+ All Categories
Home > Documents > Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens...

Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens...

Date post: 14-Sep-2019
Category:
Upload: others
View: 5 times
Download: 0 times
Share this document with a friend
18
Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Bemerkungen zur literarischen Rezeption im 17. und 18. Jahrhundert - von Roland Schneider (Tübingen) "Mit anderen Worten ließe sich sagen: Dank seiner Objektivität und seines kritischen Talen- tes kann er [Kenkö] ein und dieselbe Sache nicht nur von einem Standpunkte aus betrachten." (Oscar Benl: Tsurezuregusa, 1940)* Mit Blick auf die oft spät, weit nach der Entstehung des einzelnen Werks einsetzende literarische Rezeption nimmt der berühmte haikai-Meister und Poetologe Matsunaga Teitoku (1571-1653) am Anfang des 17. Jahrhunderts in lapidar knapper Formulie- rung Erkenntnisse moderner Rezeptionsforschung voraus: ,,Nanigoto mo toki itara- neba kai-nashi" ("Ist die Zeit nicht reif, ist alles zwecklos 1 ."), konzentriert seine Aus- sage, die die Gründe für späte bzw. verspätete Rezeptionserfolge literarischer Produkte auf einen so einfachen wie allgemeinen Nenner bringt, im Anschluß gleich auf die bei- den Werke, die auf weite Strecken bevorzugte Gegenstände edozeitlicher Rezeption werden sollten, den Roman vom Prinzen Genji, das Genji-monogatari, und die Miszel- lensammlung des engagiert-distanzierten Beobachters Yoshida Kenkö, das Tsurezure- gusa: ,,Hikaru Genji-monogatari wa Kanko no hajime idekishikadomo, hyakunen-amari uzumo- rete Kawa no koro yori sejo no takara to nareri. Kono Tsurezuregusa mo Tensho no koro made wa na wo shiru hito mo mare narishi ga, K eicho no jibun yori yo ni moteatsukau koto to nareri." ("Die Erzählung von Hikaru Genji entstand schon zu Anfang der Ära Kankö [1004-08], aber, über hundert Jahre vergraben, wurde sie (erst) ab der Köwa-Zeit [1099-1103] zu einem Schatz der Welt. Auch dieses Tsurezure.gusa kannte bis zur Ten- shö-Zeit [1573-1591] kaum jemand mit Namen, erst ab der Ara Keichö [1596-1614] wurde es in der Welt erörtert 2 • " ) Das relativ späte Einsetzen der Tsurezuregusa-Rezeption, das neben Teitoku auch andere vormoderne Kommentatoren dieses Werks bestätigen 3 und das von Teilen der bisherigen japanischen Forschung mehr hypotheserneich denn gesichert vorzudatieren versucht wurde 4 , veranlaßte Teitoku zu seinem Vergleich mit dem Genji-monogatari, der auf den ersten Blick auch einleuchtend erscheint. Schenkt man aber den Tagebuch- notizen der Hofdame Murasaki Shikibu, der Verfasserio des Genji-monogatari, Glau- ben, so fand ihr Werk schon zu ihren Lebzeiten lobende Rezipienten, darunter so ge- wichtige wie Fujiwara no Kintö, Fujiwara no Michinaga und Kaiser Ichijö 5 , und kaum eine Generation später haben wir eindrucksvolle Belege der Genji-Rezeption im Sa- rashina-nikki, dem Tagebuch der Tochter des Fujiwara Takasue der vielleicht begei- stertsten, fast besessen anmutenden Genji-Leserin der Vormoderne 6 Dem Tsurezure- gusa scheint, geht man von den bisher bekannten, gesicherten Materialien aus, zunächst Gleiches versagt geblieben zu sein. Erst im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts, ein Jahrhundert nach der Entstehungszeit des Werks wird eine Tsurezuregusa-Rezeption greifbar. Um so eindrucksvoller ist der Aufschwung der Tsurezuregusa-Rezeptionmit Beginn der Neuzeit ab dem 17. Jahrhundert, der nahezu alle Gattungen vormoderner japani- * Oscar Ben): Tsurezuregusa oder Aufzeichnungen aus Mußestunden von Yoshida Kenko, Tö- kyö 1940 S. 42. -Die folgenden Notizen über die Rezeption von Kenkös Werk, das Oscar Benl vor vier Jahrzehnten durch seine Übersetzung und Bearbeitung dem deutschen Publikum vor- teilte und zugänglich machte, seien meinem Lehrer und Freund herzlich zu seinem 65. Geburt tag zugeeignet, in Dankbarkeit für vieles - unter anderem für eine Tsurezuregusa- Lektüre im Juli 1967 ... 224
Transcript
Page 1: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Bemerkungen zur literarischen Rezeption im 17. und 18. Jahrhundert -

von Roland Schneider (Tübingen)

"Mit anderen Worten ließe sich sagen: Dank seiner Objektivität und seines kritischen Talen­tes kann er [Kenkö] ein und dieselbe Sache nicht nur von einem Standpunkte aus betrachten." (Oscar Benl: Tsurezuregusa, 1940)*

Mit Blick auf die oft spät, weit nach der Entstehung des einzelnen Werks einsetzende literarische Rezeption nimmt der berühmte haikai-Meister und Poetologe Matsunaga Teitoku (1571-1653) am Anfang des 17. Jahrhunderts in lapidar knapper Formulie­rung Erkenntnisse moderner Rezeptionsforschung voraus: ,,Nanigoto mo toki itara­neba kai-nashi" ("Ist die Zeit nicht reif, ist alles zwecklos1."), konzentriert seine Aus­sage, die die Gründe für späte bzw. verspätete Rezeptionserfolge literarischer Produkte auf einen so einfachen wie allgemeinen Nenner bringt, im Anschluß gleich auf die bei­den Werke, die auf weite Strecken bevorzugte Gegenstände edozeitlicher Rezeption werden sollten, den Roman vom Prinzen Genji, das Genji-monogatari, und die Miszel­lensammlung des engagiert-distanzierten Beobachters Yoshida Kenkö, das Tsurezure­gusa:

,,Hikaru Genji-monogatari wa Kanko no hajime idekishikadomo, hyakunen-amari uzumo­rete Kawa no koro yori sejo no takara to nareri. Kono Tsurezuregusa mo Tensho no koro made wa na wo shiru hito mo mare narishi ga, K eicho no jibun yori yo ni moteatsukau koto to nareri." ("Die Erzählung von Hikaru Genji entstand schon zu Anfang der Ära Kankö [1004-08], aber, über hundert Jahre vergraben, wurde sie (erst) ab der Köwa-Zeit [1099-1103] zu einem Schatz der Welt. Auch dieses Tsurezure.gusa kannte bis zur Ten­shö-Zeit [1573-1591] kaum jemand mit Namen, erst ab der Ara Keichö [1596-1614] wurde es in der Welt erörtert2 • " )

Das relativ späte Einsetzen der Tsurezuregusa-Rezeption, das neben Teitoku auch andere vormoderne Kommentatoren dieses Werks bestätigen3 und das von Teilen der bisherigen japanischen Forschung mehr hypotheserneich denn gesichert vorzudatieren versucht wurde4 , veranlaßte Teitoku zu seinem Vergleich mit dem Genji-monogatari , der auf den ersten Blick auch einleuchtend erscheint. Schenkt man aber den Tagebuch­notizen der Hofdame Murasaki Shikibu, der Verfasserio des Genji-monogatari, Glau­ben, so fand ihr Werk schon zu ihren Lebzeiten lobende Rezipienten, darunter so ge­wichtige wie Fujiwara no Kintö, Fujiwara no Michinaga und Kaiser Ichijö5 , und kaum eine Generation später haben wir eindrucksvolle Belege der Genji-Rezeption im Sa­rashina-nikki, dem Tagebuch der Tochter des Fujiwara Takasue der vielleicht begei­stertsten, fast besessen anmutenden Genji-Leserin der Vormoderne6 • Dem Tsurezure­gusa scheint, geht man von den bisher bekannten, gesicherten Materialien aus, zunächst Gleiches versagt geblieben zu sein. Erst im zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts, ein Jahrhundert nach der Entstehungszeit des Werks wird eine Tsurezuregusa-Rezeption greifbar.

Um so eindrucksvoller ist der Aufschwung der Tsurezuregusa-Rezeptionmit Beginn der Neuzeit ab dem 17. Jahrhundert, der nahezu alle Gattungen vormoderner japani-

* Oscar Ben): Tsurezuregusa oder Aufzeichnungen aus Mußestunden von Yoshida Kenko, Tö­kyö 1940 S. 42. -Die folgenden Notizen über die Rezeption von Kenkös Werk, das Oscar Benl vor vier Jahrzehnten durch seine Übersetzung und Bearbeitung dem deutschen Publikum vor­teilte und zugänglich machte, seien meinem Lehrer und Freund herzlich zu seinem 65. Geburt tag

zugeeignet, in Dankbarkeit für vieles - unter anderem für eine Tsurezuregusa- Lektüre im Juli 1967 ...

224

Page 2: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

scher Literatur erreicht eine Vielzahl von Kommentaren und Kritiken entstehen läßt und- nach einer Pause im 19. Jahrhundert, die mit der nicht sehr hohen Einschätzung des Werks durch die kokugaku zusammenhängen mag- auch in der Moderne, ab den 20er Jahren der Meiji-Zeit bis in die Gegenwart ungebrochen weitergeht, wofür die Zahl der Kommentarwerke und Editionen Zeugnis ablegt, die in der Meiji-Zeit über 40 in der Taishö-Zeit etwa 30 und in der Shöwa-Ära fast 50 erreicht7 •

Klassiker-Rezeption in Japan ist, nicht nur im Hinblick auf die beiden Werke der Roman- undzuihitsu-Literatur, ein viel belegtes und häufig beschriebenes Phänomen: Kyojushi, kenkyUshi, eikyoshi -"Rezeptions-" "Forschungs-",, Einflußgeschichte"­sind Termini, gelegentlich Etiketten, unter denen man die Auseinandersetzung histori­scher Subjekte (Leser, Interpreten, Kritiker usw.) mit einem künstlerischen ebenfalls historischen Objekt, dem literarischen Werk zu erfassen versucht. Sie sind jedoch, zu­mindest oft auch Termini, die - schon untereinander unscharf abgegrenzt - eine ge­wisse definitorische Vagheit besitzen. Unser Vorhaben gewisse, begrenzte, rezep­tionsgeschichtliche Aspekte im Umkreis des Tsurezuregusa zu beschreiben und zu erör­tern, rechtfertigt daher eine kurze Vorüberlegung. Gliedert sich Rezeptionsgeschichte i. a. in die beiden Bereiche der Beeinflussungs- und Urteilsgeschichte deren erster ge­legentlich noch in Einwirkungs- und Abhängigkeitsforschung geteilt wird8 so kann man nach einem Ehrismann9 modifizierenden Vorschlag von H. Link10 Rezeption in drei Arten einteilen: "passive" Rezeption, der Hauptanteil der Rezeption, der Akt den der "normale Leser" vollzieht, der sich über die Lektüre nicht äußert und sie auch nicht in irgendeiner Weise produzierend verwertet, ferner die sog. "produktive" Rezeption d. lr. die Aufnahme und Weiterverarbeitung des Textes durch einen anderen Künstler11

und schließlich die "reproduzierende" Rezeption, die auf Vermittlung eines primären Rezeptionsgegenstandes, das literarische Kunstwerk zielt12 .

