Date post: | 22-Jul-2016 |
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Fröschgasse
17
Platzgässlein
SCHÜTZENMATT
STRASSESP
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SCHÖNBEINSTRASSE
SCHÜTZENGRABEN
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LEONHARDSGRABEN
SPALENBERG
KORNHAUSGASSE
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PETERSPLATZ
STIFTSGASSE
ROSSHOFGASSE
BERNOULLISTRASSE
AUF
DER
LYSS
SPALENVORSTADT
MISSIONSSTRASSE
HOLBEINPLATZ
PETERSKIRCHPLATZ
SPALENGRABEN
1 SPALENTOR
2 SPALENSCHWIBBOGEN
3 STEINENKREUZTOR / FRÖSCHENBOLLWERK
4 EGLOLFSTOR (LEIMENTOR)
5 GESELLSCHAFTSHAUS ZUR KRÄHE
6 KLOSTER GNADENTAL
7 LÜTZELHOF
8 HAUS ZUM ERKER
9 HAUS ZUM ÖSTERREICH
10 ZEUGHAUS / KOLLEGIENGEBÄUDE
11 KORNHAUS / ALTE GEWERBESCHULE
12 MUESHAUS
13 STACHELSCHÜTZENHAUS
14 WERKHOF
15 KARRERHOF / VESALIANUM
16 SPALENBRUNNEN
17 TEUCHELWEIHER UND SCHÜTZENHAUS
18 FRIEDHOF ST. PETER
19 ERSTER JÜDISCHER FRIEDHOF
20 SPALENGOTTESACKER / BOTANISCHER GARTEN
21 FRIEDHOFSKAPELLE
22 SPALENSCHULHAUSCHRISTOPH MERIAN VERLAG
PETER HABICHT, CHRISTOPH MATT
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Peter Habicht (* 1959) hat in Basel Geschichte studiert. Er arbeitet als Autor, Stadt-führer und Referent. Publikationen u.a.: ‹Basel – Mittendrin am Rande› (engl. ‹Basel – A Center at the Fringe›); ‹Lifting the Mask. Your guide to Basel Fasnacht›.
Christoph Matt (* 1953), Studium der Ur- und Frühgeschichte, Schweizer Geschichte und Volkskunde in Basel. Seit 1980 ist er Mitarbeiter der Archäologischen Bodenfor-schung des Kantons Basel-Stadt.
Philippe Saurbeck (* 1966) ist Fotograf und archäologischer Grabungstechniker. Er lebt mit seiner Familie in Rheinfelden.
ISBN 978-3-85616-656-4
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Wehrhaft und schmuck kündete das Spalentor, kurz vor 1400 fertiggestellt, vom er- wachenden Selbstbewusstsein der Stadt Basel. Jahrhundertelang Teil der Stadtmauer, bot es den Bewohnern Schutz und zog Reisende an. In dieser aufwendig illustrierten Publikation zeichnen Peter Habicht und Christoph Matt die wechselvolle Geschichte eines grossen Wahrzeichens nach. Fachkundig schildern sie die reiche Ausstattung, erzählen vom Leben in der Vorstadt und von den Menschen, die sich dort niederliessen. Fuhrleute und Schmiede, Wirte und Bäcker, auch Klarissen, Polizisten und einmal gar ein Geldfälscher lebten in der Nähe des Tores, das ins Elsass und damit in die Kornkammer der Stadt führte. Heute ziehen die Pendlerströme vorbei, doch noch immer gibt das Tor der Ladenstrasse dahinter ein intaktes Gepräge. Vor Kurzem aufwendig restauriert, spiegelt
das Spalentor siebenhundert Jahre Bau- und Siedlungsgeschichte.
