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Das Nibelungenlied

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Das Nibelungenlied Unknown Release date: 2005-02-05 Source: Bebook
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Das NibelungenliedUnknown

Release date: 2005-02-05Source: Bebook

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E-text prepared by Inka Weide and theProject Gutenberg Online DistributedProofreading Team

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DAS NIBELUNGENLIED Uebersetzt von KARL SIMROCK

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Vorrede. Den Vorwurf, der meinenUebersetzungen aus demMittelhochdeutschen, der Nibelungennamentlich, gemacht worden ist, als hättensie den Originalen Abbruch gethan,könnte ich mir schon gefallen laßen, dennsie müsten sie, wenn er begründet seinsollte, übertroffen haben. Leider vermagdas keine Uebersetzung, und so werde ichmich statt jenes schmeichelhaften Tadelsmit dem bescheidenen Lobe begnügenmüßen, Unzählige, und vielleicht denAnkläger selbst, den Originalen zugeführtzu haben. Daß dieß Uebersetzungen, undzwar besonders solche thun, die Zeile fürZeile, gleichsam Wort für Wortübertragen, ist Goethes Ausspruch, aufden ich mich schon im Freidank S. XIII.berufen durfte. "Sie erregen," sagt derAltmeister, "eine unwiderstehliche

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Sehnsucht nach dem Original." Weil aberimmer etwas hangen bleibt, will ich, dieAnklage ganz aus dem Felde zu schlagen,diese Sehnsucht zu befriedigen helfen,indem ich das Original neben dieUebersetzung stelle. Ueber den Schaden, welchenUebersetzungen anrichten könnten, (sehtwas ein storch den foeten schade, nochminre schaden hânt si mîn), habe ich michin der Vorrede zur 1. Aufl. mit stärkernWorten ausgesprochen als ich es hier nachdem Spruche de mortuis nil nisi benedürfte. Ich laße aber diese frühe Vorredeauch aus andern Gründen wiederabdrucken, muß indes bemerken, daß ichjetzt nicht mehr drei, sondern vierHebungen im ersten Halbvers annehme.Ferner laß ich, weil darin zweier in der"Einleitung" mitgetheilter Gedichte undeiner "Weihe" gedacht ist, auch diese

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folgen; ja vielleicht wird es mir nichtverdacht, wenn ich auch die ErwiederungFouqués, an welchen jene "Weihe"gerichtet war, aus dem Gesellschafter,1827 Nr. 85 (28. Mai) einrücke. Um das Auge nicht zu beleidigen, geb ichUrschrift und Uebersetzung mit dergleichen Schrift, die mir, nachdem einigeZeichen hinzugekommen sind, auch fürdas Mittelhochdeutsche die geeignetescheint. Das Neuhochdeutsche anlangend,so hat Jacob Grimm, der sich in einemBriefe an F. Pfeiffer beschwert, daß ernicht einmal das ß, wo es organisch ist,durchzusetzen vermocht habe, dieß durchden Gebrauch der runden Schrift, die manausschließlich lateinisch zu nennen pflegt,als ob die eckige nicht den gleichenUrsprung hätte, selber verwirkt, denndiese Schrift hat kein ß, und nicht Jeder istin der Lage, sich eins schnitzen zu laßen, ja

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er selber war es nicht immer. Sie hateigentlich auch kein k und verführte J.Grimm selbst zu der ungeheuerlichenSchreibung Cöln, was Zöln gesprochenwerden müste, vergl. Cölibat, und also dieKölner, die sich ihrer bedienen, zu Zölnernund Sündern wider die deutsche Lautlehremacht. Für das Mittelhochdeutsche hat sieerst Beneke und in den NibelungenLachmann durchgesetzt; jedoch hatLachmann die Prachtausgabe seinerZwanzig Lieder mit eigens dazugegoßenen wunderschönen eckigen s.g.deutschen Lettern drucken laßen. Ichselbst habe sowohl im _Lesebuch_ als im_Wartburgkrieg_ zu der s.g. lateinischengreifen müßen, weil es da der Mühe nichtlohnte, für die Umlaute des langen a und osowie für das weichere z, das wir ß nennenund schreiben, eigene Zeichen (æ und oeund z) schnitzen und gießen zu laßen, wiedas hier geschehen konnte.

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Die Nebeneinanderstellung von Text undOriginal nöthigte zu genauerm Anschlußan das Original, das aber erst redigiertwerden muste, denn ich konnte keiner derdrei Faßungen (Recensionen), in denendas Gedicht vorliegt, ausschließlichvertrauen: keine bewahrt allein das Echte,ja in keiner sind alle Strophen vereinigt,durch deren Verbindung Original undUebersetzung nun einige hundertStrophen mehr zählen als die HandschriftA, deren Text ich zwar zu Grunde legte,von dem ich aber unzählige Malabgewichen bin, manchmal vielleicht ohneNoth, aber schwerlich je ohne Grund. Nurin gleichgültigen Fällen hab ich den Textvorgezogen, der sich am wohllautendstenübertragen ließ. So ist allerdings meinText kein kritischer; aber er wird demendgültig durch die Kritik herzustellendenin den meisten Fällen vorgearbeitet

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haben. Die bisherigen kritischen Ausgabenhaben sich Einer der drei Faßungen desTextes, welche man mit A, B und C zubezeichnen pflegt, näher angeschloßen:die von der Hagensche von 1826 hielt sichan B (St. Galler Handschrift), dieLachmannsche an A, die Holtzmannscheund Zarnckesche an C, und indem Jederdie seinige für die echte undalleinseligmachende erklärte, erwarbensie sich das große Verdienst, uns vonjeder dieser drei Faßungen einzuverläßiges und anschauliches Bild vorAugen gestellt, und so der Ermittelung desursprünglichen allen dreien zu Grundeliegenden Textes Vorschub geleistet zuhaben. Einen Anfang zu solcher Kritik hatBartsch (Untersuchungen über dasNibelungenlied, 1865) gemacht; aberseine Ausgabe, die zu B zurückgekehrt ist,

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benutzt die gewonnenen Ergebnisse nurtheilweise. Der Text des ersten Dichters,der die vorhandenen Lieder mit Hülfe deslateinischen Nibelungenliedes Konrad desSchreibers zu einem Ganzen verband,wird zwar schwerlich jemals hergestelltwerden können, denn das Gedicht scheintseitdem mehrfache Ueberarbeitungenerfahren zu haben, theils um die Sprachezu verjüngen, theils um Versbau und Reimmit den Ansprüchen der neuern Zeit inUebereinstimmung zu bringen; offenbarsind auch große Theile des Gedichts ausder knappen Weise des Volkslieds, diesich z.B. in Lachmanns viertem Liede zeigt,von höfisch gebildeten Volkssängern indie reichere, glänzendere undgefühlvollere Darstellung, die wir an denRüdigern betreffenden Abenteuernbewundern, umgebildet worden, wenndieß nicht schon, wie Wackernagel (SechsBruchstücke 1866, S. 30 ff.) annimmt, an

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den Liedern selbst, vor ihrer Aufnahme indas Gedicht, geschehen war: wir müßenihm aber so nahe zu kommen suchen alsmöglich. Daß die strophische Eintheilung schondem _ersten_ Dichter des Ganzenvorschwebte, scheint mir keineswegsaußer allen Zweifel gestellt, viel weniger,daß sie auch schon in den Liedern, welcheer benutzen konnte, durchgesetzt war:darum kann ich die Forderung, daß derSinn nicht aus einer Strophe in die andereübergehen solle, nicht für haltbar ansehen,während Mittelreime, ein anderesLachmannsches Kennzeichen unechterStrophen, sich schon in den ältesten derNibelungenstrophe verwandten Liedernfinden, und sich auch Jedem, der in dieserStrophe zu dichten versucht, von selberaufdrängen. Das neuere Hildebrandslied,Uhland 330, hat dagegen nicht einen

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einzigen Mittelreim; die aus Beingeschaltete Warnung vor einer ArtPulververschwörung (28. Abenteuer)gleichfalls keine und das Abenteuer mitGelfrat und Else (Str. 1561-1566), das einebenso müßiger Einschub ist, hat nureinen, während Sie in ältern und echtenTheilen nicht gar selten sind, wo freilichLachmann die ungenauern übersieht, unddie, welche nur auf eine Hebung reimen,gar nicht in Anschlag bringt. Ich denke mirhiernach den Hergang wie folgt. Zuerstwaren nur einzelne Lieder vorhanden, wiewir in der Edda die ganze Heldensage inLiedern dargestellt finden, die ich fürUebersetzungen deutscher halte, freilichsehr unvollkommen durch dasGedächtniss überliefert. Diese Liederwaren in alliterierenden Langzeilenverfaßt, wie uns davon im Hildebrandsliedein Beispiel vorliegt. Zugleich waren sievom heidnischen Geist erfüllt, so daß z.B.

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der Drachenkampf, BrunhildensVersenkung in den Todesschlaf undWiedererweckung durch Siegfried, derdurch die Webelohe ritt, und manchesAndere, christlichen Zuhörern nicht wohlmehr ausführlich vorgetragen werdenkonnte, von der Blutrache abgesehen, vonder wir nicht wißen wie frühe sie derchristliche Geist in Gattenrache gemilderthabe. Dieses seines heidnischen Inhaltswegen muste das deutsche Epos so gut alsdas brittische bei Galfred von Monmouth,das fränkische bei Pseudoturpin einmal,um von den gröbsten Paganismengereinigt zu werden, durch dasMönchslatein hindurchgehen, wie esselbst der Thiersage nicht erlaßen ward,und wie uns dafür im Waltharius, imRudlieb die Beispiele, im lateinischenNibelungenlied des Schreibers Konrad dieBeweise vorliegen.

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Dieses lateinische Nibelungenlied, dennein Lied darf es seines, unserm Liedeentsprechenden Inhalts wegen heißen,wenn es auch in Prosa verfaßt war, wardauf Befehl Bischof Pilgrims, der zwischen970-991 Bischof von Paßau war, also unterden ersten sächsischen Kaisern, wo dielateinische Klosterdichtung in der Blüthestand, geschrieben, bald nach demWaltharius, den Eckehart I. (+ 973)dichtete, und Eckehart IV. (+ 1036) aufBefehl Bischof Aribos von Mainz(1021-1031) durchsah und metrischverbeßerte. Wir fanden hier schon zweiBischöfe, die sich der deutschenHeldensage annahmen; ein dritter warErkenbald, Bischof von Straßburg(951-991), welchem Gerald denWaltharius, an dem er irgendwiebetheiligt war, mit einer lateinischenWidmung übersandte (Lat. Ged. vonGrimm und Schmeller, S. 61); der vierte,

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aber leider der letzte, war ErzbischofSiegfried von Mainz (1060-1081): ihm wardes schon zum Vorwurf gemacht, daß ihmdie deutsche Heldensage noch in Sinn undGemüth lag, indem er lieber die Liedervon Etzel und den Amelungen singen, alsden Augustinus und Gregorius vorlesenhörte. Dieß, wenn ich nicht irre, vonHoltzmann selbst zuerst beigebrachteZeugniss lehrt, daß die lateinischeKlosterdichtung, die sich so gern mitvolksmäßigen oder, was gleichbedeutendist, deutschen Gegenständen,Heldensagen, Thiersagen undVolksmärchen beschäftigte, in dersächsischen Zeit noch von den höchstenPrälaten begünstigt werden durfte,während es ihnen in der salischen, wo dieGeistlichkeit wieder in deutscher Sprachebiblische, namentlich alttestamentlicheGegenstände, und zwar mit größererInbrunst als in der Otfridischen Zeit,

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behandelte, zum Vorwurf gereichte: denneben jener Bischof Günther von Bamberg,der durch das Ezzolied bekannt ist, wirdnach jenem Zeugnisse von Probst Hermanermahnt, nicht länger mit einem Manne sounchristlicher Gesinnung zu verkehren,wie ihm jener Erzbischof Siegfried vonMainz, seiner Vorliebe für die deutscheHeldensage wegen, zu sein schien. In der Blüthezeit der lateinischenKlosterdichtung, wo unter den Ottonen dieLiteratur in deutscher Sprache fast ganzverstummte, konnte wohl ein_lateinisches_ Nibelungenlied, und als einsolches wird es auch ausdrücklichbezeugt, aber schwerlich ein deutschesgedichtet, d.h. in jener Zeit von einemGeistlichen, wie Pilgrims SchreiberKonrad gewesen sein wird,niedergeschrieben werden. Daß es unsnicht erhalten blieb, dürfen wir bedauern;

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es ist aber schwerlich auf unserNationalepos ohne Wirkung geblieben:dem Verfaßer des zweiten Theils, derursprünglich den Namen der _Nibelungenôt_ führte, scheint es vorgelegen zuhaben, denn er entnimmt ihm den Namendes Bischofs Pilgrim, den wahrscheinlichschon sein Schreiber Konrad seinemBericht eingefügt hatte. Aber auch demDichter des ersten Theils, der SiegfriedsTod heißen könnte, hat es vorgelegen, jaihm war es am nöthigsten, weil es ihnlehren konnte wie die Lücken seinesGedichts auszufüllen seien, die durchAusscheidung der heidnischenBestandtheile in der ersten Hälfte der Sagenothwendig entstehen musten. Neben derlateinischen Erzählung Konrads benutztenbeide auch deutsche Lieder, jüngere undältere; aber dem Dichter des zweitenTheils lag eine größere Fülle von Liedernvor, auch waren sie im Wachsthum wohl

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nicht so zurückgeblieben als die desersten: im zwölften Jahrhundert war dieSiegfriedssage, die am Rheine spielt, wodie Einflüße der welschen Dichtung aufdie heimische Sage nachtheiliger wirkten,fast schon verblasst, während dieDietrichssage, die im zweiten Teilhervortritt, an der Donau und am Inn nochfortblühte, namentlich aber auch am Hofezu Wien Gehör und Pflege fand. Die ersten neunzehn Abenteuer bildenden ersten Rheinischen Theil desGedichts, das seine eigene Einleitung hatin den ersten zwölf Strophen, die auf denInhalt des damals wohl schonvorhandenen zweiten Theils zwargelegentlich (Str. l, 5, 6) schon Bezugnehmen, aber doch nur von dem Hofe zuWorms und den burgundischen Heldenhandeln. Noch entschiedener gehört dernun folgende _Traum Kriemhildens_ mit

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der Deutung der Mutter Str. 13-18 nur zudiesem ersten Theil; es ist aber ein Liedfür sich, das der Dichter vorfand undeinrückte. Keineswegs bildet es einenBestandtheil des von Lachmann s. g. erstenLiedes, vielmehr ist es selber das ersteund älteste von allen. Es gehört noch derZeit an, wo Reim und Alliteration, wie imLiede von der Samariterin (Lesebuch 35)und noch bei Otfried, nebeneinander zumSchmuck verwendet wurden. Sein hohesAlter beweist auch, daß der eddischeMythus von Odin, der als Falke vonGunnlödh entfliegt und von Riesen inAdlersgestalt verfolgt wird (vergl.Havamal 104-110 und D 58), in diesemTraume Kriemhilds nachklingt. Das Bilddes Falken für den Geliebten ist also uralt,und weit über die Grenzen Deutschlandhinaus verbreitet gewesen. Vergl. MSF. S.230. In der ältesten deutschen Lyrik, diesich aus dem Epos entwickelt hat, kehrt es

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bei Dietmar von Eist: Es stuont ein vrouwe aleine Lesebuch 58, und den dem Kürnbergzugeschriebenen Liedern zurück. Weilaber in letztern zu dem Bilde des Falkenauch noch die Nibelungenstrophe kommt,für die kein älteres Zeugniss vorhandenist, gerieth man auf den abenteuerlichenEinfall, den Kürnberg nicht etwa bloß fürden Verfaßer unseres Liedes vonKriemhildens Traum, nein des ganzenNibelungenliedes, auszugeben! Was wißen wir denn von Kürnberg?Nichts als daß er eine Weise erfunden hat. Ich stuont mir nehtint spâte an einerzinne. Lesebuch 52. Es ist eine Frau, die hier spricht, wie auch

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in dem verwandten Liede bei Dietmar vonEist, dessen soeben gedacht wurde. Aufder Zinne ihrer Burg stehend, hörte sie voneinem Ritter ein Lied singen _inKürnberges wise_. Wise kann zweierleibedeuten, das Versmaß oder die Melodie;wir wißen also nicht einmal ob dieserKürnberg der Dichter oder der Componistder Weise war, in der sie singen hörte,denn schon im Ezzoliede, Lesebuch 40,war das Amt des Dichters undComponisten geschieden: Ezzo begunde scriben, Wille vant diewîse. Eine Weise war nach Kürnberg benannt,die Weise in der jene Frau singen hörte,aber nicht, wie man annimmt, die Weisedes Liedes, in welcher sie uns dießberichtet, also nicht dieNibelungenstrophe noch die sie

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begleitende Melodie. Sie hörte ein Liedsingen in Kürnbergs Weise; wie dieseWeise lautete oder wie sie beschaffen war,ob eine Gesangweise oder ein Versmaßgemeint sei, erfahren wir nicht. DemKürnberg gehörte nur die Weise desLiedes, welches die Frau vor ihrer Burgsingen hörte; ihm die Nibelungenstrophezuzuschreiben, haben wir also nicht denentferntesten Grund: wie soll er denn nungar das Nibelungenlied verfaßt haben? Man sagt, die Pariser Handschrift derMinnesänger schreibe dem Kürnberg diein der Nibelungenstrophe gedichtetenältesten Lieder zu: mithin habe dieser diebei ihm zuerst auftretendeNibelungenstrophe erfunden. Aber diePariser Handschrift ordnet bekanntlich dieLieder nach Verfaßern und diese Verfaßerwieder nach Ständen, indem sie mit KaiserHeinrich beginnt, hierauf Könige,

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Herzoge, Markgrafen, Grafen, Ritter folgenläßt und Zuletzt mit bürgerlichen Meisternschließt. Für Volkslieder, die keinen oderdoch keinen namhaften Verfaßer haben,fehlte ihr eine Rubrik. Solche waren aberdie dem von Kürnberg, und ohnebekannten Verfaßer auch die demSpervogel zugeschriebenen Lieder undSprüche. Mit welchem Leichtsinn derSammler der Pariser Liederhandschriftsich aus der Sache zog, sehen wir an denSprüchen, die er dem _Spervogel_zuschreibt. Bekanntlich sind es zweiWeisen, in welchen die dem Spervogelzugewiesenen Sprüche gedichtet sind,eine größere und eine kleinere. In dergrößern, die voransteht, begegnet derName Spervogel gleich in dem drittenSpruche: der Sammler, der um einenNamen verlegen war, griff ihn frischheraus und setzte ihn über beideSpruchreihen, die jetzt Spervogel verfaßt

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zu haben schien, obgleich der dritteSpruch, in welchem er vorkam: swer suochet rât und volget des, derhabe danc, alse min geselle _Spervogel_sanc ic. deutlich besagte, daß nicht der Verfaßer,sondern einer seiner Freunde diesenNamen führte. Hätte er weiter lesen wollenund wäre bis zum 7. Spruche der II. Reihegelangt, in welchem sich _Heriger_ alsVerfaßer angiebt, so würde er wohldiesem, nicht dem Spervogel beideSpruchreihen zugeschrieben haben. Michwundert, daß Haupt, der bei KaiserHeinrichs Liedern auf das Zeugniss derPariser Handschrift kein Gewicht legt undauch schon für _zweifelhaft_ hält, ob diedem Kürnberg zugeschriebenen Liederihm gehören, bei Spervogel, wo derLeichtsinn des Sammlers am Tage liegt,

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seinem Zeugniss vertrauen mag. Vergl.MSF. S. 238. Daß dem Dichter in jenem 7. Spruch dasAlter nicht, wie Haupt meint, wegenfremder Entkräftung, vielmehr dereigenen wegen zuwider ist, zeigt diefolgende Strophe, wo er es beklagt, nichtzum Bau eines Hauses griffen zu haben, alsihm zuerst der Bart entsprang, denn darummüße er jetzt, im Alter, "mit arbeitenringen". Um zu zeigen, wie enge diesebeiden Strophen zusammengehören undsich untereinander erläutern, setze ich dieerste, worin der Name Heriger erscheint,hieher, weil da dem _gransprunge man_eingeschärft wird, bei Zeiten für sichereHerberge zu sorgen. Mich müet das alter sêre, wan ez_Hergêre_ alle sîne kraft benan. es sol dergransprunge man bedenken sich enzite,

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swenn er ze hove werde leit, daz er zegewissen herbergen rite. Mit demselben Leichtsinn nun wie beiSpervogel geht der Sammler der PariserHandschrift, die man auch dieManessische nennt, zu Werke, indem erdem Kürnberg eine kleine Sammlungvolksmäßiger Lieder zuschreibt, bloß weilihm die vierte Strophe den NamenKürnberg darbot. Ich will nun die ganzeStrophe hiehersetzen, und ihr diewahrscheinlich zu demselben Liedegehörigen Strophen folgen laßen. "Ich stuont mir nehtint spâte an einerzinne, dâ hôrt ich einen rîter vil wol singenin Kürenberges wîse al ûs der menigin. ermuoz mir diu lant rûmen ald ich genietemich sîn.'-- "Nu brinc mir her vil balde mîn ros, mîn

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îsengewant, wan ich muos einer vrouwenrûmen diu lant. diu wil mich desbetwingen daz ich ir holt si: si muoz dermîner minne immer darbende sin. Wîb unde vederspil die werdent lihtezam: swer si ze rehte lucket sô suochent siden man. als warb ein schoene rîter umbeine vrouwen guot; als ich dar an gedenkesô stêt wol hôhe mîn muot.' _Uebersetzung._ "So spät noch stand ich gestern an einerZinne, Da hört ich einen Ritter lieblichsingen; In des Kürnbergs Weise es aus derMenge klang: Er muß das Land mirräumen, sonst leg ich ihn in meinenZwang."-- "Nun bringt mein Ross und bringt mirmein Eisengewand, Denn einer Frauen

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räumen muß ich dieses Land. Sie will michzwingen, daß ich ihr gewogen sei: Siebleibt meiner Minne immer ledig und frei. Ein Weib und ein Federspiel, die werdenleichtlich zahm: Wer sie nur weiß zulocken, so suchen sie den Mann. So warbein schöner Ritter um eine Fraue gut;Wenn ich daran gedenke so trag ich hochmeinen Muth." In der ersten Strophe hört die fürstlicheFrau, die gegen Abend an der Zinne ihrerBurg steht, einen Ritter aus der davorversammelten Menge ein Lied singen inder Weise Kürnbergs. Diese mag damalssehr bekannt gewesen sein, jetzt weißNiemand mehr von ihr. Die Stimme desRitters, ja der Ritter selbst, gefällt aber derFürstin so sehr, daß sie auf ihn zu fahndenbeschließt: ihm soll nur die Wahl bleiben,ihr Geliebter zu werden oder ihr das Land

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zu räumen. Die zweite Strophe, denn das Gedicht istein "Wechsel", sehen wir nun dem Ritter inden Mund gelegt, der seinem Knappenbefiehlt, ihm Ross und Rüstungherbeizubringen, denn er müße einer Fraudas Land räumen, die ihn zwingen wolle,ihr hold zu sein: er möge aber ihrGeliebter nicht werden. Man sieht, diesezweite Strophe schließt sich genau an dieerste, obgleich sie in der Handschrift weitvon ihr entfernt steht. Die dritte, welche in der Handschrift denSchluß der fünfzehn Strophenbegreifenden kleinen Liedersammlungbildet, setze ich nach Vermuthung an denSchluß unseres Liedes. Der Ritter fährt fortzu singen: wir hören wieder das uns schonaus Kriemhildens Traum bekannteGleichniss von dem Falken, mit dem aber

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hier die Frau, nicht der Mann verglichenwird: "Frauen und Federspiel sind leicht zuzähmen, wenn man sie nur zu lockenversteht." So hat Er es verstanden, und dasverleiht ihm hohen Muth, daß er gewusthat, sich jene fürstliche Frau geneigt zumachen, von der er sich jedoch nichtfeßeln zu laßen gedenkt. Noch ein andermal hören wir in den s.g.Kürnbergschen Liedern jenes erste Liedvon Kriemhilds Traum nachklingen. Mankönnte zur Noth an dasselbeLiebesverhältniss denken. Das Liedbesteht wieder aus drei Strophen, diedießmal auch in der Handschriftbeisammen stehen. Die Frau ist es wieder,die spricht; sie klagt um denentschwundenen Geliebten: "Es hat mir an dem herzen vil dicke wêgetân, daz mich des geluste des ich niht

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mohte hân noch niemer mac gewinnen:daz ist schedelich; jone mein ich golt nochsilber, es ist den liuten gelîch. Ich zôch mir einen valken, mêre danneein jâr: dô ich in gezamete als ich in woltehân, und ich im sîn gevidere mit golde wolbewant, er huop sich ûs vil hohe und vlougin anderin lant. Sit sach ich den valken schône vliegen, ervuorte an sînem vuoze sidine riemen undwas im sîn gevidere alrôt guldin. Gotsende si zesamene die geliep weln gernesin.' _Uebersetzung._ "Es hat mir an dem Herzen gar manchmalweh gethan, Daß mich des gelüstete wasmir nicht werden kann Und was ich niegewinne: der Schade der ist groß; Nicht

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mein' ich Gold noch Silber, von den Leutenred ich bloß. Ich zog mir einen Falken länger als einJahr; Als er nun gezähmt war nach meinemWillen gar, Und ich ihm sein Gefieder mitGolde wohl bewand, Er hob sich aufgewaltig und flog in ein ander Land. Nun sah ich den Falken herrlich fliegen,Er führt an seinem Fuße seidene Riemen,Und strahlt' ihm sein Gefieder ganz vonrothem Gold; Gott sende sie zusammen,die sich lieb sind und hold." In der ersten Strophe beklagt es die Frau,daß sie sich eines Dinges hat gelüstenlaßen, das sie nicht haben konnte undvielleicht nie gewinnen mag. Das kann aufdas Verhältniss zu jenem Ritter gehen:ausdrücklich fügt sie hinzu, sie denkedabei an Leute, nicht an Gold noch Silber.

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Das zweite Gesetz erwähnt wieder desFederspiels, indem sie mit dementflogenen Falken den entschwundenenGeliebten meint. Das Verhältniss scheintaber hier, wenn es nicht ein anderes ist,vertrauter und inniger gedacht als wir esaus dem ersten Liede kennen lernten. Siehatte den Falken sich nach Wunschgezähmt, ja sein Gefieder mit Goldbewunden, wie König Oswald dem Raben,der an seinem Hofe erzogen war, dieFlügel mit Gold beschlagen ließ ehe er ihnals Boten aussandte. Hier schließt sich das dritte Gesetz an,denn noch der flüchtige, in andere Landeentwichene Falke schleppte die altenFeßeln nach: er war "der freie Vogel nichtmehr, er hatte schon Jemand angehört".Seidene Riemen führt er am Fuße; seinGefieder war noch von rothem Gold

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bewunden. Die Schlußzeile spricht denWunsch nach Wiedervereinigung derLiebenden und somit ein größeresVertrauen auf den Geliebten aus als daserste Lied und selbst der Anfang deszweiten erwarten ließ. Zur Vergleichung mag noch das erwähnteLied Dietmars von Eist mit dem Bilde desFalken hier stehen: Es stuont eine vrouwe alleine und warteüber heide und warte ir liebes, so gesachsi valken vliegen: "Sô wol dir valke, daz du bist! du vliugestswar dir liep ist: du erkiusest in dem waldeeinen boum der dir gevalle. Alsô hân ouch ich getân: ich erkôs mirselbe einen man; den welten mîne ougen;daz nîdent schoene vrouwen. ouwê, wan

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lânt si mir mîn liep? jo engerte ich irdekeiner trûtes niet.' _Uebersetzung._ Es stand eine Frau alleine Und blickteüber Haide, Und blickte nach dem Lieben,Da sah sie Falken fliegen. "So wohl dir, Falke, daß du bist! Du fliegstwohin dir lieb ist. Du suchst dir in demWalde Einen Baum der dir gefalle. Also hab auch ich gethan: Ich ersah mireinen Mann, Den erwählten meine Augen;Das neiden andre Frauen. O weh, so laßtmir doch mein Lieb: Ich stellte ja nacheuern Liebsten nie." Auch ein verwandtes altitalienischesSonett hat Haupt beigebracht:

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Tapina me, che amava uno sparviero! amava'l tanto ch'io me ne moria. a lorichiamo ben m'era maniero, ed unquetroppo pascer no'l dovia. Or è montato e salito si altero, assai piùaltero ehe far non solia, ed è assisodentro a un verziero e un' altra donnal'averà in balia. Isparvier mio, com'io t'avea nodrito! sonaglio d'oro ti facea portare, perchènell' uccellar fossi più ardito. Or sei salito siccome lo mare, ed hai rottili geti, e se' fuggito quand eri fermo neltuo uccellare. _Freie Nachbildung._ Ich Arme, einen Sperber lieb zu haben! So liebt ich ihn, daß Sehnsucht mich

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verzehrt. An meinem Ruf schien sich seinHerz zu laben; Oft hat er Kost aus meinerHand begehrt. Nun stieg er auf so stolz und so erhaben, Viel stolzer als er mir sich je bewährt. Ineinen Garten flog er überm Graben Undeine andre Herrin hält ihn werth. Wie reicht ich dir, mein Sperber,Leckerbißen! Goldene Schellen gab ichdir zu tragen, Dich freudiger zurVogeljagd zu wißen. Nun flogst du hin und läßest michverzagen: Du hast die Bande frevelhaftzerrißen Just da du meisterlich verstandstzu jagen. * * * * * Die nahe Verwandtschaft der beiden

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angeblich Kürnbergschen Lieder mit demvon Kriemhildens Traum hat auf denGedanken geführt, sie möchten alle dreidemselben Dichter gehören. Ein sehrarmer Dichter, der dreimal dasselbe Motivgebrauchte! Sie können nicht einmal ausderselben Zeit herrühren: das vonKriemhilds Traum mag nach seinem anden Mythus anklingenden Inhalt wie nachder fast ganz alliterierenden Form leichtein Jahrhundert älter sein. Weder der Dichter der beiden Liedervom Falken noch der von KriemhildsTraum kann die Nibelungenstropheerfunden haben: nur die beiden erstenGesetze von Kriemhilds Traum bewahrennoch den alten Gliederbau dieser Strophe,und von den sechs ausgehobenenangeblich Kürnbergschen Gesetzen nurnoch das erste und das letzte. Nach dieserursprünglichen Gliederung finden wir in

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den Nibelungen noch eine Anzahlalterthümlicher Strophen gebildet, beidem s.g. Kürnberg noch fünf; einige sogebaute haben sich auch in dem neuernVolkslied erhalten, z.B. das bekannte Die Brünnlein, die da fließen, die sollman trinken, Und wer einen lieben Buhlenhat, der soll ihm winken u.s.w. Nach ihr war nur die dritte Langzeile umeine Hebung gekürzt; die drei andernzeigten noch die vollen acht Hebungender alten epischen, einst alliteriertenLangzeile; nur fiel in den beiden erstenZeilen, welche als Aufgesang anzusehenwaren, die letzte Senkung aus und diebeiden letzten Hebungen trugen denReim, der also nur scheinbar klingendwar, denn auf den spätern klingendenReim fällt nur Eine Hebung, die zweiteSylbe ist unbetont. Solche zwei Hebungen

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tragende Reime waren: zinne: singen,vliegen: riemen, Kriemhilde: wilde, Uoten:guoten. In den Anfängen der alten Lieder,die stäts am festesten im Gedächtnisshafteten, hat sich die alte Gliederung amlängsten erhalten, so in den beiden erstenStrophen des Liedes von KriemhildsTraum, dann Strophe 1362, wo ein Liedund zugleich ein Abenteuer anfängt. Dô Etzel sîne botschaft zúo dem Rinesándè, dô vlugen disiu mære von lándè zelándè. ferner Nr. 1653, der Anfang des 16.Lachmannschen Liedes: die boten vür strichen mit den m'ærèn,daz die Niblungen zuo den Hiunen wæren, endlich Nr. 1571, wo nach dem langenstörenden Einschub von Gelfrat und Else

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das vierte Lachmannsche Lied wiedereinsetzt: Dô die wegemüeden rúowè genâmènunde si dem lande nu näher quâmen u. s.w. An andern Stellen mag die alte Structurdurch die Schönheit der Strophe geschütztworden sein, wie in den beidenaufeinander folgenden Str. 2132 und 2133. Der Schreiber der Handschrift A, derkeinen Sinn mehr für die alte Metrik hatte,wie er denn auch zweisilbige stumpfeWörter in die Cäsur setzte, die zweiHebungen tragen soll, und der achtenHalbzeile oft nur drei Hebungen giebt,nahm auch schon an vier Hebungen in derzweiten und vierten Halbzeile Anstoß undgleich in der ersten Strophe, wo er sienicht verkennen konnte, glaubte er den

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Anfang umbilden zu müßen, was er sonstnicht gebraucht hätte; in der folgendenStrophe ließ er die scheinbar klingendenReime bestehen, weil sich hier diegenannten Halbzeilen auch zu dreiHebungen lesen ließen. Durch dieseUmbildung aber geriethen die altenSchlußreime in die Cäsur: Es troumde Kriemhilde in tugenden der siphlac wie si einen valken wilde zügemanegen tac, ein Beweis, daß Mittelreime demSchreiber dieses Textes nicht anstößigwaren, während Lachmann Kriemhilte undwilden schrieb, "um auch den Schein einesinnern Reimes zu vermeiden". Was freilich'in tugenden der si phlac' heißen soll istnicht leicht zu sagen; wahrscheinlich solltedamit das

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in ir hohen eren des alten Liedes umschrieben werden,denn _in disen_ höhen êren lautete eswohl erst, als die zwölf Strophen der einemTheaterzettel ähnlichen Einleitung davorgerückt wurden. Daß auch viele nur auf Einer Hebungreimende Langzeilen des Aufgesangs vierHebungen tragen, hab ich in meinerSchrift: _Die Nibelungenstrophe und ihrUrsprung_, Bonn 1858, auf die ichüberhaupt hier verweisen muß, näherausgeführt, und der aufmerksame Leserwird in der gegenwärtigen Ausgabezahlreiche Belege dafür nicht übersehen;am auffallendsten ist, daß sogarZusatzstrophen in C wie nach 1662 beistumpfem Reim im Aufgesang vierHebungen zeigen: sie sind ohne Zweifel altund zu einer Zeit eingeschoben, wo man

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noch vier Hebungen an diesen Stellenerwartete. Es darf nicht irren, daß uns dieNibelungenstrophe zuerst in _Liedern_entgegentritt, ja daß sie eine lyrischeGliederung zeigt. Was zuerst letzterebelangt, so würde, wenn die Gliederungganz wegfiele, mithin auch die vierte Zeilewie in dem spätern Hildebrandston, nurdrei Hebungen trüge, die Strophe in zweigleiche Hälften auseinanderfallen.Strophische Behandlung der Langzeilefinden wir aber schon in der Edda, alsonoch ehe der Reim an die Stelle derAlliteration trat. Die Verwendung zuLiedern aber darf nicht befremden, denndiese ältesten Lieder, z.B. die s.g.Kürnbergschen, zeigen noch epischeEingänge, sie gehören einer Zeit an, wosich das Lied eben erst dem mütterlichenSchooß der Epik entwunden hatte: darum

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tritt sie, wie ich das Nibelungenstr. 82näher ausgeführt habe, anfangs noch inepischen Formen auf, ja entnimmt ihrenInhalt, wie das Gleichniss von dem Falken,dem Epos. Wenn die Nibelungenstrophe keineursprünglich lyrische war, oder derepische Volksgesang sich ihrer schon frühbemächtigt hatte, so durfte sich jederSänger ihrer bedienen, und der spätereGebrauch der Minnesinger, jedem Liedeeigenes Maß und eigene Weise zuwidmen, deren Entleihung dann fürunerlaubt galt, konnte auf sie noch keineAnwendung finden. Diesen Einwand haben sich diejenigenschon selbst gemacht, die derNibelungenstrophe, wie sie in der PariserHandschrift zuerst erscheint, in Kürnbergeinen Erfinder entdeckt haben wollen,

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dem sie dann mit überhöfischer Mildeauch noch das ganze Nibelungenlied zumGeschenk machen, einem modernenLyriker unser tausendjährigesNationalepos. Sie setzen aber diesem Einwandentgegen: wenn die Nibelungenstrophe,die sie ohne Grund Kürnbergs Weisenennen, eine alte Volksweise gewesen, sowürden andere Dichter sich nicht gescheuthaben sie anzuwenden; sie hätten nichtVariationen dieser Strophe erfunden, sienicht mit kleinen Modificationenumgebildet: "denn ein geringerUnterschied," sagt Bartsch, "brauchte nurda zu sein, um eine Strophenform nebeneiner schon vorhandenen als neuerscheinen zu laßen." Demnach wäre denndie Strophe, deren ursprünglicheGliederung wir soeben besprochenhaben, von dem erträumten Kürnberg so

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umgebildet, daß sie bald dieursprüngliche Gliederung behalten, baldwieder in den zweiten Vershälften desAufgesangs nur drei Hebungen, oder garin der ersten Zeile des Aufgesangs vier, inder zweiten drei tragen durfte; und derDichter des Wolfdietrich und schon derSchreiber der Nibelungenhandschrift Ahätte sie so umgebildet, daß es erlaubtwar, der achten Halbzeile bald drei, baldvier Hebungen zu geben. Hatten aberwirklich diese und andere Umbildungender Nibelungenstrophe den angegebenenGrund, daß man kein "Tönedieb" heißenwollte, so müste man ja glauben, dervorgebliche Kürnberg hätte selbergefürchtet an sich zum Dieb zu werdendurch Anwendung der selbsterfundenenStrophe, da wir ja auch bei ihm eineVariation derselben finden, und zwar nachBartschens eigener Aufstellung (DeutscheLiederdichter S. 1) eine durch zwei

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Strophen belegte Variation. Für uns, die wir als Grundlage beiderTheile des Nibelungenliedes, neben derlateinischen Faßung Konrad desSchreibers, deren Einwirkung nichtgeläugnet werden kann, eine Sammlunger Volkslieder in der gemeinsamen alten,aber sich allmählich umbildendenVolksweise annehmen, deren Näthe hierund da noch deutlich zu erkennen sind,uns fehlt es an Beispielen unveränderterAnwendung der Nibelungenstrophe beiverschiedenen Dichtern nicht. Der einzigeUnterschied, der sich hervorthut, ist indemselben Liede die ungleiche Zahl derHebungen in den Zeilen des Aufgesangs,und die Freiheit hier mit Auslaßung derSenkung auf zwei Hebungen zu reimen,was sich in den beiden Zeilen desAbgesangs niemals ereignen kann. DieseUnterschiede sind aber unwesentlich, da

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die ganze Strophe sich aus Sangzeilen vonacht Hebungen hervorgebildet hat, dieschon, als sie noch alliterierten, um eineHebung gekürzt werden durften. Vergl.Nibelungenstrophe §.9. Soll der Dichter des Nibelungenlieds alteepische Lieder nicht eingeflochten, soll ernur aus der vielgestaltigen Sagegeschöpft, und die Lieder, die er etwaschon vorfand, in ein neues Maßumgegoßen haben, warum nannte er dannseinen Namen nicht, warum trat erbescheiden hinter seinen Quellen zurück?da er doch bei solcher Annahme eingrößerer Dichter gewesen wäre alsWolfram. Will man vergeßen, indem manden Kürnberg als den Dichter derNibelungen ausruft, daß es den Gedichtendes volksmäßigen Sagekreiseseigenthümlich ist, im Gegensatz zu der vonVeldeke geimpften höfischen Dichtung,

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keinen Verfaßer zu haben? Wen will mannächstens für den Dichter der Gudrunausgeben, der noch nicht einmal in allenTheilen Lieder zu Grunde liegen, wer sollden großen Rosengarten, den Ortnit, denWolfdietrich, den Alphart gedichtethaben, und wer das deutscheWaltherslied, aus der die Eckeharteschöpften? Soll dabei mit derselbenFreigebigkeit verfahren werden, womitman das Nibelungenlied an den vonKürnberg verschenkte, so werden sich jawohl Namen finden, die uns ebenso leereSchälle sind. Könnte nicht Spervogel dieGudrun gedichtet haben?--Wen hat mannicht schon für den Dichter desNibelungenliedes ausgegeben? Heinrichvon Ofterdingen, von dem ich im"Wartburtkrieg" erwiesen habe, daß erkeineswegs eine fabelhafte Person war,indem er die echten Strophen desRäthselspiels verfaßt hat, die den zweiten

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Theil dieses selbst lange Zeitunenträthselten Gedichtes bilden, dannseinen Beschützer, den allerdingsfabelhaften Klingsor von Ungerland, deraber nicht aus Ungerland, sondern ausdem Parzival kam, Konrad von Würzburg,Rudolf von Ems, für den zwei HohenemserHandschriften angeführt werden könnten,Walther von der Vogelweide, und endlichden vielleicht wieder erdichtetenKürnberg, für dessen Dasein als Dichteroder Componisten wir nur das schwacheZeugniss eines Liedes haben. Johannesvon Müller rieth auf einen schweizerischenEschenbach von Unspunnen; warumNiemand auf den baierischen Wolfram,der unter allen höfischen Dichtern demheimischen Sagenkreise am vertrautestenwar, dem er seinen Friedebrand vonSchotten, seinen Hüteger, seine Hernantund Herlinde und andere Helden derNordseesage entnahm, dessen Reim und

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Sprache deutsch-epische Färbung zeigt,der die deutsche Alliteration auf diewelsche Namengebung anwandte, der sooft auf die Heldensage und zweimal sogarauf einzelne Strophen des Nibelungenlieds(1408 5-8 und 1462) anspielt, und dervielleicht wirklich einmal die Hand an dasGedicht gelegt hat, nur gewiss nicht dieletzte Hand, denn diese merzte gewisseWolfram eigenthümliche Reime sorgfältigaus. Soll ich mich über das ABC derHandschriften erklären, so gestehe ich Aden Vorzug zu, denn obwohl derSchreiber dieser kürzesten Handschriftüberaus nachläßig war, so gab er dochseine alte und gute Vortage getreulichwieder ohne sich andere Aenderungen alsseiner, eine jüngere Zeit verrathendenmetrischen Irrthümer wegen zu gestatten;höchstens kommen einige schwache

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Zusatzstrophen wie Str. 3 auf seineRechnung, während C, auf der ältestenund sorgfältigsten Handschrift ruhend, undgleichfalls von einer trefflichen Vorlageausgehend dem volksmäßigen Gedichteinen feinern höfischen Schliff zu verleihensucht. Doch sind viele Aenderungen in Cwahre Verbeßerungen, wie auch das eineist, daß wir das ganze Gedicht nun das_Nibelungenlied_ genannt finden, da derName der _Nibelunge nôt_ nur auf denzweiten Theil bezogen werden konnte,zumal die Burgunden im ersten Theil nochnicht Nibelungen heißen. Von denStrophen, die C allein hat, ist ein Theil echtund alt und der Ueberarbeiter wird sieschon in seiner Vorlage gefunden haben:auf Str. 1518 scheint schon Wolframanzuspielen. Andere sind sehr schwachund eine, nach Str. 2305, konnte ich michnicht entschließen aufzunehmen, weil siemir das ganze Gedicht verleidet hätte. Sie

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mag indes, damit man nichts vermisse,hier stehen, doch ohne Uebersetzung,deren ich sie nicht würdig halte. H. 2428. Er wiste wol diu mære, sineliez in niht genesen. wie möhte einuntriuwe immer sterker wesen? ervorhte, sô si hête im sînen lip genomen, daz si danne ir bruoder liese heim zelande komen. Wie wir Hagens Charakter kennen, hätteer seinem Herrn Leben und Freiheit gerndurch den eigenen Tod erkauft, und hiersoll er den Hort nicht gezeigt haben, weiler fürchtete, Gunther würde dann allein indie Heimat entlaßen werden! B enthält die schwachen Strophen nicht,welche A und C hinzufügen, entbehrt aberauch die echten und guten, die allein Cerhalten hat; für die, welche B selber

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hinzuthut, müßen wir ihm dankbar sein.Der sorgfältige Schreiber der in dieserReihe voranstehenden St. GallerHandschrift füllt gerne die Senkungen ausund meidet verkürzte Formen. Sonst stelltsich diese sehr verbreitete Faßung, derenText man deshalb den _gemeinen_genannt hat, zunächst neben A undberichtigt sie oft. * * * * * Eine geschichtliche Grundlage desGedichts hat man in der Thatsache findenwollen, daß um das Jahr 437 derBurgunderkönig Gundicarius mit seinemVolke von den Hunnen eine vernichtendeNiederlage erlitt. Man beruft sich auchdarauf, daß in der lex Burgundionum dreiburgundische Könige, Godomer, Gislaharund Gundahar wie es scheint als SöhneGibicas genannt werden, die man in

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Gernot, Giselher und Gunther, nach derHeldensage den Söhnen Gibichs (in denNibelungen heißt der Vater Dankrat),wiederfinden will. Vergl. W. GrimmsDeutsche Heldensage, 2. Auflage 1867 S.12. Aber wann die geschichtlichenBeziehungen in die Sage eingetreten find,wißen wir nicht: sie drangen gelegentlichin die ursprünglich mythische Heldensage,wurden aber auch wohl wiederausgeschieden, wie wir davon ein Beispielan Otacher haben, der, ein geschichtlicherHeld, im Hildebrandslied den mythischenSibich verdrängt hatte, ihm aber späterhinwieder weichen muste. MancheThatsachen, die Geschichte undHeldensage gemein haben, könnenebenso gut auch aus der Sage in dieGeschichte gedrungen sein, z. B. wasJornandes von Ermenrich und SwanhildensBrüdern meldet, Grimms Heldensage S.2.

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Daß Worms im Liede als Sitz derBurgundenkönige erscheint hat man alsder Geschichte nicht widersprechendnachgewiesen, indem wirklich die späteran den Rotten (Rhodanus) gezogenenBurgunden zuerst am Mittelrhein gewohnthätten. Eine andere Frage ist, ob dießveranlaßt hat, Worms zum Schauplatz derSage zu machen. Ein mythischer Bezughängt nämlich schon in dem ältestenNamen dieser Stadt, und dieß könnte dieAnknüpfung der Heldensage vermittelthaben. Bekanntlich lautete er einstBorbetomagus. "Da magus Feld bedeutet,"hieß es schon Rheinland 76, "so ist dießnicht sowohl der Name der Stadt als desGaus, das wir auch Wormsfeld genanntfinden, wie Maifeld und Maiengauwechseln. In _Borbet_, das uns für denNamen der Stadt übrig bleibt, ist dasanlautende b später zu w geworden;" wirwerden aber sogleich sehen wie w und b

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mundartlich wechseln. Nehmen wir esindes für Worbet, so erkennen wir leichtden urkundlich vielfach beglaubigtenNamen einer der tria fata, die, deutschemund keltischem Glauben gemein, uns(Deutschen) Schwestern, denromanisierten Kelten Mütter oderMatronen hießen; ausführlich habe ich vonihnen Handbuch der Mythologie §. 103gehandelt. Im südlichen undnordwestlichen Deutschland, also inunserm Rheinland kehren dieseSchwestern unzählig oft wieder: siewerden noch jetzt zum Theil mitveränderten Namen als Heilige verehrt: inder kölnischen Diöcese mit demErzbischof Pilgrim (nicht dem Paßauer)unter dem Namen der drei christlichenCardinaltugenden Spes, Fides, Caritas; inder trierischen zu Bornhoven, zu Auwunter verschiedenen; im südlichenDeutschland in weit entlegenen

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Landestheilen, Tyrol, Worms undStraßburg, in Oberbaiern undNiederbaiern unter sich stäts gleichbleibenden, nur wenig abweichendenNamen, welche sich auf _Einbett_,_Wilbett_ und _Warbett_ zurückführenlaßen. Das gemeinsame _-bett_ kehrt auchsonst gern wieder, wo die drei Schwesternjetzt unter andern Namen verehrt werden,und selbst in der kölnischen Diöcese istdas z.B. in Bettenhoven der Fall, so daßselbst unseres Beethovens Name hiehergehören möchte. Nach Panzer, BaierischeSagen, verehrt man sie als 1. S. Anbetta, S. Gwerbetta, S. Villbetta zuMeransen in Tyrol, Panzer I, S. 5. 2. S. Ainbett, S. Wolbett, S. Vilbett zuSchlehdorf in Oberbaiern. P. 23. 3. S. Ainpet, S. Gberpet, S. Firpet zu

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Leutstetten in Oberbaiern. P. 31. 4. S. Einbeth, S. Warbeth, S. Wilbeth zuSchildturn in Niederbaiern. P. 69. 5. S. Einbede, S. Warbede, S. Villebedezu Worms. P. 206. 6. S. Einbetta, S. Worbetta, S. Wilbetta inStraßburg. P. 208. Die letzte Namensform, unter welchen diemittlere Schwester erscheint, Worbetta,kann zur Erklärung des alten NamensBorbetomagus verwandt werden. Wirsahen unter 3, daß in S. Gberpet b statt weingetreten war; wandeln wir denurkundlichen Namen Worbetta inderselben Weise, wie wirklich _Barbeth_bei Panzer 69 begegnet, so haben wirBorbetta, also gerade die Namensform, diewir bedürfen. Von Borbet, der mittlern der

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drei Schwertern, wird also Worms(Borbetomagus) heißen, und es liegt nahe,Aehnliches von dem alten Namen der StadtMetz, Civitas Mediomatricorum, zuvermuthen: von der mittlern der dreiSchwestern, die den Kelten Mütter hießen,hat auch sie den Namen. Diese mittlere istdie mächtigere der dreie, ja dieeigentliche Gottheit, die sich in ihrenSchwestern nur vervielfältigt. So steht auchin Upsala Thôr als der mächtigste in derMitte zwischen Wodan und Fricco, "ita utpotentissimus", sagt Adam von Bremen, "inmedio solium habeat triclinio; hinc et indelocum possident Wodan et Fricco. Gr.Myth. 102. Uhland Schriften VI, 176. Da wirdiese, die nicht zufällig in allen sechsMeldungen in der Mitte stehen kann, beiPanzer 61, 275, 297 auch Held, ja Rachel(die rächende Hel) Panzer 18, 83, 372genannt finden, So ergiebt sich, daß sieHel, die verborgene Göttin, ist, die als

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Göttin der Unterwelt ebenso Tod als Lebenspendet, indem alles Leben von ihrausgeht und wieder in ihren mütterlichenSchooß zurückkehrt. Dazu stimmt, daßdiese drei Schwestern, die wir denNornen, deutschen Parzen, gleichstellendürfen, bei Panzer 53 auch _Hailräthinnen_genannt finden, weil sie die Schicksale derMenschen beriethen, ja daß sie nicht nurwider die Pest angerufen wurden, Panzer23, 70, 110, sondern auch beiEntbindungen Hülfe gewährten (Panzer362), wie Schwangere auch bei den Altendie diva triformis anriefen, Hor. III, 22. IhreNamen sind mit -bett zusammengesetzt,wie wir auch von Hünenbetten, vonBrunhildebette u.s.w. wißen, was ichHandb. der Myth. 368 auf den heidnischenOpferaltar (piot goth. biuds, oder pettigoth. badi lectisternium) gedeutet habe,der in dem Walde (lucus) stand, der ihneneinst geheiligt war, und der jetzt der

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Gemeinde von ihnen geschenkt seinsollte. Nimmt man diesen zweiten Theilder Zusammensetzung, -bett, als nur aufihren Tempel (Hof) bezüglich hinweg, soerklärt sich die erste Sylbe in Einbett ausAgin, Egin Schrecken, wie Einhart auchEginhart heißt. Sie ist die Todesgöttin, diefinstere Seite der Hel. Freundlicher lautetder dritte Name Wilbett, die willfährige,Wunsch und Willen gewährende, dielichte Seite der verborgenen Göttin. Nichtso einleuchtend ist der mittlere Name,Warbett oder Gwerbett, aus Zwist undStreit zu erklären; doch kann er auf deninnern Gegensatz im Wesen der Göttin,die bald lohnend, bald strafend auftritt,bezogen werden. Die Namen aus derdeutschen Sprache zu deuten, gestattetCäsars Meldung (B.G. II. 51) über dieVangionen in Ariovists Heer, womit Tacitus(ipsam Rheni ripam haud dubieGermanorum populi colunt, Vangiones,

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Triboci, Nemetes. Germ. 28) und PliniusIV, 17 stimmt. Sie wohnten, ein deutschesVolk, im keltischen Lande, weshalb esnicht auffallen kann, wenn der Name ihrerHauptstadt Borbetomagus eine voxhybrida ist, da wir -magus als einkeltisches Wort kennen. Wir sehen aber,wie ich schon Handb. 368 bemerkte, wieirrig die Annahme unserer RheinischenAlterthumsforscher über dieMatronenculte ist, daß alle dieseGottheiten der celtischen, nicht dergermanischen Sprache angehörten,wogegen sich Grimm schon beiGelegenheit der den matronisarvagastiabus und andrustehiabusgewidmeten Votivsteine aussprach. Obauch die Namen Kriemhild und Brunhild,die wir in den Nibelungen in Wormsfinden, auf die beiden entgegengesetztenSeiten der Unterweltsgöttin zu deutenseien, getraue ich mir nicht zu

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entscheiden; gewiss ist nur, daß -hildeeine Nebenform von Hel ist: es steht fürhilende, wie spilde (Walther 45, 38) fürspilende, und bezeichnet die verhohleneund verhehlende, verborgene undverbergende Göttin. Wenn in Kriemhilddie erste Sylbe nicht aus grîma, Larve,Helm, Rüstung, sondern aus Grimm, Wuth,atrocitas zu deuten ist, wie in der Eddanicht sie, sondern ihre Mutter Grimhildheißt, so möchte sie an die finstere Seiteder Göttin gemahnen, obgleich die imersten Theil noch holdselig erschienenwar, erst im zweiten als ihres geliebtenGemahls furchtbare Rächerin auftritt. Kleine Druckversehen, einige fehlendeCircumflexe, einige dô für dâ u.u. bittetman zu verbeßern. Bonn im Juni 1868. K.S.

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Vorrede zur ersten Auflage der Uebersetzung. Schon vor manchen Jahren, als ich dasLied der Nibelungen zuerst kennen lernteund mit Staunen die Wirkungenwahrnahm, die das herrliche Gedicht aufmein Gemüth hervorbrachte, entstand inmir der Wunsch, diese reinen kräftigenTöne in neuhochdeutscher Dichtersprachewiderhallen zu hören. Um so mehrwunderte ich mich bei dem Fleiße,welchen Männer wie Voss, Schlegel, Tiecku.A. ausländischen Dichterwerkenwidmeten, ja bei der Pflege, welche sogareinem niederdeutschen Gedichte zu Theilward, daß keiner unserer Dichter dasNibelungenlied einer gleichenAufmerksamkeit würdigte. Denn Tieckhatte seinen früher angekündigten Vorsatzeiner Uebertragung desselben nicht zur

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That reifen laßen und Uebersetzungen vonPhilologen, wie Von der Hagen undBüsching, entsprachen den künstlerischenAnforderungen nicht. Die Hagensche stehtnamentlich der Sprache der Urschrift fürden Zweck der Verständlichkeit allzunahe,und die Büschingsche ist fast nur eineprosaische mit beibehaltenen Endreimen.Lange harrte ich daher vergebens, obnicht einer unserer gefeierten Sänger, vondenen mir besonders Uhland, Rückert undGustav Schwab zu einem solchenUnternehmen berufen schienen, dergegen das Gedicht einreißenden unddurch die bisherigen Bearbeitungen nurgesteigerten Gleichgültigkeit des größernPublikums steuern werde. Mögen es alsodie Kunstrichter, wenn sie können,entschuldigen, daß ein ruhmloser Jüngerder Kunst, dessen Name vor ihrenkritischen Stühlen kaum noch erscholl,seine geringen Kräfte an einer Arbeit

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versucht hat, deren fast unüberwindlicheSchwierigkeiten so viele erprobte undfähigere Männer abgeschreckt zu habenscheint. Eine Rechtfertigung des Unternehmensvon Seiten der Nützlichkeit bedarf es nicht.Es ist albern zu glauben, daß eineUebersetzung dem Studium des OriginalsAbbruch thun werde, vielmehr wird sie eserleichtern und befördern, und diegegenwärtige ist durch ihreLeichtverständlichkeit und Wohlfeilheitdarauf berechnet, denselben recht vieleTheilnehmer zu gewinnen. Hoffentlichwird Mancher, der bis jetzt die poetischeSchönheit des Gedichts nicht geahnt hatte,und sie nun erst durch die Uebersetzungkennen lernt, sich das Studium desOriginals nicht verdrießen laßen, währender früher die damit verbundeneAnstrengung scheute, weil er nicht wuste

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ob er dafür durch einen entsprechendengeistigen Genuß werde entschädigtwerden. Bei diesem Studium selbst bietetihm die Uebersetzung abermals einwillkommenes Hülfsmittel dar. Eben sowenig Berücksichtigung verdient derandere Einwurf, daß sich das Originalohne Beihülfe einer Uebersetzungverstehen laße, und wenn Manche (wieA.W. von Schlegel) sogar meinen, esmüste dahin kommen, daß jeder Bürgerund Bauer sein Nibelungenlied in derUrsprache lese, wie jeder Grieche seinenHomer, so sind das Träume, die, wenn sieje in Erfüllung gehen sollten, nur durchUebersetzungen, die das Volk erstbelehrten, welchen Schatz es an demGedichte besitzt, verwirklicht werdenkönnten. Wenn das Titelblatt die Uebersetzungeines mittelhochdeutschen Gedichts

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ankündigt, so kann darunter allerdings nureine Uebertragung in dieneuhochdeutsche Sprache verstandenwerden; allein man darf darum nichtfordern, daß auch jedes darin zugelaßeneWort neuhochdeutsch sein solle: vielmehrgenügte, im Ganzen die Formen derneuhochdeutschen Grammatik zu Grundezu legen, was von den frühernUebersetzern nicht geschehen war, unddie Anforderung allgemeinerVerständlichkeit nie unberücksichtigt zulaßen. Man kann auch dieneuhochdeutsche Sprache noch von derSprache unserer neuern Dichterunterscheiden, in welche Manchesaufgenommen ist, was mehr dermittelhochdeutschen anzugehören scheint.Eben dieß aber kam mir bei derUebersetzung wesentlich zu Gute, indemohne dieß die kindliche Naivetät, dietreuherzige Einfalt des Ausdrucks verloren

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gegangen wäre, und die alterthümlicheFarbe des Gedichts völlig hätte verwischtwerden müßen. Alles freilich was sichneuhochdeutsche Dichter der letzten Zeitwohl erlaubt haben, verbot die Rücksichtauf allgemeine Faßlichkeit zu benutzen;Worte aber wie Degen, Recke, Minne, undFügungen wie "Schwester mein", stattmeine Schwester werden nirgend Anstoßerregen. Das beste Muster einer demMittelhochdeutschen angenäherten unddoch mit alterthümlichen Anklängen nichtüberladenen Sprache schienen mirUhlands Romanzen darzubieten, und manwird finden, daß ich mich bestrebt habe,ihm nachzufolgen; Tiecks Behandlungaber dünkte mich zu gewaltthätig undnamentlich enthalten seine Romanzen vonSiegfried Freiheiten, die weder dieheutige noch die ältere deutsche Spracheverstattete. Dieß mit Achtung vor demGenius des Dichters.

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Was die Versart der Urschrift betrifft, diesich der Uebersetzer bemüht hat so genauals möglich nachzubilden, so darf mannicht vergeßen, daß in den Nibelungenweder wie bei uns heutzutage die Versenach Füßen gemeßen, noch wie beiunsern Nachbarn die Sylben gezähltwerden. Vielmehr zählt man bloß dieHebungen, deren in jedem Halbvers drei,in der zweiten Hälfte des vierten Versesjeder Strophe aber gewöhnlich viervorkommen, ohne daß ihnen eine gleicheAnzahl von Senkungen zu entsprechenbrauchte. Es geschieht daher häufig, daßdie Hebungen in aufeinander folgendeSylben zu stehen kommen, wie dieß gleichim zweiten Verse der Uebersetzung Von préiswérthen Helden, von kühnemWágespiel

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der Fall ist, obgleich sich dieselbeErscheinung im Original erst in der ändernHälfte des Verses zeigt. Dagegen hatgleich der fünfte Vers: Es wúchs in Búrgónden ein édelMägdelein die Hebungen auf derselben Stelle wiedas Original nebeneinander. Wie großdaher der Unterschied des eigentlichenNibelungenverses von dem sei, was mangewöhnlich dafür ausgiebt, und wie sehrdieses an Wohllaut und Mannigfaltigkeitvon jenem übertroffen wird, kann dieVergleichung des zweiten der in der"Einleitung" mitgetheilten Gedichte mitder "Weihe" lehren. Am Schluß der Versebloß männliche Reime zu gestatten, wieder Urtext nur "stumpfe" zuläßt und die"klingenden" ausschließt, war nichtthunlich, weil die Pflicht, so viel als mit der

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neuhochdeutschen Sprache verträglichvon dem Urtext zu retten, mancheSchlußreime des Originals beizubehaltengebot, diese aber wegen des kurzenVocals in der ersten Sylbe, welcher dieerste stumm macht, nachmittelhochdeutscher Verskunst für stumpfe(männliche) Reime galten, während sienach den unsrigen für weibliche, oderwenn man so sagen soll, für klingendegehalten werden. Hinsichtlich des Textes bedarf es bloßder Angabe, daß ich in der Regel demLachmannschen gefolgt bin, auf welchensich auch die Strophenzahlen beziehen;daß ich aber auch weniger alte undverbürgte Strophen anderer Ausgabenaufgenommen, jedoch mit einemSternchen bezeichnet habe. Man wird mir schwerlich vorwerfen

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können, allzufrei übertragen zu haben.Worttreue ist keine Pflicht: sie gleicht derTreue Eulenspiegels zu seinem Meisterdem Schneider. Wie vielerVerbeßerungen aber die Uebersetzungnoch fähig wäre, fühlt Niemand lebhafterals ich, der, obgleich ich das Manuscriptkurz vor dem Drucke einer nochmaligenstrengen Durchsicht unterwarf, schon jetztan dem mir vorliegenden erstenAushängebogen wieder Tausenderleiauszustellen hätte ohne darum an demUnternehmen irre zu werden; denn wanndürfte bei einem solchen Werke diekritische Feile ruhn? Die Aufnahme, diediesem ersten Versuche seitens desgroßen Publicums zu Theil werden wird,und die Nachhülfe, die ich vonbelehrenden Kritiken sachkundigerMänner erwarte, mögen darüberentscheiden, ob ich ihn dereinst invollendeterer Gestalt der Welt vorlegen

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werde. Möchte der Leser nur einen Theildes Genußes empfinden, welchen dieArbeit dem Uebersetzer gewährte! _Berlin_, den 12. December 1826. * * * * * Weihe an Friedrich Baron de la Motte Fouqué. Vom Ursitz deutscher Völker, aus fernerHeidenzeit Erklingt uns eine Kunde vonLieb und Heldenstreit; Sie lebt in zweiGestalten bei deutschen Stämmen fort Undsie ist unsres Volkes urerster Schirm undHort. Die Eine, werther Sänger, hat DeinGesang verklärt, Von Deinem treuenGeiste durchglühet und genährt: Nun

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leuchtet in Walhalla, den Asen beigesellt,Sigurd der Schlangentödter, der edleNorderheld. Die Andre bringt ein Jünger dafür zumDank Dir dar, Ein Lied des Deinen würdig,durch Andrer Sangkunst zwar: Es wurzeltin dem Boden der starren Heidennacht,Vom milden Christenhimmel dasLaubwerk überdacht. Wär Deine fromme Treue, die nie vonArg gewust, Dein Herz voll Kraft und Mildein jeder deutschen Brust, Der Name flögewieder bis an die Sternenwand Siegfriedsdes Drachentödters vom Nibelungenland. _Bonn_, den 4. November 1826. * * * * * _An Karl Simrock._

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Dankesgruß für die Zueignung desNibelungenliedes. Wer Lieder wagt zu singen im deutschenDichterwald Weckt meist vielfachesTönen, das rings ihm wiederhallt. Dochdas altgute Spruchwort: "Es schallt vomWald heraus Wie's in den Waldhineinschallt," geht hier nicht immer aus. Schon Mancher hat gesungen in treuerLieb und Lust, Und Schmähruf drangentgegen zerstachelnd ihm die Brust: Dagilts denn freilich Sanglust, wenn fort mansingen soll; Doch Herz quillt immer über,ist nur das Herz recht voll. So hats der treue Siegfried in Wort undThat gemacht; Lohnt' ihm das Wer mitUndank, des hatt' er wenig Acht, Er bliebein treuer Degen wie ehmal so fortan Und

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so solls nach ihm machen jedweder echteMann. Er frage nach dem Lohn nicht; Gottschickt von selbst ihm Lohn, Weckt ausverwandten Herzen ihm manchverwandten Ton. So hast Du mir gesungen:vom Herzen giengs ins Herz: Wir pilgerntreu verbunden durchs Weltthalhimmelwärts. L.M. Fouqué. * * * * * Einleitung. _Der Nibelungenhort._ I. Es war einmal ein König, Ein König wars

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am Rhein, Der liebte nichts so wenig AlsHader, Gram und Pein. Es grollten seineDegen Um einen Schatz im Land Undwären fast erlegen Vor ihrer eignen Hand. Da sprach er zu den Edeln: "Was frommteuch alles Gold, Wenn ihr mit euernSchedeln Den Hort erkaufen sollt? EinEnde sei der Plage, Versenkt es in denRhein: Bis zu dem jüngsten Tage Mags daverborgen sein." Da senkten es die Stolzen Hinunter in dieFlut; Es ist wohl gar geschmolzen, Seitdemes da geruht. Zerronnen in den Wellen DesStroms, der drüber rollt, Läßt es dieTrauben schwellen Und glänzen gleichdem Gold. Daß doch ein Jeder dächte Wie dieserKönig gut, Auf daß kein Leid ihn brächteUm seinen hohen Muth. So senkten wir

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hinunter Den Kummer in den Rhein Undtränken froh und munter Von seinemgoldnen Wein. II. Einem Ritter wohlgeboren im schönenSchwabenland War von dem weisenKönige die Märe wohlbekannt, Der denHort versenken ließ in des Rheines Flut:Wie er ihm nachspüre erwog er lang inseinem Muth. "Darunter lag von Golde einWunschrüthelein; Wenn ich den Horterwürbe, mein eigen müst es sein: WerMeister wär der Gerte, das ist mir wohlbekannt, Dem wär sie nicht zu Kaufe umalles kaiserliche Land." Auf seinem Streitrosse mit Harnisch,

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Schild und Schwert Verließ der HeimatGauen der stolze Degen werth: Nach_Lochheim_ wollt er reiten bei Worms andem Rhein, Wo die Schätze sollten in derFlut begraben sein. Der werthe Held vertauschte seinritterlich Gewand Mit eines FischersKleide, den er am Ufer fand, Den Helmmit dem Barete, sein getreues Ross Miteinem guten Schifflein, das lustig auf denWellen floß. Seine Waffe war das Ruder, die Stangewar sein Sper: So kreuzt er auf den Wellen manch lieben Tag umher Und fischte nachdem Horte; die Zeit war ihm nicht lang; Ererholte von der Arbeit sich bei Zechgelagund Gesang. Um das alte Wormes und tiefer um denRhein Bis sich die Berge senken, da

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wächst ein guter Wein: Er gleicht so rechtan Farbe dem Nibelungengold, Das inder Flut zerronnen in der Reben Adernrollt. Den trank er alle Tage, beides, spät undfrüh, Wenn er Rast sich gönnte von derArbeit Müh. Er war so rein und lauter, erwar so hell und gut, Er stärkte seine Sinne und erhöht' ihm Kraft und Muth. Auch hört er Märe singen, die sang derDegen nach, Von Alberich dem Zwerge, der des Hortes pflag, Von hohemLiebeswerben, von Siegfriedens Tod,Von Kriemhilds grauser Rache und derNibelungen Noth. Da nahm der Degen wieder das Ruderan die Hand Und forschte nach dem Horte am weingrünen Strand. Mit Hacken undmit Schaufeln drang er auf den Grund, Mit

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Netzen und mit Stangen: ihm wurdenMühsale kund. Von des Weines Güte empfieng er Kraftgenug, Daß er des Tags Beschwerde wohlgemuth ertrug. Sein Lied mit stolzerFülle aus der Kehle drang, Daß esnachgesungen von allen Bergenwiederklang. So schifft' er immer weiter zu Thal dengrünen Rhein, Nach dem Horte forschend bei Hochgesang und Wein. Am großenLoch bei Bingen erst seine Stimmeschwoll, Hei! wie ein starkes Singen ander Lurlei widerscholl! Doch fand er in der Tiefe vom Goldekeine Spur, Nicht in des Stromes Bette, imBecher blinkt' es nur. Da sprach derbiedre Degen: "Nun leuchtet erst mir ein:Ich gieng den Hort zu suchen: der große

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Hort, das ist der Wein. "Der hat aus alten Zeiten noch bewahrtdie Kraft, Daß er zu großen Thaten erregtdie Ritterschaft. Aus der Berge Schachten stammt sein Feuergeist, Der den blödenSänger in hohen Thaten unterweist. "Er hat aus alten Zeiten mir ein Liedvertraut, Wie er zuerst der Wogen verborgnen Grund geschaut; WieSiegfried ward erschlagen um schnödenGolds Gewinn Und wie ihr Leid gerochen Kriemhild, die edle Königin. "Mein Schifflein laß ich fahren, die Gierdes Goldes flieht, Der Hort ward zu Weine, der Wein ward mir zum Lied, Zum Liede,das man gerne nach tausend Jahren singtUnd das in diesen Tagen von allenZungen wiederklingt.

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"Ich gieng den Hort zu suchen, meinSang, das ist der Hort, Es begrub ihn nichtdie Welle, er lebt unsterblich fort." SeinSchifflein ließ er fahren und sang seinLied im Land: Das ward vor allen Königen, vor allen Kaisern bekannt. Laut ward es gesungen im Lande weitund breit, Hat neu sich aufgeschwungen in dieser späten Zeit. Nun mögt ihr erstverstehen, ein altgesprochen Wort: "DasLied der Nibelungen, das ist derNibelungenhort." K. S. * * * * *

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Erstes Abenteuer. Wie Kriemhilden träumte. Viel Wunderdinge melden die Märenalter Zeit 1 Von preiswerthenHelden, von großer Kühnheit, Von Freudund Festlichkeiten, von Weinen und vonKlagen, Von kühner Recken Streiten mögtihr nun Wunder hören sagen. Es wuchs in Burgunden solch edelMägdelein, 2 Daß in allenLanden nichts Schönres mochte sein.Kriemhild war sie geheißen, und wardein schönes Weib, Um die viel Degenmusten verlieren Leben und Leib. Die Minnigliche lieben brachte KeinemScham; 3 Um die viel Reckenwarben, Niemand war ihr gram. Schön

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war ohne Maßen die edle Maid zuschaun; Der Jungfrau höfsche Sitte wäreine Zier allen Fraun. Es pflegten sie drei Könige edel undreich, 4 Gunther und Gernot, die Recken ohne Gleich, Und Geiselherder junge, ein auserwählter Degen; Siewar ihre Schwester, die Fürsten hatten siezu pflegen. Die Herren waren milde, dazu vonhohem Stamm, 5 Unmaßenkühn nach Kräften, die Recken lobesam.Nach den Burgunden war ihr Landgenannt; Sie schufen starke Wunder nochseitdem in Etzels Land. In Worms am Rheine wohnten die Herrnin ihrer Kraft. 6 Von ihren Landendiente viel stolze Ritterschaft Mitrühmlichen Ehren all ihres Lebens Zeit,

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Bis jämmerlich sie starben durch zweieredeln Frauen Streit. Ute hieß ihre Mutter, die reiche Königin, 7 Und Dankrat ihr Vater, der ihnen zum Gewinn Das Erbe ließ imTode, vordem ein starker Mann, Der auchin seiner Jugend großer Ehren vielgewann. Die drei Könge waren, wie ich kundgethan, 8 Stark und hohenMuthes; ihnen waren unterthan Auch diebesten Recken, davon man hat gesagt,Von großer Kraft und Kühnheit, in allenStreiten unverzagt. Das war von Tronje Hagen, und derBruder sein, 9 Dankwart derSchnelle, von Metz Herr Ortewein, Diebeiden Markgrafen Gere und Eckewart,Volker von Alzei, an allen Kräften

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wohlbewahrt, Rumold der Küchenmeister, eintheuerlicher Degen, 10 Sindoldund Hunold: die Herren musten pflegenDes Hofes und der Ehren, den Köngenunterthan. Noch hatten sie viel Recken, die ich nicht alle nennen kann. Dankwart war Marschall; so war derNeffe sein 11 Truchseß desKönigs, von Metz Herr Ortewein. Sindoldwar Schenke, ein waidlicher Degen, UndKämmerer Hunold: sie konnten hoherEhren pflegen. Von des Hofes Ehre von ihrer weitenKraft, 12 Von ihrer hohenWürdigkeit und von der Ritterschaft, Wiesie die Herren übten mit Freuden all ihrLeben, Davon weiß wahrlich Niemand euch volle Kunde zu geben.

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In ihren hohen Ehren träumteKriemhilden, 13 Sie zögeinen Falken, stark-, schön- und wilden;Den griffen ihr zwei Aare, daß sie esmochte sehn: Ihr konnt auf dieser Erde größer Leid nicht geschehn. Sie sagt' ihrer Mutter den Traum, FrauUten: 14 Die wust ihn nicht zudeuten als so der guten: "Der Falke, dendu ziehest, das ist ein edler Mann: Ihnwolle Gott behüten, sonst ist es bald umihn gethan." "Was sagt ihr mir vom Manne, vielliebeMutter mein? 15 OhneReckenminne will ich immer sein; Soschön will ich verbleiben bis an meinenTod, Daß ich von Mannesminne niegewinnen möge Noth."

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"Verred es nicht so völlig," die Muttersprach da so, 16 "Sollst du je aufErden von Herzen werden froh, Dasgeschieht von Mannesminne: du wirst einschönes Weib, Will Gott dir nochvergönnen eines guten Ritters Leib." "Die Rede laßt bleiben, vielliebe Muttermein. 17 Es hat an manchenWeiben gelehrt der Augenschein, WieLiebe mit Leide am Ende gerne lohnt; Ichwill sie meiden beide, so bleib ich sicherverschont!" Kriemhild in ihrem Muthe hielt sich vonMinne frei. 18 So lief noch derguten manch lieber Tag vorbei, Daß sieNiemand wuste, der ihr gefiel zum Mann,Bis sie doch mit Ehren einen werthenRecken gewann. Das war derselbe Falke, den jener

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Traum ihr bot, 19 Den ihrbeschied die Mutter. Ob seinem frühenTod Den nächsten Anverwandten wie gabsie blutgen Lohn! Durch dieses EinenSterben starb noch mancher Mutter Sohn. * * * * *

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Zweites Abenteuer. Von Siegfrieden. Da wuchs im Niederlande eines edelnKönigs Kind, 20 Siegmund hießsein Vater, die Mutter Siegelind, In einermächtgen Veste, weithin wohlbekannt,Unten am Rheine, Xanten war siegenannt. Ich sag euch von dem Degen, wie soschön er ward. 21 Er war vorallen Schanden immer wohl bewahrt.Stark und hohes Namens ward bald derkühne Mann: Hei! was er großer Ehren auf dieser Erde gewann! Siegfried ward geheißen der edleDegen gut. 22 Er erprobte vielder Recken in hochbeherztem Muth.

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Seine Stärke führt' ihn in manches fremdeLand: Hei! was er schneller Degen beiden Burgunden fand! Bevor der kühne Degen voll erwuchszum Mann, 23 Da hatt er solcheWunder mit seiner Hand gethan, Davonman immer wieder singen mag undsagen; Wir müßen viel verschweigen vonihm in heutigen Tagen. In seinen besten Zeiten, bei seinenjungen Tagen 24 Mochte manviel Wunder von Siegfrieden sagen, WieEhr an ihm erblühte und wie schön er warzu schaun: Drum dachten sein in Minne viel der waidlichen Fraun. Man erzog ihn mit dem Fleiße, wie ihmgeziemend war; 25 Was ihm Zuchtund Sitte der eigne Sinn gebar! Das wardnoch eine Zierde für seines Vaters Land,

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Daß man zu allen Dingen ihn so rechtherrlich fand. Er war nun so erwachsen, mit an den Hofzu gehn. 26 Die Leute sahn ihngerne; viel Fraun und Mädchen schönWünschten wohl, er käme dahin dochimmerdar; Hold waren ihm gar viele, desward der Degen wohl gewahr. Selten ohne Hüter man reiten ließ dasKind. 27 Mit Kleidern hieß ihnzieren seine Mutter Siegelind; Auchpflegten sein die Weisen, denen Ehrewar bekannt: Drum möcht er wohlgewinnen so die Leute wie das Land, Nun war er in der Stärke, daß er wohlWaffen trug: 28 Wes er dazubedurfte, des gab man ihm genug. Schonsann er zu werben um manches schöneKind; Die hätten wohl mit Ehren den

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schönen Siegfried geminnt. Da ließ sein Vater Siegmund kund thunseinem Lehn, 29 Mit liebenFreunden woll er ein Hofgelag begehn.Da brachte man die Märe in andrerKönge Land. Den Heimischen und Gästen gab er Ross und Gewand. Wen man finden mochte, der nach derEltern Art 30 Ritter werdensollte, die edeln Knappen zart Lud mannach dem Lande zu der Lustbarkeit, Wosie das Schwert empfiengen mit Siegfriedzu gleicher Zeit. Man mochte Wunder sagen von demHofgelag. 31 Siegmund undSiegelind gewannen an dem Tag VielEhre durch die Gaben, die spendet' ihreHand: Drum sah man viel der Fremden zuihnen reiten in das Land.

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Vierhundert Schwertdegen solltengekleidet sein 32 Mit demjungen Könige. Manch schönesMägdelein Sah man am Werk geschäftig: ihm waren alle hold. Viel edle Steinelegten die Frauen da in das Gold, Die sie mit Borten wollten auf die Kleidernähn 33 Den jungen stolzenRecken; das muste so ergehn. Der Wirthließ Sitze bauen für manchen kühnenMann Zu der Sonnenwende, wo SiegfriedRitters Stand gewann. Da gieng zu einem Münster mancherreiche Knecht 34 Und viel deredeln Ritter. Die Alten thaten recht, Daßsie den Jungen dienten, wie ihnen wargeschehn, Sie hatten Kurzweile undfreuten sich es zu sehn.

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Als man da Gott zu Ehren eine Messesang, 35 Da hub sich von denLeuten ein gewaltiger Drang, Da sie zuRittern wurden dem Ritterbrauch gemäßMit also hohen Ehren, so leicht nichtwieder geschähs. Sie eilten, wo sie fanden geschirrterRosse viel. 36 Da ward inSiegmunds Hofe so laut das Ritterspiel,Daß man ertosen hörte Pallas und Saal.Die hochbeherzten Degen begannenfröhlichen Schall. Von Alten und von Jungen mancher Stoßerklang, 37 Daß der SchäfteBrechen in die Lüfte drang. Die Splittersah man fliegen bis zum Saal hinan. DieKurzweile sahen die Fraun und Männermit an. Der Wirth bat es zu laßen. Man zog die

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Rosse fort; 38 Wohl sah man auchzerbrochen viel starke Schilde dort Undviel der edeln Steine auf das Gras gefälltVon des lichten Schildes Spangen: diehatten Stöße zerschellt. Da setzten sich die Gäste, wohin manihnen rieth, 39 zu Tisch, wo vonErmüdung viel edle Kost sie schied UndWein der allerbeste, des man die Fülletrug. Den Heimischen und Fremden botman Ehren da genug. So viel sie Kurzweile gefunden all denTag, 40 Das fahrende Gesinde doch keiner Ruhe pflag: Sie dienten umdie Gabe, die man da reichlich fand; IhrLob ward zur Zierde König Siegmundsganzem Land. Da ließ der Fürst verleihen Siegfried,dem jungen Mann, 41 Das Land und

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die Burgen, wie sonst er selbst gethan.Seinen Schwertgenoßen gab er mitmilder Hand: So freute sie die Reise, diesie geführt in das Land. Das Hofgelage währte bis an densiebten Tag. 42 Sieglind diereiche der alten Sitte pflag, Daß sie demSohn zu Liebe vertheilte rothes Gold: Siekönnt es wohl verdienen, daß ihm dieLeute waren hold. Da war zuletzt kein armer Fahrendermehr im Land. 43 Ihnen stobenKleider und Rosse von der Hand, Alshätten sie zu leben nicht mehr denn einenTag. Man sah nie Ingesinde, das sogroßer Milde pflag. Mit preiswerthen Ehren zergieng dieLustbarkeit. 44 Man hörte wohldie Reichen sagen nach der Zeit, Daß sie

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dem Jungen gerne wären unterthan; Dasbegehrte nicht Siegfried, dieserwaidliche Mann. So lange sie noch lebten, Siegmund undSiegelind, 45 Wollte nicht Kronetragen der beiden liebes Kind; Doch wollter herrlich wenden alle die Gewalt, Die inden Landen fürchtete der Degen kühnund wohlgestalt. Ihn durfte Niemand schelten: seit er dieWaffen nahm, 46 Pflag er der Ruhnur selten, der Recke lobesam. Er suchtenur zu streiten und seine starke HandMacht' ihn zu allen Zeiten in fremdenReichen wohlbekannt. * * * * *

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Drittes Abenteuer. Wie Siegfried nach Worms kam. Den Herrn beschwerte selten irgend einHerzeleid. 47 Er hörte Kundesagen, wie eine schöne Maid Bei denBurgunden wäre, nach Wünschenwohlgethan, Von der er bald viel Freuden und auch viel Leides gewann. Von ihrer hohen Schöne vernahm manweit und breit, 48 Und auch ihrHochgemüthe ward zur selben Zeit Beider Jungfrauen den Helden oft bekannt:Das ladete der Gäste viel in KönigGunthers Land. So viel um ihre Minne man Werbendesah, 49 Kriemhild in ihremSinne sprach dazu nicht Ja, Daß sie einen

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wollte zum geliebten Mann: Er war ihrnoch gar fremde, dem sie bald wardunterthan. Dann sann auf hohe Minne SieglindensKind: 50 All der AndernWerben war wider ihn ein Wind. Ermochte wohl verdienen ein Weib soauserwählt: Bald ward die edle Kriemhild dem kühnen Siegfried vermählt. Ihm riethen seine Freunde und Die inseinem Lehn, 51 Hab er stäteMinne sich zum Ziel ersehn, So soll erwerben, daß er sich der Wahl nicht dürfeschämen. Da sprach der edle Siegfried: "So will ich Kriemhilden nehmen, "Die edle Königstochter vonBurgundenland, 52 Um ihregroße Schöne. Das ist mir wohl bekannt,Kein Kaiser sei so mächtig, hätt er zu frein

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im Sinn, Dem nicht zum minnen ziemte diese reiche Königin." Solche Märe hörte der König Siegmund. 53 Es sprachen seine Leute: also ward ihm kund Seines Kindes Wille. Es war ihm höchlich leid, Daß er werbenwolle um diese herrliche Maid. Es erfuhr es auch die Königin, die edleSiegelind: 54 Die muste großeSorge tragen um ihr Kind, Weil sie wohlGunthern kannte und Die in seinem HeerDie Werbung dem Degen zu verleidenfliß man sich sehr. Da sprach der kühne Siegfried: "Viellieber Vater mein, 55 Ohn edlerFrauen Minne wollt ich immer sein, Wennich nicht werben dürfte nachHerzensliebe frei." Was Jemand redenmochte, so blieb er immer dabei.

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"Ist dir nicht abzurathen," der Königsprach da so, 56 "So bin ich deinesWillens von ganzem Herzen froh Und willdirs fügen helfen, so gut ich immer kann;Doch hat der König Gunther manchenhochfährtgen Mann. "Und wär es anders Niemand als Hagender Degen, 57 Der kann imUebermuthe wohl der Hochfahrt pflegen,So daß ich sehr befürchte, es mög unswerden leid, Wenn wir werben wollen um diese herrliche Maid." "Wie mag uns das gefährden!" hub daSiegfried an: 58 "Was ich mir imGuten da nicht erbitten kann, Will ichschon sonst erwerben mit meiner starkenHand, Ich will von ihm erzwingen so dieLeute wie das Land."