Alle diese drei Bereiche der Rezeption innerhalb der Wirkungsgeschichte des Tsure­zuregusa zu behandeln, würde nicht nur den Rahmen dieses kurzen Aufsatzes spren­gen, sondern stößt auch auf andere Schwierigkeiten. ,Passive" Rezeption, das Lesen einer ,schweigenden Mehrheit", die sich über Lektürevorgang und Lektüreobjekt nicht äußert, stößt, zumal bezüglich historischer Leser, auf große Schwierigkeiten der Erfassung, die mir im Falle des Ts urezuregusa bei der jetzigen Materiallage kaum lösbar erscheinen. Von den beiden anderen Bereichen, der produktiven und reproduzieren­den Rezeption, soll der erste d. h. der gemeinhin unter "Einflußgeschichte" gefaßte Aspekt, der nach dem Einfluß des Tsurezuregusa auf spätere literarische Werke fragen würde, auch nur skizzenhaft in einem Exkurs Gegenstand meiner Notizen sein, deren Schwerpunkt die sog. reproduzierende Rezeption sein soll, d. h. die Bemühungen um Vermittlung eines primären literarischen Rezeptionsgegenstandes, hier des Tsurezure­gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes (Kom­mentare, Kritiken usw.u). Dabei werden letztere unter die zunächst jedwede Erfor­schung und Bearbeitung des Werks und jede Literaturkritik, konsequenterweise aber auch jede Textedition zu fallen hätte, eingeschränkt auf einen besonderen Bereich der reproduzierenden Rezeption, auf die Kommentarwerke zum Tsurezuregusa genauer die vormodemen, edozeitlichen Kommentare zum Miszellenwerk des Yoshida Kenkö.

Ziel der nachfolgenden Notizen ist demnach, vormoderne kommentierende und (li­teratur-)kritische Werke und Äußerungen zum Tsurezuregusa zu benennen und zu be­schreiben, um dadurch die- durchaus wechselnde -literarische Rezeption eines der bekanntesten Werke japanischer Literatur in Grundzügen aufzuzeigen zu versuchen.

225

Page 3: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

Die Anfänge der Tsurezuregusa-Rezepüon

Beweise für eine mittelalterliche reproduzierende Rezeption des Tsurezuregusa , die sich in Kommentarwerken niedergeschlagen hätte, stehen noch aus; daß das Werk un­ter den Gebildeten gelesen wurde, ist aus den bekannten Notizen im Toyashu-kikigaki , im Sanetaka-koki unter Bummei 6 (1474) IX, 21 und im Tamon-in-nikki unter Eiroku 9 (1566) V, 20 zu erschließen 13 • Ob diese darüberhinaus auch eine weitere Verbreitung des Tsurezuregusa belegen, scheint zweifelhaft, da von Sanjönishi Sanetak:a oder Tö no Tsuneyori nicht ohne weiteres auf die Allgemeinheit mittelalterlicher Leserschaft ge­schlossen werden kann. Dennoch lassen sich, schon vorher, zumindest individuelle Re­aktionen auf Tsurezuregusa-Lektüre ausmachen, die vielleicht auch repräsentativ für die Rezeption einer Lesergruppe stehen können, die- später und in etwas anderer Zu­sammen etzung- ständig mit Tradierung und Rezeption des Tsurezuregusa verbunden war, die Gruppe der Lyriker und Poetologen.

Shötetsu (1381-1459), dem wir aucheine Abschrift des Tsurezuregusa verdanken14, schreibt in seiner karon-Schrift ShOtetsu-monogatari (1430): " Jemand, der solch ein Gefühl besitzt wie Kenkö, welcher schrieb: ,Bewundert man die Blüten nur in ihrer vol­len Pracht, den Mond nur an einem wolkenlosen HimmeJ1 5 ?' ist einmalig in der Welt16 ! 'und preist damit einen der berühmtesten Abschnitte des Tsurezuregusa , Ab­schnitt CXXXVII17 . Sein Schüler Shinkei (1406-1475) äußert sich dann im Sasame-

. goto (1463) bewundernd über Kenkös Einstellung, daß es reizvoll sei, Mond und Blu­men in Gedanken, und nicht nur mit den Augen zu genießen 18 • Es spricht Sympathie für Kenkö, den Einsiedler-Literaten mit vollendetem Geschmack, aus dem Lob der beiden renga-Meister, eine Sympathie die- aus gemeinsamer ästhetischer Sicht resultierend­auch in edozeitlichen Bewunderungen Kenkös gelegentlich zu finden sein wird.

Die Frage nach den Gründen für eine solch sporadische bzw. nur sporadisch belegte Rezeption des Tsurezuregusa im späten Mittelalter, die deutlich zu dem "Tsurezuregu­sa-boom ' der Edozeit kontrastiert, wurde verschiedentlich gestellt und mit Hinweisen auf vielerlei Rezeptionshindemissen, die z. T. im Werk selbst liegen sollen zu beant­worten versucht19 • Diese Antworten treffen wohl zu, aber es scheinen darüberhinaus auch Gründe maßgeblich zu sein, die nicht nur im Rezeptionsgegenstand selbst dem Tsurezuregusa liegen, sondern in den unterschiedlichen äußeren Rezeptionsmöglich­keiten, die das Mittelalter und die Edo-Zeit besaß. Rezipienten des Mittelalters fanden ihren Gegenstand- sieht man von den anderen Bedingungen mündlicher Literatur ab­in Form von Handschriften vor, die schon ihrer Zahl nach gering und somit nicht allge­mein zugänglich waren, im Schriftduktus oft "sperrig", allgemein distributioneil also eingeschränkt waren - lauter rezeptionsbehindernde Faktoren, die mit dem Beginn des Buchdruckes Anfang der Neuzeit eine radikale Veränderung erfuhren. Somit scheint diese allgemein in Arbeiten zur Edoliteratur hervorgehobene, in jüngster Zeit von E. May schlüs ig dargestellte "bedeutendste Umwälzung in der Geschichte der ja­panischen Literatur20 ' auch als Vorbedingung für die erhöht einsetzende Tsurezuregu­sa-Rezeption mitbestimmend gewesen zu sein.

Daneben und nicht ganz unabhängig davon sind andere Bedingungen der litera­risch-kulturellen Szene der begiooenden Neuzeit mitzudenken, die nur stichwortartig angeführt werden können: die Entstehung und Existenz von Studienzirkeln innerhalb der gebildeten Schichten die sich mit der Literatur der Vergangenheit befaßten, Text­erklärungen und (auch öffentliche) Vorlesunge~ zu klassischen Werken veranstalteten

226

Page 4: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

ferner der Bildungswille eines neuen, breiteren Publikums der mit einem auf Seite der Schreibenden gegebenen Willen zur Aufklärung, Belehrung, Kenntnisvermittlung und (auch moralischer) Erziehung korrespondierte und der- hierbei schon enger auch auf das Tsurezuregusa zu beziehen- in einemzuihitsu, dessen Inhalte nicht auf die Welt des Hofs und des Schwertadels beschränkt waren vielleicht auch mehr Ansatzpunkte fand als in anderen Werken der klassischen Literatur.

Auf diesem Hintergrund ist m. E. der im folgenden zu skizzierende "Tsurezuregu­sa-boom" zu sehen der eingeleitet und begleitet wird von vorhernicht in diesem Maße möglichen Herstellung von Texten.

Drei Werke Kommentare zum Tsurezuregusa, sind es, die am Anfang der Edo-Zeit als Vertreter reproduzierender Rezeption passive Rezeption in größerem Umfang er­möglichen: JCunyoinsho, Nozuchi und Nagusamigusa.

Als erstes dieser drei Kommentarwerke erschien Keichö 9 (1604) das (Tsurezuregu­sa-)JCunyoinsho[1)21 des Hata Söha(2] (1550--1607) miteinem von Keichö 6 (1601) da­tierenden Nachwort des Dichtergelehrten NakanoinMichikatsu[3] (1558-1610). Söha, der als Arzt dem Toyotomi Hidetsugu und Tokugawa Ieyasu diente, neben medizini­schen Büchern auch eines der ersten parodistischen Werke der Edo-Zeit, daslnu-Ma­kura[4] verfaßte, kommentiert das Tsurezuregusa, dessen Text er nicht mitgibt, knapp Worterklärungen und Gedichtzitate stehen im Mittelpunkt. Was sein Werk wichtiger macht als diese Kurzkommentare- zum Beispiel:

,Kono dan mujo wo susumuru nari' über XLI und XLIX, oder ,Makura no soshi wo motte kakitari' über XXXII und XLill und ,en ni yasashiki rui nari' über X:X22 - i t der Anfang in dem Söha seine Sicht vom Tsurezuregusa und, wie allgemein angenomm n wird23 , auch die Tsurezuregusa-Sicht seiner Zeit nennt. Wir zitieren die Worte Söhas in der Übersetzung von Oscar Benl:

"Kenkö vereinigte sehr nach Erlösung strebend, die konfuzianische buddhistische und taoistische Lehre in sich, den Stil des Skizzenbuchesentlehnte er Sei Shönagon's Makura no Söshi, den Wortgebrauch dem Genji-monogatari. Beim Schreiben leitete ihn hauptsächlich der Gedanke an Laodsi und Buddha, er betrachtete tief die Vergänglichkeit wandte ich von ehrgeizigem Streben und Ruhme ab, ihn beglückte vor allem die Idee des "Nichthan­delns" (wu-wei) er hing Liebevoll an den Jahreszeiten und ver tand sehr tief da Wesen al­ler Dinge24."