KAPITEL X: 1
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KAPITEL X: 3
4
E. Vorstadtgesellschaft zur Krähe: Hansruedi Kehlstadt (Meister), Martin Weis (Statthalter), Rolf Bommer (Seckelmeister), Jean-Pierre Rothen (Schreiber), Alex Wirth (Irtenmeister), Edwin Mundwiler (Bauherr), Remigius Faesch (Sechser), Jürg Humbel (Altvorgesetzter und Bannerherr), Peter Pardey (Altvorgesetzter)
VORWORT DER HERAUSGEBERIN
Das Stübli hoch oben im Spalentor ist uns Krähen nun schon seit fünfzig Jahren liebgewordenes ‹Nest› und ein Ort, der für unsere Vorstadtgesellschaft eine fast mythische Bedeutung hat. Dort trifft man sich einmal im Monat zum gemütlichen Hock mit kleinem Imbiss, für den die unge-schriebene Regel gilt, dass er nur so gross sein darf, dass man ihn in zwei Körben hinauftragen kann. Dort oben werden Ideen geboren und geschmiedet. Und einmal im Jahr findet im zweiten Stock des Tors das wichtigste gesellschaftliche Ereignis der Vorstadtgesellschaft zur Krähe, das traditionelle ‹Graaiemähli› statt. Da geniessen Meister und Vorgesetzte zusammen mit ein paar wenigen Gästen ein mehrgängiges Diner an festlich gedeckter Tafel. Es ist immer wieder eindrücklich, im kleinen Kreis – am Tisch haben nur sechzehn Personen Platz – dem gemächlichen Eindunkeln der Spalenvorstadt zuzusehen. Um möglichst viele Menschen an dem Leben im und um das Tor teilhaben zu lassen und ihnen einen entsprechenden Einblick auch in die Geschichte der Spalenvorstadt zu ermöglichen, ist dieses Buch entstanden.
Während der fast zwei Jahre dauernden und im Frühjahr 2014 abgeschlossenen Sanierung des Spalentors wurden wir von der Vorstadtgesellschaft immer wieder mit Fragen zum Tor, seiner Geschichte und seiner Umgebung konfrontiert. So kam der Wunsch auf, das Wissen rund ums Tor, das an verschiedenen Orten vorhanden und von dem auch einiges bereits publiziert war, zusammenzutragen und allen, die an der Geschichte dieses Basler Wahrzeichens interes- siert sind, in einem leicht und anregend zu lesenden Buch zugänglich zu machen.
Dank der Unterstützung einiger Zünfte und Gesellschaften Basels, von Stiftungen, Banken, Firmen und Privatpersonen aus dem Spalenquartier waren die Mittel für unser Vorhaben bald zusammen, und das Projekt konnte gestartet werden. Im Christoph Merian Verlag fanden wir den idealen, professionellen Partner, der es unserer kleinen Vorstadtgesellschaft überhaupt erst ermöglichte, ein solches Buch herauszugeben. Als federführender Autor konnte der His-toriker Peter Habicht gewonnen werden, der sich gemeinsam mit dem Archäologen Christoph Matt mit viel Kompetenz an die Arbeit machte. Unterstützt wurden die beiden vom Fotografen Philippe Saurbeck. Thomas Lutz hat als Vertreter der kantonalen Denkmalpflege Basel-Stadt einen Gastbeitrag beigesteuert, der die erfolgreich abgeschlossene Sanierung des Spalen-tors würdigt. Unser Altvorgesetzter Peter Pardey hat die Texte mit grossem Sachverstand kritisch gegengelesen. Ihnen allen sei an dieser Stelle für ihr Engagement und ihre Unter- stützung unseres Vorhabens ausdrücklich und ganz herzlich gedankt.
Nun wünsche ich Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, viel Spass bei der Begegnung mit bereits Bekanntem und dem Entdecken von viel Neuem rund um unser Spalentor.