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"Leid ist mir deine Rede," sprach KönigSiegmund, 59 "Denn würde dieseMäre dort am Rheine kund, Du dürftestnimmer reiten in König Gunthers Land.Gunther und Gernot die sind mir langebekannt. "Mit Gewalt erwerben kann Niemanddie Magd," 60 Sprach derKönig Siegmund, "das ist mir wohlgesagt; Willst du jedoch mit Recken reiten in das Land, Die Freunde, die wirhaben, die werden eilends besandt." "So ist mir nicht zu Muthe," fiel ihmSiegfried ein, 61 "Daß mir Reckensollten folgen an den Rhein EinerHeerfahrt willen: das wäre mir wohl leid,Sollt ich damit erzwingen diese herrlicheMaid. "Ich will sie schon erwerben allein mit

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meiner Hand. 62 Ich will mit zwölfGesellen in König Gunthers Land; Dazusollt ihr mir helfen, Vater Siegmund." Dagab man seinen Degen zu Kleidern grauund auch bunt. Da vernahm auch diese Märe seineMutter Siegelind; 63 Sie begannzu trauern um ihr liebes Kind:, Sie bangt'es zu verlieren durch Die in GunthersHeer. Die edle Königstochter weintedarüber sehr. Siegfried der Degen gieng hin, wo er siesah. 64 Wider seine Mutter gütlich sprach er da: "Frau, ihr sollt nichtweinen um den Willen mein: Wohl willich ohne Sorgen vor allen Weigandensein. "Nun helft mir zu der Reise nachBurgundenland, 65 Daß mich

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und meine Recken ziere solch Gewand,Wie so stolze Degen mit Ehren mögentragen: Dafür will ich immer den Dankvon Herzen euch sagen." "Ist dir nicht abzurathen," sprach FrauSiegelind, 66 So helf ich dir zurReise, mein einziges Kind, Mit den bestenKleidern, die je ein Ritter trug, Dir unddeinen Degen: ihr sollt der habengenug." Da neigte sich ihr dankend Siegfried derjunge Mann. 67 Er sprach: "Nichtmehr Gesellen nehm ich zur Fahrt mir anAls der Recken zwölfe: verseht die mitGewand. Ich möchte gern erfahren, wie'sum Kriemhild sei bewandt." Da saßen schöne Frauen über Nacht undTag, 68 Daß ihrer selten Eine der Muße eher pflag, Bis sie gefertigt

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hatten Siegfriedens Staat. Er wollte seinerReise nun mit nichten haben Rath. Sein Vater hieß ihm zieren sein ritterlichGewand, 69 Womit er räumenwollte König Siegmunds Land. Ihrelichten Panzer die wurden auch bereitUnd ihre festen Helme, ihre Schilde schönund breit. Nun sahen sie die Reise zu denBurgunden nahn. 70 Um siebegann zu sorgen beides, Weib undMann, Ob sie je wiederkommen sollten indas Land. Sie geboten aufzusäumen dieWaffen und das Gewand. Schön waren ihre Rosse, ihr Reitzeuggoldesroth; 71 Wenn wer sichhöher dauchte, so war es ohne Noth, Alsder Degen Siegfried und Die ihmunterthan. Nun hielt er um Urlaub zu den

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Burgunden an. Den gaben ihm mit Trauern König undKönigin. 72 Er tröstete siebeide mit minniglichem Sinn Und sprach:"Ihr sollt nicht weinen um den Willenmein: Immer ohne Sorgen mögt ihr ummein Leben sein." Es war leid den Recken, auch weintemanche Maid; 73 Sie ahnten wohlim Herzen, daß sie es nach der Zeit Nochschwer entgelten müsten durch lieberFreunde Tod. Sie hatten Grund zu klagen, es that ihnen wahrlich Noth. Am siebenten Morgen zu Worms an denStrand 74 Ritten schon dieKühnen; all ihr Gewand War von rothemGolde, ihr Reitzeug wohlbestellt; Ihnengiengen sanft die Rosse, die sich daSiegfried gesellt.

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Neu waren ihre Schilde, licht dazu undbreit, 75 Und schön ihreHelme, als mit dem Geleit Siegfried derkühne ritt in Gunthers Land. Man ersah anHelden nie mehr so herrlich Gewand. Der Schwerter Enden giengen niederauf die Sporen; 76 Scharfe Spereführten die Ritter auserkoren. Von zweierSpannen Breite war, welchen Siegfriedtrug; Der hatt an seinen Schneiden grimmer Schärfe genug. Goldfarbne Zäume führten sie an derHand; 77 Der Brustriem warvon Seide: so kamen sie ins Land. Dagafften sie die Leute allenthalben an:Gunthers Mannen liefen sie zuempfangen heran. Die hochbeherzten Recken, Ritter so wie

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Knecht, 78 Liefen den Herrnentgegen, so war es Fug und Recht, Undbegrüßten diese Gäste in ihrer HerrenLand; Die Pferde nahm man ihnen und dieSchilde von der Hand. Da wollten sie die Rosse ziehn zu ihrerRast; 79 Da sprach aberSiegfried alsbald, der kühne Gast: "Laßtuns noch die Pferde stehen kurze Zeit:Wir reiten bald von hinnen; dazu bin ichganz bereit. "Man soll uns auch die Schilde nicht vondannen tragen; 80 Wo ich den Königfinde, kann mir das Jemand sagen,Gunther den reichen ausBurgundenland?" Da sagt' es ihm Einer, dem es wohl war bekannt. "Wollt ihr den König finden, das mag garleicht geschehn: 81 In jenem weiten

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Saale hab ich ihn gesehn Unter seinenHelden; da geht zu ihm hinan, So mögt ihrbei ihm finden manchen herrlichenMann." Nun waren auch die Mären dem Königschon gesagt, 82 Daß auf demHofe wären Ritter unverzagt: Sie führtenlichte Panzer und herrlich Gewand; Sieerkenne Niemand in der BurgundenLand. Den König nahm es Wunder, wohergekommen sei'n 83 Dieherrlichen Recken im Kleid von lichtemSchein Und mit so guten Schilden, so neuund so breit; Das ihm das Niemand sagte, das war König Gunthern leid. Zur Antwort gab dem König von MetzHerr Ortewein; 84 Stark undkühnes Muthes mocht er wohl sein: "Da

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wir sie nicht erkennen, so heißt Jemandgehn Nach meinem Oheim Hagen: demsollt ihr sie laßen sehn. "Ihm sind wohl kund die Reiche undalles fremde Land; 85 Erkennt erdie Herren, das macht er uns bekannt."Der König ließ ihn holen und Die inseinem Lehn: Da sah man ihn herrlich mitRecken hin zu Hofe gehn. Warum nach ihm der König, frug Hagenda, geschickt? 86 "Es werdenfremde Degen in meinem Haus erblickt,Die Niemand mag erkennen: habt ihr infremdem Land Sie wohl schon gesehen? das macht mir, Hagen bekannt." "Das will ich," sprach Hagen. ZumFenster schritt er drauf, 87 Da ließ ernach den Gästen den Augen freien Lauf.Wohl gefiel ihm ihr Geräthe und all ihr

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Gewand; Doch waren sie ihm fremde inder Burgunden Land. Er sprach, woher die Recken auchkämen an den Rhein, 88 Esmöchten selber Fürsten oderFürstenboten sein. "Schön sind ihre Rosse und ihr Gewand ist gut; Von wannen sieauch ritten, es sind Helden hochgemuth." Also sprach da Hagen: "Soviel ich magverstehn, 89 Hab ich gleich imLeben Siegfrieden nie gesehn, So will ichdoch wohl glauben, wie es damit auchsteht, Daß er es sei, der Degen, der soherrlich dorten geht. "Er bringt neue Mären her in diesesLand: 90 Die kühnenNibelungen schlug des Helden Hand, Diereichen Königssöhne Schilbung undNibelung; Er wirkte große Wunder mit

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des starken Armes Schwung. "Als der Held alleine ritt aller Hülfe bar, 91 Fand er an einem Berge, sohört ich immerdar, Bei König NiblungsHorte manchen kühnen Mann; Sie warenihm gar fremde, bis er hier die Kundegewann. "Der Hort König Nibelungs wardhervorgetragen 92 Aus einemhohlen Berge: nun hört Wunder sagen,Wie ihn theilen wollten Die Niblungunterthan. Das sah der Degen Siegfried, den es zu wundern begann. "So nah kam er ihnen, daß er die Heldensah 93 Und ihn die Degenwieder. Der Eine sagte da: "Hier kommtder starke Siegfried, der Held ausNiederland." Seltsame Abenteuer er beiden Nibelungen fand.

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"Den Recken wohl empfiengen Schilbung und Nibelung. 94Einhellig baten die edeln Fürsten jung,Daß ihnen theilen möchte den Schatz derkühne Mann: Das begehrten sie, bisendlich ers zu geloben begann. "Er sah so viel Gesteines, wie wir hörensagen, 95 Hundert Leiterwagen die möchten es nicht tragen, Noch mehrdes rothen Goldes von Nibelungenland:Das Alles sollte theilen des kühnenSiegfriedes Hand. "Sie gaben ihm zum Lohne KönigNiblungs Schwert: 96 Da wurdensie des Dienstes gar übel gewährt, Denihnen leisten sollte Siegfried der Degengut. Er könnt es nicht vollbringen: siehatten zornigen Muth.

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"So must er ungetheilet die Schätzelaßen stehn. 97 Da bestanden ihndie Degen in der zwei Könge Lehn: Mitihres Vaters Schwerte, das Balmung wargenannt, Stritt ihnen ab der Kühne denHort und Nibelungenland "Da hatten sie zu Freunden kühne zwölfMann, 98 Die starke Riesenwaren: was konnt es sie verfahn? Dieerschlug im Zorne Siegfriedens Hand Undsiebenhundert Recken zwang er vomNibelungenland. "Mit dem guten Schwerte, geheißenBalmung. 99 Vom Schreckenüberwältigt war mancher Degen jungZumal vor dem Schwerte und vor demkühnen Mann: Das Land mit den Burgen machten sie ihm unterthan. "Dazu die reichen Könige die schlug er

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beide todt. 100 Er kam durchAlbrichen darauf in große Noth: Derwollte seine Herren rächen allzuhand, Eher die große Stärke noch an Siegfriedenfand. "Mit Streit bestehen konnt ihn da nichtder starke Zwerg. 101 Wie die wildenLeuen liefen sie an den Berg, Wo er dieTarnkappe Albrichen abgewann: Da wardes Hortes Meister Siegfried derschreckliche Mann. "Die sich getraut zu fechten, die lagen allerschlagen. 102 Den Schatz ließ erwieder nach dem Berge tragen, Dem ihnentnommen hatten Die Niblungunterthan. Alberich der starke das Amtdes Kämmrers gewann. "Er must ihm Eide schwören, er dien ihmals sein Knecht, 103 Zu aller Art

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Diensten ward er ihm gerecht." So sprachvon Tronje Hagen: "Das hat der Heldgethan; Also große Kräfte nie mehr einRecke gewann. "Noch ein Abenteuer ist mir von ihmbekannt: 104 EinenLinddrachen schlug des Helden Hand; Alser im Blut sich badete, ward hörnernseine Haut. So versehrt ihn keine Waffe: das hat man oft an ihm geschaut. "Man soll ihn wohl empfangen, derbeste Rath ist das, 105 Damit wirnicht verdienen des schnellen ReckenHaß. Er ist so kühnes Sinnes, man seh ihnfreundlich an: Er hat mit seinen Kräften somanche Wunder gethan." Da sprach der mächtge König: "Gewiss,du redest wahr: 106 Nun sieh, wiestolz er dasteht vor des Streits Gefahr,

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Dieser kühne Degen und Die in seinemLehn! Wir wollen ihm entgegen hinab zudem Recken gehn." "Das mögt ihr," sprach da Hagen, "mitallen Ehren schon: 107 Er ist vonedelm Stamme eines reichen KönigsSohn; Auch hat er die Gebäre, michdünkt, beim Herren Christ, Es sei nichtkleine Märe, um die er hergeritten ist." Da sprach der Herr des Landes: "Nun seier uns willkommen. 108 Er ist kühn undedel, das hab ich wohl vernommen; Dessoll er auch genießen imBurgundenland." Da gieng der KönigGunther hin, wo er Siegfrieden fand. Der Wirth und seine Recken empfiengenso den Mann, 109 Daß wenig andem Gruße gebrach, den er gewann; Desneigte sich vor ihnen der Degen

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ausersehn In großen Züchten sah man ihnmit seinen Recken stehn. "Mich wundert diese Märe," sprach derWirth zuhand, 110 "Von wannen,edler Siegfried, ihr kamt in dieses LandOder was ihr wollet suchen zu Worms andem Rhein?" Da sprach der Gast zumKönig: "Das soll euch unverhohlen sein. "Ich habe sagen hören in meines VatersLand, 111 An euerm Hofewären, das hätt ich gern erkannt, Dieallerkühnsten Recken, so hab ich oftvernommen, Die je gewann ein König: darum bin ich hieher gekommen. "So hör ich auch euch selber vielMannheit zugestehn, 112 Man habekeinen König noch je so kühn gesehn.Das rühmen viel der Leute in all diesemLand; Nun kann ichs nicht verwinden, bis

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ich die Wahrheit befand. "Ich bin auch ein Recke und soll dieKrone tragen: 113 Ich möcht esgerne fügen, daß sie von mir sagen, Daßich mit Recht besäße die Leute wie dasLand. Mein Haupt und meine Ehre setzich dawider zu Pfand. Wenn ihr denn so kühn seid, wie euchdie Sage zeiht, 114 So frag ich nicht,ists Jemand lieb oder leid: Ich will voneuch erzwingen, was euch angehört, DasLand und die Burgen unterwerf ichmeinem Schwert." Der König war verwundert und all seinVolk umher, 115 Als sievernahmen sein seltsam Begehr, Daß erihm zu nehmen gedächte Leut und Land.Das hörten seine Degen, die wurdenzornig zuhand.

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"Wie sollt ich das verdienen," sprachGunther der Degen, 116 Wes meinVater lange mit Ehren durfte pflegen,Daß wir das verlören durch JemandsUeberkraft? Das wäre schlecht bewiesen, daß wir auch pflegen Ritterschaft!" "Ich will davon nicht laßen," fiel ihm derKühne drein, 117 "Von deinenKräften möge dein Land befriedet sein,Ich will es nun verwalten; doch auch dasErbe mein, Erwirbst du es durch Stärke, es soll dir unterthänig sein. "Dein Erbe wie das meine wir schlagengleich sie an, 118 Und wer von unsden Andern überwinden kann, Dem solles alles dienen, die Leute wie das Land."Dem widersprach da Hagen und mit ihmGernot zuhand.

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"So stehn uns nicht die Sinne," sprach daGernot, 119 "Nach neuen LandsGewinne, daß Jemand sollte todt VorHeldeshänden liegen: reich ist unserLand, Das uns mit Recht gehorsamt, zuNiemand beßer bewandt." In grimmigem Muthe standen da dieFreunde sein. 120 Da war auchdarunter von Metz Herr Ortewein. DerSprach: "Die Sühne ist mir von Herzenleid: Euch ruft der starke Siegfried ohnallen Grund in den Streit. "Wenn ihr und eure Brüder ihm auchnicht steht zur Wehr, 121 Und ob erbei sich führte ein ganzes Königsheer, Sowollt ichs doch erstreiten, daß der starkeHeld Also hohen Uebermuth, wohl mitRecht bei Seite stellt." Darüber zürnte mächtig der Held von

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Niederland: 122 "Nicht widermich vermeßen darf sich deine Hand: Ichbin ein reicher König, du bist in KönigsLehn; Deiner zwölfe dürften mich nicht imStreite bestehn." Nach Schwertern rief da heftig von MetzHerr Ortewein: 123 Er durfte HagensSchwestersohn von Tronje wahrlich sein;Daß er so lang geschwiegen, das wardem König leid. Da sprach zum FriedenGernot, ein Ritter kühn und allbereit. "Laßt euer Zürnen bleiben," hub er zuOrtwein an, 124 "Uns hat der edleSiegfried noch solches nicht gethan; Wirscheiden es in Güte wohl noch, das rathich sehr, Und haben ihn zum Freunde; esgeziemt uns wahrlich mehr." Da sprach der starke Hagen "Uns istbillig leid 125 und all euern

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Degen, daß er je zum Streit an den Rheingeritten: was ließ er das nicht sein? Soübel nie begegnet wären ihm die Herrenmein." Da sprach wieder Siegfried, derkraftvolle Held: 126 "Wenn euch,was ich gesprochen, Herr Hagen,missfällt, So will ich schauen laßen, wienoch die Hände mein Gedenken sogewaltig bei den Burgunden zu sein." "Das hoff ich noch zu wenden," sprachda Gernot. 127 Allen seinenDegen zu reden er verbot In ihremUebermuthe, was ihm wäre leid. Dagedacht auch Siegfried an die vielherrliche Maid. "Wie geziemt' uns mit euch zu streiten?" sprach wieder Gernot 128 "Wie vieldabei der Helden auch fielen in den Tod,

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Wenig Ehre brächt uns so ungleicherStreit." Die Antwort hielt da Siegfried, König Siegmunds Sohn, bereit: Warum zögert Hagen und auchOrtewein, 129 Daß er nichtzum Streite eilt mit den Freunden sein,Deren er so manchen bei den Burgundenhat?" Sie blieben Antwort schuldig, daswar Gernotens Rath. "Ihr sollt uns willkommen sein," sprachGeiselher das Kind, 130 "Und eureHeergesellen, die hier bei euch find: Wirwollen gern euch dienen, ich und dieFreunde mein." Da hieß man den Gästen schenken König Gunthers Wein. Da sprach der Wirth des Landes: "Alles,was uns gehört, 131 Verlangt ihr es inEhren, das sei euch unverwehrt; Wirwollen mit euch theilen unser Gut und

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Blut." Da ward dem Degen Siegfried einwenig sanfter zu Muth. Da ließ man ihnen wahren all ihrWehrgewand; 132 Man suchteHerbergen, die besten, die man fand:Siegfriedens Knappen schuf man gutGemach. Man sah den Fremdling gerne in Burgundenland hernach. Man bot ihm große Ehre darauf inmanchen Tagen, 133 Mehr zutausend Malen, als ich euch könntesagen; Das hatte seine Kühnheit verdient,das glaubt fürwahr. Ihn sah wohl seltenJemand, der ihm nicht gewogen war. Flißen sich der Kurzweil die Könge undihr Lehn, 134 So war er stäts derBeste, was man auch ließ geschehn. Eskonnt ihm Niemand folgen, so groß warseine Kraft, Ob sie den Stein warfen oder

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schoßen den Schaft. Nach höfscher Sitte ließen sich auch vorden Fraun 135 Der Kurzweilepflegend die kühnen Ritter schaun: Dasah man stäts den Helden gern vonNiederland; Er hatt auf hohe Minne seineSinne gewandt. Die schönen Fraun am Hofe erfragtenMäre, 136 Wer der stolzefremde Recke wäre. "Er ist so schöngewachsen, so reich ist sein Gewand!" Dasprachen ihrer Viele: "Das ist der Heldvon Niederland." Was man beginnen wollte, er war dazubereit; 137 Er trug in seinemSinne eine minnigliche Maid, Und auchnur ihn die Schöne, die er noch niegesehn, Und die sich doch viel Gutes vonihm schon heimlich versehn.

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Wenn man auf dem Hofe dasWaffenspiel begann, 138 Ritterso wie Knappen, immer sah es anKriemhild aus den Fenstern, dieKönigstochter hehr; Keiner andernKurzweil hinfort bedurfte sie mehr. Und wüst er, daß ihn sähe, die er imHerzen trug, 139 Davon hätt erKurzweil immerdar genug. Ersähn sieseine Augen, ich glaube sicherlich, Keineandre Freude hier auf Erden wünscht' ersich. Wenn er bei den Recken auf dem Hofestand, 140 Wie man noch zurKurzweil pflegt in allem Land, Wie standdann so minniglich das Sieglindenkind,Daß manche Frau ihm heimlich war vonHerzen hold gesinnt.

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Er gedacht auch manchmal: "Wie solldas geschehn, 141 Daß ich dasedle Mägdlein mit Augen möge sehn, Dieich von Herzen minne, wie ich schonlängst gethan? Die ist mir noch garfremde; mit Trauern denk ich daran." So oft die reichen Könige ritten in ihrLand, 142 So musten auch dieRecken mit ihnen all zur Hand. AuchSiegfried ritt mit ihnen: das war derFrauen leid; Er litt von ihrer Minne auchBeschwer zu mancher Zeit. So wohnt' er bei den Herren, das ist alleswahr, 143 In König GunthersLande völliglich ein Jahr, Daß er dieMinnigliche in all der Zeit nicht sah,Durch die ihm bald viel Liebes und auchviel Leides geschah. * * * * *

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Viertes Abenteuer. Wie Siegfried mit den Sachsen stritt. Da kamen fremde Mären in KönigGunthers Land 144 Durch Botenaus der Ferne ihnen zugesandt Vonunbekannten Recken, die ihnen trugenHaß Als sie die Rede hörten, gar sehrbetrübte sie das. Die will ich euch nennen: es warLüdeger 145 Aus derSachsen Lande, ein mächtger König hehr;Dazu vom Dänenlande der KönigLüdegast: Die gewannen zu dem Kriege gar manchen herrlichen Gast. Ihre Boten kamen in König GunthersLand, 146 Die seineWidersacher hatten hingesandt. Da frug

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man um die Märe die Unbekannten gleichUnd führte bald die Boten zu Hofe vor denKönig reich. Schön grüßte sie der König und sprach: "Seid willkommen! 147 Wer euchhieher gesendet, hab ich noch nichtvernommen: Das sollt ihr hören laßen," sprach der König gut. Da bangten siegewaltig vor des grimmen Gunther Muth. "Wollt ihr uns, Herr, erlauben, daß wireuch Bericht 148 Von unsrer Märesagen, wir hehlen sie euch nicht. Wirnennen euch die Herren, die uns hiehergesandt: Lüdegast und Lüdeger diesuchen heim euer Land. Ihren Zorn habt ihr verdienet: wirvernahmen das 149 Gar wohl, dieHerren tragen euch beide großen Haß.Sie wollen heerfahrten gen Worms an

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den Rhein; Ihnen helfen viel der Degen: laßt euch das zur Warnung sein. "Binnen zwölf Wochen muß ihre Fahrtgeschehn; 150 Habt ihr nunguter Freunde, so laßt es bald ersehn,Die euch befrieden helfen die Burgenund das Land: Hier werden sie verhauen manchen Helm und Schildesrand. "Oder wollt ihr unterhandeln, so machtes offenbar; 151 So reitet euch sonahe nicht gar manche Schar Eurerstarken Feinde zu bitterm Herzeleid,Davon verderben müßen viel der Ritterkühn im Streit." "Nun harrt eine Weile (ich künd euchmeinen Muth), 152 Bis ich michrecht bedachte," sprach der König gut."Hab ich noch Getreue, denen will ichssagen, Diese schwere Botschaft muß ich

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meinen Freunden klagen." Dem mächtigen Gunther war es leidgenug; 153 Den Botensprucher heimlich in seinem Herzen trug. Erhieß berufen Hagen und Andr' in seinemLehn Und hieß auch gar geschwinde zuHof nach Gernoten gehn. Da kamen ihm die Besten, so viel manderen fand. 154 Er sprach: "DieFeinde wollen heimsuchen unser LandMit starken Heerfahrten; das sei euchgeklagt. Es ist gar unverschuldet, daß sieuns haben widersagt." "Dem wehren wir mit Schwertern," sprach da Gernot, 155 "Da sterbennur, die müßen: die laßet liegen todt. Ichwerde nicht vergeßen darum der Ehremein: Unsre Widersacher sollen unswillkommen sein."

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Da sprach von Tronje Hagen: "Das dünktmich nicht gut; 156 Lüdegast undLüdeger sind voll Uebermuth. Wirkönnen uns nicht sammeln in so kurzenTagen," So sprach der kühne Recke: "ihrsollt es Siegfrieden sagen." Da gab man den Boten Herbergen in derStadt. 157 Wie feind sie ihnenwaren, sie gut zu pflegen bat Gunther derreiche, das war wohlgethan, Bis ererprobt an Freunden, wer ihm zu Hülfezög heran. Der König trug im Herzen Sorge dochund Leid. 158 Da sah ihn alsotrauern ein Ritter allbereit, Der nichtwißen konnte, was ihm war geschehn: Dabat er König Gunthern, ihm den Grund zugestehn.

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"Mich nimmt höchlich Wunder," sprachda Siegfried, 159 "Wie die froheWeise so völlig von euch schied, Derenihr so lange mit uns mochtet pflegen." ZurAntwort gab ihm Gunther, dieserzierliche Degen: "Wohl mag ich allen Leuten nicht vondem Leide sagen, 160 Das ich mußverborgen in meinem Herzen tragen:Stäten Freunden klagen soll man desHerzens Noth." Siegfriedens Farbe wardda bleich und wieder roth. Er sprach zu dem Könige: "Was bliebeuch je versagt? 161 Ich will euchwenden helfen das Leid, das ihr klagt.Wollt ihr Freunde suchen, so will icheiner sein Und getrau es zu vollbringen mit Ehren bis ans Ende mein." "Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried, die

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Rede dünkt mich gut; 162 Und kann mirauch nicht helfen eure Kraft und hoherMuth, So freut mich doch die Märe, daßihr so hold mir seid: Leb ich noch eineWeile, ich vergelt es mit der Zeit. Ich will euch hören laßen, was michtraurig macht. 163 Von Botenmeiner Feinde ward mir hinterbracht, MitHeerfahrten kämen sie mich zu suchenhie: Das geschah uns von Degen indiesen Landen noch nie." "Das laßt euch nicht betrüben," sprachda Siegfried, 164 "Sänftet eurGemüthe und thut, wie ich euch rieth:Laßt mich euch erwerben Ehre so wieFrommen, Bevor eure Feinde her zudiesen Landen kommen. "Und hätten dreißigtausend Helfer sichersehn 165 Eure starken

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Feinde, doch wollt ich sie bestehn, Hättich auch selbst nur tausend: verlaßt euchauf mich." Da sprach der König Gunther: "Das verdien ich stäts um dich." "So heißt mir eurer Leute gewinnentausend Mann, 166 Da ich vonden Meinen nicht mehr hier stellen kannAls der Recken zwölfe; so wehr ich euerLand. Immer soll getreulich euch dienenSiegfriedens Hand. "Dazu soll Hagen helfen und auchOrtewein, 167 Dankwart undSindold, die lieben Recken dein. Auchsoll da mit uns reiten Volker der kühneMann: Der soll die Fahne führen: keinenBeßern trefft ihr an. "Und laßt die Boten reiten heim in ihrerHerren Land; 168 Daß sie uns baldda sehen, macht ihnen das bekannt, So

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daß unsre Burgen befriedet mögen sein."Der König hieß besenden Freund undMannen insgemein. Zu Hofe giengen wieder Die Lüdegergesandt; 169 Sie freuten sichder Reise zurück ins Heimatland. Ihnenbot da reiche Gabe Gunther der Königgut Und sicheres Geleite: des waren siewohlgemuth. "Nun sagt," sprach da Gunther, "meinenstarken Feinden an, 170 Ihre Reisebliebe beßer ungethan; Doch wollten siemich suchen hier in meinem Land, Wirzerrännen denn die Freunde, ihnenwerde Noth bekannt." Den Boten reiche Gaben man da zurStelle trug: 171 Deren hatteGunther zu geben genug. Das durftennicht verschmähen Die Lüdeger gesandt.

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Sie baten um Urlaub und räumten fröhlichdas Land. Als die Boten waren gen Dänemarkgekommen, 172 Und derKönig Lüdegast den Bericht vernommen,Was sie am Rhein geredet, als das ihmward gesagt, Seine übermüthge Botschaft ward da bereut und beklagt. Sie sagten ihm, sie hätten manch kühnenMann im Lehn: 173 "Darunter sahman Einen vor König Gunthern stehn, Derwar geheißen Siegfried, ein Held ausNiederland." Leid wars Lüdegasten, als erdie Dinge so befand. Als Die vom Dänenlande hörten dieseMär, 174 Da eilten sie, derHelfer zu gewinnen desto mehr, Bis derKönig Lüdegast zwanzigtausend MannSeiner kühnen Degen zu seiner Heerfahrt

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gewann. Da besandte sich von Sachsen auchKönig Lüdeger, 175 Bis sievierzigtausend hatten und wohl mehr, Diemit ihnen ritten gen Burgundenland. Dahatt auch schon zu Hause der KönigGunther gesandt Zu seinen nächsten Freunden und seinerBrüder Heer, 176 Womit sie fahrenwollten im Kriegszug einher, Und auchmit Hagens Recken: das that den HeldenNoth. Darum musten Degen balderschauen den Tod. Sie schickten sich zur Reise; sie wolltennun hindann. 177 Die Fahne musteführen Volker der kühne Mann, Da siereiten wollten von Worms über Rhein;Hagen von Tronje der musteScharmeister sein.

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Mit ihnen ritt auch Sindold und derkühne Hunold, 178 Die wohlverdienen konnten reicher Könge Gold.Dankwart, Hagens Bruder, und auchOrtewein Die mochten wohl mit Ehren beidem Heerzuge sein. "Herr König," sprach da Siegfried, "bleibet ihr zu Haus: 179 Da mir eureDegen folgen zu dem Strauß, So weilt beiden Frauen und tragt hohen Muth: Ich willeuch wohl behüten die Ehre so wie dasGut. "Die euch heimsuchen wollten zu Wormsan dem Rhein, 180 Will euch davorbewahren, daß sie euch schädlich sei'n:Wir wollen ihnen reiten so nah ins eigneLand, Daß ihnen bald in Sorge derUebermuth wird gewandt."

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Vom Rheine sie durch Hessen mit ihrenHelden ritten 181 Nach demSachsenlande: da wurde bald gestritten.Mit Raub und mit Brande verheerten siedas Land, Daß bald den Fürsten beiden ward Noth und Sorge bekannt. Sie kamen an die Marke; die Knechterückten an. 182 Siegfried derstarke zu fragen da begann: "Wer soll nunder Hüter des Gesindes sein?" Wohlkonnte nie den Sachsen ein Heerzugübler gedeihn. Sie sprachen: "Laßt der Knappen hütenauf den Wegen 183 Dankwart denkühnen, das ist ein schneller Degen: Wirverlieren desto minder durch Die inLüdgers Lehn; Laßt ihn mit Ortweinen hiedie Nachhut versehn." "So will ich selber reiten," sprach

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Siegfried der Degen, 184 "DenFeinden gegenüber der Warte zupflegen, Bis ich recht erkunde, wo dieRecken sind." Da stand bald in den Waffen der schönen Siegelinde Kind. Das Volk befahl er Hagen, als er zoghindann, 185 Ihm undGernoten, diesem kühnen Mann. So ritt erhin alleine in der Sachsen Land, Wo erdie rechte Märe wohl bald mit Ehrenbefand. Er sah ein groß Geschwader, das aufdem Felde zog, 186 Und die Kraftder Seinen gewaltig überwog: Es warenvierzigtausend oder wohl noch mehr.Siegfried in hohem Muthe sah gar fröhlichdas Heer. Da hatte sich ein Recke auch aus derFeinde Schar 187 Erhoben auf die

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Warte, der wohl gewappnet war: Den sahder Degen Siegfried und ihn der kühneMann; Jedweder auf den andern mit Zornzu blicken begann. Ich sag euch, wer der wäre, der hier derWarte pflag; 188 Ein lichter Schildvon Golde ihm vor der Linken lag. Es warder König Lüdegast, der hütete sein Heer.Der edle Fremdling sprengte herrlichwider ihn einher. Nun hatt auch ihn Herr Lüdegast sichfeindlich erkoren: 189 Ihre Rossereizten Beide zur Seite mit den Sporen;Sie neigten auf die Schilde mit aller Machtden Schaft: Da kam der hehre König darob in großer Sorgen Haft. Dem Stich gehorsam trugen die Rossepfeilgeschwind 190 Die Königezusammen, als wehte sie der Wind; Dann

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mit den Zäumen wandten sie ritterlichzurück: Die grimmen Zwei versuchten damit dem Schwerte das Glück. Da schlug der Degen Siegfried, das Felderscholl umher. 191 Aus dem Helmestoben, als obs von Bränden wär, Diefeuerrothen Funken von des HeldenHand; Da stritt mit großen Kräften derkühne Vogt von Niederland. Auch ihm schlug Herr Lüdegast manchgrimmen Schlag; 192 Jedweder aufdem Schilde mit ganzer Stärke lag. Dahatten es wohl dreißig erspäht aus seinerSchar: Eh die ihm Hülfe brachten, derSieg doch Siegfrieden war Mit drei starken Wunden, die er demKönig schlug 193 Durch einenlichten Harnisch; der war doch festgenug. Das Schwert mit seiner Schärfe

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entlockte Wunden Blut; Da gewann KönigLüdegast einen traurigen Muth. Er bat ihn um sein Leben und bot ihm allsein Land 194 Und sagt' ihm, erwäre Lüdegast genannt. Da kamen seineRecken: die hatten wohl gesehn, Was davon ihnen beiden auf der Warte wargeschehn. Er führt' ihn gern von dannen: da warder angerannt 195 Von dreißigseiner Mannen; doch wehrte seine HandSeinen edeln Geisel mit ungestümenSchlägen. Bald that noch größern Schaden dieser zierliche Degen. Die Dreißig zu Tode wehrlich er schlug; 196 Ihrer Einen ließ er leben: der ritt da schnell genug Und brachte hindie Märe von dem, was hier geschehn;Auch konnte man die Wahrheit an seinem

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rothen Helme sehn. Gar leid wars den Recken aus demDänenland, 197 Als ihresHerrn Gefängniss ihnen ward bekannt.Man sagt' es seinem Bruder: der fieng zutoben an In ungestümem Zorne: ihm wargar wehe gethan. Lüdegast der König war hinweggebracht 198 Zu Gunthers Ingesinde von Siegfrieds Uebermacht. Er befahl ihnHagen: der kühne Recke gut, Als ervernahm die Märe, da gewann erfröhlichen Muth. Man gebot den Burgunden: "Die Fahnebindet an." 199 "Wohlauf,"sprach da Siegfried, "hier wird nochmehr gethan Vor Abendzeit, verlier ich Leben nicht und Leib: Das betrübt imSachsenlande noch manches waidliche

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Weib. "Ihr Helden vom Rheine, ihr sollt meinnehmen wahr: 200 Ich kann euchwohl geleiten zu Lüdegers Schar. Da sehtihr Helme hauen von guter Helden Hand:Eh wir uns wieder wenden, wird ihnenSorge bekannt." Zu den Rossen sprangen Gernot und Dieihm unterthan. 201 Die Heerfahnefaßte der kühne Spielmann, Volker derDegen, und ritt der Schar vorauf. Da warauch das Gesinde zum Streite muthig undwohlauf. Sie führten doch der Degen nicht mehrdenn tausend Mann, 202 Darüberzwölf Recken. Zu stieben da begann DerStaub von den Straßen: sie ritten überLand; Man sah von ihnen scheinen manchen schönen Schildesrand.

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Nun waren auch die Sachsen gekommenund ihr Heer 203 Mit Schwerternwohlgewachsen; die Klingen schnittensehr, Das hab ich wohl vernommen, denHelden an der Hand: Da wollten sie dieGäste von Burgen wehren und Land. Der Herren Scharmeister führten dasVolk heran. 204 Da war auchSiegfried kommen mit den zwölf Mann,Die er mit sich führte aus demNiederland. Des Tags sah man im Sturme manche blutige Hand. Sindold und Hunold und auch Gernot 205 Die schlugen in demStreite viel der Helden todt, Eh sie ihrerKühnheit noch selber mochten traun: Dasmusten bald beweinen viel derwaidlichen Fraun.

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Volker und Hagen und auch Ortwein 206 Leschten in dem Streite manches Helmes Schein Mit fließendemBlute, die Kühnen in der Schlacht. VonDankwarten wurden viel große Wundervollbracht. Da versuchten auch die Dänen waidlichihre Hand; 207 Von Stößen lauterschallte mancher Schildesrand Und vonden scharfen Schwertern, womit manWunden schlug. Die streitkühnen Sachsen thaten Schadens auch genug. Als die Burgunden drangen in den Streit, 208 Von ihnen ward gehauen manche Wunde weit: Ueber die Sättelfließen sah man das Blut; So warben umdie Ehre diese Ritter kühn und gut. Man hörte laut erhallen den Helden ander Hand 209 Ihre scharfen

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Waffen, als Die von Niederland IhremHerrn nachdrangen in die dichten Reihn;Die zwölfe kamen ritterlich zugleich mitSiegfried hinein. Deren vom Rheine kam ihnen Niemandnach. 210 Man konnte fließensehen den blutrothen Bach Durch dielichten Helme von Siegfriedens Hand, Eher Lüdegeren vor seinen Heergesellenfand. Dreimal die Kehre hat er nun genommen 211 Bis an des HeeresEnde; da war auch Hagen kommen: Derhalf ihm wohl vollbringen im Kampfeseinen Muth. Da muste bald ersterben vor ihnen mancher Ritter gut. Als der starke Lüdeger Siegfrieden fand, 212 Wie er so erhaben trugin seiner Hand Balmung den guten und da

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so Manchen schlug, Darüber ward derKühne vor Zorn ingrimmig genug. Da gab es stark Gedränge und lautenSchwerterklang, 213 Wo ihrIngesinde auf einander drang. Daversuchten desto heftiger die beidenRecken sich; Die Scharen wichen beide: der Kämpen Haß ward fürchterlich. Dem Vogt vom Sachsenlande war eswohl bekannt, 214 Sein Brudersei gefangen: drum war er zornentbrannt;Nicht wust er, ders vollbrachte, sei derSieglindensohn. Man zeihte des Gernoten; hernach befand er es schon. Da schlug so starke Schläge LüdegersSchwert, 215 Siegfriedenunterm Sattel niedersank das Pferd; Dochbald erhob sichs wieder: der kühneSiegfried auch Gewann jetzt im Sturme

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einen furchtbaren Brauch. Dabei half ihm Hagen wohl und Gernot, 216 Dankwart und Volker: da lagen Viele todt. Sindold und Hunold und Ortwein der Degen Die konnten indem Streite zum Tode Manchenniederlegen. Untrennbar im Kampfe waren dieFürsten hehr. 217 Ueber dieHelme fliegen sah man manchen SperDurch die lichten Schilde von der HeldenHand; Auch ward von Blut geröthet mancher herrliche Rand. In dem starken Sturme sank da mancherMann 218 Von den Rossennieder. Einander rannten an Siegfried derkühne und König Lüdeger; Man sah daSchäfte fliegen und manchen schneidigenSper.

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Der Schildbeschlag des Königs zerstobvor Siegfrieds Hand. 219 Sieg zuerwerben dachte der Held vonNiederland An den kühnen Sachsen; dielitten Ungemach. Hei! was da lichte Panzer der kühne Dankwart zerbrach! Da hatte König Lüdeger auf einem Schilderkannt 220 Eine gemalte Krone vor Siegfriedens Hand: Da sah er wohl, eswäre der kraftreiche Mann. Laut auf zuseinen Freunden der Held zu rufenbegann: "Begebt euch des Streites, ihr all mirunterthan! 221 Den Sohn KönigSiegmunds traf ich hier an, Siegfried denstarken hab ich hier erkannt; Den hat derüble Teufel her zu den Sachsen gefandt." Er gebot die Fahnen zu senken in dem

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Streit. 222 Friedens erbegehrte: der ward ihm nach der Zeit;Doch must er Geisel werden in KönigGunthers Land: Das hatt an ihm erzwungen des kühnen Siegfriedes Hand. Nach allgemeinem Rathe ließ man abvom Streit. 223 Vielzerschlagner Helme und der Schilde weitLegten sie aus Händen; so viel man derenfand, Die waren blutgeröthet von derBurgunden Hand. Sie fiengen, wen sie wollten: sie hattenvolle Macht. 224 Gernot und Hagen, die schnellen, hatten Acht, Daß man dieWunden bahrte; da führten sie hindannGefangen nach dem Rheine der Kühnenfünfhundert Mann. Die sieglosen Recken zum Dänenlanderitten. 225 Da hatten auch die

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Sachsen so tapfer nicht gestritten, Daßman sie loben sollte: das war den Heldenleid. Da beklagten ihre Freunde dieGefallnen in dem Streit. Sie ließen ihre Waffen aufsäumen nachdem Rhein. 226 Es hatte wohlgeworben mit den Gefährten seinSiegfried der starke und hatt es gutvollbracht: Das must ihm zugestehen König Gunthers ganze Macht. Gen Worms sandte Boten der KönigGernot: 227 Daheim inseinem Lande den Freunden er entbot,Wie ihm gelungen wäre und all seinemLehn: Es war da von den Kühnen nachallen Ehren geschehn. Die Botenknaben liefen; so ward esangesagt. 228 Da freuten sichin Liebe, die eben Leid geklagt, Dieser

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frohen Märe, die ihnen war gekommen.Da ward von edlen Frauen großes Fragenvernommen, Wie es den Herrn gelungen wär in desKönigs Heer. 229 Man rief derBoten Einen zu Kriemhilden her. Dasgeschah verstohlen, sie durfte es wohlnicht laut: Denn Einer war darunter, demsie längst ihr Herz vertraut. Als sie in ihre Kammer den Botenkommen sah, 230 Kriemhild dieschöne gar gütlich sprach sie da: "Nunsag mir liebe Märe, so geb ich dir meinGold, Und thust dus ohne Trügen, will ichdir immer bleiben hold. "Wie schied aus dem Streite meinBruder Gernot 231 Und meineandern Freunde? Blieb uns nicht Manchertodt? Wer that da das Beste? das sollst du

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mir sagen" Da sprach der biedre Bote: "Wir hatten nirgend einen Zagen. "Zuvorderst in dem Streite ritt Niemandso wohl, 232 HehreKönigstochter, wenn ich es sagen soll, Alsder edle Fremdling aus dem Niederland:Da wirkte große Wunder des kühnenSiegfriedes Hand. "Was von den Recken allen im Streit dageschehn, 233 Dankwart undHagen und des Königs ganzem Lehn, Wiewehrlich sie auch stritten, das war dochwie ein Wind Nur gegen Siegfrieden, König Siegmundens Kind. "Sie haben in dem Sturme der Heldenviel erschlagen; 234 Doch möchteuch dieser Wunder ein Ende Niemandsagen, Die da Siegfried wirkte, ritt er inden Streit. Den Fraun an ihren Freunden

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that er mächtiges Leid. "Auch muste vor ihm fallen der Friedelmancher Braut. 235 Seine Schlägeschollen auf Helmen also laut, Daß sie ausWunden brachten das fließende Blut: Erist in allen Dingen ein Ritter kühn undauch gut. "Da hat auch viel begangen von MetzHerr Ortewein: 236 Was er nurmocht erlangen mit dem Schwerte sein,Das fiel vor ihm verwundet oder meistenstodt. Da schuf euer Bruder dieallergrößeste Noth, "Die jemals in Stürmen mochte seingeschehn; 237 Man muß demAuserwählten die Wahrheit zugestehn.Die stolzen Burgunden bestanden so dieFahrt, Daß sie vor allen Schanden dieEhre haben bewahrt.

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"Man sah von ihren Händen der Sättelviel geleert, 238 Als so laut dasFeld erhallte von manchem lichtenSchwert. Die Recken vom Rheine dieritten allezeit, Daß ihre Feinde beßer vermieden hätten den Streit. "Auch die kühnen Tronjer schufengroßes Leid, 239 Als mitVolkskräften das Heer sich traf im Streit.Da schlug so Manchen nieder des kühnenHagen Hand, Es wäre viel zu sagen davonin der Burgunden Land. "Sindold und Hunold in Gernotens Heer 240 Und Rumold der kühne schufen so viel Beschwer, König Lüdgermag es beklagen allezeit, Daß er meineHerren am Rhein berief in den Streit. "Kampf, den allerhöchsten, der irgend

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da geschah, 241 Vom Ersten biszum Letzten, den Jemand nur sah, HatSiegfried gefochten mit wehrlicher Hand:Er bringt reiche Geisel her in KönigGunthers Land. "Die zwang mit seinen Kräften derstreitbare Held, 242 Wovon derKönig Lüdegast den Schaden nun behältUnd vom Sachsenlande sein BruderLüdeger. Nun hört meine Märe, viel edleKönigin hehr! "Gefangen hat sie beide SiegfriedensHand: 243 Nie so mancherGeisel kam in dieses Land, Als nun seineKühnheit bringt an den Rhein." Ihrkonnten diese Mären nicht willkommenersein. "Man führt der Gesunden fünfhundertoder mehr 244 Und der zum

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Sterben Wunden, wißt, Königin hehr,Wohl achtzig blutge Bahren her in unserLand: Die hat zumeist verhauen deskühnen Siegfriedes Hand. "Die uns im Uebermuthe widersagtenhier am Rhein, 245 Die müßen nunGefangene König Gunthers sein; Diebringt man mit Freuden her in diesesLand." Ihre lichte Farb erblühte, als ihrdie Märe ward bekannt. Ihr schönes Antlitz wurde vor Freudenrosenroth, 246 Da lebend wargeschieden aus so großer Noth Derwaidliche Recke, Siegfried der jungeMann. Sie war auch froh der Freunde undthat wohl weislich daran. Die Schöne sprach: "Du machtest mirfrohe Mär bekannt: 247 Ich laße dirzum Lohne geben reich Gewand, Und

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zehn Mark von Golde heiß ich dirtragen." Drum mag man solche Botschaft reichen Frauen gerne sagen. Man gab ihm zum Lohne das Gold undauch das Kleid. 248 Da trat an dieFenster manche schöne Maid Undschaute nach der Straße, wo man reitenfand Viel hochherzge Degen in derBurgunden Land. Da kamen die Gesunden, der WundenSchar auch kam: 249 Die mochtengrüßen hören von Freunden ohne Scham.Der Wirth ritt seinen Gästen entgegenhocherfreut: Mit Freuden war beendet allsein mächtiges Leid. Da empfieng er wohl die Seinen, dieFremden auch zugleich, 250 Wie esnicht anders ziemte dem Könige reich,Als denen gütlich danken, die da waren

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kommen, Daß sie den Sieg mit Ehren imSturme hatten genommen. Herr Gunther ließ sich Kunde von seinenFreunden sagen, 251 Wer ihm aufder Reise zu Tode wär erschlagen, Dahatt er nicht verloren mehr als sechzigMann; Die muste man verschmerzen, wieman noch Manchen gethan. Da brachten die Gesunden zerhauenmanchen Rand 252 Und vielzerschlagener Helme in König GunthersLand. Das Volk sprang von den Rossen vor des Königs Saal; Zu liebem Empfange vernahm man fröhlichen Schall. Da gab man Herbergen den Recken inder Stadt. 253 Der König seineGäste wohl zu verpflegen bat; DieWunden ließ er hüten und wartenfleißiglich. Wohl zeigte seine Milde auch

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an seinen Feinden sich. Er sprach zu Lüdegeren: "Nun seid mirwillkommen! 254 Ich bin zugroßem Schaden durch eure Schuldgekommen: Der wird mir nun vergolten, wenn ich das schaffen kann. Gott lohnemeinen Freunden: sie haben wohl an mirgethan." "Wohl mögt ihr ihnen danken," sprachda Lüdeger, 255 "Solche hoheGeisel gewann kein König mehr. Umritterlich Gewahrsam bieten wir großesGut Und bitten, daß ihr gnädiglich aneuern Widersachern thut." "Ich will euch," sprach er, "Beide lediglaßen gehn; 256 Nur daß meineFeinde hier bei mir bestehn, Dafürverlang ich Bürgschaft, damit sie nichtmein Land Räumen ohne Frieden." Darauf

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boten sie die Hand. Man brachte sie zur Ruhe, wo man siewohl verpflag. 257 Und bald aufguten Betten mancher Wunde lag. Manschenkte den Gesunden Meth und gutenWein; Da konnte das Gesinde nicht wohlfröhlicher sein. Die zerhaunen Schilde man zumVerschluße trug; 258Blutgefärbter Sättel sah man da genug.Die ließ man verbergen, so weinten nichtdie Fraun. Da waren reisemüde viel guteRitter zu schaun. Seiner Gäste pflegen hieß der Königwohl; 259 Von Heimischenund Fremden lag das Land ihm voll; Erließ die Fährlichwunden gütlichverpflegen: Wie hart war darnieder nunihr Uebermuth gelegen!

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Die Arzneikunst wusten, denen bot manreichen Sold, 260 Silberungewogen, dazu das lichte Gold, Wennsie die Helden heilten nach des StreitesNoth. Dazu viel große Gaben der Königseinen Gästen bot. Wer wieder heimzureisen sann inseinem Muth, 261 Den bat mannoch zu bleiben, wie man mit Freundenthut. Der König gieng zu Rathe, wie erlohne seinem Lehn: Durch sie war seinWille nach allen Ehren geschehn. Da sprach der König Gernot: "Laßt siejetzt hindann; 262 Ueber sechsWochen, das kündigt ihnen an, Sollten siewiederkehren zu einem Hofgelag: Heil istdann wohl Mancher, der jetzt schwerverwundet lag."

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Da bat auch um Urlaub Siegfried vonNiederland. 263 Als dem KönigGunther sein Wille ward bekannt, Bat erihn gar minniglich, noch bei ihm zubestehn; Wenn nicht um seine Schwester, so wär es nimmer geschehn. Dazu war er zu mächtig, daß man ihmböte Sold, 264 So sehr er esverdiente. Der König war ihm hold Undall seine Freunde, die das mit angesehn,Was da von seinen Händen war im Streitegeschehn. Er dachte noch zu bleiben um dieschöne Maid; 265 Vielleicht,daß er sie sähe. Das geschah auch nachder Zeit: Wohl nach seinem Wunsche ward sie ihm bekannt. Dann ritt er reich anFreuden heim in seines Vaters Land. Der Wirth bat alle Tage des Ritterspiels

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zu pflegen; 266 Das that mit gutemWillen mancher junge Degen. Auch ließer Sitz' errichten vor Worms an demStrand Für Die da kommen sollten in derBurgunden Land. Nun hatt auch in den Tagen, als siesollten kommen, 267 Kriemhild dieschöne die Märe wohl vernommen, Erstell ein Hofgelage mit lieben Freundenan. Da dachten schöne Frauen mitgroßem Fleiße daran, Gewand und Band zu suchen, das siewollten tragen. 268 Ute die reiche vernahm die Märe sagen Von den stolzenRecken, die da sollten kommen: Dawurden aus dem Einschlag viele reicheKleider genommen. Ihrer Kinder halb bereiten ließ sie Rockund Kleid, 269 Womit sich da

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zierten viel Fraun und manche Maid Undviel der jungen Recken ausBurgundenland. Sie ließ auch manchemFremden bereiten herrlich Gewand. * * * * *

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Fünftes Abenteuer. Wie Siegfried Kriemhilden zuerst ersah. Man sah die Helden täglich nun reiten anden Rhein, 270 Die bei demHofgelage gerne wollten sein Und denKönigen zu Liebe kamen in das Land. Mangab ihrer Vielen beides, Ross undGewand. Es war auch das Gestühle allen schonbereit, 271 Den Höchsten undden Besten, so hörten wir Bescheid,Zweiunddreißig Fürsten zu demHofgelag: Da zierten um die Wette sichdie Frauen für den Tag. Gar geschäftig sah man Geiselher dasKind. 272 Die Heimischen undFremden empfieng er holdgesinnt Mit

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Gernot seinem Bruder und beiderMannen da. Wohl grüßten sie die Degen, wie es nach Ehren geschah. Viel goldrother Sättel führten sie insLand, 273 Zierliche Schilde und herrlich Gewand Brachten sie zuRheine bei dem Hofgelag. MancherUngesunde hieng der Freude wiedernach. Die wund zu Bette liegend vordemgelitten Noth, 274 Die durftennun vergeßen, wie bitter sei der Tod; DieSiechen und die Kranken vergaß man zubeklagen. Es freute sich ein Jeder entgegen festlichen Tagen: Wie sie da leben wollten in gastlichemGenuß! 275 Wonnen ohneMaßen, der Freuden Ueberfluß Hattenalle Leute, so viel man immer fand: Da

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hub sich große Wonne über Gunthersganzes Land. An einem Pfingstmorgen sah man siealle gehn 276 Wonniglichgekleidet, viel Degen ausersehn,Fünftausend oder drüber, dem Hofgelagentgegen. Da hub um die Wette sich vielKurzweil allerwegen. Der Wirth hatt im Sinne, was er schonlängst erkannt, 277 Wie von ganzemHerzen der Held von Niederland SeineSchwester liebe, sah er sie gleich nochnie, Der man das Lob der Schönheit vorallen Jungfrauen lieh. Er sprach: "Nun rathet Alle, Freund oderUnterthan, 278 Wie wir dasHofgelage am besten stellen an, Daß manuns nicht schelte darum nach dieser Zeit;Zuletzt doch an den Werken liegt das

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Lob, das man uns beut." Da sprach zu dem Könige von Metz HerrOrtewein: 279 "Soll dießHofgelage mit vollen Ehren sein, So laßteure Gäste die schönen Kinder sehn,Denen so viel Ehren in Burgundenlandgeschehn. "Was wäre Mannes Wonne, was freut' ersich zu schaun, 280 Wenn nichtschöne Mägdelein und herrliche Fraun?Drum laßt eure Schwester vor die Gästegehn." Der Rath war manchem Helden zuhoher Freude geschehn. "Dem will ich gerne folgen," der Königsprach da so. 281 Alle, die'serfuhren, waren darüber froh. Er entbotes Frauen Uten und ihrer Tochter schön,Daß sie mit ihren Maiden hin zu Hofesollten gehn.

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Da ward aus den Schreinen gesucht gutGewand, 282 So viel maneingeschlagen der lichten Kleider fand,Der Borten und der Spangen; des laggenug bereit. Da zierte sich gar minniglich manche waidliche Maid. Mancher junge Recke wünschte heut sosehr, 283 Daß er wohlgefallen möchte den Frauen hehr, Das er dafürnicht nähme ein reiches Königsland: Siesahen die gar gerne, die sie nie zuvorgekannt. Da ließ der reiche König mit seinerSchwester gehn 284 Hundertseiner Recken, zu ihrem Dienst ersehnUnd dem ihrer Mutter, die Schwerter inder Hand: Das war das Hofgesinde in derBurgunden Land.

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Ute die reiche sah man mit ihr kommen, 285 Die hatte schönerFrauen sich zum Geleit genommenHundert oder drüber, geschmückt mitreichem Kleid. Auch folgte Kriemhilden manche waidliche Maid. Aus einer Kemenate sah man sie allegehn: 286 Da muste heftigDrängen von Helden bald geschehn, Diealle harrend standen, ob es möchte sein,Daß sie da fröhlich sähen dieses edleMägdelein. Da kam die Minnigliche, wie dasMorgenroth 287 Tritt austrüben Wolken. Da schied von mancherNoth, Der sie im Herzen hegte, was langewar geschehn. Er sah die Minnigliche nungar herrlich vor sich stehn. Von ihrem Kleide leuchtete mancher

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edle Stein; 288 Ihre rosenrotheFarbe gab wonniglichen Schein. WasJemand wünschen mochte, er muste dochgestehn, Daß er hier auf Erden noch nichtso Schönes gesehn. Wie der lichte Vollmond vor denSternen schwebt, 289 Des Scheinso hell und lauter sich aus den Wolkenhebt, So glänzte sie in Wahrheit vorandern Frauen gut: Das mochte wohlerhöhen den zieren Helden den Muth. Die reichen Kämmerlinge schritten vorihr her; 290 Die hochgemuthenDegen ließen es nicht mehr: Siedrängten, daß sie sähen die minniglicheMaid. Siegfried dem Degen war es liebund wieder leid. Er sann in seinem Sinne: "Wie dacht ichje daran, 291 Daß ich dich minnen

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sollte? das ist ein eitler Wahn; Soll ichdich aber meiden, so wär ich sanftertodt." Er ward von Gedanken oft bleichund oft wieder roth. Da sah man den Sigelindensohn sominniglich da stehn, 292 Als wär erentworfen auf einem Pergamen Vonguten Meisters Händen: gern man ihmzugestand, Daß man nie im Leben soschönen Helden noch fand. Die mit Kriemhilden giengen, diehießen aus den Wegen 293Allenthalben weichen: dem folgtemancher Degen. Die hochgetragnenHerzen freute man sich zu schaun: Mansah in hohen Züchten viel der herrlichenFraun. Da sprach von Burgunden der KönigGernot: 294 "Dem Helden,

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der so gütlich euch seine Dienste bot,Gunther, lieber Bruder, dem bietet hierden Lohn Vor allen diesen Recken: desRathes spricht man mir nicht Hohn. "Heißet Siegfrieden zu meinerSchwester kommen, 295 Daß ihndas Mägdlein grüße: das bringt unsimmer Frommen: Die niemals Reckengrüßte, soll sein mit Grüßen pflegen, Daßwir uns so gewinnen diesen zierlichenDegen." Des Wirthes Freunde giengen dahin, woman ihn fand; 296 Sie sprachen zudem Recken aus dem Niederland: "DerKönig will erlauben, ihr sollt zu Hofegehn, Seine Schwester soll euch grüßen: die Ehre soll euch geschehn." Der Rede ward der Degen in seinemMuth erfreut: 297 Er trug in

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seinem Herzen Freude sonder Leid, Daßer der schönen Ute Tochter sollte sehn. Inminniglichen Züchten empfieng sieSiegfrieden schön. Als sie den Hochgemuthen vor sichstehen sah, 298 Ihre Farbe wardentzündet; die Schöne sagte da:"Willkommen, Herr Siegfried, ein edlerRitter gut." Da ward ihm von dem Gruße gar wohl erhoben der Muth. Er neigte sich ihr minniglich, als er denDank ihr bot. 299 Da zwang sie zueinander sehnender Minne Noth; Mitliebem Blick der Augen sahn einander anDer Held und auch das Mägdelein; dasward verstohlen gethan. Ward da mit sanftem Drucke geliebkostweiße Hand 300 In herzlicherMinne, das ist mir unbekannt. Doch kann

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ich auch nicht glauben, sie hättens nichtgethan. Liebebedürftige Herzen thätenUnrecht daran. Zu des Sommers Zeiten und in des MaienTagen 301 Durft er in seinemHerzen nimmer wieder tragen So vielhoher Wonne, als er da gewann, Da dieihm an der Hand gieng, die der Held zuminnen sann. Da gedachte mancher Recke: "Hei! wärmir so geschehn, 302 Daß ich so beiihr gienge, wie ich ihn gesehn, Oder beiihr läge! das nähm ich willig hin." Esdiente nie ein Recke so gut noch einerKönigin. Aus welchen Königs Landen ein Gastgekommen war, 303 Er nahm imganzen Saale nur dieser beiden wahr. Ihrward erlaubt zu küssen den waidlichen

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Mann: Ihm ward in seinem Leben nie soLiebes gethan. Von Dänemark der König hub an undsprach zur Stund: 304 "Des hohenGrußes willen liegt gar Mancher wund,Wie ich wohl hier gewahre, vonSiegfriedens Hand: Gott laß ihn nimmerwieder kommen in der Dänen Land." Da hieß man allenthalben weichen ausden Wegen 305 Kriemhild derSchönen; manchen kühnen Degen Sahman wohlgezogen mit ihr zur Kirchegehn. Bald ward von ihr geschieden dieser Degen ausersehn. Da gieng sie zu dem Münster und mit ihrviel der Fraun. 306 Da war in solcherZierde die Königin zu schaun, Daß dahoher Wünsche mancher ward verloren;Sie war zur Augenweide viel der Recken

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auserkoren. Kaum erharrte Siegfried, bis schloß derMessgesang; 307 Er mochteseinem Heile des immer sagen Dank, Daßihm so gewogen war, die er im Herzentrug: Auch war er der Schönen nachVerdiensten hold genug. Als sie aus dem Münster nach der Messekam, 308 Lud man wieder zuihr den Helden lobesam. Da begann ihmerst zu danken die minnigliche Maid, Daßer vor allen Recken so kühn gefochten imStreit. "Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried," sprach das schöne Kind, 309 "Daß ihrdas verdientet, daß euch die Recken sindSo hold mit ganzer Treue, wie sie zumalgestehn." Da begann er Frau Kriemhilden minniglich anzusehn.

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"Stäts will ich ihnen dienen," sprachStegfried der Degen, 310 "Und willmein Haupt nicht eher zur Ruheniederlegen, Bis ihr Wunsch geschehen, so lang mein Leben währt: Das thu ich,Frau Kriemhild, daß ihr mir Minnegewährt." Innerhalb zwölf Tagen, so oft es neugetagt, 311 Sah man bei demDegen die wonnigliche Magd, So sie zuHofe durfte vor ihren Freunden gehn. DerDienst war dem Recken aus großer Liebegeschehn. Freude und Wonne und lautenSchwerterschall 312 Vernahmman alle Tage vor König Gunthers Saal,Davor und darinnen von manchemkühnen Mann. Von Ortwein und Hagen wurden Wunder viel gethan.

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Was man zu üben wünschte, dazu sahman bereit 313 In völligemMaße die Degen kühn im Streit. Damachten vor den Gästen die Recken sichbekannt; Es war eine Zierde KönigGunthers ganzem Land. Die lange wund gelegen, wagten sich anden Wind: 314 Sie wolltenkurzweilen mit des Königs Ingesind,Schirmen mit den Schilden und schießenmanchen Schaft. Des halfen ihnen Viele; sie hatten größliche Kraft. Bei dem Hofgelage ließ sie der Wirthverpflegen 315 Mit der bestenSpeise; es durfte sich nicht regen Nur derkleinste Tadel, der Fürsten mag entstehn;Man sah ihn jetzo freundlich hin zu seinenGästen gehn.

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Er sprach: "Ihr guten Recken, bevor ihrreitet hin, 316 So nehmt meineGaben: also fleht mein Sinn, Ich will euchimmer danken; verschmäht nicht meinGut: Es unter euch zu theilen hab ichwilligen Muth." Die vom Dänenlande sprachen gleichzur Hand: 317 "Bevor wirwieder reiten heim in unser Land,Gewährt uns stäten Frieden: das ist unsRecken noth; Uns sind von euern Degen viel der lieben Freunde todt." Genesen von den Wunden war Lüdegastderweil; 318 Der Vogt desSachsenlandes war bald vom Kampfeheil. Etliche Todte ließen sie im Land. Dagieng der König Gunther hin, wo erSiegfrieden fand. Er sprach zu dem Recken: "Nun rath mir,

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wie ich thu. 319 Unsre Gäste wollen reiten morgen fruh Und gehn um stäteSühne mich und die Meinen an: Nun rath,kühner Degen, was dich dünkewohlgethan. "Was mir die Herrn bieten, das will ichdir sagen: 320 Was fünfhundertMähren an Gold mögen tragen, Dasbieten sie mir gerne für ihre Freiheit an."Da sprach aber Siegfried: "Das wär übelgethan. "Ihr sollt sie beide ledig von hinnenlaßen ziehn; 321 Nur daß dieedeln Recken sich hüten fürderhin Vorfeindlichem Reiten her in euer Land, Laßteuch zu Pfande geben der beiden KönigeHand." "Dem Rathe will ich folgen." So giengensie hindann. 322 Seinen

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Widersachern ward es kundgethan, DesGolds begehre Niemand, das sie geboteneh. Daheim den lieben Freunden warnach den heermüden weh. Viel Schilde schatzbeladen trug man daherbei: 323 Das theilt' erungewogen seinen Freunden frei, Anfünfhundert Marken und Manchem wohlnoch mehr; Gernot rieth es Gunthern, dieser Degen kühn und hehr. Um Urlaub baten alle, sie wollten nunhindann. 324 Da kamen dieGäste vor Kriemhild heran Und dahinauch, wo Frau Ute saß, die Königin. Eszogen nie mehr Degen so wohl beurlaubtdahin. Die Herbergen leerten sich, als sie vondannen ritten. 325 Doch verblieb imLande mit herrlichen Sitten Der König mit

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den Seinen und mancher edle Mann: Diegiengen alle Tage zu Frau Kriemhildheran. Da wollt auch Urlaub nehmen Siegfriedder gute Held, 326 Verzweifelnd zuerwerben, worauf sein Sinn gestellt. DerKönig hörte sagen, er wolle nun hindann:Geiselher der junge ihn von der Reisegewann. "Wohin, edler Siegfried, wohin reitetihr? 327 Hört meine Bitte, bleibt bei den Recken hier, Bei Guntherdem König und bei seinem Lehn: Hiersind viel schöne Frauen, die läßt maneuch gerne sehn." Da sprach der starke Siegfried: "So laßtdie Rosse stehn. 328 Von hinnen wolltich reiten, das laß ich mir vergehn. Tragtauch hinweg die Schilde: wohl wollt ich in

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mein Land: Davon hat mich Herr Geiselher mit großen Treuen gewandt." So verblieb der Kühne dem Freund zuLiebe dort. 329 Auch wär ihm inden Landen an keinem andern Ort Sowohl als hier geworden: daher es nungeschah, Daß er alle Tage die schöneKriemhild ersah. Ihrer hohen Schönheit willen der Degenda verblieb. 330 Mit mancherKurzweile man nun die Zeit vertrieb; Nurzwang ihn ihre Minne, die schuf ihmoftmals Noth; Darum hernach der Kühne lag zu großem Jammer todt. * * * * *

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Sechstes Abenteuer. Wie Gunther um Brunhild gen Isenlandfuhr. Wieder neue Märe erhob sich überRhein: 331 Man sagte sich,da wäre manch schönes Mägdelein. Sicheins davon zu werben sann KönigGunthers Muth. Das dauchte seine Recken und die Herren alle gut. Es war eine Königin geseßen über Meer, 332 Ihr zu vergleichen warkeine andre mehr. Schön war sie aus derMaßen, gar groß war ihre Kraft; Sie schoßmit schnellen Degen um ihre Minne denSchaft. Den Stein warf sie ferne, nach dem sieweithin sprang; 333 Wer ihrer Minne

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gehrte, der muste sonder Wank DreiSpiel' ihr abgewinnen, der Frauenwohlgeboren; Gebrach es ihm an Einem, so war das Haupt ihm verloren. Die Königstochter hatte das manchesmalgethan. 334 Das erfuhr amRheine ein Ritter wohlgethan. Der seineSinne wandte auf das schöne Weib. Drummusten bald viel Degen verlieren Lebenund Leib. Als einst mit seinen Leuten saß derKönig hehr, 335 Ward es vonallen Seiten berathen hin und her,Welche ihr Herr sich sollte zum Gemahlerschaun, Die er zum Weibe wollte unddem Land geziemte zur Fraun. Da sprach der Vogt vom Rheine: "Ich willan die See 336 Hin zu Brunhilden, wie es mir ergeh. Um ihre Minne wag ich

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Leben und Leib, Die will ich verlieren, gewinn ich nicht sie zum Weib." "Das möcht ich widerrathen," sprachSiegfried wider ihn: 337 "Sogrimmiger Sitte pflegt die Königin, Umihre Minne werben, das kommt hoch zustehn: Drum mögt ihrs wohl entrathen, aufdiese Reise zu gehn." Da sprach der König Gunther: "Ein Weibward noch nie 338 So stark undkühn geboren, im Streit wollt ich sieLeichtlich überwinden allein mit meinerHand." "Schweigt," sprach da Siegfried, "sie ist euch noch unbekannt. "Und wären eurer viere, die könntennicht gedeihn 339 Vor ihremgrimmen Zorne: drum laßt den Willensein, Das rath ich euch in Treuen: entgehtihr gern dem Tod, So macht um ihre Minne

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euch nicht vergebliche Noth." "Sei sie so stark sie wolle, die Reise mußergehn 340 Hin zu Brunhilden, mag mir was will geschehn. Ihrer hohenSchönheit willen gewagt muß es sein:Vielleicht daß Gott mir füget, daß sie unsfolgt an den Rhein." "So will ich euch rathen," begann daHagen, 341 "Bittet Siegfrieden, mit euch zu tragen Die Last dieser Sorge; das ist der beste Rath, Weil er vonBrunhilden so gute Kunde doch hat." Er sprach: "Viel edler Siegfried, willst dumir Helfer sein 342 Zu werben um dieSchöne? Thu nach der Bitte mein; Undgewinn ich mir zur Trauten das herrlicheWeib, So verwag ich deinetwillen Ehre,Leben und Leib."

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Zur Antwort gab ihm Siegfried, KönigSiegmunds Sohn: 343 "Ich will esthun, versprichst du die Schwester mirzum Lohn, Kriemhild die schöne, eineKönigin hehr: So begehr ich keinesDankes nach meinen Arbeiten mehr." "Das gelob ich," sprach Gunther, "Siegfried, dir an die Hand. 344 Undkommt die schöne Brunhild hieher indieses Land, So will ich dir zum Weibe meine Schwester geben: So magst du mitder Schönen immer in Freuden leben." Des schwuren sich Eide diese Reckenhehr. 345 Da schuf es ihnenbeiden viel Müh und Beschwer, Eh sie dieWohlgethane brachten an den Rhein. Esmusten die Kühnen darum in großenSorgen sein. Von wilden Gezwergen hab ich hören

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sagen, 346 Daß sie in hohlenBergen wohnen und Schirme tragen, Dieheißen Tarnkappen, von wunderbarerArt; Wer sie am Leibe trage, der sei garwohl darin bewahrt Vor Schlägen und vor Stichen; ihn mögauch Niemand sehn, 347 So lang erdrin verweile; hören doch und spähn Mager nach feinem Willen, daß Niemand ihnerschaut; Ihm wachsen auch die Kräfte, wie uns die Märe vertraut. Die Tarnkappe führte Siegfried mithindann, 348 Die der kühneDegen mit Sorgen einst gewann Voneinem Gezwerge mit Namen Alberich. Daschickten sich zur Reise Recken kühn undritterlich. Wenn der starke Siegfried dieTarnkappe trug, 349 So gewann

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er drinnen der Kräfte genug, ZwölfMänner Stärke, so wird uns gesagt. Ererwarb mit großen Listen diese herrlicheMagd. Auch war so beschaffen die Nebelkappegut, 350 Ein Jeder mochtedrinnen thun nach seinem Muth, Was erimmer wollte, daß ihn doch Niemand sah.Damit gewann er Brunhild, durch die ihmbald viel Leid geschah. "Nun sage mir, Siegfried, eh unsre Fahrtgescheh, 351 Wie wir mit vollenEhren kommen über See? Sollen wirRitter führen in Brunhildens Land?Dreißigtausend Degen die werdeneilends besandt." "Wie viel wir Volkes führten," sprachSiegfried wider ihn, 352 "So grimmigerSitte pflegt die Königin, Das müste doch

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ersterben vor ihrem Uebermuth. Ich willeuch beßer rathen, Degen ihr kühn undgut. "In Reckenweise fahren laßt uns zu Thalden Rhein. 353 Die will ich euchnennen, die das sollen sein: Zu uns zweinnoch zweie und Niemand anders mehr,Daß wir die Frau erwerben, was auchgeschehe nachher. "Der Gesellen bin ich einer, du sollst derandre sein, 354 Und Hagen sei derdritte: wir mögen wohl gedeihn; Dervierte das sei Dankwart, dieser kühneMann. Es dürfen Andrer tausend zumStreite nimmer uns nahn." "Die Märe wüst ich gerne," der Königsprach da so, 355 "Eh wir vonhinnen führen, des wär ich herzlich froh,Was wir für Kleider sollten vor Brunhilden

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tragen, Die uns geziemen möchten: Siegfried, das sollst du mir sagen." "Gewand das allerbeste, das man irgendfand, 356 Trägt man zu allenZeiten in Brunhildens Land: Drum laß unsreiche Kleider vor der Frauen tragen,Daß wirs nicht Schande haben, hört mankünftig von uns sagen." Da sprach der gute Degen: "So will ichselber gehn 357 Zu meiner liebenMutter, ob es nicht mag geschehn, Daßihre schönen Mägde uns schaffen solchGewand, Das wir mit Ehren tragen in derhehren Jungfrau Land." Da Sprach von Tronje Hagen mitherrlichen Sitten: 358 "Was wolltihr eure Mutter um solche Dienste bitten?Laßt eure Schwester hören euern Sinnund Muth: Die ist so kunstreich, unsre

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Kleider werden gut." Da entbot er seiner Schwester, erwünsche sie zu sehn 359 Und auchder Degen Siegfried. Eh sie das ließgeschehn, Da hatte sich die Schöne geschmückt mit reichem Kleid. Daß dieHerren kamen, schuf ihr wenig Herzeleid. Da war auch ihr Gesinde geziert nachseinem Stand. 360 Die Fürstenkamen beide; als sie das befand, Erhobsie sich vom Sitze: wie höfisch sie dagieng, Als sie den edeln Fremdling undihren Bruder empfieng! "Willkommen sei mein Bruder und derGeselle sein. 361 Nun möcht ichgerne wissen," Sprach das Mägdelein,"Was euch Herrn geliebe, daß ihr zu Hofekommt: Laßt mich doch hören, was euchedeln Recken frommt."

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Da sprach König Gunther: "Frau, ichwills euch sagen. 362 Wir müßengroße Sorge bei hohem Muthe tragen:Wir wollen werben reiten fern in fremdesLand Und hätten zu der Reise gernezierlich Gewand." "Nun sitzt, lieber Bruder," sprach dasKönigskind, 363 "Und laßt micherst erfahren, Wer die Frauen sind, Dieihr begehrt zu minnen in fremder KöngeLand." Die Auserwählten beide nahm dasMägdlein bei der Hand: Hin gieng sie mit den Beiden, wo siegeseßen war 364 Auf prächtgenRuhebetten, das glaubt mir fürwahr, Miteingewirkten Bildern, in Gold wohlerhaben. Sie mochten bei der Frauen gute Kurzweile haben.

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Freundliche Blicke und gütliches Sehn, 365 Des mochte von denBeiden da wohl viel geschehn. Er trug siein dem Herzen, sie war ihm wie seinLeben. Er erwarb mit großem Dienste, daß sie ihm ward zu Weib gegeben. Da sprach der edle König: "Viel liebeSchwester mein, 366 Ohne deineHülfe kann es nimmer sein. Wir wollenabenteuern in Brunhildens Land; Damüßen wir vor Frauen tragen herrlichGewand." Da sprach die Königstochter: "Viellieber Bruder mein, 367 Kann euchan meiner Hülfe dabei gelegen sein, Sosollt ihr inne werden, ich bin dazu bereit;Versagte sie ein Andrer euch, das wäreKriemhilden leid. "Ihr sollt mich, edler Ritter, nicht in

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Sorgen bitten, 368 Ihr sollt nurgebieten mit herrlichen Sitten: Was euchgefallen möge, dazu bin ich bereit Undthus mit gutem Willen," sprach diewonnigliche Maid. "Wir wollen, liebe Schwester, tragen gutGewand: 369 Das soll bereitenhelfen eure weiße Hand. Laßt eureMägdlein sorgen, daß es uns herrlichsteht, Da man uns diese Reise dochvergebens widerräth." Da begann die Jungfrau: "Nun hört, wasich sage, 370 Wir haben selberSeide: befehlt, daß man uns trage Gesteinauf den Schilden, so schaffen wir dasKleid, Das ihr mit Ehren traget vor derherrlichen Maid." "Wer sind die Gesellen," sprach dieKönigin, 371 "Die mit euch

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gekleidet zu Hofe sollen ziehn?" "Das binich selbvierter; noch Zwei aus meinemLehn, Dankwart und Hagen, sollen mituns zu Hofe gehn. "Nun merkt, liebe Schwester, wohl, waswir euch sagen: 372 Sorgt, daß wirvier Gesellen zu vier Tagen tragen Je derKleider dreierlei und also gut Gewand,Daß wir ohne Schande räumenBrunhildens Land." Das gelobte sie den Recken; die Herrenschieden hin. 373 Da berief derJungfraun Kriemhild die Königin Aus ihrerKemenate dreißig Mägdelein, Die garsinnreich mochten zu solcher Kunstübungsein. In arabische Seide, so weiß als derSchnee, 374 Und guteZazamanker, so grün als der Klee, Legten

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sie Gesteine: das gab ein gut Gewand;Kriemhild die schöne schnitts mit eigenerHand. Von seltner Fische Häuten Bezügewohlgethan, 375 Zu schauenfremd den Leuten, so viel man nurgewann, Bedeckten sie mit Seide: dareinward Gold getragen: Man mochte großeWunder von den lichten Kleidern sagen. Aus dem Land Marocco und auch vonLibya 376 Der allerbestenSeide, die man jemals sah Königskindertragen, der hatten sie genug. Wohl ließsie Kriemhild schauen, wie sie Liebe fürsie trug. Da sie so theure Kleider begehrt zu ihrerFahrt, 377 Hermelinfelle wurdennicht gespart, Darauf von Kohlenschwärze mancher Flecken lag: Das trügen schnelle

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Helden noch gern bei einem Hofgelag. Aus arabischem Golde glänzte mancherStein; 378 Der Frauen Unmuße war nicht zu klein. Sie schufen dieGewände in sieben Wochen Zeit; Da warauch ihr Gewaffen den guten Degenbereit. Als sie gerüstet standen, sah man aufdem Rhein 379 Fleißiglichgezimmert ein starkes Schiffelein, Das sieda tragen sollte hernieder an die See.Den edeln Jungfrauen war von Arbeitenweh. Da sagte man den Recken, es sei für siezur Hand, 380 Das sie tragensollten, das zierliche Gewand. Was sieerbeten hatten, das war nun geschehn;Da wollten sie nicht länger mehr amRheine bestehn.

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Zu den Heergesellen ein Bote wardgesandt, 381 Ob sie schauenwollten ihr neues Gewand, Ob es denHelden wäre zu kurz oder lang. Es warvon rechtem Maße; des sagten sie denFrauen Dank. Vor wen sie immer kamen, die mustenall gestehn, 382 Sie hätten nie aufErden schöner Gewand gesehn. Drummochten sie es gerne da zu Hofe tragen;Von beßerm Ritterstaate wuste Niemandmehr zu sagen. Den edeln Maiden wurde höchlich Dankgesagt. 383 Da baten umUrlaub die Recken unverzagt; Inritterlichen Züchten thaten die Herrendas. Da wurden lichte Augen getrübt vonWeinen und naß.

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Sie sprach: "Viel lieber Bruder, ihrbliebet beßer hier 384 Und würbtandre Frauen: klüger schien' es mir, Woihr nicht wagen müstet Leben und Leib.Ihr fändet in der Nähe wohl ein sohochgeboren Weib." Sie ahnten wohl im Herzen ihr künftigUngemach. 385 Sie musten alleweinen, was da auch Einer sprach. DasGold vor ihren Brüsten ward von Thränenfahl; Die fielen ihnen dichte von denAugen zuthal. Da sprach sie: "Herr Siegfried, laßt euchbefohlen sein 386 Auf Treu und aufGnade den lieben Bruder mein, Daß ihnnichts gefährde in Brunhildens Land." Dasversprach der Kühne Frau Kriemhilden indie Hand. Da sprach der edle Degen: "So lang

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mein Leben währt, 387 So bleibtvon allen Sorgen, Herrin, unbeschwert;Ich bring ihn euch geborgen wieder anden Rhein. Das glaubt bei Leib undLeben." Da dankt' ihm schön dasMägdelein. Die goldrothen Schilde trug man an denStrand 388 Und schaffte zu demSchiffe all ihr Rüstgewand; Ihre Rosse ließman bringen: sie wollten nun hindann.Wie da von schönen Frauen so großesWeinen begann! Da stellte sich ins Fenster manchminnigliches Kind. 389 Das Schiffmit seinem Segel ergriff ein hoher Wind.Die stolzen Heergesellen saßen auf demRhein; Da sprach der König Gunther: "Wer soll nun Schiffmeister sein?" "Das will ich," sprach Siegfried: "ich

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kann euch auf der Flut 390 Wohl vonhinnen führen, das wißt, Helden gut; Dierechten Wasserstraßen sind mir wohlbekannt." So schieden sie mit Freuden aus der Burgunden Land. Eine Ruderstange Siegfried ergriff; 391 Vom Gestade schob er kräftig das Schiff. Gunther der kühne einRuder selber nahm. Da huben sich vomLande die schnellen Ritter lobesam. Sie führten reichlich Speise, dazu gutenWein, 392 Den besten, den siefinden mochten um den Rhein. Ihre Rossestanden still in guter Ruh; Das Schiff giengso eben, kein Ungemach stieß ihnen zu. Ihre starken Segelseile streckte die Luftmit Macht; 393 Sie fuhren zwanzigMeilen, eh niedersank die Nacht, Mitgünstigem Winde nieder nach der See;

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Ihr starkes Arbeiten that noch schönenFrauen weh. An dem zwölften Morgen, wie wir hörensagen, 394 Da hatten sie dieWinde weit hinweggetragen NachIsenstein der Veste in Brunhildens Land,Das ihrer Keinem außer Siegfriedbekannt. Als der König Gunther so viel derBurgen sah 395 Und auch derweiten Marken, wie bald sprach er da:"Nun sagt mir, Freund Siegfried, ist euchdas bekannt? Wem sind diese Burgen und wem das herrliche Land? "Ich hab all mein Leben, das muß ichwohl gestehn, 396 Sowohlgebauter Burgen nie so viel gesehnIrgend in den Landen, als wir hier ersahn;Der sie erbauen konnte, war wohl ein

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mächtiger Mann." Zur Antwort gab ihm Siegfried: "Das istmir wohlbekannt; 397 Brunhilden sindsie, die Burgen wie das Land UndIsenstein die Veste, glaubt mir fürwahr:Da mögt ihr heute schauen schönerFrauen große Schar. "Ich will euch Helden rathen: seid all voneinem Muth 398 Und sprecht ingleichem Sinne, so dünkt es mich gut.Denn wenn wir heute vor Brunhildengehn, So müßen wir in Sorgen vor derKönigstochter stehn. "Wenn wir die Minnigliche bei ihrenLeuten sehn, 399 Sollt ihrerlauchte Helden nur Einer Rede stehn:Gunther sei mein Lehnsherr und ich ihmunterthan; So wird ihm sein Verlangen nach seinem Wunsche gethan."

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Sie waren all willfährig zu thun, wie ersie hieß: 400 In seinemUebermuthe es auch nicht Einer ließ. Siesprachen, wie er wollte; wohl frommt' esihnen da, Als der König Gunther dieschöne Brunhild ersah. "Wohl thu ichs nicht so gerne dir zu lieballein, 401 Als um deineSchwester, das schöne Mägdelein. Die istmir wie die Seele und wie mein eignerLeib; Ich will es gern verdienen, daß siewerde mein Weib." * * * * *

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Siebentes Abenteuer. Wie Gunther Brunhilden gewann. Ihr Schifflein unterdessen war auf demMeer 402 Zur Burg herangefloßen: da sah der König hehr Oben inden Fenstern manche schöne Maid. Daßer sie nicht erkannte, das war in Wahrheitihm leid. Er fragte Siegfrieden, den Gesellen sein: 403 "Hättet ihr wohl Kunde um diese Mägdelein, Die dort herniederschauen nach uns auf die Flut? Wie ihrHerr auch heiße, so tragen sie hohenMuth." Da sprach der kühne Siegfried: "Nunsollt ihr heimlich spähn 404 Nach denJungfrauen und sollt mir dann gestehn,

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Welche ihr nehmen wolltet, wär euch dieWahl verliehn." "Das will ich," sprachGunther, dieser Ritter schnell und kühn. "So schau ich ihrer Eine in jenem Fensteran, 405 Im schneeweißenKleide, die ist so wohlgethan: Die wählenmeine Augen, so schön ist sie von Leib.Wenn ich gebieten dürfte, sie müstewerden mein Weib." "Dir hat recht erkoren deiner AugenSchein: 406 Es ist die edleBrunhild, das schöne Mägdelein, Nachder das Herz dir ringet, der Sinn und auchder Muth." All ihr Gebaren dauchte KönigGunthern gut. Da hieß die Königstochter von denFenstern gehn 407 Dieminniglichen Maide: sie sollten da nichtstehn Zum Anblick für die Fremden; sie

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folgten unverwandt. Was da die Frauenthaten, das ist uns auch wohl bekannt. Sie zierten sich entgegen den unkundenHerrn, 408 Wie es immer thaten schöne Frauen gern. Dann an die engenFenster traten sie heran, Wo sie dieHelden sahen: das ward aus Neugiergethan. Nur ihrer Viere waren, die kamen in dasLand. 409 Siegfried der kühne ein Ross zog auf den Strand. Das sahendurch die Fenster die schönen Frauen an:Große Ehre dauchte sich König Gunthergethan. Er hielt ihm bei dem Zaume das zierlicheRoss, 410 Das war gut undstattlich, stark dazu und groß, Bis derKönig Gunther fest im Sattel saß. Alsodient' ihm Siegfried, was er hernach doch

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ganz vergaß. Dann zog er auch das seine aus demSchiff heran: 411 Er hatte solcheDienste gar selten sonst gethan, Daß eram Steigreif Helden gestanden wär. Dassahen durch die Fenster die schönenFrauen hehr. Es war in gleicher Weise den Heldenallbereit 412 Vonschneeblanker Farbe das Ross und auchdas Kleid, Dem einen wie dem andern, und schön der Schilde Rand: Die warfenhellen Schimmer an der edeln ReckenHand. Ihre Sättel wohlgesteinet, dieBrustriemen schmal: 413 So rittensie herrlich vor Brunhildens Saal; Daranhiengen Schellen von lichtem Golde roth.Sie kamen zu dem Lande, wie ihr

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Hochsinn gebot, Mit Speren neu geschliffen, mitwohlgeschaffnem Schwert, 414 Dasbis auf die Sporen gieng den Heldenwerth. Die Wohlgemuthen führten esscharf genug und breit. Das alles sahBrunhild, diese herrliche Maid. Mit ihnen kam auch Dankwart und seinBruder Hagen: 415 Diese beidetrugen, wie wir hören sagen, Vonrabenschwarzer Farbe reichgewirktesKleid; Neu waren ihre Schilde, gut, dazuauch lang und breit. Von India dem Lande trugen sie Gestein, 416 Das warf an ihremKleide auf und ab den Schein. Sie ließenunbehütet das Schifflein bei der Flut; Soritten nach der Veste diese Helden kühnund gut.

