolgserlebnissen
hier spielt die angepasste Kommunikation eine große Rolle.
positives Erinnern durch Musik, Bildern, Spiele
Gefühl der Zugehörigkeit durch gemeinsame Aktivitäten.
Durch gemeinsames Tun und Anerkennung wird das Gefühl, „ich kann noch was,
ich bin noch wer, ich gehöre dazu!“ gestärkt.
Beschäftigung richtet sich nach den Ressourcen der Menschen mit Demenz.
Anknüpfen an vertrauten Verrichtungen
auf individuelles Interesse achten
nicht über aber auch nicht unterfordern
Alles was wir dem Menschen mit Demenz aus der Hand nehmen, wird schneller
verlernt!
körperliche Aktivitäten fördern das Denken.
15 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
DURCH KÖRPERLICH BEWEGUNG
Erhalt von Alltagskompetenzen wie,
Treppensteigen
Schweres Tragen
An- und Ausziehen
In die Badewanne steigen
…
Regelmäßiges gezieltes Bewegen, ermöglicht dem alten Menschen länger
selbständig zu leben – Lebensqualität!
DIREKTE EFFEKTE DURCH BEWEGUNGSTRAINING
Reduzierter Stress/ Angstabbau
Verbesserte Stimmung
Blutzuckerregulierung
Durchblutungssteigerung
Struktur im Alltag
Sozialer Kontakt
INDIREKTE EFFEKTE DURCH REGELMÄSSIGE KÖRPERLICHE AKTIVITÄT
Reduzierter Stress/ Angstabbau
Verbesserte Stimmung
Blutzuckerregulierung
Durchblutungssteigerung
Struktur im Alltag
Sozialer Kontakt
GEDÄCHTNISTRAINING
kognitive Aktivierung wirkt sich positiv aus
Am besten schon vor dem Beginn einer Demenzerkrankung als regelmäßiges
Programm im Wochenplan.
Das Training steht nicht im Vordergrund, sondern der Spaß gemeinsam etwas zu
tun.
Ein Ganzheitliches Training, d.h. die Kombination von Bewegung und geistiger
Aktivität,
Übungen für das Gedächtnis, die Konzentration und die Flexibilität
3. GESTALTUNG DER PSYCHO-SOZIALEN UMWELT
psychische und soziale Merkmale der Umwelt beeinflussen sich gegenseitig.
die Betreuer habe einen großen Einfluss auf das Wohlbefinden des Bewohners
das Team kommuniziert miteinander, sucht und probiert neue Wege, gibt
Rückmeldung …
16 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
erforderlich ist ein kreatives und flexibles Verhalten der Mitarbeiter – was heute
gilt, ist morgen nicht mehr so!
Menschen mit Demenz sind nicht immer gleich – wechselhaft – und können für
sich selbst nichts tun, damit es ihnen besser geht!
UMGANG MIT AN DEMENZ ERKRANKTEN MENSCHEN
die Einstellung und das Verhalten der Mitarbeiter prägt das Wohlbefinden der
Demenzkranken.
Gehe mit dem Demenzkranken so um, wie du gerne hättest, dass man mit dir
umgeht!
Menschen mit Demenz können nicht auf uns zu gehen, sondern wir gestalten die
Situation (Beispiel „Macho“)
der Mitarbeiter gibt Sicherheit und Stabilität in einer Welt die immer unsicherer wird.
DIE PERSONENZENTRIERTE PFLEGE NACH TOM KITWOOD
Folgende Interaktionen fördern eine positive Personenarbeit:
den Demenzkranken in seiner Einzigartigkeit anerkennen
seine Vorlieben und Wünsche erfragen
den Demenzkranken immer einbeziehen
Feiern und Freude empfinden
eine sensorische und sinnbezogene Zugangsweise nutzen
Spielen ermöglichen, zweckfreie Beschäftigung
Entspannung fördern
NEGATIVER UMGANG – PERSONALE DETRAKTIONEN
dem Demenzkranken zur Machtlosigkeit verurteilen
ihn autoritär behandeln oder verniedlichen
etikettieren („der, der immer schreit!“)
ihn mit zu vielen Informationen und Geschwindigkeit „erschlagen“, ihn ständig
überholen
ihn ignorieren (über ihn sprechen, an ihm vorbeigehen …)
ihn nicht als denkendes, fühlendes Wesen wahrnehmen
ihm sein Verhalten vorwerfen
seine Gefühle nicht ernst nehmen
KOMMUNIKATION MIT DEMENZKRANKEN
Kommunikation ist ein wichtiger Bestandteil der sozialen Welt.