Berühmter als Söha ist der Verfasser des zweiten edozeitlichen Kommentars Dö­shun das ist Hayashi Razan (1583-1657), beherrschende Gestalt der Chu Hsi-Schule der beginnenden Edo-Zeit. Sein Kommentarwerk, das (Tsurezuregusa- )Nozuchi[5)25 -

um 1624 gedruckt, aber wohl schon (vor) 1621 verfaßt-ist reicher im Detail als das Jumyoinsho und schöpft in Erklärungen und Vergleichen voll aus dem breiten sinologi­schen Fundus seines Verfassers, der in großem Umfang chinesischesetsuwa und Lyrik zitiert. Razan bleibt, so japanisch Kenkö sich geben mag, Sinologe in Erklärung und Würdigung, verläßt auch nur zögernd seinen konfuzianischen Standort, der ihm laut seinem Vorwort das Tsurezuregusa durch dessen "ermahnend-belehrenden Charak­ter" so wertvoll macht. Razan sieht aber durchaus die literarische nicht nur morali ehe Qualität und Bedeutung des mittelalterlichen Kenkö, den er in solchen Augenblicken mit Li Po vergleicht oder- so über den Abschnitt XIX- mit Sei Shönagon und Mura-aki Shikibu gleichsetzt. Matsunaga Teitoku, den wir am Anfang unserer Notizen zitierten, ist der dritte be­

deutende Kommentator und Rezipient des Tsurezuregusa in der frühen Neuzeit . . Sein

227

Page 5: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

Nagusamigusa[6 )26 , erst um Keian 5 (1652) gedruckt, aber in den Teilen, die von Tei­toku stammen, wohl wesentlich früher, schon in der zweiten Hälfte der Ära Keichö (1596--1615) entstanden, und daher zur frühesten reproduzierenden Tsurezuregusa­Rezeption zu rechnen, baut in den Anmerkungen -wohl den Teilen, die nicht aufTei­toku zurückgehen-stark auf demNozuchi und dem Keian 1 (1648) gedruckten (Tsure­zuregusa-)Tettsui(1)21 des AokiSöko[8 ] auf. Teitokus Rezeption wird in den mit ,daii'[9] ("allgemeine Bedeutung") überschriebenen Notizen deutlich. Der Gründer der Tei­mon-haikai-Schule und einer der Aufklärerpersönlichkeiten des 17. Jhdts. zielt weni­ger auf wissenschaftliche (Wort-)Kommentierung als auf die geistige Haltung Kenkös und auf den Sinn des Werks. Teitoku spart nicht mit Lob: zeigt für ihn der Abschnitt LIII das tiefe Mitleid, der Abschnitt XIII den Geschmack Kenkös, dener-über CXLIT sprechend- nicht hinter die "alten Weisen" zurückstellt, so gelten ihm neben der An­erkennung der literarischen und ästhetischen Qualitäten des Werks auch die Beleh­rung, die "Lehre fürs Leben", die er im Tsurezuregusa entdeckt, als, wichtig für die Menschen", als ,,mimichikaki oshie' ("leicht eingängige Belehrung") und als überlie­femswert. Dieser Zug wird gelegentlich so stark, daß Teitoku einzelne Abschnitte, de­ren praktischer Nutzen demkinsei-Menschen nicht mehr so einleuchtet, als unnötig und negligeable ansieht. So scheint ihm etwa Abschnitt LXIV, in dem vom Wagenfahren die Rede ist, unnötig zu lesen, da "heutzutage nicht mehr so viele Menschen fahren wie zu Kenkös Zeit"28 •

Teitokus Nachwort vermittelt auch Eindrücke in die Entstehungsbedingungen von Werken der reproduzierenden Rezeption der frühen Edo-Zeit. Grundlage des Nagu­samigusa waren demnach Vorlesungen, die Teitoku Anfang des 17. Jhdts. über das Tsurezuregusa hielt und um die er" von Hayashi Matasaburö ( d. i. Razan) und anderen jungen Männern" gebeten wurde, eine Bitte, der er sich zunächst versagte und erst nach dem Drängen von Razans Vater und anderen nachgab. Diese argumentierten nämlich, daß es "bedauerlich sei, wenn nur die jungen Leute Vorlesungen hielten29". (Razan be­gann damals mit Vorlesungen über Chu Hsi, seine Freunde mit solchen über das Tai­heiki). Teitoku selbst soll bei Nakanoin Michikatsu über das Tsurezuregusa Vorträge gehört haben, auch dasJamyoinsho solllaut demKeicho-nikki aus Vorlesungsnotizen entstanden sein30, was für spätere Kommentarwerke, z. B. das Tsurezuregusa-sanko (s. u.) ebenfalls belegbar ist. Vorlesungen, Vorträge, oft vor größerem Publikum, getragen von einer Art Studienzirkeln, hatten die mittelalterliche Geheimüberlieferung der Klassikerkommentare abzulösen begonnen; die Inhalte dieser Vorlesungen oder die Mitschriften wurden, wie obige Beispiele zeigen, mittels des neuen Mediums des ge­druckten Buchs einem größeren Kreis von Rezipienten zugänglich gemacht.

Doch auch anderes ist den drei ersten Kommentarwerken gemeinsam. Der gebildete Laie Söha, der Wissenschaftler Razan und der Künstlergelehrte Tei­

toku sehen bei allen Unterschieden in der Akzentsetzung in vielen Punkten das Gleiche im Tsurezuregusa: ein literarisches Werk eines Einsiedler-Ästheten, der Konfuzianis­mus, Taoismus und Buddhismus in seinem Denken vereinte und dessen Schrift vi~le Lehren enthielt, belehren wollte. Literarisches Werk mit philosophischen und religiö­sen Inhalten und Lehrfunktion, dieses komplexe Kenkö- und Tsurezuregusa-Bild der Keichö-Zeit sollte b·ald durch die nachfolgende reproduzierende Rezeption modifi­ziert genauer: in seine Einzelaspekte zerteilt werden.

228

Page 6: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

Die Aufspaltung der Tsurezuregusa-Rezeption

Die diesen drei Pionierwerken zunächst folgenden, alle Manji 1 (1658) gedruckten Kommentare wie das Kintsui-Tsurezure no sho(1°]31 des Arztes Nishi Döchi( ll] oder das Tsurezuregusa-koldn-daii[12)32 und Tsurezuregusa-kokinsho(1 3 ]33 , die im allgemei­nen beide Öwada Kigyft[ 14 ] zugeschrieben werden, wiederholen im wesentlichen Kommentar und Erklärung ihrer Vorgänger und sind so eher Zeugen der Wirkung von Söha, Razan und Teitoku als einer eigenen Rezeption, belegen jedoch auch die inzwi­schen angewachsene Tsurezuregusa-Lektüre.

Mit der Ära Kambun (1761-73) tritt eine neue Generation von Kommentarwerken auf die Bühne und mit ihnen eine veränderte Sicht vom Tsurezuregusa. Bansai-sho, Tsurezuregusa-kuge und Tsurezuregusa-mondan-shO bilden ihre Hauptvertreter.

Der Kokugakusha Katö Bansai(15 ] (1621-74) , der sich zunächst dem Studium der Tendai-Lehre auf dem Hiei-Berg widmete, dann bei Hosokawa Yusai und Teitokuhai­kai-Unterweisungen erhielt und zur Teimon-Schule gerechnet wird ist auch durch Kommentare zumlse-monogatari undMakura no soshi34 bekannt. In seinem Kambun 1 (1661) gedruckten (Tsurezuregusa-) Bansai-sho[ 16)35 , das in philologischer Gründ­lichkeit und Ausführlichkeit weit über die Vorläufer hinausgeht36, vertritt Bansai- da­mit Züge der Teitoku- und Razan-Rezeption aufnehmend aber außerordentlich ver­stärkend- die Auffassung, daß das Tsurezuregusa ein belehrendes Werk eine morali­sche Lehrschrift sei und K nkö beabsichtigt habe, " zum Guten zu ermahnen das Böse zurückzuweisen". Habe das Makura no soshi , der Vorläufer des Tsurezuregusa , die , Dinge (nur) so beschrieben, wie sie seien (ari no mama)" , so habe Kenkö, um den Le­sern Hilfe zuteil werden zu lassen, "den Sinn der Dinge tief durchdringend (mono no giri wo fumaete)" geschrieben. , Oshieru" (" belehren ')ist denn auch eines der häufig­sten Wörter, mit denen Bansai die Kommentare zu den Einzelabschnitten ausleitet

Doch nicht nur einfaches Lehrwerk und pädagogisch-moralische Schrift sind ihm die Notizen Kenkös, sondern- und dies ist das Neue in der Tsurezuregusa-Rezeption- aus-ehließlieh buddhistische Moralschrift, die Hilfe durch religiöse Belehrung geben woll­

te. Kernpunkt des Werkes bilqet für Bansai der Buddhismus, dasshikan (sanskr.sama­tha (shi) und vipaiyanä(kan) ) , die Lehre zur kontemplativen Betrachtung der Tendai­Sekte. Hauptintention des Tsurezuregusa ist für Bansai, daß Kenkö das (Tendai) M aka-shikan [17] (Mo-ho chih-kuan) , eines der drei Hauptwerke des Tendai-Buddhis­mus37 , in dem das Aufgeben der Illusionen und das Erreichen der Erleuchtung durch Meditation in mehreren Stufen dargestellt ist, in leicht verständlicher Weise auf Japa­nisch erläutern wollteJB. DerTitel des Werks sei das absolute, der Text das relative shi­kan,- tsurezure sei nur ein anderer Name dafür. Wie man früher die Lehre des Buddha aus dem Indischen in das Chinesische übersetzt habe, so lehre jetzt Kenkö mit japani­schen Erscheinungen das Buddbagesetz,.denn der tsurezure no michi' seider ,shikan no michi'39.

Nicht Bansais Wissenschaftlichkeit im Philologischen erreichend, doch in der Rezep­tion des Tsurezuregusa einen unterschiedlichen, daher hier bemerkenswerten Stand­punkt nimmt Takashina Yöjunps]4o mit seinem Kambun 1 (1665)41 gedruckten Tsure­zuregusa-kuge[19]42 ein, das für die Tsurezuregusa-Sicht der frühen Kommentare wich­tig ist.

Yöjun konfuzianischer Gelehrter und Spezialist für die chinesischen Klassiker be­nutzt das N agusamigusa , vor allem aber dasNozuchi des Razan, deren Sicht von den be-

229

Page 7: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

lehrenden Elementen des Tsurezuregusa er jetzt überbetont, moralische Interpretatio­nen hinzufügt und in dem Miszellenwerk des Kenkö in erster Linie ein konfuzianisches belehrendes Werk sehen will.

Wie Bansai Schüler des Teitoku und Vertreter der Teimon-haikai-Schule und wie Bansai durch (noch zahlreichere) Klassikerkommentierungen - etwa zum Yamato­monogatari (1653) , Tosa-nikki (166l),lse-monogatari (1663), Wakanroeishu (1671) Genji-monogatari (1673) - berühmt, unterscheidet sich Kitamura Kigin(20] (1624-1705) mit seinem Kambun 7 (1667) gedruckten (Tsurezuregusa-)Mondan­sho [21 )4 3 doch deutlich von seinem Vorgänger. Teilt sein in der Edo-Zeit weitverbreite­ter und beliebter Kommentar, dessen Einteilung des Tsurezuregusa in 244 Abschnitte bis in die Moderne wirkte, auch die philologische Qualität mit dem Bansai-sho so ver­mag Kigin Bansais einseitig konfuzianischer Sicht des Werks nicht zu folgen.

Auch für Kigin steht ein belehrender Charakter des Werks außer Frage, das nach ihm "den Oberen Hilfe beim Regieren, den Unteren Belehrung" gibt4\ doch weist er jede ausschließlich buddhistische, konfuzianische und taoistische Interpretation des Werks zurück, dessen Vielfalt ihm Ausdruck japanischen Wesens und vielgepflegte " japani­sche Gewohnheit' ist. Wie Teitoku, dessen Schüler er ist, gelingt es ihm- etwa in seiner Interpretation der Abschnitte 111 oder XIX -haikai-Elemente in Kenkös Schrift aus­zumachen, womit er den Urteilen über Kenkö von Dichterrezipienten außerhalb der Kommentar-Tradition nahesteht45 .