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Sechsundachtzig Thürme sahn sie darinzumal, 417 Drei weite Pfalzen und einen schönen Saal Von edelmMarmelsteine, so grün wie das Gras,Darin die Königstochter mit ihremIngefinde saß. Die Burg war erschloßen und weithinaufgethan, 418 BrunhildesMannen liefen alsbald heran Undempfiengen die Gäste in ihrer HerrinLand. Die Rosse nahm man ihnen und dieSchilde von der Hand. Da sprach der Kämmrer Einer: "Gebtuns euer Schwert 419 Und dielichten Panzer." "Das wird euch nichtgewährt," Sprach Hagen von Tronje, "wirwollens selber tragen." Da begann ihmSiegfried von des Hofs Gebrauch zusagen:

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"In dieser Burg ist Sitte, das will ich euchsagen, 420 Keine Waffen dürfen da die Gäste tragen: Laßt sie von hinnenbringen, das ist wohlgethan." Ihm folgtewider Willen Hagen, König GunthersMann. Man ließ den Gästen schenken undschaffen gute Ruh. 421 Manchenschnellen Recken sah man dem Hofe zuAllenthalben eilen in fürstlichemGewand; Doch wurden nach den Kühnen ringsher die Blicke gesandt. Nun wurden auch Brunhilden gesagt dieMären, 422 Daß unbekannteRecken gekommen wären In herrlichemGewande gefloßen auf der Flut. Dabegann zu fragen diese Jungfrau schönund gut:

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"Ihr sollt mich hören laßen," sprach dasMägdelein, 423 "Wer dieunbekannten Recken mögen sein, Die ichdort stehen sehe in meiner Burg so hehr,Und wem zu Lieb die Helden wohlgefahren sind hieher." Des Gesindes sprach da Einer: "Frau, ichmuß gestehn, 424 Daß ich ihrerKeinen je zuvor gesehn; Doch Einer stehtdarunter, der Siegfrieds Weise hat: Densollt ihr wohl empfangen, das ist inTreuen mein Rath. "Der andre der Gesellen, gar löblichdünkt er mich; 425 Wenn er dieMacht besäße, zum König ziemt' er sichOb weiten Fürstenlanden, sollt er dieversehn. Man sieht ihn bei den Andern sorecht herrlich da stehn. "Der dritte der Gesellen, der hat gar

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herben Sinn, 426 Doch schönenWuchs nicht minder, reiche Königin. DieBlicke sind gewaltig, deren so viel erthut: Er trägt in seinem Sinne, wähn ich,grimmigen Muth. "Der jüngste darunter, gar löblich dünkter mich: 427 Man sieht denreichen Degen so recht minniglich Injungfräulicher Sitte und edler Haltungstehn: Wir müstens alle fürchten, wär ihmein Leid hier geschehn. "So freundlich er gebahre, sowohlgethan sein Leib, 428 Erbrächte doch zum Weinen manchwaidliches Weib, Wenn er zürnen sollte; sein Wuchs ist wohl so gut, Er ist an allenTugenden ein Degen kühn undwohlgemuth." Da sprach die Königstochter: "Nun

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bringt mir mein Gewand: 429 Und istder starke Siegfried gekommen in meinLand Um meiner Minne willen, es gehtihm an den Leib: Ich fürcht ihn nicht soheftig, daß ich würde sein Weib." Brunhild die schöne trug bald erlesenKleid. 430 Auch gab ihr Geleite manche schöne Maid, Wohl hundert oderdrüber, sie all in reicher Zier. Die Gästekam zu schauen manches edle Weib mitihr. Mit ihnen giengen Degen aus Isenland, 431 Brunhildens Recken, die Schwerter in der Hand, Fünfhundertoder drüber; das war den Gästen leid.Aufstanden von den Sitzen die kühnenHelden allbereit. Als die Königstochter Siegfrieden sah, 432 Wohlgezogen sprach sie

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zu dem Gaste da: "Seid willkommen,Siegfried, hier in diesem Land. Was meinteure Reise? das macht mir, bitt ich,bekannt." "Viel Dank muß ich euch sagen, FrauBrunhild, 433 Daß ihr michgeruht zu grüßen, Fürstentochter mild,Vor diesem edeln Recken, der hier vormir steht: Denn der ist mein Lehnsherr; der Ehre Siegfried wohl enträth. "Er ist am Rheine König: was soll ichsagen mehr? 434 Dir nur zu Liebe fuhren wir hierher. Er will dich gerneminnen, was ihm geschehen mag. Nunbedenke dich bei Zeiten: mein Herr läßtnimmermehr nach. "Er ist geheißen Gunther, ein Königreich und hehr. 435 Erwirbt erdeine Minne, nicht mehr ist sein Begehr.

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Deinthalb mit ihm that ich diese Fahrt;Wenn er mein Herr nicht wäre, ich hätt essicher gespart." Sie sprach: "Wenn er dein Herr ist unddu in seinem Lehn, 436 Will er, die ichertheile, meine Spiele dann bestehn Undbleibt darin der Meister, so werd ich seinWeib; Doch ists, daß ich gewinne, es gehteuch allen an den Leib." Da sprach von Tronje Hagen: "So zeiguns, Königin, 437 Was ihr für Spiel'ertheilet. Eh euch den Gewinn Mein HerrGunther ließe, so müst es übel sein: Ermag wohl noch erwerben ein so schönesMägdelein." "Den Stein soll er werfen und springendarnach, 438 Den Sper mit mirschießen: drum sei euch nicht zu jach. Ihrverliert hier mit der Ehre Leben leicht

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und Leib: Drum mögt ihr euch bedenken," sprach das minnigliche Weib. Siegfried der schnelle gieng zu demKönig hin 439 Und bat ihn, freizu reden mit der Königin Ganz nachseinem Willen; angstlos soll er sein: "Ichwill dich wohl behüten vor ihr mit denListen mein." Da sprach der König Gunther: "Königstochter hehr, 440 Ertheiltmir, was ihr wollet, und wär es auch nochmehr, Eurer Schönheit willen bestünd ichAlles gern. Mein Haupt will ich verlieren, gewinnt ihr mich nicht zum Herrn." Als da seine Rede vernahm die Königin, 441 Bat sie, wie ihr ziemte, das Spiel nicht zu verziehn. Sie ließ sichzum Streite bringen ihr Gewand, Einengoldnen Panzer und einen guten

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Schildesrand. Ein seiden Waffenhemde zog sich an dieMaid, 442 Das ihr keine Waffe verletzen konnt im Streit, Von Zeugenwohlgeschaffen aus Libya dem Land:Lichtgewirkte Borten erglänzten rings andem Rand. Derweil hatt ihr Uebermuth den Gästenschwer gedräut. 443 Dankwart undHagen die standen unerfreut. Wie es demHerrn ergienge, sorgte sehr ihr Muth. Siedachten: "Unsre Reise bekommt unsRecken nicht gut." Derweilen gieng Siegfried, der listigeMann, 444 Eh es wer bemerkte, an das Schiff heran, Wo er die Tarnkappe verborgen liegen fand, In die er hurtigschlüpfte: da war er Niemand bekannt.

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Er eilte bald zurücke und fand hierRecken viel: 445 Die Königinertheilte da ihr hohes Spiel. Da gieng erhin verstohlen und daß ihn Niemand sahVon Allen, die da waren, was durchZauber geschah. Es war ein Kreis gezogen, wo das Spielgeschehn 446 Vor kühnenRecken sollte, die es wollten sehn. Wohlsiebenhundert sah man Waffen tragen:Wer das Spiel gewänne, das sollten sienach Wahrheit sagen. Da war gekommen Brunhild, die mangewaffnet fand, 447 Als ob siestreiten wolle um aller Könge Land. Wohltrug sie auf der Seide viel Golddrähtefein; Ihre minnigliche Farbe gab darunterholden Schein. Nun kam ihr Gesinde, das trug herbei

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zuhand 448 Aus allrothemGolde einen Schildesrand Mit hartemStahlbeschlage, mächtig groß und breit,Worunter spielen wollte dieseminnigliche Maid. An einer edeln Borte ward der Schildgetragen, 449 Auf derEdelsteine, grasgrüne, lagen; Dietauschten mannigfaltig Gefunkel mit demGold. Er bedurfte großer Kühnheit, demdie Jungfrau wurde hold. Der Schild war untern Buckeln, so warduns gesagt, 450 Von dreierSpannen Dicke; den trug hernach dieMagd. An Stahl und auch an Golde war erreich genug, Den ihrer Kämmrer Einer mit Mühe selbvierter trug. Als der starke Hagen den Schildhertragen sah, 451 In großem

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Unmuthe sprach der Tronjer da: "Wienun, König Gunther? An Leben gehts undLeib: Die ihr begehrt zu minnen, die istein teuflisches Weib." Hört noch von ihren Kleidern: derenhatte sie genug. 452 VonAzagauger Seide einen Wappenrock sietrug, Der kostbar war und edel: daranwarf hellen Schein Von der Königstochter gar mancher herrliche Stein. Da brachten sie der Frauen mächtig undbreit 453 Einen scharfenWurfspieß; den verschoß sie allezeit,Stark und ungefüge, groß dazu undschwer. An seinen beiden Seiten schnittgar grimmig der Sper. Von des Spießes Schwere höret Wundersagen: 454 Wohl hundertPfund Eisen war dazu verschlagen. Ihn

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trugen mühsam Dreie von BrunhildensHeer: Gunther der edle rang mit Sorgenda schwer. Er dacht in seinem Sinne: "Was soll dassein hier? 455 Der Teufel aus derHölle, wie schützt' er sich vor ihr? War ichmit meinem Leben wieder an dem Rhein,Sie dürfte hier wohl lange meiner Minneledig sein." Er trug in seinen Sorgen, das wißet, Leidgenug. 456 All seine Rüstung man ihm zur Stelle trug. Gewappnet Standder reiche König bald darin. Vor Leidhätte Hagen schier gar verwandelt denSinn. Da sprach Hagens Bruder, der kühneDankwart: 457 "Mich reut inder Seele her zu Hof die Fahrt. Nunhießen wir einst Recken! wie verlieren

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wir den Leib! Soll uns in diesem Lande nun verderben ein Weib? "Des muß mich sehr verdrießen, daß ichkam in dieses Land. 458 Hätte meinBruder Hagen sein Schwert an der HandUnd auch ich das meine, so sollten sachtegehn Mit ihrem Uebermuthe Die inBrunhildens Lehn. Sie sollten sich bescheiden, das glaubetmir nur. 459 Hätt ich den Friedentausendmal bestärkt mit einem Schwur,Bevor ich sterben sähe den lieben Herrenmein, Das Leben müste laßen diesesschöne Mägdelein." "Wir möchten ungefangen wohl räumendieses Land," 460 Sprach seinBruder Hagen, "hätten wir das Gewand,Des wir zum Streit bedürfen, und dieSchwerter gut, So sollte sich wohl sänften

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der schönen Fraue Uebermuth." Wohl hörte, was er sagte, die Frauewohlgethan; 461 Ueber dieAchsel sah sie ihn lächelnd an. "Nun er sokühn sich dünket, so bringt doch ihrGewand, Ihre scharfen Waffen gebt denHelden an die Hand. "Es kümmert mich so wenig, ob siegewaffnet sind, 462 Als ob siebloß da stünden," so sprach dasKönigskind. "Ich fürchte Niemands Stärke, den ich noch je gekannt: Ich mag auchwohl genesen im Streit vor des KönigsHand." Als man die Waffen brachte, wie dieMaid gebot, 463 Dankwart derkühne ward vor Freuden roth. "Nunspielt, was ihr wollet," sprach der Degenwerth, "Gunther ist unbezwungen: wir

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haben wieder unser Schwert." Brunhildens Stärke zeigte sich nichtklein: 464 Man trug ihr zu demKreise einen schweren Stein, Groß undungefüge, rund dabei und breit. Ihntrugen kaum zwölfe dieser Degen kühnim Streit. Den warf sie allerwegen, wie sie denSper verschoß. 465 Darüber wardie Sorge der Burgunden groß. "Wen willder König werben?" sprach da Hagenlaut: "Wär sie in der Hölle doch des übelnTeufels Braut!" An ihre weißen Arme sie die Ärmelwand, 466 Sie schickte sichund faßte den Schild an die Hand, Sieschwang den Spieß zur Höhe: das war desKampfe Beginn. Gunther und Siegfriedbangten vor Brunhildens grimmem Sinn.

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Und wär ihm da Siegfried zu Hülfe nichtgekommen, 467 So hätte sie demKönig das Leben wohl benommen. Er trathinzu verstohlen und rührte seine Hand;Gunther seine Künste mit großen Sorgenbefand. "Wer wars, der mich berührte?" dachteder kühne Mann, 468 Und wie er umsich blickte, da traf er Niemand an. Ersprach: "Ich bin es, Siegfried, der Geselledein: Du sollst ganz ohne Sorge vor derKönigin sein." (Er sprach:) "Gieb aus den Händen denSchild, laß mich ihn tragen 469 Und behaltim Sinne, was du mich hörest sagen: Duhabe die Gebärde, ich will das Werkbegehn." Als er ihn erkannte, da war ihmLiebes geschehn.

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"Verhehl auch meine Künste, das ist unsbeiden gut: 470 So mag dieKönigstochter den hohen UebermuthNicht an dir vollbringen, wie siegesonnen ist: Nun sieh doch, welcherKühnheit sie wider dich sich vermißt." Da schoß mit ganzen Kräften dieherrliche Maid 471 Den Spernach einem neuen Schild, mächtig undbreit; Den trug an der Linken SieglindensKind. Das Feuer sprang vom Stahle, alsob es wehte der Wind. Des starken Spießes Schneide denSchild ganz durchdrang, 472 Daß dasFeuer lohend aus den Ringen sprang.Von dem Schuße fielen die kraftvollenDegen: War nicht die Tarnkappe, siewären beide da erlegen. Siegfried dem kühnen vom Munde

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brach das Blut. 473 Bald spranger auf die Füße: da nahm der Degen gutDen Sper, den sie geschoßen ihm hattedurch den Rand: Den warf ihr jetzt zurücke Siegfried mit kraftvoller Hand. Er dacht: "Ich will nicht schießen dasMägdlein wonniglich." 474 Des SpießesSchneide kehrt' er hinter den Rückensich; Mit der Sperstange schoß er auf ihrGewand, Daß es laut erhallte von seinerkraftreichen Hand. Das Feuer stob vom Panzer, als trieb' esder Wind. 475 Es hatte wohlgeschoßen der Sieglinde Kind: Sievermochte mit den Kräften dem Schußenicht zu stehn; Das war von KönigGunthern in Wahrheit nimmer geschehn. Brunhild die schöne bald auf die Füßesprang: 476 "Gunther, edler

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Ritter, des Schußes habe Dank!" Siewähnt', er hätt es selber mit seiner Kraftgethan Nein, zu Boden warf sie ein vielstärkerer Mann. Da gieng sie hin geschwinde, zornig warihr Muth, 477 Den Stein hocherhub sie, die edle Jungfrau gut; Sieschwang ihn mit Kräften weithin von derHand, Dann sprang sie nach dem Wurfe, daß laut erklang ihr Gewand. Der Stein fiel zu Boden von ihr zwölfKlafter weit: 478 Den Wurfüberholte im Sprung die edle Maid. Hingieng der schnelle Siegfried, wo derStein nun lag: Gunther must ihn wägen, des Wurfs der Verholne pflag. Siegfried war kräftig, kühn und auchlang; 479 Den Stein warf erferner, dazu er weiter sprang. Ein großes

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Wunder war es und künstlich genug, Daßer in dem Sprunge den König Gunthernoch trug. Der Sprung war ergangen, am Bodenlag der Stein: 480 Gunther wars,der Degen, den man sah allein. Brunhilddie schöne ward vor Zorne roth;Gewendet hatte Siegfried dem KönigGunther den Tod. Zu ihrem Ingesinde sprach die Königinda, 481 Als sie gesund denHelden an des Kreises Ende sah: "Ihr,meine Freund und Mannen, tretet gleichheran: Ihr sollt dem König Gunther allewerden unterthan." Da legten die Kühnen die Waffen vonder Hand 482 Und boten sichzu Füßen von Burgundenland Guntherdem reichen, so mancher kühne Mann:

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Sie wähnten, die Spiele hätt er mit eignerKraft gethan. Er grüßte sie gar minniglich; wohl truger höfschen Sinn. 483 Da nahm ihn beider Rechten die schöne Königin: Sieerlaubt' ihm, zu gebieten in ihrem ganzenLand. Des freute sich da Hagen, derDegen kühn und gewandt. Sie bat den edeln Ritter mit ihr zurück zugehn 484 Zu dem weiten Saale, wo mancher Mann zu sehn, Und mans ausFurcht dem Degen nun desto beßer bot.Siegfrieds Kräfte hatten sie erledigt allerNoth. Siegfried der schnelle war wohl schlaugenug, 485 Daß er dieTarnkappe aufzubewahren trug. Danngieng er zu dem Saale, wo manche Frauesaß: Er sprach zu dem König, gar

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listiglich that er das: "Was säumt ihr, Herr König, und beginntdie Spiele nicht, 486 Die euchaufzugeben die Königin verspricht? Laßtuns doch bald erschauen, wie es damitbestellt." Als wüst er nichts von allem, sothat der listige Held. Da sprach die Königstochter: "Wiekonnte das geschehn, 487 Daß ihrnicht die Spiele, Herr Siegfried, habtgesehn, Worin hier Sieg errungen hat König Gunthers Hand?" Zur Antwort gabihr Hagen aus der Burgunden Land: Er sprach: "Da habt ihr, Königin, unsbetrübt den Muth: 488 Da war beidem Schiffe Siegfried der Degen gut, Alsder Vogt vom Rheine das Spiel euchabgewann; Drum ist es ihm unkundig," sprach da Gunthers Unterthan,

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"Nun wohl mir dieser Märe," sprachSiegfried der Held, 489 "Daß hiereure Hochfahrt also ward gefällt, UndJemand lebt, der euer Meister möge sein.Nun sollt ihr, edle Jungfrau, uns hinnenfolgen an den Rhein." Da sprach die Wohlgethane: "Das magnoch nicht geschehn. 490 Erst frag ichmeine Vettern und Die in meinem Lehn.Ich darf ja nicht so leichthin räumen dießmein Land: Meine höchsten Freunde diewerden erst noch besandt." Da ließ sie ihre Boten nach allen Seitengehn: 491 Sie besandte ihreFreunde und Die in ihrem Lehn, Daß siezum Isensteine kämen unverwandt;Einem jeden ließ sie geben reiches,herrliches Gewand.

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Da ritten alle Tage Beides, spat und fruh, 492 Der Veste Brunhildens die Recken scharweis zu. "Nun ja doch,"sprach da Hagen, "was haben wir gethan!Wir erwarten uns zum Schaden hier DieBrunhild unterthan." "Wenn sie mit ihren Kräften kommen indieß Land, 493 Der KöniginGedanken die sind uns unbekannt: Wie,wenn sie uns zürnte? so wären wirverloren, Und wär das edle Mägdlein uns zu großen Sorgen geboren!" Da sprach der starke Siegfried: "Demwill ich widerstehn. 494 Was euch daSorge schaffet, das laß ich nichtgeschehn. Ich will euch Hülfe bringen herin dieses Land Durch auserwählte Degen: die sind euch noch unbekannt. "Ihr sollt nach mir nicht fragen, ich will

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von hinnen fahren; 495 Gott möge eureEhre derweil wohl bewahren. Ich kommebald zurücke und bring euch tausendMann Der allerbesten Degen, derenJemand Kunde gewann." "So bleibt nur nicht zu lange," der Königsprach da so, 496 "Wir sind eurerHülfe nicht unbillig froh." Er sprach: "Ichkomme wieder gewiss in wenig Tagen.Ihr hättet mich versendet, sollt ihr derKönigin sagen." * * * * *

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Achtes Abenteuer. Wie Siegfried nach den Nibelungen fuhr. Von dannen gieng da Siegfried zumHafen an den Strand 497 In seinerTarnkappe, wo er ein Schifflein fand.Darin stand verborgen König SiegmundsKind: Er führt' es bald von dannen, als obes wehte der Wind. Den Steuermann sah Niemand, wieschnell das Schifflein floß 498 VonSiegfriedens Kräften, die waren alsogroß. Da wähnten sie, es trieb es eineigner starker Wind: Nein, es führt' esSiegfried, der schönen Sieglinde Kind. Nach des Tags Verlaufe und in der einenNacht 499 Kam er zu einemLande von gewaltger Macht: Es war wohl

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hundert Rasten und noch darüber lang,Das Land der Nibelungen, wo er dengroßen Schatz errang. Der Held fuhr alleine nach einemWerder breit: 500 Sein Schiffband er feste, der Ritter allbereit. Er fandauf einem Berge eine Burg gelegen Undsuchte Herberge, wie die Wegemüdenpflegen. Da kam er vor die Pforte, die ihmverschloßen stand: 501 Siebewachten ihre Ehre, wie Sitte noch imLand. Ans Thor begann zu klopfen derunbekannte Mann: Das wurde wohlbehütet; da traf er innerhalben an Einen Ungefügen, der da der Wachepflag, 502 Bei dem zu allenZeiten sein Gewaffen lag. Der sprach:"Wer pocht so heftig da draußen an das

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Thor?" Da wandelte die Stimme derkühne Siegfried davor Und sprach: "Ich bin ein Recke: thut mirauf alsbald, 503 Sonst erzürn ichEtlichen hier außen mit Gewalt, Der gernin Ruhe läge und hätte sein Gemach." Dasverdroß den Pförtner, als da Siegfriedalso sprach. Der kühne Riese hatte die Rüstungangethan, 504 Den Helm aufsHaupt gehoben, der gewaltge Mann: DenSchild alsbald ergriffen und schwang nunauf das Thor. Wie lief er Siegfrieden da sogrimmig an davor! Wie er zu wecken wage so manchenkühnen Mann? 505 Da wurdenschnelle Schläge von seiner Hand gethan.Der edle Fremdling schirmte sich vormanchem Schlag; Da hieb ihm der Pförtner

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in Stücke seines Schilds Beschlag Mit einer Eisenstange: so litt der DegenNoth. 506 Schier begann zufürchten der Held den grimmen Tod, Alsder Thürhüter so mächtig auf ihn schlug.Dafür war ihm gewogen sein HerreSiegfried genug. Sie stritten so gewaltig, die Burg gabWiderhall: 507 Man hörte fern dasTosen in König Niblungs Saal. Dochzwang er den Pförtner zuletzt, daß er ihnband; Kund ward diese Märe in allemNibelungenland. Das Streiten hatte ferne gehört durchden Berg 508 Alberich derkühne, ein wildes Gezwerg. Er waffnetesich balde und lief hin, wo er fand Diesenedeln Fremdling, als er den Riesen ebenband.

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Alberich war muthig, dazu auch starkgenug. 509 Helm undPanzerringe er am Leibe trug Und eineschwere Geisel von Gold an seiner Hand.Da lief er hin geschwinde, wo erSiegfrieden fand. Sieben schwere Knöpfe hiengen vorndaran, 510 Womit er vor derLinken den Schild dem kühnen Mann Sobitterlich zergerbte, in Splitter gieng erfast. In Sorgen um sein Leben gerieth derherrliche Gast. Den Schild er ganz zerbrochen seinerHand entschwang: 511 Da stieß er indie Scheide eine Waffe, die war lang.Seinen Kammerwärter wollt er nichtschlagen todt: Er schonte seiner Leute, wie ihm die Treue gebot.

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Mit den starken Händen Albrichen lief eran, 512 Und erfaßte bei demBarte den altgreisen Mann. Den zuckt' erungefüge: der Zwerg schrie auf vorSchmerz. Des jungen Helden Züchtigung gieng Alberichen ans Herz. Laut rief der Kühne: "Nun laßt mir dasLeben: 513 Und hätt ich einemHelden mich nicht schon ergeben, Demich schwören muste, ich war ihmunterthan, Ich dient euch, bis ich stürbe," so sprach der listige Mann. Er band auch Alberichen wie den Rieseneh: 514 Siegfriedens Kräfte thaten ihm gar weh. Der Zwerg begann zufragen: "Wie seid ihr genannt?" Ersprach: "Ich heiße Siegfried: ich wähnt,ich wär euch bekannt." "So wohl mir diese Kunde," sprach da

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Alberich, 515 "An euernHeldenwerken spürt ich nun sicherlich,Daß ihrs wohl verdientet, des LandesHerr zu sein. Ich thu, was ihr gebietet, laßt ihr nur mich gedeihn." Da sprach der Degen Siegfried: "Somacht euch auf geschwind 516 Undbringt mir her der Besten, die in derVeste sind, Tausend Nibelungen; die willich vor mir sehn. So laß ich euch keinLeides an euerm Leben geschehn." Albrichen und den Riesen löst' er vondem Band. 517 Hin lief derZwerg geschwinde, wo er die Reckenfand. Sorglich erweckt' er Die in NiblungsLehn Und sprach: "Wohlauf, ihr Helden, ihr sollt zu Siegfrieden gehn." Sie sprangen von den Betten und warengleich bereit: 518 Tausend schnelle

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Ritter standen im Eisenkleid. Er brachtesie zur Stelle, wo er Siegfried fand: Dergrüßte schön die Degen und gabManchem die Hand. Viel Kerzen ließ man zünden; manschenkt' ihm lautern Trank. 519 Daß sieso bald gekommen, des sagt' er AllenDank. Er sprach: "Ihr sollt von hinnen mirfolgen über Flut." Dazu fand er willig diese Helden kühn und gut. Wohl dreißig hundert Recken kamenungezählt: 520 Von denenwurden tausend der besten auserwählt,Man brachte ihre Helme und anderRüstgewand, Da er sie führen wollte hinzu Brunhildens Land. Er sprach: "Ihr guten Ritter, Eins laßteuch sagen: 521 Ihr sollt reicheKleider dort am Hofe tragen, Denn uns

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wird da schauen manch minniglichesWeib: Darum sollt ihr zieren mit gutenKleidern den Leib." Nun möchten mich die Thoren vielleichtder Lüge zeihn: 522 Wie konnten soviel Ritter wohl beisammen sein? Wonähmen sie die Speise? Wo nähmen sieGewand? Und besäß er dreißig Lande, erbrächt es nimmer zu Stand. Ihr habt doch wol vernommen, Siegfriedwar gar reich. 523 Sein war derNibelungenhort, dazu das Königreich.Drum gab er seinen Degen völliglichgenug; Es ward ja doch nicht minder, wieviel man von dem Schatze trug. Eines frühen Morgens begannen sie dieFahrt: 524 Was schnellerMannen hatte da Siegfried sich geschart!Sie führten gute Rosse und herrlich

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Gewand: Sie kamen stolz gezogen hin zuBrunhildens Land. Da stand in den Zinnen manchminnigliches Kind. 525 Dasprach die Königstochter: "Weiß Jemand,wer die sind, Die ich dort fließen sehe sofern auf der See? Sie führen reiche Segel, die sind noch weißer als der Schnee." Da sprach der Vogt vom Rheine: "Es istmein Heergeleit, 526 Das ich auf derReise verließ von hier nicht weit: Ichhabe sie besendet: nun sind sie, Frau,gekommen." Der herrlichen Gäste wardmit Züchten wahrgenommen. Da sah man Siegfrieden im Schiffe stehnvoran 527 In herrlichemGewande mit manchem andern Mann. Dasprach die Königstochter: "Herr König,wollt mir sagen: Soll ich die Gäste grüßen

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oder ihnen Gruß versagen?" Er sprach: "Ihr sollt entgegen ihnen vorden Pallas gehn, 528 Ob ihr sie gernesehet, daß sie das wohl verstehn." Da thatdie Königstochter, wie ihr der Königrieth; Siegfrieden mit dem Gruße sie vonden Andern unterschied. Herberge gab man ihnen und wahrt' ihrGewand. 529 Da waren so vielGäste gekommen in das Land, Daß siesich allenthalben drängten mit denScharen: Da wollten heim die Kühnen zuden Burgunden fahren. Da sprach die Königstochter: "Demblieb ich immer hold, 530 Der zuvertheilen wüste mein Silber und meinGold Meinen Gästen und des Königs, desich so viel gewann." Zur Antwort gab ihrDankwart, des kühnen Geiselher Mann:

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"Viel edle Königstochter, laßt mich derSchlüßel pflegen; 531 Ich will es sovertheilen," sprach der kühne Degen,"Wenn ich mir Schand erwerbe, die treffemich allein." Daß er milde wäre, dasleuchtete da wohl ein. Als sich Hagens Bruder der Schlüßelunterwand, 532 So manchereiche Gabe bot des Helden Hand: WerEiner Mark begehrte, dem ward so vielgegeben, Daß die Armen alle da inFreuden mochten leben. Wohl mit hundert Pfunden gab er ohneWahl. 533 Da gieng inreichem Kleide Mancher aus dem Saal,Der nie zuvor im Leben so hehr Gewandnoch trug. Die Königin erfuhr es: da wares ihr leid genug.

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Sie sprach zu dem König: "Des hätt ichgerne Rath, 534 Daß nichts mir sollverbleiben von meinem Kleiderstaat Voreuerm Kämmerlinge: er verschwendet allmein Gold. Wer dem noch widerstände, dem wollt ich immer bleiben hold. "Er giebt so reiche Gaben: der Degenwähnet eben, 535 Ich habe nachdem Tode gesandt: ich will noch lebenUnd kann wol selbst verschwenden meines Vaters Gut." Nie hatt einer Königin Kämmerer so milden Muth. Da sprach von Tronje Hagen: "Frau,euch sei bekannt: 536 Der Königvom Rheine hat Gold und Gewand Zugeben solche Fülle, daß es nicht Noth ihmthut, Von hier hinweg zu führen einenTheil von Brunhilds Gut." "Nein, wenn ihr mich liebet," sprach sie

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zu den Herrn, 537 "ZwanzigReiseschreine füllt ich mir gern Mit Goldund mit Seide: das soll meine HandVertheilen, so wir kommen heim in derBurgunden Land." Da lud man ihr die Kisten mit edelmGestein. 538 Der FrauenKämmerlinge musten zugegen sein: Siewollt es nicht vertrauen GeiselhersUnterthan. Gunther und Hagen darob zulachen begann. Da sprach die Königstochter: "Wem laßich nun mein Land? 539 Das soll hiererst bestimmen mein und eure Hand." Dasprach der edle König: "So rufet wenherbei, Der euch dazu gefalle, daß erzum Vogt geordnet sei." Ihrer nächsten Freunde Einen dieJungfrau bei sich sah; 540 Es war ihr

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Mutterbruder, zu dem begann sie da:"Nun laßt euch sein befohlen die Burgenund das Land, Bis seine Amtleute derKönig Gunther gesandt." Aus dem Gesinde wählte sie zweitausend Mann, 541 Die mitihr fahren sollten gen Burgund hindannMit jenen tausend Recken ausNibelungenland. Sie schickten sich zurReise: man sah sie reiten nach demStrand. Sie führte mit von dannen sechsundachtzig Fraun, 542 Dazuwol hundert Mägdelein, die waren schönzu schaun. Sie säumten sich nicht länger, sie eilten nun hindann: Die sie zu Hauseließen, wie Manche hub zu weinen an! In höfischen Züchten räumte die Frau ihrLand, 543 Die nächsten Freunde

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küssend, die sie bei sich fand. Mit gutemUrlaube kamen sie aufs Meer; IhresVaters Lande sah die Jungfraunimmermehr. Auf ihrer Fahrt ertönte vielfachesFreudenspiel; 544 AllerKurzweile hatten sie da viel. Auch hobsich zu der Reise der rechte Wasserwind.Sie fuhren ab vom Lande: das beweintemancher Mutter Kind. Doch wollte sie den König nicht minnenauf der Fahrt: 545 Ihre Kurzweilwurde bis in sein Haus gespart Zu Wormsin der Veste zu einem Hofgelag, Dahinmit ihren Helden sie fröhlich kamenhernach. * * * * *

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Neuntes Abenteuer. Wie Siegfried nach Worms gesandt wird. Da sie gefahren waren voll neun Tage, 546 Da sprach von TronjeHagen: "Nun hört, was ich sage. Wirsäumen mit der Kunde nach Worms anden Rhein: Nun sollten eure Boten schonbei den Burgunden sein." Da sprach König Gunther: "Ihr redetrecht daran; 547 Auch hätt unswohl Niemand die Fahrt so gern gethanAls ihr selbst, Freund Hagen: nun reitet inmein Land, Unsre Hofreise machtNiemand beßer da bekannt." "Nun wißt, lieber Herre, ich bin keinBote gut: 548 Laßt mich derKammer pflegen und bleiben auf der Flut.

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Ich will hier bei den Frauen behüten ihrGewand, Bis daß wir sie bringen in derBurgunden Land. "Nein, bittet Siegfrieden um dieBotschaft dahin: 549 Der mag siewohl verrichten mit zuchtreichem Sinn.Versagt er euch die Reise, ihr sollt mitguten Sitten Bei eurer Schwester Liebe um die Fahrt ihn freundlich bitten." Er sandte nach dem Recken: der kam,als man ihn fand. 550 Er sprach zuihm: "Wir nahen uns schon meinem Land;Da sollt ich Boten senden der liebenSchwester mein Und auch meiner Mutter, daß wir kommen an den Rhein. "So bitt ich euch, Herr Siegfried, daß ihrdie Reise thut, 551 Ich wills euchimmer danken," so sprach der Degen gut.Da weigerte sich Siegfried, dieser kühne

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Mann, Bis ihn König Gunther sehr zuflehen begann. Er sprach: "Ihr sollt reiten um den Willenmein, 552 Dazu auch umKriemhild, das schöne Mägdelein, Daß esmit mir vergelte die herrliche Maid." AlsSiegfried das hörte, da war der Reckebald bereit. "Entbietet, was ihr wollet, es sollgemeldet sein: 553 Ich will es gernbestellen um das schöne Mägdelein. Dieich im Herzen trage, verzichtet' ich aufdie? Leisten will ich Alles, was ihrgebietet, um sie." "So sagt meiner Mutter, Ute der Königin, 554 Daß ich auf dieser Reise hohes Muthes bin. Wie wir geworbenhaben, sagt meinen Brüdern an; Auchunsern Freunden werde diese Märe kund

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gethan. Ihr sollt auch nichts verschweigen derschönen Schwester mein, 555 Ich woll ihrmit Brunhild stäts zu Diensten sein; Sosagt auch dem Gesinde und wer mirunterthan, Was je mein Herz sichwünschte, daß ich das Alles gewann. "Und saget Ortweinen, dem liebenNeffen mein, 556 Daß erGestühl errichten laße bei dem Rhein;Den Mannen auch und Freunden sei eskund gethan, Ich stelle mit Brunhilden eine große Hochzeit an. "Und bittet meine Schwester, werd ihrdas bekannt, 557 Daß ich mitmeinen Gästen gekommen sei ins Land,Daß sie dann wohl empfange die liebeTraute mein: So woll ich Kriemhilden stätszu Dienst erbötig sein."

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Da bat bei Brunhilden und ihremIngesind 558 Alsbald um denUrlaub Siegfried, Sigmunds Kind, Wie esihm geziemte: da ritt er an den Rhein. Eskönnt in allen Landen ein beßrer Botenicht sein. Mit vierundzwanzig Recken zu Wormskam er an; 559 Ohne den Königkam er, das wurde kund gethan. Damühten all die Degen in Jammer sich undNoth, Besorgt, daß dort der König gefunden habe den Tod. Sie stiegen von den Rossen und trugenhohen Muth; 560 Da kam alsbaldHerr Geiselher, der junge König gut, UndGernot, sein Bruder, wie hurtig sprach erda, Als er den König Gunther nicht beiSiegfrieden sah:

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"Willkommen, Herr Siegfried, ich bitte,sagt mir an: 561 Wo habt ihrmeinen Bruder, den König, hingethan?Brunhildens Stärke hat ihn uns wolbenommen; So wär uns sehr zu Schaden ihre hohe Minne gekommen." "Die Sorge laßt fahren: euch und denFreunden sein 562 Entbietet seineDienste der Heergeselle mein. Ichverließ ihn wohlgeborgen: er hat micheuch gesandt, Daß ich sein Bote würde, mit Mären her in euer Land. "Nun helft mir es fügen, wie es auchgescheh, 563 Daß ich dieKönigin Ute und eure Schwester seh; Diesoll ich hören laßen, was ihr zu wißen thutGunther und Frau Brunhild; um sie beidesteht es gut." Da sprach der junge Geiselher: "So

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sprecht bei ihnen an; 564 Da habt ihrmeiner Schwester einen Liebesdienstgethan. Sie trägt noch große Sorge umden Bruder mein: Die Maid sieht euchgerne: dafür will ich euch Bürge sein." Da sprach der Degen Siegfried: "Wo ichihr dienen kann, 565 Das soll immertreulich und willig sein gethan. Wer sagtnun, daß ich komme, den beiden Frauenan?" Da warb die Botschaft Geiselher, dieser waidliche Mann. Geiselher der junge sprach zu derMutter da 566 Und auch zuseiner Schwester, als er die beiden sah:"Uns ist gekommen Siegfried, der Heldaus Niederland; Ihn hat mein BruderGunther her zum Rheine gesandt. "Er bringt uns die Kunde, wie's um denKönig steht; 567 Nun sollt ihr ihm

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erlauben, daß er zu Hofe geht: Er bringtdie rechten Mären uns her von Isenland."Noch war den edeln Frauen große Sorgenicht gewandt. Sie sprangen nach dem Staate undkleideten sich drein 568 Und ludenSiegfrieden nach Hof zu kommen ein. Dasthat der Degen williglich, weil er siegerne sah. Kriemhild die edle sprach zuihm in Güte da: "Willkommen, Herr Siegfried, ein Ritterohne Gleich. 569 Wo blieb meinBruder Gunther, der edle König reich?Durch Brunhilds Stärke, fürcht' ich, gienger uns verloren: O weh mir armenMägdelein, daß ich je ward geboren!" Da sprach der kühne Ritter: "Nun gebtmir Botenbrot, 570 Ihr zwei schönenFrauen weinet ohne Noth. Ich verließ ihn

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wohlgeborgen, das thu ich euch bekannt:Sie haben mich euch beiden mit der Märehergesandt. "Mit freundlicher Liebe, viel edle Herrinmein, 571 Entbeut euch seineDienste er und die Traute sein. Nun laßteuer Weinen: sie wollen balde kommen."Sie hatte lange Tage so liebe Märe nichtvernommen. Mit schneeweißem Kleide aus Augenwohlgethan 572 Wischte sie dieThränen; zu danken hub sie an Dem Botendieser Märe, die ihr war gekommen. Ihrwar die große Trauer und auch ihrWeinen benommen. Sie hieß den Boten sitzen: des war ergern bereit. 573 Da sprach dieMinnigliche: "Es wäre mir nicht leid,Wenn ich euch geben dürfte zum

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Botenlohn mein Gold. Dazu seid ihr zuvornehm: so bleib ich sonst denn euchhold. "Und würden dreißig Lande," sprach er,"mein genannt, 574 So empfieng' ichGabe doch gern aus eurer Hand." Dasprach die Wohlgezogne: "Wohlan, essoll geschehn." Da hieß sie ihrenKämmerer nach dem Botenlohne gehn. Vierundzwanzig Spangen mitEdelsteinen gut 575 Gab sieihm zum Lohne. So stund des HeldenMuth: Er wollt es nicht behalten: er gabes unverwandt Ihren schönen Maiden, dieer in der Kammer fand. Ihre Dienste bot ihm die Mutter gütlichan. 576 "Ich soll euch fernersagen," sprach der kühne Mann, "Um wasder König bittet, gelangt er an den Rhein:

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Wenn ihr das, Fraue, leistet, er will euchstäts gewogen sein. "Seine reichen Gäste, das ist seinBegehr, 577 Sollt ihr wohlempfangen; auch bittet er euch sehr,Entgegen ihm zu reiten vor Worms ansGestad. Das ists, warum der König euchin Treun gebeten hat." "Das will ich gern vollbringen," sprachdie schöne Magd: 578 "Worin ich ihmkann dienen, das ist ihm unversagt. Mitfreundlicher Treue wird all sein Wunschgethan." Da mehrte sich die Farbe, diesie vor Freude gewann. Nie sah man Fürstenboten beßer wohlempfahn: 579 Wenn sie ihnküssen durfte, sie hätt es gern gethan;Minniglich er anders doch von derFrauen schied. Da thaten die Burgunden,

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wie da Siegfried ihnen rieth. Sindold und Hunold und Rumold derDegen 580 Großer Unmuße musten sie da pflegen, Als sie die Sitzerichteten vor Worms an dem Strand: DieSchaffner des Königs man sehr beflißenda fand. Ortwein und Gere säumten auch nichtmehr, 581 Sie sandten nachden Freunden allwärts umher, DieHochzeit anzusagen, die da sollte sein;Der zierten sich entgegen viel derschönen Mägdelein. Der Pallas und die Wände warenallzumal 582 Verziert derGäste wegen; König Gunthers Saal Wardherrlich ausgerüstet für manchenfremden Mann; Das große Hofgelage mithohen Freuden begann.

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Da ritten allenthalben die Wege durchdas Land 583 Der drei KöngeFreunde; die hatte man besandt, DieGäste zu empfangen, die da solltenkommen. Da wurden aus dem Einschlag viel reicher Kleider genommen. Bald brachte man die Kunde, daß manschon reiten sah 584 BrunhildsGefolge: Gedränge gab es da Von desVolkes Menge in Burgundenland. Hei!was man kühner Degen da zu beidenSeiten fand! Da sprach die schöne Kriemhild: "Ihr,meine Mägdelein, 585 Die bei demEmpfange mit mir wollen sein, Diesuchen aus den Kisten ihr allerbestGewand: So wird uns Lob und Ehre vonden Gästen zuerkannt."

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Da kamen auch die Recken und ließenvor sich her 586 Schöne Sätteltragen von rothem Golde schwer, Daßdrauf die Frauen ritten von Worms an denRhein. Beßer Pferdgeräthe konnte wohlnimmer sein. Wie warf da von den Mähren den Scheindas lichte Gold! 587 Viel Edelsteineglänzten von den Zäumen hold; Diegoldenen Schemel auf lichtem Teppichgut Brachte man den Frauen: sie hattenfröhlichen Muth. Die Frauenpferde standen auf dem Hofbereit, 588 Wie gemeldetwurde, für manche edle Maid. Dieschmalen Brustriemen sah man dieMähren tragen Von der besten Seide, davon man je hörte sagen. Sechsundachtzig Frauen traten da

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heraus, 589 Die Kopfgebindetrugen; zu Kriemhild vor das Haus Zogendie Schönen jetzt in reichem Kleid; Dakam in vollem Schmucke auch manchewaidliche Maid, Fünfzig und viere aus Burgundenland: 590 Es waren auch diebesten, die man irgend fand. Man sah siegelblockig unter lichten Borten gehn.Was sich bedingt der König, das sah erfleißig geschehn. Von kostbaren Zeugen, den besten, dieman fand, 591 Trugen sie vorden Gästen manch herrlich Gewand. Zuihrer schönen Farbe stand es ihnen gut:Wer Einer abhold wäre, litte wohl anschwachem Muth. Von Hermelin und Zobel viel Kleiderman da fand. 592 Da schmückte

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sich gar Manche den Arm und auch dieHand Mit Spangen auf der Seide, die siesollten tragen. Es könnt euch dießBefleißen Niemand wohl zu Ende sagen. Viel Gürtel kunstgeschaffen, kostbarund lang, 593 Ueber lichteKleider die Hand der Frauen schwang Umedle Ferransröcke von Zeug aus Arabia,Wie man sie besser in aller Welt nichtersah. Man sah in Brustgeschmeide manchschöne Maid 594 Minniglichsich schnüren. Die mochte tragen Leid,Deren lichte Farbe das Kleid nichtüberschien. So schönes Ingesinde hat nunkeine Königin. Als die Minniglichen nun trugen ihrGewand, 595 Die sie da führensollten, die kamen unverwandt, Die

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hochgemuthen Recken in großer Zahldaher; Man bracht auch hin viel Schilde und manchen eschenen Sper. * * * * *

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Zehntes Abenteuer. Wie Gunther mit Brunhild Hochzeit hielt. Jenseits des Rheins sah man dem Gestad 596 Mit allen seinen Gästen den König schon genaht. Da sah man aucham Zaume leiten manche Maid: Die sieempfangen sollten, die waren alle bereit. Als bei den Schiffen ankam von Isenlanddie Schar 597 Und die derNibelungen, die Siegfried eigen war, Sieeilten an das Ufer; wohl fliß sich ihreHand, Als man des Königs Freunde jenseits am Gestade fand. Nun hört auch die Märe von der Königin, 598 Ute der reichen, wie siedie Mägdlein hin Brachte von der Veste und selber ritt zum Strand. Da wurden mit

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einander viel Maid' und Ritter bekannt. Der Markgraf Gere führte am ZaumKriemhildens Pferd 599 Bis vor dasThor der Veste; Siegfried der Degenwerth Durft ihr weiter dienen; sie war soschön und hehr. Das ward ihm wohlvergolten von der Jungfrau nachher. Ortwein der kühne führte Ute dieKönigin, 600 Und so rittmancher Ritter neben den Frauen hin. Zufestlichem Empfange, das mag man wohlgestehn, Wurden nie der Frauen so vielbeisammen gesehn. Viel hohe Ritterspiele wurden dagetrieben 601 Vonpreiswerthen Helden (wie wär esunterblieben?) Vor Kriemhild derschönen, die zu den Schiffen kam. Da hubman von den Mähren viel der Frauen

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lobesam. Der König war gelandet mit fremderRitterschaft. 602 Wie brach davor den Frauen mancher starke Schaft!Man hört' auf den Schilden erklingen Stoßauf Stoß. Hei! reicher Buckeln Schallen ward im Gedränge da groß! Vor dem Hafen standen die Frauenminniglich; 603 Gunther mitseinen Gästen hub von den Schiffen sich:Er führte Brunhilden selber an der Hand.Wider einander leuchtete schön Gesteinund licht Gewand. In höfischen Züchten hin Frau Kriemhildgieng, 604 Wo sie FrauBrunhilden und ihr Gesind empfieng.Man konnte lichte Hände am Kränzleinrücken sehn, Da sich die Beiden küssten: das war aus Liebe geschehn.

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Da sprach wohlgezogen Kriemhild dasMägdelein: 605 "Ihr sollt unswillkommen in diesem Lande sein, Mirund meiner Mutter, und Allen, die unstreu Von Mannen und von Freunden." Daverneigten sich die Zwei. Oftmals mit den Armen umfiengen sichdie Fraun. 606 So minniglichEmpfangen war nimmer noch zu schaun,Als die Frauen beide der Braut da thatenkund, Frau Ute mit der Tochter: sieküssten oft den süßen Mund. Da Brunhilds Frauen alle nun standen aufdem Strand, 607 Von waidlichenRecken wurden bei der Hand Freundlichgenommen viel Frauen ausersehn. Mansah die edeln Maide vor Frau Brunhildenstehn.

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Bis der Empfang vorüber war, daswährte lange Zeit, 608 Manchrosigem Munde war da ein Kuß bereit.Noch standen bei einander dieKöniginnen reich: Das freuten sich zuschauen viel der Recken ohne Gleich. Da spähten mit den Augen, die oftgehört vorher, 609 Man hab alsoSchönes gesehen nimmermehr Als dieFrauen beide: das fand man ohne Lug.Man sah an ihrer Schöne auch nicht denmindesten Trug. Wer Frauen schätzen konnte undminniglichen Leib, 610 Der priesum ihre Schöne König Gunthers Weib;Doch sprachen da die Kenner, die esrecht besehn, Man müße vor Brunhilden den Preis Kriemhilden zugestehn. Nun giengen zu einander Mägdelein

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und Fraun; 611 Es war in hoherZierde manch schönes Weib zu schaun.Da standen seidne Hütten und manchesreiche Zelt, Womit man erfüllt sah hiervor Worms das ganze Feld. Des Könige Freunde drängten sich, umsie zu sehn. 612 Da hieß manBrunhilden und Kriemhilden gehn Und alldie Fraun mit ihnen hin, wo sich Schattenfand; Es führten sie die Degen aus derBurgunden Land. Nun waren auch die Gäste zu Rossgeseßen all; 613 Da gabs beimLanzenbrechen durch Schilde lautenSchall. Das Feld begann zu stäuben, alsob das ganze Land Entbrannt wär in derLohe: da machten Helden sich bekannt. Was da die Recken thaten, sah mancheMaid mit an. 614 Wohl ritt mit

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seinen Degen Siegfried der kühne MannIn mancher Wiederkehre vorbei an demGezelt; Der Nibelungen führte tausendDegen der Held. Da kam von Tronje Hagen, wie ihm derKönig rieth; 615 Der Held mitguter Sitte die Ritterspiele schied, Daßsie nicht bestaubten die schönenMägdelein: Da mochten ihm die Gäste gerne wohl gehorsam sein. Da sprach der edle Gernot: "Die Rosselaßt stehn, 616 Bis es beginnt zukühlen, daß wir die Frauen schön Mitunserm Dank geleiten bis vor den weitenSaal; Will dann der König reiten, find ereuch bereit zumal." Das Kampfspiel war vergangen über alldem Feld: 617 Da giengenkurzweilen in manches hohe Zelt Die

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Ritter zu den Frauen um hoher LustGewinn: Da vertrieben sie die Stunden, bis sie weiter sollten ziehn. Vor des Abends Nahen, als sank derSonne Licht 618 Und es begannzu kühlen, ließ man es länger nicht: Zuder Veste huben Fraun und Ritter sich;Mit Augen ward geliebkost mancherSchönen minniglich. Von guten Knechten wurden viel Pferdemüd geritten 619 Vor denHochgemuthen nach des Landes Sitten,Bis vor dem Saale abstieg der Königwerth. Da diente man den Frauen undhob sie nieder vom Pferd. Da wurden auch geschieden dieKöniginnen reich. 620 Hin giengFrau Ute und Kriemhild zugleich Mitihrem Ingesinde in ein weites Haus: Da

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vernahm man allenthalben der Freuderauschenden Braus. Man richtete die Stühle: der König wolltegehn 621 Zu Tisch mit denGästen. Da sah man bei ihm stehnBrunhild die schöne, die da die Kronetrug In des Königs Lande: sie erschienwohl reich genug. Da sah man schöne Sitze und gute Tafelnbreit 622 Mit Speisen beladen, so hörten wir Bescheid. Was sie da habensollten, wie wenig fehlte dran! Da sahman bei dem König gar manchenherrlichen Mann. Des Wirthes Kämmerlinge im Beckengoldesroth 623 Reichten ihnenWasser. Das wär vergebne Noth, Sagtewer, man hätte je fleißgern Dienst gethanBei eines Fürsten Hochzeit: ich glaubte

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schwerlich daran. Eh der Vogt am Rheine hier das Wassernahm, 624 Zu Gunthern trat daSiegfried, er durft es ohne Scham, Undmahnt' ihn seiner Treue, die er ihm gabzu Pfand, Bevor er Brunhilden daheimgesehn in Isenland. Er sprach zu ihm: "Gedenket, mirschwur eure Hand, 625 Wenn wirFrau Brunhild brächten in dieß Land, Ihrgäbt mir eure Schwester: wo blieb nunder Eid? Ihr wißt, bei eurer Reise warkeine Mühe mir leid." Da sprach der Wirth zum Gaste: "Recht,daß ihr mich mahnt. 626 Ich will denEid nicht brechen, den ich schwur mitMund und Hand, Ich helf es euch fügen, so gut es mag geschehn." Da hieß manKriemhilden zu Hof vor den König gehn.

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Mit ihren schönen Maiden kam sie vorden Saal. 627 Da sprang voneiner Stiege Geiselher zu Thal: "Nun heißtwiederkehren diese Mägdelein: MeineSchwester soll alleine hier bei demKönige sein." Hin brachten sie Kriemhilden, wo manden König fand: 628 Da standenedle Ritter von mancher Fürsten Land. Indem weiten Saale hieß man sie stillestehn; Frau Brunhilden sah man ebenauch zu Tische gehn. Sie hatte keine Kunde, was da im Werkewar. 629 Da sprach KönigDankrats Sohn zu seiner Mannen Schar:"Helft mir, daß meine Schwester Siegfrieden nimmt zum Mann." Siesprachen einhellig: "Das wäre gar wohlgethan."

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Da sprach der König Gunther: "Schwester, edle Maid, 630 Beideiner Zucht und Güte löse meinen Eid.Ich schwur dich einem Recken, undnimmst du ihn zum Mann, So hast dumeinen Willen mit großen Treuengethan." Die edle Maid versetzte: "Lieber Brudermein, 631 Ihr sollt mich nichtflehen, ich will gehorsam sein. Wie ihrmir gebietet, so soll es sein gethan: Demwill ich mich verloben, den ihr, Herr, mirgebt zum Mann." Von lieber Augenweide Ward SiegfriedsFarbe roth: 632 Zu Diensten sichder Recke Frau Kriemhilden bot. Man ließsie mit einander in einem Kreise stehn,Und frug sie, ob sie wolle diesen Reckenausersehn?

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Scheu, wie Mädchen pflegen, schämtesie sich ein Theil; 633 Jedoch warSiegfrieden so günstig Glück und Heil,Daß sie nicht verschmähen wollte seineHand. Auch versprach sich ihr zum Manne der edle Held von Niederland. Da er sich ihr verlobte und sich ihm dieMaid, 634 Ein gütlich Umfangen war da alsbald bereit Von SiegfriedensArmen dem schönen Mägdlein zart: Dieedle Königin küsst' er in der HeldenGegenwart. Sich schied das Gesinde. Als dasgeschah, 635 Auf demEhrenplatze man Siegfrieden sah, MitKriemhilden sitzen; da dient' ihmmancher Mann. Man sah die Nibelungen mit ihm den Sitzen sich nahm.

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Der König saß zu Tische bei Brunhildder Maid. 636 Da sah sieKriemhilden (nichts war ihr je so leid) BeiSiegfrieden sitzen: zu weinen hub sie an,Daß ihr manch heiße Thräne über lichteWangen rann. Da sprach der Wirth des Landes: "Wasist euch, Fraue mein, 637 Daß ihr sotrüben laßet lichter Augen Schein? Ihrsolltet recht euch freuen: euch istunterthan Mein Land und reiche Burgen und mancher waidliche Mann." "Recht weinen sollt ich eher," sprach dieschöne Maid. 638 "Deiner Schwesterwegen trag ich Herzeleid. Ich seh siesitzen neben dem Eigenholden dein:Wohl muß ich immer weinen, soll sie soerniedrigt sein." Da sprach der König Gunther: "Schweigt

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davon jetzt still, 639 Da ich euch einandermal die Kunde sagen will, Warummeine Schwester Siegfrieden wardgegeben. Wohl mag sie mit dem Recken allezeit in Freuden leben." Sie sprach: "Mich jammern immer ihreSchönheit, ihre Zucht; 640 Wüst ich,wohin ich sollte, ich nähme gern dieFlucht Und wollt euch nimmer eher naheliegen bei, Bis ich wüste, weshalbKriemhild die Braut von Siegfrieden sei." Da sprach König Gunther: "Ich mach eseuch bekannt: 641 Er hat selberBurgen wie ich und weites Land. Das dürftihr sicher glauben, er ist ein König reich:Drum gönn ich ihm zum Weibe dieschöne Magd ohne Gleich." Was ihr der König sagte, traurig bliebihr Muth. 642 Da eilte von den

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Tischen mancher Ritter gut: DasKampfspiel ward so heftig, daß rings dieBurg erklang. Dem Wirth bei seinenGästen ward die Weile viel zu lang. Er dacht: "Ich läge sanfter der schönenFrauen bei." 643 Er wurde desGedankens nicht mehr im Herzen frei,Von ihrer Minne müße ihm Liebes vielgeschehn. Da begann er freundlich FrauBrunhilden anzusehn. Vom Ritterspiel die Gäste bat manabzustehn: 644 Mit seinemWeibe wollte zu Bett der König gehn. Vordes Saales Stiege begegneten da SichKriemhild und Brunhild; noch in Güte dasgeschah. Da kam ihr Ingesinde; sie säumtenlänger nicht: 645 Ihre reichenKämmerlinge brachten ihnen Licht. Es

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theilten sich die Recken in beider KöngeLehn. Da sah man viel der Degen hinwegmit Siegfrieden gehn. Die Helden kamen beide hin, wo siesollten liegen. 646 Da dachteJedweder mit Minnen obzusiegen Denminniglichen Frauen: des freute sich ihrMuth. Siegfriedens Kurzweil die wurdeherrlich und gut. Als Siegfried der Degen bei Kriemhildenlag 647 Und er da der Jungfrau so minniglich pflag Mit seinem edelnMinnen, sie ward ihm wie sein Leben: Erhätte nicht die eine für tausend andregegeben. Ich sag euch nicht weiter, wie er derFrauen pflag. 648 Nun hört dieseMäre, wie König Gunther lag Bei Brunhildder Frauen; der zierliche Degen Hätte

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leichtlich sanfter bei andern Frauengelegen. Das Volk hatt ihn verlaßen zumal, soFrau als Mann: 649 Da ward dieKemenate balde zugethan. Er wähnt', ersolle kosen ihren minniglichen Leib: Dawährt' es noch gar lange, bevor sie wurdesein Weib. Im weißen Linnenhemde gieng sie insBett hinein. 650 Der edle Ritterdachte: "Nun ist das alles mein, Wes michje verlangte in allen meinen Tagen." Siemust ob ihrer Schöne mit großem Rechtihm behagen. Das Licht begann zu bergen des edelnKönigs Hand. 651 Hin gieng derkühne Degen, wo er die Jungfrau fand. Erlegte sich ihr nahe: seine Freude die wargroß, Als die Minnigliche der Held mit

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Armen umschloß. Minnigliches Kosen möcht er da vielbegehn, 652 Ließe das willig die edle Frau geschehn. Doch zürnte siegewaltig: den Herrn betrübte das. Erwähnt, er fände Freude, da fand erfeindlichen Haß. Sie sprach: "Edler Ritter, laßt euch dasvergehn: 653 Was ihr da habt imSinne, das kann nicht geschehn. Ich willnoch Jungfrau bleiben, Herr König, merkteuch das, Bis ich die Mär erfahre." Dafaßte Gunther ihr Haß. Er rang nach ihrer Minne und zerrauft'ihr Kleid. 654 Da griff nach einemGürtel die herrliche Maid, Einer starkenBorte, die sie um sich trug: Da that siedem König großen Leides genug.

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Die Füß und die Hände sie ihmzusammenband, 655 Zu einemNagel trug sie ihn und hieng ihn an dieWand. Als er im Schlaf sie störte, seinMinnen sie verbot. Von ihrer Stärke hätt er beinah gewonnen den Tod. Da begann zu flehen, der Meister solltesein: 656 "Nun löst mir dieBande, viel edle Fraue mein. Ich getraueuch, schöne Herrin, doch nimmerobzusiegen Und will auch wahrlich selten mehr so nahe bei euch liegen." Sie frug nicht, wie ihm wäre, da sie inRuhe lag. 657 Dort must erhangen bleiben die Nacht bis an den Tag,Bis der lichte Morgen durchs Fenster warfden Schein: Hatt er je Kraft beseßen, dieward an seinem Leibe klein. "Nun sagt mir, Herr Gunther, ist euch

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das etwa leid, 658 Wenn euchgebunden finden," sprach die schöneMaid, "Eure Kämmerlinge von einerFrauen Hand?" Da sprach der edle Ritter: "Das würd euch übel gewandt. "Auch wär mirs wenig Ehre," sprach deredle Mann: 659 "Bei eurer Zuchtund Güte nehmt mich nun bei euch an.Und ist euch meine Minne denn somächtig leid, So will ich nie berühren mitmeiner Hand euer Kleid." Da löste sie den König, daß er nichtlänger hieng; 660 Wieder an dasBette er zu der Frauen gieng. Er legtesich so ferne, daß er ihr Hemde fein Nichtoft darnach berührte: auch wollte sie desledig sein. Da kam auch ihr Gesinde, das brachteneu Gewand: 661 Des war heute

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Morgen genug für sie zur Hand. Wie frohman da gebahrte, traurig war genug Deredle Wirth des Landes, wie er des Tagsdie Krone trug. Nach des Landes Sitte, die zu begehenPflicht, 662 Unterließ es Gunther mit Brunhild länger nicht: Sie giengennach dem Münster, wo man die Messesang. Dahin auch kam Herr Siegfried; dahob sich mächtiger Drang. Nach königlichen Ehren war da für siebereit, 663 Was sie habensollten, die Krone wie das Kleid. Daließen sie sich weihen: als das wargeschehn, Da sah man unter Krone alleViere herrlich stehn. Das Schwert empfiengen Knappen, sechshundert oder mehr, 664 DenKönigen zu Ehren auf meines Worts

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Gewähr. Da hob sich große Freude inBurgundenland: Man hörte Schäftebrechen an der Schwertdegen Hand. Da saßen in den Fenstern die schönenMägdelein. 665 Sie sahen vorsich leuchten manches Schildes Schein.Nun hatte sich der König getrennt vonseinem Lehn: Was man beginnen mochte, er ließ es trauernd geschehn. Ihm und Siegfrieden ungleich stand derMuth: 666 Wohl wuste, was ihmfehlte, der edle Ritter gut. Da gieng er zudem König, zu fragen er begann: "Wieists euch gelungen die Nacht, das sagetmir an." Da sprach der Wirth zum Gaste: "DenSchimpf und den Schaden 667 Hab ichan meiner Frauen in mein Haus geladen.Ich wähnte sie zu minnen, wie schnell sie

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mich da band! Zu einem Nagel trug siemich und hieng mich hoch an die Wand. "Da hieng ich sehr in Aengsten dieNacht bis an den Tag. 668 Eh sie michwieder löste, wie sanft sie da lag! Das seidir in der Stille geklagt inFreundlichkeit." Da sprach der starkeSiegfried: "Das ist in Wahrheit mir leid. "Das will ich euch beweisen, verschmerzt ihr den Verdruß. 669 Ichschaffe, daß sie heute Nacht so nah euchliegen muß, Daß sie euch ihre Minne nicht länger vorenthält." Die Rede hörtegerne nach seinem Leide der Held. "Nun schau meine Hände, wie diegeschwollen sind: 670 Diedrückte sie so mächtig, als wär ich einKind, Daß Blut mir allenthalben aus denNägeln drang. Ich hegte keinen Zweifel,

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mein Leben währe nicht lang." Da sprach der starke Siegfried: "Es wirdnoch Alles gut. 671 Uns Beiden warwohl ungleich heute Nacht zu Muth. Mirist deine Schwester wie Leben lieb undLeib! So muß nun auch Frau Brunhild noch heute werden dein Weib. "Ich komme heut Abend zu deinemKämmerlein 672 Also wohlverborgen in der Tarnkappe mein, Daßsich meiner Künste Niemand magversehn. Laß dann die Kämmerlinge zuihren Herbergen gehn: "So lesch ich den Knappen die Lichter ander Hand: 673 Bei diesemWahrzeichen sei dir bekannt, Daß ichhereingetreten. Wohl zwing ich dir deinWeib, Daß du sie heute minnest, ichverlör' denn Leben und Leib."

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"Wenn du sie nicht minnest," der Königsprach da so, 674 "Meine liebeFraue: des Andern bin ich froh; Was duauch thust und nähmst du Leben ihr undLeib, Das wollt ich wohl verschmerzen: sie ist ein schreckliches Weib." "Das nehm ich," sprach da Siegfried, "auf die Treue mein, 675 Daß ich sienicht berühre; die liebe Schwester deinGeht mir über alle, die ich jemals sah."Wohl glaubte König Gunther der RedeSiegfriedens da. Da gabs von Ritterspielen Freude so wieNoth. 676 Den Buhurd und dasLärmen man allzumal verbot. Als dieFrauen sollten nach dem Saale gehn,Geboten Kämmerlinge den Leuten, nichtim Weg zu stehn.

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Von Rossen und von Leuten räumte manden Hof. 677 Der FrauenJedwede führt' ein Bischof, Als sie vor denKönigen zu Tische sollten gehn. Ihnenfolgten zu den Stühlen viel der Degenausersehn. Bei seinem Weib der König in froherHoffnung saß: 678 Was Siegfriedihm verheißen, im Sinne lag ihm das. Dereine Tag ihn dauchte wohl dreißig Tagelang: Nach Brunhildens Minne all seinDenken ihm rang. Er konnt es kaum erwarten, bis vorbeidas Mahl. 679 Brunhild dieschöne rief man aus dem Saal Und auchKriemhilden: sie sollten schlafen gehn:Hei! was man kühner Degen sah vor denKöniginnen stehn! Siegfried der Herre gar minniglich saß

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680 Bei seinem schönenWeibe mit Freuden ohne Haß. Sie kos'teseine Hände mit ihrer weißen Hand, Biser ihr vor den Augen, sie wuste nicht wie,verschwand. Da sie mit ihm spielte und sie ihn nichtmehr sah, 681 Zu seinemIngesinde sprach die Königin da: "Michwundert sehr, wo ist doch der Könighingekommen? Wer hat seine Hände miraus den meinen genommen?" Sie ließ die Rede bleiben. Da eilt' erhinzugehn, 682 Wo er dieKämmerlinge fand mit Lichtern stehn: Dielescht' er unversehens den Knappen ander Hand: Daß es Siegfried wäre, das warda Gunthern bekannt. Wohl wust er, was er wolle: er ließ vondannen gehn 683 Mägdelein und

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Frauen. Als das war geschehn, Der edleKönig selber verschloß der KammerThür: Starker Riegel zweie die warf ereilends dafür. Hinterm Bettvorhange barg er derKerzen Licht. 684 Ein Spielsogleich begannen, vermeiden ließ sichsnicht, Siegfried der starke und die schöneMaid: Das war dem König Gunther beideslieb und auch leid. Da legte sich Siegfried der Königin bei. 685 Sie sprach: "Nun laßt es,Gunther, wie lieb es euch auch sei, Daßihr nicht Noth erleidet heute so wie eh:Oder euch geschieht hier von meinenHänden wieder Weh." Er hehlte seine Stimme, kein Wörtleinsprach er da. 686 Wohl hörte KönigGunther, obgleich er sie nicht sah, Daß

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Heimliches von Beiden wenig geschehensei; Nicht viel bequeme Ruhe im Bettefanden die Zwei. Er stellte sich, als wär er Gunther derKönig reich; 687 Er umschloß mitArmen das Mägdlein ohne Gleich. Siewarf ihn aus dem Bette dabei auf eineBank, Daß laut an einem Schemel ihm dasHaupt davon erklang. Wieder auf mit Kräften sprang derkühne Mann, 688 Es beßer zuversuchen: wie er das begann, Daß er siezwingen wollte, da widerfuhr ihm Weh.Ich glaube nicht, daß solche Wehr vonFrauen je wieder gescheh. Da ers nicht laßen wollte, das Mägdleinaufsprang: 689 "Euch ziemt nichtzu zerraufen mein Hemd also blank. Ihrseid ungezogen: das wird euch noch leid.

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Des bring ich euch wohl inne," sprach diewaidliche Maid. Sie umschloß mit den Armen dentheuerlichen Degen 690 Und wolltihn auch in Bande wie den König legen,Daß sie im Bette läge mit Gemächlichkeit.Wie grimmig sie das rächte, daß erzerzerret ihr Kleid! Was half ihm da die Stärke, was seinegroße Kraft? 691 Sie erwies demDegen ihres Leibes Meisterschaft. Sietrug ihn übermächtig, das muste nur sosein, Und drückt ihn ungefüge bei demBett an einen Schrein. "O weh," gedacht er, "soll ich Leben nunund Leib 692 Von einer Maidverlieren, so mag jedes Weib In allenkünftgen Zeiten tragen Frevelmuth DemMann gegenüber, die es sonst wohl

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nimmer thut." Der König hörte Alles; er bangte für denMann. 693 Da schämte sichSiegfried, zu zürnen fieng er an. Mitungefügen Kräften ihr widersetzt' er sichUnd versuchte seine Stärke an Brunhildenängstiglich. Wie sie ihn niederdrückte, sein Zornerzwang es noch 694 Und seinestarken Kräfte, daß ihr zum Trotz er dochSich aufrichten konnte; seine Angst wargroß. Sie gaben in der Kammer sich herund hin manchen Stoß. Auch litt König Gunther Sorgen undBeschwer: 695 Er mustemanchmal flüchten vor ihnen hin und her.Sie rangen so gewaltig, daß es Wundernahm, Wie Eins vor dem Andern mit demLeben noch entkam.

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Den König Gunther ängstigte beiderseits die Noth; 696 Dochfürchtet' er am meisten Siegfriedens Tod.Wohl hätte sie dem Degen das Lebenschier benommen: Dürft er nur, er wär ihm gern zu Hülfe gekommen. Gar lange zwischen Beiden dauerte derStreit; 697 Da bracht er an dasBette zuletzt zurück die Maid: Wie sehrsie sich auch wehrte, die Wehr wardendlich schwach. Gunther in seinenSorgen hieng mancherlei Gedankennach. Es währte lang dem König, bis Siegfriedsie bezwang. 698 Sie drückte seineHände, daß aus den Nägeln sprung DasBlut von ihren Kräften; das war demHelden leid. Da zwang er zu verläugnen diese herrliche Maid

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Den ungestümen Willen, den sie erstdargethan. 699 Alles vernahmder König, doch hört ers schweigend an.Er drückte sie ans Bette, daß sie aufschrielaut: Des starken Siegfrieds Kräfte schmerzten übel die Braut. Da griff sie nach der Hüfte, wo sie dieBorte fand, 700 Und dacht' ihn zubinden: doch wehrt' es seine Hand, Daßihr die Glieder krachten, dazu der ganzeLeib. Da war der Streit zu Ende: da wurdesie Gunthers Weib. Sie sprach: "Edler König, nimm mir dasLeben nicht: 701 Was ich dir that zuLeide, vergüt ich dir nach Pflicht. Ichwehre mich nicht wieder der edeln Minnedein: Ich hab es wohl erfahren, daß dumagst Frauen Meister sein."

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Aufstand da Siegfried, liegen blieb dieMaid, 702 Als dächt erabzuwerfen eben nur das Kleid. Er zogihr vom Finger ein Ringlein von Gold,Daß es nicht gewahrte die edle Königinhold, Auch nahm er ihren Gürtel, eine Bortegut. 703 Ich weiß nicht,geschah es aus hohem Uebermuth. Ergab ihn seinem Weibe: das ward ihmspäter leid. Da lagen bei einander derKönig und die schöne Maid. Er pflag der Frauen minniglich, wie esgeziemend war: 704 Scham undZorn verschmerzen muste sie da gar. Vonseinen Heimlichkeiten ihre lichte Farberblich. Hei! wie von der Minne diegroße Kraft ihr entwich! Da war auch sie nicht stärker als ein

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ander Weib. 705 Minniglichumfieng er ihren schönen Leib; Wenn sienoch widerstände, was könnt es sieverfahn? Das hatt ihr Alles Gunther mitseinem Minnen gethan. Wie minniglich der Degen da bei derFrauen lag 706 In freundlicherLiebe bis an den lichten Tag! Inzwischenwar Herr Siegfried längst schon hindann:Da ward er wohl empfangen von einerFrauen wohlgethan. Er wich allen Fragen aus, die sieerdacht, 707 Und hehlt' ihrnoch lang, was er mitgebracht, Bis erdaheim das Kleinod ihr doch am Endegab: Das brachte viel der Degen mit ihmselber ins Grab. Dem Wirth am andern Morgen vielhöher stand der Muth, 708 Als am

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ersten Tage: da ward die Freude gut Inallen seinen Landen bei manchem edelnMann. Die er zu Hof geladen, denen wardviel Dienst gethan. Vierzehn Tage währte diese Lustbarkeit, 709 Daß sich der Schall nichtlegte in so langer Zeit Von aller Lust undKurzweil, die man erdenken mag. Wohlverwandte hohe Kosten der König beidem Hofgelag. Des edeln Wirthes Freunde, wie es derHerr gewollt, 710 Verschenktenihm zu Ehren Kleider und rothes Gold,Silber auch und Rosse an manchenfremden Mann. Die gerne Gaben nahmen, die schieden fröhlich hindann. Auch der kühne Siegfried aus demNiederland 711 Mit seinentausend Mannen --all das Gewand, Das

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sie gebracht zum Rheine, ward ganzdahin gegeben, Schöne Ross' und Sättel: sie wusten herrlich zu leben. Bevor die reiche Gabe noch alle warverwandt, 712 Schon daucht esdie zu lange, die wollten in ihr Land. Niesah man ein Gesinde mehr so wohlverpflegen. So endete die Hochzeit: daschied von dannen mancher Degen. * * * * *

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Eilftes Abenteuer. Wie Siegfried mit seinem Weibeheimkehrte. Als die Gäste waren gefahren all davon, 713 Da sprach zu demGesinde König Siegmunds Sohn: "Wirwollen auch uns rüsten zur Fahrt in unserLand." Lieb ward es seinem Weibe, alsihr die Märe ward bekannt. Sie sprach zu ihrem Manne: "Wannsollen wir nun fahren? 714 So sehrdamit zu eilen will ich mich bewahren:Erst sollen mit mir theilen meine Brüderdieses Land." Leid war es Siegfrieden, alsers an Kriemhilden fand. Die Fürsten giengen zu ihm undsprachen alle drei: 715 "Wißt nun,

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Herr Siegfried, daß euch immer sei UnserDienst mit Treue bereit bis in den Tod."Er neigte sich den Herren, da mans sowohl ihm erbot. "Wir wolln auch mit euch theilen," sprach Geiselher das Kind, 716 "DasLand und die Burgen, die unser eigensind, Und was der weiten Reiche uns istunterthan; Ihr empfangt mit Kriemhild euer volles Theil daran." Der Sohn König Siegmunds sprach zuden Fürsten da, 717 Als er denguten Willen der Herren hört und sah:"Gott laß euch euer Erbe gesegnet immersein Und auch die Leute drinnen: es magdie liebe Fraue mein "Des Theils wohl entrathen, den ihr ihrwolltet geben: 718 Wo sie soll Kronetragen, mögen wirs erleben, Da muß sie

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reicher werden, als wer ist auf der Welt.Was ihr sonst gebietet, ich bin euchdienstlich gesellt." Da sprach aber Kriemhild: "Wenn ihrmein Land verschmäht, 719 Um dieBurgundendegen es so gering nicht fleht;Die mag ein König gerne führen in seinLand: Wohl soll sie mit mir theilen meinerlieben Brüder Hand." Da sprach König Gernot: "Nimm, die duwillst, mit dir. 720 Die gerne mit dirreiten, du findest Viele hier. Vondreißighundert Recken nimm dir tausendMann Zu deinem Hausgesinde." Kriemhild zu senden begann Nach Hagen von Tronje und nachOrtwein, 721 Ob sie und ihreFreunde Kriemhildens wollten sein. Dagewann darüber Hagen ein zorniges

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Leben: Er sprach: "Uns kann Gunther inder Welt an Niemand vergeben. "Ander Ingesinde nehmt zu eurer Fahrt; 722 Ihr werdet ja wohlkennen der Tronejer Art. Wir müßen beiden Königen bleiben so fortan Und denenferner dienen, deren Dienst wir stätsversahn." Sie ließen es bewenden und machtensich bereit. 723 Ihres edelnIngesindes nahm Kriemhild zum GeleitZweiunddreißig Mägdelein undfünfhundert Mann; Eckewart der Markgraf zog mit Kriemhild hindann. Da nahmen alle Urlaub, Ritter so wieKnecht, 724 Mägdelein undFrauen: so war es Fug und Recht. UnterKüssen scheiden sah man sie unverwandt,Und jene räumten fröhlich dem König

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Gunther das Land. Da geleiteten die Freunde sie fern aufihren Wegen. 725 Allenthalbenließ man ihnen Nachtherberge legen, Wosie die nehmen wollten in der KöngeLand. Da wurden bald auch Boten demKönig Siegmund gesandt, Damit er wißen sollte und auch FrauSiegelind, 726 Sein Sohn sollekommen mit Frau Utens Kind, Kriemhildder schönen, von Worms über Rhein.Diese Mären konnten ihnen nimmerlieber sein. "Wohl mir," sprach da Siegmund, "daßich den Tag soll sehn, 727 Da hier dieschöne Kriemhild soll unter Krone gehn!Das erhöht im Werthe mir all das Erbemein: Mein Sohn Siegfried soll nun selbsthier König sein."

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Da gab ihnen Siegelind zu KleidernSammet roth 728 Und schweresGold und Silber: das war ihr Botenbrot.Sie freute sich der Märe, die sie davernahm. All ihr Ingesinde sich mit Fleißzu kleiden begann. Man sagt' ihr, wer da käme mit Siegfriedin das Land. 729 Da hieß sieGestühle errichten gleich zur Hand, Woer vor den Freunden sollt unter Kronegehn. Entgegen ritten ihnen Die in KönigSiegmunds Lehn. Wer beßer wäre empfangen, mir ist esunbekannt, 730 Als die Heldenwurden in Siegmundens Land.Kriemhilden seine Mutter Sieglindentgegenritt Mit viel der schönen Frauen; kühne Ritter zogen mit

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Wohl eine Tagereise, bis man die Gästesah. 731 Die Heimischen undFremden litten Beschwerde da, Bis sieendlich kamen zu einer Veste weit, DieSanten war geheißen, wo sie Kronetrugen nach der Zeit. Mit lachendem Munde Siegmund undSiegelind 732 Manche liebeWeile küssten sie Utens Kind UndSiegfried den Degen; ihnen war ihr Leidbenommen. All ihr Ingesinde hieß manfröhlich willkommen. Da brachten sie die Gäste vor KönigSiegmunds Saal. 733 Die schönenJungfrauen hub man allzumal Von denMähren nieder; da war mancher Mann,Der den schönen Frauen mit Fleiß zudienen begann. So prächtig ihre Hochzeit am Rhein war

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bekannt, 734 Doch gab man hierden Helden köstlicher Gewand, Als sie allihr Leben je zuvor getragen. Man mochtegroße Wunder von ihrem Reichthumesagen. So saßen sie in Ehren und hatten genug. 735 Was goldrothe Kleider ihr Ingesinde trug! Edel Gestein undBorten sah man gewirkt darin. Soverpflag sie fleißig Sieglind die edleKönigin. Da sprach vor seinen Freunden derKönig Siegmund: 736 "Allenmeinen Freunden thu ichs heute kund,Daß Siegfried meine Krone hier hinfortsoll tragen." Die Märe hörten gerne Dievon Niederlanden sagen. Er befahl ihm seine Krone mit Gerichtund Land: 737 Da war er Herr

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und König. Wem er den Rechtsspruchfand Und wen er strafen sollte, das wurdeso gethan, Daß man wohl fürchten durfte der schönen Kriemhilde Mann. In diesen hohen Ehren lebt' er, das istwahr, 738 Und richtet' unterKrone bis an das zehnte Jahr, Da dieschöne Königin einen Sohn gewann, Andem des Königs Freunde ihren Wunschund Willen sahn. Alsbald ließ man ihn taufen und einenNamen nehmen: 739 Gunther, nachseinem Oheim, des dürft er sich nichtschämen. Gerieth' er nach den Freunden, er würd ein kühner Mann. Man erzog ihnsorgsam: sie thaten auch recht daran. In denselben Zeiten starb FrauSiegelind: 740 Da nahm dievolle Herrschaft der edeln Ute Kind, Wie

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so reicher Frauen geziemte wohl im Land.Es ward genug betrauert, daß der Tod siehatt entwandt. Nun hatt auch dort am Rheine, wie wirhören sagen, 741 Gunther demreichen einen Sohn getragen Brunhild dieschöne in Burgundenland. Dem Helden zuLiebe ward er Siegfried genannt. Mit welchen Sorgen immer man seinhüten hieß! 742 VonHofmeistern Gunther ihn Alles lehrenließ, Was er bedürfen möchte, erwüchs'er einst zum Mann. Hei, was ihm bald dasUnglück der Verwandten abgewann! Zu allen Zeiten Märe war so viel gesagt, 743 Wie doch so herrlich dieDegen unverzagt Zu allen Stunden lebten in Siegmundens Land: So lebt' auch KönigGunther mit seinen Freunden auserkannt.

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Das Land der Nibelungen war Siegfriedunterthan 744 (Keiner seinerFreunde je größern Schatz gewann) MitSchilbungens Recken und der BeidenGut. Darüber trug der Kühne desto höherden Muth. Hort den allermeisten, den je ein Heldgewann, 745 Nach den erstenHerren, besaß der kühne Mann, Den voreinem Berge seine Hand erwarb im Streit:Er schlug darum zu Tode manchen Ritterallbereit. Vollauf besaß er Ehre, und hätt ers halbentbehrt, 746 Doch müste mangestehen dem edeln Recken werth, Daßer der Beste wäre, der je auf Rossen saß.Man scheute seine Stärke, mit allemGrunde that man das.

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* * * * *

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Zwölftes Abenteuer. Wie Gunther Siegfrieden zum Hofgelagelud. Da dacht auch alle Tage Brunhild dieKönigin: 747 "Wie trägt nur FrauKriemhild so übermüthgen Sinn! Nun istdoch unser Eigen Siegfried ihr Mann: Derhat uns nun schon lange wenig Dienstegethan." Das trug sie im Herzen in großerHeimlichkeit; 748 Daß sie ihrfremde blieben, das war der Frauen leid.Daß man ihr nicht zinste von des FürstenLand, Woher das wohl käme, das hätte siegern erkannt. Sie versucht' es bei dem König, ob esnicht geschehn 749 Möchte, daß sie

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Kriemhild noch sollte wiedersehn. Sievertraut' ihm heimlich, worauf ihr sannder Muth; Da dauchte den König derFrauen Rede nicht gut. "Wie könnten wir sie bringen," sprachder König hehr, 750 "Her zu diesemLande? das fügt sich nimmermehr. Siewohnen uns zu ferne: ich darf sie nichtdrum bitten." Da gab ihm Brunhild Antwort mit gar hochfährtgen Sitten: "Und wäre noch so mächtig eines KönigsMann, 751 Was ihm sein Herrgebietet, das muß doch sein gethan."Lächeln muste Gunther ihrer Rede da: Ernahm es nicht als Dienst an, wenn erSiegfrieden sah. Sie sprach: "Lieber Herre, bei der Liebemein, 752 Hilf mir, daß Siegfried und die Schwester dein Zu diesem Lande

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kommen und wir sie hier ersehn: Sokönnte mir auf Erden nimmer liebergeschehn. "Deiner Schwester Güte, ihrwohlgezogner Muth, 753 Wennich daran gedenke, wie wohl mirs immerthut; Wie wir beisammen saßen, als ichdir ward vermählt! Sie hat sich mit Ehren den kühnen Siegfried erwählt." Da bat sie ihn so lange, bis der Königsprach: 754 "Nun wißt, daß ichGäste nicht lieber sehen mag. Ihr mögtmich leicht erbitten: ich will die Botenmein Zu ihnen beiden senden, daß siekommen an den Rhein." Da sprach die Königstochter: "So sollt ihrmir sagen, 755 Wann ihr sie wolltbesenden, oder zu welchen Tagen Dielieben Freunde sollen kommen in dieß

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Land; Die ihr dahin wollt senden, diemacht zuvor mir bekannt." "Das will ich," sprach der König: "dreißig aus meinem Lehn 756 Laß ichzu ihnen reiten." Die hieß er vor sichgehn: Durch sie entbot er Märe inSiegfriedens Land. Da beschenkte sie FrauBrunhild mit manchem reichen Gewand. Der König sprach: "Ihr Recken sollt vonmir sagen 757 Und nichts von demverschweigen, was ich euch aufgetragen,Siegfried dem starken und der Schwestermein, Ihnen dürf auf Erden nimmerJemand holder sein. "Und bittet, daß sie beide uns kommenan den Rhein: 758 Dafür will ichund Brunhild ihnen stäts gewogen sein.Vor dieser Sonnenwende soll er hierManchen sehn, Er und seine Mannen, die

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ihm Ehre laßen geschehn. "Vermeldet auch dem König Siegmunddie Dienste mein, 759 Daß ich undmeine Freunde ihm stäts gewogen sei'n.Und bittet meine Schwester, daß sie'snicht unterläßt Und zu den Freunden reitet: nie ziemt' ihr so ein Freudenfest." Brunhild und Ute und was man Frauenfand, 760 Die entboten ihreDienste in Siegfriedens Land Denminniglichen Frauen und manchemkühnen Mann. Nach Wunsch des Königshoben sich bald die Boten hindann. Sie standen reisefertig; ihr Ross und ihrGewand 761 War ihnenangekommen: da räumten sie das Land.Sie eilten zu dem Ziele, dahin sie wolltenfahren. Der König hieß die Boten durchGeleite wohl bewahren.

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Innerhalb zwölf Tagen kamen sie in dasLand, 762 Zu NibelungensVeste, wohin man sie gesandt, In derMark zu Norweg fanden sie den Degen:Ross und Leute waren müde von denlangen Wegen. Siegfried und Kriemhilden war eilendshinterbracht, 763 Daß Ritterkommen waren, die trügen solche Tracht,Wie bei den Burgunden man trug derSitte nach. Sie sprang von einem Bette, darauf die Ruhende lag. Zu einem Fenster ließ sie eins ihrerMägdlein gehn; 764 Die sah denkühnen Gere auf dem Hofe stehn, Ihn unddie Gefährten, die man dahin gesandt. IhrHerzeleid zu stillen, wie liebe Kunde siefand!