Hansruedi Kehlstadt Basel, im Mai 2015
8
KAPITEL X: 9
INHALT
Kapitel 1:
Eine Annäherung 13 Welch ein Bauwerk 13
Kapitel 2:
Wehrhaft 21 Von Mauern geschützt 21
Die Burkhard’sche Mauer 23
Die Innere Stadtmauer 23
Der Spalenschwibbogen 24
Die Vorstadtbefestigung 26
Das Erdbeben von 1356 28
Die Äussere Stadtmauer 28
Das Fröschenbollwerk 32
Kapitel 3:
Das Tor 41 Ganz plakativ 41
Die Baugeschichte 43
Die Spalenmadonna 46
Der Baselstab 48
Das Vorwerk 49
Das ‹Basler Dybli› 51
Im Inneren des Tores 53
Die Bewohner des Tores 53
Die Waffen des Tores 55
Kapitel 4:
Draussen 65 Torschlusspanik 65
Zölle 67
Basel und das Elsass 69
Flüchtlinge 75
Kapitel 5:
Drinnen 87 Die Vorstadt entsteht 87
Die Vorstadtgesellschaft zur Krähe 90
Das Gesellschaftshaus 94
Das Leben in der Vorstadt 99
Der Spalenbrunnen 102
Wohnen in der Vorstadt 105
Das Haus zum Österreich 106
Das Klarissenkloster Gnadental 110
Das Haus zum Erker 114
Der Lützelhof 116
Bauten der städtischen Infrastruktur 117
Kornhaus und Mueshaus 117
Zeughaus und Werkhof 120
Das Stachelschützenhaus 121
Das Spalentier 124
Die Friedhöfe 125
Kapitel 6: Der Wandel 139 Immer weiter 139
Die Eisenbahn 139
Die ‹Stadtgesundung› 1 41
Das Schleifen der Stadtbefestigung 143
Neues Leben vor den Toren 146
Das Spalenschulhaus 150
Vorstadt und Tor im Wandel 1 5 1
Thomas Lutz:
‹Im neuen Glanze erstrahlen› soll’s eben nicht! 163
Anhang: Literatur und Bildnachweis 174
Dank 176
12Domenico Quaglio (1787 – 1837), Das Spalentor von Südwesten gesehen, Bleistiftzeichnung, um 1820/1830, 37.5 × 48 cm.
13 EINE ANNÄHERUNG
KAPITEL 1:
EINE ANNÄHERUNG
WELCH EIN BAUWERK Mit seiner Grösse und der qualitativ hochstehenden künstlerischen Ausstattung zählt das Spalentor zu den be- deutendsten mittelalterlichen Stadttoren in Europa. Seine Wirkung ent- faltet es auch heute noch – trotz einer viel befahrenen Strassenkreuzung und obwohl die Stadt vor 150 Jahren über ihren mittelalterlichen Mauerring hinausgewachsen ist. Es ist schon aus einer Distanz von über 1,5 Kilome- tern in voller Grösse zu sehen, denn die Missions- und in ihrer Fortsetzung die Burgfelderstrasse läuft schnurgerade auf das Tor zu.
Diese Strasse ist sehr alt. Sie folgt einer Geländekante des West- plateaus 1 in Richtung Sundgau und Burgundische Pforte, der Niederung zwischen dem Jura und den Vogesen. Jahrhundertelang war diese Land-strasse Basels Lebensader. Sie führte nicht nur ins südliche Elsass, Europas Korn- und Weinkammer, sondern auch zu den wichtigen Messen von Lyon und der Champagne und, last but not least, nach Besançon, dem Sitz des Erzbischofs, welchem das Bistum Basel unterstellt war. Basel war weit über das Mittelalter hinaus nach Westen orientiert. Für viele zeitgenössische Be- obachter galt sie (zumindest bis zum Beitritt zur Eidgenossenschaft) als el-sässische Stadt. Es erstaunt deshalb nicht, dass der Rat an dieser Stelle, wo die meisten Fremden Basel erstmals erblickten, das mit Abstand aufwen-digste und prächtigste Tor errichten liess. Denn das Spalentor sollte von Anfang an mehr sein als nur ein Wehrbau, eine Zollstation oder ein Eingang: Es war die ‹Visitenkarte›, ein Wahrzeichen und das Symbol für den Reich-tum und die Macht der Handelsstadt Basel.
Sog. Meister von 1445, ‹Die Speisung der heiligen Einsiedler Antonius und Paulus›, Mischtechnik auf Tannenholz, 1445, 133.5 × 77.5 cm.
15 EINE ANNÄHERUNG
Die Altartafel ‹Die Speisung der heiligen Einsiedler Antonius und Paulus› wurde 1445 von einem unbekannten Meister aus dem Boden- seeraum geschaffen. In unserem Zusammenhang interessiert die Geschichte der beiden Eremiten weniger als die Stadt, die im Hintergrund dargestellt ist, oder vielmehr das Stadttor. Denn es trägt unverwechselbar die Züge des Spalentors. Es ist die älteste bildliche Darstellung dieses Bauwerks, die wir kennen. Das bedeutet allerdings nicht, dass mit der Stadt im Hinter-grund tatsächlich Basel gemeint wäre, auch wenn es in der mittelalterlichen Kunst durchaus üblich war, das Heilsgeschehen in ein vertrautes europä- isches Umfeld zu verlagern. Vielmehr stehen Mauern und Tore grundsätz- lich als Symbol für die Stadt als eine von Menschen erschaffene Ordnung – im Gegensatz zur Wildnis, in der sich die Szene mit den beiden Eremiten abspielt. Dass der sogenannte Meister von 1445 für diese Stadtformel das Spalentor wählte, spiegelt den tiefen Eindruck, den es auf die damaligen Zeitgenossen machte.