Eine Generation nach den Pionierwerken zum Tsurezuregusa ist die einende Klam­mer der Werk-Sicht zwar die Annahme des belehrenden Charakters von Kenkös Schrift, lassen sich aber dennoch drei unterschiedliche Rezeptionsweisen in Bansais Yöjuns und Kigins Kommentarwerken ausmachen: die Rezeption als buddhistische Lehr- und Moralschrift, die Rezeption als konfuzianisches belehrendes Werk und die Sicht vom Tsurezuregusa als literarischem Werk. Diese in den drei Einzelkommentaren gespiegelten Rezeptionsweisen sollten sich danach als drei eigenständige unterschied­liche Rezeptionsstränge verselbständigen und fortsetzen.

Das Tsurezuregusa als buddhistisches Morallehrbuch

WenigeJahre nach Bansais Kommentar tritt mit dem Tsurezuregusa-sanko [22] 46 des Mönchs Eku[23 ], das erst Empö 6 (1678) gedruckt wurde, jedoch laut dem Nachwort von(?) Tökitsu auf das Jahr Empö 2 (1674) zurückgeht, ein weiteres Kommentarwerk auf, das die buddhistische Interpretation des Tsurezuregusa fortführt. Das Werk­heute eher wegen seines Nachwortes geschätzt, das erstmals eine Art Forschungsge­schichte des Tsurezuregusa skizziert47 -verleugnet seine, im Nachwart beschriebene, Provenienz nicht. Es ist aus Notizen der Vorlesungen und Erklärungen. zum Tsurezure­gusa entstanden die der Mönch Ektl vor Novizen ,,in den Mußestunden zwischen den Tagesaufgaben ' abhielt. Die Lehre des Tsurezuregusa liegt auch für ihn im Buddhis­mus.

Etwas weniger stark in seiner buddhistischen Sicht von Kenkös Werk ist das Empö 5 (1677) gedruckte Tsurezuregusa-daizen[24 ) 48 des Takada Söken (Munetaka)[25], das die Reihe der sog. Samrnelkommentare zum Tsurezuregusa49- Werke, die hauptsäch­lich frühere Kommentare zusammenfassen und gegenüberstellen - einleitet.

230

Page 8: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

Der Verfasser, haijin der Teitoku-Schule und waka-Dichter aus der Hauptstadtso will nach seinen Worten hauptsächlich die Tsurezuregusa-Erläuterungen des Dichters Hosokawa Yftsai (1534-1610) weitergeben, dem er die Meinungen anderer Kommen­tare beigibt. Ob es sich tatsächlich um Yusais Interpretation handelt, womit der Beginn der Tsurezuregusa-Kommentierungen vordatierbar wäre, ist sehr unsicher· wahr­scheinlicher handelt es sich um Sökens eigene Erklärungen51. Söken alshaijin hat zwar auch einen Blick für das Literarische in Kenkös Werk, der ihn z. B. bezüglich des Ab­schnitts IIT (Kenkös Sicht von der Liebe) alle pädagogischen Deutungen zurückweisen läßt, und er sieht natürlich auch, daß die Inhalte mancher Abschnitte stark Konfuzia­nismus und Taoismus berühren. Seine buddhistische Interpretation des Werks läßt er sich dadurch nicht erschüttern: ,,Ro-So no kotoba ari-tomo, shozen wa butsu naru-be­shi .' ("Selbst wenn es Worte von Chuang-tzu und Lao-tzu gibt das Gesamte i t doch buddhistisch52").

Der Gipfel buddhistisch orientierter Rezeption ist jedoch mit dem Tsurezure-kana­megusa[26)53 erreicht das etwa Mitte der Ära Genroku (1688-1704) vom MönchEn­kyü[27] verfaßt wurde, allerdings erst wesentlich später, Temmei 3 (1783) vom Mönch Chöon(28 ] herausgegeben wurde.

Bildeten bei einigen der vorgestellten Kommentarwerke Vorlesungsnotizen die Grundlage der Edition, so sind es beim Kanamegusa buddhistische Predigten für die ein halbes Hundert geeignete Abschnitte aus dem Tsurezuregusa ausgewählt und reli­giös kommentiert werden. "Fächerstift' (kaname) d. h. Essenz des Tsurezuregusa die das Werk wie der Mittelstift einen Fächer zusammenhält ist, "die Menschen zum Buddhismus zu geleiten" (jinsei butsudo ni michibiku) - Kenkös Miszellen werden zum Predigertext.

Tsurezuregusa, das "japanische Lun-yü"

Die konfuzianisch orientierte Rezeption, die die Schrift Kenkös als konfuzianisches Lehrwerk interpretierte und mit dem erwähnten Tsurezuregusa-kuge des Yöjun be­gann wird zunächst fortgeführt von Shimizu Shunryu(29]. Shunryß, der bei Teitoku im waka unterwiesen wurde, bei Kaedei Reitokuhaibun studierte und in der Provinzhai­ku -Sammlungen kompilierte wie das Yabu no ko no mono (3°] 1671 in Owari, wollte an­scheinend zeitlebens gern Kenkö werden: ein Bild von ihm, das ihn in gleicher Pose und Aufmachung wie den im illustrierten Nagusamigusa (s. o.) abgebildeten Kenkö dar­stellt, oder die Tatsache, daß Shunryfi Kambun 11 (1671) sogar eine Fortsetzung des Tsurezuregusa verfaßte, weisen zumindest darauf hin54 • In seinem Kommentarwerk, dem Tsurezuregusa-shinchu [Jt]ss aus dem Jahre Kambun 7 (1667) verstärkt er die kon­fuzianische Sicht desNozuchi , argumentiert viel mit Chu-hsi, so daß diese ,Neuen An­merkungen" (shinchu) dem Yöjun-Strang zugerechnet werden dürfen.

In gleichem Maß gilt dies für das monumentale Tsurezuregusa-shosh0-taisei(32]56 -umfangreichster Kommentar der gesamten vormodernen Tsurezuregusa-Forschung­von Asaka Sansei(32] aus dem Jahre Jökyö 5 ( 1688), das dreizehn frühere Kommentare auswertet, i. w. aber die Meinung, das Tsurezuregusa sei ein Morallehrb~ch des Konfu­zianismus, in den Mittelpunkt stellt57 •

Interessant ist nun, daß in dieser Rezeptionsart, die aus dem Tsurezuregusa längst ein belehrendes Werk, ein Lehrbuch der konfuzianischen Lebensphilosophie' und Moral gemacht hatte, kritis_,che Stimmen laut werden die- allmählich war ein konditioniertes

231

Page 9: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

Publikumentstanden-kaum den Rezeptionsstrang verlassen und die Intention Kenkös genau wie die positiven Kommentare in der Belehrung sehen, aber Kenkös Kompetenz dazu bestreiten.

Nach einer frühen Kritik eines unbekannten Verfassers im Kambun 12 (1672) ge­druckten Tsurezuregusa-(modoki-)hyoban(34 ] welches Kenkö pauschal völlige Igno­ranz, Sinnlichkeit und " übles Verhalten" vorwirft58, meldet sich der Konfuzianer Fujii Ransai(35 ] (1628--?) zu Wort. In seinem Jökyö 5 (1688) gedruckten Tsurezuregusa-te­kigi[36)59 beklagt er, daß das Tsurezuregusa seit einem Jahrhundert in Schwange wäre und die Leser es als "japanisches Lun-yü" bezeichneten und so die Studierenden am Anfang ihres Lernens das Gift dieser Thesen aufnähmen und nicht merkten, wie ,dies die Menschen krank werden ließe60' '.

Schließlich erscheint Kyöhö 1 (1716) das Tsurezuregusa-meio-k0(31 ]61 des Takaya Chikaburni[3B] (1681-1719) das die bisherigen Kritiken noch überbietet. Der Verfas­ser, Suikashintö-Theologe aus Tosa, versucht hauptsächlich vom Standpunkt des Kon­fuzianismus Kenkö zu kritisieren, an dem er aber auch sonst kaum ein gutes Haar läßt. Für ihn ist Kenkö im Lied- Weg ungeschickt, in konfuzianischer Philosophie ungebildet, im Buddhismus " hinayanistisch" (zurückgeblieben), Lao-tzu und Chuang-tzu habe er nur auf Japanisch wiedergeben können und vom Shintö verstehe er nichts62.

Schon durch Abschnitt I des Tsurezuregusa hat sich Kenkö für Chikabumi als Ver­rückter erwiesen, da er unter den wünschenswerten Dingen auch den Thron aufzähle den doch ein gewöhnlicher Mensch in Japan nur begehren könne, wenn er irrsinnig sei64 . Abschnitt III, Kenkös Worte über die Liebe, "dient keiner Lehre, leitet die Men­schen zum Bösen". Nur konsequent lobt er dann, sonst voller Tadel, Abschnitt VIII, in dem der fliegende Berggenius Kume, von den Beinen einer schönen Wäscherin be­rückt , zunächst in Begehren, dann auf den Boden fällt: ,,Kono dan shichiyoku wo ima­shimu. Shusho ni koso." ("Dieser Abschnitt tadelt die sinnliche Begierde. Ausgezeich­net! "65)

Diese kritischen Kommentarwerke, die -das bleibt zu betonen- nicht die Auffas­sung vom Tsurezuregusa als ein in seiner Intention belehrendes Moralwerk in Frage stellen wollten und es aus diesem Grund und in dieser Sicht kritisierten, blieben die Ausnahme. Durchgesetzt hat sich innerhalb des konfuzianischen Rezeptionsstrangs die positive Auffassung von der Funktion des Tsurezuregusa als eine Art konfuzianischem Katechismus die dann im Höreki 16 (1760) erschienenen Tsurezuregusa-inkai(39

] de Imura Nobunari[40] gipfelt, für den das Tsurezuregusa wieder, wörtlich, das "japanische Lun-yü" ist66.

Bevor wir den dritten Strang der reproduzierenden Rezeption des Tsurezuregusa in der Edo-Zeit, die Sicht von Kenkös Schrift als literarisch-ästhetisches Werk näher be­trachten, sei ein Blick auf die produktive Rezeption der ersten beiden Jahrhunderte der Edo-Zeit geworfen, d. h. aufden Einfluß des Tsurezuregusa auf die allgemeine Edo-Li­teratur und dies in einem knappen Exkurs zu skizzieren versucht67.

Exkurs

Für die produktive Rezeption des Tsurezuregusa, also den in anderen literarischen Erzeugnissen nachweisbaren, Einfluß' des Werks finden sich vor der Edo-Zeit ähn­lich wenige Belege wie bei der erörterten reproduzierenden Rezeption: läßt sich beim Toribeyama-monogatari[41 ] ein Einfluß vermuten so zitiert das Ria-monogatari[42

] ,

232

Page 10: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

ebenfalls zu der Gruppe der otogizoshi gehörend, wörtlich aus dem Abschnitt IX des Tsurezuregusa und das Suzuriwari scheint mit seiner Erzählung vom Seiku-shönin den Abschnitt LXIX, den "Shönin vom Shosha-Berg" aufzunehmen6s.