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Sie sprach zu dem Könige: "Seht ihr, wiesie stehn, 765 Die mit dem starkenGere auf dem Hofe gehn, Die uns meinBruder Gunther nieder schickt denRhein." Da sprach der starke Siegfried: "Die sollen uns willkommen sein." All ihr Ingesinde lief hin, wo man siesah. 766 Jeder an seinemTheile gütlich sprach er da Das Beste,was er konnte, zu den Boten hehr. IhresKommens freute der König Siegmund sichsehr. Herbergen ließ man Geren und Die ihmunterthan 767 Und ihrer Rossewarten. Die Boten brachte man Dahin, woHerr Siegfried bei Kriemhilden saß. Siesahn den Boten gerne sicherlich ohneallen Haß. Der Wirth mit seinem Weibe erhob sich

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gleich zur Hand. 768 Wohl wardempfangen Gere aus Burgundenland Mitseinen Fahrtgenossen in König GunthersLehn. Den Markgrafen Gere bat mannicht länger zu stehn. "Erlaubt uns die Botschaft, eh wir unssetzen gehn; 769 Uns wegemüdeGäste, laßt uns so lange stehn, So meldenwir die Märe, die euch zu wißen thutGunther mit Brunhilden: es geht ihnenbeiden gut. "Und was euch Frau Ute, eure Mutter,her entbot, 770 Geiselher derjunge und auch Herr Gernot Und eurenächsten Freunde: die haben uns gesandtUnd entbieten euch viele Dienste aus derBurgunden Land." "Lohn ihnen Gott," sprach Siegfried; "ichversah zu ihnen wohl 771 Mich aller Lieb

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und Treue, wie man zu Freunden soll. Sothut auch ihre Schwester; ihr sollt unsferner sagen, Ob unsre lieben Freunde hohen Muth daheim noch tragen. "Hat ihnen, seit wir schieden, Jemandein Leid gethan 772 Meiner FraueBrüdern? Das saget mir an. Ich wollt esihnen immer mit Treue helfen tragen, Bisihre Widersacher meine Dienste müstenbeklagen." Antwort gab der Markgraf Gere, einRitter gut: 773 "Sie sind in allenZüchten mit Freuden wohlgemuth. Sieladen euch zum Rheine zu einerLustbarkeit Sie sähn euch gar gerne, daßihr des außer Zweifel seid. "Sie bitten meine Fraue auch mit euch zukommen. 774 Wenn nun derWinter ein Ende hat genommen, Vor

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dieser Sonnenwende da möchten sieeuch sehn." Da sprach der starkeSiegfried: "Das könnte schwerlichgeschehn." Da sprach wieder Gere vonBurgundenland: 775 "EureMutter Ute hat euch sehr gemahnt MitGernot und Geiselher, ihr sollt es nichtversagen. Daß ihr so ferne wohnet, hörich sie täglich beklagen. "Brunhild meine Herrin und ihreMägdelein 776 Freuen sichder Kunde, und könnt es jemals sein, Daßsie euch wiedersähen, ihnen schuf eshohen Muth." Da dauchten diese Mären die schöne Kriemhilde gut. Gere war ihr Vetter: der Wirth ihn sitzenhieß; 777 Den Gästen hieß erschenken, nicht länger man das ließ. Da

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kam dazu auch Siegmund: als der dieBoten sah, Freundlich sprach der König zu den Burgunden da: "Willkommen uns, ihr Recken in KönigGunthers Lehn. 778 Da sichKriemhilden zum Weibe hat ersehn MeinSohn Siegfried, man sollt euch öfterschaun In diesem Lande, dürften wir beieuch auf Freundschaft vertraun. Sie sprachen: Wenn er wolle, sie würdengerne kommen. 779 Ihnen ward mitFreuden die Müdigkeit benommen. Manhieß die Boten sitzen; Speise man ihnentrug: Deren schuf da Siegfried den liebenGästen genug. Sie musten da verweilen volle neunTage. 780 Darob erhobenendlich die schnellen Ritter Klage, Daßsie nicht wieder reiten durften in ihr

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Land. Da hatt auch König Siegfried zuseinen Freunden gesandt: Er fragte, was sie riethen: er solle nachdem Rhein. 781 "Es ließ michentbieten Gunther der Schwager mein, Erund seine Brüder, zu einer Lustbarkeit:Ich möcht ihm gerne kommen, liegtgleich sein Land mir so weit. "Sie bitten Kriemhilden, mit mir zu ziehn. 782 Nun rathet, liebe Freunde, wie kommen wir dahin? Und sollt ichHeerfahrten durch dreißig Herren Land,Gern dienstbereit erwiese sich ihnenSiegfriedens Hand." Da sprachen seine Recken: "Steht euchzur Fahrt der Muth 783 Nach demHofgelage, wir rathen, was ihr thut: Ihrsollt mit tausend Recken reiten an denRhein: So mögt ihr wohl mit Ehren bei

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den Burgunden sein." Da sprach von Niederlanden der KönigSiegmund: 784 "Wollt ihr zumHofgelage, was thut ihr mirs nicht kund?Ich will mit euch reiten, wenn ihrszufrieden seid; Hundert Degen führ ich, damit mehr ich eur Geleit." "Wollt ihr mit uns reiten, lieber Vatermein," 785 Sprach der kühneSiegfried, "des will ich fröhlich sein.Binnen zwölf Tagen räum ich unser Land."Die sie begleiten sollten, denen gab manRoss' und Gewand. Als dem edeln König zur Reise stand derMuth, 786 Da ließ man wiederreiten die schnellen Degen gut. SeinerFrauen Brüdern entbot er an den Rhein,Daß er gerne wolle bei ihrem Hofgelagesein.

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Siegfried und Kriemhild, so hörten wirsagen, 787 Beschenkten so dieBoten, es mochten es nicht tragen DiePferde nach der Heimat: er war einreicher Mann. Ihre starken Säumer triebman zur Reise fröhlich an. Da schuf dem Volke Kleider Siegfriedund Siegemund. 788 Eckewart derMarkgraf ließ da gleich zur StundFrauenkleider suchen, die besten, dieman fand Und irgend mocht erwerben inSiegfriedens ganzem Land. Die Sättel und die Schilde man dabereiten ließ. 789 Den Ritternund den Frauen, die er sich folgen hieß,Gab man, was sie wollten; nichts gebrachdaran. Er brachte seinen Freunden manchen herrlichen Mann.

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Nun wandten sich die Boten zurück undeilten sehr. 790 Da kam zu denBurgunden Gere, der Degen hehr, Undwurde schön empfangen: sie schwangensich zu Thal Von Rossen und von Mähren dort vor König Gunthers Saal. Die Jungen und die Alten kamen, wieman thut, 791 Und fragten nachder Märe. Da sprach der Ritter gut:"Wenn ichs dem König sage, wird es aucheuch bekannt." Er gieng mit den Gesellen dahin, wo er Gunthern fand. Der König vor Freude von dem Seßelsprang; 792 Daß sie so baldgekommen, sagt' ihnen Dank Brunhild dieSchöne. Zu den Boten sprach er da: "Wiegehabt sich Siegfried, von dem mir Liebeviel geschah?" Da sprach der kühne Gere: "Er ward vor

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Freuden roth, 793 Er und eureSchwester. So holde Mär entbot SeinenFreunden nimmer noch zuvor ein Mann,Als euch der edle Siegfried und seinVater hat gethan." Da sprach zum Markgrafen des reichenKönigs Weib: 794 "Nun sagt mir,kommt uns Kriemhild? Hat noch ihrschöner Leib Die hohe Zier behalten, deren sie mochte pflegen?" Er sprach: "Siekommen beide; mit ihnen mancher kühneDegen." Ute ließ die Boten alsbald vor sich gehn. 795 Da wars an ihrem Fragen leichtlich zu verstehn, Was sie zu wißenwünsche: "War Kriemhild noch wohlauf?"Er gab Bescheid, sie kam auch nachkurzer Tage Verlauf. Da blieb auch nicht verhohlen am Hof

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der Botensold, 796 Den ihnenSiegfried schenkte, die Kleider und dasGold: Die ließ man alle schaun in der dreiFürsten Lehn. Da musten sie ihm Ehre wohl für Milde zugestehn. "Er mag," sprach da Hagen, "mit vollenHänden geben: 797 Er könnt esnicht verschwenden, und sollt er ewigleben. Den Hort der Nibelungen beschließt des Königs Hand; Hei! daß erjemals käme her in der Burgunden Land!" Da freuten sich die Degen am Hof imVoraus, 798 Daß sie kommensollten. Beflißen überaus Sah man spätund frühe Die in der Könge Lehn. Welchherrlich Gestühle ließ man vor der Burgerstehn! Hunold der kühne und Sindold derDegen 799 Hatten wenig

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Muße: des Amtes muste pflegenTruchseß auch und Schenke und richtenmanche Bank; Auch Ortwein warbehülflich: des sagt' ihnen Gunther Dank. Rumold der Küchenmeister, wieherrscht' er in der Zeit 800 Obseinen Unterthanen, gar manchem Keßelweit, Häfen und Pfannen; hei! was manderen fand! Denen ward da Kost bereitet, die da kamen in das Land. Der Frauen Arbeiten waren auch nichtklein: 801 Sie bereiteten dieKleider, darauf manch edler Stein, DesStralen ferne glänzten, gewirkt war in dasGold; Wenn sie die anlegten, ward ihnenMänniglich hold. * * * * *

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Dreizehntes Abenteuer. Wie sie zum Hofgelage fuhren. All ihr Bemühen laßen wir nun sein 802 Und sagen, wie FrauKriemhild und ihre Mägdelein Hin zumRheine fuhren von Nibelungenland.Niemals trugen Rosse so viel herrlichGewand. Viel Saumschreine wurden versendetauf den Wegen. 803 Da ritt mitseinen Freunden Siegfried der DegenUnd die Königstochter in hoher FreudenWahn; Da war es ihnen Allen zu großemLeide gethan. Sie ließen in der Heimat SiegfriedsKindelein 804 UndKriemhildens bleiben; das muste wohl so

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sein. Aus ihrer Hofreise erwuchs ihm vielBeschwer: Seinen Vater, seine Mutter ersah das Kindlein nimmermehr. Mit ihnen ritt von dannen Siegmund derKönig hehr. 805 Hätt er ahnenkönnen, wie es ihm nachher BeimHofgelag ergienge, er hätt es nichtgesehn: Ihm konnt an lieben Freunden größer Leid nicht geschehn. Vorausgesandte Boten verhießen sie beiZeit. 806 Entgegen ritten ihnen in herrlichem Geleit Von Utens Freundenviele und König Gunthers Lehn. Der Wirthließ großen Eifer für die lieben Gästesehn. Er gieng zu Brunhilden, wo er sie sitzenfand: 807 "Wie empfieng euchmeine Schwester, da ihr kamet in dießLand? So will ich, daß ihr Siegfrieds

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Gemahl empfangen sollt." "Das thu ich",sprach sie, "gerne: ich bin ihr billiglichhold." Da sprach der mächtige König: "Siekommen morgen fruh; 808 Wollt ihrsie empfangen, so greift nur bald dazu,Daß sie uns in der Veste nichtüberraschen hie: Mir sind so liebe Gäste nicht oft gekommen wie sie." Ihre Mägdelein und Frauen ließ sie dazur Hand 809 Gute Kleidersuchen, die besten, die man fand, Die ihrIngesinde vor Gästen mochte tragen. Dasthaten sie doch gerne: das mag man fürWahrheit sagen. Sie zu empfangen eilten auch Die inGunthers Lehn; 810 All seineRecken hieß er mit sich gehn. Da ritt dieKönigstochter hinweg in stolzem Zug. Die

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lieben Gäste grüßte sie alle freudiggenug. Mit wie hohen Ehren da empfieng mansie! 811 Sie dauchte, daßFrau Kriemhild Brunhilden nie So wohlempfangen habe in Burgundenland.Allen, die es sahen, war hohe Wonnebekannt. Nun war auch Siegfried kommen mitseiner Leute Heer. 812 Da sah mandie Helden sich wenden hin und her ImFeld allenthalben mit ungezähltenScharen. Vor Staub und Drängen konnte sich da Niemand bewahren. Als der Wirth des Landes Siegfriedensah 813 Und Siegmund denKönig, wie gütlich sprach er da: "Nun seidmir hochwillkommen und all denFreunden mein; Wir wollen hohen Muthes

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ob eurer Hofreise sein." "Nun lohn euch Gott," sprach Siegmund, der ehrbegierge Mann. 814 "Seit meinSohn Siegfried euch zum Freund gewann,Rieth mir all mein Sinnen, wie ich euchmöchte sehn." Da sprach König Gunther: "Nun freut mich, daß es geschehn." Siegfried ward empfangen, wie man daswohl gesollt, 815 Mit viel großenEhren; ein Jeder ward ihm hold. Des halfmit Rittersitten Gernot und Geiselher;Man bot es lieben Gästen so gütlich wohlnimmermehr. Nun konnten sich einander dieKöniginnen schaun. 816 Da sahman Sättel leeren und viel der schönenFraun Von der Helden Händen gehobenauf das Gras: Wer gerne Frauen diente, wie selten der da müßig saß!

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Da giengen zu einander die Frauenminniglich. 817 Darüberhöchlich freuten viel der Ritter sich, Daßder Beiden Grüßen so minniglichergieng. Man sah da manchen Recken, der Frauendienste begieng. Das herrliche Gesinde nahm sich beider Hand; 818 Züchtiglich sichneigen man allerorten fand Undminniglich sich küssen viel Frauenwohlgethan. Das sahen gerne Gunthersund Siegfrieds Mannen mit an. Sie säumten da nicht länger und rittennach der Stadt. 819 Der Wirth seinenGästen zu erweisen hat, Daß man siegerne sähe in der Burgunden Land.Manches schöne Kampfspiel man vor denJungfrauen fand.

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Da ließ von Tronje Hagen und auchOrtewein, 820 Wie siegewaltig waren, wohl offenkundig sein.Was sie gebieten mochten, das wardalsbald gethan. Man sah die lieben Gäste viel Dienst von ihnen empfahn. Man hörte Schilde hallen vor der VesteThor 821 Von Stichen und vonStößen. Lange hielt davor Der Wirth mitseinen Gästen, bis alle waren drin, Inmancher Kurzweil giengen ihnen schnelldie Stunden hin. Vor den weiten Gästesaal sie nun inFreuden ritten. 822 Viel kunstvolleDecken, reich und wohlgeschnitten, Sahman von den Sätteln den Frauenwohlgethan Allenthalben hangen; dakamen Diener heran. Zu Gemache wiesen sie die Gäste da.

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823 Hin und wieder blicken man Brunhilden sah Nach Kriemhild derFrauen; schön war sie genug: Den Glanznoch vor dem Golde ihre hehre Farbetrug. Da vernahm man allenthalben zu Wormsin der Stadt 824 Den Jubel desGesindes. König Gunther bat Dankwart,seinen Marschall, es wohl zu verpflegen:Da ließ er die Gäste in gute Herbergenlegen. Draußen und darinnen beköstigte mansie: 825 So wohl gewartetwurde fremder Gäste nie. Was Einerwünschen mochte, das war ihm gerngewährt: So reich war der König, es bliebKeinem was verwehrt. Man dient' ihnen freundlich und ohnallen Haß. 826 Der König zu

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Tische mit seinen Gästen saß; Siegfriedenließ man sitzen, wie er sonst gethan. Mitihm gieng zu Tische gar mancherwaidliche Mann. Zwölfhundert Recken setzten sich dahin 827 Mit ihm an der Tafel. Brunhild die Königin Gedachte, wie einDienstmann nicht reicher möge sein.Noch war sie ihm günstig, sie ließ ihngerne gedeihn. Es war an einem Abend, da so der Königsaß, 828 Viel reiche Kleiderwurden da vom Weine naß, Als dieSchenken sollten zu den Tischen gehn: Dasah man volle Dienste mit großem Fleißegeschehn. Wie bei Hofgelagen Sitte mochte sein, 829 Ließ man zur Ruhgeleiten Fraun und Mägdelein. Von

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wannen wer gekommen, der Wirth ihmSorge trug; In gütlichen Ehren gab manAllen genug. Die Nacht war zu Ende, sich hob desTages Schein, 830 Aus denSaumschreinen mancher EdelsteinErglänzt' auf gutem Kleide; das schuf derFrauen Hand. Aus der Lade suchten sie manches herrliche Gewand. Eh es noch völlig tagte, kamen vor denSaal 831 Ritter viel undKnechte: da hob sich wieder Schall Voreiner Frühmesse, die man dem Königsang. So ritten junge Helden, der Königsagt' ihnen Dank. Da klangen die Posaunen von manchemkräftgen Stoß; 832 Von Flöten undDrommeten ward der Schall so groß,Worms die weite Veste gab lauten

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Widerhall. Auf die Rosse sprangen diekühnen Helden überall. Da hob sich in dem Lande ein hohesRitterspiel 833 Von manchemguten Recken: man fand ihrer viel, Derenjunge Herzen füllte froher Muth. UnterSchilden sah man manchen zieren Rittergut. Da ließen in den Fenstern die herrlichenFraun 834 Und viel der schönenMaide sich im Schmucke schaun. Siesahen kurzweilen manchen kühnen Mann:Der Wirth mit seinen Freunden zu reitenselber begann. So vertrieben sie die Weile, die dauchtesie nicht lang. 835 Da lud zu demDome mancher Glocke Klang: DenFrauen kamen Rosse, da ritten siehindann; Den edeln Königinnen folgte

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mancher kühne Mann. Sie stiegen vor dem Münster nieder aufdas Gras. 836 Noch hegte zu denGästen Brunhild keinen Haß. Sie giengenunter Krone in das Münster weit. Baldschied sich diese Liebe: das wirktegrimmiger Neid. Als die Messe war gesungen, sah mansie weiter ziehn 837 Unter hohenEhren. Sie giengen heiter hin Zu desKönigs Tischen. Ihre Freude nicht erlagBei diesen Lustbarkeiten bis gegen deneilften Tag. Die Königin gedachte: "Ich wills nichtlänger tragen. 838 Wie ich es fügenmöge, Kriemhild muß mir sagen, Warumuns so lange den Zins versaß ihr Mann:Der ist doch unser Eigen: der Frag ichnicht entrathen kann."

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So harrte sie der Stunde, bis es derTeufel rieth, 839 Daß sie dasHofgelage und die Lust mit Leide schied.Was ihr lag am Herzen, zu Lichte must eskommen: Drum ward in manchen Landen durch sie viel Jammer vernommen. * * * * *

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Vierzehntes Abenteuer. Wie die Königinnen sich schalten. Es war vor einer Vesper, als man denSchall vernahm, 840 Der vonmanchem Recken auf dem Hofe kam: Siestellten Ritterspiele der Kurzweil willenan. Da eilten es zu schauen Frauen vielund mancher Mann. Da saßen beisammen die Königinnenreich 841 Und gedachtenzweier Recken, die waren ohne Gleich.Da sprach die schöne Kriemhild: "Ich habeinen Mann, Dem wären diese Reiche allebillig unterthan." Da sprach zu ihr Frau Brunhild: "Wiekönnte das wohl sein? 842 WennAnders Niemand lebte als du und er

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allein, So möchten ihm die Reiche wohl zuGebote stehn: So lange Gunther lebte, sokönnt es nimmer geschehn." Da sprach Kriemhild wieder: "Siehst du,wie er steht, 843 Wie er da soherrlich vor allen Recken geht, Wie derlichte Vollmond vor den Sternen thut!Darob mag ich wohl immer tragenfröhlichen Muth." Da sprach wieder Brunhild: "Wiewaidlich sei dein Mann, 844 Wieschön und wie bieder, so steht ihm dochvoran Gunther der Recke, der edleBruder dein: muß vor allen Königen, daswiße du wahrlich, sein." Da sprach Kriemhild wieder: "So werthist mein Mann, 845 Daß er ohneGrund nicht solch Lob von mir gewann.An gar manchen Dingen ist seine Ehre

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groß. Glaubst du das, Brunhild? er istwohl Gunthers Genoß!" "Das sollst du mir, Kriemhild, im Argennicht verstehn; 846 Es ist auch meineRede nicht ohne Grund geschehn. Ichhört' es Beide sagen, als ich zuerst siesah, Und als des Königs Willen in meinenSpielen geschah. "Und da er meine Minne so ritterlichgewann, 847 Da sagt' esSiegfried selber, er sei des Königs Mann:Drum halt ich ihn für eigen: ich hört' esihn gestehn." Da sprach die schöneKriemhild: "So wär mir übel geschehn. "Wie hätten so geworben die edelnBrüder mein, 848 Daß ich desEigenmannes Gemahl sollte sein? Darumwill ich, Brunhild, gar freundlich dichbitten, Laß mir zu Lieb die Rede hinfort

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mit gütlichen Sitten." Die Königin versetzte: "Sie laßen magich nicht: 849 Wie thät ich auf somanchen Ritter wohl Verzicht, Der uns mitdem Degen zu Dienst ist unterthan?"Kriemhild die Schöne hub da sehr zuzürnen an. "Dem must du wohl entsagen, daß er inder Welt 850 Dir irgend Diensteleiste. Werther ist der Held Als meinBruder Gunther, der Degen unverzagt.Erlaß mich der Dinge, die du mir jetzogesagt. "Auch muß mich immer wundern, wenner dein Dienstmann ist 851 Und du obuns Beiden So gewaltig bist, Warum erdir so lange den Zins verseßen hat;Deines Uebermuthes wär ich billig nunsatt."

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"Du willst dich überheben," sprach dadie Königin. 852 "Wohlan, ich willdoch schauen, ob man dich fürderhin Sohoch in Ehren halte, als man mich selberthut." Die Frauen waren beide in sehrzornigem Muth. Da sprach wieder Kriemhild: "Das wirddir wohl bekannt: 853 Da du meinenSiegfried dein eigen hast genannt, Sosollen heut die Degen der beiden Köngesehen, Ob ich vor der Königin wohl zurKirche dürfe gehn. "Ich laße dich wohl schauen, daß ichedel bin und frei, 854 Und daß meinMann viel werther als der deine sei. Ichwill damit auch selber nicht bescholtensein: Du sollst noch heute sehen, wie dieEigenholde dein

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"Zu Hof geht vor den Helden inBurgundenland. 855 Ich willhöher gelten, als man je gekannt EineKönigstochter, die noch die Krone trug."Unter den Frauen hob sich der Haß dagrimm genug. Da sprach Brunhild wieder: "Willst dunicht eigen sein, 856 So must du dichscheiden mit den Frauen dein Vonmeinem Ingesinde, wenn wir zumMünster gehn." "In Treuen," sprach daKriemhild, "also soll es geschehn." "Nun kleidet euch, ihr Maide," hub daKriemhild an: 857 "Ob ich frei vonSchande hier nicht verbleiben kann, Laßtes heute schauen, besitzt ihr reichenStaat; Sie soll es noch verläugnen, was ihrMund gesprochen hat." Ihnen war das leicht zu rathen; sie

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suchten reich Gewand. 858 Wie baldman da im Schmucke viel Fraun undMaide fand! Da gieng mit dem Gesinde des edeln Wirths Gemahl; Zu Wunschgekleidet ward auch die schöneKriemhild zumal Mit dreiundvierzig Maiden, die sie zumRhein gebracht; 859 Die trugenlichte Zeuge, in Arabien gemacht. Sokamen zu dem Münster die Mägdleinwohlgethan. Ihrer harrten vor dem Hause Die Siegfrieden unterthan. Die Leute nahm es Wunder, warum dasgeschah, 860 Daß man dieKöniginnen so geschieden sah, Und daßsie bei einander nicht giengen so wie eh.Das gerieth noch manchem Degen zuSorgen und großem Weh. Nun stand vor dem Münster König

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Gunthers Weib. 861 Da fandenviel der Ritter genehmen Zeitvertreib Beiden schönen Frauen, die sie da nahmenwahr. Da kam die edle Kriemhild mitmancher herrlichen Schar. Was Kleider je getragen eines edelnRitters Kind, 862 Gegen ihrGesinde war alles nur wie Wind. Sie warso reich an Gute, dreißig KönigsfraunMochten die Pracht nicht zeigen, die daan ihr war zu schaun. Was man auch wünschen mochte, Niemand konnte sagen, 863 Daß erso reiche Kleider je gesehen tragen, Alsda zur Stunde trugen ihre Mägdleinwohlgethan. Brunhilden wars zu Leide, sonst hätt es Kriemhild nicht gethan. Nun kamen sie zusammen vor demMünster weit. 864 Die Hausfrau

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des Königs aus ingrimmem Neid Hieß daKriemhilden unwirsch stille stehn: "Es sollvor Königsweibe die Eigenholde nichtgehn." Da sprach die schöne Kriemhild, zornigwar ihr Muth: 865 "Hättest du nochgeschwiegen, das wär dir wohl gut. Duhast geschändet selber deinen schönenLeib: Mocht eines Mannes Kebse jewerden Königesweib?" "Wen willst du hier verkebsen?" sprachdes Königs Weib. 866 "Das thu ichdich," sprach Kriemhild: "deinen schönenLeib Hat Siegfried erst geminnet, meingeliebter Mann: Wohl war es nicht meinBruder, der dein Magdthum gewann. "Wo blieben deine Sinne? Es war docharge List: 867 Was ließest du ihnminnen, wenn er dein Dienstmann ist? Ich

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höre dich," sprach Kriemhild, "ohn alleUrsach klagen." "In Wahrheit," sprach daBrunhild, "das will ich doch Gunthernsagen." "Wie mag mich das gefährden? DeinUebermuth hat dich betrogen: 868 Duhast mich mit Reden in deine Dienstegezogen, Daß wiße du in Treuen, es istmir immer leid: Zu trauter Freundschaftbin ich dir nimmer wieder bereit." Brunhild begann zu weinen; Kriemhildes nicht verhieng, 869 Vor desKönigs Weibe sie in das Münster giengMit ihrem Ingesinde. Da hub sich großerHaß; Es wurden lichte Augen sehr getrübtdavon und naß. Wie man da Gott auch diente oderJemand sang, 870 Brunhildenwährte die Weile viel zu lang. War

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allzutrübe der Sinn und auch der Muth:Des muste bald entgelten mancherDegen kühn und gut. Brunhild mit ihren Frauen gieng vor dasMünster stehn. 871 Sie gedachte:"Ich muß von Kriemhild mehr zu hörensehn, Wes mich so laut hier zeihte daswortscharfe Weib: Und wenn er sichsgerühmt hat, gehts ihm an Leben undLeib!" Nun kam die edle Kriemhild mitmanchem kühnen Mann. 872 Dabegann Frau Brunhild: "Haltet hier nochan. Ihr wolltet mich verkebsen: laßt unsBeweise sehn, Mir ist von euern Reden, das wißet, übel geschehn." Da sprach die schöne Kriemhild: "Waslaßt ihr mich nicht gehn? 873 Ich bezeuges mit dem Golde, an meiner Hand zu

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sehn. Das brachte mir Siegfried, nachdem er bei euch lag." Nie erlebteBrunhild wohl einen leidigen Tag. Sie sprach: "Dieß Gold das edle, dasward mir gestohlen 874 Und bliebmir lange Jahre übel verhohlen: Ichkomme nun dahinter, wer mir es hatgenommen." Die Frauen waren beide ingroßen Unmuth gekommen. Da sprach wieder Kriemhild: "Ich willnicht sein der Dieb. 875 Du hättestschweigen sollen, wär dir Ehre lieb. Ichbezeug es mit dem Gürtel, den ichumgethan, Ich habe nicht gelogen: wohlwurde Siegfried dein Mann." Von Niniveer Seide sie eine Borte trug 876 Mit edelm Gesteine, diewar wohl schön genug. Als Brunhild sieerblickte, zu weinen hub sie an. Das

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muste Gunther wißen und alle Die ihmunterthan. Da sprach des Landes Königin: "Sendether zu mir 877 Den König vomRheine: hören soll er hier, Wie sehr seineSchwester schändet meinen Leib: Sie sagtvor allen Leuten, ich sei SiegfriedensWeib." Der König kam mit Recken: als erweinen sah 878 Brunhild seineTraute, gütlich sprach er da: "Von wem,liebe Fraue, ist euch ein Leid geschehn?"Sie sprach zu dem König: "Unfröhlichmuß ich hier stehn. Aller meiner Ehren hat die Schwesterdein 879 Mich beraubenwollen. Geklagt soll dir sein, Sie sagt: ichsei die Kebse von Siegfried ihrem Mann."Da sprach König Gunther: "So hat sie übel

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gethan." "Sie trägt hier meinen Gürtel, den ichlängst verloren, 880 Und mein Golddas rothe. Daß ich je ward geboren, Desmuß mich sehr gereuen: befreist du,Herr, mich nicht Solcher großen Schande, ich minne nie wieder dich." Da sprach König Gunther: "So ruft ihnherbei: 881 Hat er sichsgerühmet, das gesteh er frei, Er woll esdenn läugnen, der Held von Niederland."Da ward der kühne Siegfried bald hin zuihnen gesandt. Als Siegfried der Degen dieUnmuthvollen sah 882 Und denGrund nicht wuste, balde sprach er da:"Was weinen diese Frauen? das machtmir bekannt: Oder wessentwegen wurdehier nach mir gesandt"

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Da sprach König Gunther: "GroßHerzleid fand ich hier. 883 Eine Märesagte mein Weib Frau Brunhild mir: Duhabest dich gerühmet, du wärst ihr ersterMann. So spricht dein Weib FrauKriemhild: hast du, Degen, das gethan?" "Niemals," sprach da Siegfried; "und hatsie das gesagt, 884 Nicht eher will ichruhen, bis sie es beklagt, Und will davonmich reinigen vor deinem ganzen HeerMit meinen hohen Eiden, ich sagteSolches nimmermehr." Da sprach der Fürst vom Rheine: "Wohlan, das zeige mir. 885 Der Eid,den du geboten, geschieht der allhier,Aller falschen Dinge laß ich dich lediggehn." Man ließ in einem Ringe diestolzen Burgunden stehn.

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Da bot der kühne Siegfried zum Eide hindie Hand. 886 Da sprach derreiche König: "Jetzt hab ich wohl erkannt,Ihr seid hieran unschuldig und sollt desledig gehn: Des euch Kriemhild zeihte, das ist nicht von euch geschehn." Da sprach wieder Siegfried: "Undkommt es ihr zu Gut, 887 Daßdeinem schönen Weibe sie so betrübtden Muth, Das wäre mir wahrlich aus derMaßen leid." Da blickten zu einander dieRitter kühn und allbereit. "Man soll so Frauen ziehen," sprachSiegfried der Degen, 888 "Daß sieüppge Reden laßen unterwegen; Verbietes deinem Weibe, ich will es meinemthun. Solchen Uebermuthes in Wahrheitschäm ich mich nun." Viel schöne Frauen wurden durch Reden

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schon entzweit. 889 Da erzeigteBrunhild solche Traurigkeit, Daß eserbarmen muste Die in Gunthers Lehn.Von Tronje Hagen sah man zu derKönigin gehn. Er fragte, was ihr wäre, da er sieweinend fand. 890 Sie sagt' ihmdie Märe. Er gelobt' ihr gleich zur Hand,Daß es büßen sollte der KriemhildeMann, Oder man treff ihn nimmer unterFröhlichen an. Ueber die Rede kamen Ortwein undGernot, 891 Allda die Heldenriethen zu Siegfriedens Tod. Dazu kamauch Geiselher, der schönen Ute Kind;Als er die Rede hörte, sprach derGetreue geschwind: "O weh, ihr guten Knechte, warum thutihr das? 892 Siegfried verdiente

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ja niemals solchen Haß, Daß er darumverlieren Leben sollt und Leib: Auch sindes viel Dinge, um die wohl zürnet einWeib." "Sollen wir Gäuche ziehen?" sprachHagen entgegen: 893 "Das brächtewenig Ehre solchen guten Degen. Daß ersich rühmen durfte der lieben Frauenmein, Ich will des Todes sterben oder esmuß gerochen sein." Da sprach der König selber: "Er hat unsnichts gethan 894 Als Liebes undGutes: leb er denn fortan. Was sollt ichdem Recken hegen solchen Haß? Erbewies uns immer Treue, gar williglichthat er das." Da begann der Degen von Metz HerrOrtewein: 895 "Wohl kann ihmnicht mehr helfen die große Stärke sein.

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Will es mein Herr erlauben, ich thu ihmalles Leid." Da waren ihm die Helden ohne Grund zu schaden bereit. Dem folgte doch Niemand, außer daßHagen 896 Alle Tage pflegte zu Gunthern zu sagen: Wenn Siegfriednicht mehr lebte, ihm würden unterthanManches Königs Lande. Da hub der Heldzu trauern an. Man ließ es bewenden und gieng demKampfspiel nach. 897 Hei! was manstarker Schäfte vor dem Münster brachVor Siegfriedens Weibe bis hinan zumSaal! Mit Unmuth sah es Mancher, demKönig Gunther befahl. Der König sprach: "Laßt fahren denmordlichen Zorn. 898 Er ist uns zuEhren und zum Heil geborn; Auch ist sogrimmer Stärke der wunderkühne Mann,

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Wenn ers inne würde, so dürfte Niemandihm nahn." "Nicht doch," sprach da Hagen, "da dürftihr ruhig sein: 899 Wir leiten in derStille alles sorglich ein. BrunhildensWeinen soll ihm werden leid. Immer seiihm Hagen zu Haß und Schaden bereit." Da sprach der König Gunther: "Wiemöcht es geschehn?" 900 ZurAntwort gab ihm Hagen: "Das sollt ihrbald verstehn: Wir laßen Boten reiten herin dieses Land, Uns offnen Krieg zukünden, die hier Niemand sind bekannt. "Dann sagt ihr vor den Gästen, ihr wolltmit euerm Lehn 901 Euch zurHeerfahrt rüsten. Sieht er das geschehn,So verspricht er euch zu helfen; danngehts ihm an den Leib, Erfahr ich nur dieMäre von des kühnen Recken Weib."

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Der König folgte leider seinesDienstmanns Rath. 902 So hubenan zu sinnen auf Untreu und Verrath, Ehes wer erkannte, die Ritter auserkoren:Durch zweier Frauen Zanken gieng damancher Held verloren. * * * * *

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Fünfzehntes Abenteuer. Wie Siegfried verrathen ward. Man sah am vierten Morgen zweiunddreißig Mann 903 Hinzu Hofe reiten: da ward es kund gethanGunther dem reichen, es droh ihm neuerStreit. Die Lüge schuf den Frauen dasallergrößeste Leid. Sie gewannen Urlaub, an den Hof zugehn. 904 Da sagten sie, sieständen in Lüdegers Lehn, Den einstbezwungen hatte Siegfriedens Hand Undihn als Geisel brachte König Gunthern indas Land. Die Boten grüßte Gunther und hieß siesitzen gehn. 905 Einer sprachdarunter: "Herr König, laßt uns stehn,

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Daß wir die Mären sagen, die euchentboten sind. Wohl habt ihr zu Feinden, das wißt, mancher Mutter Kind. "Euch wiedersagen Lüdegast und KönigLüdeger: 906 Denen schuft ihrweiland grimmige Beschwer; Nun wollensie mit Heereskraft reiten in dieß Land."Gunther begann zu zürnen, als wär es ihmunbekannt. Man ließ die falschen Boten zu denHerbergen gehn. 907 Wie mochteda Siegfried der Tücke sich versehn, Eroder anders Jemand, die man so listigspann? Doch war es ihnen selber zugroßem Leide gethan. Der König mit den Freunden giengraunend ab und zu: 908 Hagen vonTronje ließ ihm keine Ruh, Noch wollt esMancher wenden in des Königs Lehn;

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Doch nicht vermocht er Hagen von seinenRäthen abzustehn. Eines Tages Siegfried die Degenraunend fand. 909 Da begannzu fragen der Held der Niederland: "Wietraurig geht der König und Die ihmunterthan? Das helf ich immer rächen, hatihnen wer ein Leid gethan." Da sprach König Gunther: "Wohl hab ichHerzeleid: 910 Lüdegast undLüdeger drohn mir wieder Streit. MitHeerfahrten wollen sie reiten in meinLand." Da sprach der kühne Degen: "Demsoll Siegfriedens Hand "Nach allen euern Ehren mit Kräftenwiderstehn; 911 Von mirgeschieht den Degen, was ihnen einstgeschehn. Ihre Burgen leg ich wüste unddazu ihr Land, Eh ich ablaße: des sei

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mein Haupt euer Pfand. "Ihr mit euern Mannen nehmt derHeimat wahr; 912 Laßt mich zuihnen reiten mit meiner Leute Schar. Daßich euch gerne diene, laß ich euch wohlsehn: Von mir soll euern Feinden, daswißet, übel geschehn." "Nun wohl mir dieser Märe," der Königsprach da so, 913 Als wär er seinerHülfe alles Ernstes froh. Tief neigte sich inFalschheit der ungetreue Mann. Dasprach der edle Siegfried: "Laßt euchkeine Sorge nahn." Sie schickten mit den Knechten zu derFahrt sich an: 914 Siegfrieden undden Seinen ward es zum Schein gethan.Da hieß er sich rüsten Die vonNiederland: Siegfriedens Recken suchtenihr Streitgewand.

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Da sprach der starke Siegfried: "MeinVater Siegmund, 915 Bleibt ihr hierim Lande: wir kehren bald gesund, WillGott uns Glück verleihen, wieder an denRhein. Ihr sollt bei dem König unterdessen fröhlich sein." Da wollten sie von dannen: die Fähnleinband man an. 916 Umher standenViele, die Gunthern unterthan Und hattennicht erfahren, wie es damit bewandt.Groß Heergesinde war es, das da beiSiegfrieden stand. Die Panzer und die Helme man auf dieRosse lud; 917 Aus dem Landewollten viel starke Recken gut. Da giengvon Tronje Hagen hin, wo er Kriemhildfand; Er bat sie um Urlaub: sie wolltenräumen das Land.

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"Nun wohl mir," sprach Kriemhild, "daßich den Mann gewann." 918 Der meinelieben Freunde so wohl beschützen kann,Wie hier mein Herr Siegfried an meinenBrüdern thut: Darum trag ich," sprach dieKönigin, "immer fröhlichen Muth. "Lieber Freund Hagen, nun hoff ich, ihrgedenkt, 919 Daß ich euch gernediene; ich hab euch nie gekränkt. Daskomme mir zu Gute an meinem liebenMann: Laßt es ihn nicht entgelten, was ichBrunhilden gethan. "Des hat mich schon gereuet," sprachdas edle Weib, 920 "Auch hat er sozerbleuet zur Strafe mir den Leib, Daß ichje beschwerte mit Reden ihr den Muth, Erhat es wohl gerochen, dieser Degen kühnund gut." Da sprach er: "Ihr versöhnt euch wohl

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nach wenig Tagen. 921 Kriemhild,liebe Herrin, nun sollt ihr mir sagen, Wieich euch dienen möge an Siegfried euermHerrn. Ich gönn es niemand beßer undthu es, Königin, gern." "Ich wär ohn alle Sorge," sprach da dasedle Weib, 922 "Daß man ihm imKampfe Leben nähm und Leib, Wenn ernicht folgen wollte seinem Uebermuth; Sowär immer sicher dieser Degen kühn undgut." "Fürchtet ihr, Herrin," Hagen da begann, 923 "Daß er verwundetwerde, so vertraut mir an, Wie soll ichsbeginnen, dem zu widerstehn? Ihn zuschirmen will ich immer bei ihm reitenund gehn." Sie sprach: "Du bist mir Sippe, so will ichdir es sein: 924 Ich befehle dir auf

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Treue den holden Gatten mein. Daß dumir behütest den geliebten Mann." Wasbeßer wär verschwiegen, vertraute da sieihm an. Sie sprach: "Mein Mann ist tapfer, dazuauch stark genug. 925 Als er denLinddrachen an dem Berge schlug, Dabadet' in dem Blute der Degen allbereit,Daher ihn keine Waffe je versehrenmocht im Streit. "Jedoch bin ich in Sorgen, wenn er imKampfe steht 926 Und aus derHelden Hände mancher Sperwurf geht,Daß ich da verliere meinen lieben Mann.Hei! was ich Sorgen oft um Siegfriedgewann! "Mein lieber Freund, ich meld es nun aufGnade dir, 927 Daß du deine Treue bewähren mögst an mir, Wo man mag

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verwunden meinen lieben Mann. Dassollst du nun vernehmen: es ist auf Gnadegethan. "Als von des Drachen Wunden floß dasheiße Blut, 928 Und sich darinnebadete der kühne Recke gut, Da fiel ihmauf die Achseln ein Lindenblatt so breit:Da kann man ihn verwunden; das schafftmir Sorgen und Leid." Da sprach von Tronje Hagen: "So nähtauf sein Gewand 929 Mir einkleines Zeichen mit eigener Hand, Wo ichihn schirmen müße, mag ich daranverstehn." Sie wähnt' ihn so zu fristen; aufseinen Tod wars abgesehn. Sie sprach: "Mit feiner Seide näh ich aufsein Gewand 930 Insgeheim einKreuzchen: da soll, Held, deine Hand Mirden Mann behüten, wenns ins Gedränge

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geht, Und er vor seinen Feinden in denstarken Stürmen steht." "Das thu ich," sprach da Hagen, "vielliebe Herrin mein." 931 Wohl wähnteda die Gute, sein Frommen sollt es sein:Da war hiemit verrathen der KriemhildeMann. Urtaub nahm da Hagen: da gienger fröhlich hindann. Was er erfahren hatte, bat ihn sein Herrzu sagen. 932 "Mögt ihr die Reisewenden, so laßt uns reiten jagen. Ichweiß nun wohl die Kunde, wie ich ihntödten soll. Wollt ihr die Jagd bestellen?" "Das thu ich," sprach der König, "wohl." Der Dienstmann des Königs war frohund wohlgemuth. 933 Gewiss, daßsolche Bosheit kein Recke wieder thut Biszum jüngsten Tage, als da von ihmgeschah, Da sich seiner Treue die schöne

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Königin versah. Früh des andern Morgens mit wohltausend Mann 934 Ritt Siegfriedder Degen mit frohem Muth hindann: Erwähnt', er solle rächen seiner FreundeLeid. So nah ritt ihm Hagen, daß erbeschaute sein Kleid. Als er ersah das Zeichen, da schickt' erungesehn, 935 Andre Mär zubringen, zwei aus seinem Lehn: InFrieden sollte bleiben König GunthersLand; Es habe sie Herr Lüdeger zu demKönig gesandt. Wie ungerne Siegfried abließ vomStreit, 936 Eh er gerochenhatte seiner Freunde Leid! Kaum hieltenihn zurücke Die Gunthern unterthan. Daritt er zu dem König, der ihm zu dankenbegann:

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"Nun lohn euch Gott, Freund Siegfried, den willigen Sinn, 937 Daß ihr sogerne thatet, was mir vonnöthen schien:Das will ich euch vergelten, wie ich billigsoll. Vor allen meinen Freunden vertrauich euch immer wohl. "Da wir uns der Heerfahrt so entledigtsehn, 938 So laßt uns nun Bären und Schweine jagen gehn Nach demOdenwalde, wie ich oft gethan." Gerathenhatte Hagen das, dieser ungetreue Mann. "Allen meinen Gästen soll man das nunsagen, 939 Ich denke früh zureiten: die mit mir wollen jagen, Die laßtsich fertig halten; die aber hier bestehn,Kurzweilen mit den Frauen: so sei mirLiebes geschehn." Mit herrlichen Sitten sprach da

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Siegfried: 940 "Wenn ihrjagen reitet, da will ich gerne mit. So solltihr mir leihen einen Jägersmann Mitetlichen Bracken: So reit ich mit euch inden Tann." "Wollt ihr nur Einen?" frug Guntherzuhand; 941 "Ich leih euch,wollt ihr, viere, denen wohl bekannt DerWald ist und die Steige, wo viel Wildesist, Daß ihr des Wegs unkundig nichtledig wieder heimwärts müßt." Da ritt zu seinem Weibe der Degenunverzagt. 942 Derweil hatteHagen dem König gesagt, Wie erverderben wolle den herrlichen Degen.So großer Untreue sollt ein Mann nimmerpflegen. Als die Ungetreuen beschloßen seinenTod, 943 Da wusten sie es

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Alle. Geiselher und Gernot Wollten nichtmit jagen. Weiß nicht, aus welchem GrollSie ihn nicht verwarnten; doch desentgalten sie voll. * * * * *

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Sechzehntes Abenteuer. Wie Siegfried erschlagen ward. Gunther und Hagen, die Reckenwohlgethan 944 Gelobten mitUntreuen ein Birschen in den Tann. Mitihren scharfen Spießen wollten sie jagenSchwein' Und Bären und Wisende: wasmochte Kühneres sein? Da ritt auch mit ihnen Siegfried mitstolzem Sinn. 945 Man brachtihnen Speise aller Art dahin. An einemkühlen Brunnen ließ er da das Leben:Den Rath hatte Brunhild, König GunthersWeib, gegeben. Da gieng der kühne Degen hin, wo erKriemhild fand. 946 Schon waraufgeladen das edle Birschgewand Ihm

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und den Gefährten: sie wollten überRhein. Da konnte Kriemhilden nicht leiderzu Muthe sein. Seine liebe Traute küsst' er auf denMund: 947 "Gott laße michdich, Liebe, noch wiedersehn gesundUnd deine Augen mich auch; mit holdenFreunden dein Kürze dir die Stunden: ichkann nun nicht bei dir sein." Da gedachte sie der Märe, sie durft esihm nicht sagen, 948 Nach der sieHagen fragte: da begann zu klagen Dieedle Königstochter, daß ihr das Lebenward: Ohne Maßen weinte diewunderschöne Fraue zart. Sie sprach zu dem Recken: "Laßt euerJagen sein: 949 Mir träumte heuntvon Leide, wie euch zwei wilde SchweinUeber die Haide jagten: da wurden

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Blumen roth. Daß ich so bitter weine, dasthut mir armem Weibe Noth. "Wohl muß ich fürchten Etlicher Verrath, 950 Wenn man den undjenen vielleicht beleidigt hat, Die unsverfolgen könnten mit feindlichem Haß.Bleibt hier, lieber Herre, mit Treuen rathich euch das." Er sprach: "Liebe Traute, ich kehr inkurzer Zeit; 951 Ich weiß nicht,daß hier Jemand mir Haß trüg oder Neid.Alle deine Freunde sind insgemein mirhold; Auch verdient' ich von den Degen wohl nicht anderlei Sold." "Ach nein, lieber Siegfried: wohl fürchtich deinen Fall. 952 Mir träumte heuntvon Leide, wie über dir zu Thal Fielenzwei Berge, daß ich dich nie mehr sah:Und willst du von mir scheiden, das geht

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mir inniglich nah." Er umfieng mit Armen das zuchtreicheWeib, 953 Mit holden Küssenherzt' er ihr den schönen Leib. Da nahmer Urlaub und schied in kurzer Stund: Sieersah ihn leider darnach nicht wiedergesund. Da ritten sie von dannen in einen tiefenTann 954 Der Kurzweile willen; manch kühner Rittersmann Ritt mit demKönig; hinaus gesendet ward Auch vielder edeln Speise, die sie brauchten zuder Fahrt. Manch Saumross zog beladen vor ihnenüberrhein, 955 Das denJagdgesellen das Brot trug und den Wein,Das Fleisch mit den Fischen und Vorrathaller Art, Wie sie ein reicher König wohlhaben mag auf der Fahrt.

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Da ließ man herbergen bei dem Waldegrün 956 Vor des WildesWechsel die stolzen Jäger kühn, Wo sieda jagen wollten, auf breitemAngergrund. Auch Siegfried wargekommen: das ward dem Könige kund. Von den Jagdgesellen wardumhergestellt 957 Die Wartan allen Enden: da sprach der kühneHeld, Siegfried der starke: "Wer soll unsin den Wald Nach dem Wilde weisen, ihrDegen kühn und wohlgestalt?" "Wollen wir uns scheiden," hub daHagen an, 958 "Eh wirbeginnen zu jagen hier im Tann: Somögen wir erkennen, ich und der Herremein, Wer die besten Jäger bei dieserWaldreise sei'n.

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"Leute so wie Hunde, wir theilen unsdarein: 959 Dann fährt, wohinihm lüstet, Jeglicher allein" Und wer dasBeste jagte, dem sagen wir den Dank." Daweilten die Jäger bei einander nicht mehrlang. Da sprach der edle Siegfried: "DerHunde hab ich Rath 960 Bis aufeinen Bracken, der so genoßen hat, Daßer die Fährte spüre der Thiere durch denTann. Wir kommen wohl zum Jagen!" sprach der Kriemhilde Mann. Da nahm ein alter Jäger einen Spürhundhinter sich 961 Und brachte denHerren, eh lange Zeit verstrich, Wo sieviel Wildes fanden: was des erstöbertward, Das erjagten die Gesellen, wie heutnoch guter Jäger Art. Was da der Brack ersprengte, das

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schlug mit seiner Hand 962 Siegfriedder kühne, der Held von Niederland. SeinRoss lief so geschwinde, daß ihm nichtviel entrann: Das Lob er bei dem Jagen vor ihnen allen gewann. Er war in allen Dingen mannhaft genug. 963 Das erste der Thiere, die er zu Tode schlug, War ein starkerBüffel, den traf des Helden Hand: Nichtlang darauf der Degen einen grimmenLeuen fand. Als den der Hund ersprengte, schoß erihn mit dem Bogen 964 Und demscharfen Pfeile, den er darauf gezogen;Der Leu lief nach dem Schuße nur dreierSprünge lang. Seine Jagdgesellen, diesagten Siegfrieden Dank. Einen Wisend schlug er wieder darnachund einen Elk, 965 Vier starker

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Auer nieder und einen grimmen Schelk,So schnell trug ihn die Mähre, daß ihmnichts entsprang: Hinden und Hirsche wurden viele sein Fang. Einen großen Eber trieb der Spürhundauf. 966 Als der flüchtigwurde, da kam in schnellem Lauf AllesJagens Meister und nahm zum Ziel ihngleich. Anlief das Schwein im Zorne diesen Helden tugendreich. Da schlug es mit dem Schwerte derKriemhilde Mann: 967 Das hätt einandrer Jäger nicht so leicht gethan. Als ernun gefällt lag, fieng man den Spürhund.Seine reiche Beute wurde den Burgundenallen kund. Da sprachen seine Jäger: "Kann esfüglich sein, 968 So laßt uns,Herr Siegfried, des Wilds ein Theil

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gedeihn: Ihr wollt uns heute leeren denBerg und auch den Tann." Darob begannzu lächeln der Degen kühn undwohlgethan. Da vernahm man allenthalben Lärmenund Getos. 969 Von Leuten undvon Hunden ward der Schall so groß, Manhörte widerhallen den Berg und auch denTann. Vierundzwanzig Meuten hatten dieJäger losgethan. Da wurde viel des Wildes vom grimmenTod ereilt. 970 Sie wähnten es zufügen, daß ihnen zugetheilt Der Preis desJagens würde: das konnte nichtgeschehn, Als bei der Feuerstätte derstarke Siegfried ward gesehn. Die Jagd war zu Ende, doch nicht soganz und gar, 971 Zu derFeuerstelle brachte der Jäger Schar Häute

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mancher Thiere und des Wilds genug.Hei! was des zur Küche des KönigsIngesinde trug! Da ließ der König künden den Jägernwohlgeborn, 972 Daß er zumImbiß wolle; da wurde laut ins HornEinmal gestoßen: so machten siebekannt, Daß man den edeln Fürsten nunbei den Herbergen fand. Da sprach ein Jäger Siegfrieds: "Miteines Hornes Schall 973 Ward unskund gegeben, Herr, daß wir nun all ZurHerberge sollen: erwiedre ichs, dasbehagt." Da ward nach den Gesellen mitBlasen lange gefragt. Da sprach der edle Siegfried: "Nunräumen wir den Wald." 974 Sein Rosstrug ihn eben; die Andern folgten bald.Sie ersprengten mit dem Schalle ein

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Waldthier fürchterlich, Einen wildenBären; da sprach der Degen hinter sich: "Ich schaff uns Jagdgesellen eineKurzweil. 975 Da seh ich einenBären: den Bracken löst vom Seil. Zu denHerbergen soll mit uns der Bär: Er kannuns nicht entrinnen, und flöh er auch nochso sehr." Da lös'ten sie den Bracken: der Bärsprang hindann. 976 Da wollt ihnerreiten der Kriemhilde Mann. Er kam ineine Bergschlucht: da konnt er ihm nichtbei: Das starke Thier wähnte von denJägern schon sich frei. Da sprang von seinem Rosse der stolzeRitter gut 977 Und begann ihmnachzulaufen. Das Thier war ohne Hut, ESkonnt ihm nicht entrinnen: er fieng esallzuhand; Ohn es zu verwunden, der

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Degen eilig es band. Kratzen oder beißen konnt es nicht denMann. 978 Er band es an denSattel; auf saß der Schnelle dann Undbracht es an die Feuerstatt in seinemhohen Muth Zu einer Kurzweile, dieserDegen kühn und gut. Er ritt zur Herberge in welcherHerrlichkeit! 979 Sein Sper wargewaltig, stark dazu und breit; Eineschmucke Waffe hieng ihm herab bis aufden Sporn; Von rothem Golde führte derHeld ein herrliches Horn. Von beßerm Birschgewande hört ichniemals sagen. 980 Einen Rockvon schwarzem Zeuge sah man ihn tragenUnd einen Hut von Zobel, der reich wargenug. Hei! was edler Borten an seinemKöcher er trug!

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Ein Vlies von einem Panther war daraufgezogen 981 Des Wohlgerucheswegen. Auch trug er einen Bogen: Miteiner Winde must ihn ziehen an, Wer ihnspannen wollte, er hätt es selbst denngethan. Von fremden Tierhäuten war all seinGewand, 982 Das man vonKopf zu Füßen bunt überhangen fand. Ausdem lichten Rauchwerk zu beiden Seitenhold An dem kühnen Jägermeister schienmanche Flitter von Gold. Auch führt' er Balmungen, das breiteschmucke Schwert: 983 Das warsolcher Schärfe, nichts blieb unversehrt,Wenn man es schlug auf Helme: seineSchneiden waren gut. Der herrliche Jäger trug gar hoch seinen Muth.

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Wenn ich euch der Märe ganzbescheiden soll, 984 So warsein edler Köcher guter Pfeile voll, Mitgoldenen Röhren, die Eisen händebreit.Was er traf mit Schießen, dem war dasEnde nicht weit. Da ritt der edle Ritter stattlich aus demTann. 985 Gunthers Leute sahen, wie er ritt heran. Sie liefen ihm entgegen und hielten ihm das Ross: Da trug er andem Sattel einen Bären stark und groß. Als er vom Ross gestiegen, löst' er ihmdas Band 986 Vom Mund und vonden Füßen: die Hunde gleich zur HandBegannen laut zu heulen, als sie denBären sahn. Das Thier zu Walde wollte: das erschreckte manchen Mann. Der Bär durch die Küche von dem Lärmgerieth: 987 Hei! was er

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Küchenknechte da vom Feuer schied!Gestürzt ward mancher Keßel, verschleudert mancher Brand; Hei! wasman guter Speisen in der Asche liegenfand! Da sprang von den Sitzen Herr undKnecht zumal. 988 Der Bärbegann zu zürnen; der König gleichbefahl Der Hunde Schar zu lösen, die anden Seilen lag; Und war es Wohl geendet, sie hätten fröhlichen Tag. Mit Bogen und mit Spießen, man säumtesich nicht mehr, 989 Liefen hin dieSchnellen, wo da gieng der Bär; Dochwollte Niemand schießen, von Hundenwars zu voll. So laut war das Getöse, daßrings der Bergwald erscholl. Der Bär begann zu fliehen vor derHunde Zahl; 990 Ihm konnte

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Niemand folgen als Kriemhilds Gemahl.Er erlief ihn mit dem Schwerte, zu Tod erihn da schlug. Wieder zu dem Feuer dasGesind den Bären trug. Da sprachen, die es sahen, er wär einstarker Mann. 991 Die stolzenJagdgesellen rief man zu Tisch heran. Aufschönem Anger saßen der Helden dagenug. Hei! was man Ritterspeise vor diestolzen Jäger trug! Die Schenken waren säumig, siebrachten nicht den Wein; 992 So gutbewirthet mochten sonst Helden nimmersein. Wären manche drunter nicht sofalsch dabei, So wären wohl die Degen aller Schanden los und frei. Des wurde da nicht inne der verrathnekühne Mann, 993 Daß man solcheTücke wider sein Leben spann. Er war in

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höfschen Züchten alles Truges bar; SeinesTodes must entgelten, dem es nie einFrommen war. Da sprach der edle Siegfried: "Michverwundert sehr, 994 Man trägt unsaus der Küche doch so viel daher, Wasbringen uns die Schenken nicht dazu denWein? Pflegt man so der Jäger, will ichnicht Jagdgeselle sein. "Ich möcht es doch verdienen, bedächteman mich gut." 995 Von seinemTisch der König sprach mit falschemMuth: "Wir büßen euch ein andermal, was heut uns muß entgehn; Die Schuldliegt an Hagen, der will uns verdurstensehn." Da sprach von Tronje Hagen: "LieberHerre mein, 996 Ich wähnte, dasBirschen sollte heute sein Fern im

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Spechtsharte: den Wein hin sandt ichdort. Heute giebt es nichts zu trinken, doch vermeid ich es hinfort." Da sprach der edle Siegfried: "Demweiß ich wenig Dank: 997 Man solltesieben Lasten mit Meth und LautertrankMir hergesendet haben; konnte das nichtsein, So sollte man uns näher gesiedelthaben dem Rhein." Da sprach von Tronje Hagen: "Ihr edelnRitter schnell, 998 Ich weiß hier inder Nähe einen kühlen Quell: Daß ihr mirnicht zürnet, da rath, ich hinzugehn." DerRath war manchem Degen zu großemLeide geschehn. Siegfried den Recken zwang des DurstesNoth; 999 Den Tischhinwegzurücken der Held alsbald gebot:Er wollte vor die Berge zu dem Brunnen

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gehn. Da war der Rath aus Arglist vonden Degen geschehn. Man hieß das Wild auf Wagen führen indas Land, 1000 Das da verhauenhatte Siegfriedens Hand. Wer es auchsehen mochte, sprach großen Ruhm ihmnach. Hagen seine Treue sehr anSiegfrieden brach. Als sie von dannen wollten zu der Lindebreit, 1001 Da sprach von TronjeHagen: "Ich hörte jederzeit, Es könneNiemand folgen Kriemhilds Gemahl,Wenn er rennen wolle; hei! schauten wirdas einmal!" Da sprach von Niederlanden der Degenkühn und gut: 1002 "Das mögt ihrwohl versuchen: wenn ihr mit mir thutEinen Wettlauf nach dem Brunnen? Solldas geschehn, So habe der gewonnen,

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den wir den vordersten sehn." "Wohl, laßt es uns versuchen," sprachHagen der Degen. 1003 Da sprachder starke Siegfried: "So will ich michlegen, Verlier ich, euch zu Füßen niederin das Gras." Als er das erhörte, wie liebwar König Gunthern das! Da sprach der kühne Degen: "Nochmehr will ich euch sagen: 1004 Gewandund Gewaffen will ich bei mir tragen, DenWurfspieß samt dem Schilde und all meinBirschgewand." Das Schwert und denKöcher um die Glieder schnell er band. Die Kleider vom Leibe zogen die Andernda: 1005 In zwei weißenHemden man beide stehen sah. Wie zweiwilde Panther liefen sie durch den Klee;Man sah bei dem Brunnen den schnellenSiegfried doch eh.

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Den Preis in allen Dingen vor Manchemman ihm gab. 1006 Da löst' erschnell die Waffe, den Köcher legt' er ab,Den starken Spieß lehnt' er an denLindenast. Bei des Brunnens Fluße standder herrliche Gast. Die höfsche Zucht erwies da Siegfrieddaran; 1007 Den Schild legt' ernieder, wo der Brunnen rann; Wie sehrihn auch dürstete, der Held nicht ehertrank Bis der König getrunken; dafürgewann er übeln Dank. Der Brunnen war lauter, kühl und auchgut; 1008 Da neigte sichGunther hernieder zu der Flut. Als ergetrunken hatte, erhob er sich hindann:Also hätt auch gerne der kühne Siegfriedgethan.

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Da entgalt er seiner höfschen Zucht; denBogen und das Schwert 1009 Trugbeiseite Hagen von dem Degen werth.Dann sprang er zurücke, wo er denWurfspieß fand, Und sah nach einemZeichen an des Kühnen Gewand. Als der edle Siegfried aus dem Brunnentrank, 1010 Er schoß ihn durchdas Kreuze, daß aus der Wunde sprangDas Blut von seinem Herzen an HagensGewand. Kein Held begeht wohl wieder solche Unthat nach der Hand. Den Gerschaft im Herzen ließ er ihmstecken tief. 1011 Wie im FliehenHagen da so grimmig lief, So lief er wohlauf Erden nie vor einem Mann! Als daSiegfried Kunde der schweren Wundegewann, Der Degen mit Toben von dem Brunnen

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sprang; 1012 Ihm ragte von derAchsel eine Gerstange lang. Nun wähnt'er da zu finden Bogen oder Schwert,Gewiß, so hätt er Hagnen den verdientenLohn gewährt. Als der Todwunde da sein Schwert nichtfand, 1013 Da blieb ihm nichtsweiter als der Schildesrand. Den rafft' ervon dem Brunnen und rannte Hagen an:Da konnt ihm nicht entrinnen KönigGunthers Unterthan. Wie wund er war zum Tode, so kräftigdoch er schlug, 1014 Daß von demSchilde nieder wirbelte genug Des edelnGesteines; der Schild zerbrach auch fast:So gern gerochen hätte sich der herrlicheGast. Da muste Hagen fallen von seiner Handzu Thal; 1015 Der Anger von den

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Schlägen erscholl im Wiederhall. Hätt ersein Schwert in Händen, so wär er HagensTod. Sehr zürnte der Wunde, es zwangihn wahrhafte Noth. Seine Farbe war erblichen; er konntenicht mehr stehn. 1016 Seines LeibesStärke muste ganz zergehn, Da er desTodes Zeichen in lichter Farbe trug. Erward hernach betrauert von schönenFrauen genug. Da fiel in die Blumen der KriemhildeMann. 1017 Das Blut von seinerWunde stromweis nieder rann. Dabegann er die zu schelten, ihn zwang diegroße Noth Die da gerathen hatten mitUntreue seinen Tod. Da sprach der Todwunde: "Weh, ihrbösen Zagen, 1018 Was helfenmeine Dienste, da ihr mich habt

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erschlagen? Ich war euch stäts gewogen und sterbe nun daran. Ihr habt an euernFreunden leider übel gethan. "Die sind davon bescholten, so vielenoch geborn 1019 Werden nachdiesem Tage: ihr habt euern ZornAllzusehr gerochen an dem Leben mein.Mit Schanden geschieden sollt ihr vonguten Recken sein." Hinliefen all die Ritter, wo er erschlagenlag. 1020 Es war ihrer Vielen einfreudeloser Tag. Wer Treue kannt undEhre, der hat ihn beklagt: Das verdient'auch wohl um Alle dieser Degenunverzagt. Der König der Burgunden klagt' auchseinen Tod. 1021 Da sprach derTodwunde: "Das thut nimmer Noth, Daßder um Schaden weine, von dem man ihn

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gewann: Er verdient groß Schelten, erhätt es beßer nicht gethan." Da sprach der grimme Hagen: "Ich weißnicht, was euch reut: 1022 Nun hat dochgar ein Ende, was uns je gedräut. Es gibtnun nicht manchen, der uns darf bestehn;Wohl mir, daß seiner Herrschaft durchmich ein End ist geschehn." "Ihr mögt euch leichtlich rühmen," sprach Der von Niederland. 1023 "Hättich die mörderische Weis an eucherkannt, Vor euch behütet hätt ich Lebenwohl und Leib. Mich dauert nichts aufErden als Frau Kriemhild mein Weib. "Nun mög es Gott erbarmen, daß ichgewann den Sohn, 1024 Der jetztauf alle Zeiten den Vorwurf hat davon,Daß seine Freunde Jemand meuchlerischerschlagen: Hätt ich Zeit und Weile, das

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müst ich billig beklagen. "Wohl nimmer hat begangen so großenMord ein Mann," 1025 Sprach er zudem König, "als ihr an mir gethan. Icherhielt euch unbescholten in großerAngst und Noth; Ihr habt mir schlimmvergolten, daß ich so wohl es euch bot." Da sprach im Jammer weiter dertodwunde Held: 1026 "Wollt ihr,edler König, noch auf dieser Welt AnJemand Treue pflegen, so laßt befohlensein Doch auf eure Gnade euch die liebeTraute mein. "Es komm ihr zu Gute, daß sie eureSchwester ist: 1027 Sei allerFürsten Tugend helft ihr zu jeder Frist.Mein mögen lange harren mein Vater undmein Lehn: Nie ist an liebem Freunde einem Weibe so leid geschehn."

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Er krümmte sich in Schmerzen, wie ihmdie Noth gebot, 1028 Und sprach ausjammerndem Herzen: "Mein mordlicherTod Mag euch noch gereuen in derZukunft Tagen: Glaubt mir in rechtenTreuen, daß ihr euch selber habterschlagen. Die Blumen allenthalben waren vomBlute naß. 1029 Da rang er mitdem Tode, nicht lange that er das, Denndes Todes Waffe schnitt ihn allzusehr. Dakonnte nicht mehr reden dieser Degenkühn und hehr. Als die Herren sahen den edlen Heldentodt, 1030 Sie legten ihn aufeinen Schild, der war von Golde roth. Dagiengen sie zu Rathe, wie sie es stelltenan, Daß es verhohlen bliebe, Hagen habes gethan.

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Da sprachen ihrer Viele: "Ein Unfall istgeschehn; 1031 Ihr sollt es allehehlen und Einer Rede stehn: Als er alleinritt jagen, der Kriemhilde Mann,Erschlugen ihn Schächer, als er fuhrdurch den Tann." Da sprach von Tronje Hagen: "Ich bringihn in das Land. 1032 Mich soll esnicht kümmern, wird es ihr auch bekannt,Die so betrüben konnte der Königinhohen Muth; Ich werde wenig fragen, wiesie nun weinet und thut." Von denselben Brunnen, wo Siegfriedward erschlagen, 1033 Sollt ihr dierechte Wahrheit von mir hören sagen.Vor dem Odenwalde ein Dorf liegtOdenheim. Da fließt noch der Brunnen, kein Zweifel kann daran sein.

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* * * * *

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Siebzehntes Abenteuer. Wie Siegfried beklagt und begrabenward. Da harrten sie des Abends und fuhrenüber Rhein; 1034 Es mochte nievon Helden ein schlimmer Jagen sein. IhrBeutewild beweinte noch manches edleWeib: Sein muste bald entgelten vielguter Weigande Leib. Von großem Uebermuthe mögt ihr nunhören sagen 1035 Undschrecklicher Rache. Bringen ließ HagenDen erschlagen Siegfried vonNibelungenland Vor eine Kemenate, darin sich Kriemhild befand. Er ließ ihn ihr verstohlen legen vor dieThür, 1036 Daß sie ihn finden

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müße, wenn morgen sie herfür Zu derMette gienge frühe vor dem Tag, DerenFrau Kriemhild wohl selten eine verlag. Da hörte man wie immer zum Münsterdas Geläut: 1037 Kriemhild dieschöne weckte manche Maid. Ein Lichtließ sie sich bringen, dazu auch ihrGewand; Da kam der Kämmrer Einer hin,wo er Siegfrieden fand. Er sah ihn roth von Blute, all seinGewand war naß: 1038 Daß seinHerr es wäre, mit Nichten wust er das. Datrug er in die Kammer das Licht in seinerHand, Bei dem da Frau Kriemhild vielleide Märe befand. Als sie mit den Frauen zum Münsterwollte gehn, 1039 "Frau," sprachder Kämmerer, "wollt noch stille stehn: Esliegt vor dem Gemache ein Ritter

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todtgeschlagen." "O weh," sprach daKriemhild, "was willst du solche Botschaftsagen?" Eh sie noch selbst gesehen, es sei ihrlieber Mann, 1040 An die FrageHagens hub sie zu denken an, Wie er ihnschützen möchte: da ahnte sie ihr Leid.Mit seinem Tod entsagte sie nun allerFröhlichkeit. Da sank sie zur Erden, kein Wort mehrsprach sie da; 1041 Die schöneFreudenlose man da liegen sah.Kriemhildens Jammer wurde groß undvoll; Sie schrie nach der Ohnmacht, daßall die Kammer erscholl. Da sprach ihr Gesinde: "Es kann einFremder sein." 1042 Das Blut ihraus dem Munde brach vor Herzenspein."Nein, es ist Siegfried, mein geliebter

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Mann: Brunhild hats gerathen und Hagenhat es gethan." Sie ließ sich hingeleiten, wo sie denHelden fand; 1043 Sein schönesHaupt erhob sie mit ihrer weißen Hand.So roth er war von Blute, sie hat ihn gleicherkannt: Da lag zu großem Jammer derHeld von Nibelungenland. Da rief in Jammerlauten die Königinmild: 1044 "O weh mir diesesLeides! Nun ist dir doch dein Schild MitSchwertern nicht verhauen! dich fällteMeuchelmord. Und wüst ich, wer derThäter wär, ich wollt es rächenimmerfort." All ihr Ingesinde klagte laut und schrie 1045 Mit seiner lieben Frauen; heftig schmerzte sie Ihr edler Herr undKönig, den sie da sahn verlorn. Gar übel

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hatte Hagen gerochen Brunhildens Zorn. Da sprach die Jammerhafte: "Nun sollEiner gehn 1046 Und mir in Eilewecken Die in Siegfrieds Lehn Und sollauch Siegmunden meinen Jammer sagen,Ob er mir helfen wolle den kühnenSiegfried beklagen." Da lief dahin ein Bote, wo er sie liegenfand, 1047 Siegfriedens Helden von Nibelungenland. Mit den leiden Mären die Freud er ihnen nahm; Sie wollten esnicht glauben, bis man das Weinenvernahm. Auch kam dahin der Bote, wo der Königlag. 1048 Siegmund der Herre keines Schlafes pflag, Als ob das Herz ihmsagte, was ihm wär geschehn, Er sollteseinen lieben Sohn lebend nimmerwiedersehn.

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"Wacht auf, König Siegmund, mich hießnach euch gehn 1049 Kriemhild,meine Herrin; der ist ein Leid geschehn,Das ihr vor allem Leide wohl das Herzversehrt; Das sollt ihr klagen helfen, daes auch euch widerfährt." Auf richtete sich Siegmund und sprach:"Was beklagt 1050 Denn die schöneKriemhild, wie du mir hast gesagt?" DerBote sprach mit Weinen: "Sie hat wohlGrund zu klagen Es liegt vonNiederlanden der kühne Siegfriederschlagen." Da sprach König Siegmund: "Laßt dasScherzen sein 1051 Mit so böserMäre von dem Sohne mein Und sagt esNiemand wieder, daß er sei erschlagen,Denn ich könnt ihn nie genug bis an meinEnde beklagen."

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"Und wollt ihr nicht glauben, was ihrmich höret sagen, 1052 So vernehmetselber Kriemhilden klagen Und all ihrIngesinde um Siegfriedens Tod." Wieerschrak da Siegmund: es schuf ihmwahrhafte Noth. Mit hundert seiner Mannen er von demBette sprang. 1053 Sie zuckten zuden Händen die scharfen Waffen langUnd liefen zu dem Wehruf jammersvollheran. Da kamen tausend Recken, demkühnen Siegfried unterthan. Als sie so jämmerlich die Frauen hörtenklagen, 1054 Da kam Vielen erstin Sinn, sie müsten Kleider tragen. Wohlmochten sie vor Schmerzen des SinnesMacht nicht haben: Es lag in ihrem Herzen große Schwere begraben.

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Da kam der König Siegmund hin, wo erKriemhild fand. 1055 Er sprach: "Oweh der Reise hierher in dieses Land!Wer hat euch euern Gatten, wer hat mirmein Kind So mordlich entrißen, da wirbei guten Freunden sind?" "Ja, kennt ich Den," versetzte die edleKönigin, 1056 "Hold würd ihmnimmer mein Herz noch mein Sinn: Ichrieth' ihm so zum Leide, daß all dieFreunde sein Mit Jammer weinen müsten, glaubt mir, von wegen mein." Siegmund mit Armen den Fürstenumschloß; 1057 Da ward vonseinen Freunden der Jammer also groß,Daß von dem lauten Wehruf Palas undSaal Und Worms die weite Veste ringserscholl im Widerhall. Da konnte Niemand trösten Siegfriedens

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Weib, 1058 Man zog aus denKleidern seinen schönen Leib, Wusch ihmseine Wunde und legt' ihn auf die Bahr;Allen seinen Leuten wie weh vor Jammerda war! Es sprachen seine Recken ausNibelungenland: 1059 "Immerihn zu rächen bereit ist unsre Hand. Er istin diesem Hause, von dem es istgeschehn." Da eilten sich zu waffnen dieDegen in Siegfrieds Lehn. Die Auserwählten kamen in ihrerSchilde Wehr, 1060 ElfhundertRecken; die hatt in seinem HeerSiegmund der König: seines Sohnes TodHätt er gern gerochen, wie ihm die Treuegebot. Sie wusten nicht, wen sollten sie im Streitbestehn, 1061 Wenn es nicht

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Gunther wäre und Die in seinem Lehn,Die zur Jagd mit Siegfried geritten jenenTag. Kriemhild sah sie gewaffnet: dasschuf ihr großes Ungemach. Wie stark auch ihr Jammer, wie großwar ihre Noth, 1062 Sie besorgtedoch so heftig der Nibelungen Tod Vonihrer Brüder Mannen, daß sie dawidersprach: Sie warnte sie in Liebe, wie immerFreund mit Freunden pflag. Da sprach die Jammerreiche: "HerrKönig Siegmund, 1063 Was wolltihr beginnen? Euch ist wohl nicht kund,Es hat der König Gunther so manchenkühnen Mann: Ihr wollt euch allverderben, greift ihr solche Recken an." Mit auferhobnen Schilden that ihnenStreiten Noth. 1064 Die edleKönigstochter bat und gebot, Daß es

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meiden sollten die Recken allbereit. Daßsie's nicht laßen wollten, das war eingrimmiges Leid. Sie sprach: "Herr König Siegmund, stehtdamit noch an, 1065 Bis es sich beßerfügte: so will ich meinen Mann Euchimmer rächen helfen. Der mir ihn hatbenommen, Wird es mir bewiesen, esmuß ihm noch zu Schaden kommen. "Es sind der Uebermüthigen hier amRhein so viel, 1066 Daß ich euchzum Streite jetzt nicht rathen will: Siehaben wider Einen immer dreißig Mann;Laß ihnen Gott gelingen, wie sie unshaben gethan. "Bleibt hier im Hause und tragt mit mirdas Leid, 1067 Bis es beginnt zutagen, ihr Helden allbereit: Dann helft ihrmir besargen meinen lieben Mann." Da

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sprachen die Degen: "Liebe Frau, das seigethan." Es könnt euch des Wunders ein EndeNiemand sagen, 1068 Die Ritterund die Frauen, wie man sie hörteklagen, Bis man des Wehrufs ward in derStadt gewahr. Die edeln Bürger kamen daher in eilender Schar. Sie klagten mit den Gästen: sieschmerzte der Verlust. 1069 WasSiegfried verschulde, war ihnenunbewust, Weshalb der edle Recke Leben ließ und Leib. Da weinte mit denFrauen manchen guten Bürgers Weib. Schmiede hieß man eilen und würkeneinen Sarg 1070 Von Silber undvon Golde, mächtig und stark, Und ließihn wohl beschlagen mit Stahl, der wargut. Da war allen Leuten das Herz

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beschwert und der Muth. Die Nacht war vergangen: man sagt', eswolle tagen. 1071 Da ließ die edleKönigin hin zum Münster tragen Diesenedeln Todten, ihren lieben Mann. Mit ihrgiengen weinend, was sie der Freundegewann. Da sie zum Münster kamen, wie mancheGlocke klang! 1072 Allenthalbenhörte man der Pfaffen Sang. Da kam derKönig Gunther hinzu mit seinem LehnUnd auch der grimme Hagen; es wäreklüger nicht geschehn. Er sprach: "Liebe Schwester, o weh desLeides dein; 1073 Daß wir nichtledig mochten so großen Schadens sein!Wir müßen immer klagen umSiegfriedens Tod." "Daran thut ihrUnrecht," sprach die Frau in

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Jammersnoth. "Wenn euch das betrübte, so wär esnicht geschehn. 1074 Ihr hattetmein vergeßen, das muß ich wohlgestehn, Als ich so geschieden ward vonmeinem lieben Mann. Wollte Gott vomHimmel, mir selber war es gethan." Sie hielten sich am Läugnen. Da hubKriemhild an: 1075 "Werunschuldig sein will, leicht ist esdargethan, Er darf nur zu der Bahre hiervor dem Volke gehn: Da mag man gleichzur Stelle sich der Wahrheit versehn." Das ist ein großes Wunder, wie es nochoft geschieht, 1076 Wenn man denMordbefleckten bei dem Todten sieht, Sobluten ihm die Wunden, wie es auch hiergeschah; Daher man nun der Unthat sichzu Hagen versah.

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Die Wunden floßen wieder so stark alsje vorher. 1077 Die erst schonheftig klagten, die weinten nun nochmehr. Da sprach König Gunther: "Nunhört die Wahrheit an: Ihn erschlugenSchächer; Hagen hat es nicht gethan." Sie sprach: "Diese Schächer sind mirwohl bekannt: 1078 Nun laß es Gottnoch rächen von seiner Freunde Hand!Gunther und Hagen, ja ihr habt esgethan." Da wollten wieder streiten DieSiegfrieden unterthan. Da sprach aber Kriemhild: "Ertragt mitmir die Noth." 1079 Da kamen auchdie Beiden, wo sie ihn fanden todt,Gernot ihr Bruder und Geiselher dasKind. Sie beklagten ihn in Treuen; ihreAugen wurden thränenblind.

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Sie weinten von Herzen umKriemhildens Mann. 1080 Manwollte Messe singen: zum Münster heranSah man allenthalben Frauen und Männerziehn, Die ihn doch leicht verschmerzten, weinten alle jetzt um ihn. Geiselher und Gernot sprachen:"Schwester mein, 1081 Nun tröstedich des Todes, es muß wohl also sein.Wir wollen dirs ersetzen, so lange wirleben." Da wust ihr auf Erden Niemanddoch Trost zu geben. Sein Sarg war geschmiedet wohl um denhohen Tag; 1082 Man hob ihn vonder Bahre, darauf der Todte lag. Da wolltihn noch die Königin nicht laßenbegraben: Es musten alle Leute großeMühsal erst haben. In kostbare Zeuge man den Todten

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wand. 1083 Gewiss daß manda Niemand ohne Weinen fand. Ausganzem Herzen klagte Ute das edle WeibUnd all ihr Ingesinde um Siegfriedsherrlichen Leib. Als die Leute hörten, daß man imMünster sang 1084 Und ihnbesargt hatte, da hob sich großer Drang:Um seiner Seele willen was man da Opfertrug! Er hatte bei den Feinden doch guterFreunde genug. Kriemhild die arme zu denKämmerlingen sprach: 1085 "Ihrsollt mir zu Liebe leiden Ungemach: Dieihm Gutes gönnen und mir blieben hold,Um Siegfriedens Seele verteilt an diesesein Gold." Da war kein Kind so kleine, mocht esVerstand nur haben, 1086 Das nicht

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zum Opfer gienge, eh er ward begraben.Wohl an hundert Messen man des Tagessang. Von Siegfriedens Freunden hobsich da mächtiger Drang. Als die gesungen waren, verlief dieMenge sich. 1087 Da sprachwieder Kriemhild: "Nicht einsam sollt ihrmich Heunt bewachen laßen denauserwählten Degen: Es ist an seinemLeibe all meine Freude gelegen. "Drei Tag und drei Nächte will ichverwachen dran, 1088 Bis ich michersättige an meinem lieben Mann.Vielleicht daß Gott gebietet, daß michauch nimmt der Tod: So wäre wohlbeendet der armen Kriemhilde Noth." Zur Herberge giengen die Leute von derStadt. 1089 Die Pfaffen und dieMönche sie zu verweilen bat Und all sein

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Ingesinde, das sein billig pflag. Sie hattenüble Nächte und gar mühselgen Tag. Ohne Trank und Speise verblieb damancher Mann. 1090 Wers nichtgern entbehrte, dem ward kund gethan,Man gab ihm gern die Fülle: das schufHerr Siegmund. Da ward den Nibelungen viel Noth und Beschwerde kund. In diesen dreien Tagen, so hörten wirsagen, 1091 Muste mitKriemhilden viel Mühsal ertragen, Werda singen konnte. Was man auch Opfertrug! Die eben arm gewesen, die wurdennun reich genug. Was man fand der Armen, die es nichtmochten haben, 1092 Die ließ siemit dem Golde bringen Opfergaben Ausseiner eignen Kammer: er durfte nichtmehr leben, Da ward um seine Seele

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manches Tausend Mark gegeben. Güter und Gefälle vertheilte sie im Land, 1093 So viel man der Klöster und guter Leute fand. Silber gab man undGewand den Armen auch genug. Sie ließes wohl erkennen, wie holde Liebe sieihm trug. An dem dritten Morgen zur rechtenMessezeit 1094 Sah man beidem Münster den ganzen Kirchhof weitVon der Landleute Weinen also voll: Siedienten ihm im Tode, wie man liebenFreunden soll. In diesen vier Tagen, so hört ichimmerdar, 1095 Wol andreißigtausend Mark oder mehr noch garWard um seine Seele den Armenhingegeben, Indes war gar zerronnen seine große Schöne wie sein Leben.

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Als vom Gottesdienste verhallt war derGesang, 1096 Mit ungefügemLeide des Volkes Menge rang. Man ließihn aus dem Münster zu dem Grabetragen. Da hörte man auch anders nichtsals Weinen und Klagen. Das Volk mit lautem Wehruf schloß imZug sich an: 1097 Froh war daNiemand, weder Weib noch Mann. Eh erbestattet wurde, las und sang man da:Hei! was man guter Pfaffen bei seinerBestattung sah! Bevor da zu dem Grabe kam dasgetreue Weib, 1098 Rang siemit solchem Jammer um SiegfriedensLeib, Daß man sie mit Wasser vomBrunnen oft begoß: Ihres Herzens Kummer war über die Maßen groß.

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Es war ein großes Wunder, daß sie zuKräften kam. 1099 Es halfen ihr mitKlagen viel Frauen lobesam. "Ihr, meinesSiegfrieds Mannen," sprach die Königin,"Erweist mir eine Gnade auserbarmendem Sinn. "Laßt mir nach meinem Leide diekleinste Gunst geschehn", 1100 Daßich sein schönes Angesicht noch einmaldürfe sehn," Da bat sie im Jammer so langund so stark, Daß man zerbrechen muste den schön geschmiedeten Sarg. Hin brachte man die Königin, wo sie ihnliegen fand. 1101 Sein schönesHaupt erhob sie mit ihrer weißen HandUnd küsste so den Todten, den edelnRitter gut: Ihre lichten Augen vor Leideweinten sie Blut. Ein jammervolles Scheiden sah man da

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geschehn. 1102 Man trug sie vondannen, sie vermochte nicht zu gehn. Dalag ohne Sinne das herrliche Weib: VorLeid wollt ersterben ihr viel wonniglicherLeib. Als der edle Degen also begraben war, 1103 Sah man in großemLeide die Helden immerdar, Die ihnbegleitet hatten aus Nibelungenland:Fröhlich gar selten man da Siegmundenfand. Wohl Mancher war darunter, der dreiTage lang 1104 Vor dem großenLeide weder aß noch trank; Da konntensie's nicht länger dem Leib entziehenmehr: Sie genasen von den Schmerzen, wie noch Mancher wohl seither. Kriemhild der Sinne ledig inOhnmächten lag 1105 Den Tag

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und den Abend bis an den andern Tag.Was Jemand sprechen mochte, es wardihr gar nicht kund. Es lag in gleichenNöthen auch der König Siegmund. Kaum daß ihn zur Besinnung zu bringennoch gelang. 1106 Seine Kräftewaren von starkem Leide krank: Das warwohl kein Wunder. Die in seiner Pflichtsprachen: "Laßt uns heimziehn: es duldetuns hier länger nicht." * * * * *

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Achtzehntes Abenteuer. Wie Siegmund heimkehrte und Kriemhilddaheim blieb. Der Schwäher Kriemhildens gieng hin,wo er sie fand. 1107 Er sprach zuder Königin: "Laßt uns in unser Land: Wirsind unliebe Gäste, wähn ich, hier amRhein. Kriemhild, liebe Fraue, nun folgtuns zu dem Lande mein. "Daß man in diesen Landen uns soverwaiset hat 1108 Eures edelnMannes durch böslichen Verrath, Ihr solltes nicht entgelten: hold will ich euch seinAus Liebe meines Sohnes und des edelnKindes sein. "Ihr sollt auch, Frau, gebieten mit all derGewalt, 1109 Die Siegfried euch

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verstattete, der Degen wohlgestalt. DasLand und auch die Krone soll euch zuDiensten stehn. Euch sollen gerngehorchen Die in Siegfriedens Lehn." Da sagte man den Knechten: "Wir reitenheim vor Nacht." 1110 Da sah mannach den Rossen eine schnelle Jagd: Beiden verhaßten Feinden zu leben war einLeid. Den Frauen und den Maiden suchteman ihr Reisekleid. Als König Siegmund gerne weggerittenwär, 1111 Da bat ihre Mutter Kriemhilden sehr, Sie sollte bei denFreunden im Lande doch bestehn. Dasprach die Freudenarme: "Das könnteschwerlich geschehn. "Wie vermocht ichs, mit den Augen denimmer anzusehn, 1112 Von dem mirarmen Weibe so leid ist geschehn?" Da

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sprach der junge Geiselher: "LiebeSchwester mein, Du sollst bei deiner Treue hier mit deiner Mutter sein. "Die dir das Herz beschwerten undtrübten dir den Muth, 1113 Dubedarfst nicht ihrer Dienste, du zehrst vonmeinem Gut." Sie sprach zu dem Recken: "Wie könnte das geschehn? Vor Leidemüst ich sterben, wenn ich Hagen solltesehn." "Dessen überheb ich dich, viel liebeSchwester mein. 1114 Du sollst beideinem Bruder Geiselher hier sein; Ichwill dir wohl vergüten deines MannesTod." Da sprach die Freudenlose: "Daswäre Kriemhilden Noth." Als es ihr der Junge so gütlich erbot, 1115 Da begannen auch zuflehen Ute und Gernot Und ihre treuen

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Freunde, sie möchte da bestehn: Sie hättewenig Sippen unter Siegfriedens Lehn. "Sie sind euch alle fremde," sprach daGernot. 1116 "Wie stark aucheiner gelte, so rafft ihn doch der Tod.Bedenkt das, liebe Schwester, und trösteteuern Muth: Bleibt hier bei euernFreunden, es geräth euch wahrlich gut." Da gelobte sie dem Bruder, im Lande zubestehn. 1117 Man zog herbeidie Rosse Denen in Siegmunds Lehn, Alssie reiten wollten gen Nibelungenland;Da war auch aufgeladen der Recken Zeugund Gewand. Da gieng König Siegmund vorKriemhilden stehn 1118 Undsprach zu der Frauen: "Die in SiegfriedsLehn Warten bei den Rossen: reiten wirdenn hin, Da ich gar so ungern hier bei

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den Burgunden bin." Frau Kriemhild sprach: "Mir rathen hierdie Freunde mein, 1119 Die besten,die ich habe, bei ihnen soll' ich sein. Ichhabe keinen Blutsfreund inNibelungenland." Leid war esSiegmunden, da er dieß an Kriemhildfand. Da sprach König Siegmund: "Das laßteuch Niemand sagen: 1120 Vor allenmeinen Freunden sollt ihr die Kronetragen Nach rechter Königswürde, wie ihrvordem gethan: Ihr sollt es nicht entgelten, daß ihr verloren habt den Mann. "Fahrt auch mit uns zur Heimat um euerKindelein: 1121 Das sollt ihr eineWaise, Frau, nicht laßen sein. Ist euerSohn erwachen, er tröstet euch den Muth.Derweil soll euch dienen mancher Degen

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kühn und gut." Sie sprach: "Mein Herr Siegmund, ichkann nicht mit euch gehn. 1122 Ich mußhier verbleiben, was halt mir maggeschehn, Bei meinen Anverwandten, diemir helfen klagen." Da wollten dieseMären den guten Recken nicht behagen. Sie sprachen einhellig: "So möchten wirgestehn, 1123 Es sei in dieserStunde uns erst ein Leid geschehn. Wolltihr hier im Lande bei unsern Feindensein, So könnte Helden niemals eineHoffahrt übler gedeihn." "Ihr sollt ohne Sorge Gott befohlenfahren: 1124 Ich schaff euch gutGeleite und heiß euch wohl bewahren Biszu euerm Lande; mein liebes KindeleinDas soll euch guten Recken auf Gnadebefohlen sein."