Mauern und Tore machen die Stadt zur Stadt, sie definieren die Grenze zwischen drinnen und draussen. Stadtbeschreibungen der Re- naissance beginnen unweigerlich mit dem Mauerring, der nicht selten als ‹Krone› bezeichnet wird. ‹Drinnen›, das war die Welt der freien Händler und Handwerker, ‹draussen› die Welt der unfreien Bauern. Als im 15. Jahrhun-dert die Städte als Mitspieler auf dem politischen Parkett auftauchten und die feudale Herrschaft der Ritter und des Landadels zurückdrängten, wur-den die Mauern auch zum Symbol der Herrschaft der Stadt über das Land. Es ist kein Zufall, dass Basels dritter Mauerring, zu dem das Spalentor ge- hörte, in einer Zeit gebaut wurde, in der sich die Stadt zunehmend von ihrem mittelalterlichen Stadtherrn, dem Bischof, emanzipierte, eine eigen- ständige Bündnis- und Territorialpolitik betrieb und sich (mit dem Erwerb der Vogteien im Sisgau) ein eigenes Untertanengebiet schuf.
Mauern boten Schutz, in Zeiten des Krieges und in Zeiten des Friedens. Denn ‹draussen› war ja nicht nur Kulturland. Weite Teile Europas waren noch von dichten Wäldern bewachsen, Strassen führten durch Sumpf- landschaften oder über unwegsame Gebirge. Wilde Tiere bildeten eine Gefahr für Reisende; Räuberbanden und Wegelagerer ebenso. So führte denn auch das Aufkommen des internationalen Handels im 12. und 13. Jahrhundert zu zahlreichen Stadtgründungen, damit die Kaufleute die Nacht im Schutz eines Mauerrings verbringen konnten. Wichtige Verkehrsachsen wie dieje- nige durch die Burgundische Pforte mögen zwar einigermassen sicher ge-wesen sein; doch wird wohl mancher Reisende ein Dankesgebet an ‹unsere liebe Frau zu Spalen› gerichtet haben, die ihn vom Spalentor herab be-grüsste und ihm Schutz und Sicherheit verhiess. Und er wusste, dass er in der hinter dem Tor liegenden Strasse, die seltsamerweise ‹Vorstadt› hiess (doch davon später), nicht nur eine Herberge finden würde, sondern alles, was es unterwegs brauchte.
Davon, dass das Spalentor schon zu Zeiten, als alle europäischen Städte über Mauern und Tore verfügten, als aussergewöhnlich angesehen wurde, zeugen die vielen bildlichen Darstellungen, beispielsweise die Kup-ferstiche, die in ganz Europa nachgedruckt wurden. Auf ihnen wird, wie
16
im abgebildeten Beispiel, das Tor häufig als ‹St. Pauls Tor› oder ‹Porte St. Paul› bezeichnet. Darüber konnte sich schon im 18. Jahrhundert der Basler Rhe- torikprofessor Johann Jakob Spreng erregen: «Es ist eine übel gerahtene Klügeley, wenn Einige anstatt des Spalenbergs, der Spalenvorstadt, und des Spalenthors, […] St. Pauli Berg, St. Pauli Vorstadt und St. Pauli Tohr, in unsere Stadtkarte einflicken, und allso unsern Nachkömmlingen unzäh- lige Irrtümer und Missverständnisse in allerley Briefen und Urkunden ver-ursachen.» 2
Tatsächlich hat der Name Spalen immer wieder zu Diskussionen Anlass gegeben. Einig ist man sich allerdings, dass sich der Begriff nicht vom Apostel Paulus ableitet, sondern vom mittelhochdeutschen Spale, was soviel wie Leitersprosse bedeutet. In der Schweiz, wo der Flurname Spale verschiedentlich belegt ist (beispielsweise in Langenbruck, wo es einen Spalebach, einen Spaleberg oder eine Spalematt gibt, oder in Seewen, das über eine Hindere, Vordere, Obere und Undere Spahlen verfügt), bezeichnet der Begriff Verschiedenes: langes Holzscheit, Latte, (Leiter-)Sprosse, Rund- balken, Pfahl oder ein Querholz zur Befestigung und Gangbarmachung von steilen oder sumpfigen Wegen. Eine weitere Bedeutung, nämlich das Schulterstück oder die Laffe bei Schlachttieren, geht auf das italienische spalla zurück. Viele dieser Bedeutungen wurden schon zur Interpretation des Namens beigezogen. Mittlerweile besteht der Konsens, dass sich der Name, der übrigens erstmals 1230 urkundlich als vicus spaleae für den Spa- lenberg auftaucht, von Pfählen herleitet und als Hinweis auf eine frühe Be- festigung der Talstadt mittels eines Palisadenzauns zu verstehen ist. 3