Erst ab der Edo-Zeit werden, analog zum geschilderten Anwachsen der Kommenta­re die Belege für einen Einfluß des Tsurezuregusa stärker. Sie führen in der Prosa- ab­gesehen von der zuihitsu-Literatur- von den kanazoshi, in manchem "Nachfolgegat­tung" der otogizoshi, über die ukiyozoshi zu sharebon, yomihon und kokkeibon.

Greifen das Kashoki[43 ] (1642) des Joraishi(44], in dessen Namen z. T. eine Anleh­nung an den letzten Abschnitt des Tsurezuregusa gesehen wird69, sowie das Tagami­noue[45] (1675) des Yamaoka Genrin[46] (1631-72), der auch einen Kommentar zum Tsurezuregusa schrieb70, öfter, auch wörtlich, aufKenkös Werk zurück71 so stellten das Jnu-Tsurezure[41 ] (1653) und das Soresore-gusa (1681) schon durch ihre Titel eine Verbindung zum mittelalterliche.n Werk her, die sie im Text noch verstärken72• Unter denukiyozoshi sind es neben dem Takitsukegusa eines unbekannten Verfassers vor al­lem die Werke Ihara Saikakus (1644-95), auf die Kenkös Schrift wirkte. Saikaku, der wie der Tsurezuregusa-Kommentator Okanishi lchu (1639-1711)73 der Danrin-hai­kai-Schule angehörte, steht wohl auch hinter den ,Kopfanmerkungen" des Genroku 2 (1670) gedruckten Shin- Yoshiwara tsunetsunegusa[48 ], die ein gewisser ,Ichidai otoko Yonosuke'- einer der Scherznamen Saikakus- verfaßt haben wil174. Schon im Ko­shoku ichidai otoko (1682) wird der erste Abschnitt des Tsurezuregusa erwähnt im Koshoku gonin onna (1686) sollen Band I den Abschnitt IX, Band II die Abschnitte XIIT und XIX berühren75, auch das Nihon eitaigura und das Oridome übernehmen aus Kenkös Werk76.

Bei den zeitlich folgenden sharebon findet Tanaka Matsutarö außer im noch zu er­wähnenden Ressenden[49] auch im Höreki 7 (1757) entstandenen Yukaku-nennen­ko [50

] und anderen Zitate aus dem Tsurezuregusa, die auch- allerdings nach dem hier zu betrachtenden Zeitraum - in yomihon und kokkeibon nicht fehlen 77 •

Auchhaikai und haihurt nehmen den Einfluß des Tsurezuregusa bereitwillig auf: be­legen Busons Verse mehr als ein Dutzend Entlehnungen bzw. Anspielungen78 , so fin­den sich bei Matsuo Bashö (1644-94) im Oku no hosomichi (1689) der Abschnitt XCill im Sumidawara (1694) der Abschnitt CXX:XIX oder im Sarumino (1690) der Abschnitt CLXXXV zitiert79, eine Tradition, die noch verstärkt, in der haibun -Samm­lungdesYokoi Yayfi(51) (1702-83), demUzuragoromo(52 ] (1785), weitergeführt wird.

Daß später auchkyoka und kyobun bereitwillig wie ihre vornehmeren Verwandten aus dem Tsurezuregusa schöpften, zeigen neben der SammlungKyoka-chomon-shu vor allem die Werke des kyoka-Meisters Öta Nampo (Shokusanjin)(53] (1749-1823), Yomo no aka, Yomo no tomekasu, Senko-banshi und Banshi-senko, die aber schon ins 19. Jhdt. reichenso.

Auch das Theater griff früh zu dem Miszellenwerk bzw. nach dessen Verfasser. Schon vor dem eigentlichen Joruri hatte das ko-joruri Tsurezuregusa-Zitate abgewandelt8 1

,

Chikamatsu Monzaemon schuf zweimal, in ,Tsurezuregusa' (1681) und ,Kenko-ho­shi-monomiguruma' (1705), aus Biographischem und Anekdotischem über Kenkö und mit Zitaten aus dem Tsurezuregusa Joruri-Stü<:ke82•

In dieser, hier nur exkursarisch skizzierten Atmosphäre und Entwicklung der pro­d~tiven Rezeption des Tsurezuregusa, seiner Wirkung auf die Edo-Literatur- sie Ware noch um die Dimension der zuihitsu-Literatur zu erweitern, die schon von der

233

Page 11: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

Gattung her für einen Einfluß des Tsurezuregusa prädestiniert scheint hier aber aus Platzgründen und weil sie relativ oft Darstellung fand ausgeklammert blieb83 -scheinen mehrere Aspekte wichtig und z. T. auch, in unterschiedlicher Weise, mit der reprodu­zierenden Rezeption in Zusammenhang zu stehen; abgesehen davon, daß bereits der große Umfang der nachgewiesenen Einflüsse und die Erfassung aller Gattungen der Li­

teratur eindrucksvoll genug eine breite Rezeption des mittelalterlichen Werks belegen.

Zitate und Anlehnungen setzen, zunächst beim Autor, Werkkenntnis voraus ; für diese Werkkenntnis sorgte die hohe Aktivität der beschriebenen (und um die Textedi­tion zu ergänzenden) reproduzierenden Rezeption in Gestalt von Text- und Kommen­tareditonen. Zitate und Anlehnungen rechnen aber auch mit dem Verständnis durch die Rezipienten,- zumal und gerade weil Autoren in dem bereits ,kommerzialisierten Literaturbetrieb'84 der Edo-Zeit (auch) auf den Absatz sehen müssen, mit dem sie of­fenbar bei Tsurezuregusa-Stoffen rechneten.

Dies gilt natürlich für die einzelnen angesprochenen Gattungen in unterschiedlichem Maße,- zwischen Bashös Oku no hosomichi und Saikakus Koshoku ichidai otoko lie­gen mehr als Gattungsgrenzen-in besonders hohem Maße aber wohl für zwei Bereiche der produktiven Rezeption, für die imitierende Tsurezuregusa-Parodie und für die lite­rarischen Kenkö-Überlieferungen.

Letztere, die mit den beiden erwähnten Chikamatsu-Stücken ungefähr zehn Werke umfassen85, verraten ein sich wandelndes Kenkö-Bild und unterschiedliche Kenkö­Bilder in der Edo-Zeit.

Renga- undhaikai-Meister ab dem Mittelalter fühlten sich zu dem das Schöne genie­ßenden, das Leben in seiner Vergänglichkeit liebenden Einsiedler Kenkö hingezogen, ein Bild das wohl auch diehaijin der frühen Edo-Zeit teilten, als sich das Ideal des Ein­siedlers langsam zum ,yasa-inja' [54] zu entwickeln beginnt, der seine Bindungen zu Welt, Kultur und Kultiviertem nicht kappt und den Werke ab Mitte des 17. Jahrhun­derts immer mehr propagieren86.

Daneben entwickelt sich ein populäres Kenkö-Bild, das zum Teil schon vorgeformt war in anekdotenhaften Zügen früherer Überlieferung wie die (auch von den meisten Kommentatoren abgehandelte) ab dem Taiheiki überlieferte sogenannte ,Liebes­briefaffäre 87 und das noch verstärkt wurde durchsets'uwa-artige Elemente beim Kenkö eines Chikamatsu oder Kan jü ( s. u.). So konnte sich Kenkö allmählich gemäß der wech­selnden Ideal.e der Edo-Literatur dessui[55 ], dem Ideal der elegant-schöpferischen Le­bensart und des ts-u[56 ] , des "Kenners '88 zu einemsui-hoshi wandeln, bis er im 1763 ge­druckten sharebon Ressenden des Bokushiki als Wirt eines Freudenhauses auftreten kann in dem sich Konfuzius und die sechs japanischen Gedichtheiligen amüsieren89·

" Gilt das Freudenmädchen denn nur in der Blüte der Jahre, der Liebesknabe denn nur ohne Partner?" (Joro wa toshima ni, wakashu wa anibun naki wo ... ) parodiert das lrosato- Tsurezuregusa[57 ], das ,Freudenhaus-Tsurezuregusa 9o, den erwähnten be­rühmten Abschnitt CXXXVII des Tsurezuregusa ("Bewundert man die Blüten nur in ihrer Pracht, denMondnur an einem wolkenlosen Himmel?" -Hana wasakarini, ts-uki wa kuma-naki wo nomi ... 9 1) und setzt bei seinen Lesern damit die Kenntnis des Paro­dierten voraus. Auch die große Verbreitung solcher Parodien des Tsurezuregusa , die mit demlnu-Tsurezure (1653), einem Loblied derhomosexuellen Liebe, beginnen und das Shin- Yoshiwaragusa, ferner ein Yoshiwaragusa (,.j(okoro ni utsuriyuku k ö s h o k u n o y o s h i as h i wo ... ) sowie ein Chajin- Tsurezuregusa ( ,higurashi c ha- n o- Y u ni

234

Page 12: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

mukaite, yoshinashi d ö g u wo ... ") und ähnliche Werke enthalten92, ist Beleg der gro­ßen produktiven Rezeption des Tsurezuregusa und zugleich wohl auch Maßstab für die weitreichende und verbreitete reproduzierende Rezeption des Werks, die diese Paro­dien zu ihrer Wirkung ja benötigten.

Das Tsurezuregusa aJs literarisch-ästhetische Schrift

Kehren wir nach dem Exkurs über die produktive Rezeption des Tsurezuregusa wie­der zu den drei ab der Kambun-Ära aufgespaltenen Strängen der reproduzierenden Rezeption in den Kommentarwerken zurück so ist Kigins Rezeptionshaltung, der in seinem Tsurezuregusa-mondanshb (s. o.) auch bei der Anerkennung von lehrhaften Zügen im Tsurezuregusa die Schrift als literarisches Werk betrachtete nicht abgebro­chen. Wenn auch eine eindeutig literarisch-ästhetische Rezeption des Werks noch fast ein halbes Jahrhundert auf sich warten ließ, sind dazwischen doch drei Kommentar­werke zu nennen, die i. w. die vom Mondansho begründete Linie fortführen. Schon in dem zweiJ ahre nach demMondansho- Kambun 9 (1669)- erschienenen Tsurezuregu­sa-genkai[58]93 des Nambu Söju[59] (?-1688), das sich an Studienanfänger richtet94 , ist eine Ausgewogenheit zwischen der Auffassung des Tsurezuregusa als belehrendes Werk und literarischer Rezeptionsgegenstand zu sehen und auch im Tsurezure(gusa)­jikige[60]95 (1686) des Okanishi Ichu(61] (1639-1711) wird dies deutlich. Ichfr, ein Arzt, der bei Nishiyama Söinhaikai studiert hatte und mit Saikaku zur Danrin-Richtung ge­hörte vertritt wie Nambu Söjfr diesankyo-ittchi-These(62] und kann schon dadurch ein­seitiger Interpretation des Tsurezuregusa entgehen.