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Als sie das recht vernahmen, sie wollenicht hindann, 1125 Da hubenSiegfrieds Mannen all zu weinen an. Mitwelchem Herzensjammer nahm daSiegmund Urlaub von Kriemhilden! Daward ihm Unfreude kund. "Weh dieses Hofgelages!" sprach derKönig hehr. 1126 "Einem Königund den Seinen geschieht wohlnimmermehr Einer Kurzweil willen, wasuns hier ist geschehn: Man soll uns nimmerwieder hier bei den Burgunden sehn." Da sprachen laut die Degen inSiegfriedens Heer: 1127 "Wohlmöchte noch die Reise geschehen hieher,Wenn wir den nur fanden, der uns denHerrn erschlug. Sie haben Todfeinde beiseinen Freunden genug."

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Er küsste Kriemhilden: kläglich spracher da, 1128 Als er daheim zubleiben sie so entschloßen sah: "Wirreiten arm an Freuden nun heim in unserLand! All mein Kummer ist mir erst jetzobekannt." Sie ritten ungeleitet von Worms an denRhein: 1129 Sie mochten wohldes Muthes in ihrem Sinne sein, Wenn siein Feindschaft würden angerannt, Daßsich schon wehren solle der kühnenNiblungen Hand. Sie erbaten Urlaub von Niemanden sich. 1130 Da sah manGeiselheren und Gernot minniglich Zudem König kommen; ihnen war seinSchade leid: Das ließen ihn wohl schauen die kühnen Helden allbereit. Da sprach wohlgezogen der kühne

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Gernot: 1131 "Wohl weiß esGott im Himmel, an Siegfriedens Tod Binich ganz unschuldig: ich hört auchniemals sagen, Wer ihm Feind hier wäre: ich muß ihn billig beklagen." Da gab ihm gut Geleite Geiselher dasKind. 1132 Er bracht ohneSorgen, die sonst bei Leide sind, DenKönig und die Recken heim nachNiederland. Wie wenig der Verwandten man dort fröhlich wiederfand! Wie's ihnen nun ergangen ist, weiß ichnicht zu sagen. 1133 Man hörte hierKriemhilden zu allen Zeiten klagen, Daßihr Niemand tröstete das Herz noch denMuth Als ihr Bruder Geiselher: der wargetreu und auch gut. Brunhild die schöne des Uebermuthespflag: 1134 Wie viel Kriemhild

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weinte, was fragte sie darnach! Sie war zuLieb und Treue ihr nimmermehr bereit;Bald schuf auch ihr Frau Kriemhild wohlso ungefüges Leid. * * * * *

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Neunzehntes Abenteuer. Wie der Nibelungenhort nach Wormskam. Als die edle Kriemhild so verwitwetward, 1135 Blieb bei ihr imLande der Markgraf Eckewart Zurück mitseinen Mannen, wie ihm die Treu gebot.Er diente seiner Frauen willig bis anseinen Tod. Zu Worms am Münster wies man ihr einGezimmer an, 1136 Weit undgeräumig, reich und wohlgethan, Wo mitdem Gesinde die Freudenlose saß. Siegieng zur Kirche gerne, mit großerAndacht that sie das. Wo ihr Freund begraben lag, wie fleißiggieng sie 1137 Sie that es alle Tage

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mit trauerndem Sinn Und bat seiner Seele Gott den Herrn zu pflegen: Gar oftbejammert wurde mit großer Treue derDegen. Ute und ihr Gesinde sprachen ihr immerzu, 1138 Und doch im wundenHerzen fand sie so wenig Ruh, Es konntenicht verfangen der Trost, den man ihrbot. Sie hatte nach dem Freunde dieallergrößeste Noth, Die nach liebem Manne je ein Weibgewann: 1139 Ihre großeTreue ersah man wohl daran. Sie klagt'ihn bis zu Ende, da sie zu sterben kam.Bald rächte sie gewaltig mit großer Treueden Gram. Sie saß in ihrem Leide, das ist alleswahr, 1140 Nach ihres MannesTode bis in das vierte Jahr Und hatte nie

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zu Gunthern gesprochen einen Laut Undauch Hagen ihren Feind in all der Zeitnicht erschaut. Da sprach von Tronje Hagen: "Könntedas geschehn, 1141 Daß ihr euchdie Schwester gewogen möchtet sehn, Sokäm zu diesem Lande der NibelungenGold: Des mögt ihr viel gewinnen, wirduns die Königin hold." "Wir wollen es versuchen," sprach derKönig hehr. 1142 "Es sollen für unsbitten Gernot und Geiselher, Bis sie eserlangen, daß sie das gerne sieht." "Ichglaube nicht," sprach Hagen, "daß esjemals geschieht." Da befahl er Ortweinen hin an Hof zugehn 1143 Und demMarkgrafen Gere: als das war geschehn,Brachte man auch Gernot und Geiselhern

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das Kind: Da versuchten bei Kriemhilden sie es freundlich und gelind. Da sprach von Burgunden der kühneGernot: 1144 "Frau, ihr klagtzu lange um Siegfriedens Tod. Der Königwill euch zeigen, er hab ihn nichterschlagen: Man hört zu allen Zeiten euchso heftig um ihn klagen." Sie sprach: "Des zeiht ihn Niemand, ihnschlug Hagens Hand. 1145 Wo erverwundbar wäre, macht ich ihmbekannt. Wie konnt ich michs versehen, er trüg ihm Haß im Sinn! Sonst hätt ichswohl vermieden," sprach die edleKönigin, "Daß ich verraten hätte seinen schönenLeib: 1146 So ließ' ich nun meinWeinen, ich unselig Weib! Hold werd ichihnen nimmer, die das an ihm gethan!" Zu

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flehn begann da Geiselher, dieserwaidliche Mann. Sie sprach: "Ich muß ihn grüßen, ihrliegt zu sehr mir an. 1147 Von euch ist'sgroße Sünde: Gunther hat mir gethan Soviel Herzeleides ganz ohne meine Schuld:Mein Mund schenkt ihm Verzeihung, mein Herz ihm nimmer die Huld." "Hernach wird es beßer," ihre Freundesprachen so. 1148 "Wenn ers zuWege brächte, daß wir sie sähen froh!""Er mags ihr wohl vergüten," sprach daGernot. Da sprach die Jammersreiche: "Seht, nun leist ich eur Gebot: "Ich will den König grüßen." Als er dasvernahm, 1149 Mit seinen bestenFreunden der König zu ihr kam. Dagetraute Hagen sich nicht, zu ihr zu gehn:Er kannte seine Schuld wohl: ihr war Leid

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von ihm geschehn. Als sie verschmerzen wollte auf Guntherden Haß, 1150 Daß er sie küssensollte, wohl ziemte sich ihm das. Wär ihrmit seinem Willen so leid nicht geschehn,So dürft er dreisten Muthes immer zuKriemhilden gehn. Es ward mit so viel Thränen nie eineSühne mehr 1151 Gestiftet unterFreunden. Sie schmerzt' ihr Schade sehr.Doch verzieh sie allen bis auf den EinenMann: Niemand hätt ihn erschlagen, hättes Hagen nicht gethan. Nun währt' es nicht mehr lange, sostellten sie es an, 1152 Daß dieKönigstochter den großen Hort gewannVom Nibelungenlande und bracht ihn anden Rhein: Ihre Morgengabe war es undmust ihr billig eigen sein.

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Nach diesem fuhr da Geiselher und auchGernot. 1153 AchtzighundertMannen Frau Kriemhild gebot, Daß sieihn holen sollten, wo er verborgen lagUnd sein der Degen Alberich mit seinenbesten Freunden pflag. Als man des Schatzes willen vom Rheinsie kommen sah, 1154 Alberich derkühne sprach zu den Freunden da: "Wirdürfen ihr wohl billig den Hort nichtentziehn, Da sein als Morgengabe heischtdie edle Künigin. "Dennoch sollt es nimmer," sprachAlberich, "geschehn, 1155 Müstenwir nicht leider uns verloren sehn Diegute Tarnkappe mit Siegfried zumal, Dieimmer hat getragen der schönenKriemhild Gemahl.

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"Nun ist es Siegfrieden leider schlimmbekommen, 1156 Daß dieTarnkappe der Held uns hat genommen,Und daß ihm dienen muste all diesesLand." Da gieng dahin der Kämmerer, woer die Schlüßel liegen fand. Da standen vor dem Berge, dieKriemhild gesandt, 1157 Undmancher ihrer Freunde: man ließ denSchatz zur Hand Zu dem Meere bringen an die Schiffelein Und führt' ihn auf denWellen bis zu Berg in den Rhein. Nun mögt ihr von dem Horte Wunderhören sagen: 1158 ZwölfLeiterwagen konnten ihn kaum vondannen tragen In vier Tag und Nächten aus des Berges Schacht, Hätten sie desTages den Weg auch dreimal gemacht. Es war auch nichts anders als Gestein

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und Gold. 1159 Und hätte mandie ganze Welt erkauft mit diesem Gold,Um keine Mark vermindern möcht esseinen Werth. Wahrlich Hagen hatte nichtohne Grund sein begehrt. Der Wunsch lag darunter, ein goldenRüthelein: 1160 Wer es hätterkundet, der möchte Meister sein Aufder weiten Erde wohl über jeden Mann.Von Albrichs Freunden zogen mit GernotViele hinan. Als Gernot der Degen und der jungeGeiselher 1161 Des Horts sichunterwanden, da wurden sie auch HerrDes Landes und der Burgen und derRecken wohlgestalt: Die musten ihnendienen zumal durch Furcht und Gewalt. Als sie den Hort gewannen in KönigGunthers Land, 1162 Und sich

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darob die Königin der Herrschaftunterwand, Kammern und Thürme diewurden voll getragen; Man hörte nie vonSchätzen so große Wunder wieder sagen. Und wären auch die Schätze nochgrößer tausendmal, 1163 Und wärder edle Siegfried erstanden von demFall, Gern wäre bei ihm Kriemhild geblieben hemdebloß. Nie war zu einemHelden eines Weibes Treue so groß. Als sie den Hort nun hatte, da brachtesie ins Land 1164 Viel der fremdenRecken; wohl gab der Frauen Hand, Daßman so große Milde nie zuvor gesehn. Sieübte hohe Güte: das muste man ihrzugestehn. Den Armen und den Reichen zu gebensie begann. 1165 Hagen sprachzum König: "Läßt man sie so fortan Noch

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eine Weile schalten, so wird sie in ihrLehn So manchen Degen bringen, daß esuns übel muß ergehn." Da sprach König Gunther: "Ihr gehörtdas Gut: 1166 Wie darf ich michdrum kümmern, was sie mit ihm thut? Ichkonnt es kaum erlangen, daß sie mirwurde hold; Nicht frag ich, wie sie theilet ihr Gestein und rohes Gold." Hagen sprach zum König: "Es vertrautein kluger Mann 1167 Doch solcheSchätze billig keiner Frauen an: Sie bringtes mit Gaben wohl noch an den Tag, Daes sehr gereuen die kühnen Burgundenmag." Da sprach König Gunther: "Ich schwurihr einen Eid, 1168 Daß ich ihr niewieder fügen wollt ein Leid, Und will eskünftig meiden: sie ist die Schwester

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mein." Da sprach wieder Hagen: "Laßtmich den Schuldigen sein." Sie nahmen ihre Eide meistens schlechtin Hut: 1169 Da raubten sie derWitwe das mächtige Gut. Hagen allerSchlüßel dazu sich unterwand. Ihr BruderGernot zürnte, als ihm das wurdebekannt. Da sprach der junge Geiselher: "VielLeides ist geschehn 1170 Von Hagenmeiner Schwester: dem sollt ichwiderstehn: Wär er nicht mein Blutsfreund, es gieng' ihm an den Leib." Wieder neuesWeinen begann da Siegfriedens Weib. Da sprach König Gernot: "Eh wir solchePein 1171 Um dieses Golderlitten, wir solltens in den Rhein Allversenken laßen: so gehört' es Niemandan." Sie kam mit Klaggebärde da zu

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Geiselher heran. Sie sprach: "Lieber Bruder, du sollstgedenken mein, 1172 Lebens undGutes sollst du ein Vogt mir sein." Dasprach er zu der Schwester: "Gewiss, essoll geschehn, Wenn wir wiederkommen: eine Fahrt ist zu bestehn." Gunther und seine Freunde räumten dasLand, 1173 Die allerbestendrunter, die man irgend fand; Hagen nuralleine verblieb um seinen Haß, Den erKriemhilden hegte: ihr zum Schaden thater das. Eh der reiche König wieder wargekommen, 1174 Derweilhatte Hagen den ganzen Schatzgenommen: Er ließ ihn bei dem Loche versenken in den Rhein. Er wähnt', er solltihn nutzen; das aber konnte nicht sein.

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Bevor von Tronje Hagen den Schatz alsoverbarg, 1175 Da hatten sie'sbeschworen mit Eiden hoch und stark,Daß er verhohlen bliebe, so lang siemöchten leben: So konnten sie's sichselber noch auch Jemand anders geben. Die Fürsten kamen wieder, mit ihnenmancher Mann. 1176 Kriemhildden großen Schaden zu klagen dabegann Mit Mägdlein und Frauen; siehatten Herzensnoth. Da stellten sich dieDegen, als sännen sie auf seinen Tod. Sie sprachen einhellig: "Er hat nichtwohlgethan." 1177 Bis er zuFreunden wieder die Fürsten sichgewann, Entwich er ihrem Zorne: sieließen ihn genesen; Aber Kriemhild konntihm wohl nicht feinder sein gewesen.

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Mit neuem Leide wieder belastet war ihrMuth, 1178 Erst um des MannesLeben und nun, da sie das Gut Ihr so garbenahmen: da ruht' auch ihre Klage, Solang sie lebte, nimmer bis zu ihremjüngsten Tage. Nach Siegfriedens Tode, das ist alleswahr, 1179 Lebte sie im Leide noch dreizehen Jahr, Daß ihr der Tod desRecken stäts im Sinne lag: Sie wahrt' ihmimmer Treue; das rühmen ihr die Meistennach. Eine reiche Fürstenabtei hatte Frau Ute 1180 Nach Dankrats Todgestiftet von ihrem Gute Mit großenEinkünften, die es noch heute zieht: Dortzu Lorsch das Kloster, das man in hohenEhren sieht. Dazu gab auch Kriemhild hernach ein

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großes Theil 1181 UmSiegfriedens Seele und aller Seelen HeilGold und Edelsteine mit williger Hand;Getreuer Weib auf Erden ward uns seltennoch bekannt. Seit Kriemhild König Gunthern wiederschenkte Huld 1182 Und dann dochden großen Hort verlor durch seineSchuld, Ihres Herzeleides ward da nochviel mehr: Da zöge gern von dannen dieFraue edel und hehr. Nun war Frau Uten ein Sedelhof bereit 1183 Zu Lorsch bei ihremKloster, reich, groß und weit, Dahin vonihren Kindern sie zog und sich verbarg,Wo noch die hehre Königin begrabenliegt in einem Sarg. Da sprach die Königswitwe: "LiebeTochter mein, 1184 Hier magst du

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nicht verbleiben: bei mir denn sollst dusein, Zu Lorsch in meinem Hause, und lästdein Weinen dann." Kriemhild gab zurAntwort: "Wo ließ' ich aber meinenMann?" "Den laß nur hier verbleiben," sprachFrau Ute. 1185 "Nicht woll es Gottvom Himmel," sprach da die Gute. "Nein,liebe Mutter, davor will ich mich wahren:"ein Mann muß von hinnen in Wahrheitauch mit mir fahren." Da schuf die Jammersreiche, daß manihn erhub 1186 Und seinGebein, das edle, wiederum begrub ZuLorsch bei dem Münster mit Ehrenmannigfalt: Da liegt im langen Sarge nochder Degen wohlgestalt. Zu denselben Zeiten, da Kriemhildgesollt 1187 Zu ihrer Mutter

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ziehen, wohin sie auch gewollt, Da mustesie verbleiben, weil es nicht sollte sein:Das schufen neue Mären, die da kamenüber Rhein. * * * * *

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Zwanzigste Abenteuer. Wie König Etzel um Kriemhilden sandte. Das war in jenen Zeiten, als Frau Helkestarb 1188 Und der König Etzel um andre Frauen warb, Da riethen seineFreunde in Burgundenland Zu einerstolzen Witwe, die war Frau Kriemhildgenannt. Seit ihm die schöne Helke erstarb, dieKönigin, 1189 Sie sprachen:"Sinnt ihr wieder auf edler Frau Gewinn,Der höchsten und der besten, die je einFürst gewann, So nehmet Kriemhilden; der starke Siegfried war ihr Mann." Da sprach der reiche König: "Wiegienge das wohl an? 1190 Ich binein Heide, ein ungetaufter Mann, Sie

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jedoch ist Christin sie thut esnimmermehr. Ein Wunder müst es heißen, käm sie jemals hieher." Die Schnellen sprachen wieder: "Vielleicht, daß sie es thut 1191 Umeuern hohen Namen und euer großesGut. Man soll es doch versuchen bei demedeln Weib: Euch ziemte wohl zu minnen ihren wonniglichen Leib." Da sprach der edle König: "Wem ist nunbekannt 1192 Unter euch amRheine das Volk und auch das Land?" Dasprach von Bechlaren der gute Rüdiger:"Kund von Kindesbeinen sind mir dieedeln Könige hehr, "Gunther und Gernot, die edeln Rittergut; 1193 Der dritte heißtGeiselher: ein Jeglicher thut, Was er nachZucht und Ehren am besten mag begehn:

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Auch ist von ihren Ahnen noch stätsdasselbe geschehn." Da sprach wieder Etzel: "Freund, nunsage mir, 1194 Ob ihr wohl dieKrone ziemt zu tragen hier; Und hat siesolche Schöne, wie man sie zeiht, Meinenbesten Freunden sollt es nimmer werdenleid." "Sie vergleicht sich an Schöne wohl derFrauen mein, 1195 Helke derreichen: nicht schöner könnte sein Aufder weiten Erde eine Königin: Wen sieerwählt zum Freunde, der mag wohltrösten den Sinn." Er sprach: "So wirb sie, Rüdiger, so liebals ich dir sei. 1196 Und darf ichKriemhilden jemals liegen bei, Das willich dir lohnen, so gut ich immer kann;Auch hast du meinen Willen mit großer

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Treue gethan. "Von meinem Kammergute laß ich soviel dir geben, 1197 Daß du mitden Gefährten in Freude mögest leben;Von Rossen und von Kleidern, was ihr nurbegehrt, Des wird zu der Botschaft euchdie Genüge gewährt." Zur Antwort gab der Markgraf, derreiche Rüdiger: 1198 "Begehrt' ichdeines Gutes, das ziemte mir nicht sehr.Ich will dein Bote gerne werden an denRhein Mit meinem eignen Gute; ich habes aus den Händen dein." Da sprach der reiche König: "Wanndenkt ihr zu fahren 1199 Nach derMinniglichen? So soll euch Gottbewahren Dabei an allen Ehren und auchdie Fraue mein; Und möge Glück mirhelfen, daß sie uns gnädig möge sein."

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Da sprach wieder Rüdiger: "Eh wirräumen dieses Land, 1200 Müßenwir uns rüsten mit Waffen und Gewand,Daß wir vor den Königen mit Ehrendürfen stehn: Ich will zum Rheine führen fünfhundert Degen ausersehn. "Wenn man bei den Burgunden michund die Meinen seh, 1201 Daß danneinstimmig das Volk im Land gesteh, Eshabe nie ein König noch so manchenMann So fern daher gesendet, als du zumRheine gethan. "Und wiß, edler König, stehst du darobnicht an, 1202 Sie war dem bestenManne, Siegfrieden unterthan,Siegmundens Sohne; du hast ihn hiergesehn: Man mocht ihm große Ehre wohlin Wahrheit zugestehn."

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Da sprach der König Etzel: "War sie demHerrn vermählt, 1203 Sie war sohohes Namens der edle Fürst erwählt,Daß ich nicht verschmähen darf dieKönigin. Ob ihrer großen Schönheit gefällt sie wohl meinem Sinn." Da sprach der Markgraf wieder: "Wohlan, ich will euch sagen, 1204 Wirheben uns von hinnen in vierundzwanzigTagen. Ich entbiet es Gotelinden, derlieben Fraue mein, Daß ich zu Kriemhilden selber wolle Bote sein." Hin gen Bechelaren sandte Rüdiger 1205 Boten seinem Weibe, der Markgräfin hehr, Er werbe für denKönig um eine Königin: Der guten Helkedachte sie da mit freundlichem Sinn. Als die Botenkunde die Markgräfingewann, 1206 Leid war es ihr

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zum Theile, zu sorgen hub sie an, Ob siewohl eine Herrin gewänne so wie eh.Gedachte sie an Helke, das that ihrinniglich weh. Nach sieben Tagen Rüdiger ritt ausHeunenland, 1207 Worüberfrohgemuthet man König Etzeln fand. Manfertigte die Kleider in der Stadt zu Wien;Da wollt er mit der Reise auch nichtlänger mehr verziehn. Zu Bechlaren harrte sein Frau Gotelind 1208 Und die jungeMarkgräfin, Rüdigers Kind, Sah ihrenVater gerne und Die ihm unterthan; Daward ein liebes Harren von schönenFrauen gethan. Eh der edle Rüdiger aus der Stadt zuWien 1209 Ritt nachBechlaren, da waren hier für ihn Kleider

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und Gewaffen auf Säumern angekommen.Sie fuhren solcherweise, daß ihnen wenigward genommen. Als sie zu Bechlaren kamen in die Stadt, 1210 Für seine Heergesellen um Herbergen bat Der Wirth mit holdenWorten: die gab man ihnen da. Gotelinddie reiche den Wirth gar gerne kommensah. Auch seine liebe Tochter, die Marfgräfinjung, 1211 Ob ihres VatersKommen war sie froh genung, AusHeunenland die Helden, wie gern sie diesah! Mit lachendem Muthe sprach dieedle Jungfrau da: "Willkommen sei mein Vater und Dieihm unterthan." 1212 Da ward einschönes Danken von manchem werthenMann Freundlich geboten der jungen

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Markgräfin. Wohl kannte Frau Gotlind des edeln Rüdiger Sinn. Als sie des Nachts nun bei Rüdigern lag, 1213 Mit holden Worten fragte die Markgräfin nach, Wohin ihn denngesendet der Fürst von Heunenland?"Meine Frau Gotlind," sprach er, "ichmach es gern euch bekannt. "Meinem Herren werben soll ich einander Weib, 1214 Da ihm isterstorben der schönen Helke Leib. Nunwill ich nach Kriemhilden reiten an denRhein: Die soll hier bei den Heunen gewaltge Königin sein." "Das wollte Gott!" sprach Gotlind, "möcht uns dies Heil geschehn,1215 Da wirso hohe Ehren ihr hören zugestehn. Sieersetzt uns Helken vielleicht in altenTagen; Wir mögen bei den Heunen sie

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gerne sehen Krone tragen." Da sprach Markgraf Rüdiger: "LiebeFraue mein, 1216 Die mit mirreiten sollen von hinnen an den Rhein,Denen sollt ihr freundlich bieten euerGut: Wenn Helden reichlich leben, sotragen sie hohen Muth." Sie sprach: "Da ist nicht Einer, wenn eres gerne nähm, 1217 Ich wollt ihmwillig bieten, was Jeglichem genehm, Ehihr von hinnen scheidet und Die euchunterthan." Da sprach der Markgrafwieder: "Ihr thut mir Liebe daran." Hei! was man reicher Zeuge von ihrerKammer trug! 1218 Da ward denedeln Recken Gewand zu Theil genug Mitallem Fleiß gefüttert vom Hals bis auf dieSporen; Die ihm davon gefielen, hatteRüdger sich erkoren.

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Am siebenten Morgen von Bechlaren ritt 1219 Der Wirth mit seinenDegen. Sie führten Waffen mit UndKleider auch die Fülle durch der BaiernLand. Sie wurden auf der Straße vonRäubern selten angerannt. Binnen zwölf Tagen kamen sie an denRhein. 1220 Da konnte dieseMäre nicht lang verborgen sein: DemKönig und den Seinen ward es kundgethan, Es kämen fremde Gäste. DerWirth zu fragen begann, Ob sie Jemand kennte? das sollte manihm sagen. 1221 Man sah dieSaumrosse schwere Lasten tragen: Wiereich die Helden waren, ward daranerkannt. Herberge schuf man ihnen in derweiten Stadt zuhand.

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Als die Gäste waren in die Stadtgekommen, 1222 IhresAufzugs hatte man mit Neugierwahrgenommen. Sie wunderte, vonwannen sie kämen an den Rhein. DerWirth fragte Hagen, wer die Herrenmöchten sein? Da sprach der Held von Tronje: "Ich sahsie noch nicht; 1223 Wenn ich sieerschaue, mag ich euch Bericht Wohlgeben, von wannen sie ritten in diesLand. Sie wären denn gar fremde, so sindsie gleich mir bekannt." Herbergen hatten die Gäste nunempfahn. 1224 Der Bote hattereiche Gewänder angethan Mit seinenHeergesellen, als sie zu Hofe ritten. Sietrugen gute Kleider, die waren zierlichgeschnitten.

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Da sprach der schnelle Hagen: "So vielich mag verstehn, 1225 Da ich seitlangen Tagen den Herrn nicht habersehn, So sind sie so zu schauen, als wäres Rüdiger Aus der Heunen Lande, dieserDegen kühn und hehr." "Wie sollt ich das glauben," der Königsprachs zuhand, 1226 "Daß der vonBechelaren kam in dieses Land?" Kaumhatte König Gunther das Wortgesprochen gar, So nahm der kühneHagen den guten Rüdiger wahr. Er und seine Freunde liefen ihmentgegen: 1227 Da sprangenvon den Rossen fünfhundert schnelleDegen. Wohl empfangen wurden die vonHeunenland; Niemals trugen Boten wohlso herrlich Gewand. Da rief von Tronje Hagen mit lauter

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Stimme Schall: 1228 "Nun sei'n unshochwillkommen diese Degen all, DerVogt von Bechelaren mit seiner ganzenSchar." Man empfieng mit Ehren dieschnellen Heunen fürwahr. Des Königs nächste Freunde drängtensich heran: 1229 Da hub vonMetzen Ortewein zu Rüdigern an: "Wirhaben lange Tage hier nicht mehr gesehnAlso liebe Gäste, das muß ich wahrlichgestehn!" Sie dankten des Empfanges den Reckenallzumal. 1230 Mit demHeergesinde giengen sie zum Saal, Wosie den König fanden bei manchemkühnen Mann. Der stand empor vom Sitze: das ward aus höfscher Zucht gethan. Wie freundlich dem Boten erentgegengieng 1231 Und

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allen seinen Degen! Gernot auchempfieng Den Gast mit hohen Ehren undDie ihm unterthan. Den guten Rüdgerführte der König an der Hand heran. Er bracht' ihn zu dem Sitze, darauf erselber saß. 1232 Den Gästen ließer schenken (gerne that man das) Vondem guten Methe und von dem bestenWein, Den man mochte finden in denLanden um den Rhein. Geiselher und Gere waren auchgekommen, 1233 Dankwartund Volker, die hatten bald vernommenVon den werthen Gästen. Sie warenwohlgemuth: Sie empfiengen vor demKönig die Ritter edel und gut. Da sprach von Tronje Hagen zuGunthern seinem Herrn: 1234 "MitDienst vergelten sollten stäts eure Degen

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gern, Was uns der Markgraf zu Liebe hatgethan; Des sollte Lohn empfangen derschönen Gotlinde Mann." Da sprach der König Gunther: "Ich laßenicht das Fragen: 1235 Wie beide sichgehaben, das sollt ihr mir sagen, Etzelund Frau Helke in der Heunen Land?" DerMarkgraf gab zur Antwort: "Ich mach esgern euch bekannt." Da erhob er sich vom Sitze und Die ihmunterthan 1236 Und sprach zudem König: "Laßt mich Erlaub empfahn,Daß ich die Märe sage, um die mich hatgesandt Etzel der König hieher in derBurgunden Land." Er sprach: "Was man uns immer durcheuch entboten hat, 1237 Erlaub icheuch zu sagen ohne der Freunde Rath.Die Märe laßt vernehmen mich und die

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Degen mein: Euch soll nach allen Ehren zu werben hier gestattet sein." Da sprach der biedre Bote: "Euchentbietet an den Rhein 1238 Seinetreuen Dienste der große König mein,Dazu den Freunden allen, die euchzugethan; Auch wird euch diese Botschaft mit großer Treue gethan. "Euch läßt der edle König klagen seineNoth: 1239 Sein Volk ist ohneFreude, meine Frau die ist todt, Helke diereiche, meines Herrn Gemahl: An dersind schöne Jungfraun nun verwaist ingroßer Zahl, "Edler Fürsten Kinder, die sie erzogenhat; 1240 Darum hat im Lande nun große Trauer Statt: Sie haben leiderNiemand mehr, der sie so treulich pflegt,Drum wähn ich auch, daß selten des

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Königs Sorge sich legt." "Nun lohn ihm Gott," sprach Gunther, "daß er die Dienste sein 1241 Sowilliglich entbietet mir und den Freundenmein. Ich hörte gern die Grüße, die ihrmir kund gethan; Auch wollen sieverdienen Die mir treu und unterthan." Da sprach von Burgunden der edleGernot: 1242 "Die Welt magwohl beklagen der schönen Helke TodUm manche höfsche Tugend, der siegewohnt zu pflegen." Das bestätigteHagen und mancher andre Degen. Da sprach wieder Rüdiger, der edleBote hehr: 1243 "Erlaubt ihr mir,Herr König, so sag ich euch noch mehr,Was mein lieber Herre euch hieherentbot: Er lebt in großem Kummer seitder Königin Helke Tod.

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"Man sagte meinem Herren, Kriemhildsei ohne Mann, 1244 Da Siegfriedgestorben: und sprach man wahr daran,Und wollt ihr ihrs vergönnen, so soll sieKrone tragen Vor König Etzels Recken: das gebot mein Herr ihr zu sagen." Da sprach König Gunther mitwohlgezognem Muth: 1245 "Siehört meinen Willen, wenn sie es gernethut. Das will ich euch berichten von heutin dreien Tagen: Wenn sie es nichtweigert, wie sollt ichs Etzel versagen?" Man ließ Gemach bescheiden denGästen allzuhand. 1246 Sie fandensolche Pflege, daß Rüdiger gestand, Erhabe gute Freunde in König GunthersLehn. Gerne dient' ihm Hagen: ihm wareinst Gleiches geschehn.

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So verweilte Rüdiger bis an den drittenTag. 1247 Der Fürst berief dieRäthe, wie er weislich pflag, Und fragteseine Freunde, ob sie es gut gethanDäuchte, daß Kriemhild Herrn Etzelnnähme zum Mann. Da riethen sie es alle; nur Hagen standsnicht an. 1248 Er sprach zu KönigGunther, diesem kühnen Mann: "Habt ihrkluge Sinne, so seid wohl auf der Hut,Wenn sie auch folgen wollte, daß ihrdoch nimmer es thut." "Warum," sprach da Gunther, "ließ' iches nicht ergehn? 1249 Was künftignoch der Königin Liebes mag geschehn,Will ich ihr gerne gönnen: sie ist dieSchwester mein. Wir müsten selbst drumwerben, sollt es ihr zur Ehre sein." Da sprach aber Hagen: "Das sprecht ihr

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unbedacht. 1250 Wenn ihr Etzelnkenntet wie ich und seine Macht, Undließt ihr sie ihn minnen, wie ich euch höresagen, Das müstet ihr vor Allen mitgroßem Rechte beklagen." "Warum?" sprach da Gunther, "leichtvermeid ich das, 1251 Ihm je so nahzu kommen, daß ich durch seinen HaßLeid zu befahren hätte, würd er auch ihrMann." Da sprach wieder Hagen: "Michdünkt es nimmer wohlgethan." Da lud man Gernoten und Geiselhernheran, 1252 Ob die Herrenbeide däuchte wohlgethan, Wenn FrauKriemhild nähme den mächtgen Könighehr. Noch widerrieth es Hagen und auchanders Niemand mehr. Da sprach von Burgunden Geiselher derDegen: 1253 "Nun mögt ihr,

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Freund Hagen, noch der Treue pflegen:Entschädigt sie des Leides, das ihr ihrhabt gethan. Was ihr noch mag gelingen, das säht ihr billig neidlos an." "Wohl habt ihr meiner Schwester gefügtso großes Leid," 1254 Sprach dawieder Geiselher, der Degen allbereit,"Ihr hättets wohl verschuldet, wäre sieeuch gram: Noch Niemand einer Frauen so viel der Freuden benahm." "Daß ich das wohl erkenne, das sei euchfrei bekannt. 1255 Und soll sie Etzelnnehmen und kommt sie in sein Land, Wiesie es fügen möge, viel Leid thut sie unsan. Wohl kommt in ihre Dienste damancher waidliche Mann." Dawider sprach zu Hagen der kühneGernot: 1256 "Es mag dabeiverbleiben bis an Beider Tod, Daß wir

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niemals kommen in König Etzels Land.Laßt uns ihr Treue leisten: zu Ehren wirduns das gewandt." Da sprach Hagen wieder: "Das laß ichmir Niemand sagen; 1257 Und soll dieedle Kriemhild Helkens Krone tragen,Viel Leid wird sie uns schaffen, wo sie'snur fügen kann: Ihr sollt es bleiben laßen, das ständ euch Recken beßer an." Im Zorn sprach da Geiselher, derschönen Ute Kind: 1258 Wir wollendoch nicht alle meineidig sein gesinnt.Was ihr geschieht zu Ehren, laßt uns frohdrum sein. Was ihr auch redet, Hagen, ich dien ihr nach der Treue mein." Als das Hagen hörte, da trübte sich seinMuth. 1259 Geiselher undGernot, die stolzen Ritter gut, UndGunther der reiche vereinten endlich

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sich, Wenn es Kriemhild wünsche, siewolltens dulden williglich. Da sprach Markgraf Gere: "So geh ichihr zu sagen, 1260 Daß sie denKönig Etzel sich laße wohlhagen. Dem istso mancher Recke mit Furchtenunterthan, Er mag ihr wohl vergüten, wassie je Leides gewann." Hin gieng der schnelle Degen, wo erKriemhilden sah. 1261 Sie empfiengihn gütlich; wie balde sprach er da: "Ihrmögt mich gern begrüßen und gebenBotenbrot, Es will das Glück euchscheiden nun von all eurer Noth. "Es hat um eure Minne, Frau,hiehergesandt 1262 DerAllerbesten einer, der je ein KönigslandGewann mit vollen Ehren und Kronedurfte tragen: Es werben edle Ritter: das

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läßt euch euer Bruder sagen." Da sprach die Jammerreiche: "Verbietedoch euch Gott 1263 Und allenmeinen Freunden, daß sie keinen SpottMit mir Armen treiben: was sollt icheinem Mann, Der je Herzensliebe vongutem Weibe gewann?" Sie widersprach es heftig. Da traten zuihr her 1264 Gernot ihr Bruder und der junge Geiselher. Sie baten sie inMinne zu trösten ihren Mut. Und nehmesie den König, es gerath ihr wahrlich gut. Bereden mochte Niemand doch dieKönigin 1265 Noch einenMann zu minnen auf Erden fürderhin. Dabaten sie die Degen: "So laßt es dochgeschehn, Wenn ihr denn nicht anderswollt, daß euch der Bote möge sehn."

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"Das will ich nicht versagen," sprach dieFraue hehr. 1266 Ich empfangegerne den guten Rüdiger Ob seinerhöfschen Sitte: wär er nicht hergesandt,Jedem andern Boten, dem blieb' ichimmer unbekannt." Sie sprach: "So schickt den Degen morgen früh heran 1267 Zu meinerKemenate. Ich bescheid ihn dann: Wesich mich berathen, will ich ihm selbersagen." So war ihr jetzt erneuert dasgroße Weinen und Klagen. Da wünschte sich auch anders nichts deredle Rüdiger, 1268 Als daß erschauen dürfte die Königin hehr. Er wustesich so weise: könnt es irgend sein, Somüst er sie bereden, diesen Recken zufrein. Früh des andern Morgens nach dem

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Messgesang 1269 Kamen dieedeln Boten; da hub sich großer Drang.Die mit Rüdigeren zu Hofe sollten gehn,Die sah man wohlgekleidet, manchenDegen ausersehn. Kriemhilde die arme, in traurigem Muth 1270 Harrte sie auf Rüdiger, den edeln Boten gut. Er fand sie in demKleide, das sie für täglich trug: Dabei hattihr Gesinde reicher Kleider genug. Sie gieng ihm entgegen zu der Thüre hin 1271 Und empfieng EtzelsRecken mit gütlichem Sinn. Nurselbzwölfter trat er herein zu der Fraun;Man bot ihm große Ehre; wer möcht auchbeßre Boten schaun? Man hieß den Herren sitzen und Die inseinem Lehn. 1272 Die beidenMarkgrafen sah man vor ihr stehn,

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Eckewart und Gere, die edeln Ritter gut.Um der Hausfrau willen sahn sie Niemandwohlgemuth. Sie sahen vor ihr sitzen manche schöneMaid. 1273 Da hatte FrauKriemhild Jammer nur und Leid. Ihr Kleidwar vor den Brüsten von heißen Thränennaß. Das sah der edle Markgraf, der nichtlänger vor ihr saß. Er sprach in großen Züchten: "Viel edlesKönigskind, 1274 Mir und denGefährten, die mit mir kommen sind, Solltihr, Frau, erlauben, daß wir vor euchstehn Und euch melden, weshalb unsreReise sei geschehn." "Ich will euch gern erlauben," sprachdie Königin, 1275 "Was ihr wollt, zureden; also steht mein Sinn, daß ich esgerne höre: ihr seid ein Bote gut." Da

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merkten wohl die Andern ihrenabgeneigten Muth. Da sprach von Bechelaren der MarkgrafRüdiger: 1276 "Euch läßtentbieten, Herrin, Etzel der König hehrGroße Lieb und Treue hierher in diesesLand; Er hat um eure Minne viel guteRecken gesandt. "Er entbeut euch freundlich Liebesonder Leid; 1277 Er sei stäterFreundschaft nun euch hinfort bereit WieHelken einst, der Königin, die ihm amHerzen lag: Ihr sollt die Krone tragen, deren sie vor Zeiten pflag." Da sprach zu ihm die Königin: "MarkgrafRüdiger, 1278 Wenn meinesHerzeleides Jemand kundig war, Derwürde mir nicht rathen zu einem zweitenMann: Ich verlor der Besten Einen, die je

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ein Weib noch gewann." "Was tröstet mehr im Leide", sprach derkühne Mann, 1279 "Als freundlicheLiebe? Wer die gewähren kann Und hatsich den erkoren, der ihm zu Herzenkommt, Der erfährt wohl, daß im Leide nichts so sehr als Liebe frommt. "Und geruht ihr zu minnen den edelnHerren mein, 1280 Zwölf reicherKronen sollt ihr gewaltig sein. Dazu vondreißig Fürsten giebt euch mein Herr dasLand, Die alle hat bezwungen seinevielgewaltge Hand. "Ihr sollt auch Herrin werden übermanchen werthen Mann, 1281 Diemeiner Frauen Helke waren unterthan,Und viel der schönen Maide, einst ihremDienst gesellt, Von hoher FürstenStamme," sprach der hochbeherzte Held.

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"Dazu giebt euch der König, gebot ereuch zu sagen, 1282 Wenn ihrgeruht die Krone bei meinem Herrn zutragen, Gewalt die allerhöchste, dieHelke je gewann: Alle Mannen Etzels werden euch da unterthan." "Wie möchte jemals wieder," sprach dieKönigin, 1283 "Eines HeldenWeib zu werden gelüsten meinem Sinn?Mir hat der Tod an Einem so bittres Leidgethan, Daß ichs bis an mein Ende nimmermehr verschmerzen kann." Die Heunen sprachen wieder: Vielreiche Königin, 1284 Das Lebengeht bei Etzeln so herrlich euch dahin,Daß ihr in Wonnen schwebet, weigert ihres nicht; Mancher ziere Degen steht indes reichen Königs Pflicht.

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"Helkens Jungfrauen und eureMägdelein, 1285 Sollten diebeisammen je Ein Gesinde sein, Dabeimöchten Recken wohl werdenwohlgemuth. Laßt es euch rathen, Fraue, es bekommt euch wahrlich gut." Sie sprach mit edler Sitte: "Nun laßt dieRede sein 1286 Bis morgen in derFrühe, dann tretet zu mir ein, Daß ich aufdie Werbung euch gebe den Bescheid."Da musten Folge leisten die kühnenDegen allbereit. Als zu den Herbergen sie kamenallzumal, 1287 NachGeiselhern zu senden die edle Fraubefahl Und nach ihrer Mutter: den Beidensagte sie, Ihr gezieme nur zu weinen undalles Andere nie. Da sprach ihr Bruder Geiselher: "Mir

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ahnt, Schwester mein, 1288 Und gernemag ichs glauben, dein Leid und deinePein Wird König Etzel wenden; undnimmst du ihn zum Mann, Was Jemandanders rathe, so dünkt es michwohlgethan." "Er mag dirs wohl ersetzen," sprachwieder Geiselher. 1289 "Vom Rottenbis zum Rheine, von der Elbe bis ansMeer Weiß man keinen König gewaltigerals ihn. Du magst dich höchlich freuen, heischt er dich zur Königin." Sie sprach: "Lieber Bruder, wie räthst dumir dazu? 1290 Weinen und Klagen das käm mir eher zu. Wie sollt ich vor denRecken da zu Hofe gehn? Hatt ich jemalsSchönheit, um die ists lange geschehn." Da redete Frau Ute der lieben Tochterzu: 1291 "Was deine Brüder

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rathen, liebes Kind, das thu. Folge deinenFreunden, so mag dirs wohlergehn. Habich dich doch so lange in großem Jammergesehn." Da bat sie, daß vom Himmel ihr würdeRath gesandt: 1292 Denn hätte siezu geben Gold, Silber und Gewand Wieeinst, da er noch lebte, ihr Mann derDegen hehr, Sie erlebe doch nicht wieder so frohe Stunden nachher. Sie dacht in ihrem Sinne: "Und sollt ichmeinen Leib 1293 Einem Heidengeben? Ich bin ein Christenweib; Desmüst ich billig Schelte von aller Weltempfahn; Gäb er mir alle Reiche, esbliebe doch ungethan." Da ließ sie es bewenden. Die Nacht bisan den Tag 1294 Die Frau in ihremBette voll Gedanken lag. Ihre lichten

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Augen trockneten ihr nicht, Bis sie hin zurMette wieder gieng beim Morgenlicht. Nun waren auch die Könige zurMessezeit gekommen. 1295 Siehatten ihre Schwester an die Handgenommen Und riethen ihr zu minnen den von Heunenland. Niemand doch dieFraue ein wenig fröhlicher fand. Da ließ man zu ihr bringen, die Etzelhingesandt, 1296 Die nun mitUrlaub wollten räumen Gunthers Land,Wie es gerathen möge, mit Nein oder Ja!Da kam zu Hofe Rüdiger: die Gefährtenmahnten ihn da, Recht zu erforschen des edeln FürstenMuth 1297 Und zeitig das zuleisten; das dauchte Jeden gut; Ihre Wegewären ferne wieder in ihr Land. Manbrachte Rüdigeren hin, wo er

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Kriemhilden fand. Da bat alsbald der Recke die edleKönigin 1298 Mit minniglichenWorten, zu künden ihren Sinn, Was sieentbieten wolle in König Etzels Land. DerHeld mit seinem Werben bei ihr nurWeigerung fand. "Sie wolle nimmer wieder minnen einenMann." 1299 Dawider sprachder Markgraf: "Das wär nicht rechtgethan: Was wolltet ihr verderben sominniglichen Leib? Ihr werdet noch mitEhren eines werthen Recken Weib." Nichts half es, was sie baten, bis daßRüdiger 1300 Insgeheimgesprochen mit der Königin hehr, Er hoffihr zu vergüten all ihr Ungemach. Da ließzuletzt ein wenig ihre hohe Trauer nach.

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Er sprach zu der Königin: "Laßt euerWeinen sein; 1301 Hättet ihr beiden Heunen Niemand als mich allein,Meine getreuen Freunde und Die mirunterthan, Er sollt es schwer entgelten, hätt euch Jemand Leid gethan." Davon ward erleichtert der Frauen wohlder Muth. 1302 Sie sprach: "Soschwört mir, Rüdiger, was mir Jemandthut, Ihr wollt der Erste werden, derrächen will mein Leid." Da sprach zu ihrder Markgraf: "Dazu bin ich, Frau,bereit." Mit allen seinen Mannen schwur ihr daRüdiger, 1303 Ihr immer treu zudienen, und daß die Recken hehr Ihrnichts versagen wollten in König EtzelsLand, Was ihre Ehre heische: das gelobt'ihr Rüdigers Hand.

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Da gedachte die Getreue: "Wenn ichgewinnen kann 1304 So viel stäterFreunde, so seh ichs wenig an, Was auchdie Leute reden, in meines Jammers Noth.Vielleicht wird noch gerochen meineslieben Mannes Tod." Sie gedachte: "Da Herr Etzel der Reckenhat so viel, 1305 Denen ich gebiete, so thu ich, was ich will. Er hat auch solcheSchätze, daß ich verschenken kann; Michhat der leide Hagen meines Gutes ohnegethan." Sie sprach zu Rüdigeren: "Hätt ich nichtvernommen, 1306 Daß er ein Heidewäre, so wollt ich gerne kommen, Wohiner geböte, und nähm ihn zum Mann." Dasprach der Markgraf wieder: "Stehtdarauf, Herrin, nicht an. "Er ist nicht gar ein Heide, des dürft ihr

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sicher sein: 1307 Er ist getauftgewesen, der liebe Herre mein, Wenn erauch zu den Heiden wieder übertrat:Wollt ihr ihn, Herrin, minnen, so wirddarüber noch Rath. "Ihm dienen so viel Recken in derChristenheit, 1308 Daß euch beidem König nie widerfährt ein Leid. Ihrmögt auch leicht erlangen, daß der Königgut Zu Gott wieder wendet so die Seelewie den Muth." Da sprachen ihre Brüder: "Verheißt es,Schwester mein, 1309 Und all euernKummer laßt in Zukunft sein." Des batensie so lange, bis sie mit Trauer drein Vorden Helden willigte, den König Etzel zufrein. Sie sprach: "Ich muß euch folgen, icharme Königin! 1310 Ich fahre zu den

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Heunen, wann es geschehe, hin, Wennich Freunde finde, die mich führen in seinLand." Darauf bot vor den Helden dieschöne Kriemhild die Hand. Der Markgraf sprach: "Zwei Recken stehn in eurem Lehn, 1311 Dazu habich noch manchen: so kann es wohlgeschehn, Daß wir euch mit Ehren bringen überrhein, Ich laß euch nun nichtlänger hier bei den Burgunden sein. "Fünfhundert Mannen hab ich und derFreunde mein: 1312 Die solleneuch zu Diensten hier und bei Etzeln sein,Was ihr auch gebietet; ich selber steheuch bei Und will michs nimmer schämen, mahnt ihr mich künftig meiner Treu. "Eure Pferdedecken haltet euch bereit; 1313 Was Rüdiger gerathenhat, wird euch nimmer leid. Und sagt es

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euern Mägdlein, die ihr euch gesellt, Unsbegegnet unterwegs mancherauserwählte Held." Sie hatten noch Geschmeide, das sie zuSiegfrieds Zeit 1314 Beim Reitengetragen, daß sie mit mancher Maid MitEhren reisen mochte, so sie wollthindann. Hei! was man guter Sättel denschönen Frauen gewann! Hatten sie schon immer getragen reichGewand, 1315 So wurde des zurReise die Fülle nun zur Hand, Weil ihnenvon dem König so viel gepriesen ward;Sie schloßen auf die Kisten, so langversperrt und gespart. Sie waren sehr geschäftig wohlfünftehalben Tag 1316 Undsuchten aus dem Einschlag, so vieldarinne lag. Ihre Kammer zu erschließen

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hub da Kriemhild an, Sie Alle reich zumachen, Die Rüdigern unterthan. Sie hatte noch des Goldes vonNibelungenland: 1317 Das solltebei den Heunen vertheilen ihre Hand.Sechshundert Mäule mochten es nichtvon dannen tragen. Die Märe hörte Hagen da von Kriemhilden sagen. Er sprach: "Mir wird Kriemhild dochnimmer wieder hold: 1318 So mußauch hier verbleiben Siegfriedens Gold.Wie ließ' ich meinen Feinden wohl sogroßes Gut? Ich weiß gar wohl, wasKriemhild noch mit diesem Schatze thut. "Brächte sie ihn von hinnen, ich glaubesicherlich, 1319 Sie würd ihn nurvertheilen, zu werben wider mich. Sie hatauch nicht die Rosse, um ihnhinwegzutragen: Behalten will ihn Hagen,

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das soll man Kriemhilden sagen." Als sie vernahm die Märe, das schuf ihrgrimme Pein. 1320 Es ward auchden Königen gemeldet allen drein: Siegedachten es zu wenden. Als das nichtgeschah, Rüdiger der edle sprach mitfrohem Muthe da: "Reiche Königstochter, was klagt ihr umdas Gold? 1321 Euch ist KönigEtzel so zugethan und hold, Ersehn euchseine Augen, er giebt euch solchen Hort,Daß ihr ihn nie verschwendet; dasverbürgt euch, Frau, mein Wort." Da sprach zu ihm die Königin: "Vieledler Rüdiger, 1322 Nie gewannder Schätze eine Königstochter mehr Alsdie, deren Hagen mich ohne hat gethan."Da kam ihr Bruder Gernot zu ihrerKammer heran.

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Mit des Königs Macht den Schlüßel stießer in die Thür. 1323 KriemhildensSchätze reichte man herfür, Andreißigtausend Marken oder wohl nochmehr, Daß es die Gäste nähmen: desfreute Gunther sich sehr. Da sprach von Bechelaren der GotelindeMann: 1324 "Und gehörten alldie Schätze noch Kriemhilden an, Dieman jemals brachte von Nibelungenland,Nicht berühren sollt es mein noch derKönigin Hand. "Heißt es aufbewahren, da ichs nichthaben will. 1325 Ich bracht ausunserm Lande des Meinen her so viel,Wir mögens unterweges entrathen wohlmit Fug: Wir haben zu der Reise genugund übergenug."

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Zwölf Schreine hatten noch ihreMägdelein 1326 Desallerbesten Goldes, das irgend mochtesein, Bewahrt aus alten Zeiten: das nunverladen ward Und viel der Frauenzierde, die sie brauchten auf der Fahrt. Die Macht des grimmen Hagen bedauchte sie zu stark. 1327 DesOpfergoldes hatte sie wohl noch tausendMark: Das gab sie für die Seele von ihremlieben Mann. Das dauchte Rüdigeren mitgroßen Treuen gethan. Da sprach die arme Königin: "Wo sinddie Freunde mein, 1328 Die da mir zuLiebe im Elend wollen sein Und mit mirreiten sollen in König Etzels Land? Dienehmen meines Goldes und kaufen Ross'und Gewand." Alsbald gab ihr Antwort der Markgraf

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Eckewart: 1329 "Seit ich alsIngesinde euch zugewiesen ward, Habich euch stäts getreulich gedient," sprachder Degen, "Und will bis an mein Ende des Gleichen immer bei euch pflegen. "Ich führ auch mit der Meinen fünfhundert Mann, 1330 Die bietich euch zu Dienste mit rechten Treuenan. Wir bleiben ungeschieden, es thu esdenn der Tod." Der Rede dankt' ihmKriemhild, da ers so wohl ihr erbot. Da brachte man die Rosse: sie wolltenaus dem Land. 1331 Wohl huben anzu weinen die Freunde all zur Hand. Utedie reiche und manche schöne MaidBezeigten, wie sie trugen um KriemhildenHerzeleid. Hundert schöner Mägdelein führte sieaus dem Land; 1332 Die wurden

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wohl gekleidet, jede nach ihrem Stand.Aus lichten Augen fielen, die Thränenihnen nieder; Manche Freud erlebten sieauch bei König Etzel wieder. Da kam der junge Geiselher und KönigGernot, 1333 Mit ihremHeergesinde, wie es die Zucht gebot: Dieliebe Schwester wollten sie begleitendurch das Land; Sie hatten im Gefolge wohl tausend Degen auserkannt. Da kam der schnelle Gere und auchOrtewein; 1334 Rumold derKüchenmeister der ließ sie nicht allein.Sie schufen Nachtlager der Frauen aufden Wegen: Als Marschall sollte Volker ihrer Herberge pflegen. Bei Abschiedsküssen hatte man Weinenviel vernommen, 1335 Eh sie zuFelde waren von der Burg gekommen.

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Ungebeten gaben Viele Geleit ihr durchdas Land. Vor der Stadt schon hatte sichKönig Gunther gewandt. Eh sie vom Rheine führen, hatten sievorgesandt 1336 Ihre schnellenBoten in der Heunen Land, Dem Königezu melden, daß ihm Rüdiger Zum Gemahlgeworben die edle Königin hehr. Die Boten fuhren schnelle: Eil war ihnenNoth 1337 Um die große Ehre und das reiche Botenbrot. Als sie mit ihrenMären waren heimgekommen, Da hatteKönig Etzel so Liebes selten vernommen. Der frohen Kunde willen ließ der Königgeben 1338 Den Boten solcheGaben, daß sie wohl mochten lebenImmerdar in Freuden hernach bis an denTod: Mit Wonne war verschwunden desKönigs Kummer und Noth.

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* * * * *

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Einundzwanzigstes Abenteuer. Wie Kriemhild zu den Heunen fuhr. Die Boten laßt reiten, so thun wir euchbekannt, 1339 Wie dieKönigstochter fuhr durch das Land, Undwo von ihr Geiselher schied mit Gernot;Sie hatten ihr gedienet, wie ihre Treuegebot. Sie kamen an die Donau gen Bergen nungeritten. 1340 Da begannen sieum Urlaub die Königin zu bitten, Weil siewieder wollten reiten an den Rhein. Damocht es ohne Weinen von gutenFreunden nicht sein. Geiselher der schnelle sprach zu derSchwester sein: 1341 "Schwester,wenn du jemals bedürfen solltest mein,

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Was immer dich gefährde, so mach esmir bekannt, Dann reit ich dir zu dienen hin in König Etzels Land." Die Verwandten alle küsste sie auf denMund. 1342 Minniglich sichscheiden sah man da zur Stund Dieschnellen Burgunden von RüdigersGeleit. Da zog mit der Königin manchewohlgethane Maid, Hundert und viere; sie trugen schönGewand 1343 Vonbuntgewebten Zeugen; manch breitenSchildesrand Führte man der Königin nach auf ihren Wegen. Da bat auch umUrlaub Volker der zierliche Degen. Ueber die Donau kamen sie jetzt genBaierland: 1344 Da sagte mandie Märe, es kämen angerannt Vielunkunder Gäste. Wo noch ein Kloster

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steht Und der Innfluß mündend in dieDonau niedergeht, In der Stadt zu Paßau saß ein Bischof. 1345 Herbergen leerten sich und auch des Fürsten Hof: Den Gästenentgegen giengs auf durch Baierland, Woder Bischof Pilgerin die schöne Kriemhildfand. Den Recken in dem Lande war es nichtzu leid, 1346 Als sie ihr folgensahen so manche schöne Maid. Da kos'tensie mit Augen manch edeln Ritters Kind.Gute Herberge wies man den Gästengeschwind. Dort zu Pledelingen schuf man ihnenRuh; 1347 Das Volkallenthalben ritt auf sie zu. Man gab, wassie bedurften, williglich und froh: Sienahmen es mit Ehren; so that man bald

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auch anderswo. Der Bischof mit der Nichte ritt auf Paßauan. 1348 Als es da den Bürgern der Stadt ward kund gethan, DasSchwesterkind des Fürsten, Kriemhildwolle kommen, Da ward sie wohl mitEhren von den Kaufherrn aufgenommen. Als der Bischof wähnte, sie bliebennachts ihm da, 1349 SprachEckewart der Markgraf: "Unmöglich istdas ja: Wir müßen abwärts reiten inRüdigers Land: Viel Degen harren unser: ihnen allen ist es bekannt." Nun wust auch wohl die Märe die schöneGotelind: 1350 Sie rüstete sichfleißig und auch ihr edel Kind. Ihr hattentboten Rüdiger, ihn bedünk es gut,Wenn sie der Königstochter damittröstete den Muth

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Und ihr entgegenritte mit seiner MannenSchar 1351 Hinauf bis zur Ense. Als das im Werke war, Da sah manallenthalben erfüllt die Straßen stehn: Siewollten ihren Gästen entgegen reiten undgehn. Nun war gen Everdingen die Königingekommen. 1352 Man hatt imBaierlande von Schächern wohlvernommen, Die auf den Straßen raubten, wie es ihr Gebrauch: So hätten sie dieGäste mögen schädigen auch. Das hatte wohl verhütet der edleRüdiger: 1353 Er führtetausend Ritter oder wohl noch mehr. Dakam auch Gotelinde, Rüdigers Gemahl,Mit ihr in stolzem Zuge kühner Reckengroße Zahl.

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Ueber die Traune kamen sie bei Enseauf das Feld; 1354 Da sah manaufgeschlagen Hütten und Gezelt, Daßgute Ruhe fänden die Gäste bei derNacht. Für ihre Kost zu sorgen war derMarkgraf bedacht. Von den Herbergen ritt ihrer Frauentgegen 1355 Gotelind dieschöne. Da zogen auf den Wegen Mitklingenden Zäumen viel Pferdewohlgethan. Sie wurde wohl empfangen; lieb that man Rüdigern daran. Die sie zu beiden Seiten begrüßten aufdem Feld 1356 Mit kunstvollemReiten, das war mancher Held. Sie übtenRitterspiele; das sah manch schöne Maid.Auch war der Dienst der Helden denschönen Frauen nicht leid. Als zu den Gästen kamen Die in

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Rüdigers Lehn, 1357 VielSchaftsplitter sah man in die Lüfte gehnVon der Recken Händen nach ritterlichenSitten. Da wurde wohl zu Danke vor denFrauen geritten. Sie ließen es bewenden. Da grüßtemancher Mann 1358 Freundlichden andern. Nun führten sie heran Dieschöne Gotelinde, wo sie Kriemhild sah.Die Frauen dienen konnten, hatten seltenMuße da. Der Vogt von Bechelaren ritt zuGotlinden hin. 1359 WenigKummer schuf es der edeln Markgräfin,Daß sie wohl geborgen ihn sah vomRheine kommen. Ihr war die meiste Sorge mit großer Freude benommen. Als sie ihn hatt empfangen, hieß er sieauf das Feld 1360 Mit den Frauen

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steigen, die er ihr sah gestellt. Da zeigtesich geschäftig mancher edle Mann: DenFrauen wurden Dienste mit großemFleiße gethan. Da ersah Frau Kriemhild die Markgräfinstehn 1361 Mit ihrem Ingesinde: sie ließ nicht näher gehn: Sie zog mit demZaume das Ross an, das sie trug, Und ließsich aus dem Sattel heben schleuniggenug. Den Bischof sah man führen seinerSchwester Kind, 1362 Ihn undEckewarten, hin zu Frau Gotelind. Esmuste vor ihr weichen, wer im Wegestund. Da küsste die Fremde dieMarkgräfin auf den Mund. Da sprach mit holden Worten die edleMarkgräfin: 1363 "Nun wohl mir,liebe Herrin, daß ich so glücklich bin,

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Hier in diesem Lande mit Augen euch zusehn: Mir könnt in diesen Zeiten nimmerlieber geschehn." "Nun lohn euch Gott," sprach Kriemhild, "viel edle Gotelind. 1364 So ich gesundverbleibe mit Botlungens Kind, Mag euchzu Gute kommen, daß ihr mich habtgesehn." Noch ahnten nicht die Beiden, was später muste geschehn. Mit Züchten zu einander gieng damanche Maid; 1365 Zu Dienstenwaren ihnen die Recken gern bereit. Siesetzten nach dem Gruße sich nieder aufden Klee: Da lernten sich kennen, diesich fremd gewesen eh. Man ließ den Frauen schenken. Es waram hohen Tag; 1366 Das edleIngesinde der Ruh nicht länger pflag. Sieritten, bis sie fanden viel breiter Hütten

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stehn: Da konnten große Dienste denedeln Gästen geschehn. Ueber Nacht da pflegen sollten sie derRuh. 1367 Die von Bechelaren schickten sich dazu, Nach Würden zubewirthen so manchen werthen Mann. Sohatte Rüdiger gesorgt, es gebrach nichtviel daran. Die Fenster an den Mauern sah manoffen stehn; 1368 Man mochteBechelaren weit erschloßen sehn. Daritten ein die Gäste, die man gerne sah;Gut Gemach schuf ihnen der edleRüdiger da. Des Markgrafen Tochter mit demGesinde gieng 1369 Dahin, wosie die Königin minniglich empfieng. Dawar auch ihre Mutter, Rüdigers Gemahl:Liebreich empfangen wurden die

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Jungfrauen allzumal. Sie fügten ihre Hände in Eins undgiengen dann 1370 Zu einemweiten Saale, der war gar wohlgethan,Vor dem die Donau unten die Flutvorübergoß. Da saßen sie im Freien undhatten Kurzweile groß. Ich kann euch nicht bescheiden, wasweiter noch geschah. 1371 Daß sie soeilen müsten, darüber klagten da DieRecken Kriemhildens; wohl war es ihnenleid. Was ihnen guter Degen aus Bechlarngaben Geleit! Viel minnigliche Dienste der Markgrafihnen bot. 1372 Da gab dieKönigstochter zwölf Armspangen roth DerTochter Gotlindens und also gut Gewand,Daß sie kein beßres brachte hin in KönigEtzels Land.

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Obwohl ihr war benommen derNibelungen Gold, 1373 Alle, diesie sahen, machte sie sich hold Noch mitdem kleinen Gute, das ihr verbliebenwar. Dem Ingesind des Wirthes bot siegroße Gaben dar. Dafür erwies Frau Gotlind den Gästenvon dem Rhein 1374 Auch so hoheEhre mit Gaben groß und klein, Daß manda der Fremden wohl selten einen fand,Der nicht von ihr Gesteine trug oderherrlich Gewand. Als man nach dem Imbiß fahren sollthindann, 1375 Ihre treuenDienste trug die Hausfrau an Mitminniglichen Worten Etzels Gemahl. Dieliebkos'te scheidend der schönenJungfrau zumal.

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Da sprach sie zu der Königin: "Dünkt eseuch nun gut, 1376 So weiß ich, wiegern es mein lieber Vater thut, Daß ermich zu euch sendet in der HeunenLand." Daß sie ihr treu gesinnt war, wiewohl Frau Kriemhild das fand! Die Rosse kamen aufgezäumt vorBechelaren an. 1377 Als die edleKönigin Urlaub hatt empfahn VonRüdigers Weibe und von der Tochtersein, Da schieden auch mit Grüßen vielder schönen Mägdelein. Sie sahn einander selten mehr nachdiesen Tagen. 1378 Aus Medelickauf Händen brachte man getragen Manchschönes Goldgefäße angefüllt mit WeinDen Gästen auf die Straße und hieß siewillkommen sein. Ein Wirth war da geseßen, Astold

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genannt, 1379 Der wies siedie Straße ins Oesterreicherland GegenMautaren an der Donau nieder: Da wardviel Dienst erboten der reichen Königinwieder. Der Bischof mit Liebe von seiner Nichteschied. 1380 Daß sie sich wohlgehabe, wie sehr er ihr das rieth, Undsich Ehr erwerbe, wie Helke einst gethan.Hei! was sie großer Ehren bald bei denHeunen gewann! An die Traisem kamen die Gäst in kurzerZeit. 1381 Sie zu pflegen fliß sich Rüdigers Geleit, Bis daß man die Heunen sah reiten über Land: Da ward derKönigstochter erst große Ehre bekannt. Bei der Traisem hatte der Fürst vonHeunenland 1382 Eine reicheVeste, im Lande wohl bekannt, Mit

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Namen Traisenmauer: einst wohnte Helkeda Und pflag so hoher Milde, als wohlnicht wieder geschah, Es sei denn von Kriemhilden; diemochte gerne geben. 1383 Siedurfte wohl die Freude nach ihrem Leiderleben, Daß ihre Güte priesen, dieEtzeln unterthan. Das Lob sie bei denHelden in der Fülle bald gewann. König Etzels Herrschaft war so weiterkannt, 1384 Daß man zu allenZeiten an seinem Hofe fand Dieallerkühnsten Recken, davon man jevernommen Bei Christen oder Heiden; die waren all mit ihm gekommen. Bei ihm war allerwegen, so sieht mansnimmermehr, 1385 So christlicherGlaube als heidnischer Verkehr. Wozunach seiner Sitte sich auch ein Jeder

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schlug, Das schuf des Königs Milde, mangab doch Allen genug. * * * * *

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Zweiundzwanzigstes Abenteuer. Wie Kriemhild bei den Heunenempfangen ward. Sie blieb zu Traisenmauer bis an denvierten Tag. 1386 Der Staub in denStraßen derweil nicht stille lag: Aufstober allenthalben wie in hellem Brand. Daritten Etzels Leute durch dasOesterreicherland. Es war dem König Etzel gemeldet in derZeit, 1387 Daß ihm vorGedanken schwand sein altes Leid, Wieherrlich Frau Kriemhild zöge durch dasLand. Da eilte hin der König, wo er dieMinnigliche fand. Von gar manchen Sprachen sah man aufden Wegen 1388 Vor König

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Etzeln reiten viel der kühnen Degen, VonChristen und von Heiden manches breiteHeer. Als sie die Herrin fanden, sie zogenfröhlich einher. Von Reußen und von Griechen ritt damancher Mann; 1389 Die Polenund Walachen zogen geschwind heranAuf den guten Rossen, die sie herrlichritten. Da zeigte sich ein Jeder in seinenheimischen Sitten. Aus dem Land zu Kiew ritt da mancherMann 1390 Und die wildenPeschenegen. Mit Bogen hub man an Zuschießen nach den Vögeln, die in denLüften flogen; Mit Kräften sie die Pfeile bis zu des Bogens Ende zogen. Eine Stadt liegt an der Donau imOesterreicherland, 1391 Die istgeheißen Tulna. Da ward ihr bekannt

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Manche fremde Sitte, die sie nochniemals sah. Da empfiengen sie gar Viele, denen noch Leid von ihr geschah. Es ritt dem König Etzel ein Ingesindvoran, 1392 Fröhlich undprächtig, höfisch und wohlgethan, Wohlvierundzwanzig Fürsten, mächtig undhehr: Ihre Königin zu schauen, siebegehrten sonst nichts mehr. Ramung, der Herzog aus Walachenland, 1393 Mit siebenhundertMannen kam er vor sie gerannt. Wiefliegende Vögel sah man sie alle fahren.Da kam der Fürst Gibeke mit vielherrlichen Scharen. Hornbog der schnelle ritt mit tausendMann 1394 Von des KönigsSeite zu seiner Fraun heran. Sie prangtenund stolzierten nach ihres Landes Sitten.

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Von den Heunenfürsten ward auch daherrlich geritten. Da kam vom Dänenlande der kühneHawart 1395 Und Iring derschnelle, vor allem Falsch bewahrt; VonThüringen Irnfried, ein waidlicher Mann:Sie empfiengen Kriemhilden, daß sie vielEhre gewann, Mit zwölfhundert Mannen, die zählte ihreSchar. 1396 Da kam der DegenBlödel mit dreitausend gar, König EtzelsBruder aus dem Heunenland: Der ritt instolzem Zuge, bis er die Königin fand. Da kam der König Etzel und HerrDieterich 1397 Mit seinenHelden allen. Da sah man ritterlichManchen edeln Ritter bieder und auchgut. Davon ward Kriemhilden gar wohlerhoben der Muth.

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Da sprach zu der Königin der edleRüdiger: 1398 "Frau, euch willempfangen hier der König hehr. Wen icheuch küssen heiße, dem sei der Kussgegönnt: Wißt, daß ihr Etzels Recken nicht alle gleich empfangen könnt." Da hob man von der Mähre die Königinhehr. 1399 Etzel der reiche nicht säumt' er länger mehr: Er schwangsich von dem Rosse mit manchem kühnenMann; Voller Freuden kam er zu FrauKriemhilden heran. Zwei mächtige Fürsten, das ist unswohlbekannt, 1400 Giengen beider Frauen und trugen ihr Gewand, Alsder König Etzel ihr entgegen gieng Undsie den edlen Fürsten mit Küssen gütlichempfieng.

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Sie schob hinauf die Binden: ihre Farbewohlgethan 1401 Erglänzt' aus demGolde. Da sagte mancher Mann, FrauHelke könne schöner nicht gewesen sein.Da stand in der Nähe des Königs BruderBlödelein. Den rieth ihr zu küssen Rüdiger derMarkgraf reich 1402 Und denKönig Gibeke, Dietrichen auch zugleich:Zwölf der Recken küsste Etzels Königin;Da blickte sie mit Grüßen noch zumanchem Ritter hin. Während König Etzel bei Kriemhildenstand, 1403 Thaten jungeDegen wie Sitte noch im Land:Waffenspiele wurden schön vor ihrgeritten; Das thaten Christenhelden undHeiden nach ihren Sitten. Wie ritterlich die Degen in Dietrichens

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Lehn 1404 Die splitterndenSchäfte in die Lüfte ließen gehn Hochüber Schilde aus guter Ritter Hand! Vorden deutschen Gästen brach da mancherSchildesrand. Von der Schäfte Krachen vernahm manlauten Schall. 1405 Da waren ausdem Lande die Recken kommen all Undauch des Königs Gäste, so mancher edleMann: Da gieng der reiche König mit derKönigin hindann. Sie fanden in der Nähe ein herrlichGezelt. 1406 Erfüllt war vonHütten rings das ganze Feld; Da war nachden Beschwerden Rast für sie bereit. Dageleiteten die Helden darunter mancheschöne Maid Zu Kriemhild der Königin, die dortdarnieder saß 1407 Auf reichem

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Stuhlgewande; der Markgraf hatte das Soprächtig schaffen laßen, sie fandensschön und gut. Da stand dem König Etzel in hohen Freuden der Muth. Was sie zusammen redeten, das ist mirunbekannt; 1408 In seinerRechten ruhte ihre weiße Hand. So saßensie in Minne, als Rüdiger der Degen DemKönig nicht gestattete, Kriemhildensheimlich zu pflegen. Da ließ man unterbleiben dasKampfspiel überall; 1409 MitEhren ward beendet der lauteFreudenschall. Da giengen zu den Hütten Die Etzeln unterthan; Herberge wies manihnen ringsum allenthalben an. Den Abend und nachtüber fanden sieRuhe da, 1410 Bis man denlichten Morgen wieder scheinen sah. Da

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kamen hoch zu Rosse viel Heldenausersehn; Hei! was sah man Kurzweil zudes Königs Ehren geschehn! Nach Würden es zu schaffen der Fürstdie Heunen bat. 1411 Da ritten sievon Tulna gen Wien in die Stadt. Inschönem Schmucke fand man da Frauenohne Zahl. Sie empfiengen wohl mit Ehren König Etzels Gemahl. In Ueberfluß und Fülle war da für siebereit, 1412 Wes sie nurbedurften. Viel Degen allbereit Sahn frohdem Fest entgegen. Herbergen wies manan; Die Hochzeit des Königs mit hohenFreuden begann. Man mochte sie nicht alle herbergen inder Stadt: 1413 Die nicht Gästewaren, Rüdiger die bat, Daß sieHerberge nahmen auf dem Land. Wohl

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weiß ich, daß man immer den König beiKriemhilden fand. Dietrich der Degen und mancher andreHeld 1414 Die hatten ihreMuße mit Arbeit eingestellt, Auf daß sieden Gästen trösteten den Muth; Rüdgerund seine Freunde hatten Kurzweile gut. Die Hochzeit war gefallen auf einenPfingstentag, 1415 Wo der KönigEtzel bei Kriemhilden lag In der Stadt zuWiene. Fürwahr so manchen Mann Beiihrem ersten Manne sie nicht zu Dienstengewann. Durch Gabe ward sie Manchem, der sienicht kannte, kund. 1416 Darüber zuden Gästen hub Mancher an zur Stund:"Wir wähnten, Kriemhilden benommenwär ihr Gut, Die nun mit ihren Gaben hierso große Wunder thut."

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Diese Hochzeit währte siebzehn Tagelang. 1417 Von keinemandern König weiß der Heldensang, Dersolche Hochzeit hielte: es ist unsunbekannt. Alle, die da waren, die trugenneues Gewand. Sie hatte nie geseßen daheim inNiederland 1418 Vor somanchem Recken; auch ist mirwohlbekannt, War Siegfried reich anSchätzen, so hatte er doch nicht So vielder edeln Recken, als sie hier sah inEtzels Pflicht. Wohl gab auch nie ein König bei seinerHochzeit 1419 So manchenreichen Mantel, lang, tief und weit, Nochso gute Kleider, als man hier gewann, DieKriemhildens willen alle wurden vertan.

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Ihre Freunde wie die Gäste hatten EinenMuth: 1420 Sie dachten nichts zusparen, und wärs das beste Gut. WasEiner wünschen mochte, man war dazubereit; Da Standen viel der Degen vorMilde bloß und ohne Kleid. Wenn sie daran gedachte, wie sie amRheine saß 1421 Bei ihrem edelnManne, ihre Augen wurden naß; Dochhehlte sie es immer, daß es Niemand sah,Da ihr nach manchem Leide so viel derEhren geschah. Was Einer that aus Milde, das war dochgar ein Wind 1422 GegenDietrichen: was Botlungens Kind Ihmgegeben hatte, das wurde gar verwandt.Da begieng auch große Wunder desmilden Rüdiger Hand. Auch aus Ungarlande der Degen

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Blödelein 1423 Ließ da ledigmachen manchen Reiseschrein VonSilber und von Golde: das ward dahingegeben. Man sah des Königs Helden sorecht fröhlich alle leben. Des Königs Spielleute, Werbel undSchwemmelein, 1424 Wohl antausend Marken nahm Jedweder ein Beidem Hofgelage (oder mehr als das), Alsdie schöne Kriemhild bei Etzeln unterKrone saß. Am achtzehnten Morgen von Wien dieHelden ritten. 1425 In Ritterspielenwurden der Schilde viel verschnitten VonSperen, so da führten die Recken an derHand: So kam der König Etzel mitFreuden in der Heunen Land. In Heimburg der alten verblieb manüber Nacht. 1426 Da konnte

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Niemand wißen recht des Volkes Macht,Mit welchen Heerkräften sie ritten durchdas Land. Hei! was schöner Frauen man inseiner Heimat fand! In Misenburg der reichen fieng man zusegeln an. 1427 Verdeckt warddas Wasser von Ross und auch von Mann,Als ob es Erde wäre, was man dochfließen sah. Die wegemüden Frauen mochten sich wohl ruhen da. Zusammen war gebunden manchesSchifflein gut, 1428 Daß ihnenwenig schaden Woge mocht und Flut;Darüber ausgebreitet manch köstlichGeleit, Als ob sie noch immer beideshatten, Land und Feld. Nun ward auch in Etzelnburg die Märekund gethan: 1429 Da freute sichdarinnen beides, Weib und Mann. Etzels

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Ingesinde, des einst Frau Helke pflag,Erlebte bei Kriemhilden noch manchenfröhlichen Tag. Da stand ihrer harrend gar manche edleMaid, 1430 Die seit HelkensTode getragen Herzeleid. SiebenKönigstöchter Kriemhild noch da fand;Durch die so ward gezieret König Etzelsganzes Land. Herrat die Jungfrau noch des Gesindespflag, 1431 HelkensSchwestertochter, in der viel Tugend lag,Dietrichs Verlobte, eines edeln KönigsSproß, Die Tochter Nentweinens, dienoch viel Ehren genoß. Auf der Gäste Kommen freute sich ihrMuth; 1432 Auch war dazuverwendet viel kostbares Gut. Wer könnteuch des bescheiden, wie der König saß

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seitdem? Den Heunen ward nicht wieder eine Königin so genehm. Als der Fürst mit seinem Weibe gerittenkam vom Strand, 1433 Wer eine Jedeführte, das ward da wohl benanntKriemhild der edeln: sie grüßte destomehr. Wie saß an Helkens Stelle sie baldgewaltig und hehr! Getreulichen Dienstes ward ihr vielbekannt. 1434 Die Königinvertheilte Gold und Gewand, Silber undGesteine: was sie des überrhein ZumHeunenlande brachte, das muste garvergeben sein. Auch wurden ihr mit Diensten ergebenallzumal 1435 Die Freunde desKönigs und denen er befahl, Daß Helkenie die Königin so gewaltiglich gebot, Alssie ihr dienen musten bis an Kriemhildens

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Tod. Da stand in solchen Ehren der Hof undauch das Land, 1436 Daß man zuallen Zeiten die Kurzweile fand, Wonacheinem Jeden verlangte Herz und Muth;Das schuf des Königs Liebe, dazu derKönigin Gut. * * * * *

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Dreiundzwanzigstes Abenteuer. Wie Kriemhild ihr Leid zu rächengedachte. In so hohen Ehren, das ist alles wahr, 1437 Wohnten sie beisammen bis an das siebte Jahr. Eines Sohns wargenesen derweil die Königin: Das schienKönig Etzel der allergröste Gewinn. Bis sie es erlangte, ließ sie nicht abdavon, 1438 Die Taufe mustempfangen König Etzels Sohn Nachchristlichem Brauche: Ortlieb ward ergenannt. Darob war große Freude überEtzels ganzem Land. Der Zucht, deren jemals zuvor FrauHelke pflag, 1439 Fliß sich FrauKriemhild darauf gar manchen Tag. Es

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lehrte sie die Sitte Herrat die fremdeMaid; Die trug noch in der Stille um Helkeschmerzliches Leid. Vor Heimischen und Fremden gestanden allesamt 1440 Beßerund milder hab eines Königs Land Nieeine Frau beseßen: das hielten sie fürwahr. Des rühmten sie die Heunen bis andas dreizehnte Jahr. Nun wuste sie, daß Niemand ihrfeindlich sei gesinnt, 1441 Wie oftwohl Königinnen der Fürsten Reckensind, Und daß sie täglich mochte zwölfKönge vor sich sehn. Sie vergaß auch nichtdes Leides, das ihr daheim wargeschehn. Sie gedacht auch noch der Ehren inNibelungenland, 1442 Die ihrgeboten worden und die ihr Hagens

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Hand Mit Siegfriedens Tode hatte garbenommen, Und ob ihm das nicht jemals noch zu Leide sollte kommen. "Es geschäh, wenn ich ihn bringen möcht in dieses Land." 1443 Ihrträumte wohl, ihr gienge bei Etzel an derHand Geiselher ihr Bruder; sie küsst' ihnallezeit In ihrem sanften Schlafe: das wardzu schmerzlichem Leid. Der üble Teufel war es wohl, derKriemhilden rieth, 1444 Daß sie inFreundschaft von König Gunther schiedUnd ihn zur Sühne küsste inBurgundenland. Aufs Neu begann zutriefen von heißen Thränen ihr Gewand. Es lag ihr an dem Herzen beides, spatund fruh, 1445 Wie man mitWiderstreben sie doch gebracht dazu,Daß sie minnen muste einen heidnischen

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Mann: Die Noth hatt ihr Hagen und HerrGunther angethan. Wie sie das rächen möchte, dachte siealle Tage: 1446 "Ich bin nun wohlso mächtig, wem es auch missbehage,Daß ich meinen Feinden mag schaffenHerzeleid: Dazu wär ich dem Hagen vonTronje gerne bereit. "Nach den Getreuen jammert noch oftdie Seele mein; 1447 Doch die mirLeides thaten, möcht ich bei denen sein,So würde noch gerochen meines FriedelsTod. Kaum kann ich es erwarten," sprachsie in des Herzens Noth. Es liebten sie Alle, die dem Königunterthan, 1448 Die ReckenKriemhildens; das war wohlgethan. IhrKämmerer war Eckewart: drum ward ergern gesehn: Kriemhildens Willen konnte

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Niemand widerstehn. Sie gedacht auch alle Tage: "Ich will denKönig bitten," 1449 Er möcht ihrvergönnen mit gütlichen Sitten, Daß manihre Freunde brächt in der Heunen Land.Den argen Willen Niemand an derKönigin verstand. Als eines Nachts Frau Kriemhild bei demKönig lag, 1450 Umfangen mit denArmen hielt er sie, wie er pflag Der edelnFrau zu kosen, sie war ihm wie sein Leib,Da gedachte ihrer Feinde diesesherrliche Weib. Sie sprach zu dem König: "Viel lieberHerre mein, 1451 Ich wollt euchgerne bitten, möcht es mit Hulden sein,Daß ihr mich sehen ließet, ob ichverdient den Sold, Daß ihr meinenFreunden wäret inniglich hold."

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Da sprach der mächtge König, argloswar sein Muth: 1452 "Des sollt ihrinne werden: was man den Helden thut ZuEhren und zu Gute, mir geschieht einDienst daran, Da ich von Weibesminne nie beßre Freunde gewann." Noch sprach zu ihm die Königin: "Ihrwißt so gut wie ich, 1453 Ich habe hoheFreunde: darum betrübt es mich, Daßmich die so selten besuchen hier imLand: Ich bin allen Leuten hier nur alsfreundlos bekannt." Da sprach der König Etzel: "Viel liebeFraue mein, 1454 Däucht' es sienicht zu ferne, so lüd ich überrhein, Dieihr da gerne sähet, hieher zu meinemLand." Sie freute sich der Rede, als ihrsein Wille ward bekannt.