S. 17: William Tombleson (1795 –1846), ‹St. Paul’s Gate, Basle›, Stahlstich, um 1830, 20.3 × 12 cm.
1 __ Das Westplateau ist eine Hochebene, die nach Norden in Geländeterrassen Richtung Rheinebene, nach Osten steil zum Tal des Birsig abfällt. Am östlichen Rand des Plateaus befinden sich die Strassenzüge Nadelberg, Heuberg und die Kohlenberggasse. 2 __ Spreng 1756, S. 37. 3__ Freundliche Mitteilungen von Dr. Markus Ramseier und Jürgen Mischke.
Stadtmauer und -graben zwischen dem Fröschenbollwerk und dem Spalentor, um 1860. Foto: Adam Borbély Varady.
21 WEHRHAFT
KAPITEL 2:
WEHRHAFT
VON MAUERN GESCHÜTZT Mitteleuropäische Städte haben sich häufig nach einem ähnlichen Muster entwickelt: Ausserhalb eines mehr oder weniger bescheidenen Herrschaftssitzes, dem Burgus, entstan-den aufgrund von Neuerungen im Marktrecht (wie etwa der Einführung des Zoll- und Münzrechts) im späten 10. Jahrhundert kleine Markt- oder Kauf-mannssiedlungen. Da dort, wo gehandelt wird, auch Streit entsteht, oblag dem adligen Stadtherrn die niedere und hohe Gerichtsbarkeit (Schultheis-senamt und Vogtei). Aus den Beratergremien dieser Gerichte entwickelten sich im 12. Jahrhundert die Räte, deren Sitz, das Richt- oder Rathaus, meist unmittelbar beim Markt errichtet wurde. Doch musste der Markt auch gegen aussen geschützt werden. Der Friede war wegen der Kleinräumigkeit der Herrschaftsgebilde weniger durch grosse Kriege als durch unzählige kleine Fehden gefährdet. So entstanden in ganz Mitteleuropa im 11. Jahrhundert die ersten Steinmauern, welche die alten Holzbefestigungen ersetzten. Sie fassten Herrschaftssitz und Kaufmannssiedlung in einem Mauerring zu-sammen: Die Stadt war geboren.
Die Geschichte Basels entspricht diesem Muster. Auf dem steilen Hügelsporn über dem Rhein, auf dem schon Kelten und Römer gelebt hatten, entwickelte sich ab dem 8. Jahrhundert ein feudaler Herrschaftssitz. Der adlige Herrscher war zugleich weltliches und geistliches Oberhaupt: der Fürstbischof. Die Hauptkirche des Bistums, das Münster, bildete mit dem bischöflichen Palast und den Höfen des Adels ein Zentrum, das bis in die Neuzeit häufig ‹auf Burg› genannt wurde (die Liegenschaft Münsterplatz 2
22
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DREIROSENANLAGE
DREIROSENSTRASSE HORBURGSTRASSE
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SCHÜTZENGRABEN
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BAHNHOF SBB
KARL JASPERS-ALLEE
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EGLISEESTRASSE
GELLERTSTRASSE
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BASLERSTRASSE
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DREIROSENBRÜCKE
FASANENSTRASSE
UNIVERSITÄRE PSYCHIATIRSCHEKLIIKEN BASEL
FELIX PLATTNER SPITAL
ST. JOHANNSPARK
ZOOLOGISCHERGARTEN
ELISABETHENANLAGE
PAUL SACHER ANLAGE
ANLAGE
HORBURGPARK
BARFÜSSERPLATZ
MÜNSTERPLATZ
AESCHENPLATZ
ST. ALBAN ANLAGE
MARKTPLATZ
MESSEPLATZ
WETTSTEINPLATZ
CLARAPLATZ
KLINGENTAL
ST. ALBAN-TAL
KANNENFELDPLATZ
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FISCHMARKT
UNIVERSITÄTS-SPITAL
RITTERGASSE
VOLTAPLATZ
BAHNHOF
RHEIN
RHEIN
BURCKHARDTPARK
BURCKHARDTPARK
SCHWARZPARK
SCHÜTZENMATTPARK
SPORTPLATZSCHÜTZENMATTE
PETERSPLATZ
BOTANISCHER GARTEN
CLARAMATTE
ERHALTENE STADTMAUER