Beide Werke bringen nur selten eine explizit literarische Wertung des Tsurezuregusa , lehnen jedoch einseitig ideologische Interpretationen, wie sie in den beiden anderen Rezeptionssträngen auftrat, ab und werden allgemein zu der Tradition Kigins gerech­net.

Deutlicher scheint dies bei dem dritten Kommentarwerk zu sein, dem Genroku 14 (1701) gedruckten Tsurezuregusa-shU.se~u(63)96 des Kanju[64] (1658-1733) da einen der größten ,Sammelkommentare' (s. o.) zum Tsurezuregusa darstellt und gleichzeitig Gipfel wie Ende dieser Groß-Kompendien, i. w. auch der wissenschaftlichen Tsurezu­regusa-Kommentierung der Edo-Zeit, bezeichnet. Der Verfasser, Aoki Rosui der sich im Vorwort Kanju nennt, ist einhaikai-Meister aus Kyöto, der auchukiyozoshi und an­dere Prosa schrieb97 • Das Kommentarwerk liegt zeitlich gerade in der Übergangsphase Rosuis vom haikai zu densbshi; fünf Jahre später schrieb er das Kenkb-shokoku-mo­nogatari[65] , eine der Anfang des 18. Jhdt.s zahlreicher werdenden Erzählungen, die das Kenkö-Bild der Edo-Bürger prägten.

In dem Vorwort zum Tsurezuregusa-shU.se~u richtet er sich gegen manche tradierte These: da das Tsurezuregusa als "Zeitvertreib für die Einsamkeit" (kankyo no susabi) geschrieben sei, enthalte es vielerlei, darunter auch Belehrendes, ebenso aber auch se­truwa und Liebe. Es einseitig konfuzianisch, buddhistisch oder poetologisch zu werten, sei schlecht. Man müsse alles "so wie es ist, leicht, gelassen betrachten" (,~ubete ari no mama ni yasuraka ni mirubeki"98).

In der weitgehenden Ablehnung des Tsurezuregusa als Lehrwerk, in Anerkennung des zuihi~u -Charakters und vor allem der letzten Forderung, das Werk Kenkös als lite­rarisches ("so wie es ist") ernstzunehmen und nicht ideologisch zu "vereinnahmen" geht Rosui einen bedeutenden Schritt über frühere Kommentarwerke hinaus99 .

235

Page 13: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

Dennoch war der Höhepunkt literarisch-ästhetischer Rezeption des Tsurezuregusa erst ein Jahnehnt später erreicht mit dem Höei 8 (1711) gedruckten Tsurezure no san(66poo des Kagami Shikö[67] (1665-1732).

Shikö,- sein Vorwort unterzeichnet er mit Töka[68]- Schüler Bashös und unter die "zehn Weisen" der Bashö-Scbule gerecbnet10t, unterscheidet sich in manchen, eigent­lich den meisten Punkten von seinen Vorgängern. Im subjektiv-ästhetischen Zugriff versucht er das Werk Kenkös, der ihm- eine Parallele zu dem Bild des sui-hoshi der populären Literatur (s.o.)- als furyu no hosshinsha' ("Erleuchteter des ästhetischen Gefühls und guten Geschmacks") erscheint, zu fassen sowie in Kenkö denhaijin zu ent­decken, wie er renga- undhaikai-Meistern, ihrem eigenen Ideal gemäß, vorgeschwebt haben mochte.

Wie sehr sein Werk von den üblichen Kommentaren abwich, scheint Shikö auch selbst empfunden zu haben, wenn er im Vorwort (1694) auf konfuzianische, buddhisti­sche und taoistische Rezeptionsweisen anspielend meint: "Buddha und Konfuzius wer­den darüber Tränen vergießen, Lao-tzu und Cbuang-tzu sich darüber scbneuzen102",

doch tröstet er sieb bald: "Lobende und Scheltende, sie bleiben nicht auf dieser Welt; wäre ich der Tökabö von tausend Jahren später, würde ich auch über den Tökabö von beute lachen müssen1o3."

In mehreren Thesen, die er seinem Kommentar voranstellt, nennt Shikö seine Sicht vom Werk, indem er die meisten gängigen Meinungen dabei ablehnt: der Unterschied zum als ähnlich bezeichneten Makura no soshi liege darin, daß dieses Werk ein ,waka no yobanashi", Kenkös Werk dagegen ein "waka no hOgo" sei104 . Die Ansicht, Kenkö habe Lao-tzu und Chuang-tzu geliebt, sei falsch. Das Urteil, der Hauptzweck des Tsu­rezuregusa liege in moralischer Belehrung, sei das Urteil von Ignoranten.

Das Tsurezuregusa selbst teilt Shikö in 49 Großabschnitte ein, deren Zusammenbang er behauptet, und charakterisiert diese mit Termini wie ,chirashi' u. a., die hauptsäch­lich haibun-Ausdrücken entsprechen, oft solchen, die er in seinem Haikai-juron ver­wandte. Abschnitte und Einzelsätze sieht er in locker-eleganter Weise verknüpft, sieht offenbar die tsukeai-Verbindungen des haikai darin, gelegentlieb so weit gebend, daß er -selbst im berühmten Abschnitt VII über die Kürze des Lebens- hauptsächlich die ar­tifizielle Leistung der Wort-, Zeichen- und Sinnverknüpfung würdigt den gedankli­chen Gehalt kaum mehr berührend.

In jeder Interpretation der Groß- und Kleinabschnitte sucht er den künstlerischen Menschen Kenkö, in jedemdanden literarisch-ästhetischen Charakter des Werks. Die Ablehnung jeglicher belehrend-moralischer Intention des Tsurezuregusa und die Be­tonung seiner literarisch-ästhetischen Essenz sichert Shikö eine Sonderstellung in der vormodernen Tsurezuregusa-Rezeption als Höbepunkt des skizzierten Strangs der Re­zeption der Schrift als literarisch-ästhetischem Kunstwerk.

* Nach Shikös Werk werden Kommentare zum Tsurezuregusa seltener, die erwähnten

Meioko, Inkai und Kanemegusa sind bereits Nachzügler in einer Zeit, da sich das Inter­esse mehr auf die Person Kenkös richtete und Rezeption, wie wir gesehen haben über die Vermittlung legendenhaft-fiktiver Kenkö-Stoffe oder parodistische Aneignung er­folgte.

236

Page 14: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

In der späteren Kokugaku schlug sich eine Auseinandersetzung mit der Schrift des mittelalterlichen Einsiedlers- für sie, die am Kojiki, Manyoshu und Genji-monogatari zu messen gewohnt war, ohnehin ein epigonales Werk- kaum in Kommentarschriften nieder, erfolgte eher beiläufig denn intensiv in kurzen, zumeist kritischen Bemerkun­gen. Bevor jedoch dem Motoori-Schüler Ishiwara Masaakira(69) (1760-1821), wie er in seinem Nennen-zuihitsu(1°] (1801-1804) schreibt, "die Frömmigkeit (Kenkös) Kopfweh macht"(e) und Motoori Norinaga im Tamakatsuma(11 ] den (von Shötetsu, Shinkei und vielen anderen geschätzten) Abschnitt CXXXVII (Hana wasakarini ... ) als gekünstelt, Abschnitt VII (Hito wa yosoji ni tarade ... ) als unaufrichtig und als buddhisti­sche Verirrung kritisiert 106 , leuchtet in den Worten Ise Sadatakes(72) (1717-84) im Tsurezuregusa-daii(13 ] (1773), Teil des Anzai-zuihitsu, eine Rezeptionsweise auf die wieder den Blick auf die Vielfalt im Tsurezuregusa und auf denzuihitsu-Charakter des Werks öffnete:

,Beim Hauptsinn, in dem Kenkö dieses soshi schrieb, ist zu bedenken, daß er ,Tsurezure naru mama ni. .. kakitsuru' sagte. Es war nicht Kenkös Absicht, für andere zu schreiben. In Muße, das, was ihm in den Sinn kam, an das er sich erinnerte, gestern aufschreibend und heute-notierend, hat er dies in einsamen Stunden der Muße sich selbst zur Freude getan. Da er ,kokoro ni utsuriyuku mama ni schrieb, gab es auch nicht eine alleinige Lehre, auf die er gezielt hätte. Shintö findet sich, Konfuzianismus auch, die Gedanken von Lao-tzu und Chuang-tzu, der Buddhismus, der Weg der Lieder und die Musik, alte Begebenheiten, Sinnlichkeit und Anekdoten. Denn ,kokoro ni utsuriyuku' bedeutet gerade dies107."

Diese Ansicht scheint einen Bogen zu schlagen zu dem Vorwort imJuymyoinsh6 des Söha (s.o.) und scheint in manchem zurückzugreifen auf die den drei erwähnten Pio­nierwerken eigene komplexere Sicht des Tsurezuregusa, deren Aufspaltung und Ver­änderungen in den Hauptvertretern der reproduzierenden Rezeption der ersten zwei Edo-J ahrhunderte wir zu skizzieren versuchten.

ANMERKUNGEN

1 So im Nagusamigusa (s. u.), zit. n. Shigematsu Nobuhiro: "Tsurezuregusa-kenkyushi , in: K~kugo to kokubungaku, VI (1929), 7, S. 65.

ebd., S. 65. ~ ~ z. B. das Tsurezuregusa-sanko (1678) oder Shirnizu Shunryu in seinem Tsurezuregusa­

shznchu (1667); zu beiden Werken s. u. 4 Solche Versuche, die z. B. in einem Eintrag des Takemuki-ga-ki den Einfluß des Tsurezure­

gusa. s~hen wollen oder Ton'a (1289-1372) sowie Nijö Yoshimoto (1320-1388) als Lehrer und Renptenten des Tsurezuregusa erschließen, behandelt Inada Toshinori: "Tsurezuregusa no kyöju wa naze okureta ka", in: Kokubungaku kaishaku to kyozai no kenkyu, XXII (1977) 11, S. 102f.

5• Murasaki Shikibu nikki, Ausgabe Nilion koten bungaku taikei- künftig NKBT- Bd. 19, Tö-

ky~ 1958, Seite:n 470, 500, 504. - . __ Zu den Emtragungen im Sarashina-nikki wie allgemein zur vormodernen Rezeption des

G~nJt-mo_nogatari s. Thomas J. Harper: Motoori Norinaga's criticism of the Genji Monogatari, . 0188· Umv. ofMichigan 1971 (Microfilm-Xerogr. durch Univ. Microfllm International Ann Ar­bor!Lo!ldon 1977), passim. (

7 ~me Liste der AKommentarwerke seit der Meiji-Zeit findet sich in T?~ku~a :rokuji!ö ~ a. AHg.). Makura no soshi, Tsurezuregusa ( = Kokugo kokubungaku k~f!kyushi ~a~et 6) ~O~? 2. diuß. 1969, __ S._289-291, 292f 454-460, den wir künftig als KKKT zttieren. B1bliographien uber k e Se_~nda!llteratu~ z~m Tsu~ez":regusa in ~er ~odeme, d~ren Umfang ebenfalls beredt Aus­b~ft uber d1e Beschaftigung nnt dtesem zuihitsu gtbt, finden s1ch neben KKKT, S. 461-491 auch

e1 Kawase Kazuma: "Tsurezuregusa-kenkyu sankö shomolru", in: ders.: '[surezuregusa Shole-

237

Page 15: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

tsu-bon, 1 Y31; Komatsu M. und Imani M: , Tsurezuregusa-kenkyU bunken-söran" in: Kokubun­gaku, 19 57, 2; Mi tani E. und Minemora F.: Tsurezuregusa kaishaku-taisei, Tökyö 1966, Anhang I: " Kenkö, Tsurezuregusa-kankei bunken-mokuroku ', S. 71-164.