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Sie sprach: "Wollt ihr mir Treue leisten,Herre mein, 1455 So sollt ihr Botensenden gen Worms überrhein. So entbietich meinen Freunden meinen Sinn undMuth: So kommen uns zu Lande viel Ritteredel und gut." Er sprach: "Wenn ihr gebietet, so laß iches geschehn. 1456 Ihr könntet eureFreunde nicht so gerne sehn, Der edelnUte Kinder, als ich sie sähe gern: Es istmir ein Kummer, daß sie so fremd unssind und fern." Er sprach: "Wenn dirs gefiele, viel liebeFraue mein, 1457 Wollt ich als Botensenden zu den Freunden dein MeineFiedelspieler gen Burgundenland." Dieguten Spielleute ließ man bringen gleichzur Hand. Die Knappen kamen beide, wo sie den

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König sahn 1458 Sitzen bei derKönigin. Da sagt' er ihnen an, Sie solltenBoten werden nach Burgundenland. Auchließ er ihnen schaffen reiches herrlichesGewand. Vierundzwanzig Recken schnitt man dadas Kleid. 1459 Ihnen ward auchvon dem König gegeben der Bescheid,Wie sie Gunthern laden sollten und Dieihm unterthan. Frau Kriemhild mit ihnen geheim zu sprechen begann. Da sprach der reiche König: "Nun hört,wie ihr thut: 1460 Ich entbietemeinen Freunden alles, was lieb und gut,Daß sie geruhn zu reiten hieher in meinLand. Ich habe noch gar selten so liebeGäste gekannt. "Und wenn sie meinen Willen gesonnensind zu thun, 1461 Kriemhilds

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Verwandte, so mögen sie nicht ruhn Undmir zu Liebe kommen zu meinemHofgelag, Da meiner SchwägerFreundschaft mich so sehr erfreuen mag." Da sprach der Fiedelspieler, der stolzeSchwemmelein: 1462 "Wann solleuer Gastgeber in diesen Landen sein?Daß wirs euern Freunden am Rheinmögen sagen." Da sprach der König Etzel: "In der nächsten Sonnenwende Tagen." "Wir thun, was ihr gebietet," sprach daWerbelein. 1463 Kriemhild ließ dieBoten zu ihrem Kämmerlein Führen in derStille und besprach mit ihnen da,Wodurch noch manchem Degen baldwenig Liebes geschah. Sie sprach zu den Boten: "Ihr verdientgroß Gut, 1464 Wenn ihrbesonnen meinen Willen thut Und sagt,

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was ich entbiete heim in unser Land: Ichmach euch reich an Gute und geb euchherrlich Gewand. "Wen ihr von meinen Freunden immermöget sehn 1465 Zu Worms andem Rheine, dem sollt ihrs nie gestehn,Daß ihr mich immer sähet betrübt inmeinem Muth; Und entbietet meine Grüße diesen Helden kühn und gut. "Bittet sie zu leisten, was mein Gemahlentbot, 1466 Und mich dadurchzu scheiden von all meiner Noth. Ichscheine hier den Heunen freundlos zusein. Wenn ich ein Ritter hieße ich kämemanchmal an den Rhein. "Und sagt auch Gernoten, dem edelnBruder mein, 1467 Daß ihm aufErden Niemand holder möge sein: Bittet,daß er mir bringe hierher in dieses Land

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Unsre besten Freunde: so wird uns Ehrebekannt. "Sagt auch Geiselheren, ich mahn ihndaran, 1468 Daß ich mit seinemWillen nie ein Leid gewann: Drum sähnihn hier im Lande gern die Augen mein;Auch will ich all mein Leben ihm zuDienst verpflichtet sein. "Sagt auch meiner Mutter, wie mir Ehrehier geschieht; 1469 Und wenn vonTronje Hagen der Reise sich entzieht,Wer ihnen zeigen solle die Straßen durchdas Land? Die Wege zu den Heunen sindvon frühauf ihm bekannt." Nun wusten nicht die Boten, warum dasmöge sein, 1470 Daß sie diesenHagen von Tronje nicht am Rhein Bleibenlaßen sollten. Bald ward es ihnen leid:Durch ihn war manchem Degen mit dem

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grimmen Tode gedräut. Botenbrief und Siegel ward ihnen nungegeben; 1471 Sie fuhren reichan Gute und mochten herrlich leben.Urlaub gab ihnen Etzel und sein schönesWeib; Ihnen war auch wohlgezieret mitguten Kleidern der Leib. * * * * *

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Vierundzwanzigstes Abenteuer. Wie Werbel und Schwemmel dieBotschaft brachten. Als Etzel seine Fiedler hin zum Rheinesandte, 1472 Da flogen dieseMären von Lande zu Lande: Mit schnellenAbgesandten bat er und entbot Zuseinem Hofgelage; da holte Mancher sichden Tod. Die Boten ritten hinnen aus der HeunenLand 1473 Zu den Burgunden, wohin man sie gesandt Zu dreien edelnKönigen und ihrer Mannen Heer: Daß siezu Etzeln kämen; da beeilten sie sichsehr. Zu Bechlaren ritten schon die Boten ein. 1474 Ihnen diente man da

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gerne und ließ auch das nicht sein: IhreGrüße sandten Rüdger und Gotelind DenDegen an dem Rheine und auch desMarkgrafen Kind. Sie ließen ohne Gaben die Boten nichthindann, 1475 Daß desto sanfterführen Die Etzeln unterthan. Uten undihren Söhnen entbot da Rüdiger, Ihnen sogewogen hätten sie keinen Markgrafenmehr. Sie entboten auch Brunhilden Alles, waslieb und gut, 1476 Ihre stäte Treue und dienstbereiten Muth. Da wollten nachder Rede die Boten weiter ziehn; Gott batsie zu bewahren Gotlind die edleMarkgräfin. Eh noch die Boten völlig durchzogenBaierland, 1477 Werbel derSchnelle den guten Bischof fand. Was der

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da seinen Freunden hin an den Rheinentbot, Davon hab ich nicht Kunde; jedoch sein Gold also roth Gab er den Boten milde. Als sie wolltenziehn, 1478 "Sollt ich sie bei mirschauen," sprach Bischof Pilgerin, "So wärmir wohl zu Muthe, die Schwestersöhnemein: Ich mag leider selten zu ihnenkommen an den Rhein." Was sie für Wege fuhren zum Rheindurch das Land, 1479 Kann icheuch nicht bescheiden. Ihr Gold und ihrGewand Blieb ihnen unbenommen; manscheute Etzels Zorn: So gewaltig herrschte der edle König wohlgeborn. Binnen zwölf Tagen kamen sie an denRhein, 1480 Gen Worms in dieVeste, Werbel und Schwemmelein. Dasagte mans dem König und seinen

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Mannen an, Es kämen fremde Boten; Gunther zu fragen begann. Da sprach der Vogt vom Rheine: "Wermacht uns bekannt, 1481 Von wannendiese Gäste ritten in das Land?" Davonwuste Niemand, bis die Boten sah Hagenvon Tronje: der begann zu Gunthern da: "Wir hören Neues heute, dafür will icheuch stehn: 1482 EtzelsFiedelspieler die hab ich hier gesehn;Die hat eure Schwester gesendet an denRhein: Ihres Herren Willen sollen sie unswillkommen sein." Sie ritten ohne Weilen zu dem Saalheran: 1483 So herrlich fuhrwohl nimmer eines Fürsten Fiedelmann.Des Königs Ingesinde empfieng siegleich zur Hand; Herberge gab man ihnen und bewahrte ihr Gewand.

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Ihre Reisekleider waren reich und sowohlgethan, 1484 Sie mochtenwohl mit Ehren sich so dem König nahn;Doch wollten sie nicht länger sie dort amHofe tragen. "Ob Jemand sie begehre?" ließen da die Boten fragen. Da waren auch bedürftige Leute bei derHand, 1485 Die sie gernenahmen: denen wurden sie gesandt. Daschmückten mit Gewanden so reich dieGäste sich, Wie es Königsboten herrlichstand und wonniglich. Da gieng mit Urlaube hin, wo der Königsaß 1486 Etzels Ingesinde: gerne sah man das. Herr Hagen gleich denBoten vom Sitz entgegen sprang, Siefreundlich zu begrüßen: des sagten ihmdie Knappen Dank.

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Da hub er um die Kunde sie zu befragenan, 1487 Wie Etzel sich gehabe und Die ihm unterthan. Da sprach derFiedelspieler: "Nie beßer stands im Land,Das Volk war niemals froher, das sei euchwahrlich bekannt." Er führte sie dem Wirthe zu; derKönigssaal war voll: 1488 Daempfieng man die Gäste, wie man immersoll Boten freundlich grüßen in andrerKönge Land. Werbel der Recken viel beiKönig Gunthern fand. Der König wohlgezogen zu grüßen siebegann: 1489 "Willkommen,beide Fiedler, die Etzeln unterthan, Miteuern Heergesellen: wozu hat euchgesandt Etzel der reiche zu derBurgunden Land?" Sie neigten sich dem König. Da sprach

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Werbelein: 1490 "Euch entbietetseine Dienste der liebe Herre mein UndKriemhild eure Schwester hieher indieses Land: Sie haben uns euch Recken auf gute Treue gesandt." Da sprach der reiche König: "Der Märebin ich froh. 1491 Wie gehabt sichEtzel," der Degen fragte so, "UndKriemhild meine Schwester in derHeunen Land?" Da sprach derFiedelspieler: "Das mach ich gern euchbekannt. "Beßer wohl gehabten sich Köngenirgend mehr 1492 Undfröhlicher, das wißet, als die Fürsten hehrUnd ihre Degen alle, Freund undUntertan. Sie freuten sich der Reise, dawir schieden hindann," "Nun Dank ihm für die Dienste, die er

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mir entbeut, 1493 Ihm und meinerSchwester: gern erfahr ich heut, Daß siein Freuden leben, der König und seinLehn; Meine Frage war nach ihnen ingroßen Sorgen geschehn." Die beiden jungen Könige waren auchgekommen, 1494 Die hattendiese Märe eben erst vernommen.Geiselher der junge die Boten gerne sahAus Liebe zu der Schwester; garminniglich sprach er da: "Ihr Boten sollt uns beide hochwillkommen sein; 1495Kämet ihr geritten nur öfter an den Rhein,Ihr fändet hier der Freunde, die ihr gernemöchtet sehn. Euch sollte hier zu Lande wenig Leides geschehn." "Wir versehn uns alles Guten zu euch,"sprach Schwemmelein; 1496 "Ich könnt

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euch nicht bedeuten mit den Wortenmein, Wie minnigliche Grüße euch Etzelhat gesandt Und eure edle Schwester, dieda in hohen Ehren stand. "An eure Lieb und Treue mahnt euch dieKönigin 1497 Und daß ihr stätsgewogen war euer Herz und Sinn.Zuvörderst euch, Herr König, sind wirhieher gesandt, Daß ihr geruht zu reiten zu ihnen in der Heunen Land. "Es soll auch mit euch reiten euer BruderGernot. 1498 Etzel der reiche euch Allen das entbot, Wenn ihr nichtkommen wolltet, eure Schwester sehn, Somöcht er doch wohl wißen, was euch vonihm war geschehn, "Daß ihr ihn also meidet und auch seinReich und Land. 1499 Wär euch auchdie Königin fremd und unbekannt, So

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möcht er selbst verdienen, ihr kämet ihnzu sehn: Wenn ihr das leisten wolltet, sowär ihm Liebes geschehn." Da sprach der König Gunther: "Nach dersiebten Nacht 1500 Will ich euchbescheiden, wes ich mich bedacht Habim Rath der Freunde; geht derweilen hinZu eurer Herberge und findet gute Ruhdarin." Da sprach wieder Werbel: "Könnt esnicht geschehn, 1501 Daß wirunsre Fraue, die reiche Ute, sehn, Eh wirmüden Degen fragten nach der Ruh?" Dasprach wohlgezogen der edle Geiselherdazu: "Das soll euch Niemand wehren; wolltihr vor sie gehn, 1502 So ist auchmeiner Mutter Will und Wunschgeschehn, Denn sie sieht euch gerne um

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die Schwester mein, Frau Kriemhilde: ihrsollt ihr willkommen sein." Geiselher sie brachte hin, wo er Utenfand. 1503 Die sah die Botengerne aus der Heunen Land Undempfieng sie freundlich mitwohlgezognem Muth. Da sagten ihr dieMäre die Boten höfisch und gut. "Meine Frau läßt euch entbieten," sprach da Schwemmelein, 1504"Dienst und stäte Treue, und wenn esmöchte sein, Daß sie euch öfter sähe, soglaubet sicherlich, Wohl keine andreFreude auf Erden wünschte sie sich." Da sprach die Königin Ute: "Dass kannnun nicht sein. 1505 So gern ich öftersähe die liebe Tochter mein, So wohnt zufern uns leider die edle Königin: Nun gehihr immer selig die Zeit mit Etzeln dahin.

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"Ihr sollt mich wißen laßen, eh ihr vonhinnen müßt, 1506 Wenn ihr reitenwollet; ich sah in langer Frist Boten nichtso gerne, als ich euch gesehn." Dagelobten ihr die Knappen, ihr Wille sollegeschehn. Zu den Herbergen giengen Die vonHeunenland. 1507 Der reicheKönig hatte die Freunde nun besandt.Gunther der edle fragte Mann für Mann,Was sie darüber dächten? Wohl Manchehuben da an, Er möge wohl reiten in König EtzelsLand. 1508 Das riethen ihmdie Besten, die er darunter fand. Hagennur alleine, dem war es grimmig leid.Zum König sprach er heimlich: "Mit euchselbst seid ihr im Streit.

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Ihr habt doch nicht vergeßen, was ihrvon uns geschehn: 1509 VorKriemhilden müßen wir stäts in Sorgestehn. Ich schlug ihr zu Tode den Mannmit meiner Hand: Wie dürften wir wohlreiten hin in König Etzels Land?" Da sprach der reiche König: "MeinerSchwester Zürnen schwand. 1510 Mitminniglichem Kusse, eh sie verließ dießLand, Hat sie uns verziehen, was wir anihr gethan, Es wäre denn, sie stände beieuch, Herr Hagen, noch an." "Nun laßt euch nicht betrügen," sprachHagen, "was auch sagen 1511 DieseHeunenboten: wollt ihrs mit Kriemhildwagen, Da verliert ihr zu der Ehre Lebenleicht und Leib: Sie weiß wohlnachzutragen, dem König Etzel seinWeib!"

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Da sprach vor dem Rathe der KönigGernot: 1512 "Ihr mögt ausguten Gründen fürchten dort den Tod Inheunischen Reichen; ständen wir drum anUnd mieden unsre Schwester, das wärübel gethan." Da sprach zu dem Degen der jungeGeiselher: 1513 "Da ihr euch,Freund Hagen, schuldig wißt so sehr, Sobleibt hier im Lande, euer Heil zu weisen;Nur laßt, die sichs getrauen, mit uns zuden Heunen fahren." Darob begann zu zürnen von Tronje derHeld: 1514 "Ich will nicht, daßeuch Jemand sei bei der Fahrt gesellt,Der an den Hof zu reiten sich mehrgetraut als ich: Wollt ihrs nicht bleibenlaßen, ich beweis' es euch sicherlich." Da sprach der Küchenmeister Rumold

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der Degen: 1515 "DerHeimischen und Fremden mögt ihr zuHause pflegen Nach euerm Wohlgefallen: da habt ihr vollen Rath; Ich glaube nicht,daß Hagen euch noch je vergeiselt hat. "Wollt ihr nicht Hagen folgen, so rätheuch Rumold, 1516 Der ich euchdienstlich gewogen bin und hold, Daß ihrim Lande bleibet nach dem Willen meinUnd laßt den König Etzel dort beiKriemhilden sein. "Wo könntet ihr auf Erden so gut als hiergedeihn? 1517 Ihr mögt vor euernFeinden daheim geborgen sein, Ihr solltmit guten Kleidern zieren euern Leib, Desbesten Weines trinken und minnenmanches schöne Weib. "Dazu giebt man euch Speise, so gut siein der Welt 1518 Ein König mag

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gewinnen. Euer Land ist wohl bestellt:Der Hochzeit Etzels mögt ihr euch mitEhren wohl begeben Und hier mit euernFreunden in guter Kurzweile leben. "Und hättet ihr nichts Anderes davon zuzehren hier, 1519 Ich gab euch EineSpeise die Fülle für und für, In Oelgesottne Schnitten. Das ist, was Rumoldräth, Da es gar so ängstlich, ihr Herrn,dort bei den Heunen steht. "Hold wird euch Frau Kriemhild dochnimmer, glaubet mir; 1520 Auch habtihr und Hagen es nicht verdient an ihr.Und wollt ihr nicht verbleiben, wer weiß,wie ihrs beklagt: Ihr werdets nocherkennen, ich hab euch Wahrheit gesagt. "Drum rath ich euch zu bleiben. Reich isteuer Land: 1521 Ihr könnt hierbeßer lösen, was ihr gabt zu Pfand, Als

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dort bei den Heunen: wer weiß, wie es dasteht? Verbleibt hier, ihr Herren: das ist,was Rumold euch rath." "Wir wollen nun nicht bleiben," sprachda Gernot. 1522 "Da es meineSchwester so freundlich uns entbot UndEtzel der reiche, was führen wir nicht hin?Die nicht mit uns wollen, mögen bleibenimmerhin." "In Treuen," sprach da Rumold, "ich willder Eine sein, 1523 Der um EtzelsHofgelag kommt nimmer überrhein. Wiesetzt' ich wohl das Beßre aufs Spiel, dasich gewann? Ich will mich selbst so lange am Leben laßen, als ich kann." "So denk ichs auch zu reiten," sprachOrtwein der Degen: 1524 "Ich will derGeschäfte zu Hause mit euch pflegen." Dasprachen ihrer Viele, sie wollten auch

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nicht fahren: "Gott woll euch, liebe Herren, bei den Heunen wohl bewahren." Der König Gunther zürnte, als er wardgewahr, 1525 Sie wollten dortverbleiben, der Ruhe willen zwar: "Wirwollens drum nicht laßen, wir müßen andie Fahrt; Der waltet guter Sinne, der sichallezeit bewahrt." Zur Antwort gab da Hagen: "Laßt euchzum Verdruß 1526 Meine Redenicht gereichen: was auch geschehenmuß, Das rath ich euch in Treuen, wennihr euch gern bewahrt, Daß ihr nurwohlgerüstet zu dem Heunenlande fahrt. "Wenn ihrs euch unterwindet, soentbietet euer Heer, 1527 DieBesten, die ihr findet und irgend wißtumher, Aus ihnen Allen wähl ich dann tausend Ritter gut: So mag euch nicht

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gefährden der argen Kriemhilde Muth." "Dem Rathe will ich folgen," sprach derKönig gleich. 1528 Da sandt er seineBoten umher in seinem Reich. Baldbrachte man der Helden dreitausendoder mehr. Sie dachten nicht zu finden sogroßes Leid und Beschwer. Sie ritten hohes Muthes durch KönigGunthers Land. 1529 Sie verhießenAllen Ross' und Gewand, Die ihnen gebenwollten zum Heunenland Geleit. Da fandviel gute Ritter der König zu der Fahrtbereit. Da ließ von Tronje Hagen Dankwart denBruder sein 1530 Achtzig ihrerRecken führen an den Rhein. Sie kamenstolz gezogen; Harnisch und GewandBrachten viel die schnellen KönigGunthern in das Land.

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Da kam der kühne Volker, ein edlerSpielmann, 1531 Mit dreißigseiner Degen zu der Fahrt heran. IhrGewand war herrlich, ein König mocht estragen. Er wollte zu den Heunen, ließ erdem Könige sagen. Wer Volker sei gewesen, das sei euchkund gethan. 1532 Es war einedler Herre; ihm waren unterthan Vielder guten Recken in Burgundenland;Weil er fiedeln konnte, war er derSpielmann genannt. Hagen wählte tausend, die waren ihmbekannt; 1533 Was sie instarken Stürmen gefrommt mit ihrer HandUnd sonst begangen hatten, das hatt eroft gesehn: Auch alle Andern musten ihnen Ehre zugestehn.

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Die Boten Kriemhildens der Aufenthaltverdroß; 1534 Die Furcht vorihrem Herren war gewaltig groß: Siehielten alle Tage um den Urlaub an. Dengönnt' ihnen Hagen nicht: das ward ausVorsicht gethan. Er sprach zu seinem Herren: "Wir wollenuns bewahren, 1535 Daß wir siereiten laßen, bevor wir selber fahrenSieben Tage später in König Etzels Land:Trägt man uns argen Willen, das wird sobeßer gewandt. "So mag sich auch Frau Kriemhild bereiten nicht dazu, 1536 Daß unsnach ihrem Rathe Jemand Schaden thu.Will sie es doch versuchen, so fährt sieübel an: Wir führen zu den Herren manchen auserwählten Mann." Die Sättel und die Schilde und all ihr

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Gewand, 1537 Das sie führenwollten in König Etzels Land, War nunbereit und fertig für manchen kühnenMann. Etzels Spielleute rief man zuGunthern heran. Da die Boten kamen, begann HerrGernot: 1538 "Der König willleisten, was Etzel uns entbot. Wir wollengerne kommen zu seiner Lustbarkeit Undunsre Schwester sehen; daß ihr des außerZweifel seid." Da sprach der König Gunther: "Wißt ihruns zu sagen, 1539 Wann das Festbeginnt, oder zu welchen Tagen Wirerwartet werden?" Da sprachSchwemmelein: "Zur nächstenSonnenwende da soll es in Wahrheitsein." Der König erlaubte das, war noch nicht

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geschehn, 1540 Wenn sie FrauBrunhilden wünschten noch zu sehn, Daßsie mit seinem Willen sprächen bei ihran. Dem widerstrebte Volker: da war ihrLiebes gethan. "Es ist ja Frau Brunhild nun nicht sowohlgemuth, 1541 Daß ihr sieschauen möchtet," sprach der Ritter gut."Wartet bis morgen, so läßt man sie euchsehn." Sie wähnten sie zu schauen, dakonnt es doch nicht geschehn. Da ließ der reiche König, er war denBoten hold, 1542 Aus eignerhoher Milde daher von seinem Gold Aufbreiten Schilden bringen; wohl war erreich daran. Ihnen ward auch reicheSchenkung von seinen Freunden gethan. Geiselher und Gernot, Gere undOrtewein, 1543 Wie sie auch

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milde waren, das leuchtete wohl ein: Soreiche Gaben boten sie den Boten an,Daß sie's vor ihrem Herren nichtgetrauten zu empfahn. Da sprach zu dem König der BoteWerbelein: 1544 "Herr König,laßt die Gaben nur hier im Lande sein.Wir könnens nicht verführen, weil uns derHerr verbot, Daß wir Geschenke nähmen: auch thut es uns wenig Noth." Da ward der Vogt vom Rheine darüberungemuth, 1545 Daß sieverschmähen wollten so reichen KönigsGut. Da musten sie empfahen sein Goldund sein Gewand, Daß sie es mit sichführten heim in König Etzels Land. Sie wollten Ute schauen vor ihrerWiederkehr. 1546 Die Spielleutebrachte der junge Geiselher Zu Hof vor

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seine Mutter; sie entbot der Königin,Wenn man ihr Ehre biete, so bedünk essie Gewinn. Da ließ die Königswitwe ihre Borten undihr Gold 1547 Vertheilen umKriemhildens, denn der war sie hold, UndKönig Etzels Willen an das Botenpaar. Siemochtens wohl empfahen: getreulich botsie es dar. Urlaub genommen hatten nun von Weibund Mann 1548 Die BotenKriemhildens; sie fuhren froh hindann Biszum Schwabenlande: dahin ließ GernotSeine Helden sie begleiten, daß sienirgend litten Noth. Als die von ihnen schieden, die siesollten pflegen, 1549 Gab ihnenEtzels Herschaft Frieden auf den Wegen,Daß ihnen Niemand raubte ihr Ross noch

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ihr Gewand. Sie ritten sehr in Eile wiederin der Heunen Land. Wo sie Freunde wusten, da machten siees kund, 1550 In wenig Tagenkämen die Helden von Burgund VomRhein hergezogen in der Heunen Land.Pilgerin, dem Bischof, ward auch dieMäre bekannt. Als sie vor Bechlaren die Straßeniederzogen, 1551 Da ward umdie Märe Rüdger nicht betrogen, NochFrau Gotelinde, die Markgräfin hehr. Daßsie sie schauen sollten, des freuten beidesich sehr. Die Spielleute spornten die Rossemächtig an. 1552 Sie sandenKönig Etzeln in seiner Stadt zu Gran,Gruß über Grüße, die man ihm herentbot, Brachten sie dem Könige: vor

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Liebe ward er freudenroth. Als Kriemhild der Königin die Märeward bekannt, 1553 Ihre Brüderwollten kommen in ihr Land, Da ward ihrwohl zu Muthe: sie gab den Boten LohnMit reichlichen Geschenken; sie hatteEhre davon. Sie sprach: "Nun sagt mir beide, Werbelund Schwemmelein, 1554 Wer will vonmeinen Freunden beim Hofgelage sein,Von den höchsten, die wir luden hieher indieses Land? Sagt an, was sprach wohlHagen, als ihm die Mähre ward bekannt?" "Er kam zu ihrem Rathe an einemMorgen fruh; 1555 Wenig guteSprüche redet' er dazu, Als sie die Fahrtgelobten nach dem Heunenland: Die hatder grimme Hagen die Todesreisegenannt.

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"Es kommen eure Brüder, die Könge alledrei, 1556 In herrlichem Muthe. Wer mehr mit ihnen sei, Darüber ich desWeitern euch nicht bescheiden kann. Eswill mit ihnen reiten Volker der kühneFiedelmann." "Des mag ich leicht entbehren," sprachdie Königin, 1557 "Daß ich auchVolkern sähe her zu Hofe ziehn; Hagenbin ich gewogen, der ist ein Degen gut:Daß wir ihn schauen sollen, des hab ichfröhlichen Muth." Hin gieng die Königstochter, wo sie denKönig sah. 1558 Wie ininniglicheWorte sprach Frau Kriemhild da: "Wiegefallen euch die Mären, viel lieberHerre mein? Wes mich je verlangte, dassoll nun bald vollendet sein."

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"Dein Will ist meine Freude," der Königsprach da so: 1559 "Ich wär dereignen Freunde nicht so von Herzen froh,Wenn sie kommen sollten hieher in unserLand. Durch deiner Freunde Liebe vielmeiner Sorge verschwand." Des Königs Amtleute befahlen überall 1560 Mit Gestühl zuschmücken Pallas und Saal Für die liebenGäste, die da sollten kommen. Durch dieward bald dem König viel hoher Freudebenommen. * * * * *

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Fünfundzwanzigstes Abenteuer. Wie die Könige zu den Heunen fuhren. Wie man dort gebarte, vernahmt ihr nungenug. 1561 Wohl kamen niegefahren in solchem stolzen Zug Sohochgemuthe Degen in eines KönigsLand; Sie hatten, was sie wollten, beides,Waffen und Gewand. Der Vogt vom Rheine kleidete ausseinem Heergeleit 1562 Der Degentausend sechzig, so gab man unsBescheid, Und neuntausend Knechte zudem Hofgelag; Die sie zu Hause ließen, beweinten es wohl hernach. Da trug man ihr Geräthe zu Wormsübern Hof. 1563 Wohl sprachda von Speier ein alter Bischof Zu der

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schönen Ute: "Unsre Freunde wollenfahren Zu dem Gastgebote: möge Gott sieda bewahren." Da sprach zu ihren Söhnen Ute, dieFraue gut: 1564 "Ihr solltet hierverbleiben, Helden hochgemuth.Geträumt hat mir heute von ängstlicherNoth, Wie all das Gevögel in diesemLande wäre todt." "Wer sich an Träume wendet," sprachdawider Hagen, 1565 "Der weißnoch die rechte Kunde nicht zu sagen,Wie es mög am Besten um seine Ehrestehn: Es mag mein Herr nur immer mitUrlaub hin zu Hofe gehn. "Wir wollen gerne reiten in König EtzelsLand: 1566 Da mag wohl Köngendienen guter Helden Hand, So wir daschauen sollen Kriemhildens Hochzeit."

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Hagen rieth die Reise; doch ward esspäter ihm leid. Er hätt es widerrathen, nur daß Gernot 1567 Mit ungefügen Reden ihm Spott entgegenbot. Er mahnt' ihn anSiegfried, Frau Kriemhildens Mann: Ersprach: "Darum steht Hagen die großeReise nicht an." Da sprach von Tronje Hagen: "NichtFurcht ist's, daß ich's thu. 1568 Gebietetihr es, Helden, so greift immer zu: Gernwill ich mit euch reiten in König EtzelsLand." Bald ward von ihm zerhauen mancher Helm und Schildesrand. Die Schiffe standen fertig zu fahrenüberrhein; 1569 Was sie anKleidern hatten, trugen sie darein. Siefanden viel zu schaffen bis zur Abendzeit;Sie huben sich von Hause zur Reise

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freudig bereit. Sie schlugen auf im Grase sich Hüttenund Gezelt 1570 Jenseits desRheines, wo das Lager war bestellt. Dabat noch zu verweilen Gunthern seinschönes Weib; Sie herzte nachts nocheinmal des Mannes waidlichen Leib. Flöten und Posaunen erschollenmorgens fruh 1571 DenAufbruch anzukündigen: da griff manbald dazu. Wem Liebes lag im Arme, herzte des Freundes Leib; Mit Leid trennteViele des König Etzel Weib. Der schönen Ute Söhne die hatten einenMann, 1572 Der kühn war undbieder; als man die Fahrt begann, Spracher zu dem Könige geheim nach seinemMuth. Er sprach: "Ich muß wohl trauern, daß ihr die Hofreise thut."

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Er war geheißen Rumold, ein Degenauserkannt. 1573 Er sprach:"Wem wollt ihr laßen Leute nun undLand? Daß Niemand doch euch Recken wenden mag den Muth! Die MärenKriemhildens dauchten mich niemalsgut." "Das Land sei dir befohlen und auchmein Söhnelein; 1574 Und dienewohl den Frauen: das ist der Wille mein.Wen du weinen siehest, dem tröste Herzund Sinn; Es wird uns nichts zu Leide Kriemhild thun, die Königin." Eh man schied von dannen, berieth derKönig hehr 1575 Sich mit denhöchsten Mannen; er ließ nicht ohneWehr Das Land und die Burgen: die ihrersollten pflegen, Zum Schutze ließ er denen manchen auserwählten Degen.

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Die Rosse standen aufgezäumt denMannen wie den Herrn: 1576 Mitminniglichem Kusse zog da Mancher fern,Dem noch in hohem Muthe lebte Seel undLeib; Das muste bald beweinen mancheswaidliche Weib. Wehruf und Weinen hörte man genug; 1577 Auf dem Arm dieKönigin ihr Kind dem König trug: "Wiewollt ihr so verwaisen uns beide auf einMal? Verbleibet uns zu Liebe," sprachsein jammerreich Gemahl. "Frau, ihr sollt nicht weinen um denWillen mein, 1578 Ihr mögt hierohne Sorgen in hohem Muthe sein: Wirkommen bald euch wieder mit Freudenwohl gesund." Sie schieden von denFreunden minniglich zur selben Stund.

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Als man die schnellen Recken sah zuden Rossen gehn, 1579 Fand manviel der Frauen in hoher Trauer stehn.Daß sie auf ewig schieden, sagt' ihnenwohl der Muth: Zu großem Schadenkommen, das thut Niemanden gut. Die schnellen Burgunden begannenihren Zug. 1580 Da ward indem Lande das Treiben groß genug;Beiderseits des Rheines weinte Weib undMann. Wie auch das Volk gebarte, siefuhren fröhlich hindann. Niblungens Helden zogen mit ihnen aus 1581 In tausend Halsbergen: die hatten dort zu Haus Viel schöne Fraungelaßen und sahn sie nimmermehr.Siegfriedens Wunden die schmerztenKriemhilden sehr. Nur schwach in jenen Zeiten war der

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Glaube noch: 1582 Es sang ihnenMesse ein Kaplan jedoch: Der kamgesund zurücke, obwohl aus großer Noth;Die andern blieben alle dort imHeunenlande todt. Da lenkten mit der Reise auf denMainstrom an 1583 Hinauf durchOstfranken Die Gunthern unterthan.Hagen war ihr Führer, der war dawohlbekannt. Ihr Marschall war Dankwart, der Held von Burgundenland. Da sie von Ostfranken durchSchwalefelde ritten, 1584 Dakonnte man sie kennen an den herrlichenSitten, Die Fürsten und die Freunde, dieHelden lobesam. An dem zwölften Morgen der König an die Donau kam. Da ritt von Tronje Hagen den andern allzuvor: 1585 Er hielt den

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Nibelungen zumal den Muth empor. Baldsprang der kühne Degen nieder auf denStrand, Wo er sein Ross in Eile fest aneinem Baume band. Die Flut war ausgetreten, die Schiffleinverborgen: 1586 Die Nibelungenkamen da in große Sorgen, Wie siehinüber sollten: das Wasser war zu breit.Da schwang sich zur Erde mancher Ritterallbereit. "Uebel," sprach da Hagen, "mag dirwohl hier geschehn, 1587 König andem Rheine; du magst es selber sehn:Das Wasser ist ergoßen, zu stark ist seineFlut: Ich fürchte, wir verlieren noch heutemanchen Recken gut." "Hagen, was verweist ihr mir?" sprachder König hehr, 1588 "Um eurerHofzucht willen erschreckt uns nicht noch

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mehr. Ihr sollt die Furt uns suchen hinüber an das Land, Daß wir von hinnenbringen beides, Ross' und Gewand." "Mir ist ja noch," sprach Hagen, "meinLeben nicht so leid, 1589 Daß ich michmöcht ertränken in diesen Wellen breit:Erst soll von meinen Händen ersterbenmancher Mann In König Etzels Landen, wozu ich gute Lust gewann. "Bleibet bei dem Wasser, ihr stolzenRitter gut. 1590 So geh ich undsuche die Fergen bei der Flut, Die unshinüber bringen in Gelfratens Land." Danahm der kühne Hagen seinen festenSchildesrand. Er war wohl bewaffnet: den Schild er beisich trug; 1591 Sein Helm waraufgebunden und glänzte hell genug.Ueberm Harnisch führt' er eine breite

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Waffe mit, Die an beiden Schärfen aufsallergrimmigste schnitt. Er suchte hin und wieder nach einemSchiffersmann. 1592 Da hört' erWasser rauschen; zu lauschen hub er an.In einem schönen Brunnen that dasmanch weises Weib: Die gedachten da imBade sich zu kühlen den Leib. Hagen ward ihrer inne, da schlich er leisheran; 1593 Sie eilten schnell vonhinnen, als sie den Helden sahn. Daß sieihm entrannen, des freuten sie sich sehr.Da nahm er ihre Kleider und schadet'ihnen nicht mehr. Da sprach das eine Meerweib, Hadburgwar sie genannt: 1594 "Hagen, edlerRitter, wir machen euch bekannt, Wennihr uns dagegen die Kleider wiedergebt,Was ihr auf dieser Reise bei den Heunen

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erlebt." Sie schwammen wie die Vögel schwebend auf der Flut. 1595 Dadaucht ihn ihr Wißen von den Dingen gut:So glaubt' er um so lieber, was sie ihmwollten sagen. Sie beschieden ihndarüber, was er begann sie zu fragen. Sie sprach: "Ihr mögt wohl reiten inKönig Etzels Land: 1596 Ich setz euchmeine Treue dafür zum Unterpfand:Niemals fuhren Helden noch in einfremdes Reich Zu so hohen Ehren: inWahrheit, ich sag es euch." Der Rede war da Hagen im Herzen frohund hehr! 1597 Die Kleider gabman ihnen und säumte sich nicht mehr.Als sie umgezogen ihr wunderbarGewand, Vernahm er erst die Wahrheit von der Fahrt in Etzels Land.

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Da sprach das andre Meerweib mitNamen Siegelind: 1598 "Ich willdich warnen, Hagen, Aldrianens Kind.Meine Muhme hat dich der Kleider halbbelogen: Und kommst du zu den Heunen, so bist du übel betrogen. "Wieder umzukehren, wohl wär es ander Zeit, 1599 Dieweil ihrkühnen Helden also geladen seid, Daßihr müßt ersterben in der Heunen Land:Wer da hinreitet, der hat den Tod an derHand." Da sprach aber Hagen: "Ihr trügt michohne Noth: 1600 Wie sollte dassich fügen, daß wir alle todt Blieben beidem Hofgelag durch Jemandes Groll?" Dasagten sie dem Degen die Märe deutlichund voll.

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Da sprach die Eine wieder: "Es muß nunso geschehn, 1601 Keiner wird voneuch allen die Heimat wiedersehn Als derKaplan des Königs: das ist unswohlbekannt, Der kommt geborgenwieder heim in König Gunthers Land." Ingrimmen Muthes sprach der kühneHagen: 1602 "Das ließenmeine Herren schwerlich sich sagen, Wirverlören bei den Heunen Leben all undLeib; Nun zeig uns übers Wasser, allerweisestes Weib." Sie sprach: "Willst du nicht anders undsoll die Fahrt geschehn, 1603 So siehst duüberm Wasser eine Herberge stehn:Darin ist ein Ferge und sonst nicht nahnoch fern." Weiter nachzufragen, desbegab er nun sich gern. Dem unmuthsvollen Recken rief noch

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die Eine nach: 1604 "Nun wartet,Herr Hagen, euch ist auch gar zu jach;Vernehmt noch erst die Kunde, wie ihrkommt durchs Land. Der Herr dieserMarke der ist Else genannt. "Sein Bruder ist geheißen Gelfrat derHeld, 1605 Ein Herr imBaierlande: nicht so leicht es hält, Wolltihr durch seine Marke: ihr mögt euchwohl bewahren Und sollt auch mit demFergen gar bescheidentlich verfahren. "Der ist so grimmes Muthes, er läßt euchnicht gedeihn, 1606 Wollt ihr nichtverständig bei dem Helden sein. Soll ereuch überholen, so bietet ihm den Sold;Er hütet dieses Landes und ist Gelfratenhold. "Und kommt er nicht bei Zeiten, so ruftüber Flut 1607 Und sagt, ihr heißet

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Amelrich; das war ein Degen gut, Derseiner Feinde willen räumte dieses Land:So wird der Fährmann kommen, wird ihmder Name genannt." Der übermüthge Hagen dankte denFrauen hehr 1608 Des Rathsund der Lehre; kein Wörtlein sprach ermehr. Dann gieng er bei dem Wasser hinauf an dem Strand, Wo er auf jenerSeite eine Herberge fand. Laut begann zu rufen der Degen überFlut: 1609 "Nun hol mich über,Ferge," sprach der Degen gut, "So gebich dir zum Lohne eine Spangegoldesroth; Mir thut das Ueberfahren, daswiße, wahrhaftig Noth." Es brauchte nicht zu dienen der reicheSchiffersmann, 1610 Lohn nahm erselten von Jemandem an; Auch waren

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seine Knechte zumal von stolzem Muth.Noch immer stand Hagen dießseits alleinbei der Flut. Da rief er so gewaltig, der ganze Stromerscholl 1611 Von des HeldenStärke, die war so groß und voll: "MichAmelrich hol über; ich bin es, ElsesMann, Der vor starker Feindschaft ausdiesen Landen entrann." Hoch an seinem Schwerte er ihm dieSpange bot, 1612 Die war schönund glänzte von lichtem Golde roth, Daßer ihn überbrächte in Gelfratens Land.Der übermüthge Ferge nahm selbst dasRuder an die Hand. Auch hatte dieser Ferge habsüchtgenSinn: 1613 Die Gier nachgroßem Gute bringt endlich Ungewinn;Er dachte zu verdienen Hagens Gold so

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roth, Da litt er von dem Degen hier denschwertgrimmen Tod. Der Ferge zog gewaltig hinüber an denStrand. 1614 Welcher ihmgenannt war, als er den nicht fand, Dahub er an zu zürnen: als er Hagen sah, Mitgrimmem Ungestüme zu dem Heldensprach er da: "Ihr mögt wohl sein geheißen mitNamen Amelrich; 1615 Doch sehtihr dem nicht ähnlich, des ich versehenmich. Von Vater und von Mutter war erder Bruder mein: Nun ihr mich betrogenhabt, so müßt ihr dießhalben sein." "Nein! um Gotteswillen," sprach Hagendagegen. 1616 "Ich bin einfremder Recke, besorgt um andre Degen.So nehmet denn freundlich hin meinenSold Und fahrt uns hinüber: ich bin euch

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wahrhaftig hold." Da sprach der Ferge wieder: "Das kanneinmal nicht sein. 1617 Viel derFeinde haben die lieben Herren mein.Drum fahr ich keinen Fremden hinüber inihr Land: Wenn euch das Leben lieb ist, so tretet aus an den Strand." "Das thu ich nicht," sprach Hagen, "traurig ist mein Muth. 1618 Nehmt zumGedächtniß die goldne Spange gut Undfahrt uns über, tausend Ross' und auch somanchen Mann." Da sprach der grimmeFerge: "Das wird nimmer gethan." Er hob ein starkes Ruder, mächtig undbreit, 1619 Und schlug es aufHagen (es ward ihm später leid), Daß erim Schiffe nieder strauchelt' auf die Knie.Solchen grimmen Fergen fand der vonTronje noch nie.

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Noch stärker zu erzürnen den kühnenFremdling, schwang 1620 Er seineRuderstange, daß sie gar zersprang, Aufdas Haupt dem Hagen; er war ein starkerMann: Davon Elses Ferge bald großenSchaden gewann. Mit grimmigem Muthe griff Hagengleich zur Hand 1621 Zur Seitenach der Scheide, wo er ein Waffen fand:Er schlug das Haupt ihm nieder und warfes auf den Grund. Bald wurden dieseMären den stolzen Burgunden kund. Im selben Augenblicke, als er denFährmann schlug, 1622 Glitt dasSchiff zur Strömung; das war ihm leidgenug. Eh er es richten konnte, fiel ihnErmüdung an: Da zog am Ruder kräftig König Gunthers Unterthan.

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Er versucht' es umzukehren mitmanchem schnellen Schlag, 1623 Bisihm das starke Ruder in der Handzerbrach. Er wollte zu den Recken sichwenden an den Strand; Da hatt er keinesweiter: wie bald er es zusammen band Mit seinem Schildriemen, einer Borteschmal. 1624 Hin zu einemWalde wandt er das Schiff zu Thal. Dafand er seinen Herren sein harren an demStrand; Es giengen ihm entgegen viel derDegen auserkannt. Mit Gruß ihn wohl empfiengen die edelnRitter gut: 1625 Sie sahen in demSchiffe rauchen noch das Blut Von einerstarken Wunde, die er dem Fergenschlug: Darüber muste Hagen fragenhören genug. Als der König Gunther das heiße Blut

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ersah 1626 In dem Schiffeschweben, wie bald sprach er da: "Wo istdenn, Herr Hagen, der Fährmannhingekommen? Eure starken Kräfte haben ihm wohl das Leben benommen." Da sprach er mit Verläugnen: "Als ichdas Schifflein fand 1627 Bei einerwilden Weide, da löst' es meine Hand. Ichhabe keinen Fergen heute hier gesehn;Leid ist auch Niemand von meinenHänden geschehn." Da sprach von Burgunden der KönigGernot: 1628 "Heute muß ichbangen um lieber Freunde Tod, Da wirkeinen Schiffmann hier am Strome sehn:Wie wir hinüber kommen, darob muß ichin Sorgen stehn." Laut rief da Hagen: "Legt auf den Bodenher, 1629 Ihr Knechte, das

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Geräthe: ich gedenke, daß ich mehr Derallerbeste Ferge war, den man am Rheinefand: Ich bring euch hinüber gar wohl inGelfratens Land." Daß sie desto schneller kämen überFlut, 1630 Trieb man hineindie Mähren; ihr Schwimmen ward so gut,Daß ihnen auch nicht eines der starkeStrom benahm. Einige trieben ferner, alssie Ermüdung überkam. Sie trugen zu dem Schiffe ihr Gut undihre Wehr, 1631 Nun einmal ihreReise nicht zu vermeiden mehr. Hagenfuhr sie über; da bracht er an den StrandManchen zieren Recken in dasunbekannte Land. Zum ersten fuhr er über tausend Ritterhehr 1632 Und seine sechzigDegen; dann kamen ihrer mehr:

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Neuntausend Knechte, die bracht er andas Land. Des Tags war unmüßig deskühnen Tronejers Hand. Das Schiff war ungefüge, stark und weitgenug: 1633 Fünfhundert oderdrüber es leicht auf einmal trug IhresVolks mit Speise und Waffen über Flut:Am Ruder muste ziehen des Tagesmancher Ritter gut. Da er sie wohlgeborgen über Flutgebracht, 1634 Da war derfremden Märe der schnelle Held bedacht,Die ihm verkündet hatte das wildeMeerweib: Dem Kaplan des Königs gienges da schier an Leben und Leib. Bei seinem Weihgeräthe er den Pfaffenfand, 1635 Auf demHeiligthume sich stützend mit der Hand:Das kam ihm nicht zu Gute, als Hagen ihn

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ersah; Der unglückselge Priester, vielBeschwerde litt er da. Er schwang ihn aus dem Schiffe mit jäherGewalt. 1636 Da riefen ihrerViele: "Halt, Hagen, halt!" Geiselher derjunge hub zu zürnen an; Er wollt es dochnicht laßen, bis er ihm Leides gethan. Da sprach von Burgunden der KönigGernot: 1637 "Was hilft euchwohl, Herr Hagen, des Kaplanes Tod?Thät dieß anders Jemand, es sollt ihmwerden leid. Was verschuldete derPriester, daß ihr so wider ihn seid?" Der Pfaffe schwamm nach Kräften: erhoffte zu entgehn, 1638 Wenn ihmnur Jemand hülfe: das konnte nichtgeschehn, Denn der starke Hagen, garzornig war sein Muth, Stieß ihn zu Grundewieder; das dauchte Niemanden gut.

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Als der arme Pfaffe hier keine Hülfe sah, 1639 Da wandt er sich ansUfer; Beschwerde litt er da. Ob er nichtschwimmen konnte, doch half ihm GottesHand, Daß er wohlgeborgen hinwiederkam an den Strand. Da stand der arme Priester undschüttelte sein Kleid. 1640 Daranerkannte Hagen, ihm habe Wahrheit,Unmeidliche, verkündet das wildeMeerweib. Er dachte: "Diese Degen verlieren Leben und Leib." Als sie das Schiff entladen und ansGestad geschafft, 1641 Was daraufbeseßen der Könge Ritterschaft, SchlugHagen es in Stücke und warf es in dieFlut; Das wunderte gewaltig die Reckenedel und gut.

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"Bruder, warum thut ihr das?" sprach daDankwart, 1642 "Wie sollen wirhinüber bei unsrer Wiederfahrt, Wennwir von den Heunen reiten an denRhein?" Hernach sagt' ihm Hagen, daskönne nimmermehr sein. Da sprach der Held von Tronje: "Ichthats mit Wohlbedacht: 1643 Haben wireinen Feigen in dieses Land gebracht,Der uns entrinnen möchte in seinesHerzens Noth, Der muß an diesen Wogen leiden schmählichen Tod." Sie führten bei sich Einen ausBurgundenland, 1644 Der eingar behender Held und Volker wardgenannt. Der redete da launig nachseinem kühnen Muth: Was Hagen jebegangen, den Fiedler dauchte das gut. Als der Kaplan des Königs das Schiff

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zerschlagen sah, 1645 Ueber dasWasser zu Hagen sprach er da: "IhrMörder ohne Treue, was hatt ich euchgethan, Daß mich unschuldgen Pfaffen eur Herz zu ertranken sann?" Zur Antwort gab ihm Hagen: "Die Redelaßt beiseit: 1646 Mich kümmert,meiner Treue, daß ihr entkommen seidHier von meinen Händen, das glaubtohne Spott." Da sprach der arme Priester: "Dafür lob ich ewig Gott. "Ich fürcht euch nun wenig, des dürft ihrsicher sein: 1647 Fahrt ihr zu denHeunen, so will ich über Rhein. Gott laßeuch nimmer wieder nach dem Rheinekommen, Das wünsch ich euch vonHerzen: schier das Leben habt ihr mirgenommen." Da sprach König Gunther zu seinem

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Kapellan: 1648 "Ich will euchalles büßen, was Hagen euch gethan Hatin seinem Zorne, komm ich an den RheinMit meinem Leben wieder: des sollt ihraußer Sorge sein. "Fahrt wieder heim zu Lande; es mußnun also sein. 1649 Ich entbietemeine Grüße der lieben Frauen meinUnd meinen andern Freunden, wie ichbillig soll: Sagt ihnen liebe Märe, daß wirnoch alle fuhren wohl." Die Rosse standen harrend, die Säumerwohl geladen; 1650 Sie hatten aufder Reise bisher noch keinen SchadenGenommen, der sie schmerzte, als desKönigs Kaplan: Der must auf seinen Füßen sich zum Rheine suchen Bahn. * * * * *

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Sechsundzwanzigstes Abenteuer. Wie Dankwart Gelfraten erschlug. Als sie nun alle waren gekommen anden Strand, 1651 Da fragte KönigGunther: "Wer soll uns durch das LandDie rechten Wege weisen, daß wir nichtirre gehn?" Da sprach der kühne Volker: "Laßt mich das Amt nur versehn." "Nun haltet an," sprach Hagen, "sei'sRitter oder Knecht: 1652 Man sollFreunden folgen, das bedünkt mich recht.Eine ungefüge Märe mach ich euchbekannt: Wir kommen nimmer wieder heim in der Burgunden Land. "Das sagten mir zwei Meerfraun heutemorgen fruh, 1653 Wir kämennimmer wieder. Nun rat ich, was man thu:

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Waffnet euch, ihr Helden, ihr sollt euchwohl bewahren: Wir finden starke Feinde und müßen drum wehrhaft fahren. "Ich wähnt auf Lug zu finden die weisenMeerfraun: 1654 Sie sagten mir,nicht Einer werde wiederschaun DieHeimat von uns Allen bis auf denKapellan; Drum hätt ich ihm so gerne heutden Tod angethan." Da flogen diese Mären von Schar zuSchar einher. 1655 Bleich vorSchrecken wurden Degen kühn und hehr,Als sie die Sorge faßte vor dem herbenTod Auf dieser Hofreise: das schuf ihnenwahrlich Noth. Bei Möringen waren sie über Flutgekommen, 1656 Wo demFährmann Elsen das Leben wardbenommen. Da sprach Hagen wieder:

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"Da ich mir so gewann Unterwegs derFeinde, so greift man ehstens uns an. "Ich erschlug den Fährmann heutemorgen fruh; 1657 Sie wißennun die Kunde. Drum eilt und greifet zu,Wenn Gelfrat und Elsen heute hierbesteht Unser Ingesinde, daß es ihnenübel ergeht. "Sie sind gar kühn, ich weiß es, es wirdgewiss geschehn. 1658 Drum laßt nurdie Rosse in sanftem Schritte gehn, Daßnicht Jemand wähne, wir flöhn vor ihremHeer." "Dem Rathe will ich folgen," sprach der junge Geiselher. "Wer zeigt nun dem Gesinde die Wegedurch das Land?" 1659 Sie sprachen:"Das soll Volker: dem sind hiewohlbekannt Die Straßen und die Steige, dem stolzen Fiedelmann." Eh mans von

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ihm verlangte, kam er gewaffnet heran. Der schnelle Fiedelspieler: den Helm erüberband; 1660 Von herrlicherFarbe war all sein Streitgewand. AmSchaft ließ er flattern ein Zeichen, das warroth. Bald kam er mit den Königen in einefurchtbare Noth. Gewisse Kunde hatte Gelfrat nunbekommen 1661 Von desFergen Tode; da hatt es auch vernommenElse der starke: beiden war es leid. Siebesandten ihre Helden: die traf manbalde bereit. Darauf in kurzen Zeiten, nun hört michweiter an, 1662 Sah man zu ihnenreiten, denen Schade war gethan, Instarkem Kriegszuge ein ungefüges Heer:Wohl siebenhundert stießen zu Gelfratoder noch mehr.

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Als das den grimmen Feinden nachzuziehn begann, 1663 DieHerren, die es führten, huben zu jagen anDen kühnen Gästen hinterdrein. Siewollten Rache haben: Da musten sie derFreunde hernach noch manchenbegraben. Hagen von Tronje richtete das ein 1664 (Wie konnte seinerFreunde ein beßrer Hüter sein?), Daß erdie Nachhut hatte und Die ihm unterthanMit Dankwart seinem Bruder; das war garweislich gethan. Ihnen war der Tag zerronnen, den hattensie nicht mehr. 1665 Er bangte vorGefahren für seine Freunde sehr. Sieritten unter Schilden durch der BaiernLand: Darnach in kurzer Weile dieHelden wurden angerannt.

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Beiderseits der Straße und hinter ihnenher 1666 Vernahm man Hufeschlagen; die Haufen eilten sehr. Dasprach der kühne Dankwart: "Gleichfallen sie uns an: Bindet auf die Helme, das dünkt mich räthlich gethan." Sie hielten ein mit Reiten, als es mustesein. 1667 Da sahen sie imDunkel der lichten Schilde Schein. Nichtlänger stille schweigen mochte da derHagen: "Wer verfolgt uns auf der Straße?" Das muste Gelfrat ihm sagen. Da sprach zu ihm der Markgraf aus derBaiern Land: 1668 "Wir suchenunsre Feinde, denen sind wirnachgerannt. Ich weiß nicht, wer mir heute meinen Fergen schlug: Das war einschneller Degen; mir ist leid um ihngenug."

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Da sprach von Tronje Hagen: "War derFerge dein? 1669 Er wollt unsnicht fahren; alle Schuld ist mein: Icherschlug den Recken; fürwahr, es that mirNoth: Ich hatte von dem Degen schierselbst den grimmigen Tod. "Ich bot ihm zum Lohne Gold undGewand, 1670 Daß er unsüberführe, Held, in euer Land. Darüberzürnt' er also, daß er nach mir schlug Mitstarker Ruderstange: da ward ichgrimmig genug. "Ich griff nach dem Schwerte und wehrteseinem Zorn 1671 Mit einerschweren Wunde: da war der Heldverlorn. Ich steh euch hier zur Sühne, wiees euch dünke gut." Da gieng es an einStreiten: sie hatten zornigen Muth.

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"Ich wuste wohl," sprach Gelfrat, "alshier mit dem Geleit 1672 Gunther zogvorüber, uns geschäh ein Leid VonHagens Uebermuthe. Nun büßt ers mitdem Leben: Für des Fergen Ende soll erselbst hier Bürgschaft geben." Ueber die Schilde neigten da zum Stichden Sper 1673 Gelfrat undHagen; sich zürnten beide schwer.Dankwart und Else zusammen herrlichritten; Sie erprobten, wer sie waren: dawurde grimmig gestritten. Wer je versuchte kühner sich und dieGunst des Glücks? 1674 Von einemstarken Stoße sank Hagen hinterrücksVon der Mähre nieder durch GelfratensHand. Der Brustriem war gebrochen: soward im Fallen bekannt. Man hört' auch beim Gesinde

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krachender Schäfte Schall. 1675 Daerholte Hagen sich wieder von dem Fall,Den er auf das Gras gethan von desGegners Sper: Da zürnte der von Tronje wider Gelfraten sehr. Wer ihnen hielt die Rosse, das ist mirunbekannt. 1676 Sie waren ausden Sätteln gekommen auf den Sand,Hagen und Gelfrat: nun liefen sie sich an.Ihre Gesellen halfen, daß ihnen Streitward kund gethan. Wie heftig auch Hagen zu Gelfratensprang, 1677 Ein Stück vonEllenlänge der edle Markgraf schwangIhm vom Schilde nieder; das Feuer stobhindann. Da wäre schier erstorben KönigGunthers Unterthan. Er rief mit lauter Stimme Dankwarten an: 1678 "Hilf mir, lieber Bruder,

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ein schneller starker Mann Hat mich hierbestanden: der läßt mich nicht gedeihn."Da sprach der kühne Dankwart: "So willich denn Schiedsmann sein." Da sprang der Degen näher und schlugihm solchen Schlag 1679 Mit einerscharfen Waffe, daß er todt da lag. Elsewollte Rache nehmen für den Mann: Docher und sein Gesinde schied mit Schadenhindann. Sein Bruder war erschlagen, selberward er wund. 1680 Wohl achtzigseiner Degen wurden gleich zur StundDes grimmen Todes Beute: da muste wohlder Held Gunthers Mannen räumen ingeschwinder Flucht das Feld. Als Die vom Baierlande wichen aus demWege, 1681 Man hörtenachhallen die furchtbaren Schläge: Da

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jagten die von Tronje ihren Feinden nach;Die es nicht büßen wollten, die hattenwenig Gemach. Da sprach beim Verfolgen Dankwart derDegen: 1682 "Kehren wir nunwieder zurück auf unsern Wegen Undlaßen wir sie reiten: sie sind vom Blutenaß. Wir eilen zu den Freunden: inTreuen rath ich euch das." Als sie hinwieder kamen, wo der Schadewar geschehn, 1683 Da sprach vonTronje Hagen: "Helden, laßt uns sehn,Wen wir hier vermissen, oder wer unsverlorn Hier in diesem Streite giengdurch Gelfratens Zorn." Sie hatten vier verloren; der Schade ließsich tragen. 1684 Sie waren wohlvergolten; dagegen aber lagen Derenvom Baierlande mehr als hundert todt.

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Den Tronejern waren von Blut die Schildetrüb und roth. Ein wenig brach aus Wolken des hellenMondes Licht; 1685 Da sprachwieder Hagen: "Hört, berichtet nichtMeinen lieben Herren, was hier von unsgeschah: Bis zum Morgen komme ihnenkeine Sorge nah." Als zu ihnen stießen, die da kamen vondem Streit, 1686 Da klagte dasGesinde über Müdigkeit: "Wie langesollen wir reiten?" fragte mancher Mann.Da sprach der kühne Dankwart: "Wirtreffen keine Herberg an. "Ihr müst alle reiten bis an den hellenTag." 1687 Volker der schnelle, der des Gesindes pflag, Ließ denMarschall fragen: "Wo kehren wir heutein? Wo rasten unsre Pferde und die

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lieben Herren mein?" Da sprach der kühne Dankwart: "Ichweiß es nicht zu sagen: 1688 Wirkönnen uns nicht ruhen, bis es beginnt zutagen; Wo wir es dann finden, legen wiruns ins Gras." Als sie die Kunde hörten, wie leid war Etlichen das! Sie blieben unverrathen vom heißenBlute roth, 1689 Bis daß dieSonne die lichten Stralen bot DemMorgen über Berge, wo es der König sah,Daß sie gestritten hatten: sehr im Zornesprach er da: "Wie nun denn, Freund Hagen? Verschmähtet ihr wohl das, 1690 Daßich euch Hülfe brachte, als euch die Ringenaß Wurden von dem Blute? Wer hateuch das gethan?" Da sprach er: "Else thates: der griff nächten uns an.

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"Seines Fergen wegen wurden wirangerannt. 1691 Da erschlugGelfraten meines Bruders Hand. Zuletztentrann uns Else, es zwang ihn großeNoth: Ihnen hundert, uns nur viere blieben da im Streite todt." Wir können euch nicht melden, wo mandie Nachtruh fand. 1692 All denLandleuten ward es bald bekannt, Deredeln Ute Söhne zögen zum Hofgelag. Siewurden wohl empfangen dort zu Paßaubald hernach. Der werthen Fürsten Oheim, der BischofPilgerin, 1693 Dem wurde wohl zuMuthe, als seine Neffen ihn Mit so viel derRecken besuchten da im Land: Daß er siegerne sähe, ward ihnen balde bekannt. Sie wurden wohl empfangen von

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Freunden vor dem Ort. 1694 Nichtall verpflegen mochte man sie in Paßaudort: Sie musten übers Wasser, wo Raumsich fand und Feld: Da schlugen auf dieKnechte Hütten und reich Gezelt. Sie musten da verweilen einen vollenTag 1695 Und eine Nachtdarüber. Wie schön man sie verpflag!Dann ritten sie von dannen in RüdigersLand; Dem kamen auch die Mären: daward ihm Freude bekannt, Als die Wegemüden Nachtruhgenommen 1696 Und siedem Lande waren näher gekommen, Siefanden auf der Marke schlafen einenMann, Dem von Tronje Hagen ein starkesWaffen abgewann. Eckewart geheißen war dieser Rittergut. 1697 Der gewann

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darüber gar traurigen Muth, Daß erverlor das Waffen durch der HeldenFahrt. Rüdgers Grenzmarke, die fandman übel bewahrt. "O weh mir dieser Schande," sprach daEckewart. 1698 "Schwer muß ichbeklagen der Burgunden Fahrt. Als ichverlor Siegfrieden, hub all mein Kummeran; O weh, mein Herr Rüdiger, wie habich wider dich gethan!" Wohl hörte Hagen des edeln ReckenNoth: 1699 Er gab dasSchwert ihm wieder, dazu sechs Spangenroth. "Die nimm dir, Held, zu Lohne, willstdu hold mir sein; Du bist ein kühnerDegen, lägst du hier noch so allein." "Gott lohn euch eure Spangen," sprachda Eckewart; 1700 "Doch muß ichsehr beklagen zu den Heunen eure Fahrt.

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Ihr erschlugt Siegfrieden; hier trägt maneuch noch Haß: Daß ihr euch wohlbehütet, in Treuen rath ich euch das." "Nun, mög uns Gott behüten," sprachHagen entgegen. 1701 "Keineandre Sorge haben diese Degen Als umdie Herberge, die Fürsten und ihr Lehn,Wo wir in diesem Lande heute Nachtruhsollen sehn. "Vermüdet sind die Rosse uns auf denfernen Wegen, 1702 Die Speise garzerronnen," sprach Hagen der Degen:"Wir findens nicht zu Kaufe: es wär einWirth uns Noth, Der uns heute gäbe inseiner Milde das Brot." Da sprach wieder Eckewart: "Ich zeigeuch solchen Wirth, 1703 DaßNiemand euch im Hause so gutempfangen wird Irgend in den Landen,

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als hier euch mag geschehn, Wenn ihrschnellen Degen wollt zu Rüdigern gehn. "Der Wirth wohnt an der Straße, derbeste allerwärts, 1704 Der je einHaus beseßen. Milde gebiert sein Herz,Wie das Gras mit Blumen der lichteMaimond thut, Und soll er Helden dienen, so ist er froh und wohlgemuth." Da sprach der König Gunther: "Wollt ihrmein Bote sein, 1705 Ob uns behaltenwolle bis an des Tages Schein Meinlieber Freund Rüdiger und Die mirunterthan? Das will ich stäts verdienen, sogut ich irgend nur kann." "Der Bote bin ich gerne," sprach daEckewart, 1706 Mit gar gutemWillen erhob er sich zur Fahrt Rüdigernzu sagen, was er da vernommen. Demwar in langen Zeiten so liebe Kunde nicht

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gekommen. Man sah zu Bechlaren eilen einenDegen, 1707 Den Rüdgerwohl erkannte; er sprach: "Auf diesenWegen Kommt Eckewart in Eile, Kriemhildens Unterthan." Er wähnte schon,die Feinde hätten ihm ein Leid gethan. Da gieng er vor die Pforte, wo er denBoten fand. 1708 Der nahm seinSchwert vom Gurte und legt' es aus derHand. Er sprach zu dem Degen: "Washabt ihr vernommen, Daß ihr so eilenmüßet? hat uns Jemand was genommen?" "Geschadet hat uns Niemand," sprachEckewart zuhand; 1709 "Mich habendrei Könige her zu euch gesandt, Gunthervon Burgunden, Geiselher und Gernot;Jeglicher der Recken euch seine Diensteher entbot.

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"Das selbe thut auch Hagen, Volker auchzugleich, 1710 Mit Fleiß undrechter Treue; dazu bericht ich euch, Wasdes Königs Marschall euch durch michentbot, Es sei den guten Degen eureHerberge Noth." Mit lachendem Munde sprach daRüdiger: 1711 "Nun wohl mirdieser Märe, daß die Könige hehr MeinenDienst verlangen: dazu bin ich bereit.Wenn sie ins Haus mir kommen, des binich höchlich erfreut." "Dankwart der Marschall hat euch kundgethan, 1712 Wer euch zu Hause noch heute zieht heran: Sechzig kühnerRecken und tausend Ritter gut Mitneuntausend Knechten." Da ward ihmfröhlich zu Muth.

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"Wohl mir dieser Gäste," sprach daRüdiger, 1713 "Daß mir zuHause kommen diese Recken hehr,Denen ich noch selten hab einen Dienstgethan. Entgegen reitet ihnen, sei'sFreund oder Unterthan." Da eilte zu den Rossen Ritter so wieKnecht: 1714 Was sie der Herrgeheißen, das dauchte Alle recht. Siebrachten ihre Dienste um so schnellerdar. Noch wust es nicht Frau Gotlind, diein ihrer Kammer war. * * * * *

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Siebenundzwanzigstes Abenteuer. Wie sie nach Bechlaren kamen. Hin gieng der Markgraf, wo er dieFrauen fand, 1715 Sein Weib undseine Tochter. Denen macht' er dabekannt Diese liebe Märe, die er jetztvernommen, Daß ihrer Frauen Brüder zuihrem Hause sollten kommen. "Viel liebe Traute," sprach da Rüdiger, 1716 "Ihr sollt sie wohlempfangen, die edeln Könge hehr, Wennsie und ihr Gesinde vor euch zu Hofegehn; Ihr sollt auch freundlich grüßen Hagen in Gunthers Lehn. "Mit ihnen kommt auch Einer mit NamenDankwart; 1717 Ein Andrer heißtVolker, an Ehren wohlbewahrt. Die

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Sechse sollt ihr küssen, ihr und dieTochter mein, Und sollt in höfschenZüchten diesen Recken freundlich sein." Das gelobten ihm die Frauen undwarens gern bereit. 1718 Siesuchten aus den Kisten manch herrlichesKleid, Darin sie den Recken entgegenwollten gehn. Da mocht ein groß Befleißen von schönen Frauen geschehn. Gefälschter Frauenzierde gar wenigman da fand; 1719 Sie trugen aufdem Haupte lichtes goldnes Band, Daswaren reiche Kränze, damit ihr schönesHaar Die Winde nicht verwehten; siewaren höfisch und klar. In solcher Unmuße laßen wir die Fraun. 1720 Da war ein schnellesReiten über Feld zu schaun Von RüdigersFreunden, bis man die Fürsten fand. Sie

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wurden wohl empfangen in desMarkgrafen Land. Als sie der Markgraf zu sich kommensah, 1721 Rüdiger derschnelle wie fröhlich sprach er da:"Willkommen mir, ihr Herren und Die ineuerm Lehn. Hier in diesem Lande seidihr gerne gesehn." Da dankten ihm die Recken in Treuenohne Haß. 1722 Daß siewillkommen waren, wohl erzeigt' er das.Besonders grüßt' er Hagen, der war ihmlängst bekannt; So that er auch mitVolkern, dem Helden ausBurgundenland. Er begrüßt' auch Dankwarten. Da sprachder kühne Degen: 1723 "Wollt ihr unshier versorgen, wer soll dann verpflegenUnser Ingesinde aus Worms an dem

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Rhein?" Da begann der Markgraf: "DieseAngst laßet sein. "All euer Gesinde und was ihr in dasLand 1724 Mit euch geführethabet, Ross, Silber und Gewand, Ichschaff ihm solche Hüter, nichts gehtdavon verloren, Das euch zu Schadenbrächte nur um einen halben Sporen. "Spannet auf, ihr Knechte, die Hütten indem Feld; 1725 Was ihr hierverlieret, dafür leist ich Entgelt: Zieht dieZäume nieder und laßt die Rosse gehn."Das war ihnen selten von einem Wirthnoch geschehn. Des freuten sich die Gäste. Als dasgeschehen war 1726 Und dieHerrn von dannen ritten, legte sich dieSchar Der Knecht im Grase nieder: siehatten gut Gemach. Sie fandens auf der

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Reise nicht beßer vor oder nach. Die Markgräfin eilte vor die Burg zugehn 1727 Mit ihrer schönenTochter. Da sah man bei ihr stehn Dieminniglichen Frauen und manche schöneMaid: Die trugen viel der Spangen undmanches herrliche Kleid. Das edle Gesteine glänzte fern hindann 1728 Aus ihrem reichenSchmucke: sie waren wohlgethan. Dakamen auch die Gäste und sprangen aufden Sand. Hei! was man edle Sitten anden Burgunden fand! Sechsunddreißig Mägdelein und vielandre Fraun, 1729 Die wohl nachWunsche waren und wonniganzuschauen, Giengen den Herrnentgegen mit manchem kühnen Mann. Daward ein schönes Grüßen von edeln

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Frauen gethan. Die Markgräfin küsste die Könge alledrei; 1730 So that auch ihreTochter. Hagen stand dabei. Den hieß ihrVater küssen: da blickte sie ihn an: Erdauchte sie so furchtbar, sie hätt es liebernicht gethan. Doch muste sie es leisten, wie ihr derWirth gebot. 1731 Gemischt wardihre Farbe, bleich und auch roth. AuchDankwarten küsste sie, darnach denFiedelmann: Seiner Kraft und Kühnheitwegen ward ihm das Grüßen gethan. Die junge Markgräfin nahm bei derHand 1732 Geiselher denjungen von Burgundenland; So nahmauch ihre Mutter Gunthern den kühnenMann. Sie giengen mit den Helden beidefröhlich hindann.

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Der Wirth gieng mit Gernot in einenweiten Saal. 1733 Die Ritter unddie Frauen setzten sich zumal. Man ließalsdann den Gästen schenken gutenWein: Gütlicher bewirthet mochtenHelden nimmer sein. Mit zärtlichen Augen sah da Mancher an 1734 Rüdigers Tochter, diewar so wohlgethan. Wohl kos't' in seinemSinne sie mancher Ritter gut; Das mochtesie verdienen: sie trug gar hoch ihrenMuth. Sie gedachten, was sie wollten; nurkonnt es nicht geschehn. 1735 Man sahdie guten Ritter hin und wieder spähnNach Mägdelein und Frauen: derensaßen da genug. Dem Wirth geneigtenWillen der edle Fiedeler trug.

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Da wurden sie geschieden, wie Sitte warim Land: 1736 Zu andern Zimmerngiengen Ritter und Fraun zur Hand. Manrichtete die Tische in dem Saale weit Undward den fremden Gästen zu allenDiensten bereit. Den Gästen gieng zu Liebe die edleMarkgräfin 1737 Mit ihnen zuden Tischen: die Tochter ließ sie drin Beiden Mägdlein weilen, wo sie nach Sitteblieb. Daß sie die nicht mehr sahen, daswar den Gästen nicht lieb. Als sie getrunken hatten und gegeßenüberall, 1738 Da führte man dieSchöne wieder in den Saal. AnmuthgeReden wurden nicht gescheut: Vielsprach deren Volker, ein Degen kühnund allbereit. Da sprach unverhohlen derselbe

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Fiedelmann: 1739 "Viel reicherMarkgraf, Gott hat an euch gethan Nachallen seinen Gnaden: er hat euchgegeben Ein Weib, ein so recht schönes, dazu ein wonnigliches Leben. "Wenn ich ein König wäre," sprach derFiedelmann, 1740 "Und sollteKrone tragen, zum Weibe nähm ich dannEure schöne Tochter: die wünschte sichmein Muth. Sie ist minniglich zu schauen, dazu edel und gut." Der Markgraf entgegnete: "Wie möchtedas Wohl sein, 1741 Daß ein Königje begehrte der lieben Tochter mein? Wirsind hier beide heimatlos, ich und meinWeib, Und haben nichts zu geben: washilft ihr dann der schöne Leib?" Zur Antwort gab ihm Gernot, der edleDegen gut: 1742 "Sollt ich ein

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Weib mir wählen nach meinem Sinn undMuth, So wär ich solches Weibes stäts vonHerzen froh." Darauf versetzte Hagen inhöfischen Züchten so: "Nun soll sich doch beweiben mein HerrGeiselher: 1743 Es ist so hohenStammes die Markgräfin hehr, Daß wirihr gerne dienten, ich und all sein Lehn,Wenn sie bei den Burgunden unter Kronesollte gehn." Diese Rede dauchte den Markgrafen gut 1744 Und auch Gotelinde; wohl freute sich ihr Muth. Da schufen esdie Helden, daß sie zum Weibe nahmGeiselher der edle, wie er es mocht ohneScham. Soll ein Ding sich fügen, wer mag ihmwiderstehn? 1745 Man bat dieJungfraue, hin zu Hof zu gehn. Da schwur

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man ihm zu geben das schöneMägdelein, Wogegen er sich erbot, dieWonnigliche zu frein. Man beschied der Jungfrau Burgen undauch Land. 1746 Da sicherte mitEiden des edeln Königs Hand Und Gernotder Degen, es werde so gethan. Dasprach der Markgraf: "Da ich Burgennicht gewann, "So kann ich euch in Treuen nur immerbleiben hold. 1747 Ich gebe meinerTochter an Silber und an Gold, Washundert Saumrosse nur immer mögentragen, Daß es wohl nach Ehren euchHelden möge behagen." Da wurden diese beiden in einen Kreisgestellt 1748 Nach demRechtsgebrauche. Mancher junge HeldStand ihr gegenüber in fröhlichem Muth;

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Er gedacht in seinem Sinne, wie noch einJunger gerne thut. Als man begann zu fragen dieminnigliche Maid, 1749 Ob sieden Recken wolle, zum Theil war es ihrleid; Doch dachte sie zu nehmen denwaidlichen Mann. Sie schämte sich derFrage, wie manche Maid hat gethan. Ihr rieth ihr Vater Rüdiger, daß siespräche ja, 1750 Und daß sie gernihn nähme: wie schnell war er da Mitseinen weißen Händen, womit er sieumschloß, Geiselher der junge! Wiewenig sie ihn doch genoß! Da begann der Markgraf: "Ihr edelnKönge reich, 1751 Wenn ihr nunwieder reitet heim in euer Reich, So gebich euch, so ist es am schicklichsten, dieMagd, Daß ihr sie mit euch führet." Also

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ward es zugesagt. Der Schall, den man hörte, der mustenun vergehn. 1752 Da ließ man dieJungfrau zu ihrer Kammer gehn Und auchdie Gäste schlafen und ruhn bis an denTag. Da schuf man ihnen Speise: derWirth sie gütlich verpflag. Als sie gegeßen hatten und nun vondannen fahren 1753 Wollten zuden Heunen: "Davor will ich euchwahren," Sprach der edle Markgraf, "ihrsollt noch hier bestehn; So liebe Gäste habich lange nicht bei mir gesehn." Dankwart entgegnete: "Das kann ja nichtsein: 1754 Wo nähmt ihr dieSpeise, das Brot und auch den Wein, Dasihr doch haben müstet für solch einHeergeleit?" Als das der Wirth erhörte, ersprach: "Die Rede laßt beiseit.

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"Meine lieben Herren, ihr dürft mir nichtversagen. 1755 Wohl geb ich euchdie Speise zu vierzehen Tagen, Euch unddem Gesinde, das mit euchhergekommen. Mir hat der König Etzel noch gar selten was genommen." Wie sehr sie sich wehrten, sie musten dabestehn 1756 Bis an den viertenMorgen. Da sah man geschehn Durch desWirthes Milde, was weithin wardbekannt: Er gab seinen Gästen beides,Ross' und Gewand. Nicht länger mocht es währen, siemusten an ihr Ziel. 1757 SeinesGutes konnte Rüdiger nicht viel Vorseiner Milde sparen: wonach man trugBegehr, Das versagt' er Niemand: er gabes gern den Helden hehr.

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Ihr edel Ingesinde brachte vor das Thor 1758 Gesattelt viel der Rosse; zu ihnen kam davor Mancher fremdeRecke, den Schild an der Hand, Da siereiten wollten mit ihnen in Etzels Land. Der Wirth bot seine Gaben den Degenallzumal, 1759 Eh die edelnGäste kamen vor den Saal. Er konntewohl mit Ehren in hoher Milde leben.Seine schöne Tochter hatt er Geiselherngegeben; Da gab er Gernoten eine Waffe gutgenug, 1760 Die hernach inStürmen der Degen herrlich trug. Ihmgönnte wohl die Gabe des MarkgrafenWeib; Doch verlor der gute Rüdiger davon noch Leben und Leib. Er gab König Gunthern, dem Heldenohne Gleich, 1761 Was wohl mit

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Ehren führte der edle König reich, Wieselten er auch Gab empfieng, ein gutesStreitgewand, Da neigte sich der König vor des milden Rüdger Hand. Gotelind bot Hagnen, sie durfte es ohneScham, 1762 Ihre freundlicheGabe: da sie der König nahm, So solltauch er nicht fahren zu dem HofgelagOhn ihre Steuer: der edle Held abersprach: "Alles, was ich je gesehn," entgegneteHagen, 1763 "So begehr ichnichts weiter von hinnen zu tragen Alsden Schild, der dorten hängt an derWand: Den möcht ich gerne führen mitmir in der Heunen Land." Als die Rede Hagens die Markgräfinvernahm, 1764 Ihres Leidsermahnt' er sie, daß ihr das Weinen kam.

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Mit Schmerzen gedachte sie an NudungsTod, Den Wittich hatt erschlagen; dasschuf ihr Jammer und Noth. Sie sprach zu dem Degen: "Den Schildwill ich euch geben. 1765 Wollte Gottvom Himmel, daß der noch dürfte leben,Der einst ihn hat getragen! er fand imKampf den Tod. Ich muß ihn stätsbeweinen: das schafft mir armem WeibeNoth!" Da erhob sich vom Sitze die Markgräfinmild: 1766 Mit ihren weißenHänden hob sie herab den Schild Undtrug ihn hin zu Hagen: der nahm ihn andie Hand. Die Gabe war mit Ehren an denRecken gewandt. Eine Hülle lichten Zeuges auf seinenFarben lag. 1767 Beßern Schildals diesen beschien wohl nie der Tag. Mit

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edelm Gesteine War er so besetzt, Manhätt ihn im Handel wohl auf tausend Markgeschätzt. Den Schild hinwegzutragen befahl derDegen hehr. 1768 Da kam seinBruder Dankwart auch zu Hofe her. Demgab reicher Kleider Rüdigers Kindgenug, Die er bei den Heunen hernachmit Freuden noch trug. Wie viel sie der Gaben empfiengeninsgemein, 1769 Nichts würd inihre Hände davon gekommen sein, Warsnicht dem Wirth zu Liebe, der es sogütlich bot. Sie wurden ihm so feindhernach, daß sie ihn schlagen mustentodt. Da hatte mit der Fiedel Volker derschnelle Held 1770 Sich vorGotelinde höfisch hingestellt. Er geigte

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süße Töne und sang dazu sein Lied: Damitnahm er Urlaub, als er von Bechlarenschied. Da ließ die Markgräfin eine Lade nähertragen. 1771 Von freundlicherGabe mögt ihr nun hören sagen: ZwölfSpangen, die sie aus ihr nahm, schob sieihm an die Hand: "Die sollt ihr führen,Volker, mit euch in der Heunen Land "Und sollt sie mir zu Liebe dort am Hofetragen: 1772 Wenn ihrwiederkehret, daß man mir möge sagen,Wie ihr gedient mir habet bei demHofgelag." Wie sie ihn gebeten, so thatder Degen hernach. Der Wirth sprach zu den Gästen: "Daßihr nun sichrer fahrt, 1773 Will ich euchselbst geleiten: so seid ihr wohl bewahrt,Daß ihr auf der Straße nicht werdet

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angerannt." Seine Saumrosse die beludman gleich zur Hand. Der Wirth war reisefertig undfünfhundert Mann 1774 MitRossen und mit Kleidern: die führt' erhindann Zu dem Hofgelage mitfröhlichem Muth; Nach Bechelaren kehrte nicht Einer all der Ritter gut. Mit minniglichen Küssen der Wirth vondannen schied; 1775 Also that auchGeiselher, wie ihm die Liebe rieth. Sieherzten schöne Frauen mit zärtlichemUmfahn: Das musten bald beweinen vielJungfrauen wohlgethan. Da wurden allenthalben die Fensteraufgethan, 1776 Als mit seinenMannen der Markgraf ritt hindann. Siefühlten wohl im Herzen voraus das herbeLeid: Drum weinten viel der Frauen und

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manche waidliche Maid. Nach den lieben Freunden trug Manchegroß Beschwer, 1777 Die sie inBechelaren ersahen nimmermehr. Dochritten sie mit Freuden nieder an demStrand Dort im Donauthale bis in dasheunische Land. Da sprach zu den Burgunden der mildeMarkgraf hehr, 1778 Rüdiger deredle: "Nun darf nicht länger mehrVerhohlen sein die Kunde, daß wir nachHeunland kommen. Es hat der König Etzel noch nie so Liebes vernommen." Da ritt manch schneller Bote insOesterreicherland: 1779 So ward esallenthalben den Leuten bald bekannt,Daß die Helden kämen von Worms überRhein. Dem Ingesind des Königs konnt esnicht lieber sein.

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Die Boten vordrangen mit diesen Mären, 1780 Daß die Nibelungen bei den Heunen wären: "Du sollst sie wohlempfangen, Kriemhild, Fraue mein: Nachgroßen Ehren kommen dir die liebenBrüder dein." Als die Königstochter vernahm dieMäre, 1781 Zum Theil wichihr vom Herzen ihr Leid, das schwere.Aus ihres Vaters Lande zog Mancher ihrheran, Durch den der König Etzel baldgroßen Jammer gewann. "Nun wohl mir diese Freude," sprach daKriemhild. 1782 "Hier bringenmeine Freunde gar manchen neuenSchild Und Panzer glänzend helle: wernehmen will mein Gold Und meines Leidsgedenken, dem will ich immer bleibenhold."

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Sie gedachte heimlich: "Noch wird zuAllem Rath. 1783 Der mich anmeinen Freuden so gar gepfändet hat,Weiß ich es zu fügen, es soll ihm werdenleid Bei diesem Gastgebote: dazu bin ichgern bereit. "Ich will es also Schaffen, daß meineRach ergeht 1784 Bei diesemHofgelage, wie es hernach auch steht, Anseinem argen Leibe, der mir hatbenommen So viel meiner Wonne: dessoll mir nun Entgeltung kommen." * * * * *

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Achtundzwanzigstes Abenteuer. Wie Kriemhild Hagen entpfieng. Als die Burgunden kamen auf das Feld, 1785 Auf schlug man dreiKönigen gar herrlich Gezelt. Sie stießenein die Fahnen von eitel Golde roth. Dawusten nicht die Herren, wie ihnen nahwar der Tod. Da stieg zu den Zinnen Frau Kriemhildhinan 1786 Und sah auf demFelde reiten manchen Mann. Des freutesich heimlich das wunderschöne Weib:"Nun endlich wird gerochen des kühnenSiegfriedes Leib, "Der mir so mörderlich zu Tode wardgeschlagen; 1787 Ich kann bis anmein Ende ihn nie genug beklagen. O

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weh der großen Ehren, die ich mußverloren schaun: So tapfrer Mann lagnimmer noch im Arm einer Fraun. "Seine große Tugend schafft mirHerzeleid: 1788 Wenn ichdaran gedenke, wie er zu jener Zeit Hinritt mit so gesundem Leib, so mehrt sichmeine Klage: Mir darf Niemand rügen dasgroße Leid, das ich trage. "Gott hatt ihn mir zu Manne aus allerWelt erkoren. 1789 Wär EinemMann die Tugend Tausender angeboren,Viel größere doch Siegfried ganz alleinetrug." Sehr klagt' um ihn die Königin, zudem Herzen sie sich schlug. Alsbald ward dem Berner die Märe kundgethan. 1790 Da kam ergeschwinde über den Hof heran; Er hatteHilbranden der Sitte nach bei sich. "Viel

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edle Königstochter, das ließet ihrbilliglich, "Daß man euch weinen sähe bei dieserLustbarkeit. 1791 Ihr habt hieherbeschieden aus fremden Landen weitViel der werthen Recken und manchenBiedermann: Daß man euch nun weinensieht, das steht euch gar übel an." "Ich mahne dich der Treue," sprach sie,"Hildebrand, 1792 Hast du je Gabempfangen aus meiner milden Hand, Soräche mich an Hagen: ich gebe dir meinGold Und bin mit guten Treuen bis anmein Ende dir hold." Da sprach zu ihr der Berner: "Ihr seid einübel Weib, 1793 Daß ihr denFreunden rathet an Leben und Leib, Undhabt so manchen Boten hin an den Rheingesandt, Bis sie euch nun kamen zu Haus

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mit wehrlicher Hand. "Höret, Meister Hildebrand, so lieb alsich euch sei: 1794 Empfangt mir vomRheine die Könige alle drei Und heißt siehier zu Felde liegen bis an den Tag, Sowarn ich sie mit Treue, so gut ich immervermag." Da ritt wohlgezogen MeisterHildebrand, 1795 Bis er diedrei Könige von dem Rheine fand. Ersprang vom Pferde ritterlich und ließ sichauf die Knie: Die drei Könige vom Rheine so empfing und grüßt' er sie. "Willkommen seid, Herr Gunther, Königan dem Rhein; 1796 So sei auchHerr Gernot, der liebe Bruder dein, UndGeiselher der junge und Hagen, einstarker Mann, Und noch manch schnellerRecke, die ich nicht alle nennen kann.

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"Euch entbeut der Berner, der liebeHerre mein, 1797 Seine Huld undFreundschaft und will euch hülfreich sein.Er räth euch, hier im Felde zu liegen biszum Tag: Dann warnt er euch mit Treuen, so gut er immer vermag. "Mög euch Gott behüten hier vor allerNoth: 1798 Schon vor vierthalbJahren war euch bereit der Tod.Geschworen hat Frau Kriemhild, eureSchwester, manchen Eid, daß sie an euchwill rächen all ihr großes Herzeleid. "Er entbeut euch, daß ihr meidet, so liebeuch sei das Leben, 1799 Den Neubau ander Donau, wo euch Herberg istgegeben: Das sollt ihr mir glauben, undkäm darein ein Heer, Ihr müstet Allersterben und Keiner käme zur Wehr.

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"Wißt, in drei schönen Rohren, die hohlvon innen sind, 1800 Schwefel undKohlen mischten sie falsch gesinnt: Daswird angezündet, wenn sie zu Tischegehn. Davor sollt ihr euch hüten ihrstolzen Degen ausersehn." Des erschrak der König, die Rede warihm leid. 1801 "Nun lohne Gottdir, Hildebrand, daß du uns gabstBescheid Und daß du hast gewarnet manch heimatlosen Mann. Ich seh, wirtreffen Treue bei den Heunen wenig an." Des erlachten die Jungen und hielten esfür Spott. 1802 Da sprachen dieWeisen: "Davor behüt uns Gott. Wir sindin großer Treue geritten in das Land; Siehat uns manchen Boten hin nach demRheine gesandt." Da sprach wohlgezogen der König

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Gernot: 1803 "MeineSchwester Kriemhild hat uns geladen inden Tod. Zu großer Treue ritten wir her indiese Statt, Da meine schöne Schwester uns vom Rhein geladen hat." Da sprach der Fiedelspieler, der kühneVolker: 1804 "Ich kam der Gabewillen vom Rhein geritten her. Nun willich drauf verzichten," so sprach derFiedelmann: "Ich fiedle mit dem Schwerte das allerbeste, das ich kann. "Erklingen meine Töne, so weichen siezurück, 1805 Und wollen sie'snicht laßen, so fügt es leicht das Glück,Ich schlag Einem ritterlich einenschnellen Geigenschlag, Hat er einentreuen Freund, daß es der beweinenmag." Als Hildebrand der alte von dannen

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wollte gehn, 1806 Geiselher derjunge hieß ihn noch stille stehn. Er gabihm einen Mantel, den er ihm zu Ehrentrug; Für dreißig Mark Goldes hatt erPfands daran genug. An sich nahm den Mantel MeisterHildebrand 1807 Und ritt hinwohlgezogen, wo er den Berner fand."Schaut den reichen Mantel, der hier anmir zu sehn: Den gab mir Geiselher dasKind, als ich von ihm wollte gehn." Als die Burgunden kamen in das Land, 1808 Da erfuhr es von Berne der alte Hildebrand. Er sagt' es seinemHerren. Dietrichen war es leid; Er hießihn wohl empfangen der kühnen RitterGeleit. Da ließ der starke Wolfhart die Pferdeführen her; 1809 Dann ritt mit dem

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Berner mancher Degen hehr, Sie zubegrüßen, zu ihnen auf das Feld. Siehatten aufgeschlagen da manchesherrliche Zelt. Als sie von Tronje Hagen aus der Fernesah, 1810 Wohlgezogen spracher zu seinen Herren da: "Nun hebt euchvon den Sitzen, ihr Recken wohlgethan,Und geht entgegen denen, die euch hierwollen empfahn. "Dort kommt ein Heergesinde, das istmir wohl bekannt; 1811 Es sind vielschnelle Degen von Amelungenland. Sieführt Der von Berne, sie tragen hoch denMuth: Laßt euch nicht verschmähen dieDienste, die man euch thut." Da sprang von den Rossen wohl nachFug und Recht 1812 Mit Dietrichennieder mancher Herr und Knecht. Sie

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giengen zu den Gästen, wo man dieHelden fand, Und begrüßten freundlich Die von der Burgunden Land. Als sie der edle Dietrich ihm entgegenkommen sah, 1813 Liebes undLeides zumal ihm dran geschah. Er wustewohl die Märe; leid war ihm ihre Fahrt: Erwähnte, Rüdger wüst es und hätt es ihnenoffenbart. "Willkommen mir, ihr Herren, Guntherund Geiselher, 1814 Gernot undHagen, Herr Volker auch so sehr, UndDankwart der schnelle: ist euch das nichtbekannt? Schwer beweint noch Kriemhild Den von Nibelungenland." "Sie mag noch lange weinen," so sprachda Hagen: 1815 "Er liegt seitmanchem Jahr schon zu Tod erschlagen.Den König der Heunen mag sie nun

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lieber haben: Siegfried kommt nichtwieder, er ist nun lange begraben." "Siegfriedens Wunden laßen wir nunstehn: 1816 So lange lebt FrauKriemhild, mag Schade wohl geschehn."So redete von Berne der edle Dieterich:"Trost der Nibelungen, davor behüte dudich!" "Wie soll ich mich behüten?" sprach derKönig hehr. 1817 "Etzel sandt unsBoten, was sollt ich fragen mehr? Daß wirzu ihm ritten her in dieses Land. Auch hatuns manche Botschaft meine SchwesterKriemhild gesandt." "So will ich euch rathen," sprach wiederHagen, 1818 "Laßt euch dieseMäre doch zu Ende sagen Dieterich denHerren und seine Helden gut, Daß sieeuch wißen laßen der Frau Kriemhilde

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Muth." Da giengen die drei Könige undsprachen unter sich, 1819 HerrGunther und Gernot und Herr Dieterich:"Nun sag uns, von Berne du edler Rittergut, Was du wißen mögest von derKönigin Muth." Da sprach der Vogt von Berne: "Was sollich weiter sagen? 1820 Als daß ich alleMorgen weinen hör und klagen EtzelsWeib Frau Kriemhild in jämmerlicherNoth Zum reichen Gott vom Himmel umdes starken Siegfried Tod." "Es ist halt nicht zu wenden," sprach derkühne Mann, 1821 Volker derFiedler, "was ihr uns kund gethan. Laßtuns zu Hofe reiten und einmal da besehn,Was uns schnellen Degen bei denHeunen möge geschehn."