STADTMAUER
ERHALTENES BOLLWERK
BOLLWERK
ERHALTENES STADTTOR
STADTTOR
MAUERTOR/PFORTE
ERHALTENER WEHRTURM
WEHRTURM
ERHALTENE KIRCHE/KAPELLE
KIRCHE/KAPELLE
23 WEHRHAFT
heisst noch heute so). Am Fusse des Münsterhügels entstand im späten 10. Jahrhundert im Bereich des späteren Fischmarktes eine kleine Markt- siedlung, die wohl schon sehr früh durch einen Palisadenzaun geschützt war. Nach einer ersten Expansionsphase im Gebiet der heutigen Talstadt (von der Schifflände bis zum Barfüsserplatz) und entlang des Hangs des West- plateaus (Petersberg, Spalenberg, Heuberg) erhielt sie im späten 11. Jahr- hundert eine Steinmauer.
DIE BURKHARD’SCHE MAUER Basels erste Stadtmauer ent-stand um das Jahr 1080 unter Bischof Burkhard von Fenis. Wie andere Kir-chenfürsten mischte auch er in der hohen Politik mit. Seine Loyalität zum deutschen König Heinrich IV. brachte ihn häufig in Verlegenheit. So musste er beispielsweise Heinrich auf dessen schmachvollen Gang nach Canossa begleiten. Und er musste seine Stadt vor Heinrichs Kontrahentem, dem Ge- genkönig Rudolf von Rheinfelden, schützen. Deshalb liess er eine Mauer bauen. Ihr Verlauf bereitete den Archäologen lange Zeit Kopfzerbrechen. Er konnte erst in den letzten Jahrzehnten lückenlos nachgewiesen werden. Die Fundamente liegen nur fünf bis zehn Meter hinter der Inneren Mauer unter dem Boden. Die Burkhard’sche Mauer besass zwar schon Wehrtür- me (zum Beispiel den Eckturm am Kohlenberg), war aber offenbar relativ schnell erstellt worden 1 und mit einer Breite von 0,9 bis 1,5 Metern nicht sonderlich stark. Dies wird wohl einer der Gründe dafür gewesen sein, dass sie keine hundertfünfzig Jahre später durch einen neuen Mauerring er-setzt wurde.
DIE INNERE STADTMAUER Das 13. Jahrhundert war für ganz Mitteleuropa eine Blütezeit. Der internationale Handel boomte, die Städte wuchsen. Auch in Basel verdoppelte sich die Bevölkerung innerhalb eines Jahrhunderts. Die grossen Orden der Franziskaner und Dominikaner liessen sich in der Stadt nieder, Kirchen wurden gebaut, ein Wasserleitungssys-tem eingerichtet und vieles mehr. Es war eine Zeit des ununterbrochenen Bauens. Dabei ragen zwei Grossprojekte der ersten Jahrhunderthälfte her-aus: der Bau der Rheinbrücke (und der Gründungsstadt Kleinbasel) sowie derjenige einer neuen Stadtmauer.
Wann der Bau der sogenannten Inneren Stadtmauer (eigentlich die mittlere der drei mittelalterlichen Mauern) begann, ist unklar. Gesichert ist einzig, dass sie vor 1250 fertiggestellt war. Ihr Verlauf lässt sich noch heute dem Stadtplan anhand der Strassennamen ablesen: Petersgraben, Leonhardsgraben, Kohlenberg, Steinenberg, St. Alban-Graben. Wie erwähnt entsprach dies, ausser beim Barfüsserplatz, dem Verlauf der Burkhard’schen Mauer. Das bedeutet, dass die umschlossene Fläche zumindest zur Zeit des Baubeginns durchaus genügte, um die wachsende Bevölkerung unterzu-bringen. Weshalb also eine neue Mauer? Zum einen hängt dies sicherlich mit den Mängeln der Burkhard’schen Mauer zusammen. Tatsächlich wurde die Innere Mauer doppelt so dick, ihr Graben doppelt so tief. Zum andern trug
24
die neue Mauer mit ihrer Stärke, mit ihren Schalentürmen und vor allem den repräsentativen Tortürmen einem gesteigerten städtischen Selbstbe-wusstsein Rechnung.