8 Zur Terminologie s. G . Grimm: "Einführung in die Rezeptionsforschung", in: ders. (Hg.) : Literatur und Leser, Stuttgart 197 5, S. 72; ferner K. R. Mandelkow: " Probleme der Wirkungsge­schichte", in: P. U. Hobendabi (Hg.): Sozialgeschichte und Wirkungsästhetik, Frankfurt/Main 1979, S. 82f.

9 Otfried Ehrismann: "Thesen zur Rezeptionsgeschichtsschreibung", in: W. Müller-Seidel u. a. (Hg.): Historizität in Sprach- und Literaturwissenschaft, München 1974, S. 125.

10 Hannelore Link: Rezeptionsforschung, Stuttgart-Berlin-Köln 1976, S. 86. 11 ebd., S. 86. 12 ebd., S. 89. t3 s. Oscar Benl, op. cit., S. 15. 14 Zu diesem Sh6tetsu-jihitsu-bon (Nachw. v. 1431)- nachgedr. als Tsurezuregusa Sh6tetsu­

bon (komm. Kawase Kazuma) in der Reihe Koten-sökan, 1931 und in Faksimile-Edition 1951 durch die Kokkai-toshokan- s. z. B. Kawase K.: "Shötetsu-bon Tsurezuregusa-kö", in: Koku­bungaku-shi 1931, IV; ders.: "Shötetsu-bon Tsurezuregusa no kenkyu" (Nihonshoshigaku no kenkyu).

15 Übersetzung der zitierten Tsurezuregusa-Stelle s. Oscar Benl: Yoshida Kenk6 Tsurezure­gusa (hg. v. Mirok Li), Bergen 1948, S. 55.

16 zit. nach KKKT, S. 269. 17 In der Numerierung der Abschnitte des Tsurezuregusa folge ich der heute üblichen, wie sie

z. B. die NKBT-Ausgabe des Werks- Nishio Minoru (Hg.): H6joki, Tsurezuregusa (= NKBT 30), Tökyö 1957- gibt.

18 s. KKKT, S. 269 ("Aber kann man den Mond und die Blumen nur dann genießen, wenn man sie mit den Augen sieht? Im Frühling das Haus nicht verlassen, in den Mondnächten zu Bette liegen und an die Blüten und den Mond zu denken, das ist auch schön und hat einen ganz eigenen Reiz."- Übersetzung Oscar Benl: Yoshida Kenk6 Tsurezuregusa (s.o.), S. 56.

19 vgl. Inada, op. cit., passim. 20 Ekkehard May: "Bedingungen und Aspekte einesneuzeitlichen Literaturbetriebs im Japan

des 17. Jahrhunderts", in: Abt. f. Ostasienwissenschaften der Ruhr Univ. Bochum (Hg.): Bochu­mer Jahrbuch zur Ostasienforschung ( = BJOAF), Bochum 1978, S. 272, hier bes. S. 274f.

21 2 maki, 2satsu; andere Titel: Tsurezuregusa-sh6, Tsurezure-sh6. Weitere bibl. Angaben s. Komatsu Misao: " Chushaku", in: Ichiko Teiji (Hg.): Shosetsu-ichiran Tsurezuregusa, Tökyö 1970 s. 207.

22 s. Shigematsu, op. cit. , S. 76. 23 KKKT S. 271. 2 4 Oscar Benl, op. cit., S. 39. 25 10maki, erw. 14maki; abgedruckt als Bd. 13 desKokubun chCtshaku zenshu, 1909. Weitere

bibl. Ang. s. Komatsu, op. cit. , S. 208 und Tanabe Tsukasa, Tsurezuregusa shochu-shCtsei, Tökyö 1962, s. 711.

26 8 maki, 8satsu; illustriert und damit auch Beginn der (Nara-ehon-) lllustrationen des Tsure­zuregusa. EinerTitellesung "Nagusamegusa", wohl in Anklang an Shötetsuskaron-Schrift, stehen kana-Schreibungen im Werk entgegen, der Nebentitel Ch6zumaru-sh6- z. T. auch Ch6t6maru­sh6 gelesen- verweist auf den Kompilator, eigtl. Mitverfasser, einen Schüler Teitokus. Ausführ!. bibl. Ang. in Komatsu, op. cit. , S. 209 und Tanabe, op. cit., S. 712.

27 4 maki, 4 satsu; durch zahlreiche Neuauflagen bis Shötoku (1711-16) weitverbreiteter Text in der Edo-Zeit. Bibi. Ang. s. Komatsu, op. cit., S. 209f; ausführlicher ders.: " Tsurezuregusa­Tettsui-köryaku", in: Kanazawa-bunko kenkyu 1963 11.

28 Dieses Beispiel und anderes. Sekiba Takeru:, Tsurezuregusa no ei.kyö, kyöju to kenkyu-shi", in: Kokubungaku kaishaku to kansh6, 1970, 3, S. lOlf.

29 Vgl. Shigematsu, op. cit., S. 80. 30 nach Sekiba, op. cit., S. 99. 31 12 maki, 12 satsu; bibl. Ang. s. Komatsu, op. cit., S. 210f. . 32 z. T. Kokon-daii gelesen; 2 maki, 4 satsu, nach Komatsu, op. cit., S. 211 aber 4 makz. 33 8 maki, 8 satsu, iU ustr. 34 lse-monogatari-sho, Sei-sh6nagon Makura no s6shi-sh6. 35 auch Tsurezure(gusa)-sh6; meist in Ausgaben von 13 maki, 13 satsu. Bibi. Ang. bei KQ_~

mat u op. cit. , S. 212; ausführlich auch Nishio Minoru: "Tsurezuregusa-Bansaishö ni okeru rau no kösa.tsu" in: Bungaku 1934, 1.

36 Neben detaillierten Worterklärungen wird auch eine Biographie Kenkös gegeben sowie d~r zeitliche Hintergrund der Entstehung des Werkes erlaßt. Bansai vertritt die Auffassung, daß die einzelnen Abschnitte des Tsurezuregusa in der bestehenden Reihenfolge zusammenhängen, der Sinn somit durchgehend sei.

238

Page 16: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

3 7 s. Daitö-shuppansha (Hg.): Japanese-English Buddhist Dictionary, Tökyö 1965 S. 193 u. 278.

38 'Nihongoku no hitobito ni shikan no michi wo shiri-yasuki [andere Texte: shiri-yoki] yo ni' zit. n. Shigematsu, op. cit., S. 88f.

39 Im Tsurezuregusa selbst ist unter den insgesamt drei von Kenkö namentlich genannten buddhi tischen Schriften das Maka-shikan einmal- im Abschnitt CXXV- erwähnt ferner schei­nen die Abschnitte CCXLll und CX:Cill darauf Bezug zu nehmen. Vgl. Imanari G.: , Tsurezure­gusa no gensen : butten", in: Yuseidö (Hg.): Tsurezuregusa-koza, Bd. IV ('Gengo, gensen, eikyö' ) Tökyö 197 4, S. 1 79ff.

40 Die kanji und damit die Lesung für seinen Namen werden schon in vormoderner Zeit un­einheitlich wiedergegeben, so daß neben der Lesung Tak.ashina (so z. B. Tanabe, op. cit., S. 713 und KKKT, S. 275) auch die Lesung Takahashi (so Komatsu, op. cit., S. 212) möglich scheint.

4 1 Dieses spätere Datum gibt z. B. Hitani Akihiko: " Tsurezuregusa no kyöjushi", in: Yu eidö (Hg.): Tsurezuregusa-koza, Bd. IV, Tökyö, S. 216 an.

4 2 7 maki, 7 satsu; andere Titellesung: Tsurezuregusa-kukai (so Samura Hachirö in seiner Bi­bliographie Kokusho-kaidai).

43 7 maki, 7 satsu (z. T. 14 satsu); andere Lesung: Bundansho; zahlreiche z. T. erw. Aufl. (1717, 1891 1894 u. a. m.). Bibl. Ang. s. Tanabe op. cit., S. 713fund Komatsu, op. cit. , S. 213f.

44 s. Sekiba Takeru, op. dt. , S. 103. 45 Diesenhaikai-Stil Kenkös betont auch das Fusoinitsuden von Kambun 3 (1663). 46 8 maki, 8 satsu; bibl. Ang. bei Tanabe, op. cit. S. 714f. 4 7 Dieses Nachwort, in dem Tökitsu die meisten Kommentare seit dem J umyoinsho kurz cha­

rakterisiert wurde schon 1907 von Nagai Ichio (Kokubungaku-shoshi) vorgeteilt und wurde durch Hitani, op. cit. , S. 208- 227 ausfuhrlieh behandelt.

48 13 maki, 13 satsu; anderer Titel: Tsurezuregusa-(Soken) sho. Bibl. Ang. s. Tanabe, op. cit. S. 714 u. Komatsu, op. cit. , S. 216.

49 Zu ihnen sind ferner das Tsurezuregusa-shosho-taisei und das Tsurezuregusa-shU.Setsu -zu beiden s. u. - zu rechnen.

50 Nach anderen -z. B. KKKT, S. 278 - war Söken ein Gelehrter aus der Schule des Yamasaki Ansai (1618-82).

51 Vgl. Komatsu, op. cit, S. 205, der sich neben den Thesen über die Existenz von Tsurezure­gusa- Anmerkungen des Ichijö Kanera, Nakanoin Michikatsu auch mit den angeblichen Yfisai­Anmerkungen auseinandersetzt

52 zit. n. KKKT, S. 279. 53 7 maki, 7 satsu; der Zweitbestandteil des Titels wird z. T. sinojapaniscb (yoso) gelesen ; bibL.

Ang. bei Komatsu, op. cit. , S. 225. 54 s. Sekiba, op. cit., S. 106f. 55 4 maki, 4 satsu; bibl. Ang. u. Ang. z. Verf. bei Tanabe, op. dt. , S. 713 . 56 20 maki, 20 satsu; anderer Titel: Tsurezuregusa-shukai-taisei; ausgezeichnete Neuedition

durch Mitani E. und Minemura F. (Hg.): Tsurezuregusa kaishaku-taisei, Tökyö 1966. 57 s. KKKT, S. 280. 58 vgl. Shigematsu, op. dt. , S. 105. In einem kurzen Artikel behandelt auch Shimmura Izuru in

Shomotsu-raisan 1929, 9 dieses Werk. 59 3 maki, 3 satsu; bibl. Ang. bei Komatsu, op. cit. , S. 218. 60 s. KKKT, S. 282 . ~1 5 maki, 5 satsu; z. T. Meikan-ko gelesen. Später soll es noch zu einemMeioko-okugisho er­

weitert worden sein. Bibi. Ang. bei Komatsu, op. cit. , S. 224. 62 s. KKKT, S. 282. 63 s. Shigematsu, op. cit. ,

~ 64 Takaya meint Kenkös Worte: " Ideya kono yo n.i umarete-wa negawashikaru-beki koto koso oke:e. Mikado no goi wa kashikoshi. " (NKBT, Bd. 30, S. 89).