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Die kühnen Burgunden hin zu Hoferitten: 1822 Sie kamen stolzgezogen nach ihres Landes Sitten. Dawollte bei den Heunen gar mancherkühne Mann Von Tronje Hagen schauen, wie der wohl wäre gethan. Es war durch die Sage dem Volkbekannt genug, 1823 Daß er vonNiederlanden Siegfrieden schlug, AllerRecken stärksten, Frau KriemhildensMann: Drum ward so großes Fragen beiHof nach Hagen gethan. Der Held war wohlgewachsen, das istgewisslich wahr. 1824 Von Schulternbreit und Brüsten; gemischt war sein HaarMit einer greisen Farbe; von Beinen warer lang Und schrecklich von Antlitz; erhatte herrlichen Gang.

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Da schuf man Herberge denBurgundendegen; 1825Gunthers Ingesinde ließ man gesondertlegen. Das rieth die Königstochter, dieihm viel Haßes trug: Daher man bald dieKnechte in der Herberg erschlug. Dankwart, Hagens Bruder, war daMarschall; 1826 Der König seinGesinde ihm fleißig anbefahl, Daß er esdie Fülle mit Speise sollte pflegen. Dasthat auch gar willig und gern dieserkühne Degen. Kriemhild die schöne mit dem Gesindegieng, 1827 Wo sie dieNibelungen mit falschem Muth empfieng:Sie küsste Geiselheren und nahm ihn beider Hand. Als das Hagen sah von Tronje, den Helm er fester sich band. "Nach solchem Empfange," so sprach da

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Hagen, 1828 "Mögen wohlBedenken die schnellen Degen tragen;Man grüßt die Fürsten ungleich und denUnterthan: Keine gute Reise haben wir zudieser Hochzeit gethan." Sie sprach: "Seid willkommen dem, dereuch gerne sieht: 1829 EurerFreundschaft willen kein Gruß euch hiergeschieht. Sagt, was ihr mir bringet vonWorms überrhein, Daß ihr mir so höchlich solltet willkommen sein?" "Was sind das für Sachen," sprachHagen entgegen, 1830 "Daß euchGaben bringen sollten diese Degen? Soreich wär ich gewesen, hätt ich dasgedacht, Daß ich euch meine Gabe zuden Heunen hätt gebracht." "Nun frag ich um die Märe weiter beieuch an, 1831 Der Hort der

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Nibelungen, wohin ward der gethan? Derwar doch mein eigen, das ist euch wohlbekannt: Den solltet ihr mir haben gebracht in König Etzels Land." "In Treuen, Frau Kriemhild, schonmancher Tag ist hin, 1832 Den Hortder Nibelungen, seit ich des ledig bin,Ihn ließen meine Herren senken in denRhein: Da muß er auch in Wahrheit biszum jüngsten Tage sein." Die Königin versetzte: "Ich dacht es wohlvorher. 1833 Ihr habt mir nochwenig davon gebracht hieher, Wiewohler war mein eigen und ich sein weilandpflag; Nach ihm und seinem Herren habich manchen leiden Tag." "Ich bring euch den Teufel!" sprachwieder Hagen, 1834 "Ich hab anmeinem Schilde so viel zu tragen Und an

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meinem Harnisch; mein Helm der ist licht,Das Schwert an meiner Seite: drum bringich ihn euch nicht." "Es war auch nicht die Meinung, alsverlangte mich nach Gold: 1835 So vielhab ich zu geben, ich entbehre leicht denSold. Eines Mords und Doppelraubes, dieman an mir genommen, Dafür möcht ichArme zu lieber Entgeltung kommen." Da sprach die Königstochter zu denRecken allzumal: 1836 "Man sollkeine Waffen tragen hier im Saal;Vertraut sie mir, ihr Helden, zurVerwahrung an." "In Treuen," sprach daHagen, "das wird nimmer gethan. "Ich begehre nicht der Ehre, Fürstentochter mild, 1837 Daß ihrzur Herberge tragt meinen Schild Undander Streitgeräthe; ihr seid hier Königin.

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So lehrte mich mein Vater, daß ich selbstihr Hüter bin." "O Weh dieses Leides!" sprach daKriemhild: 1838 "Warum willmein Bruder und Hagen seinen SchildNicht verwahren laßen? Gewiss, sie sindgewarnt: Und wüst ich, wer es hat gethan, der Tod der hielt' ihn umgarnt." Im Zorn gab ihr Antwort Dietrichsogleich: 1839 "Ich bin es, dergewarnt hat die edeln Fürsten reich UndHagen den kühnen, der Burgunden Mann:Nur zu, du Braut des Teufels, du thust keinLeid mir drum an." Da schämte sich gewaltig die edleKönigin: 1840 Sie fürchtetesich bitter vor Dietrichs Heldensinn. Siegieng alsdann von dannen, kein Wortmehr sprach sie da, Nur daß sie nach den

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Feinden mit geschwinden Blicken sah. Da nahmen bei den Händen zwei derDegen sich, 1841 Der Eine warHagen, der Andere Dietrich. Da sprachwohlgezogen der Degen allbereit: "EureReise zu den Heunen die ist in Wahrheitmir leid, "Da die Königstochter so gesprochenhat." 1842 Da sprach vonTronje Hagen: "Zu Allem wird schonRath." So sprachen zu einander dieRecken wohlgethan. Das sah der KönigEtzel, der gleich zu fragen begann: "Die Märe wust ich gerne," befrug derKönig sich, 1843 "Wer der Reckewäre, den dort Herr Dietrich Sofreundlich hat empfangen; er trägt garhoch den Muth: Wie auch sein Vater heiße, er mag wohl sein ein Recke gut."

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Antwort gab dem König einKriemhildens-Mann: 1844 "VonTronje ist er geboren, sein Vater hießAldrian; Wie zahm er hier gebare, er istein grimmer Mann: Ich laß euch das nochschauen, daß ich keine Lüge gethan." "Wie soll ich das erkennen, daß er sogrimmig ist?" 1845 Noch hatt ernicht Kunde von mancher argen List, Diewider ihre Freunde die Königin spann,Daß aus dem Heunenlande ihr auch nichtEiner entrann. "Wohl kannt ich Hagen, er war meinUnterthan: 1846 Lob und großeEhre er hier bei mir gewann. Ich macht'ihn zum Ritter und gab ihm mein Gold;Weil er sich getreu erwies, war ich immerihm hold.

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"Daher ist mir von Hagen Alleswohlbekannt. 1847 Zwei edleKinder bracht ich als Geisel in dieß Land,Ihn und von Spanien Walther: diewuchsen hier heran. Hagen sandt ichwieder heim; Walther mit Hildegundentrann." So bedacht er alter Zeiten und wasvordem geschehn. 1848 SeinenFreund von Tronje hatt er hier gesehn,Der ihm in seiner Jugend oft großeDienste bot; Jetzt schlug er ihm im Alter viel lieber Freunde zu Tod. * * * * *

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Neunundzwanzigstes Abenteuer. Wie Hagen und Volker vor KriemhildensSaal saßen. Da schieden auch die beiden werthenRecken sich, 1849 Hagen vonTronje und Herr Dieterich. Ueber dieAchsel blickte Gunthers Unterthan Nacheinem Heergesellen, den er sich baldgewann. Neben Geiselheren sah er Volkernstehn, 1850 Den kunstreichenFiedler: den bat er mitzugehn, Weil erwohl erkannte seinen grimmen Muth: Erwar an allen Tugenden ein Ritter kühnund auch gut. Noch ließ man die Herren auf dem Hofestehn. 1851 Die Beiden ganz

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alleine sah man von dannen gehn Ueberden Hof hin ferne vor einen Pallas weit:Die Auserwählten scheuten sich vorNiemandes Streit. Sie setzten vor dem Hause sich genübereinem Saal, 1852 Der warKriemhilden, auf eine Bank zu Thal. Anihrem Leibe glänzte ihr herrlich Gewand;Gar Manche, die das sahen, hätten gernsie gekannt. Wie die wilden Thiere gaffte sie da an, 1853 Die übermüthgen Helden, mancher Heuneumann. Da sah sie durchein Fenster Etzels Königin: Das betrübtewieder der schönen Kriemhilde Sinn. Sie gedacht ihres Leides; zu weinen hubsie an. 1854 Das wunderte dieDegen, die Etzeln unterthan, Was ihrbekümmert hätte so sehr den hohen

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Muth? Da sprach sie: "Das that Hagen, ihrHelden kühn und auch gut." Sie sprachen zu der Frauen: "Wie ist dasgeschehn? 1855 Wir haben euchdoch eben noch wohlgemuth gesehn.Wie kühn er auch wäre, der es euch hatgethan, Befehlt ihr uns die Rache, denTod müst er empfahn." "Dem wollt ich immer danken, derrächte dieses Leid: 1856 Was er nurbegehrte, ich wär dazu bereit. "Ich falleuch zu Füßen," so sprach des KönigsWeib: "Rächt mich an Hagen: er verliereLeben und Leib." Da rüsteten die Kühnen sich, sechzig ander Zahl: 1857 Kriemhild zu Liebe wollten sie vor den Saal Und wolltenHagen schlagen, diesen kühnen Mann,Dazu den Fiedelspieler; das ward

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einmüthig gethan. Als so gering den Haufen die Königinersah, 1858 In grimmem Muthesprach sie zu den Helden da: "Vonsolchem Unterfangen rath ich abzustehn:Ihr dürft in so geringer Zahl nicht mitHagen streiten gehn. "So kühn auch und gewaltig Der vonTronje sei, 1859 Noch ist beiweitem stärker, der ihm da sitzet bei,Volker der Fiedler: das ist ein üblerMann: Wohl dürft ihr diesen Helden nichtzu so wenigen nahn." Als sie die Rede hörten, rüsteten sichmehr 1860 VierhundertRecken. Der Königin hehr Lag sehr amHerzen die Rache für ihr Leid. Da wurdebald den Degen große Sorge bereit.

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Als sie ihr Gesinde wohlbewaffnet sah, 1861 Zu den schnellen Recken sprach die Königin da: "Nun harrt eineWeile: ihr sollt noch stille stehn. Ich willunter Krone hin zu meinen Feinden gehn. "Hört mich ihm verweisen, was mir hatgethan 1862 Hagen von Tronje, Gunthers Unterthan. Ich weiß ihn sogemuthet, er läugnets nimmermehr: Sowill ich auch nicht fragen, was ihmgeschehe nachher." Da sah der Fiedelspieler, ein kühnerSpielmann, 1863 Die edleKönigstochter von der Stiege nahn, Dieaus dem Hause führte. Als er das ersah,Zu seinem Heergesellen sprach derkühne Volker da: "Nun schauet, Freund Hagen, wie siedorther naht, 1864 Die uns ohne

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Treue ins Land geladen hat. Ich sah miteiner Königin nie so manchen Mann DieSchwerter in den Händen also streitlustignahn. "Wißt ihr, Freund Hagen, daß sie euchabhold sind? 1865 So will ich euchrathen, daß ihr zu hüten sinnt Des Lebensund der Ehre; führwahr, das dünkt michgut: Soviel ich mag erkennen, ist ihnenzornig zu Muth. "Es sind auch Manche drunter vonBrüsten stark und breit: 1866 Werseines Lebens hüten will, der thu esbeizeit. Ich seh sie unter Seide die festenPanzer tragen. Was sie damit meinen, dashör ich Niemanden sagen." Da sprach im Zornmuthe Hagen derkühne Mann: 1867 "Ich weißwohl, das wird Alles wider mich gethan,

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Daß sie die lichten Waffen tragen an derHand; Von denen aber reit ich noch inder Burgunden Land. "Nun sagt mir, Freund Volker, denkt ihrmir beizustehn, 1868 Wenn mit mirstreiten wollen Die in Kriemhilds Lehn?Das laßt mich vernehmen, so lieb als icheuch sei. Ich steh euch mit Diensten immer wieder treulich bei." "Sicherlich, ich helf euch," so sprach daVolker. 1869 "Und säh ich unsentgegen mit seinem ganzen Heer DenKönig Etzel kommen, all meines LebensZeit Weich ich von eurer Seite aus Furchtnicht eines Fußes breit." "Nun lohn euch Gott vom Himmel, vieledler Volker! 1870 Wenn sie mitmir streiten, wes bedarf ich mehr? Da ihrmir helfen wollet, wie ich jetzt

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vernommen, So mögen diese Recken feinbehutsam näher kommen." "Stehn wir auf vom Sitze," sprach derFiedelmann, 1871 "Vor derKönigstochter, so sie nun kommt heran.Bieten wir die Ehre der edeln Königin!Das bringt uns auch beiden an eignenEhren Gewinn." "Nein! wenn ihr mich lieb habt," sprachdawider Hagen. 1872 "Es möchtendiese Degen mit dem Wahn sich tragen,Daß ich aus Furcht es thäte und dächtewegzugehn: Von dem Sitze mein ich vorihrer Keinem aufzustehn. "Daß wir es bleiben laßen, das ziemt unsganz allein. 1873 Soll ich dem Ehrebieten, der mir feind will sein? Nein, ichthu es nimmer, so lang ich leben soll: Inaller Welt, was kümmr ich mich um

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Kriemhildens Groll?" Der vermeßne Hagen legte über dieSchenkel hin 1874 Eine lichteWaffe, aus deren Knaufe schien Mithellem Glanz ein Jaspis, grüner noch alsGras. Wohl erkannte Kriemhild, daßSiegfried einst sie besaß. Als sie das Schwert erkannte, das schufihr große Noth. 1875 Der Griff warvon Golde, der Scheide Borte roth.Ermahnt war sie des Leides, zu weinenhub sie an; Ich glaube, Hagen hatt es auch eben darum gethan. Volker der kühne zog näher an die Bank 1876 Einen starkenFiedelbogen, mächtig und lang, Wie einSchwert geschaffen, scharf dazu undbreit. So saßen unerschrocken dieseRecken allbereit.

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Die kühnen Degen beide dauchten sichso hehr, 1877 Aus Furcht vorJemandem wollten sie nimmermehr VomSitz sich erheben. Ihnen schritt da vor denFuß Die edle Königstochter und botunfreundlichen Gruß. Sie sprach: "Nun sagt, Herr Hagen, werhat nach euch gesandt, 1878 Daß ihr zureiten wagtet her in dieses Land, Da ihrdoch wohl wustet, was ihr mir habtgethan? Wart ihr bei guten Sinnen, ihrdurftets euch nicht unterfahn." "Nach mir gesandt hat Niemand," spracher entgegen, 1879 "Her zu diesemLande lud man drei Degen, Die heißenmeine Herren: ich steh in ihrem Lehn; Beikeiner Hofreise pfleg ich daheim zubestehn."

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Sie sprach: "Nun sagt mir ferner, wasthatet ihr das, 1880 Daß ihr esverdientet, wenn ich euch trage Haß? Ihrerschlugt Siegfrieden, meinen liebenMann, Den ich bis an mein Ende nicht gutbeweinen kann." "Wozu der Rede weiter?" sprach er, "esist genug: 1881 Ich bin halt derHagen, der Siegfrieden schlug, Denbehenden Degen: wie schwer er dasentgalt, Daß die Frau Kriemhild dieschöne Brunhilde schalt! "Es wird auch nicht geläugnet, reicheKönigin, 1882 Daß ich an all demSchaden, dem schlimmen, schuldig bin.Nun räch es, wer da wolle, Weib oderMann. Ich müst es wahrlich lügen, ich habeuch viel zu Leid gethan." Sie sprach: "Da hört ihr, Recken, wie er

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die Schuld gesteht 1883 An all meinemLeide: wie's ihm deshalb ergeht, Darnachwill ich nicht fragen, ihr Etzeln unterthan."Die übermüthgen Degen blickten alleinander an. Wär da der Streit erhoben, so hätte mangesehn, 1884 Wie man den zweiGesellen müß Ehre zugestehn: Das hattensie in Stürmen oftmals dargethan. Wasjene sich vermeßen, das gieng aus Furchtnun nicht an. Da sprach der Recken Einer: "Was sehtihr mich an? 1885 Was ich zuvorgelobte, das wird nun nicht gethan. UmNiemands Gabe laß ich Leben gern undLeib. Uns will hier verleiten dem KönigEtzel sein Weib." Da sprach ein Andrer wieder: "So stehtauch mir der Muth. 1886 Wer mir

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Thürme gäbe von rothem Golde gut,Diesen Fiedelspieler wollt ich nichtbestehn Der schnellen Blicke wegen, dieich hab an ihm ersehn. "Auch kenn ich diesen Hagen von seinerJugendzeit: 1887 Drum weiß ichvon dem Recken selber wohl Bescheid. Inzweiundzwanzig Stürmen hab ich ihngesehn; Da ist mancher Frauen Herzeleidvon ihm geschehn. "Er und Der von Spanien traten manchenPfad, 1888 Da sie hier bei Etzeln thaten manche That Dem König zu Liebe. Das ist oft geschehn: Drum mag manHagen billig große Ehre zugestehn. "Damals war der Recke an Jahren nochein Kind, 1889 Da waren schondie Knaben wie jetzt kaum Greise sind.Nun kam er zu Sinnen und ist ein grimmer

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Mann; Auch trägt er Balmungen, den erübel gewann." Damit wars entschieden, Niemandsuchte Streit. 1890 Das war derKönigstochter im Herzen bitter leid. DieHelden giengen wieder; wohl scheutensie den Tod Von den Helden beiden: dasthat ihnen wahrlich Noth. Wie oft man verzagend Manchesunterläßt, 1891 Wo derFreund beim Freunde treulich steht undfest! Und hat er kluge Sinne, daß er nichtalso thut, Vor Schaden nimmt sich Mancher durch Besonnenheit in Hut. Da sprach der kühne Volker: "Da wirnun selber sahn, 1892 Daß wir hieFeinde finden, wie man uns kund gethan,So laß uns zu den Königen hin zu Hofegehn, So darf unsre Herren mit Kampfe

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Niemand bestehn." "Gut, ich will euch folgen," sprachHagen entgegen. 1893 Da giengenhin die Beiden, wo sie die zieren DegenNoch harrend des Empfanges auf demHofe sahn. Volker der kühne hub da lautzu reden an. Er sprach zu seinen Herren: "Wie langewollt ihr stehn 1894 Und euchdrängen laßen? ihr sollt zu Hofe gehnUnd von dem König hören, wie dergesonnen sei." Da sah man sich gesellen der kühnen Helden je zwei. Dietrich von Berne nahm da an die Hand 1895 Gunther den reichen von Burgundenland; Irnfried nahmGernoten, diesen kühnen Mann; Da giengmit seinem Schwäher Geiselher zu Hofheran.

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Wie bei diesem Zuge gesellt warJeglicher, 1896 Volker undHagen, die schieden sich nicht mehr Alsnoch in Einem Kampfe bis an ihren Tod.Das musten bald beweinen edle Fraun ingroßer Noth. Da sah man mit den Königen hin zu Hofeziehn 1897 Ihres edelnIngesindes tausend Degen kühn; Darübersechzig Recken waren mitgekommen:Die hatt aus seinem Lande der kühneHagen genommen. Hawart und Iring, zwei Degenauserkannt, 1898 Die giengenmit den Königen zu Hofe Hand in Hand;Dankwart und Wolfhart, ein theuerlicherDegen, Die sah man großer Hofzucht vorden übrigen pflegen.

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Als der Vogt vom Rheine in den Pallasgieng, 1899 Etzel der reiche das länger nicht verhieng: Er sprang vonseinem Sitze, als er ihn kommen sah. EinGruß, ein so recht schöner, nie mehr vonKöngen geschah. "Willkommen mir, Herr Gunther undauch Herr Gernot 1900 Und euerBruder Geiselher, die ich hieher entbotMit Gruß und treuem Dienste von Wormsüberrhein, Und eure Degen alle sollenmir willkommen sein. "Laßt euch auch Willkommen, ihrbeiden Recken, sagen, 1901 Volkerder kühne und dazu Herr Hagen, Mir undmeiner Frauen hier in diesem Land: Siehat euch manche Botschaft hin zumRheine gesandt." Da sprach von Tronje Hagen: "Das

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haben wir vernommen. 1902 Wär ichum meine Herren gen Heunland nichtgekommen, So wär ich euch zu Ehren geritten in das Land." Da nahm der edleKönig die lieben Gäste bei der Hand. Und führte sie zum Sitze hin, wo erselber saß. 1903 Da schenkteman den Gästen, fleißig that man das, Inweiten goldnen Schalen Meth, Moraß undWein Und hieß die fremden Degen höchlich willkommen sein. Da sprach König Etzel: "Das muß ichwohl gestehn, 1904 Mir könnt indiesen Zeiten nichts Lieberes geschehnAls durch euch, ihr Recken, daß ihrgekommen seid; Damit ist auch derKönigin benommen Kummer und Leid. "Mich nahm immer Wunder, was icheuch wohl gethan, 1905 Da ich der

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edeln Gäste so Manche doch gewann,Daß ihr nie zu reiten geruhtet in meinLand; Nun ich euch hier ersehen hab, istmirs zu Freuden gewandt." Da versetzte Rüdiger, ein Ritterhochgemuth: 1906 "Ihr mögt siegern empfahen, ihre Treue die ist gut:Der wißen meiner Frauen Brüder schönzu pflegen. Sie bringen euch zu Hause manchen waidlichen Degen." Am Sonnewendenabend waren siegekommen 1907 An EtzelsHof, des reichen. Noch selten wardvernommen, Daß ein König seine Gäste freundlicher empfieng; Darnach er zuTische wohlgemuth mit ihnen gieng. Ein Wirth bei seinen Gästen sich holdernie betrug. 1908 Zu trinken und zueßen bot man da genug: Was sie nur

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wünschen mochten, das wurde gerngewährt. Man hatte von den Helden vielgroße Wunder gehört. Der reiche Etzel hatte an ein Gebäudeweit 1909 Viel Fleiß und Mühgewendet und Kosten nicht gescheut:Man sah Pallas und Thürme, Gemächerohne Zahl In einer weiten Veste undeinen herrlichen Saal. Den hatt er bauen laßen lang, hoch undweit, 1910 Weil ihn so viel derRecken heimsuchten jederzeit. Auchander Ingesinde, zwölf reiche Könge hehrUnd viel der werthen Degen hatt er zuallen Zeiten mehr, Als je gewann ein König, von dem ichnoch vernahm. 1911 Er lebte so mitFreunden und Mannen wonnesam:Gedräng und frohen Zuruf hatte der

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König gut Von manchem schnellen Degen; drum stand wohl hoch ihm der Muth. * * * * *

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Dreißigstes Abenteuer. Wie Hagen und Volker Schildwachtstanden. Der Tag war nun zu Ende, es nahte sichdie Nacht. 1912 Den reisemüdenRecken war die Sorg erwacht, Wann sieruhen sollten und zu Bette gehn. ZurSprache bracht es Hagen: Bescheid istihnen geschehn. Zu dem Wirthe sprach da Gunther: "Gottlaß euchs wohlgedeihn: 1913 Wir wollenschlafen gehen, mag es mit Urlaub sein.Wenn ihr das gebietet, kommen wirmorgen fruh." Der Wirth entließ die Gaste wohlgemuth zu ihrer Ruh. Von allen Seiten drängen man die Gästesah. 1914 Volker der kühne

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sprach zu den Heunen da: "Wie dürft ihruns Recken so vor die Füße gehn? Undwollt ihr das nicht meiden, so wird euchübel geschehn. "So schlag ich Dem und Jenem soschweren Geigenschlag, 1915 Hat ereinen Treuen, daß ders beweinen mag.Nun weicht vor uns Recken, fürwahr,mich dünkt es gut: Es heißen Alle Degen und haben doch nicht gleichen Muth." Als in solchem Zorne sprach derFiedelmann, 1916 Hagen derkühne sich umzuschaun begann. Ersprach: "Euch räth zum Heile der kühneFiedeler. Geht zu den Herbergen, ihr inKriemhildens Heer. "Was ihr habt im Sinne, es fügt sich nichtdazu: 1917 Wollt ihr wasbeginnen, so kommt uns morgen fruh

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Und laßt uns Reisemüden heut in Friedenruhn. Ich glaube, niemals werden esHelden williger thun." Da brachte man die Gäste in einenweiten Saal, 1918 Zur Nachtruheingerichtet den Recken allzumal Mitköstlichen Betten, lang zumal und breit.Gern schuf ihnen Kriemhild dasallergrößeste Leid, Schmucker Decken sah man von Arrasda genug 1919 Aus lichthellemZeuge und manchen Ueberzug AusArabischer Seide, so gut sie mochtensein, Verbrämt mit goldnen Borten, diegaben herrlichen Schein. Viel Bettlaken fand man von Hermelingemacht 1920 Und vonschwarzem Zobel, worunter sie die NachtSich Ruhe schaffen sollten bis an den

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lichten Tag. Ein König mit dem Volke wohl nimmer herrlicher lag. "O weh des Nachtlagers!" sprachGeiselher das Kind, 1921 "Und wehmeiner Freunde, die mit uns kommensind. Wie gut es meine Schwester unsauch hier erbot, Wir gewinnen, fürcht ich,alle von ihrem Haße den Tod." "Nun laßt euer Sorgen," sprach Hagender Degen, 1922 "Ich will heunteselber der Schildwache pflegen Undgetrau euch zu behüten bis morgen anden Tag: Seit des ohne Sorge: soentrinne, wer da mag." Da neigten sich ihm Alle und sagten ihmDank. 1923 Sie giengen zu denBetten. Da währt' es nicht lang, Bis inRuhe lagen die Helden wohlgethan.Hagen der kühne sich da zu waffnen

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begann. Da sprach der Fiedelspieler, Volker derDegen: 1924 "Verschmäht ihrsnicht, Hagen, so will ich mit euch pflegenHeunt der Schildwache bis morgen anden Tag." Da dankte Volkeren der Degengütlich und sprach: "Nun lohn euch Gott vom Himmel, viellieber Volker! 1925 Zu allen meinenSorgen wünsch ich mir Niemand mehr Alsnur euch alleine, befahr ich irgend Noth.Ich will es wohl vergelten, es verwehr esdenn der Tod." Da kleideten die Beiden sich in ihr lichtGewand, 1926 Jedweder faßte den Schild an seine Hand, Sie giengen ausdem Hause vor die Thüre stehn Undhüteten der Gäste; das ist mit Treuengeschehn.

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Volker der schnelle lehnte von der Hand 1927 Seinen Schild den guten an des Saales Wand. Dann wandt er sichzurücke, wo seine Geige war, Und dienteseinen Freunden: es ziemt ihm alsofürwahr. Unter des Hauses Thüre setzt' er sich aufden Stein. 1928 KühnrerFiedelspieler mochte nimmer sein. Alsder Saiten Tönen ihm so hold erklang,Die stolzen Heimatlosen die sagtenVolkern den Dank. Da tönten seine Saiten, daß all das Hauserscholl; 1929 Seine Kraft und seinGeschicke die waren beide voll. Süßerund sanfter zu geigen hub er an: So spielt'er in den Schlummer gar manchensorgenden Mann.

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Da sie entschlafen waren und Volker dasbefand, 1930 Da nahm der Degenwieder den Schild an die Hand Und giengaus dem Hause vor die Thüre stehn, SeineFreunde zu behüten vor Denen inKriemhilds Lehn. Wohl der Nacht inmitten, wenn es erstda geschah, 1931 Volker derkühne einen Helm erglänzen sah Fernherdurch das Dunkel: Die Kriemhildunterthan, Hätten an den Gästen gerneSchaden gethan. Bevor diese Recken Kriemhild hattentsandt, 1932 Sie sprach:"Wenn ihr sie findet, so seid um Gottermahnt, Daß ihr Niemand tödtet als deneinen Mann, Den ungetreuen Hagen; dieAndern rühret nicht an." Da sprach der Fiedelspieler: "Nun seht,

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Freund Hagen, 1933 Uns ziemt, dieseSorge gemeinsam zu tragen. Gewaffnetvor dem Hause seh ich Leute stehn: Soviel ich mag erkennen, kommen sie unszu bestehn." "So schweigt," sprach da Hagen, "laßtsie erst näher her. 1934 Eh sie uns innewerden, wird ihrer Helme WehrZerschroten mit den Schwertern vonunser Beider Hand: Sie werdenKriemhilden übel wieder heimgesandt." Der Heunenrecken Einer das gar baldersah, 1935 Die Thüre seibehütet: wie schnell sprach er da: "Waswir im Sinne hatten, kann nun nichtgeschehn: Ich seh den Fiedelspieler vordem Hause Schildwacht stehn. "Er trägt auf dem Haupte einen Helmvon lichtem Glanz, 1936 Der ist hart

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und lauter, stark dazu und ganz. Auchloh'n die Panzerringe ihm, wie das Feuerthut. Daneben steht auch Hagen: dieGäste sind in guter Hut." Da wandten sie sich wieder. Als Volkerdas ersah, 1937 Zu seinemHeergesellen in Zorn sprach er da: "Nunlaßt mich von dem Hause zu den Reckengehn: So frag ich um die Märe Die inKriemhildens Lehn." "Nein, wenn ihr mich lieb habt," sprachHagen entgegen, 1938 "Kämt ihr ausdem Hause, diese schnellen DegenBrächten euch mit Schwertern leicht insolche Noth, Daß ich euch helfen müste, wärs aller meiner Freunde Tod. "Wenn wir dann Beide kämen in denStreit, 1939 So möchten ihrerzweie oder vier in kurzer Zeit Zu dem

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Hause springen und schüfen solche NothDrinnen an den Schlafenden, daß wirbereuten bis zum Tod." Da sprach wieder Volker: "So laßt es nurgeschehn, 1940 Daß sie innewerden, wir haben sie gesehn: So könnenuns nicht läugnen Die Kriemhildunterthan, Daß sie gerne treulos an denGästen hätten gethan." Da rief der Fiedelspieler den Heunenentgegen: 1941 "Wie geht ihr sobewaffnet, ihr behenden Degen? Wolltihr morden reiten, ihr Kriemhildunterthan? So nehmt mich zur Hülfe undmeinen Heergesellen an," Niemand gab ihm Antwort; zornig warsein Muth: 1942 "Pfui, feigeBösewichter," sprach der Degen gut, "ImSchlaf uns zu ermorden, schlicht ihr dazu

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heran? Das ward so guten Helden bishernoch selten gethan." Bald ward auch die Märe der Königinbekannt 1943 Vom Abzug ihrerBoten: wie schwer sie das empfand! Dafügte sie es anders; gar grimmig war ihrMuth. Da musten bald verderben viel derHelden kühn und gut. * * * * *

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Einunddreißigstes Abenteuer. Wie die Herren zur Kirche giengen. "Mir wird so kühl der Harnisch," sprachda Volker: 1944 "Die Nacht, wähnich, wolle nun nicht währen mehr. Ich fühles an den Lüften, es ist nicht weit vomTag." Da weckten sie gar Manchen, derda im Schlafe noch lag. Da schien der lichte Morgen den Gästenin den Saal. 1945 Hagen begann zufragen die Recken allzumal, Ob sie zumMünster wollten in die Messe heut. Nachchristlichen Sitten erscholl der GlockenGeläut. Der Gesang war ungleich; kein Wundermöcht es sein, 1946 Daß Christenmit Heiden nicht stimmten überein. Da

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wollten zu der Kirche Die in GunthersLehn: Man sah sie von den Betten allzumal da erstehn. Da schnürten sich die Recken in also gutGewand, 1947 Daß nie Heldenwieder in eines Königs Land BeßreKleider brachten. Hagen war es leid; Ersprach: "Ihr thätet beßer, ihr trügt hieranderlei Kleid. "Nun ist euch doch allen die Märe wohlbekannt: 1948 Drum statt derRosenkränze nehmt Waffen an die Hand;Statt wohlgesteinter Hüte die lichtenHelme gut, Da wir so wohl erkennen derargen Kriemhilde Muth. "Wir müßen heute streiten, das will icheuch sagen. 1949 Statt seidnerHemden sollt ihr Halsbergen tragen Undstatt der reichen Mäntel gute Schilde

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breit: zürnt mit euch Jemand, daß ihrwehrhaftig seid. "Meine lieben Herren, Freund undMannen mein, 1950 Tretet in dieKirche mit lauterm Herzen ein Und klagtGott dem reichen eure Sorg und Noth:Denn wißt unbezweifelt, es naht uns allender Tod. "Ihr sollt auch nicht vergeßen, was jevon euch geschah, 1951 Und fleht voreurem Gotte andächtig da. Laßt euch allewarnen, gute Recken hehr: Es wend esGott im Himmel, so hört ihr keine Messemehr," So giengen zu dem Münster die Fürstenund ihr Lehn. 1952 Auf demheiligen Friedhof, da hieß sie stille stehnHagen der kühne, damit man sie nichtschied. Er sprach: "Noch weiß ja Niemand,

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was von den Heunen geschieht. "Setzt, meine Freunde, die Schilde vorden Fuß 1953 Und lohnt es, beuteuch Jemand feindlichen Gruß, Mit tiefenTodeswunden: das ist, was euch Hagenräth. So werdet ihr befunden, wie's eucham löblichsten steht." Volker und Hagen die beiden stellten da 1954 Sich vor das weiteMünster: was darum geschah, Siewolltens dazu bringen, daß sich dieKönigin Mit ihnen drängen müße; wohlwar gar grimmig ihr Sinn. Da kam der Wirth des Landes und auchsein schönes Weib; 1955 Mit reichemGewände war ihr geziert der Leib Undmanchem schnellen Degen, der im Geleitihr war. Da flog der Staub zur Höhe vorder Königin Schar,

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Als der reiche König so gewaffnet sah 1956 Die Fürsten und ihrIngesind, wie bald sprach er da: "Wasseh ich meine Freunde unter Helmengehn? Leid war mir meiner Treue, wärihnen Leid hier geschehn. "Das wollt ich ihnen büßen, wie sie esdäuchte gut. 1957 Wenn ihnen werbeschwerte das Herz und den Muth, Solaß ich sie wohl schauen, es sei mirwahrlich leid: Was sie gebieten mögen, dazu bin ich gern bereit." Zur Antwort gab ihm Hagen: "Uns istkein Leid geschehn. 1958 Es ist derHerren Sitte, daß sie gewaffnet gehn Beiallen Gastgeboten zu dreien vollenTagen. Was uns hier geschähe, wirwürden es Etzeln klagen."

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Wohl vernahm die Königin Hagens Rededa. 1959 Wie feindlich siedem Degen unter die Augen sah! Siewollte doch nicht melden den Brauch inihrem Land, Wie lang bei den Burgunden sie den auch hatte gekannt. Wie grimm und stark die Königin ihnenabhold wäre, 1960 Hätte JemandEtzeln gesagt die rechte Märe, Er hätt eswohl gewendet, was nun doch geschah:In ihrem hohen Uebermuth verschwiegensie es Alle da. Da schritt mit vielem Volke Kriemhildzur Kirchenthür: 1961 Doch wolltendiese Beiden weichen nicht vor ihrZweier Hände Breite: das war denHeunen leid. Da muste sie sich drängen mit den Helden allbereit. Etzels Kämmerlinge die dauchte das

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nicht gut: 1962 Wohl hätten sieden Recken gern erzürnt den Muth, Wennsie es wagen dürften vor dem König hehr.Da gab es groß Gedränge und dochnichts anderes mehr. Als nach dem Gottesdienste man auf denHeimweg sann, 1963 Da kam hochzu Rosse mancher Heunenmann. Auchwar bei Kriemhilden manche schöneMaid; Wohl Siebentausend zählte derKönigin Heergeleit. Kriemhild mit ihren Frauen in denFenstern saß 1964 Bei Etzelndem reichen; gerne sah er das. Siewollten reiten sehen die Heldenauserkannt: Hei! was man fremder Recken vor ihnen auf dem Hofe fand! Nun war auch mit den Rossen derMarschall gekommen. 1965 Der

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kühne Dankwart hatte mit sichgenommen Der Herren Ingesinde vonBurgundenland: Die Rosse wohlgesattelt man den kühnen Niblungen fand. Als zu Rossen kamen die Fürsten und ihrHerr, 1966 Da begann zu rathen der kühne Volker, Sie sollten buhurdieren nach ihres Landes Sitten. Da wurde vonden Helden bald gar herrlich geritten. Was der Held gerathen, Niemandenwohl verdroß; 1967 Der Buhurdund der Waffenklang wurden beide groß.In dem weiten Hofe kam da mancherMann; Etzel mit Kriemhild es selbst zuschauen begann. Auf den Buhurd kamen sechshundertDegen. 1968 DietrichensRecken, den Gästen entgegen. Mit denBurgunden wollten sie sich im Spiel

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ergehn; Wollt es ihr Herr vergönnen, sowär es gerne geschehn. Hei! Was gute Recken ritten da heran! 1969 Dietrich dem Helden ward es kund gethan. Mit GunthersIngesinde das Spiel er verbot; Er schonteseiner Leute: das that ihm sicherlich Noth. Als Dietrichs Gefolge so vermied denStreit, 1970 Da kamen vonBechlaren Rüdigers Geleit, Fünfhundertunter Schilden, vor den Saal geritten.Leid wars dem Markgrafen: er hätt esgern nicht gelitten. Er kam zu ihnen eilends gedrungendurch die Schar 1971 Und sagteseinen Mannen: sie würden selbstgewahr, Daß im Unmuth wären DieGunthern unterthan: Wenn sie dasKampfspiel ließen, so wär ihm Liebes

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gethan. Als von ihnen schieden die Heldenallbereit, 1972 Da kamen dievon Thüringen, hörten wir Bescheid, Undvom Dänenlande der Kühnen tausendMann. Von Stichen sah man fliegen vielder Splitter hoch hinan. Irnfried und Hawart ritten zum Buhurdhin; 1973 Ihrer harrten Dievom Rheine mit hochfährtgem Sinn ZumLanzenspiel mit Denen vomThüringerland: Durchbohrt von Stichenwurde mancher schöne Schildesrand. Da kam der Degen Blödel, dreitausendin der Schar. 1974 Etzel undKriemhild nahmen sein wohl war, Da vorihnen Beiden das Ritterspiel geschah. DieKönigin es gerne aus Haß der Burgundensah.

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Sie gedacht in ihrem Sinne, schier wärsauch so geschehn: 1975 "Und thätensie wem Leides, so dürft ich michversehn, Daß es zum Ernste käme: an denFeinden mein Würd ich dann gerochen; des wollt ich ohne Sorge sein." Schrutan und Gibeke ritten zum Buhurdauch, 1976 Hornbog undRamung, nach heunischem Gebrauch. Siehielten vor den Helden ausBurgundenland: Die Schäfte flogenwirbelnd über des Königssaales Wand. Wie sie da Alle ritten, das war doch eitelSchall. 1977 Von Stößen auf dieSchilde das Haus und den Saal Hörte manertosen durch manchen Gunthers-Mann.Das Lob sich sein Gesinde mit großenEhren gewann.

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Da ward ihre Kurzweil so stark und sogroß, 1978 Daß denSatteldecken der blanke Schweiß entfloßVon den guten Rossen, so die Heldenritten. Sie versuchten an den Heunen sichmit hochfährtgen Sitten. Da sprach der kühne Volker, der edleSpielmann: 1979 "Zu feig sinddiese Degen, sie greifen uns nicht an. Ichhörte immer sagen, daß sie uns abholdsein: Nun könnte die Gelegenheit ihnendoch nicht günstger sein." "Zu den Ställen wieder," sprach derKönig hehr, 1980 "Ziehe man dieRosse; wir reiten wohl noch mehr In denAbendstunden, wenn die Zeit erschien.Ob dann den Burgunden den Preis wohlgiebt die Königin?" Da sahn sie Einen reiten so stattlich

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daher, 1981 Es thats von allenHeunen kein Anderer mehr. Er hatt in denFenstern wohl ein Liebchen traut: Er rittso wohl gekleidet als eines werthenRitters Braut. Da sprach wieder Volker: "Wie blieb' esungethan? 1982 JenerWeiberliebling muß einen Stoß empfahn.Das mag hier Niemand wenden, es gehtihm an den Leib: Nicht frag ich, ob drumzürne dem König Etzel sein Weib." "Nicht doch," sprach der König, "wennichs erbitten kann: 1983 Es scheltenuns die Leute, greifen wir sie an: DieHeunen laßt beginnen; es kommt wohlbald dahin." Noch saß König Etzel amFester bei der Königin. "Ich will das Kampfspiel mehren," sprach Hagen jedoch: 1984 "Laßt

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diese Frauen und die Degen noch Sehn,wie wir reiten können: das istwohlgethan; Man läßt des Lobs dochwenig die Recken Gunthers empfahn." Volker der schnelle ritt wieder in denStreit. 1985 Das schuf da viel derFrauen großes Herzeleid. Er stach demreichen Heunen den Sper durch den Leib:Das sah man noch beweinen mancheMaid und manches Weib. Alsbald rückt' auch Hagen mit seinenHelden an: 1986 Mit sechzigseiner Degen zu reiten er begann Dahin,wo von dem Fiedler das Spiel wargeschehn. Etzel und Kriemhild konntenAlles deutlich sehn. Da wollten auch die Könige den kühnenFiedler gut 1987 Unter denFeinden nicht laßen ohne Hut. Da ward

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von tausend Helden mit großer Kunstgeritten. Sie thaten, was sie lüstete, mitgar hochfährtgen Sitten. Als der reiche Heune zu Tode wargeschlagen, 1988 Man hörteseiner Freunde Wehruf und Klagen. Alldas Gesinde fragte: "Wer hat dasgethan?" "Das hat gethan der Fiedler, Volker der kühne Spielmann." Nach Schwertern und Schilden riefengleich zur Hand 1989 DesMarkgrafen Freunde von der HeunenLand: Zu Tode schlagen wollten sie denFiedelmann. Der Wirth von seinem Fenster daher zu eilen begann. Da hob sich von den Heunen allenthalben Schall. 1990Abstiegen mit dem Volke die Könge vordem Saal; Zurück die Rosse stießen Die

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Gunthern unterthan. Da kam der KönigEtzel den Streit zu schlichten heran. Einem Vetter dieses Heunen, den er dabei ihm fand, 1991 Eine scharfeWaffe brach er ihm aus der Hand Undschlug sie all zurücke: er war in großemZorn. "Wie hätt ich meine Dienste andiesen Helden verlorn! "Wenn ihr diesen Spielmann hättet drumerschlagen, 1992 Ich ließ' euch allehängen! das will ich euch sagen. Als ererstach den Heunen, sein Reiten wohl ichsah, Daß es wider seinen Willen nurdurch Straucheln geschah. "Ihr sollt meine Gäste mit Frieden laßenziehn." 1993 So ward er ihrGeleite. Die Rosse zog man hin Zu denHerbergen. Sie hatten manchen Knecht,Der ihnen war zu Diensten mit allem

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Fleiße gerecht. Der Wirth mit seinen Freunden giengzum Saal zurück: 1994 Da regte sichkein Zürnen mehr vor seinem Blick. Manrichtete die Tische, das Wasser man auchtrug. Da hatten Die vom Rheine derstarken Feinde genug. Unlieb war es Etzeln, doch folgtemanche Schar 1995 Den Fürsten,die mit Waffen wohl versehen war, ImUnmuth auf die Gäste, als man zu Tischegieng, Den Freund bedacht zu rächen, wenn es günstge Zeit verhieng. "Daß ihr in Waffen lieber zu Tische gehtals bloß," 1996 Sprach der Wirthdes Landes, "die Unart ist zu groß; Weraber an den Gästen den kleinsten Frevelwagt, Der büßt es mit dem Haupte: dassei euch Heunen gesagt."

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Bevor da niedersaßen die Herren, daswährte lang, 1997 Weil zu sehr mitSorgen jetzt Frau Kriemhild rang. Siesprach: "Fürst von Berne, heute muß ichflehn Zu dir um Rath und Hülfe: meineSachen ängstlich stehn." Zur Antwort gab ihr Hildebrand, eineRecke tugendlich: 1998 "Wer schlägtdie Nibelungen, der thut es ohne mich,Wie viel man Schätze böte; es wird ihmwahrlich leid. Sie sind noch unbezwungen, die schnellen Ritter allbereit." "Es geht mir nur um Hagen, der hat mirLeid gethan, 1999 Der Siegfriedenmordete, meinen lieben Mann. Wer denvon ihnen schiede, dem wär mein Goldbereit: Entgält es anders Jemand, das wärmir inniglich leid."

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Da sprach Meister Hildebrand: "Wiemöchte das geschehn, 2000 Denihnen zu erschlagen? Ihr solltet selbersehn: Bestünde man den Degen, leichtgäb es eine Noth, Daß Arme so wie Reiche dabei erlägen im Tod." Da sprach dazu Herr Dietrich mitzuchtreichem Sinn: 2001 "Die Redelaßt bleiben, reiche Königin; Mir ist voneuern Freunden kein solches Leidgeschehn, Daß ich sollt im Streite diekühnen Degen bestehn. "Die Bitte ehrt euch wenig, edelKönigsweib, 2002 Daß ihr denFreunden rathet an Leben und an Leib.Sie kamen euch auf Gnade hieher indieses Land; Siegfried bleibt ungerochen wohl von Dietrichens Hand." Als sie keine Untreu bei dem Berner

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fand, 2003 Alsobald gelobtesie Blödeln in die Hand Eine weiteLandschaft, die Nudung einst besaß;Hernach erschlug ihn Dankwart, daß erder Gabe gar vergaß. Sie sprach: "Du sollst mir helfen, BruderBlödelein. 2004 Hier in diesemHause sind die Feinde mein, DieSiegfrieden schlugen, meinen liebenMann: Wer mir das rächen hülfe, demwar ich immer unterthan." Zur Antwort gab ihr Blödel, der ihr zurSeite saß: 2005 "Ich darf euernFreunden nicht zeigen solchen Haß, Weilsie mein Bruder Etzel so gerne leidenmag: Wenn ich sie bestünde, der Königsäh es mir nicht nach." "Nicht also, Herr Blödel, ich bin dirimmer hold: 2006 Ich gebe dir zum

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Lohne mein Silber und mein Gold Undeine schöne Witwe, Nudungens Weib: Somagst du immer kosen ihrenminniglichen Leib. "Das Land zu den Burgen, Alles geb ichdir, 2007 So lebst du, theurerRitter, in Freuden stäts mit ihr, Wenn dudie Mark gewinnest, die Nudung einstbesaß. Was ich dir hier gelobe, mitTreuen leist ich dir das." Als Blödel bieten hörte des Lohnes alsoviel 2008 Und ihrer Schönewillen die Frau ihm wohlgefiel, Im Kampfverdienen wollt er das minnigliche Weib.Da muste dieser Recke verlieren Lebenund Leib. Er sprach zu der Königin: "Geht wiederin den Saal. 2009 Eh man es innewerde, erheb ich großen Schall. Hagen

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muß es büßen, was er euch hat gethan:Ich bring euch gebunden König GunthersUnterthan." "Nun waffnet euch," sprach Blödel, "ihrall in meinem Lehn, 2010 Wir wollen zuden Feinden in die Herberge gehn. Mirwill es nicht erlaßen König Etzels Weib:Wir Helden müßen alle verwagen Lebenund Leib." Als den Degen Blödel entließ dieKönigin, 2011 Daß er denStreit begänne, zu Tische gieng sie hinMit Etzeln dem Könige und manchemUnterthan. Sie hatte schlimme Räthe wider die Gäste gethan. Wie sie zu Tische giengen, das will icheuch sagen: 2012 Man sah reicheKönige die Krone vor ihr tragen;Manchen hohen Fürsten und viel der

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werthen Degen Sah man großer Demuth vor der Königin pflegen. Der König wies den Gästen die Sitzeüberall, 2013 Den Höchsten undden Besten neben sich im Saal. DenChristen und den Heiden die Kost erunterschied; Man gab die Fülle beiden, wie es der weise König rieth. In der Herberge aß ihr Ingesind: 2014 Von Truchsäßen ward es da allein bedient; Die hatten es zu speisen großen Fleiß gepflogen. Die Bewirtungund die Freude ward bald mit Jammeraufgewogen. Da nicht anders konnte erhoben sein derStreit, 2015 Kriemhilden lag imHerzen begraben altes Leid, Da ließ siezu den Tischen tragen Etzels Sohn: Wiekönnt ein Weib aus Rache wohl

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entsetzlicher thun? Da kamen vier gegangen aus EtzelsIngesind 2016 Und brachtenOrtlieben, das junge Königskind, DenFürsten an die Tafel, wo auch Hagen saß.Das Kind must ersterben durch seinenmordlichen Haß. Als der reiche König seinen Sohn ersah, 2017 Zu seiner FrauenBrüdern gütlich sprach er da: "Nunschaut, meine Freunde, das ist meineinzig Kind Und das eurer Schwester, vondem ihr Frommen einst gewinnt. "Geräth er nach dem Stamme, er wirdein starker Mann, 2018 Reich dazuund edel, kühn und wohlgethan. Erleb iches, ich geb ihm zwölf reicher Könge Land:So thut euch wohl noch Dienste desjungen Ortliebens Hand.

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"Darum bät ich gerne euch, liebenFreunde mein, 2019 Wenn ihrheimwärts reitet wieder an den Rhein,Daß ihr dann mit euch nehmet eurerSchwester Kind; Und seid auch demKnaben immer gnädig gesinnt. "Erzieht ihn nach Ehren, bis er geräthzum Mann: 2020 Hat euch in denLanden Jemand ein Leid gethan, So hilfter euch es rächen, erwuchs ihm erst derLeib." Die Rede hörte Kriemhild mit an,König Etzels Weib. "Ihm sollten wohl vertrauen alle dieseDegen, 2021 Wenn er zum Mannerwüchse," sprach Hagen entgegen;"Doch ist der junge König so schwächlichanzusehn: Man soll mich selten schauen nach Hof zu Ortlieben gehn."

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Der König blickt' auf Hagen; die Redewar ihm leid. 2022 Wenn er auchnichts erwiederte, der König allbereit, Esbetrübt' ihn in der Seele und beschwert'ihm den Muth. Da waren Hagens Sinne zukeiner Kurzweile gut. Es schmerzte wie den König seinfürstlich Ingesind, 2023 Was Hagenda gesprochen hatte von dem Kind. Daßsie's vertragen sollten, gieng ihnen allennah; Noch konnten sie nicht wißen, wasvon dem Recken bald geschah. Gar Manche, die es hörten und ihmtrugen Groll, 2024 Hätten ihngern bestanden; der König selber wohl,Wenn er mit Ehren dürfte: so käm derHeld in Noth. Bald that ihm HagenAergeres, er schlug ihn ihm vor Augentodt.

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* * * * *

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Zweiunddreißigstes Abenteuer. Wie Blödel mit Dankwart in der HerbergeStritt. Blödels Recken standen gerüstetallzumal. 2025 In tausendHalsbergen erreichten sie den Saal, WoDankwart mit den Knechten an denTischen saß. Da hob sich unter Helden der allergrimmigste Haß. Als der Degen Blödel vor die Tischegieng, 2026 Dankwart derMarschall ihn freundlich empfieng:"Willkommen hier im Hause, mein HerrBlödelein: Mich wundert euer Kommen: sagt, was soll die Märe sein?" "Du brauchst mich nicht zu grüßen," sprach da Blödelein, 2027 "Denn

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dieses mein Kommen muß dein Ende seinUm Hagen deinen Bruder, derSiegfrieden schlug. Des entgiltst du beiden Heunen und andre Helden genug." "Nicht doch, mein Herr Blödel," sprachda Dankwart, 2028 "So möchte sehruns reuen zu Hofe diese Fahrt. Ich war einKind, als Siegfried Leben ließ und Leib:Nicht weiß ich, was mir wolle dem KönigEtzel sein Weib." "Ich weiß dir von der Märe nicht mehrzu sagen; 2029 Es thatens deineFreunde, Gunther und Hagen. Nun wehrteuch, ihr Armen, ihr könnt nicht längerleben, Ihr müßt mit dem Tode hier einPfand Kriemhilden geben." "Wollt ihrs nicht laßen?" sprach daDankwart, 2030 "So gereut michmeines Flehens: hätt ich das gespart!"

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Der schnelle kühne Degen von demTische sprang, Eine scharfe Waffe zog er, die war gewaltig und lang. Damit schlug er Blödeln einenschwinden Schwertesschlag, 2031 Daßihm das Haupt im Helme vor den Füßenlag. "Das sei die Morgengabe," sprachder schnelle Degen, "Zu NudungensWitwe, die du mit Minne solltest pflegen. "Vermähle man sie morgen einemandern Mann: 2032 Will er denBrautschatz, wird ihm wie dir gethan." Eingetreuer Heune hatt ihm dashinterbracht, Wie die Königstochter aufihr Verderben gedacht. Da sahen Blödels Mannen, ihr Herr seierschlagen; 2033 Das wollten sieden Gästen länger nicht vertragen. Mitaufgehobnen Schwertern auf die

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Knappen ein Drangen sie mit Ingrimm: das muste Manchen gereun. Laut rief da Dankwart all die Knappenan: 2034 "Ihr seht wohl, edleKnechte, es ist um uns gethan, Nun wehrteuch, ihr Armen, wie euch zwingt dieNoth, Daß ihr ohen Schanden erliegt inwehrlichem Tod." Die nicht Schwerter hatten, die griffenvor die Bank, 2035 Vom Bodenaufzuheben manchen Schemel lang. DieBurgundenknechte wollten nichtsvertragen: Mit schweren Stühlen sah man starker Beulen viel geschlagen. Wie grimm die armen Knappen sichwehrten in dem Strauß! 2036 Sietrieben zu dem Hause die Gewaffnetenhinaus: Fünfhundert oder drüber erlagendrin dem Tod. Da war das Ingesinde vom

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Blute naß und auch roth. Diese schwere Botschaft drang in kurzerZeit 2037 Zu König EtzelsRecken: ihnen wars grimmig leid, Daßmit seinen Mannen Blödel den Todgewann; Das hatte Hagens Bruder mit denKnechten gethan. Eh es vernahm der König, stand schonein Heunenheer 2038 In hohemZorn gerüstet, zweitausend oder mehr.Sie giengen zu den Knechten, es mustenun so sein, Und ließen des Gesindes darin nicht Einen gedeihn. Die Ungetreuen brachten vors Haus einmächtig Heer. 2039 Die landlosenKnechte standen wohl zu Wehr. Was halfda Kraft und Kühnheit? sie fanden dochden Tod. Darnach in kurzer Weile hobsich noch grimmere Noth.

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Nun mögt ihr Wunder hören undUngeheures sagen: 2040Neuntausend Knechte lagen todtgeschlagen, Darüber zwölf Ritter inDankwartens Lehn. Man sah ihnweltalleine noch bei seinen Feindenstehn. Der Lärm war beschwichtigt, das Toseneingestellt. 2041 Ueber die Achselblickte Dankwart der Held: Er sprach: "Oweh der Freunde, die ich fallen sah! Nunsteh ich leider einsam unter meinenFeinden da." Die Schwerter fielen heftig auf des EinenLeib: 2042 Das muste baldbeweinen manches Helden Weib. DenSchild rückt' er höher, der Riemen wardgesenkt: Mit rothem Blute sah man nochmanchen Harnisch getränkt.

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"O weh mir dieses Leides!" sprachAldrianens Kind. 2043 "Nun weicht,Heunenrecken, und laßt mich an denWind, Daß die Lüfte kühlen michsturmmüden Mann." Da drang er auf dieThüre unter Schlägen herrlich an. Als der Streitmüde aus dem Hausesprang, 2044 Wie manchesSchwert von Neuem auf seinem Helmerklang! Die nicht gesehen hatten dieWunder seiner Hand, Die sprangen daentgegen dem aus Burgundenland. "Nun wollte Gott," sprach Dankwart, "daß mir ein Bote käm, 2045 Durch denmein Bruder Hagen Kunde vernähm, Daßich vor diesen Recken steh in solcherNoth. Der hülfe mir von hinnen oderfände selbst den Tod."

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Da sprachen Heunenrecken: "Der Botemust Du sein, 2046 Wenn wir todtdich tragen vor den Bruder dein. Dannsieht erst sein Herzeleid GunthersUnterthan. Du hast dem König Etzel hiergroßen Schaden gethan." Er sprach: "Nun laßt das Dräuen undweicht zurück von mir, 2047 Sonst netzich noch Manchem mit Blut den Harnischhier. Ich will die Märe selber hin zu Hofetragen Und will meinen Herren meinengroßen Kummer klagen." Er verleidete so sehr sich dem Volk inEtzels Lehn, 2048 Daß sie ihn mitSchwertern nicht wagten zu bestehn: Daschoßen sie der Spere so viel ihm in denRand, Er must ihn seiner Schwere wegenlaßen aus der Hand. Sie wähnten ihn zu zwingen, weil er den

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Schild nicht trug; 2049 Hei, was er tieferWunden durch die Helme schlug! Damuste vor ihm Straucheln mancher kühneMann, Daß sich viel Lob und Ehre derkühne Dankwart gewann. Von beiden Seiten sprangen die Gegnerauf ihn zu. 2050 Wohl kam ihrerMancher in den Kampf zu fruh. Da gienger vor den Feinden, wie ein EberschweinIm Walde thut vor Hunden: wie möcht erwohl kühner sein? Sein Weg war stäts aufs Neue genetzt mitheißem Blut. 2051 Wie konnte je einRecke allein wohl so gut Mit so vielFeinden streiten, als hier von ihmgeschehn? Man sah Hagens Bruder herrlich hin zu Hofe gehn. Truchsäßen und Schenken vernahmenSchwerterklang: 2052 Gar

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mancher die Getränke aus den Händenschwang Oder auch die Speisen, die manzu Hofe trug. Da fand er vor der Stiege noch starker Feinde genug. "Wie nun, ihr Truchsäßen?" sprach dermüde Degen, 2053 "Nun solltet ihrdie Gäste gütlich verpflegen Und solltetden Herren die edle Speise tragen Undließet mich die Märe meinen liebenHerren sagen." Wer da den Muth gewonnen und vor dieStieg ihm sprang, 2054 Deren schluger etlichen so schwerenSchwertesschwang, Daß ihm aus Schreckdie Andern ließen freie Bahn. Da hattenseine Kräfte viel große Wunder gethan. * * * * *

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Dreiunddreißigstes Abenteuer. Wie Dankwart die Märe seinen Herrenbrachte. Als der kühne Dankwart unter die Thüretrat 2055 Und Etzels Ingesinde zurückzuweichen bat, Mit Blut warberonnen all sein Gewand; Eine scharfeWaffe trug er bloß an seiner Hand. Gerade in der Stunde, als Dankwart tratzur Thür, 2056 Trug man Ortlieben im Saale für und für Von einem Tisch zumandern den Fürsten wohlgeboren: Durchseine schlimme Botschaft gieng dasKindlein verloren. Hellauf rief da Dankwart einem Degenzu: 2057 "Ihr sitzt, BruderHagen, hier zu lang in Ruh. Euch und Gott

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vom Himmel klag ich unsre Noth: Ritterund Knechte sind in der Herberge todt." Der rief ihn hin entgegen: "Wer hat dasgethan?" 2058 "Das that derDegen Blödel und Die ihm unterthan.Auch hat ers schwer entgolten, das willich euch sagen: Mit diesen Händen hab ich ihm sein Haupt abgeschlagen." "Das ist ein kleiner Schade," sprachHagen unverzagt, 2059 "Wenn mansolche Märe von einem Degen sagt, Daßer von Heldenhänden zu Tode seigeschlagen: Den sollen desto minder dieschönen Frauen beklagen. "Nun sagt mir, lieber Bruder, wie seidihr so roth? 2060 Ich glaube gar, ihrleidet von Wunden große Noth. Ist derwo hier im Lande, von dem das istgeschehn? Der üble Teufel helf ihm denn:

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sonst muß es ihm ans Leben gehn." "Ihr seht mich unverwundet: mein Kleidist naß von Blut. 2061 Das floß nur ausWunden andrer Degen gut, Deren ich soManchen heute hab erschlagen, Wennichs beschwören sollte, ich wüste nichtdie Zahl zu sagen." Da sprach er: "Bruder Dankwart, so hütetuns die Thür 2062 Und laßt von denHeunen nicht Einen Mann herfür. So redich mit den Recken, wie uns zwingt dieNoth: Unser Ingesinde liegt ohne Schuldvon ihnen todt." "Soll ich Kämmrer werden?" sprach derkühne Mann, 2063 "Bei so reichenKönigen steht mir das Amt wohl an: DerStiege will ich hüten nach allen Ehrenmein." Kriemhildens Recken konnte dasnicht leider sein.

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"Nun nimmt mich doch Wunder," sprachwieder Hagen, 2064 "Was sich dieHeunen hier in die Ohren sagen: Siemöchten sein entbehren, der dort dieThür bewacht Und der die Hofmären denBurgunden hat gebracht. "Ich hörte schon lange von Kriemhildensagen, 2065 Daß sie nichtungerochen ihr Herzleid wolle tragen.Nun trinken wir die Minne und zahlenEtzels Wein: Der junge Vogt der Heunen muß hier der allererste sein." Ortlieb das Kind erschlug da Hagen derDegen gut, 2066 Daß vomSchwerte nieder zur Hand ihm floß dasBlut Und das Haupt herabsprang derKöngin in den Schoß. Da hob sich unterDegen ein Morden grimmig und groß.

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Darauf dem Hofmeister der des Kindespflag, 2067 Mit beiden Händenschlug er einen schnellen Schlag, Daßvor des Tisches Füße das Haupt ihmniederflog: Es war ein jämmerlicher Lohn, den er dem Hofmeister wog. Er sah vor Etzels Tische einenSpielmann: 2068 Hagen inseinem Zorne lief zu ihm heran. Er schlugihm auf der Geigen herab die rechteHand. "Das habe für die Botschaft in derBurgunden Land." "Ach meine Hand," sprach Werbel, Etzels Spielmann: 2069 "HerrHagen von Tronje, was hatt ich euchgethan? Ich kam in großer Treue in eurerHerren Land: Wie kläng ich nun die Töne, da ich verlor meine Hand?" Hagen fragte wenig, und geigt' er

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nimmermehr. 2070 Da kühlt' erin dem Hause die grimme Mordlust sehrAn König Etzels Recken, deren er vielerschlug: Er bracht in dem Saale zu Todder Recken genug. Volker sein Geselle von dem Tischesprang, 2071 Daß laut derFiedelbogen ihm an der Hand erklang.Ungefüge siedelte Gunthers Fiedelmann:Hei! was er sich zu Feinden der kühnenHeunen gewann! Auch sprangen von den Tischen die dreiKönge hehr. 2072 Sie wolltensgerne schlichten, eh Schadens würdemehr. Doch strebten ihre Kräfte umsonstdawider an, Da Volker mit Hagen so sehrzu wüten begann. Nun sah der Vogt vom Rheine, erscheide nicht den Streit: 2073 Da

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schlug der König selber manche Wundeweit Durch die lichten Panzer den argenFeinden sein. Der Held war behende, daszeigte hier der Augenschein. Da kam auch zu dem Streite der starkeGernot: 2074 Wohl schlug erden Heunen manchen Helden todt Mitdem scharfen Schwerte, das Rüdeger ihmgab: Damit bracht er Manche von EtzelsRecken ins Grab. Der jüngste Sohn Frau Utens auch zudem Streite sprang: 2075 SeinGewaffen herrlich durch die Helme drangKönig Etzels Recken aus der HeunenLand; Da that viel große Wunder deskühnen Geiselher Hand. Wie tapfer alle waren, die Könge wie ihrLehn, 2076 Jedennoch sah manVolkern voran all Andern stehn Bei den

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starken Feinden; er war ein Degen gut: Erförderte mit Wunden Manchen nieder indas Blut. Auch wehrten sich gewaltig Die in EtzelsLehn. 2077 Die Gäste sah manhauend auf und nieder gehn Mit denlichten Schwertern durch des Königs Saal.Allenthalben hörte man von Wehrufgrößlichen Schall. Da wollten die da draußen zu ihrenFreunden drin: 2078 Sie fanden ander Thüre gar wenig Gewinn; Da wolltendie da drinnen gerne vor den Saal:Dankwart ließ keinen die Stieg empornoch zu Thal. So hob sich vor den Thüren einungestümer Drang 2079 Und vonden Schwerthieben auf Helme lauterKlang. Da kam der kühne Dankwart in

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eine große Noth: Das berieth sein Bruder, wie ihm die Treue gebot. Da rief mit lauter Stimme Hagen Volkernan: 2080 "Seht ihr dort, Geselle, vor manchem Heunenmann MeinenBruder stehen unter starken Schlägen?Schützt mir, Freund, den Bruder, eh wirverlieren den Degen." Der Spielmann entgegnete: "Das sollalsbald geschehn." 2081 Dannbegann er fiedelnd durch den Saal zugehn: Ein hartes Schwert ihm öfters ander Hand erklang. Vom Rhein die Reckensagten dafür ihm größlichen Dank. Volker der kühne zu Dankwartensprach: 2082 "Ihr habterlitten heute großes Ungemach. Michbat euer Bruder, ich sollt euch helfengehn; Wollt ihr nun draußen bleiben, so

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will ich innerhalben stehn." Dankwart der schnelle stand außerhalbder Thür: 2083 So wehrt' er vonder Stiege, wer immer trat dafür. Manhörte Waffen hallen den Helden an derHand; So that auch innerhalben Volkervon Burgundenland. Da rief der kühne Fiedelmann über dieMenge laut: 2084 "Das Haus istwohl verschlossen, ihr, Freund Hagen,schaut Verschränkt ist so völlig KönigEtzels Thür, Von zweier Helden Händen gehn ihr wohl tausend Riegel für." Als von Tronje Hagen die Thüre sah inHut, 2085 Den Schild warfzurücke der schnelle Degen gut: Nunbegann er erst zu rächen seiner FreundeLeid. Seines Zornes must entgelten mancher Ritter kühn im Streit.

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Als der Vogt von Berne das Wunderrecht ersah, 2086 Wie der starkeHagen die Helme brach allda, Der Fürstder Amelungen sprang auf eine Bank. Ersprach: "Hier schenkt Hagen denallebittersten Trank." Der Wirth war sehr in Sorgen, sein Weibin gleicher Noth. 2087 Was schlug manlieber Freunde ihm vor den Augen todt!Er selbst war kaum geborgen vor seinerFeinde Schar. Er saß in großen Aengsten: was half ihm, daß er König war? Kriemhild die reiche rief Dietrichen an: 2088 "Hilf mir mit dem Leben, edler Held, hindann, Bei aller FürstenTugend aus Amelungenland: Dennerreicht mich Hagen, hab ich den Tod ander Hand."

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"Wie soll ich euch helfen," sprach daDietrich, 2089 "EdleKönigstochter? ich sorge selbst um mich.Es sind so sehr im Zorne Die Gunthernunterthan, Daß ich zu dieser Stunde Niemand Frieden schaffen kann." "Nicht also, Herr Dietrich, edler Degengut: 2090 Laß uns heuterscheinen deinen tugendreichen MuthUnd hilf mir von hinnen, oder ich bleibetodt. Bring mich und den König aus dieserangstvollen Noth." "Ich will es versuchen, ob euch zu helfenist, 2091 Jedoch sah ich wahrlich nicht in langer Frist In so bitterm Zorne manchen Ritter gut: Ich seh ja durch dieHelme von Hieben springen das Blut." Mit Kraft begann zu rufen der Ritterauserkorn, 2092 Daß seine

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Stimme hallte wie ein Büffelhorn Und daßdie weite Veste von seiner Kraft erscholl.Dietrichens Stärke die war gewaltig undvoll. Da hörte König Gunther rufen diesenMann 2093 In dem hartenSturme. Zu horchen hub er an:"Dietrichens Stimme ist in mein Ohrgekommen, Ihm haben unsre Degen wohlder Seinen wen benommen. "Ich seh ihn auf dem Tische winken mitder Hand. 2094 Ihr Vettern undFreunde von Burgundenland, Haltet einmit Streiten: laßt hören erst und sehn,Was hier Dietrichen von meinen Mannensei geschehn." Als so der König Gunther bat und auchgebot, 2095 Da senkten sie dieSchwerter in des Streites Noth. Das war

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Gewalt bewiesen, daß Niemand da mehrschlug. Er fragte den von Berne um dieMäre schnell genug. Er sprach: "Viel edler Dietrich, was isteuch geschehn 2096 Hier von meinenFreunden? Ihr sollt mich willig sehn: ZurSühne und zur Buße bin ich euch bereit.Was euch Jemand thäte, das war mirinniglich leid." Da sprach der edle Dietrich: "Mir istnichts geschehn! 2097 Laßt mich ausdem Hause mit euerm Frieden gehn Vondiesem harten Streite mit dem Gesindemein. Dafür will ich euch Degen stäts zuDienst beflißen sein." "Was müßt ihr also flehen?" sprach daWolfhart, 2098 "Es hält derFiedelspieler die Thür nicht so verwahrt,Wir erschließen sie so mächtig, daß man

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ins Freie kann." "Nun schweig," sprach daDietrich, "du hast den Teufel gethan." Da sprach der König Gunther: "Das seieuch freigestellt: 2099 Führt aus demHause, so viel euch gefällt, Ohne meineFeinde: die sollen hier bestehn. Vonihnen ist mir Leides bei den Heunen vielgeschehn." Als das der Berner hörte, mit einem Armumschloß 2100 Er die edleKönigin; ihre Angst war groß; Da führt eran dem andern Etzeln aus dem Haus.Auch folgten Dietrichen sechshundertDegen hinaus. Da begann der Markgraf, der edleRüdiger: 2101 "Soll aber ausdem Hause noch kommen Jemand mehr,Der euch doch gerne diente, so macht esmir kund: So walte stäter Friede in

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getreuer Freunde Bund." Antwort seinem Schwäher gab Geiselherzuhand: 2102 "Frieden undSühne sei euch von uns bekannt; Ihrhaltet stäte Treu, ihr und euer Lehn, Ihrsollt mit euren Freunden ohne Sorgenhinnen gehn." Als Rüdiger der Markgraf räumte EtzelsSaal, 2103 Fünfhundert oderdrüber folgten ihm zumal. Das ward vonden Helden aus Treue gethan, WodurchKönig Gunther bald großen Schadengewann. Da sah ein Heunenrecken König Etzelngehn 2104 Neben Dietrichen: des wollt er Frommen sehn. Dem gab derFiedelspieler einen solchen Schlag, Daßihm gleich am Boden das Haupt vor EtzelsFüßen lag.

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Als der Wirth des Landes kam vor desHauses Thor, 2105 Da wandt ersich und blickte zu Volkern empor: "Oweh mir dieser Gäste: wie ist das grimmeNoth, Daß alle meine Recken vor ihnenfinden den Tod!" "Ach weh des Hofgelages!" sprach derKönig hehr: 2106 "Da drinnen fichtEiner, der heißt Volker, Wie ein wilderEber und ist ein Fiedelmann; Ich dank esmeinem Heile, daß ich dem Teufelentrann. "Seine Weisen lauten übel, seinBogenstrich ist roth; 2107 Mirschlagen seine Töne manchen Heldentodt. Ich weiß nicht, was uns Schuld giebt derselbe Fiedelmann, Daß ich in meinemLeben so leiden Gast nicht gewann."

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Zur Herberge giengen die beidenRecken hehr, 2108 Dietrich vonBerne und Markgraf Rüdiger. Sie selberwollten gerne des Streits entledigt seinUnd geboten auch den Degen, daß sieden Kampf sollten scheun. Und hätten sich die Gäste versehn derLeiden, 2109 Die ihnen werdensollten noch von den Beiden, Sie wärenaus dem Hause so leicht nicht gekommen,Eh sie eine Strafe von den Kühnen hättengenommen. Sie hatten, die sie wollten, entlaßen ausdem Saal: 2110 Da hob sichinnerhalben ein furchtbarer Schall. DieGäste rächten bitter ihr Leid und ihreSchmach. Volker der kühne, hei, was derHelme zerbrach! Sich kehrte zu dem Schalle Gunther der

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König hehr: 2111 "Hört ihr dieTöne, Hagen, die dorten Volker Mit denHeunen fiedelt, wenn wer zur Thüre trat?Es ist ein rother Anstrich, den er amFiedelbogen hat." "Es reut mich ohne Maßen," sprachHagen entgegen, 2112 "Daß ich jemich scheiden mußte von dem Degen.Ich war sein Geselle, er der Gesellemein, Und kehren wir je wieder heim, wirwollens noch in Treuen sein. "Nun schau, hehrer König, Volker ist dirhold: 2113 Wie will er verdienen dein Silber und dein Gold! SeinFiedelbogen schneidet durch den hartenStahl, Er wirft von den Helmen die hellenZierden zu Thal. "Ich sah nie Fiedelspieler noch soherrlich stehn, 2114 Als diesen Tag

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von Volker dem Degen ist geschehn.Seine Weisen hallen durch Helm undSchildesrand: Gute Rosse soll er reiten und tragen herrlich Gewand." So viel der Heunendegen auch waren indem Saal, 2115 Nicht Einer bliebam Leben von ihnen allzumal. Da war derSchall beschwichtigt, als Niemand bliebzum Streit. Die kühnen Recken legten daihre Schwerter beiseit. * * * * *

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Vierunddreißigstes Abenteuer. Wie sie die Todten aus dem Saale warfen. Da setzten sich aus Müdigkeit die Herrnund ruhten aus. 2116 Volker undHagen die giengen vor das Haus Ueberden Schild sich lehnend in ihremUebermuth: Da pflagen launger Reden diese beiden Helden gut. Da sprach von Burgunden Geiselher derDegen: 2117 "Noch dürft ihr,lieben Freunde, nicht der Ruhe pflegen:Ihr sollt erst die Todten aus dem Hausetragen. Wir werden noch bestanden, daswill ich wahrlich euch sagen. "Sie sollen untern Füßen uns hier nichtlänger liegen, 2118 bevor im Sturmdie Heunen mögen uns besiegen, Wir

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haun noch manche Wunde, die gar sanftmir thut. Des hab ich," sprach daGeiselher, "einen willigen Muth." "O wohl mir solches Herren," sprachHagen entgegen. 2119 "Der Rathgeziemte Niemand als einem solchenDegen, Wie unsern jungen Herren wirheute hier gesehn: Ihr Burgunden möget all darob in Freuden stehn. Da folgten sie dem Rathe und trugen vordie Thür 2120 SiebentausendTodte, die warfen sie dafür. Vor desSaales Stiege fielen sie zu Thal: Daerhoben ihre Freunde mit Jammernkläglichen Schall. Auch war darunter Mancher nur somäßig wund, 2121 Käm ihmsanftre Pflege, er würde noch gesund;Doch von dem hohen Falle fand er nun

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den Tod. Das klagten ihre Freunde; eszwang sie wahrhafte Noth. Da sprach der Fiedelspieler, der Degenunverzagt: 2122 "Nun seh ich wohl,sie haben mir Wahrheit gesagt: DieHeunen sind feige, sie klagen wie einWeib, Da sie nun pflegen sollten derSchwerverwundeten Leib." Da mocht ein Markgraf wähnen, er meintes ernst und gut: 2123 Ihm war derVettern Einer gefallen in das Blut; Dendacht' er wegzutragen und wollt ihnschon umfahn: Da schoß ob ihm zu Tode den der kühne Spielmann. Als das die Andern sahen, sie flohen vondem Saal. 2124 Dem Spielmann zufluchen begannen sie zumal. Einen Sperhob Volker vom Boden, scharf und hart,Der von einem Heunen zu ihm hinauf

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geschoßen ward. Den schoß er durch den Burghof zurückkräftiglich 2125 Ueber ihreHäupter. Das Volk Etzels wich Erschrecktvon dem Wurfe weiter von dem Haus. Vorseinen Kräften hatten alle Leute Schreckund Graus, Da stand vor dem Hause Etzel mitmanchem Mann. 2126 Volkerund Hagen huben zu reden an Mit demHeunenkönig nach ihrem Uebermuth. Dasschuf bald große Sorge diesen Heldenkühn und gut. "Wohl wär es," sprach da Hagen, "desVolkes Trost im Leid, 2127 Wenn dieHerren föchten allen voran im Streit, Wievon meinen Herren hier Jeglicher thut:Die hauen durch die Helme, daß von denSchwertern fließt das Blut."

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So kühn war König Etzel, er faßte seinenSchild. 2128 "Nun hütet euresLebens," sprach da Kriemhild, "Undbietet Gold den Recken auf demSchildesrand, Denn erreicht euch Hagen, ihr habt den Tod an der Hand." So kühn war der König, er ließ nicht vomStreit, 2129 Wozu so mächtgeFürsten nun selten sind bereit. Man mustihn bei den Riemen des Schildes ziehnhindann. Hagen der grimme ihn mehr zuhöhnen begann: "Eine nahe Sippe war es," sprach Hagengleich zur Hand, 2130 "Die Etzelnzusammen und Siegfried verband: Erminnte Kriemhilden, eh sie gesehen dich:Feiger König Etzel, warum räthst duwider mich?"

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Diese Rede hörte die edle Königin, 2131 Darüber ward unmuthig Kriemhild in ihrem Sinn, Daß er sieschelten durfte vor manchem Etzelsmann.Wider die Gäste hub sie aufs Neu zuwerben an. Sie sprach: "Wer von Tronje den Hagenmir schlüge 2132 Und sein Hauptals Gabe her vor mich trüge, Mit rothemGolde füllt' ich ihm Etzels Schildesrand;Auch gäb ich ihm zum Lohne viel guteBurgen und Land." "Ich weiß nicht, was sie zaudern," sprachder Fiedelmann. 2133 "Nie sah ich, daßHelden so verzagt gethan, Wo man bietenhörte also reichen Sold. Wohl sollt ihnenEtzel nimmer wieder werden hold. "Die hier mit Schimpf und Schanden eßen des Königs Brot 2134 Und jetzt

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im Stich ihn laßen in der größten Noth,Deren seh ich Manchen so recht verzagtda stehn Und thun doch so verwegen: siekönnen nie der Schmach entgehn." Der mächtige Etzel hatte Jammer undNoth: 2135 Er beklagte seinerMannen und Freunde bittern Tod. Vonmanchen Landen standen ihm Reckenviel zur Seit Und weinten mit dem König sein gewaltiges Leid. Darob begann zu spotten der kühneVolker: 2136 "Ich seh hierübel weinen gar manchen Recken hehr.Sie helfen schlecht dem König in seinergroßen Noth. Wohl eßen sie mit Schanden nun schon lange hier sein Brot." Da gedachten wohl die Besten: "Wahrists, was Volker sagt." 2137 VonNiemand doch von allen ward es so

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schwer beklagt Als von Markgraf Iring, dem Herrn aus Dänenland, Was sich nachkurzer Weite wohl nach der Wahrheitbefand. * * * * *

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Fünfunddreißigstes Abenteuer. Wie Iring erschlagen ward. Da rief der Markgraf Iring aus derDänen Land: 2138 "Ich habe nunauf Ehre die Sinne lang gewandt; Auch istvon mir das Beste in Stürmen oftgeschehn: Nun bringt mir mein Gewaffen: so will ich Hagen bestehn." "Das möcht ich widerrathen," hub daHagen an, 2139 "Sonst findenmehr zu klagen Die Etzeln unterthan.Springen eurer zweie oder drei in denSaal, Die send ich wohlverhauen dieStiege wieder zu Thal." "Ich wills darum nicht laßen," sprachwieder Iring: 2140 "Wohl schon oftversucht ich ein gleich gefährlich Ding.

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Wohl will ich mit dem Schwerte alleindich bestehn, Und wär von dir im Streite mehr als von Jemand geschehn." Da ward gewaffnet Iring nachritterlichem Brauch 2141 UndIrnfried der kühne von Thüringen auchUnd Hawart der starke wohl mit tausendMann: Sie wollten Iring helfen, was derHeld auch begann. Da sah der Fiedelspieler ein gewaltigHeer, 2142 Das mit Iringen gewaffnet zog einher. Sie trugenaufgebunden die lichten Helme gut. Daward dem kühnen Volker darüber zornigzu Muth. "Seht ihr, Freund Hagen, dort Iringengehn, 2143 Der euch im Kampfalleine gelobte zu bestehn? Wie ziemtHelden Lüge? Führwahr, ich tadl es sehr.

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Es gehn mit ihm gewaffnet tausendRecken oder mehr." "Nun straft mich nicht Lügen," sprachHawarts Unterthan, 2144 "Ich willgerne leisten, was ich euch kund gethan.Mein Wort soll um Feigheit nichtgebrochen sein: Sei Hagen noch sogräulich, ich besteh ihn ganz allein." Zu Füßen warf sich Iring den Freundenund dem Lehn, 2145 Daß sie alleinihn ließen den Recken bestehn. Dasthaten sie doch ungern, ihnen war zuwohl bekannt Der übermütige Hagen ausder Burgunden Land. Doch bat er sie so lange, bis es zuletztgeschah. 2146 Als das Ingesinde seinen Willen sah, Und daß er warb nachEhre, da ließen sie ihn gehn. Da ward vonden Beiden ein grimmes Streiten gesehn.

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Iring der Däne hielt hoch empor denSper, 2147 Sich deckte mitdem Schilde der theure Degen hehr: Solief er auf im Sturme zu Hagen vor denSaal. Da erhob sich von den Degen eingewaltiger Schall. Die Spere schößen beide kräftig aus derHand 2148 Durch die festenSchilde auf ihr licht Gewand, Daß dieSpersplitter hoch in die Lüfte flogen. Dagriffen zu den Schwertern die grimmenDegen verwegen. Die Kraft des kühnen Hagen war ohneMaßen voll; 2149 Doch schlugnach ihm Iring, daß all die Burg erscholl.Der Saal und die Thürme erhallten vonden Schlägen. Es konnte seinen Willen doch nicht vollführen der Degen.