DER SPALENSCHWIBBOGEN Das Aquarell von Maximilian Neustück zeigt uns den Spalenturm oder -schwibbogen 2 vom Stadtinnern aus gesehen. Wir sehen ein gemütliches Treiben auf der Strasse, wir sehen den Sackpfeifferbrunnen (der 1839 in die Spalenvorstadt versetzt wurde), vor allem aber sehen wir den wuchtigen Torturm, der ab dem 13. Jahrhun-dert als Hauptzugang zur Stadt diente. Die vier Ecken sind aus massiven Bossenquadern aus rotem Sandstein gebildet. Sie implizieren Stärke, denn derart bearbeitete Steine, die sich nach aussen wölben (Bosse = Buckel), fin-det man vornehmlich an Befestigungen. Während die Vorderfront des Tores vollumfänglich aus Bossenquadern bestand, sehen wir an der der Stadt zuge- wandten Innenseite Fenster. Erst bei genauem Hinsehen erkennt man, dass diese vergittert sind, denn dahinter befanden sich Gefängniszellen.
Sie trugen Namen wie ‹Eichwald› (vermutlich ein aus massiven Balken gezimmertes Blockgefängnis, wie es sich zum Beispiel im Schloss Lenzburg erhalten hat), ‹Hexenkäfig›, ‹Saal› oder ‹Hurenkämmerlein› und galten als «sehr peinigend und beynahe zum Ersticken eingerichtet».3 Der
Johann Jakob Neustück(1799 –1867), Der Spalenschwibbogen vom Stadtinnern her gesehen, Aquarell, 1837, 34 × 45 cm.
Johann Jakob Neustück, Der Spalenschwibbogen von
der Spalenvorstadt her gesehen, Aquarell, 1837,
39.8 × 50.2 cm.
25 WEHRHAFT
prominenteste Gefangene im Spalenschwibbogen war wohl der unglück- liche Erzbischof von der Krain, Andreas Zamometic. Der erbitterte Gegner von Papst Sixtus war 1482 nach Basel gekommen, um hier ein neues Konzil auszurufen. Auf Geheiss des Kaisers setzten ihn die Basler zwar fest, weiger- ten sich aber, ihn nach Rom auszuliefern. Nach zwei Jahren wurde er am Morgen des 13. Novembers erhängt in seiner Zelle im Spalenschwibbogen aufgefunden. Als Selbstmörder wurde er vom Henker in ein Fass genagelt und in den Rhein geworfen.
Über der Uhr gucken ein Mann und eine Katze vergnügt zum Fenster hinaus. Bei ihm dürfte es sich um den Ratsdiener handeln, dessen Aufgabe unter anderm die Bewachung und Verpflegung (eineinhalb Pfund Hausbrot und dreimal Suppe pro Tag) der im Turm Gefangenen war und der dort auch über eine Amtswohnung verfügte. Wohnungen gab es auch in anderen Toren. Offenbar waren sie sehr begehrt, so bescheiden sie auch gewesen sein mögen. Für gewisse Stellen scheint die freie Amtswohnung unabdingbar gewesen zu sein: «sonst [könne] man keinen tauglichen Her- rendiener finden […], wenn demselbigen nicht der Vortheil der Wohnung auf einem Thurme zugesichert werde».4
Der wichtigste Schmuck des Schwibbogens waren die grossen Turmuhren auf beiden Seiten. Sie werden erstmals in einer Stadtbeschrei-bung von 1594 erwähnt5 und dienten jahrhundertelang der Bevölkerung
Johann Jakob Neustück(1799 –1867), Der Spalenschwibbogen vom Stadtinnern her gesehen, Aquarell, 1837, 34 × 45 cm.
Johann Jakob Neustück, Der Spalenschwibbogen von
der Spalenvorstadt her gesehen, Aquarell, 1837,
39.8 × 50.2 cm.