6" s. Shigematsu, op. cit., S. 105f.

66 ebd. S. 104. 67 Grundlage für die folgenden Notizen im Exkurs bilden vor allem die Studien von T~ab<:

Ts~~sa: " Kinsei ni okeru Tsurezuregusa no eikyo", Kap. in: ders. op. cit. , S. 719-26 ; Hitant Akihiko: ,Kö~i e no ~iky~Y', in: Ichiko Teiji (Hg.) : Shosets!:"-ichiran Tsurezuregus_fl, ~ökyö 197~, ~- 1 7~-197- Zit. als Hitam, kosei- sowie Tanaka Matsutaro : ,, Tsurezuregusa to kodat-bungaku m:6~llsumeikan-bungaku 1954, 7 , S. 67-76.

69 • Tan~~ op. dt.~ S. 68. . . .. . so Sekib~ op. cit., S. 107, der Joraishis Werk auch als Tsurezuregusa m zeJtgenosstSChem

Gewand ansieht 70

• Dies Kommentarwerk Zoho- Tettsui (5 makiund 6 maki), Kambun 9 (1669) gedruckt, baut vorwiegend auf dem Tettsui (s. o.) auf und richtet sieb an Studienanfänger.

239

Page 17: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

71 So macht das Kashoki aus Abschnitt CL VII des Tsurezuregusa ( ... sakazuki wo toreba sake wo omoi . . . "; NKBT, Bd. 30, S. 200) ein ,,sakazuki wo toFeba, sake noman to omoi, hashi w~ toreba, mono kuwan koto wo omoi ... '

n Die Eingangszeilen deslnu- Tsurezure verlassen erst mit den letzten drei Wörtern ,,katahara itaku okashi" das Original ("ayashu koso monoguruhoshikere"), ein auch von anderen Parodien des Tsurezuregusa (s. u.) gern geübter Brauch. Nach Tanaka, op. cit., S. 70, schöpft daslnu- Tsure­zure außerdem aus den Abschnitten LXXIX, LXXXV, CXI, CXXII, CLI und CL V des Tsurezure­gusa.

73 zu seinem Tsurezuregusa-jikige s. weiter unten. 74 vgl. Hitani, kosei, S. 193f. 75 nach Tanabe, op. cit. , S. 720. 76 ebd., S. 720; ferner weist Ekkehard May: Saikaku-Oridome (Hg. H. Hammitzsch), Stutt-

gart 1973, S. 76, Anm. 14 auf eine Anspielung auf Abschnitt XCVII hin. 11 Tanaka, op. cit. , S. 71f. 78 ebd., S. 72. 79 s. Tanabe, op. cit., S. 719. 80 Tanaka, op. cit., S. 73f; ferner zu dem Einfluß des Tsurezuregusa auf die in diesem Zusam­

menhang erwähnenswertensenryu, denen besonders die Abschnitte I (Abstinenzler), lli (jemand, der nicht liebt) und VIII (Der Berggenius und die Wäscherin), i. a. aber auch alles, was in Kenkös Werk von Liebe, Trinken und Essen handelt zum Gegenstand wird, s. Adachi Yoshio: , Senryu­Tsurezuregusa", in: Kokubungaku kaishaku to kansho 19 58, 7, S. 60-67, der zahlreiche Beispiele bringt.

81 'geko naranu koso kimi wa yokere'(!), s. Tanaka, op. cit., S. 70f. 82 vgl. Tanabe, op. cit., S. 720 sowie Tanaka, op. cit., S. 71. 83 Eine Liste der vom Tsurezuregusa beeinflußten zuihitsu- Literatur wird in Ichiko T. (Hg.),

op. cit., S. 188 gegeben. 84 s. dazu E. May, op. cit., (BJOAF) S. 280ft. 85 Liste s. bei Ichik:o T. (Hg.), op. cit., S. 189. 86 Fusoinitsuden (1663) Kokin-itsushiden (1661), Kindai-yasa-inja (1686), das ein Vorwort

von Saikaku besitzt, zeigen diese Tendenz; vgl. Hitani, op. cit. , S. 213f. 87 Vgl. Fukuda H.: " Kenkö no ensho-daihitsu-jiken", in: Kokubungaku kaishaku to kanshO

1957, 12, s. 76f. 88 zu diesen Idealen der Edo-Literatur (und des Edo-Lebens) s. W. Schamoni: Die Sharebon

Santo Kyodens und ihre literaturgeschichtliche Stellung, Diss. Bonn 1970, S. 52f. 89 Dies Werk, dessen Text mir nicht zugänglich war und das in die Gruppe der t5u-Literatur zu

gehören scheint, in der sich auch Buddha oder Amaterasu in Yoshiwara amüsieren, erwähnt neben Hitani auch Tanaka, op. cit., S. 72f.

90 zit. n. Hitani, op. cit., S. 224. 91 Tsurezuregusa-Text in NKBT, Bd. 30, S. 201, Übersetz~ng bei 0. Benl, Yoshida Kenko

Tsurezuregusa (s. o.), S. 55. 92 s. Hitani, kosei , passim, bes. S. 188 u. 192. 93 5 maki, 5 satsu; bibl. Ang.- auch zur Lesung des Verfassernamens- s. Komatsu, op. cit. , S.

214. 94 Shimizu Shunryu, Verfasser des Tsurezuregusa-shinchu (s. o.) schreibt im Vorwort des

Genkai: "mottomo shogaku no suke to naru". 95 10maki, 10satsu, illustr.; z. T. Tsurezuregusa-chokkai gelesen. Eine Neuauflage des Werks

(1701) wurde in Tsurezure-seidansho umbenannt. Bibi. Ang. s. Komatsu, op. cit., S. 214 und Ta­nabe, op. cit., S. 715.

96 15 maki, 6 satsu; anderer Titel: Tsurezure-shU.Setsu. Das Werk, das sich betont vom Tsure­zuregusa-shosho-taisei (s. o.) abheben will, benutzt insgesamt 21 frühere Kommentare, damit noch 7 mehr als das Shosho-taisei. Bibi. Ang. s. Komatsu, op. cit., S. 222.

97 z. B. Tenarai, Kindai-inga-monogatari u. am. 98 zit. n. Shigematsu, op. cit. , S. 104. '~ 9 In den Detailkommentaren hält Rosui allerdings seine Forderungen nicht immer durch,

sondern scheint zu unterscheiden zwischen den uneigentlichen Dingen, die Kenkö wege~ d~r Leute schrieb und den eigentlichen, in denen Kenkö seinem eigenen Herzen folgte (zui-ta- l, zuL­ji-i).

100 8 maki 8 satsu · nach Komatsu, op. cit., S. 223 9 maki; anderer Titel: Tsurezure-san (Le­sungen Tsurezuregusa (no) san sind inkorrekt). Vollständiger Abdruck des Textes in .KKKT, S. 321-430, auf den ich mich bei Zitaten beziehe (unter dem Sigel TnS KKKT)· dort, S. 431ft auch bibl. Ang.

101 Genauer zu Shik:ö s. den Beitrag von Geza S. Dombrady im vorliegenden Heft. 102 Tn KKKT, S. 322. 1oJ TnS KKKT S. 322.

240

Page 18: Das Tsurezuregusa und die Edo-Zeit - Oriens Extremusoriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/08/OE-26-23.pdf · gusa durch Herstellung eines weiteren sekundären Rezeptionsgegenstandes

104 Ähnlich wie daslse-monogatari die ,Vorgeschichte", das Genji-monogatari dasShiki des

waka sei. 1os ToS KKKT, S. 322. 106 Motoori führt aus, daß dies seit der " mittleren Zeit" in Gedichten auftretende Lob des kur­

zen Lebens nur "Speichelleckerei" gegenüber dem Buddhismus sei und zum großen Teil Lüge. (Texts. KKKT S. 286).

101 Text bei Shigematsu, op. cit. , S. 109.

C 1 Jft.ff., ~ fr ~r ft :?Y. ( 2) ~ '.t E ( 3 ) 't f"~ 00. J1~ ( 4 ) 1C .:f't ( 5 ) 1-f ;f&_ ( 6 ) ~1.. 1f ( 7 ) t~ ;M_ ( 8 ) fq JK 'fG tfl ( 9) 1( ~, ( 10) J';:~ I ih /''At J ) :t~~-(ll ),f9 ~ ~ (12) 1; ~ ~ 1[_.. ( 13) ~ I~ i~~-(14) *'- {tz B1 ~ t~ (15) 1Ju ~ ji ~ ( 16)~ %- :t~Y CI7J~ t, Jll~'-.1 ctsJ ~ YW i~ ''1~ C t9) 1~ ßlf (20) :!t 11 1: lJ ·~ ( 21 ) 1: t~ i')7 (22):i} ~ (23)t--. ~ (24) *- ~ (25) ~ lli 1G ~ (26)~ 1i (27 ) jf~' ~t<-(28) ;f~ ~ (29) ;~ · ~( ~ ;R~ (30) {i ~ :t?iJ (31 ) ~ ~ t~ ti (32) 1~ ;py ~ n\' (33) ;~ ~ t.L l # (34) ~-- 14 :f'l (35)~ tt 11·~ t- (36)i11J t~ (37)13~ ;;;: ~ (38)·~ &_ ifr_ R ( 39J'~~ ßl~ c 4oJ# lf1 1t fiX. ( 41) ~ i1 J_, :t4JJ it ( 42) 1 tt ·t'0 i~ ( 43) 0 . ~ i0 (44) 1tz 1~ :f- ( 45) ~ ~ ~ Cl)~ -(46) J_, J~ fu ~ (47) * -/ kt -:/ .. ~t (48) ~rr 11 ~, ttt ~ ~ (49)i'J rLL,1i, ( SO ) @~~!+~ ~ (51)~ ~ ( 52)i.~ K Cs3J:k. 111 ;~rm~ w tL, ""- (54) ~ Y~- ~ (55) 1f~ C56J illL (57J't t. --/ At '/ .. ~ t (58) tß !it!f ( 59)$ -%f f ~ (60)t! -~Jf (61 ) ~ @. ~ l·it ~ ( 62)~. ~i - ~~ (63)~, 'tfu (64)ßt:\ *r (65)~--- .q ~ 1_~1 ~1ir~ (66)-? tt1 -:~·· ~ t , , i-( 67)~ fß ~ ~ (68) Jlt_ 4f (69) A:z Tfi, 1E- s}l

(70)!i} /~ 1i!.l (71 ) ~ IJ' -:7 t. (72) 11 ~ ~ j:_

(73) *' 1E~ 241


Recommended