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Iring ließ Hagen unverwundet stehn: 2150 Auf den Fiedelspieler begann er loszugehn. Er wähnt', er solltihn zwingen mit seinen grimmenSchlägen, Doch wuste sich zu schirmen dieser zierliche Degen. Da schlug der Fiedelspieler, daß vondes Schildes Rand 2151 DasGespänge wirbelte von Volkers starkerHand. Den ließ er wieder stehen; es warein übler Mann: Jetzt lief er auf Gunther, den Burgundenkönig, an. Da war nun Jedweder zum Streite starkgenug. 2152 Wie Gunther aufIring und der auf Gunther schlug, Dasbrachte nicht aus Wunden das fließendeBlut. Ihre Rüstung wehrt' es, die war zufest und zu gut. Gunthern ließ er stehen und lief

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Gernoten an. 2153 Das Feueraus den Ringen er ihm zu haun begann.Da hätte von Burgunden der starkeGernot Iring den kühnen beinah gesandtin den Tod. Da sprang er von dem Fürsten; schnellwar er genug. 2154 Der Burgundenviere der Held behend erschlug, Desedeln' Heergesindes aus Worms an demRhein. Darüber mochte Geiselher nichtwohl zorniger sein. "Gott weiß, Herr Iring," sprachGeiselher das Kind, 2155 "Ihr müßtmir entgelten, die hier erlegen sind Voreuch in dieser Stunde." Da lief er ihn anUnd schlug den Danenhelden, daß er zustraucheln begann. Er schoß vor seinen Händen nieder indas Blut, 2156 Daß sie alle

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wähnten, dieser Degen gut Schlug imStreit nicht wieder einen Schlag mitseinem Schwert. Doch lag vor Geiselheren Iring da noch unversehrt. Von des Helmes Schwirren und von desSchwertes Klang 2157 Waren seineSinne so betäubt und krank, Daß sich derkühne Degen des Lebens nicht besann.Das hatt ihm mit den Kräften der kühneGeiselher gethan. Als ihm aus dem Haupte das Schwirrenjetzt entwich, 2158 Von demmächtgen Schlage war das erstfürchterlich, Da gedacht er: "Ich lebe undbin auch nirgend wund: Nun ist mir erstdie Stärke des kühnen Geiselher kund!" Zu beiden Seiten hört' er seine Feindestehn. 2159 Sie hättens wißensollen, so wär ihm mehr geschehn. Auch

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hatt er Geiselheren vernommen nahe bei:Er sann, wie mit dem Leben den Feindenzu entkommen sei. Wie tobend der Degen aus dem Blutesprang! 2160 Er mochte seinerSchnelle wohl sagen großen Dank. Da liefer aus dem Hause, wo er Hagen fand, Undschlug ihm schnelle Schläge mit seinerkraftreichen Hand. Da gedachte Hagen: "Du must des Todessein. 2161 Befriede dich derTeufel, sonst kannst du nicht gedeihn."Doch traf Iring Hagnen durch seinesHelmes Hut. Das that der Held mit Maske; das war eine Waffe gut. Als der grimme Hagen die Wund an sichempfand, 2162 Da schwenktesich gewaltig das Schwert in seiner Hand.Es muste vor ihm weichen Hawarts

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Unterthan: Hagen ihm die Stiege hinab zufolgen begann. Uebers Haupt den Schildrand Iring derkühne schwang. 2163 Und wardieselbe Stiege drei solcher Stiegen lang,Derweil ließ ihn Hagen nicht schlageneinen Schlag. Hei, was rother Funken daauf seinem Helme lag! Doch kam zu den Freunden Iring nochgesund. 2164 Da wurde dieseMäre Kriemhilden kund, Was er dem vonTronje hatt im Streit gethan; Dafür dieKönigstochter ihm sehr zu dankenbegann. "Nun lohne Gott dir, Iring, erlauchterDegen gut, 2165 Du hast mir wohlgetröstet das Herz und auch den Muth:Nun seh ich blutgeröthet HagensWehrgewand!" Kriemhild nahm ihm selber

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den Schild vor Freud aus der Hand. "Ihr mögt ihm mäßig danken," begannda Hagen, 2166 "Bis jetzt ist vielGroßes nicht davon zu sagen; Versucht'er es zum andern Mal, er wär ein kühnerMann. Die Wunde frommt euch wenig, die ich noch von ihm gewann. "Daß ihr von meiner Wunde mir sehtden Harnisch roth, 2167 Das hat michnoch erbittert zu manches Mannes Tod.Nun bin ich erst im Zorne auf ihn undmanchen Mann; Mir hat der Degen Iring noch kleinen Schaden gethan." Da stand dem Wind entgegen Iring vonDänenland; 2168 Er kühlte sichim Harnisch, den Helm er niederband. Dapriesen ihn die Leute für streitbar undgut: Darüber trug der Markgraf nichtwenig hoch seinen Muth.

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Da sprach Iring wieder: "Nun, Freunde,sollt ihr gehn 2169 Und neue Waffenholen: ich will noch einmal sehn, Ob ichbezwingen möge den übermüthgenMann." Sein Schild war verhauen, einenbeßern er gewann. Gewaffnet war der Recke bald in nochfestre Wehr. 2170 Er griff inseinem Zorne nach einem starken Sper,Damit wollt er Hagen zum drittenmalbestehn. Es brächt ihm Ehr und Frommen, ließ' er das sich vergehn. Da wollte sein nicht harren Hagen derDegen. 2171 Mit Schüßen undmit Hieben lief er ihm entgegen DieStiege bis zu Ende; zornig war sein Muth.Da kam dem Degen Iring seine Stärkenicht zu gut.

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Sie schlugen durch die Schilde, daß eszu lohn begann 2172 Mitfeuerrothem Winde. Hawarts UnterthanWard von Hagens Schwerte da gefährlichwund Durch Helm und durch Schildrand; er ward nicht wieder gesund. Als Iring der Degen der Wunde sichbesann, 2173 Den Schildrückte näher dem Helm der kühne Mann.Ihn dauchte voll der Schaden, der ihmwar geschehn; Bald that ihm aber größern der in König Gunthers Lehn. Hagen vor seinen Füßen einenWurfspieß liegen fand: 2174 AufIringen schoß er den von Dänenland, Daßman ihm aus dem Haupte die Stangeragen sah. Ein grimmes Ende ward ihm von dem Uebermüthgen da. Iring must entweichen zu seinen Dänen

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hin. 2175 Eh man den Helmdem Degen mochte niederziehn, Brachman den Sper vom Haupte, da naht' ihmder Tod. Das beweinten seine Freunde: es zwang sie wahrhafte Noth. Da kam die Königstochter auch zu ihmheran: 2176 Iring den starken hub sie zu klagen an. Sie beweinte seineWunden: es war ihr grimmig leid. Dasprach vor seinen Freunden dieser Reckekühn im Streit: "Laßt eure Klage bleiben, viel hehreKönigin. 2177 Was hilft euerWeinen? Mein Leben muß dahinSchwinden aus den Wunden, die an miroffen stehn. Der Tod will mich nicht länger euch und Etzeln dienen sehn." Zu Thüringern und Dänen sprach erhingewandt: 2178 "Die Gaben,

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so die Königin euch beut, soll eure HandNicht zu erwerben trachten, ihr lichtesGold so roth Und besteht ihr Hagen, somüßt ihr schauen den Tod." Seine Farbe war erblichen, des TodesZeichen trug 2179 Iring der kühne; ihnen war es leid genug. Es konnte nichtgesunden der Held in Hawarts Lehn: Damust es an ein Streiten von denDänenhelden gehn. Irnfried und Hawart sprangen vor dasHaus 2180 Wohl mit tausendHelden: einen ungestümen BrausVernahm man allenthalben, kräftig undgroß. Hei! was man scharfer Spere auf dieBurgunden schoß! Irnfried der kühne lief den Spielmannan, 2181 Wodurch er großenSchaden von seiner Hand gewann. Der

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edle Fiedelspieler den Landgrafen schlugDurch den Helm den festen: wohl war ergrimmig genug. Da schlug dem grimmen Spielmann Irnfried einen Schlag, 2182 Daß erden Ringpanzer dem Helden zerbrachUnd sich sein Harnisch färbte von Funkenfeuerroth. Dennoch fiel der Landgraf vordem Spielmann in den Tod. Zusammen waren Hagen und Hawartgekommen. 2183 Da mochteWunder schauen, wer eswahrgenommen. Die Schwerter fielenkräftig den Helden an der Hand: Damuste Hawart sterben vor dem ausBurgundenland. Die Thüringer und Dänen sahn ihreHerren todt. 2184 Da hub sichvor dem Hause noch grimmere Noth, Eh

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sie die Thür gewannen mit kraftreicherHand. Da ward noch verhauen mancherHelm und Schildesrand. "Weichet," sprach da Volker, "laßt siezum Saal herein: 2185 Was sie imSinne haben, kann dennoch nicht sein.Sie müßen bald ersterben allzumal darin:Sie ernten mit dem Tode, was ihnen beutdie Königin," Als die Uebermüthigen drangen in denSaal, 2186 Das Haupt ward daManchem so geneigt zu Thal, Daß erersterben muste vor ihren schnellenSchlägen. Wohl stritt der kühne Gernot; so that auch Geiselher der Degen. Tausend und viere die kamen in dasHaus: 2187 Da hörte manerklingen den hellen Schwertersaus. Siewurden von den Gästen alle drin

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erschlagen: Man mochte große Wunder von den Burgunden sagen. Darnach ward eine Stille, als der Lärmverscholl. 2188 Das Blutallenthalben durch die Lücken quoll Undzu den Riegelsteinen von den todtenDegen: Das hatten die vom Rheine gethanmit kräftigen Schlägen. Da saßen wieder rufend die ausBurgundenland, 2189 Sie legtenmit den Schilden die Waffen aus derHand. Da stand noch vor dem Hause derkühne Spielmann, Erwartend, ob nochJemand zum Streite zöge heran. Der König klagte heftig, dazu dieKönigin; 2190 Mägdelein undFrauen härmten sich den Sinn. Der Tod,wähn ich, hatte sich wider sieverschworen: Drum giengen durch die

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Gäste noch viele der Recken verloren. * * * * *

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Sechsunddreißigstes Abenteuer. Wie die Königin den Saal verbrennenließ. "Nun bindet ab die Helme," sprachHagen der Degen: 2191 "Ich undmein Geselle wollen euer pflegen. Undversuchten es noch einmal Die Etzelnunterthan, So warn ich meine Herren, sogeschwind ich immer kann." Da band den Helm vom Haupte mancherRitter gut. 2192 Sie setzten auf dieLeichen sich nieder, die ins Blut Warenzum Tode von ihrer Hand gekommen. Daward der edeln Gäste mit Erbittrungwahrgenommen. Noch vor dem Abend schuf der Könighehr 2193 Und Kriemhild die

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Königin, daß es der Heunen mehr Nochversuchen musten; man sah vor ihnenstehn Wohl an zwanzigtausend: diemusten da zum Kampfe gehn. Da drang zu den Gästen ein harter Sturmheran. 2194 Dankwart, HagensBruder, der kraftvolle Mann, Sprang vonseinen Herren zu den Feinden vor dasThor. Sie versahn sich seines Todes; dochsah man heil ihn davor. Das harte Streiten währte, bis es dieNacht benahm. 2195 Da wehrtensich die Gäste wie Helden lobesamWider Etzels Recken den sommerlangenTag. Hei! was guter Helden im Tod vorihnen erlag! Zu einer Sonnenwende der große Mordgeschah: 2196 Ihres HerzensJammer rächte Kriemhild da An ihren

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nächsten Freunden und manchem andernMann, Wodurch der König Etzel niewieder Freude gewann. Sie hatte nicht gesonnen auf solcheMörderschlacht. 2197 Als sie denStreit begonnen, hatte sie gedacht,Hagen sollt alleine dabei sein Ende sehn.Da schuf der böse Teufel, über Alle mustes ergehn. Der Tag war zerronnen; ihnen schuf nunSorge Noth. 2198 Sie gedachten,wie doch beßer war ein kurzer Tod, Alssich so lang zu quälen in ungefügem Leid.Da wünschten einen Frieden die großenRitter allbereit. Sie baten, daß man brächte den Königvor den Saal. 2199 Die blutrothenHelden, geschwärzt vom rostgen Stahl,Traten aus dem Hause und die drei Könge

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hehr. Sie wusten nicht, wem klagen ihresgroßen Leids Beschwer. Etzel und Kriemhild kamen beide her; 2200 Das Land war ihneneigen, drum mehrte sich ihr Heer. Ersprach zu den Gästen: "Sagt, was begehrtihr mein? Wollt ihr Frieden haben? daskönnte nun schwerlich sein "Nach so großem Schaden, als ihr mirhabt gethan. 2201 Es kommt euchnicht zu Statten, so lang ich athmen kann:Mein Kind, das ihr erschluget, und vielder Freunde mein, Fried und Sühne solleuch stäts dafür geweigert sein." Antwort gab ihm Gunther: "Uns zwangwohl große Noth. 2202 All meinGesinde lag vor deinen Helden todt Inder Herberge: verdient ich solchen Sold?Ich kam zu dir auf Treue und wähnte, du

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warst mir hold." Da sprach von Burgunden Geiselher dasKind: 2203 "Ihr Helden KönigEtzels, die noch am Leben sind, Wes zeihtihr mich, ihr Degen? was hatt ich euchgethan, Der ich die Fahrt so gütlich zudiesem Lande begann?" Sie sprachen: "Deiner Güte ist all dieBurg hier voll 2204 Mit Jammergleich dem Lande; wir gönnten dir eswohl, Wärst du nie gekommen vonWorms überrhein. Das Land ist garverwaiset durch dich und die Brüderdein." Da sprach im Zornmuthe Gunther derHeld: 2205 "Wünscht ihr nochdieß Morden im Frieden eingestellt Mituns Heimatlosen, das ist uns beiden gut;Es ist gar unverschuldet, was uns König

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Etzel thut." Der Wirt sprach zu den Gästen: "meinund euer Leid 2206 Sind einanderungleich: die große Noth im Streit, DerSchaden und die Schande, die ich voneuch gewann, Dafür soll euer Keiner mirlebend kommen hindann." Da sprach zu dem König der starkeGernot: 2207 "So soll euchGott gebieten, daß ihr die Lieb uns thut:Weichet von dem Hause und laßt uns zueuch gehn. Wir wissen wohl, bald ist es um unser Leben geschehn. "Was uns geschehen könne, das laßtschnell ergehn: 2208 Ihr habt soviel Gesunde, die dürfen uns bestehnUnd geben uns vom Streite Müden leichtden Tod: Wie lange solln wir Recken bleiben in so grimmer Noth?"

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Von König Etzels Reden war es fastgeschehn, 2209 Daß sie dieHelden ließen aus dem Saale gehn. Alsdas Kriemhild hörte, es war ihr grimmigleid. Da war den Heimathlosen mitNichten Sühne bereit. "Nein, edle Recken, worauf euch sinntder Muth, 2210 Ich will euchtreulich raten, daß ihr das nimmer thut,Daß ihr die Mordgierigen laßt vor denSaal; Sonst müßen eure Freunde leidentödtlichen Fall. "Und lebten nur alleine, die Utens Söhne'sind, 2211 Und kämen meineedeln Brüder an den Wind. Daß sie diePanzer kühlten, ihr alle wärt verloren: Eswurden kühnre Degen noch nie auf Erdengeboren."

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Da sprach der junge Geiselher: "Vielschöne Schwester mein, 2212 Wie hättich dir das zugetraut, daß du michüberrhein Her zu Lande ladetest in diesegroße Noth: Wie möcht ich an den Heunen hier verdienen den Tod? "Ich hielt dir stäte Treue, that nie einLeid dir an: 2213 Ich kam auch her zuHilfe geritten in dem Wahn, Du wärst mirgewogen, viel liebe Schwester mein, Nunschenk uns deine Gnade, da es andersnicht mag sein." "Ich schenk euch keine Gnade, Ungnadich selbst gewann: 2214 Mir hat vonTronje Hagen so großes Leid gethanDaheim, und hier zu Lande erschlug ermir mein Kind: Das müßen schwerentgelten, die mit euch hergekommensind."

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Wollt ihr mir aber Hagen allein zumGeisel geben, 2215 So will ichsnicht verweigern, daß ich euch laßeleben. Denn meine Brüder seid ihr, dergleichen Mutter Kind: So red ich um dieSühne mit den Helden, die hier sind." "Nicht woll es Gott vom Himmel," sprachda Gernot. 2216 "Und waren unsertausend, wir wollten alle todt Vor deinenFreunden liegen eh wir dir Einen MannHier zu Geisel gäben: das wird nimmergethan." "Wir müsten doch ersterben," sprach daGeiselher, 2217 "So soll unsNiemand scheiden von ritterlicher Wehr.Wer gerne mit uns stritte, wir sind nochimmer hie: Verrieth ich meine Treue aneinem Freunde doch nie." Da sprach der kühne Dankwart, es ziemt'

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ihm wohl zu sagen: 2218 "Noch stehtnicht alleine hier mein Bruder Hagen. Dieuns den Frieden weigern, beklagen esnoch schwer, Des sollt ihr inne werden, ich sags euch wahrlich vorher." Da sprach die Königstochter: "IhrHelden allbereit, 2219 Nun geht derStiege näher und rächt unser Leid. Daswill ich stäts verdienen, wie ich billig soll:Der Uebermuth Hagens, dessen lohn ichihm wohl. "Laßt keinen aus dem Hause der Degenallzumal: 2220 So laß ich an vierEnden anzünden hier den Saal. So wirdnoch wohl gerochen all mein Herzeleid."König Etzels Recken sah man bald dazubereit. Die noch draußen standen, die triebman in den Saal 2221 Mit Schlägen

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und mit Schüßen: da gab es lauten Schall.Doch wollten sich nicht scheiden dieFürsten und ihr Heer: Sie ließen von derTreue zu einander nicht mehr. Den Saal in Brand zu stecken gebot daEtzels Weib. 2222 Da quälte manden Helden mit Feuersglut den Leib. DasHaus vom Wind ergriffen gerieth inhohen Brand. Nie wurde solcherSchrecken noch einem Volksheerbekannt. Da riefen Viele drinnen: "O weh dieserNoth! 2223 Da möchten wir jalieber im Sturm liegen todt. Das mögeGott erbarmen; wie sind wir all verlorn!Wie grimmig rächt die Königin an unsallen ihren Zorn!" Da sprach darinnen Einer: "Wir findenhier den Tod 2224 Vor Rauch und

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vor Feuer: wie grimm ist diese Noth! Mirthut vor starker Hitze der Durst soschrecklich weh, Ich fürchte, mein Leben in diesen Nöthen zergeh!" Da sprach von Tronje Hagen: "Ihr edlenRitter gut, 2225 Wen der Durst willzwingen, der trinke hier das Blut. Das istin solcher Hitze beßer noch als Wein; Esmag halt zu trinken hier nichts Beßeressein." Hin gieng der Recken Einer, wo er einenTodten fand: 2226 Er kniet' ihm zuder Wunde, den Helm er niederband. Dabegann er zu trinken das fließende Blut.So wenig ers gewohnt war, er fand esköstlich und gut. "Nun lohn euch Gott, Herr Hagen," sprach der müde Mann, 2227 "Daßich von eurer Lehre so guten Trank

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gewann. Man schenkte mir selten nocheinen beßern Wein. So lang ich lebenbleibe will ich euch stäts gewogen sein." Als das die Andern hörten, es däuchteihn so gut, 2228 Da fanden sichnoch Viele, die tranken auch das Blut.Davon kam zu Kräften der guten ReckenLeib: Des entgalt an lieben Freunden bald manches waidliche Weib. Das Feuer fiel gewaltig auf sie in denSaal: 2229 Sie wandten mit denSchilden es von sich ab im Fall. DerRauch und auch die Hitze schmerzten siegar sehr. Also großer Jammer geschiehtwohl Helden nimmer mehr. Da sprach von Tronje Hagen: "Stellt euchan die Wand; 2230 Laßt nicht dieBrände fallen auf eurer Helme Band Undtretet sie mit Füßen tiefer in das Blut. Eine

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üble Hochzeit ist es, zu der die Königinuns lud." Unter solchen Nöthen zerrann zuletzt dieNacht. 2231 Noch hielt vor demHause der kühne Spielmann Wacht UndHagen sein Geselle, gelehnt aufSchildesrand, Noch größern Leidsgewärtig von Denen aus Etzels Land. Daß der Saal gewölbt war, half denGästen sehr; 2232 Dadurchblieben ihrer am Leben desto mehr,Wiewohl sie an den Fenstern von Feuerlitten Noth. Da wehrten sich die Degen, wie Muth und Ehre gebot. Da sprach der Fiedelspieler: "Gehn wirin den Saal: 2233 Da wähnen wohldie Heunen, wir seien allzumal Von derQual erstorben, die sie uns angethan:Dann kommen doch noch Etliche zum

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Streit mit ihnen heran." Da sprach von Burgunden Geiselher dasKind: 2234 "Ich wähn, es wolletagen, sich hebt ein kühler Wind. Nun laßuns Gott vom Himmel noch liebre Zeiterleben! Eine arge Hochzeit hat uns meine Schwester Kriemhild gegeben." Da sprach wieder Einer: "Ich spüreschon den Tag. 2235 Wenn esdenn uns Degen nicht beßer werdenmag, So bereitet euch, ihr Recken, zumStreit, das ist uns Noth: Da wir doch nichtentrinnen, daß wir mit Ehren liegen todt." Der König mochte wähnen, die Gästewären todt 2236 Von denBeschwerden allen und von des FeuersNoth, Da lebten doch so Kühner noch drinsechshundert Mann, Daß wohl nie einKönig beßre Degen gewann.

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Der Heimathlosen Hüter hatten wohlgesehn, 2237 Daß noch dieGäste lebten, was ihnen auch geschehnZu Schaden war und Leide, den Herrnund ihrem Lehn. Man sah sie in dem Hause noch gar wohl geborgen gehn. Man sagte Kriemhilden, noch Vielelebten drin. 2238 "Wie wäre dasmöglich," sprach die Königin, "Daß nochEiner lebte nach solcher Feuersnoth?Eher will ich glauben, sie fanden Alle denTod." Noch wünschten zu entkommen dieFürsten und ihr Lehn, 2239 Wenn anihnen Gnade noch jemand ließ' ergehn.Die konnten sie nicht finden in derHeunen Land: Da rächten sie ihr Sterben mit gar williger Hand.

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Schon früh am andern Morgen manihnen Grüße bot 2240 Mitheftigem Angriff; wohl schuf das HeldenNoth. Zu ihnen aufgeschoßen wardmancher scharfe Sper; Doch fanden siedarinnen die kühnen Recken wohl zurWehr. Dem Heergesinde Etzels war erregt derMuth, 2241 Daß sie verdienenwollten Frau Kriemhildens Gut Und alleswillig leisten, was der Fürst gebot: Damuste bald noch Mancher von ihnenschauen den Tod. Von Verheißen und von Gaben mochteman Wunder sagen: 2242 Sie ließihr Gold, das rothe, auf Schilden vor sichtragen; Sie gab es Jedem willig, Der eswollt empfahn. Nie wurden wider Feinde so große Schätze verthan.

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Gewaffnet trat der Recken eine großeMacht zur Thür. 2243 Da sprach derFiedelspieler. "Wir sind noch immer hier:So gern sah ich Helden zum Streitennimmer kommen, Als die das Gold desKönigs uns zu verderben genommen." Da riefen ihrer Viele: "Nur näher zu demStreit! 2244 Da wir doch fallenmüßen, so thun wirs gern bei Zeit. Hierwird Niemand bleiben, als wer dochsterben soll." Da staken ihre Schilde gleich von Sperschüßen voll. Was soll ich weiter sagen? Wohlzwölfhundert Degen 2245Versuchtens auf und nieder mit starkenSchwertesschlägen. Da kühlten an denFeinden die Gäste wohl den Muth. KeinFriede war zu hoffen, drum sah manfließen das Blut

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Aus tiefen Todeswunden: Deren wurdenviel geschlagen. 2246 Man hörtenach den Freunden Jeglichen klagen. DieBiedern starben alle dem reichen Könighehr: Da hatten liebe Freunde nach ihnenLeid und Beschwer. * * * * *

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Siebenunddreißigstes Abenteuer. Wie Rüdiger erschlagen ward. Die Heimathlosen hatten am Morgen vielgethan. 2247 Der GemahlGotlindens kam zu Hof heran Und sah aufbeiden Seiten des großen LeidsBeschwer: Darüber weinte inniglich dergetreue Rüdiger. "O weh, daß ich das Leben," sprach derHeld, "gewann 2248 Und diesemgroßen Jammer nun Niemand wehrenkann. So gern ich Frieden schüfe, derKönig gehts nicht ein, Da ihm das Unheilstärker, immer stärker bricht herein." Zu Dietrichen sandte der gute Rüdiger, 2249 Ob sie's noch könntenwenden von den Köngen hehr? Da entbot

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ihm Der von Berne: "Wer möcht ihmwiderstehn? Es will der König Etzel keineSühne mehr sehn." Da sah ein Heunenrecke Rüdigern dastehn 2250 Mit weinendenAugen, wie er ihn oft gesehn. Er sprachzu der Königin: "Nun seht, wie er da stehtDen ihr und König Etzel vor allen Andernhabt erhöht "Und dem doch alles dienet, die Leutewie das Land. 2251 Wie sind so vielder Burgen an Rüdigern gewandt, Derener so manche von dem König haben mag!Er schlug in diesen Stürmen noch keinenlöblichen Schlag. "Mich dünkt, ihn kümmert wenig, washier mit uns geschieht, 2252 Wenn ernach seinem Willen bei sich die Füllesieht. Man rühmt, er wäre kühner, als

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Jemand möge sein: Das hat uns schlechtbewiesen in dieser Noth derAugenschein." Mit traurigem Muthe der vielgetreueMann, 2253 Den er so redenhörte, den Heunen sah, er an. Er dachte:"Das entgiltst du; du sagst, ich seiverzagt: Da hast du deine Mären zu lautbei Hofe gesagt." Er zwang die Faust zusammen: da lief erihn an 2254 Und schlug mitsolchen Kräften den Heunischen Mann,Daß er ihm vor die Füße niederstürztetodt. Da war gemehrt aufs Neue demKönig Etzel die Noth. "Fahr hin, verzagter Bösewicht," sprachda Rüdiger, 2255 "Ich hatte dochdes Leides genug und der Beschwer. Daßich hier nicht fechte, was rügst du mir

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das? Wohl trüg auch ich den Gästen mitGrunde feindlichen Hass, "Und alles, was ich könnte, thät ich ihnenan, 2256 Hätt ich nicht hiehergeführt Die Gunthern unterthan. Ich warihr Geleite in meines Herren Land: Drumdarf sie nicht bestreiten meine unselgeHand." Da sprach zum Markgrafen Etzel derKönig hehr: 2257 "Wie habt ihruns geholfen, viel edler Rüdiger! Wirhatten doch der Todten so viel in diesemLand, Daß wir nicht mehr bedurften: mitUnrecht schlug ihn eure Hand." Da sprach der edle Ritter: "Erbeschwerte mir den Muth 2258 Undhat mir bescholten die Ehre wie das Gut,Des ich aus deinen Händen so großeGaben nahm, Was nun dem Lügenbolde

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übel auch zu Statten kam." Da kam die Königstochter, die hatt esauch gesehn, 2259 Was von desHelden Zorne dem Heunen wargeschehn. Sie beklagt' es ungefüge, ihreAugen wurden naß. Sie sprach zuRüdigern: Wie verdienten wir das, "Daß ihr mir und dem König noch mehrtunser Leid? 2260 Ihr habt uns,edler Rüdiger, verheißen allezeit, Ihrwolltet für uns wagen die Ehre wie dasLeben; Auch hört ich viel der Recken denPreis des Muthes euch geben." "Ich mahn euch nun der Treue, die mirschwur eure Hand, 2261 Da ihr mir zuEtzeln riethet, Ritter auserkannt, Daß ihrmir dienen wolltet bis an unsern Tod. Deswar mir armen Weibe noch niemals sobitter Noth."

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"Das kann ich nicht läugnen, ich schwureuch, Königin, 2262 Die Ehre wie dasLeben gäb ich für euch dahin: Die Seelezu verlieren hab ich nicht geschworen. Zudiesem Hofgelage bracht ich die Fürstenwohlgeboren." Sie sprach: "Gedenke, Rüdiger, derhohen Eide dein 2263 Von deinerstäten Treue, wie du den Schaden meinImmer wolltest rächen und wenden allmein Leid." Der Markgraf entgegnete: "Ich war euch stäts zu Dienst bereit." Etzel der reiche hub auch zu flehen an. 2264 Da warfen sie sich beide zu Füßen vor den Mann. Den gutenMarkgrafen man da in Kummer sah; Dervielgetreue Recke jammervoll begann erda:

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"O weh mir Unselgem, muß ich den Tagerleben! 2265 Aller meinerEhren soll ich mich nun begeben, AllerZucht und Treue, die Gott mir gebot; Oweh, Herr des Himmels, daß mirs nichtwenden will der Tod! "Welches ich nun laße, das Andre zubegehn, 2266 So ist dochimmer übel und arg von mir geschehn.Was ich thu und laße, so schilt mich alleWelt. Nun möge mich erleuchten, dermich dem Leben gesellt!" Da baten ihn so dringend der König undsein Weib, 2267 Daß bald vielDegen musten Leben und Leib VonRüdgers Hand verlieren und selbst DerHeld erstarb. Nun mögt ihr baldvernehmen, welchen Jammer er erwarb. Er wuste wohl nur Schaden und Leid sei

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sein Gewinn. 2268 Er hätt es auchdem König und der Königin Gernversagen wollen: der Held besorgte sehr,Erschlug er ihrer Einen, daß er der Weltein Greuel wär. Da sprach zu dem Könige dieser kühneMann: 2269 "Herr Etzel, nehmtzurücke, was ich von euch gewann, DasLand mit den Burgen; bei mir soll nichtsbestehn: Ich will auf meinen Füßen hinausin das Elend gehn. "Alles Gutes ledig räum ich euer Land, 2270 Mein Weib und meineTochter nehm ich an die Hand, Eh ich soohne Treue entgegen geh dem Tod: Dashieß' auf üble Weise verdienen euer Goldso roth." Da sprach der König Etzel: "Wer aberhülfe mir? 2271 Mein Land mit

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den Leuten, das alles geb ich dir, Daß dumich rächest, Rüdiger, an den Feindenmein: Du sollst neben Etzeln eingewaltger König sein." Da sprach wieder Rüdiger: "Wie dürftich ihnen schaden? 2272 Heim zumeinem Hause hab ich sie geladen;Trinken und Speise ich ihnen gütlich bot,Dazu meine Gabe; und soll ich sie nunschlagen todt? "Die Leute mögen wähnen, ich sei zuverzagt. 2273 Keiner meinerDienste war ihnen je versagt: Sollt ich sienun bekämpfen, das wär nicht wohlgethan. So reute mich die Freundschaft, die ich an ihnen gewann. "Geiselher dem Degen gab ich dieTochter mein: 2274 Sie konnt aufErden nimmer beßer verwendet sein, Seh

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ich auf Zucht und Ehre, auf Treu oder Gut.Nie ein so junger König trug wohltugendreichern Muth." Da sprach wieder Kriemhild: "Viel edlerRüdiger, 2275 Nun laß dicherbarmen unsres Leids Beschwer, Meinund auch des Königs; gedenke wohldaran, Daß nie ein Wirth auf Erden soleide Gäste gewann." Da begann der Markgraf zu der Könginhehr: 2276 "Heut muß mit demLeben entgelten Rüdiger, Was ihr undder König mir Liebes habt gethan: Dafürmuß ich sterben, es steht nicht längermehr an. "Ich weiß, daß noch heute meine Burgenund mein Land 2277 Euch ledigwerden müßen von dieser Helden Hand.So befehl ich euch auf Gnade mein Weib

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und mein Kind Und all die Heimathlosen, die da zu Bechlaren find." "Nun lohne Gott dir, Rüdiger!" der Königsprach da so; 2278 Er und dieKönigin, sie wurden beide froh. "Unsseien wohlbefohlen alle Leute dein; Auchtrau ich meinem Heile, du selber werdestglücklich sein." Da setzt' er auf die Wage die Seele wieden Leib. 2279 Da begann zuweinen König Etzels Weib. Er sprach: "Ichmuß euch halten den Eid, den ich gethan.O weh meiner Freunde! wie ungern greifich sie an." Man sah ihn von dem König hinweggehntrauriglich. 2280 Da fand er seineRecken nahe stehn bei sich: Er sprach:"Ihr sollt euch waffnen, ihr All in meinemLehn: Die kühnen Burgunden muß ich nun

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leider bestehn." Nach den Gewaffen riefen die Heldenallzuhand, 2281 Ob es Helmwäre oder Schildesrand, Von demIngesinde ward es herbeigetragen. Baldhörten leide Märe die stolzen Fremdlingesagen. Gewaffnet ward da Rüdiger mitfünfhundert Mann; 2282 Darüberzwölf Recken zu Hülf er sich gewann. Siewollten Preis erwerben in des SturmesNoth: Sie wusten nicht die Märe, wieihnen nahe der Tod. Da sah man unterm Helme denMarkgrafen gehn. 2283 ScharfeSchwerter trugen Die in Rüdgers Lehn,Dazu vor den Händen die lichten Schildebreit. sah der Fiedelspieler: dem war esohne Maßen leid.

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Da sah der junge Geiselher seinenSchwäher gehn 2284 Mitaufgebundnem Helme. Wie mocht er daverstehn, Wie er damit es meine, es seidenn treu und gut? Da gewann der edleKönig von Herzen fröhlichen Muth. "Nun wohl mir solcher Freunde," sprachda Geiselher, 2285 "Wie wirgewonnen haben auf der Fahrt hieher.Meines Weibes willen ist uns Hülfe nah:Lieb ist mir, meiner Treue, daß dieseHeirath geschah." "Wes ihr euch wohl tröstet" sprach derFiedelmann: 2286 "Wann saht ihrnoch zur Sühne so viel der Helden nahnMit aufgebundnen Helmen, die Schwerterin der Hand? Er will an uns verdienen seine Burgen und sein Land."

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Eh der Fiedelspieler die Rede sprachvollaus, 2287 Den edelnMarkgrafen sah man schon vor dem Haus.Seinen Schild den guten setzt' er vor denFuß: Da must er seinen Freunden versagen dienstlichen Gruß. Rüdiger der edle rief da in den Saal: 2288 "Ihr Kühnen Nibelungen, nun wehrt euch allzumal. Ihr solltet meingenießen, ihr entgeltet mein: Wir warenehmals Freunde: der Treue will ich ledigsein." Da erschraken dieser Märe dieNothbedrängten Schwer. 2289 Ihnenwar der Trost entsunken, den sie gewähntvorher, Da sie bestreiten wollte, demJeder Liebe trug. Sie hatten von denFeinden schon Leid erfahren genug. "Das verhüte Gott vom Himmel!" sprach

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Gunther der Degen, 2290 "Daß ihreurer Freundschaft, trätet so entgegenUnd der großen Treue, darauf uns sannder Muth: Ich will euch wohl vertrauen, daß ihr das nimmermehr tuth. "Es ist nicht mehr zu wenden," sprachder kühne Mann: 2291 "Ich muß miteuch streiten, wie ich den Schwur gethan.Nun wehrt euch, kühne Degen, wenneuch das Leben werth, Da mir dieKönigstochter nicht andre Willkürgewährt." "Ihr widersagt uns nun zu spät," sprachder König hehr. 2292 "Nun mög euchGott vergelten, viel edler Rüdiger, DieTreu und die Liebe, die ihr uns habtgethan, Wenn ihr bis ans Ende auchhalten wolltet daran. "Wir wollen stäts euch danken, was ihr

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uns habt gegeben, 2293 Ich undmeine Freunde, laßet ihr uns leben, Derherrlichen Gaben, als ihr uns brachtet herIn Etzels Land mit Treue: des gedenket,edler Rüdiger." "Wie gern ich euch das gönnte," sprachRüdiger der Degen, 2294 "Daß icheuch meiner Gabe die Fülle dürfte wägenNach meinem Wohlgefallen; wie gernethat ich das, So es mir nicht erwürbe deredeln Königin Haß!" "Laßt ab, edler Rüdiger," sprach wiederGernot, 2295 "Nie ward ein Wirthgefunden, der es den Gästen bot Sofreundlich und so gütlich, als uns voneuch geschehn. Des sollt ihr auchgenießen, so wir lebendig entgehn." "Das wollte Gott," sprach Rüdiger, "vieledler Gernot, 2296 "Daß ihr am

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Rheine wäret, und ich wäre todt. So rettet'ich die Ehre, da ich euch soll bestehn! Esist noch nie an Degen von Freunden üblergeschehn." "Nun lohn euch Gott, Herr Rüdiger," sprach wieder Gernot, 2297 "Eurerreichen Gabe. Mich jammert euer Tod,Soll an euch verderben so tugendlicherMuth. Hier trag ich eure Waffe, die ihr mirgabet, Degen gut. "Sie hat mir noch nie versagt in alldieser Noth: 2298 Es fiel vor ihrerSchärfe mancher Ritter todt. Sie ist starkund lauter, herrlich und gut: Gewiss, soreiche Gabe kein Recke je wieder thut. "Und wollt ihr es nicht meiden und wolltihr uns bestehn, 2299 Erschlagt ihr mirdie Freunde, die hier noch bei mir stehn,Mit euerm Schwerte nehm ich Leben euch

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und Leib. So reut ihr mich, Rüdiger, undeuer herrliches Weib." "Das wolle Gott, Herr Gernot, und möchtes geschehn, 2300 Daß hier nacheuerm Willen Alles könnt ergehn Undeuern Freunden bleiben Leben möchtund Leib, Euch sollten wohl vertrauen meine Tochter und mein Weib." Da sprach von Burgunden der schönenUte Kind: 2301 "Wie thut ihr so,Herr Rüdiger? Die mit mir kommen sind,Die sind euch all gewogen; ihr greift übelzu: Eure schöne Tochter wollt ihrverwitwen allzufruh. "Wenn ihr und eure Recken mich wolltim Streit bestehn, 2302 Wie wär dasunfreundlich, wie wenig ließ' es sehn,Daß ich euch vertraute vor jedem andernMann, Als ich eure Tochter mir zum

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Weibe gewann." "Gedenkt eurer Treue," sprach daRüdiger. 2303 Und schickteuch Gott von hinnen, viel edler Könighehr, "So laßt es nicht entgelten die liebeTochter mein: Bei aller Fürsten Tugend geruht ihr gnädig zu sein." "So sollt ichs billig halten," sprachGeiselher das Kind; 2304 "Doch meinehohen Freunde, die noch im Saal hiersind, Wenn die von euch ersterben, somuß geschieden sein Diese stäteFreundschaft zu dir und der Tochterdein." "Nun möge Gott uns gnaden," sprachder kühne Mann. 2305 Da hobensie die Schilde und wollten nun hinan Zustreiten mit den Gästen in KriemhildensSaal. Laut rief da Hagen von der Stiege

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her zu Thal: "Verzieht noch eine Weile, viel edlerRüdiger," 2306 Also sprach daHagen: "wir reden erst noch mehr, Ichund meine Herren, wie uns zwingt dieNoth. Was hilft es Etzeln, finden wir in derFremde den Tod? "Ich steh in großen Sorgen," sprachwieder Hagen, 2307 "Der Schild,den Frau Gotlind mir gab zu tragen, Denhaben mir die Heunen zerhauen vor derHand; Ich bracht ihn doch in Treuen herin König Etzels Land. "Daß es Gott vom Himmel vergönnenwollte, 2308 Daß ich so gutenSchildrand noch tragen sollte, Als du hastvor den Händen, viel edler Rüdiger: Sobedürft ich in dem Sturme keinerHalsberge mehr."

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"Wie gern wollt ich dir dienen mitmeinem Schilde, 2309 Dürft ich dirihn bieten vor Kriemhilde. Doch nimm ihnhin, Hagen, und trag ihn an der Hand:Hei! dürftest du ihn führen heim in derBurgunden Land!" Als er den Schild so willig zu geben sicherbot, 2310 Die Augen wurdenVielen von heißen Thränen roth. Es warDie letzte Gabe: es dürft hinfort nichtmehr Einem Degen Gabe bieten vonBechlaren Rüdiger. Wie grimmig auch Hagen, wie hart auchwar sein Muth, 2311 Ihn erbarmtedoch die Gabe, die der Degen gut So nahseinem Ende noch hatt an ihn gethan.Mancher edle Ritter mit ihm zu trauernbegann.

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"Nun lohn euch Gott im Himmel, vieledler Rüdiger. 2312 Es wird euresGleichen auf Erden nimmermehr, Derheimathlosen Degen so milde Gabegebe. So möge Gott gebieten, daß eureMilde immer lebe." "O weh mir dieser Märe," sprach wiederHagen. 2313 "Wir hattenHerzensschwere schon so viel zu tragen:Das müße Gott erbarmen, gilts uns mitFreunden Streit!" Da sprach der Markgrafwieder: "Das ist mir inniglich leid." "Nun lohn ich euch die Gabe, viel edlerRüdiger: 2314 Was euch auchwiderfahre von diesen Recken hehr, Essoll euch nicht berühren im Streit meineHand, Ob ihr sie all erschlüget Die vonder Burgunden Land." Da neigte sich ihm dankend der gute

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Rüdiger. 2315 Die Leuteweinten alle: Daß nicht zu wenden mehrDieser Herzensjammer, das war zu großeNoth. Der Vater aller Tugend fand anRüdiger den Tod. Da sprach von der Stiege Volker derFiedelmann: 2316 "Da meinGeselle Hagen euch trug den Frieden an,So biet ich auch so stäten euch vonmeiner Hand. Das habt ihr wohl verdientan uns, da wir kamen in das Land. "Viel edler Markgraf, mein Bote werdethier: 2317 Diese rothenSpangen gab Frau Gotlinde mir, Daß ichsie tragen sollte bei dieser Lustbarkeit:Ich thu es, schauet selber, daß ihr desmein Zeuge seid." "Wollt es Gott vom Himmel," sprach daRüdiger, 2318 "Daß euch die

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Markgräfin noch geben dürfte mehr. DieMäre sag ich gerne der lieben Trautenmein, Seh ich gesund sie wieder: Dessollt ihr außer Zweifel sein." Nach diesem Angeloben Den Schild hobRüdiger, 2319 Sein Muth begannzu toben: nicht länger säumt' er mehr. Auflief er zu den Gästen wohl einem Reckengleich. Viel kraftvolle Schläge schlug dadieser Markgraf reich. Volker und Hagen traten beiseit, 2320 Wie ihm verheißen hatten die Degen allbereit. Noch traf er bei denThüren so manchen Kühnen an, DaßRüdiger die Feindschaft mit großenSorgen begann. Aus Mordbegierde ließen ihn ins Haushinein 2321 Gernot undGunther; das mochten Helden sein.

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Zurück wich da Geiselher: fürwahr, eswar ihm leid; Er versah sich noch desLebens, drum mied er Rüdigern im Streit. Da sprangen zu den Feinden Die inRüdgers Lehn. 2322 Hinter ihremHerren sah man sie kühnlich gehn.Schneidende Waffen trugen sie an derHand: Da zerbrachen viel der Helme undmancher herrliche Rand. Da schlugen auch die Müden nochmanchen schnellen Schlag 2323 Aufdie von Bechlaren, der tief und ebenbrach Durch die festen Panzer und drangbis auf das Blut. Sie frommten in demSturme viel Wunder herrlich und gut. Das edle Heergesinde war alle nun imSaal. 2324 Volker und Hagen die sprangen hin zumal: Sie gabenNiemand Frieden als dem Einen Mann.

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Das Blut von ihren Hieben von denHelmen niederrann. Wie da der Schwerter Tosen so grimmigerklang, 2325 Daß unter ihrenSchlägen das Schildgespänge sprang!Die Schildsteine rieselten getroffen in dasBlut. Da fochten sie so grimmig, wie manes nie wieder thut. Der Vogt von Bechlaren schuf hin undher sich Bahn, 2326 Wie Einer dermit Ungestüm im Sturme werben kann.Des Tages ward an Rüdiger herrlichoffenbar, Daß er ein Recke wäre, kühnund ohne Tadel gar. Hier standen diese Recken, Gunther undGernot, 2327 Sie schlugen indem Streite viel der Helden todt.Geiselhern und Dankwart am Heile weniglag: Da brachten sie noch Manchen hin zu

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seinem jüngsten Tag. Wohl erwies auch Rüdiger, daß er starkwar genug, 2328 Kühn und wohlgewaffnet: hei, was er Helden schlug! Dassah ein Burgunde, da schuf der Zorn ihmNoth: Davon begann zu nahen des edelnRüdiger Tod. Gernot der starke rief den Helden an. 2329 Er sprach zumMarkgrafen: "Ihr wollt mir keinen MannDer Meinen leben laßen, viel edlerRüdiger. Das schmerzt mich ohne Maßen: ich ertrag es nicht länger mehr. "Nun mag euch eure Gabe wohl zuUnstatten kommen, 2330 Da ihrmir der Freunde habt so viel genommen.Nun bietet mir die Stirne, ihr edlerkühner Mann: So verdien ich eure Gabe, so gut ich immer nur kann."

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Bevor da der Markgraf zu ihmgedrungen war. 2331 Wardnoch getrübt vom Blute manch lichterHarnisch klar. Da liefen sich einander dieEhrbegiergen an: jedweder sich zuschirmen vor starken Wunden begann. Doch schnitten ihre Schwerter, esschützte nichts dagegen. 2332 Daschlug den König Gernot Rüdiger derDegen Durch den steinharten Helm, daßniederfloß das Blut: Das vergalt alsbaldihm dieser Ritter kühn und gut. Hoch schwang er Rüdgers Gabe, die inder Hand ihm lag; 2333 Wie wund erwar zum Tode, er schlug ihm einenSchlag Auf des Helmes Bänder und durchden festen Schild, Davon ersterben muste der gute Rüdiger mild.

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So reicher Gabe übler gelohnt wardnimmermehr. 2334 Da fielenbeid erschlagen, Gernot und Rüdiger, ImSturm gleichermaßen von beiderKämpfer Hand. Da erst ergrimmte Hagen, als er den großen Schaden fand. Da sprach der Held von Tronje: "Es istuns schlimm bekommen. 2335 Sogroßen Schaden haben wir an den Zweingenommen, Daß wir ihn nie verwinden, ihr Volk noch ihr Land. Uns Heimathlosenbleiben nun Rüdgers Helden zu Pfand." Da wollte Keiner weiter dem Andernwas vertragen: 2336 Mancherward darnieder unverletzt geschlagen,Der wohl noch wär genesen: ob ihm warsolcher Drang, Wie heil er sonst gewesen, daß er im Blute doch ertrank. "Weh mir um den Bruder! der fiel hier in

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den Tod. 2337 Was mir zu allenStunden für leide Märe droht! Auch mußmich immer reuen mein SchwäherRüdiger: Der Schad ist beidenthalben und großen Jammers Beschwer." Als der junge Geiselher sah seinenBruder todt, 2338 Die noch imSaale waren, die musten leiden Noth. DerTod suchte eifrig, wo sein Gesinde wär:Deren von Bechelaren entgieng keinEinziger mehr. Gunther und Hagen und auch Geiselher, 2339 Dankwart und Volker, die guten Degen hehr, Die giengen zu derStelle, wo man sie liegen fand: Wiejämmerlich da weinten diese Heldenauserkannt! "Der Tod beraubt uns übel," sprachGeiselher das Kind. 2340 "Nun laßt

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euer Weinen und gehn wir an den Wind,Daß sich die Panzer kühlen unsstreitmüden Degen: Es will nicht Gott vomHimmel, daß wir länger leben mögen." Den sitzen, den sich lehnen sah manmanchen Mann. 2341 Sie warenwieder müßig. Die Rüdgern unterthanWaren all erlegen; verhaßt war dasGetos. So lange blieb es stille, daß esEtzeln verdroß. "O weh dieses Leides!" sprach dieKönigin. 2342 "Sie sprechenallzulange; unsre Feinde drin Mögenwohl heil verbleiben vor Rüdigers Hand:Er will sie wiederbringen heim in derBurgunden Land. "Was hilfts, König Etzel, daß wir an ihnvertan, 2343 Was er nurbegehrte? Er that nicht wohl daran: Der

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uns rächen sollte, der will der Sühnepflegen." Da gab ihr Volker Antwort, dieser zierliche Degen: "Dem ist nicht also leider, viel edelKönigsweib. 2344 Und dürft ichLügen strafen ein so hehres Weib, Sohättet ihr recht teuflisch Rüdigernverlogen. Er und seine Degen sind umdie Sühne gar betrogen. "So williglich vollbracht er, was ihm seinHerr gebot, 2345 Daß er und seinGesinde hier fielen in den Tod. Nun sehteuch um, Frau Kriemhild, wem ihrgebieten wollt: Euch war bis an sein Ende Rüdiger getreu und hold. "Wollt ihr mir nicht glauben, so schautes selber an." 2346 Zu ihremHerzeleide ward es da gethan: Man trugihn hin erschlagen, wo ihn der König sah.

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König Etzels Mannen wohl nimmer leidergeschah. Da sie den Markgrafen todt sahn vorsich tragen, 2347 Da vermöchteuch kein Schreiber zu schildern noch zusagen Die ungebärdge Klage so vonWeib als Mann, Die sich ausHerzensjammer da zu erzeigen begann. König Etzels Jammern war so stark undvoll, 2348 Wie eines LöwenStimme dem reichen König scholl DerWehruf der Klage; auch ihr schufs großeNoth; Sie weinten übermäßig um desguten Rüdger Tod. * * * * *

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Achtunddreißigstes Abenteuer. Wie Dietrichens Recken alle erschlagenwurden. Der Jammer allenthalben zu solchemMaße schwoll, 2349 Daß von derWehklage Pallas und Thurm erscholl. Davernahm es auch ein Berner, DietrichsUnterthan: Der schweren Botschaft willen wie eilends kam er heran! Da sprach er zu dem Fürsten: "Hörtmich, Herr Dieterich, 2350 Was ichnoch je erlebte, so herzensjämmerlichHört ich noch niemals klagen, als ich jetztvernahm. Ich glaube, daß der König nunselber zu der Hochzeit kam, "Wie wären sonst die Leute all in solcherNoth? 2351 Der König oder

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Kriemhild Eins ward dem Tod Von denkühnen Gästen in ihrem Zorn gesellt. Esweint übermäßig mancher auserwählteHeld." Da sprach der Vogt von Berne: "IhrGetreun in meinem Lehn, 2352 Seidnicht allzu eilig: was hier auch istgeschehn Von den Heimathlosen, siezwang dazu die Noth: Nun laßt sie desgenießen, daß ich ihnen Frieden bot." Da sprach der kühne Wolfhart: "Ich willzum Saale gehn, 2353 Der Märenachzufragen, was da sei geschehn, Undwill euch dann berichten, viel lieberHerre mein, Wenn ich es dort erkunde, wie die Sache möge sein." Da sprach der edle Dietrich: "Wenn mansich Zorns versieht 2354 Undungestümes Fragen zur Unzeit dann

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geschieht, Das betrübt den Recken allzuleicht den Muth: Drum will ich nicht,Wolfhart, daß ihr die Frage da thut." Da bat er Helfrichen hin zu gehngeschwind, 2355 Ob ererkundgen möge bei Etzels IngesindOder bei den Gästen, was da wärgeschehn. Da wurde nie bei Leuten sogroßer Jammer gesehn. Der Bote kam und fragte: "Was ist hiergeschehn?" 2356 Da ward ihm zumBescheide: "Nun must uns auch zergehnDer Trost, der uns geblieben noch war inHeunenland: Hier liegt erschlagen Rüdiger von der Burgunden Hand. "Nicht Einer ist entkommen, der mit ihmgieng hinein." 2357 Das konnteHelfrichen nimmer leider sein. Wohlmocht er seine Märe noch nie so ungern

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sagen: Er kam zu Dietrichen zurück mitWeinen und Klagen. "Was bringt ihr uns für Kunde?" sprachda Dieterich, 2358 "Wie weint ihr soheftig, Degen Helferich?" Da sprach deredle Recke: "Wohl hab ich Grund zuklagen. Den guten Rüdger haben dieBurgunden erschlagen." Da sprach der Held von Berne: "Daswolle nimmer Gott. 2359 Eine starkeRache wär es und des Teufels Spott. Wiehätt an ihnen Rüdiger verdient solchenSold? Ich weiß wohl die Kunde, er ist denFremdlingen hold." Da sprach der kühne Wolfhart: "Und wäres geschehn, 2360 So sollt es ihnenAllen an Leib und Leben gehn. Wenn wirsertragen wollten, es brächt uns Spott undSchand, Uns bot so große Dienste des

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guten Rüdiger Hand." Der Vogt von Amelungen erfragt' esgern noch mehr. 2361 In einFenster setzt' er sich, ihm war das Herz soschwer. Da hieß er Hildebranden zu denGästen gehn, Bei ihnen zu erforschen, was da wäre geschehn. Der sturmkühne Recke, MeisterHildebrand, 2362 WederSchild noch Waffen trug er an der Hand.Er wollt in seinen Züchten zu den Gästengehn; Von seiner Schwester Kinde muster sich gescholten sehn. Da sprach der grimme Wolfhart: "Gehtihr dahin so bloß, 2363 So kommt ihrungescholten nimmer wieder los: So müstihr dann mit Schanden thun dieWiederfahrt; Geht ihr dahin in Waffen, soweiß ich, daß es Mancher spart."

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Da rüstete der Alte sich nach des JungenRath. 2364 Eh Hildbrand esgewahrte, standen in ihrem Staat DieRecken Dietrichs alle, die Schwerter inder Hand. Leid war das dem Helden, erhätt es gern noch abgewandt. Er frag, wohin sie wollten. "Wir wollenmit euch hin; 2365 Ob von TronjeHagen wohl dann noch ist so kühn, MitSpott zu euch zu reden, wie ihm zu thungefällt?" Als er die Rede hörte, erlaubt' esihnen der Held. Da sah der kühne Volker wohlgewaffnetgehn 2366 Die Recken vonBerne in Dietrichens Lehn, Die Schwerterumgegürtet, die Schilde vor der Hand: Ersagt' es seinen Herren aus der BurgundenLand.

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Da sprach der Fiedelspieler: "Dortenseh ich nahn 2367 Recht inFeindesweise Die Dietrich unterthan,Gewaffnet unter Helmen: sie wollen unsbestehn. Nun wird es an das Ueble mituns Fremdlingen gehn." Es währte nicht lange, so kam auchHildebrand: 2368 Da setzt' er vordie Füße seinen Schildesrand Undbegann zu fragen Die Gunthernunterthan: "O weh, ihr guten Degen, washatt euch Rüdiger gethan? "Mich hat mein Herr Dietrich her zu euchgesandt, 2369 Ob erschlagenliege, Helden, von eurer Hand Dieseredle Markgraf, wie man uns gabBescheid? Wir könnten nicht verwinden also schweres Herzeleid." Da sprach der grimme Hagen: "Die Mär

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ist ungelogen, 2370 Wie gern ichseuch gönnte, wärt ihr damit betrogen,Rüdigern zu Liebe: so lebt' er uns noch,Den nie genug beweinen mögen Fraunund Mannen doch." Als sie das recht vernahmen, Rüdiger seitodt, 2371 Da beklagten ihn dieRecken, wie ihre Treu gebot. DietrichensMannen sah man die Thränen gehnUebern Bart zum Kinne: viel Leid warihnen geschehn. Siegstab der Herzog von Bern sprachzuhand: 2372 "O weh, wie alldie Güte hier gar ein Ende fand, Die unsRüdiger hier schuf nach unsers LeidesTagen: Der Trost der Heimathlosen liegtvon euch Degen erschlagen." Da sprach von Amelungen der DegenWolfwein: 2373 "Und wenn ich

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vor mir liegen hier säh, den Vater mein,Mir würde nimmer leider als um RüdgersTod. O weh, wer soll nun trösten dieMarkgräfin in ihrer Noth?" Do sprach im Zornmuthe der kühneWolfhart: 2374 "Wer leitet nundie Recken auf mancher Heerfahrt, Wievon dem Markgrafen so oft geschehenist? O weh, viel edler Rüdiger, daß du unsso verloren bist!" Wolfbrand und Helferich und auchHelmnot 2375 Mit allen ihrenFreunden beweinten seinen Tod. Nichtmehr fragen mochte vor SeufzenHildebrand: So thut denn, ihr Degen, warum mein Herr uns gesandt. "Gebt uns den todten Rüdiger aus demSaal, 2376 An dem all unsreFreude erlitt den Jammerfall. Laßt uns

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ihm so vergelten, was er an uns gethanHat mit großer Treue und an manchemfremden Mann. "Wir sind hier auch Vertriebene wieRüdiger der Degen. 2377 Wie laßt ihruns warten? Laßt uns ihn aus den WegenTragen und im Tode lohnen noch demMann: Wir hätten es wohl billig beiseinem Leben gethan." Da sprach der König Gunther: "Nie warein Dienst so gut, 2378 Als den einFreund dem Freunde nach dem Todethut. Das nenn ich stäte Treue, wenn mandas leisten kann: Ihr lohnt ihm nachVerdienste, er hat euch Liebes gethan." "Wie lange solln wir flehen?" sprachWolfart der Held." 2379 "Da unserTrost der beste liegt von euch gefällt, Undwir ihn nun leider nicht länger mögen

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haben, Laßt uns ihn hinnen tragen, daßwir den Recken begraben." Zur Antwort gab ihm Volker: "Manbringt ihn euch nicht her, 2380 Holt ihnaus dem Hause, wo der Degen hehr Mittiefen Herzenswunden gefallen ist insBlut: So sind es volle Dienste, die ihr hierRüdigern thut." Da sprach der kühne Wolfhart: "Gottweiß, Herr Fiedelmann, 2381 Ihr müßtuns nicht noch reizen; ihr habt uns Leidgethan. Dürft ichs vor meinem Herren, sokämt ihr drum in Noth; Doch müßen wir eslaßen, weil er den Streit uns verbot." Da sprach der Fiedelspieler: "Derfürchtet sich zu viel, 2382 Der, wasman ihm verbietet, Alles laßen will: Daskann ich nimmer heißen rechtenHeldenmuth." Die Rede dauchte Hagnen

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von seinem Heergesellen gut. "Wollt ihr den Spott nicht laßen," fiel ihmWolfhart ein, 2383 "Ich verstimm euchso die Saiten, daß ihr noch am Rhein,Wenn je ihr heimreitet, habt davon zusagen. Euer Ueberheben mag ich mitEhren nicht ertragen." Da sprach der Fiedelspieler: "Wenn ihrden Saiten mein 2384 Die guten Töneraubtet, eures Helmes Schein Müste trübewerden dabei von meiner Hand, Wie ichhalt auch reite in der Burgunden Land." Da wollt er zu ihm springen doch bliebnicht frei die Bahn. 2385 Hildebrandsein Oheim hielt ihn mit Kräften an. "Ichseh, du willst wüthen in deinem dummenZorn; Nun hätten wir auf immer meinesHerren Huld verlorn."

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"Laßt los den Leuen, Meister, er hat sogrimmigen Muth; 2386 Doch kommter mir zu nahe," sprach Volker der Degengut, "Hätt er mit seinen Händen die ganzeWelt erlagen, Ich schlag ihn, daß ernimmermehr ein Widerwort weiß zusagen." Darob ergrimmte heftig den Bernernder Muth. 2387 Den Schildruckte Wolfhart, ein schneller Recke gut,Gleich einem wilden Leuen lief er auf ihnan. Die Schar seiner Freunde ihm rasch zufolgen begann. Mit weiten Sprüngen setzt' er bis vor desSaales Wand; 2388 Doch ereilt' ihnvor der Stiege der alte Hildebrand: Erwollt ihn vor ihm selber nicht laßen inden Streit. Zu ihrem Willen fanden siegern die Gäste bereit.

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Da sprang hin zu Hagen MeisterHildebrand: 2389 Man hörteWaffen klingen an der Helden Hand. Siewaren sehr im Zorne, das zeigte sichgeschwind: Von der Beiden Schwertern gieng der feuerrothe Wind. Da wurden sie geschieden in desStreites Noth: 2390 Das thatendie von Berne, wie Kraft und Muth gebot.Als sich von Hagen wandte MeisterHildebrand, Da kam der starke Wolfhart auf den kühnen Volker gerannt. Auf den Helm dem Fiedler schlug ersolchen Schwang, 2391 Daß desSchwertes Schärfe durch die Spangendrang. Das vergalt mit Ungestüm derkühne Fiedelmann: Da schlug erWolfharten, daß er zu sprühen begann. Feuers aus den Panzern hieben sie

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genug; 2392 Grimmen HaßJedweder zu dem Andern trug. Da schiedsie von Berne der Degen Wolfwein; Wärer kein Held gewesen, so konnte dasnimmer sein. Gunther der kühne mit williger Hand 2393 Empfieng die hehrenHelden aus Amelungenland. Geiselherder junge die lichten Helme gut Macht' erin dem Sturme Manchem naß und rothvon Blut. Dankwart, Hagens Bruder, war eingrimmer Mann: 2394 Was erzuvor im Streite Herrliches gethan AnKönig Etzels Recken, das schien nun garein Wind: Nun erst begann zu toben deskühnen Aldrians Kind. Ritschart und Gerbart, Helfrich undWichart 2395 In manchen

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Stürmen hatten die selten sich gespart:Das ließen sie wohl schauen die inGunthers Lehn. Da sah man Wolfbranden in dem Sturme herrlich gehn. Da focht, als ob er wüthe, der alteHildebrand. 2396 Viel guteRecken musten vor Wolfhartens Hand Aufden Tod getroffen sinken in das Blut: Sorächten Rüdgers Wunden diese Reckenkühn und gut. Da focht der Herzog Siegstab, wie ihmder Zorn gebot. 2397 Hei! was harterHelme brach in des Sturmes Noth Anseinen Feinden DietrichensSchwestersohn! Er konnt in dem Sturme nicht gewaltiger drohn. Volker der Starke, als er das ersah, 2398 Wie Siegstab der kühne aus Panzerringen da Bäche Blutes holte,

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das schuf dem Biedern Zorn: Er sprangihm hin entgegen: da hatte hier baldverlorn Von dem Fiedelspieler das LebenSiegstab: 2399 Volker ihmseiner Künste so vollen Anteil gab, Er fielvon seinem Schwerte nieder in den Tod.Der alte Hilbrand rächte das, wie ihmsein Eifer gebot. "O weh des lieben Herren," sprachMeister Hildebrand, 2400 "Der unshier erschlagen liegt von Volkers Hand!Nun soll der Fiedelspieler auch längernicht gedeihn." Hildebrand der kühne wie könnt er grimmiger sein. Da schlug er so auf Volker, daß von desHelmes Band 2401 Die Splitterallwärts stoben bis zu des Saales Wand,Vom Helm und auch vom Schilde dem

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kühnen Spielmann; Davon der starkeVolker nun auch sein Ende gewann. Da drangen zu dem Streite Die inDietrichs Lehn: 2402 Sie schlugen,daß die Splitter sich wirbelnd mustendrehn Und man der Schwerter Enden indie Höhe fliegen sah. Sie holten aus denHelmen heiße Blutbäche da. Nun sah von Tronje Hagen Volker denDegen todt: 2403 Das war ihm beider Hochzeit die allergröste Noth, Die ergewonnen hatte an Freund undUnterthan! O weh, wie grimmig Hagen den Freund zu rächen begann! "Nun soll es nicht genießen der alteHildebrand: 2404 Mein Gehilfeliegt erschlagen von des Helden Hand,Der beste Heergeselle, den ich jegewann." Den Schild rückt' er höher, so

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gieng er hauend hindann. Helferich der starke Dankwarten schlug: 2405 Gunthern undGeiselhern war es leid genug, Als sie ihnfallen sahen in der starken Noth; Dochhatten seine Hände wohl vergolten seinenTod. So viel aus manchen Landen hier Volksversammelt war, 2406 Viel Fürstenkraftgerüstet gegen die kleine Schar,Wären die Christenleute nicht wider siegewesen, Durch ihre Tugend mochten sie vor allen Heiden wohl genesen. Derweil schuf sich Wolfhart hin undwieder Bahn, 2407 Allesniederhauend, was Gunthern unterthan.Er machte nun zum dritten Mal die Rundedurch den Saal: Da fiel von seinen Händen gar mancher Recke zu Thal.

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Da rief der starke Geiselher Wolfhartenan: 2408 "O weh, daß ich sogrimmen Feind je gewann! Kühner Ritteredel, nun wende dich hieher! Ich will eshelfen enden, nicht länger trag ich esmehr." Zu Geiselheren wandte sich Wolfhart inden Streit. 2409 Da schlugen sichdie Recken manche Wunde weit. Mitsolchem Ungestüme er zu dem Königdrang, Daß unter seinen Füßen übersHaupt das Blut ihm sprang. Mit schnellen grimmen Schlägen derschönen Ute Kind 2410 Empfieng daWolfharten, den Helden hochgesinnt.Wie stark auch war der Degen, wie sollter hier gedeihn? Es konnte nimmer kühner ein so junger König sein.

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Da schlug er Wolfharten durch einenHarnisch gut, 2411 Daß ihm ausder Wunde niederschoß das Blut: ZumTode war verwundet DietrichensUnterthan. Wohl must er sein ein Recke, der solche Werke gethan. Als der kühne Wolfhart die Wund ansich empfand, 2412 Den Schildließ er fallen: höher in der Hand Hob erein starkes Waffen, das war wohl scharfgenug: Durch Helm und Panzerringe derDegen Geiselhern schlug. Den grimmen Tod einander hatten sieangethan. 2413 Da lebt' auchNiemand weiter, der Dietrich unterthan.Hildebrand der alte Wolfharten fallensah: Gewiss vor seinem Tode solch Leidihm nimmer geschah. Erstorben waren Alle Die in Gunthers

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Lehn 2414 Und Die inDietrichens. Hilbranden sah man gehn,Wo Wolfhart war gefallen nieder in dasBlut. Er umschloß mit Armen den Degenbieder und gut. Er wollt ihn aus dem Hause tragen mitsich fort; 2415 Er war zu schwerdoch, laßen must ihn der Alte dort. Dablickt' aus dem Blute der todwunde Mann:Er sah wohl, sein Oheim hülfe gern ihmhindann. Da sprach der Todwunde: "Viel lieberOheim mein, 2416 Mir kann zudieser Stunde eure Hülfe nicht gedeihn.Nun hütet euch vor Hagen, fürwahr, ichrath euch gut: Der tragt in seinem Herzen einen grimmigen Muth. "Und wollen meine Freunde im Todemich beklagen, 2417 Den

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nächsten und den besten sollt ihr von mirsagen, Daß sie nicht um mich weinen, dasthu nimmer Noth: Von eines KönigsHänden fand ich hier herrlichen Tod. "Ich hab auch so vergolten mein Sterbenhier im Saal, 2418 Das schafft nochden Frauen der guten Ritter Qual. WillsJemand von euch wißen, so mögt ihrkühnlich sagen: Von meiner Hand alleine liegen hundert wohl erschlagen. Da gedacht auch Hagen an denFiedelmann, 2419 Dem deralte Hildebrand das Leben abgewann: Dasprach er zu dem Kühnen: "Ihr entgeltetnun mein Leid. Ihr habt uns hierbenommen manchen Recken kühn imStreit." Er schlug auf Hildebranden daß manwohl vernahm 2420 Balmungen

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dröhnen, den Siegfrieden nahm Hagender kühne, als er den Helden schlug. Dawehrte sich ser Alte: er war auch streitbargenug. Wolfhartens Oheim ein breites Waffenschwang 2421 Auf Hagen vonTronje, das scharf den Stahl durchdrang:Doch konnt er nicht verwunden GunthersUnterthan. Da schlug ihm Hagen wieder durch einen Harnisch wohlgetan. Als da Meister Hildebrand die Wunderecht empfand, 2422 Besorgt' ergrößern Schaden noch von Hagens Hand.Den Schild warf auf den Rücken DietrichsUnterthan: Mit der starken Wunde derHeld vor Hagen entrann. Da lebt' auch von allen den DegenNiemand mehr 2423 Als Guntherund Hagen, die beiden Recken hehr. Mit

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Blut gieng beronnen der alte Hildebrand:Er brachte leide Märe, da er Dietrichenfand. Schwer bekümmert sitzen sah er da denMann: 2424 Noch größernLeides Kunde nun der Fürst gewann. Alser Hildebranden im Panzer sah so roth,Da fragt' er nach der Ursach, wie ihm dieSorge gebot. "Nun sagt mir, Meister Hildebrand, wieseid ihr so naß 2425 Von demLebensblute? oder wer that euch das? Ihrhabt wohl mit den Gästen gestritten indem Saal? Ihr ließt es billig bleiben, wieich so dringend befahl." Da sagt' er seinem Herren: "Hagen thates mir: 2426 Der schlug mir indem Saale diese Wunde hier, Als ich vondem Recken zu wenden mich begann.

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Kaum daß ich mit dem Leben noch demTeufel entrann." Da sprach der von Berne: "Gar recht isteuch geschehen, 2427 Da ihr michFreundschaft hörtet den Reckenzugestehn Und doch den Frieden brachet, den ich ihnen bot: Wär mirs nicht ewigSchande, ihr solltets büßen mit dem Tod." "Nun zürnt mir, Herr Dietrich, darobnicht allzusehr: 2428 An mir undmeinen Freunden ist der Schade gar zuschwer. Wir wollten Rüdger gerne tragenaus dem Saal: Das wollten uns nichtgönnen die, welchen Gunther befahl." "O weh mir dieses Leides! Ist Rüdigerdoch todt? 2429 Das muß mir seinein Jammer vor all meiner Noth. Gotelinddie edle ist meiner Base Kind: O weh derarmen Waisen, die dort zu Bechlaren

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sind!" Herzeleid und Kummer schuf ihm seinTod: 2430 Er hub an zuweinen: den Helden zwang die Noth. "Oweh der treuen Hülfe, die mir an ihmerlag, König Etzels Degen, den ich nieverschmerzen mag. "Könnt ihr mir, Meister Hildebrand, rechte Kunde sagen, 2431 Wie derRecke heiße, der ihn hat erschlagen?" Ersprach "Das that mit Kräften der starkeGernot; Von Rüdigers Händen fand auchder König den Tod." Er sprach zu Hilbranden: "So sagt denMeinen an, 2432 Daß sie alsbaldsich waffnen, so geh ich selbst hinan. Undbefehlt, daß sie mir bringen mein lichtesStreitgewand: Ich selber will nun fragen die Helden aus Burgundenland."

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Da sprach Meister Hildebrand: "Wer sollmit euch gehn? 2433 Die euch amLeben blieben, die seht ihr vor euchstehn: Das bin ich ganz alleine; dieAndern die sind todt." Da erschrak erdieser Märe, es schuf ihm wahrhafte Noth, Daß er auf Erden nimmer noch solchesLeid gewann. 2434 Er sprach:"Und sind erstorben all Die mir unterthan,So hat mein Gott vergeßen, ich, armerDietrich! Ich herrscht' ein mächtger König einst hehr und gewaltiglich." Wieder sprach da Dietrich: "Wie könntes nur geschehn, 2435 Daß sie allerstarben, die Helden ausersehn, Vorden Streitmüden, die doch gelitten Noth?Mein Unglück schufs alleine, sonstverschonte sie der Tod!

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"Wenn dann mein Unheil wollte, essollte sich begeben, 2436 So sprecht,blieb von den Gästen Einer noch amLeben?" Da sprach Meister Hildebrand: "Das weiß Gott, Niemand mehr Als Hagenganz alleine und Gunther der Könighehr." "O weh, lieber Wolfhart, und hab ichdich verloren, 2437 So mag michbald gereuen, daß ich je ward geboren.Siegstab und Wolfwein und auchWolfbrand: Wer soll mir denn helfen inder Amelungen Land? "Helferich der kühne, und ist mir dererschlagen, 2438 Gerbart undWichard, wann hör ich auf zu klagen? Dasist aller Freuden mir der letzte Tag. Oweh, daß vor Leide Niemand dochersterben mag!"

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* * * * *

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Neununddreißigstes Abenteuer. Wie Gunther, Hagen und Kriemhilderschlagen wurden. Da suchte sich Herr Dietrich selber seinGewand; 2439 Ihm half, daß ersich waffnete, der alte Hildebrand. Daklagte so gewaltig der kraftvolle Mann,Daß von seiner Stimme das Haus zuschüttern begann. Dann gewann er aber wieder rechtenHeldenmuth. 2440 Im Grimmward gewaffnet da der Degen gut. SeinenSchild, den festen, den nahm er an dieHand: Sie giengen bald von dannen, erund Meister Hildebrand. Da sprach von Tronje Hagen: "Dort sehich zu uns gehn 2441 Dietrich den

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Herren: der will uns bestehn Nach demgroßen Leide, das wir ihm angethan. Nunsoll man heute schauen, wen man denBesten nennen kann. "Und dünkt sich denn von Berne derDegen Dieterich 2442 Gar sostarkes Leibes und so fürchterlich. Undwill ers an uns rächen was ihm istgeschehn," Also sprach da Hagen, "ichbin wohl Mann ihn zu bestehn." Die Rede hörte Dietrich mit MeisterHildebrand. 2443 Er kam, wo erdie Recken beide stehen fand Außen vordem Hause, gelehnt an den Saal. SeinenSchild den guten, den setzte Dietrich zuThal. In leidvollen Sorgen sprach da Dietrich: 2444 "Wie habt ihr sogeworben, Herr Gunther, wider mich,

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Einen Heimathlosen? Was that ich euchwohl je, Daß alles meines Trostes ich nunverwaiset mich seh? "Ihr fandet nicht Genüge an der großenNoth, 2445 Als ihr unsRüdigeren, den Recken, schluget todt: Ihrmissgönntet sie mir alle, Die mirunterthan. Wohl hätt ich solchen Leides euch Degen nimmer gethan. "Gedenkt an euch selber und an euerLeid, 2446 Eurer FreundeSterben und all die Noth im Streit, Ob eseuch guten Degen nicht beschwert denMuth. O weh, wie so unsanft mir der TodRüdigers thut! "So leid geschah auf Erden Niemandenje. 2447 Ihr gedachtet wenig an mein und euer Weh. Was ich Freudenhatte, das liegt von euch erschlagen:

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Wohl kann ich meine Freunde nimmergenug beklagen." "Wir sind wohl nicht so schuldig," sprach Hagen entgegen. 2448 "Zudiesem Hause kamen alle eure Degen Mitgroßem Fleiß gewaffnet in einer breitenSchar. Man hat euch wohl die Märe nichtgesagt, wie sie war." "Was soll ich andere glauben? mir sagtHildebrand: 2449 Euch batenmeine Recken vom Amelungenland, Daßihr ihnen Rüdigern gäbet aus dem Haus:Da botet ihr Gespötte nur meinen Reckenheraus." Da sprach der Vogt vom Rheine: "Siewollten Rüdgern tragen, 2450 Sagtensie, von hinnen: das ließ ich versagenEtzeln zum Trotze, nicht aber deinemHeer, Bis darob zu schelten Wolfhart

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begann, der Degen hehr." Da sprach der Held von Berne: "Es solltenun so sein. 2451 Gunther, edlerKönig, bei aller Tugend dein Ersetze mirdas Herzeleid, das mir von dir geschehn;Versühn es, kühner Ritter, so laß ichsungerochen gehn. "Ergieb dich mir zum Geisel mit Hagendeinem Mann: 2452 So will icheuch behüten, so gut ich immer kann,Daß euch bei den Heunen hier NiemandLeides thut. Ihr sollt an mir erfahren, daßich getreu bin und gut." "Das verhüte Gott vom Himmel," sprachHagen entgegen, 2453 "Daß sich dirergeben sollten zwei Degen, Die noch involler Wehre dir gegenüber stehn, Daswär uns Unehre: die Feigheit soll nichtgeschehn."

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"Ihr solltets nicht verweigern," sprachwieder Dietrich. 2454 "Gunther undHagen, ihr habt so bitterlich Beide mirbekümmert das Herz und auch den Muth,Wollt ihr mir das vergüten, daß ihr esbilliglich thut. "Ich geb euch meine Treue, und reicheuch drauf die Hand, 2455 Daß ich miteuch reite heim in euer Land. Ich geleiteuch wohl nach Ehren, ich stürbe dennden Tod, Und will um euch vergeßen allmeiner schmerzhaften Noth." "Begehrt es nicht weiter," sprach wiederHagen: 2456 "Wie ziemt es, wenndie Märe wär von uns zu sagen, Daß zweiso kühne Degen sich ergäben eurerHand? Sieht man bei euch doch Niemand als alleine Hildebrand."

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Da sprach Meister Hildebrand: "Gottweiß, Herr Hagen, 2457 DenFrieden, den Herr Dietrich euch hatangetragen, Es kommt noch an die Stunde vielleicht in kurzer Frist, Daß ihr ihn gernenähmet, und er nicht mehr zu haben ist." "Auch nähm ich eh den Frieden," sprachHagen entgegen, 2458 "Eh ich mitSchimpf und Schande so vor einemDegen Flöhe, Meister Hildebrand, als ihrhier habt gethan: Ich wähnt auf meineTreue, ihr stündet beßer euerm Mann." Da sprach Meister Hildebrand: "Wasverweiset ihr mir das? 2459 Nun werwars, der auf dem Schilde vor demWasgensteine saß, Als ihm von SpanienWalther so viel der Freunde schlug?Wohl habt ihr an euch selber noch zurügen genug."

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Da sprach der edle Dietrich: "Wie ziemtsolchen Degen 2460 Sich mit Wortenschelten wie alte Weiber pflegen? Ichverbiet es, Meister Hildebrand sprechthier nicht mehr. Mich heimathlosenRecken zwingt so große Beschwer. "Laßt hören, Freund Hagen," sprach daDieterich, 2461 "Was spracht ihrzusammen, ihr Helden tugendlich, Als ihrmich gewaffnet sahet zu euch gehn? Ihrsagtet, ihr alleine wolltet mich im Streitbestehn." "Das wird euch Niemand läugnen," sprach Hagen entgegen, 2462 "Wohlwill ichs hier versuchen mit kräftigenSchlägen, Es sei denn, mir zerbreche dasNibelungenschwert: Mich entrüstet, daß zuGeiseln unser beider ward begehrt." Als Dietrich erhörte Hagens grimmen

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Muth, 2463 Den Schildbehende zuckte der schnelle Degen gut.Wie rasch ihm von der Stiege entgegenHagen sprang! Niblungs Schwert das gute auf Dietrichen laut erklang. Da wuste wohl Herr Dietrich, daß derkühne Mann 2464 GrimmenMuthes fechte; zu schirmen sich begannDer edle Vogt von Berne vor ängstlichenSchlägen. Wohl erkannt er Hagen, er warein auserwählter Degen. Auch scheut' er Balmungen, eine Waffestark genug. 2465 Nur unterweilenDietrich mit Kunst entgegenschlug Bisdaß er Hagen im Streite doch bezwang.Er schlug ihm eine Wunde die gar tiefwar und lang. Der edle Dietrich dachte: "Dichschwächte lange Noth; 2466 Mir

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brächt es wenig Ehre, gäb ich dir denTod. So will ich nur versuchen, ob ichdich zwingen kann, Als Geisel mir zufolgen." Das ward mit Sorgen gethan. Den Schild ließ er fallen: seine Stärke,die war groß; 2467 Hagnen vonTronje mit den Armen er umschloß. Soward von ihm bezwungen dieser kühneMann. Gunther der edle darob zu trauernbegann. Hagnen band da Dietrich und führt' ihn,wo er fand 2468 Kriemhild dieedle, und gab in ihre Hand Denallerkühnsten Recken, der je Gewaffentrug. Nach ihrem großen Leide ward sieda fröhlich genug. Da neigte sich dem Degen vor FreudenEtzels Weib: 2469 "Nun sei dirimmer selig das Herz und auch der Leib.

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Du hast mich wol entschädigt aller meinerNoth: Ich will dirs immer danken, esverwehr es denn der Tod." Da sprach der edle Dietrich: "Nun laßtihn am Leben, 2470 EdleKönigstochter: es mag sich wohlbegeben, Daß euch sein Dienst vergütet das Leid, das er euch that: Er soll es nichtentgelten, daß ihr ihn gebunden saht." Da ließ sie Hagnen führen in einHaftgemach, 2471 Wo Niemandihn erschaute und er verschloßen lag.Gunther der Edle hub da zu rufen an: "Woblieb der Held von Berne? Er hat mirLeides gethan." Da gieng ihm hin entgegen von BernHerr Dieterich. 2472 GunthersKräfte waren stark und ritterlich; Dasäumt' er sich nicht länger, er rannte vor

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den Saal. Von ihrer Beider Schwertern erhob sich mächtiger Schall. So großen Ruhm erstritten Dietrich seitalter Zeit, 2473 In seinem Zornetobte Gunther zu sehr im Streit: Er warnach seinem Leide von Herzen feind demMann. Ein Wunder must es heißen, daßda Herr Dietrich entrann. Sie waren alle Beide so stark undmuthesvoll, 2474 Daß von ihrenSchlägen Pallas und Thurm erscholl, Sohieben sie mit Schwertern auf die Helmegut. Da zeigte König Gunther einenherrlichen Muth. Doch zwang ihn Der von Berne, wieHagnen war geschehn. 2475 Manmochte durch den Panzer das Blut ihmfließen sehn Von einem scharfenSchwerte: das trug Herr Dieterich Doch

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hatte sich Herr Gunther gewehrt, dermüde, ritterlich. Der König ward gebunden vonDietrichens Hand, 2476 Wienimmer Könige sollten leiden solch einBand. Er dachte, ließ' er ledig Gunthernund seinen Mann, Wem sie begegnenmöchten, die müsten all den Todempfahn. Dietrich von Berne nahm ihn bei derHand, 2477 Er führt' ihn hingebunden, wo er Kriemhilden fand. Ihrwar mit seinem Leide des Kummers vielbenommen. Sie sprach: "König Gunther, nun seid mir höchlich willkommen." Er sprach: "Ich müst euch danken, vieledle Schwester mein, 2478 Wenn euerGruß in Gnaden geschehen könnte sein.Ich weiß euch aber, Königin, so zornig

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von Muth, Daß ihr mir und Hagen solchenGruß im Spotte thut." Da sprach der Held von Berne: "Königstochter hehr, 2479 So guteHelden sah, man als Geisel nimmermehrAls ich, edle Königin, bracht in eure Hut.Nun komme meine Freundschaft denHeimathlosen zu Gut." Sie sprach, sie thät es gerne. Da giengHerr Dieterich 2480 Mit weinendenAugen von den Helden tugendlich. Darächte sich entsetzlich König Etzels Weib:Den auserwählten Recken nahm sieLeben und Leib. Sie ließ sie gesondert in Gefängnisslegen, 2481 Daß sich nie imLeben wiedersahn die Degen, Bis sieihres Bruders Haupt hin vor Hagen trug.Kriemhildens Rache ward an Beiden

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grimm genug. Hin gieng die Königstochter, wo sieHagen sah; 2482 Wie feindseligsprach sie zu dem Recken da: "Wollt ihrmir wiedergeben, was ihr mir habtgenommen, So mögt ihr wohl noch lebend heim zu den Burgunden kommen." Da sprach der grimme Hagen: "Die Redist gar verloren, 2483 Viel edleKönigstochter. Den Eid hab ichgeschworen, Daß ich den Hort nicht zeige: so lange noch am Leben Blieb Einermeiner Herren, so wird er Niemandgegeben." "Ich bring es zu Ende," sprach das edleWeib. 2484 Dem Bruder nehmenließ sie Leben da und Leib. Man schlugdas Haupt ihm nieder: bei den Haaren siees trug Vor den Held von Tronje: da

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gewann er Leids genug. Als der Unmuthvolle seines HerrenHaupt ersah, 2485 WiderKriemhilden sprach der Recke da: "Duhasts nach deinem Willen zu Ende nungebracht; Es ist auch so ergangen, wieich mir hatte gedacht. "Nun ist von Burgunden der edle Königtodt, 2486 Geiselher der junge dazu Herr Gernot. Den Hort weiß nunNiemand als Gott und ich allein: Der solldir Teufelsweibe immer wohl verhohlensein." Sie sprach: "So habt ihr üble Vergeltungmir gewährt; 2487 So will ich dochbehalten Siegfriedens Schwert. Das trugmein holder Friedel, als ich zuletzt ihnsah, An dem mir Herzensjammer vorallem Leide geschah."

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Sie zog es aus der Scheide, er konnt esnicht wehren. 2488 Da dachte siedem Recken das Leben zu versehren. Sieschwang es mit den Händen, das Hauptschlug sie ihm ab. Das sah der König Etzel, dem es großen Kummer gab. "Weh!" rief der König, "wie ist hiergefällt 2489 Von eines WeibesHänden der allerbeste Held, Der je imKampf gefochten und seinen Schildrandtrug! So feind ich ihm gewesen bin, mirist leid um ihn genug." Da sprach Meister Hildebrand: "Eskommt ihr nicht zu gut, 2490 Daß sieihn schlagen durfte; was man halt mirthut, Ob er mich selber brachte in Angstund große Noth, Jedennoch will ich rächen dieses kühnen Tronjers Tod."

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Hildebrand im Zorne zu Kriemhildensprang: 2491 Er schlug derKönigstochter einen Schwertesschwang.Wohl schmerzten solche Dienste von demDegen sie; Was könnt es aber helfen, daßsie so ängstlich schrie? Die da sterben sollen, die lagen allumher: 2492 Zu Stücken lagverhauen die Königin hehr. Dietrich undEtzel huben zu weinen an Und jämmerlichzu klagen manchen Freund undUnterthan. Da war der Helden Herrlichkeit hingelegt im Tod: 2493 Die Leutehatten alle Jammer und Noth. Mit Leidewar beendet des Königs Lustbarkeit, Wieimmer Leid die Freude am lezten Endeverleiht. Ich kann euch nicht bescheiden, was

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seither geschah, 2494 Als daß manimmer weinen Christen und Heiden sah,Die Ritter und die Frauen und mancheschöne Maid: Sie hatten um die Freunde das allergrößeste Leid. Ich sag euch nun nicht weiter von dergroßen Noth: 2495 Die daerschlagen waren, die laßt liegen todt.Wie es im Heunenlande dem Volkhernach gerieth, Hie hat die Mär ein Ende: das ist _das Nibelungenlied_. * * * * * Statt der letzten fünf Strophen hat bfolgende sechs, die beiden letztenübereinstimmend mit A. Hildebrand im Zorne zu Kriemhildensprang. Er schlug der Königstochter einen schweren Schwertesschwang, Mitten

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wo die Borte den Leib ihr hatt umgeben.Davon die Königstochter verlieren mustihr werthes Leben. Das Schwert schnitt so heftig daß sienichts empfand, Das sie unsanft hätte berührt; sie sprach zuhand: "Dein Waffenist erblindet, du sollst es von dir legen: Esziemt nicht, daß es trage solch einzierlicher Degen." Da zog er von dem Finger ein goldenRingelein Und warfs ihr vor die Füße: "Hebt ihr das Fingerlein Vom Boden auf,so spracht ihr die Wahrheit, edel Weib."Sie bückte sich zum Golde: da brachentzwei ihr werther Leib. So war auch erlegen Kriemhild, o wehder Noth: Wie so gar unmüßig war da derTod. Dietrich und Etzel huben zu weinenan, Und inniglich klagen sah man so Weib

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als Mann. Da war der Helden Herrlichkeit hingelegt im Tod, Die Leute hatten alle Jammer und Noth. Mit Leid war beendet des Königs Lustbarkeit, Wie immer Leiddie Freude am letzten Ende verleiht. Ich kann euch nicht bescheiden wasseither geschah, Als daß man Fraun undRitter immer weinen sah, Dazu die edelnKnechte, um lieber Freunde Tod. Hier hatdie Mär ein Ende: das ist dieNibelungennoth.

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