Menschen können miteinander lachen, weinen, scherzen, reden, streiten…
wir klopfen uns auf die Schulter, zeigen uns die kalte Schulter, schütteln den Kopf…
17 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
Menschen kommunizieren verbal und nonverbal.
Bei einer geistigen Behinderung und bei Demenz kommt es zu
Kommunikationsstörungen.
KOMMUNIKATIONSSTÖRUNGEN
Je weiter die Demenz fortschreitet und Sprache und Sprachverständnis schwinden, umso
mehr rückt die nonverbale Kommunikation in den Vordergrund.
Menschen mit Demenz haben einen „Sensor“ und reagieren auf emotionaler Ebene. Wenn
Sie gestresst und gehetzt sind, wird der Kranke dies spiegeln!
KOMMUNIKATIONSSTÖRUNGEN BEI MENSCHEN MIT DOWN SYNDROM
Bei Menschen mit Down-Syndrom ist die Sprache meist durch kurze Sätze,
vereinfachter
Grammatik, und eigenwilligen Satzbau geprägt.
Ihr Wortschatz ist meist geringer.
Sie haben Schwierigkeiten zu lange Sätze zu verstehen und verbale Anweisungen zu
befolgen.
KOMMUNIKATIONSSTÖRUNGEN BEI EINER DEMENZ
Veränderung bei der Sprachproduktion und beim Sprachverständnis.
frühes Stadium:
Wortfindungsstörungen
Problem mit zu denken, zu verstehen was der Andere meint.
Versuch Worte zu umschreiben
Andeutungen werden nicht verstanden
mittleres Stadium:
können einfach kurze Sätze sprechen
verlieren häufig den „Faden“
können allein kein Gespräch am Laufen halten.
eingeschränkte Grammatik und Wortschatz.
Gesprächsthemen liegen meist in der Vergangenheit
unvollständige Sätze, Wortfindungsstörungen
schweres Stadium
starke Beeinträchtigung der gesamten Kommunikation
stark eingeschränkte verbale Fähigkeit
Echolalie (nachsprechen von Wörtern)
Dysarthrie (Fehlfunktionen der Sprechmuskulatur)
Verstummen der Sprache
summen, brummen, ständiges Wiederholen eines Satzes oder eines Wortes, schreien
18 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
KOMMUNIKATION MIT DEMENZKRANKEN
Menschen mit Demenz kommunizieren, wenn die gesprochene Sprache immer
weniger wird, auf einer nonverbalen Ebene.
Die Sensibilität für Emotionen, Gefühle steigt.
Ein Mensch mit Demenz spürt, ob man ihn mag, ernst nimmt oder ablehnt.
Sie reagieren auf Stimmungen, Gestik, Mimik und den Klang der Stimme.
Mit ihrer Körpersprache geben sie häufig mehr Mitteilung über ihr Befinden und ihre
Bedürfnisse.
NON-VERBALE KOMMUNIKATION SETZT SICH ZUSAMMEN AUS.
Mimik
Gestik und Körperbewegungen
Körperhaltung
Stimme und Tonfall, ärgerlich, laut, glücklich
Lautäußerungen summen, stöhnen, schnalzen..
Augenkontakt und Augenbewegungen
Kleidung und Schmuck
HANDLUNGEN; DIE MENSCHEN MIT DEMENZ BEHINDERN (STÖREN)
• Wenn wir uns ihm zu schnell von hinten nähern, ihn erschrecken.
• Wenn wir uns nicht die Zeit nehmen, ihm zuzuhören und ihn zu verstehen.
• Wenn wir ein zu kompliziertes Anliegen an ihn haben.
• Wenn wir uns einfach, ohne zu fragen, auf seine Bettkante setzen.
• Wenn wir ihn einfach ins Gesicht fassen.
GESPRÄCHSFÜHRUNG MIT DEMENZKRANKEN MENSCHEN
• Umgebung sollte nicht zu dunkel sein!
• Nicht im Gegenlicht sitzen
• Von vorn und mit Namen ansprechen.
• Warmherzige und sichere Ausstrahlung ist effektiv.
• Sich selbst mit Namen vorstellen. „Ich bin Frau … ihre Begleiterin hier im
Krankenhaus.“
• Augenkontakt herstellen
• Berühren
• Langsam und deutlich sprechen
• Kurze Sätze mit je nur einer Information
• Vermeiden Sie Doppeldeutigkeiten und Ironie
• Geben Sie sensorischen Input, z.B. wenn Sie ihn zum Trinken auffordern zeigen sie
auf das Glas.
• Mimik und Gestik einsetzen
• Keine Diskussion
• Ritualisierte Sprache, Sprichwörter
• Kommentieren Sie was sie tun!
19 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
• Wiederholen sie
• Bestätigen sie ihn
• möglichst keine Fragen stellen
• Sprechen sie seine Gefühle an
• Seien sie geduldig und überholen sie ihn nicht..
• Helfen sie ihm auf die Sprünge.
• Humor
THERAPEUTISCHE ANSÄTZE
1. Ergotherapie
2. Musiktherapie
3. Bewegungstherapie
4. Verhaltenstherapeutische Ansätze
5. Medikamentöse Therapie
1. ERGOTHERAPIE
• hat das Ziel Menschen mit Demenz bei Alltagshandlungen zu unterstützen und ihre
Lebensqualität zu verbessern.
• trainieren von Fähigkeiten, um konkrete Aufgaben zu bewältigen –
• körperlich, kognitive oder psychosoziale Fähigkeiten
• das kann das Singen von Liedern sein, die schöne Erinnerungen wecken, oder eine
einfache Montagearbeit oder den Tisch decken.
• Menschen mit Demenz Erfolgserlebnisse vermitteln und das Selbstwertgefühl
steigern.
2. MUSIKTHERAPIE
• Singen und Musizieren ist der Königsweg in der Therapie bei Menschen mit
Demenz und/oder geistiger Behinderung.
• Die Fähigkeit zu singen und das Erinnern von Liedtexten bleiben lange erhalten.
• Erinnerungsarbeit durch Musik
• körperliche Aktivität mit Musik: Sitztanz, Gymnastik und Tanzen
3. VERHALTENSTHERAPEUTISCHE ANSÄTZE vor allem bei Verweigerungsverhalten
Gründe für die Verweigerung:
• Anforderung wird nicht verstanden
• um Aufmerksamkeit zu erhalten
• Scham (z.B. beim Waschen)
durch Belohnung positives Verhalten verstärken Belohnung ist etwas, was dem
Menschen sehr wichtig ist. Das kann etwas zum Essen sein, verbales Lob, eine Münze …
4. MEDIKAMENTÖSE THERAPIE
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Mit zunehmendem Altern wird die Gabe von Medikamenten schwieriger.
Da vor allem Muskelmasse im Alter abnimmt werden viele Medikamente im Körper mehr
verteilt, und sind so sind stärker und länger wirksam. (Wechselwirkung
Durch Multimorbidität im Alter – mehr Medikamente = mehr Wechselwirkung.
deshalb gilt das Motto: start low, go slow“ (mit niedriger Dosierung beginnen, langsam
steigern)
• Medikamente zur Stärkung des Gedächtnisses und intellektuellen Leistung, z.B.
Ginkgo, Antidementiva
• Medikamente zur Besserung von Verhaltensstörungen - Psychopharmaka
• Regelmäßige Untersuchungen des allgemeinen Gesundheitszustandes
• Im Spätstadium: viele Erleichterungen bei verschiedenen körperlichen
Problemen
ANTIDEMENTIVA
• Vorübergehende Zunahme von Aufmerksamkeit, Anteilnahme und Gesprächigkeit möglich.
• Fortschreiten der Symptome kann über mindestens 1 Jahr aufgehalten werden. • Stillstand der Krankheit ist bereits ein Behandlungserfolg! • Nachweisbare Erfolge bei erwachsenen Patienten mit Down-Syndrom!
PSYCHOPHARMAKA
• Medikamente zur Verbesserung von Verhaltensstörungen.
• Störungen wie Unruhe, Wahnvorstellungen, Feindseligkeit und Aggressivität werden
mit Neuroleptika behandelt
• Depressionen mit Antidepressiva
Aber: bei Verhaltensstörungen sollen Medikamente nie zuerst und nie allein eingesetzt
werden!
SCHMERZMITTEL
Menschen mit Demenz bekommen weniger Schmerzmittel. Warum?
• Sie können sich sprachlich weniger gut äußern.
• Wortbedeutung (z.B. Schmerzen)geht verloren – semantische Störung
• Wahrnehmungsstörungen – körperliches Empfinden, Unwohlsein zu orten und
auszudrücken geht verloren (Beispiel: Hosenbund)
• „aua“ steht stellvertretend für Missempfindungen
• Multimorbidität – zusätzlich mind. 5 Erkrankungen
SCHMERZEN
• 80 % der Pflegeheimbewohner haben Schmerzen.
• Ca. ¼ kann Schmerzen nicht mitteilen, dazu gehören viele Demenzkranke
• Nonverbale Äußerungen werden meist nicht als Ausdruck von Schmerzen erkannt.
21 Brigitte J. Restle , Bildungsreferentin Netzwerk Demenz RV, 0751/7601 2040
• Es wird meist nur das herausfordernde Verhalten gesehen, wie Aggression, Abwehr,
Schreien, Unruhe
• die Behandlung von Schmerzen erleichtert die Pflege.
SCHMERZMANAGEMENT
• Fest angesetzte medikamentöse Therapie statt Bedarfsmedikation
• Beobachtung des Gesichtsausdrucks
• Vorausschauende Schmerzmittelgabe, d.h. bevor der Schmerz entsteht!
• Systematisches Erforschen, ob der Mensch mit Demenz Schmerzen hat.
• Verwendung von Schmerzmitteln (Analgetika, wie Paracetamol, Benuron) – wenn
möglich und angemessen
• Opiate - können zu verstärkter Verwirrtheit führen.
• Schmerzmittel haben dehydrierende Wirkung und somit droht Gefahr von Delir und
Verstopfung.
VERSORGUNGSSTTRUKTUR
Kein europäisches Land verfügt bisher über eine optimale Versorgungsstruktur für geistig
behinderte Menschen mit Demenz..
Es gibt aber positive Beispiele, z.B. eine Memory Klinik in Irland, die Menschen mit geistiger
Behinderung untersucht, bei denen Verdacht auf eine Demenz besteht.
Eine weitere Entwicklung ist die Einführung einer beruflichen Qualifikation zum Thema
Demenz bei Menschen mit geistiger Behinderung.
In Deutschland muss man sich die Modelle und Projekt anschauen und sich über die
gemachten Erfahrungen informieren.
Weiter ist eine engere Zusammenarbeit mit der Altenhilfe nötig. Welche Konzepte gibt es für
Wohngruppen oder Tagespflege für Demenzkranke.
Für Menschen mit geistiger Behinderung und Demenz müssen passende Screenings gefunden
werden.
FAZIT:
Es muss eine angemessene Versorgungsstruktur aufgebaut werden, da in den nächsten
Jahren viele Menschen mit geistiger Behinderung an einer Demenz erkranken werden.